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FOLKLORE STUDIES - MONOGRAPH No.2

Matthias Eder

Die Kulturgeschichte des japanischen Bauernhauses

TOKYO 1963 DIE !(ULTURGESCHICHTE DES JAPANISCHEN BAUERNHAUSES

Von MATTHIAS EDER, Tokyo Inhaltsübersicht

A. Das japanische Bauernhaus in seiner geschichtlichen Entwicklung I. Wohnstätten der Ur- und Frühgeschichte 1) Jömon-Period 2) Yayoi-Periode 3) Die Haniwa-Hausfiguren der Kofun-Periode als Quelle für die Geschichte des japanischen Hauses 11. Daisha-Bau und Wohnhaus 111. Das Wohnhaus in der Asuka- und Nara-Zeit IV. Das Wohnhaus der Heian-Zeit: neue Baugedanken in den Adelsresidenzen der Hauptstadt, der "Schlaf-· hallen" (shinden) -Bau \T. Der Kriegerbau 1) Kamakura-Zeit 2) Ashikaga-Zeit, Palastbauten VI. Der Schreibzimmerbau B. Das japanische Bauernhaus in der Neuzeit I. Der Hausbau 1) Zimmerleute 2) Wie ein Haus gebaut wird 3) Das Dach 4) Raumabtrennung im Hausinnern 11. Latrine 111. lVleidungshütte IV. Bad V. Der Feuerplatz, wirtschaftlich, religiös und sozial VI. Brennmaterial und Beleuchtung VII. Hausgötter VIII. Hausbausitten, sozial und religiös IX. Anlage eines Gehöftes, Speicher und andere Neben­ gebäude X. Wasserversorgung XI. Zur Typologie des japanischen Bauernhauses

Contents in English translation p. 174. 2 MATTHIAS EDER

A. Das japanische Bauernhaus in seiner geschichtlichen Entwicklung

I. Wohnstätten in der japanischen Ur- und Frühgeschichte

1) -Wohnstätten der J6mon-Periode

Allf Grund der sich von Jahr zu Jahr mehrenden Boden­ funde kann die japanische Urgeschichte i11 immer tiefere Zeit­ räume der Vergangenheit vordringen. Es steht heute auch fest, daß es in ein Paläolithikum gegeben hat. Hier brauchen wir uns nicht näher damit zu befassen, da die ersten Wohn­ hausreste aus der Früh-J6mon-Zeit stammen, die dem Meso­ lithikum angehört.1 Die J6mon-Zeit mit ihrer Jäger- und Sammelkllltur währte von 4500-250 v.ehr. Die ersten Wohn­ stätten finden sich zusammen mit Küchenabfallgruben, die zum größten Teil mit Muscheln gefüllt sind. Man zählt he'ute et\va zweitausend solcher Abfallgruben, die meisten davon sind in der Bucht von T6ky6 und entlang den Flüssen der Kant6-Ebene im Hinterland von T6ky6; weitere den Buchten von Matsushima und Ishinomaki in Nordost-Honshu, an der Atsumi-Bucht in der Aichi-Präfektur, an der Kojima-Bucht der Inlandsee, an mehreren Buchten von Kyushu im Süden und an allen Küsten von Hokkaid6 im Norden. Diese Mllschelhaufen enthielten häufig auch andere Gegenstände, dienten zuweilen als Bestat-

1) Nach einer der neuesten Chronologieaufstellungen, nämlich die von J. Edward Kidder, wird so eingeteilt: Frühestes J,() ca. 4500-3700, Früh-Jömon ca. 3700-3000, Mittel-Jömon 3000-2000, Spät-Jömon ca. 2000­ 1000, Spätestes Jömon ca. 1000-250. Vgl. J. Edward Kidder, Alt-Japan. Japan vor dem Buddhismus. Titel der Originalausgabe: Japan before Buddhism, London 1959. Deutsche übersetzung von Hans G. Schürmann, im Verlag M. DuMont Schauberg; Köln o.J. Eine noch eingehender detaillierte Tabelle ist zu finden im 1. Band des 13 bändigen Werkes bunkashi daikei [Enzyklopädie der japanischen Kulturgeschichte], Tokyo 1958; S. 21. Betreffs Paläolithikum: Nach J. Maringer weisen Werk­ zeuge der frühen und mittleren Schicht der Fundstätte Gongenyama bei Isezaki, Gumma-Präfektur, starke Ähnlichkeit mit d~r Patjitan-Industrie des frühen Paläolithikums auf Java auf. Vergl. Johann Maringer, A Core and Flake Industry of Palaeolithic Type from Central Japan, in: Artibus Asiae, XIX, 2, 1956, S. 111-125. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 3 tungsplatz und verbargen unter ihnen Wohngruben oder Wohn­ gruben fanden sich in ihrer nächsten Nähe.2 Aus dem Früh· Jömon wurden zwar noch keine Wohngruben gefunden} aber Muschelhaufenbefunde sprechen dafür, daß man damals schon längere Zeit am selben Orte siedelte. So setzt der Muschelhaufen von Natsushima bei Yokosuka, Kanagawa-Präfektur, eine Wohn­ dauer von etwa zehn Jahren voraus. Im Muschelhaufen finden sich Feuerbrandspuren an Steinen, die ersten, die man gefunden hat. Der Fund ist mit zirka 5.500 Jahren zu datieren, also noch aus dem Mesolithikum stammend, das in Japan bis gegen 3.000 herunterkommt. Der bisher älteste Wohnplatz mit Pfostenlöchern liegt in der Tochigi-Präfektur, Kitasöma-Distrikt) Tonemachi, im Muschelhaufen beim Dorfe Hayaohanawadai. Die Wohngrube ist rechteckig, wie auch anderswo in Fundplätzen aus dem FrÜh-JÖmon.3 Der älteste Feuerplatz, nicht nur Brandspuren an Steinen, kam in Murakami, Okasaki City, Aichi-Präfektur zum Vorschein. Er fand sich ebenfalls in einer Wohngrube und hatte 1 m Durchmesser. Durch die ganze Jömon-Zeit hindurch machte man überdachte Wohngruben, zirka 50 cm tief. Eine Grube wurde 40-50 Jahre gebraucht. In Kantö waren die Wohngruben der Früh- (5500-4000) und der Spätzeit (1500-300) viereckig, mit mehr oder weniger abgerundeten Ecken; in Mitte Jömon rund. Ein Beispiel einer Fundstätte mit Spuren einer Rund· hütte ist die von Ubayama bei Ishikawa City, Chiba-Präfektur.4 Am Ende von Mitte-Jömon gab es auch ebenerdige Wohn­ hütten, das Dach reichte auf den Boden herab. U!lgefähr in der Mitte der Grube war die Feuerstätte. So eine Hütte war 4-5 m lang, bot Schlafraum für eine Familie, würde hevte ein Zimmer

2) Kidder hält für wahrscheinlich, daß die Wohngruben unter­ halb der Muschelschicht benützt worden sind, bevor sich der Muschelhaufen ansammelte und als solche aufgegeben wurden, als der Muschelabfälle vor der Wohngrube zuviele wurden; a.a.O., S. 31 f. 3) In der Saitama-Präfektur, Iwatsuki City, Kuroya fand man eine rechteckige Wohngrube mit je drei Pfostenlöchern an der linken und rechten Längsseite. Nach den Keramikfunden zu schließen gehört die Grube dem mittleren Früh-Jömon an, ist also mit ca. 3300 v.Chr, zu datieren. Abbildung der Fundstätte mit den Pfostenlöchern {n Nih-on bunkashi daikei (NBD) , I, S. 142, Abb. 142. 4) Abbildung des Rundhüttenbodens mit Pfostenlöchern in NBD, I, S. 142, Abb. 184. über Ubayama vgl. Kidder, a.a.O., S. 34 f. 4 MATTHIAS EDER von 7-8 sein, also 16,52-18,88 Quadratmeter, was nach heutigen Begriffen für eine Familie äußerst wenig ist.5 Von etwa 3000 an ist ein bestimmter Wohnhüttentyp aus­ gebildet. Mitte-Jomon treten Hütten mit Steinboden auf. Dorf­ bildung gab es spätestens schon nach Mitte-Jomon. Siedlungen mit mehreren Haushalten gab es schon viel früher, nach Mitte­ J omon treten solche mit zehn Haushalten auf. Aufschlußreich ist der Fundplatz von Hiraide im Higashichikuma-Distrikt, Nagano-Präfektur. Man fand da Reste von 17 Wohnhütten aus Mitte-Jomon.

2) Wohnstätten der Yayoi-Periode

Die Grubenwohnungen bestehen in der Yayoi-Periode und der Bronze- und Eisenzeit weiter. Aus der Yayoi-Periode können wir uns bereits ein Bild Inachen von der Anlage eines Dorfes mit seinen Wohn- und Lagerhäusern und von der Lage und Größe der Felder mitsamt den Geräten, n1it denen diese be­ arbeitet wurden.6 Allmählich treten neben die Grubenwohnungen ebenerdige Wohnhäuser, entweder mit einem auf den Boden herabreichenden Dach oder mit anfangs niedrigen, später hohen Wänden mit Tür und Fenstern. Im Hausinnern tritt eine Scheidung zwischen Wohnplatz und Lagerplatz für Lebensmittel, Gefäße und Geräte ein. Es sind auch zweistufige 'vVohnplätze gefunden worden. Durch Vern1ehrung der Gebäude entsteht ein Gehöft. Nebengebäude waren Speicher und Herdhaus. Über diesen fortgeschrittenen Hausbau geben uns bereits Tonfiguren als Grabbeigaben (haniwa) reichliche Auskunft, ebenso ge­ gossene Abbildungen auf Bronzespiegeln und Bronzeglocken (dotaku). Ferner ist der Große Schrein von Izumo ein wert- voller Beleg für das Wohnhaus der späteren Yayoi-Zeit und der sich anschließenden Periode der Hügelgräber (kofun). In der Yayoi-Zeit beginnen bereits die Häuser mit erhöhtem Boden. Die Siedlungen nehmen beträchtliche Ausmaße an. In Kuga­ hara bei Tokyo fand man auf einer Fläche von ungefähr 500 Quadratmeter an die 100 Wohngruben beisammen.

5) Nach Kawazoe Noboru: Tami to no sumai [Wohnungen des Volkes und der Götter], T6ky6 1960; S. 56 f. 6) Vgl. "Bronze-Eisenzeit" in Kidder, a.a.O., S. 77-118. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 5

3) Die Haniwa-Hausfiguren als Quelle für die Geschichte des japanischen Hauses Für die Zeitspanne vom 3.-7. Jahrhundert n Chr. steht uns in den sogenannten Haniwa-Grabfiguren eine ausgibige Quelle tür die Geschichte des japanischen Hauses zur Verfügung. Es ist das die Periode der Hügelgräber. Ein Grabhügel von 3-4 m und mehr Höhe wurde künstlich errichtet, auf dessen Gipfel wurde für die Beisetzung eines steinernen oder hölzernen Sarges eine Grube von 2-3 m Tiefe ausgeworfen. Die Wände der Grab­ kammer wurden mit Steinen belegt. Mit dem Aufkommen der buddhistischen Leichenverbrennung verschwanden die Hügel• gräber allmählich. Die größten Grabhügel treten im 5. J ahr­ hundert auf. Die Hügelgräberkultur schließ sich unvermittelt an die vorausgehende Yayoi-Kultur an, die anfangs nur Stein­ geräte, später auch Bronze- und Eisenverwendung aufwies. Die Hügelgräber verbreiteten sich von Mittel-Japan nach Westen und Osten, ihre Beigaben spiegeln die Kultur der gesellschaft­ lichen Oberschicht wieder. Solche Beigaben legte man teils in die Grabkammer, teils stellte man sie auf den Grabhügel. Auf den Grabhügel stellte man nur Figuren, die Menschen, Häuser und Pferde in Lehm darstellten. Die Hausfiguren darunter sind für die Erforschung des Hausbaues vom 5. bis zum 7. Jahrhundert von großem Interesse. Über das Hausinnere können sie uns zwar keine unmittelbare Vorstellung geben, wohl aber über den gesamten äußeren Aufbau und viele Details davon. Die Hausfiguren auf Gräbern treten erst im 5. Jahrhundert auf. Die Yayoi-Kultur kannte nur Grubenwohnungen, deren Grundriß zu je 20ft1 rechteckig oder quadratisch, zu 60% rund war. In der Hügelgräberkultur verschwindet die Rundform ganz, zu 15-20'jj waren die Wohnungen rechteckig, zu 85~{ quadratisch. Der Wohnraum mißt in der Yayoi-Zeit 12-24 Quadratmeter, in der Hügelgräberzeit bis zu 110 Quadrameter. Die Tiefe der Wohngrube liegt um 40 cm herum. Aus den zahl­ reichen Fundstätten von Wohnhausplätzen hat man aus der Zahl deI' Pfostenlöcher Rekonstruktionen versucht, nach denen die Grube nur überdacht war und keine Hauswände gebaut wurden (Photos 1-5). Die Hausfiguren sind teils ohne, teils mit Hauswän- den. Auch Hausfiguren mit erhöhtem Fußboden gibt es. Im 5. Jahrhundert haben neben den Grubenwohnungen auch ebenerdige Wohnungen mit Wänden existiert. Wändelose Hausfiguren finden sich jedoch auch in der Spätzeit der Hügelgräberkultur, 6 MATTHIAS EDER zeigen aber so auffällige Stilisierungen, daß man sie kaum als Abbildungen zeitgenössischer Wohnhäuser ansehen kann. Immerhin scheint uns, die Tatsache, daß man wandlose Haus­ figuren auf das Grab stellte, spricht dafür, daß derartige Häuser den Leuten nicht unvorstellbar waren. Wahrscheinlich gingen beide Formen nebeneinander her. Flacherdige Wohnungen gab es bereits seit der mittleren Jömon-Periode neben den Grubenwohnungen. Da das Dach den größten Teil des Hausbaues ausmacht, klassifiziert man die Hausfiguren am besten nach den Dachformen und versucht, danach zu einer relativen Chronologie zu gelangen. Die Gruben­ wohnungen der Yayoi-Kultur hatten vorwiegend zweiseitige Dächer, der Eingang war unter dem Giebel. Die beiden Seiten des Daches reichten auf den Erdboden herunter. Wie aus anderen Indizien feststeht, hat die Hügelgräberkultur die Dach­ formen aus der Yayoi-Zeit übernommen, weist später aber auch eigene neue auf. Inzwischen sind auch Wohnungen mit Wänden immer zahlreicher geworden, ohne daß dadurch die Dachformen berührt worden sind Eine weitere Dachform ist die mit vier Dachflächen, zwei trapezoiden großen und zwei dreieckigen kleineren, die die zwei Schmalseiten des im Grundriß rechtecki­ gen Hauses überdecken. Bei den Hausfiguren finden sich nicht selten beide Formen zusammen xor. In der weiteren Entwicklung tritt eine Form auf, die man als Kombination der beiden genannten ansehen kann. (cf. Photo 9). In der Mitte oder zu Beginn der Endzeit der Hügelgräber• kultur treten Figuren mit komplizierten Dächern auf, deren realistische Darstellung ihr tatsächliches Vorkommen annehmen läßt. Die Aufeinanderfolge der Dachformen ist wie oben be­ schrieben: zweiseitige Dächer, dann vierseitige, dann eine Kombination von beiden. Die nur aus einem Dach bestehenden Hausfiguren kann man nicht ohneweiters als die frühesten ansehen, da sie eine sehr komplizierte Konstruktion aufweisen. Vielleicht sind bei ihnen die Hauswände nur weggelassen wor­ den. Wenn sie tatsächlich zeitlich später anzusetzen sind, muß man erklären, weshalb sie nicht früher aufgetreten sind. Ist doch die Grubenwohnung mit einem Dach darüber dem ebenerdigen Hausbau zeitlich vorausgegangen. Zeitweise haben beide Haus­ formen gleichzeitig existiert. Vorderhand soll uns aber die Erklärung dafür noch nicht beschäftigen. Von der Annahme ausgehend, daß die naturgetreuen, nicht stilisierten Hausformen die älteren sind, finden wir, daß die oben aufgeführten Haus- DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 7 typen gelegentlich auch zusammen auf einem Grabhügel gefunden wurden.7 Auch die kombinierte Dachform - ein zweiseitiges Dach ist einem vierseitigen aufgesetzt - kommt naturgetreu vor. Sie dürften Mitte oder zu Beginn der Endperiode der Hügel• gräberzeit anzusetzen sein (nach Goto). Die Stilisierung ist unverkennbar, wenn man die dekorativen Details und die hoch­ gezogene, in der Tiefe verkürzte Form betrachtet. Immerhin finden wir kein phantastisches, in der Bauchtechnik un­ durchführbares Beiwerk.8 Von Hausdarstellungen auf einem Bronzespiegel ist ebenfalls bekannt, daß ein zweiseitiges Dach mit einem Hause mit einem kombinierten Dach zusammengehen kann. Das Haus mit dem zweiseitigen Dach ist da zweistöckig, das mit dem kombinierten Dach hat keine Wände, stellt also eine Grubenwohnung dar.9 Die Grubenwohnung mit dem kombinierten Dach ist demnach zu Beginn der Hügelgräberzeit von der Yayoi-Zeit her noch nicht gebaut worden. Ein zweistöckiges Gebäude, ein Speicher, sehen wir auf einer Bronzeglocke abgebildet. Die Bronzeglocken (dotaku) 10

7) So in Inariyama und Chausuyama. Eine gute Studie über Grab­ figuren, besonders Hausfiguren hat Goto Shuichi, Nihon kodai bunka kenkyu [Studien zur Kultur des japanischen Altertums], Tökyö 1942; S. 83-174. Goto analysiert die Grabfiguren (haniwa) eingehend und findet, daß die frühesten Hausfiguren realistisch, die späteren zunehmend stilisiert sind. Das ist natürlich bei der Auswertung der Hausfiguren für die Geschichte des Hauses zu berücksichtigen. Es kommen die oben :1ngeführten Hausdachtypen alle auch realistisch vor und wurden ge­ legentlich auch zusammen auf einem Grabhügel gefunden, vgl. Goto, a.a.O., S. 148, Abb. 36 (Inariyama) und S. 151, Abb. 38, 9 (Chausu­ yama). Auch die kombinierte Dachform (ein zweiseitiges Dach einem vierseitigen aufgesetzt) kommt naturgetreu vor; Goto, a.a.O., S. 159, Abb. 45 (Hyuga, Nishitohara); S. 152, Abb. 39, 15 (Kawachi) . 8) Goto, a.a.O., S. 154 f., Abb. 41 u. 42. 9) Wir verweisen hier auf die Rekonstruktion eines solchen Hauses am Heimatmuseum Kyödokan in Koganei, Musashi (Kantö), wir bringen Photos von einem Haus im Bau und vom fertigen Haus. 10) Den letzten Stand der Forschung über die Bronzeglocken (dotaku) gibt Prof. Yahata Ichiro in seinem Artikel "Dotaku" in Nihon shakai minzoku jiten [Nachschlagebuch über Gesellschaft und Volks­ ~itten JapansJ, Bd. 3, S. 10003 f. Wir geben hier einige Angaben daraus wieder: Die dotaku sind bronzerne Musikinstrumente der Yayoi-Kultur. Die kleinsten sind 20 cm, die größten 150 cm hoch. Die Herkunft der dotaku ist umstritten. Die koreanischen Bronzeglocken wurden auf­ gehängt, die japanischen nicht. Die chinesischen sind in der Form ver- 8 MATTHIAS EDER gehören der Yayoi-Kultur an. Somit muß bereits vor der Hügelgräberkultur die Bautechnik zu fortgeschrittenen Zim­ mermannsarbeiten fähig gewesen sein. Auch die Grabfiguren zeigen, daß schon zu Beginn der Hügelgräberkultur alle Haus­ formen vorhanden waren, mit Ausnahme der mit dem vier­ seitigen Dach, das erst Mitte der Hügelgräberzeit auftaucht, also im Verlaufe des 5. J ahrh. Ein Drittel aller Fundplätze mit Grabfiguren und ein Viertel aller Hausfiguren sind im Lande Ueno in der Kantö-Ebene zu Tage gekommen. Das dürfte z.T. damit zusammenhängen daß hier die Grabfiguren am meisten studiert worden sind. Es scheint aber trotzdem noch, daß hier die Sitte, Grabfiguren aufzustellen, besonders stark herrschte. In Chausuyama in der Kantö-Ebene sind 16 Hausfiguren mit zweiseitigem Dach gefunden worden. Von anderen Orten sind es Funde von Häusern mit einem kombinierten Dach und Variationen des vierseitigen Daches, ferner mit einem Dach allein) zusammen 39, also Zweidrittel der Gesamtzahl.l1 Dagegen sind in Mittel-Japan, in Yamato, Kawachi und Izumi, bis jetzt noch wenig Hausfiguren zum Vor­ schein gekommen, obwohl diese Länder auf der zentralen Achse der Hügelgräberkultur liegen. Es wurden aber bis in die Spätzeit Hausfiguren gebraucht. Nach dem bisherigen Fundbestand sind realistische kombinierte Dachformen wohl in Mittel-Japan be­ kannt geworden, nicht in Ost-Japan; hier nur in stilisierter, abgewandelter Form. Kann sein, daß dieser Haustyp in Ost­ Japan nicht bekannt war und sich daher in den Hausfiguren nicht niedergeschlagen hat, wenn uns nicht künftige Funde eines anderen belehren.

schieden. Man hält die japanischen Bronzeglocken am besten für Er­ zEugnisse der einheimischen Yayoi-Kultur. 'Wahrscheinlich haben ~ie Vorläufer aus anderem Material gehabt, Bambus. Holz oder Eisen. Das Verbreitungsgebiet der d6taku liegt abseits der Zone des intensiv­ sten direkten Festlandeinfiusses. Man kann eine Bronzeschwerter­ Bronzelanzen-Zone und eine Bronzeglockenzone unterscheiden. Vielfach wurden eine Bronz2glocke oder mehrere zusammen, drei, sieben. acht, vierzehn, von einer Yayoi-zeitlichen Siedlung entfernt auf einem er­ höhten Ort in der Erde vergraben gefunden. 'Vahrscheinlich waren es Sakralgeräte der Dorfgemeinschaft, die beim Bewillkommnen von Göttern gebraucht und dann wieder vergraben wurden. Später gab es d6taku auch im Privatbesitz der Wohlhabenden als zeremonielle Geräte und zur Schaustellung. 11) Goto's Fundstatistik, a.a.O., S. 165 f. Rekonstruktionen urgeschichtlicher Hausbauten im Heimat­ museum (Kyodokan) in Koganei, Tokyo-Land (Photo 1-5)

PHOTO 1, a, b: Spät-Yayoi. Mittlerer Pfosten, 4 Eckpfosten. Vorn und rückwärts je ein Pfosten zum Stützen des Giebels. Feuerplatz in der Mitte. Satteldach. Nach einem Funde in Tsutayama bei Kawasaki, Kanagawa-Präfektur.

PHOTO 1, b PHOTO 2: Yayoi-Getreide­ speicher. Wände aus ge­ spaltenen Brettern im Photo noch nicht angebracht. An den vier Eckpfosten vor­ stehende Bretter zum Rat­ tenabhalten (nezumikaeshi), im Photo noch nicht ange­ bracht. Als Leiter ein Baumstamm mit eingekerb­ ten Stufen. N ach einem Funde in Toro, Shizuoka- Präfektur.

PHOTO 3, a, b: Wohnhaus aus der Zeit der Hügelgräber (kofun) , flacherdig, eiserne Handswerksgeräte gebraucht. Nach einer Grab­ figur aus Akabori, Chausuyama, Gumma-Präfektur. PHOTO 3, b

PHOTO 4, a, b: Grubenwohnung aus der Zeit der Hügelgräber. Rechteckig, 4 Pfosten, Feuerplatz an der N -Seite. In Musashino solche Grubenwohnungen zahlreich gefunden.

PHOTO 4, b PHOTO 5, a, b: Gruben­ wohnung aus der Nara­ Zeit (710-784). Nach einem Funde bei ­ bunji, Ta k y 0 - Land Bodenfläche ca. 16 m 2• Keine Pfosten. Dach nur mit herabfallenden Stan­ gen gebaut, wahrschein­ lich vierseitig, Giebel getrennt gedeckt, an sei­ nen Enden Rauchabzug­ löcher. Herd aus ge­ branntem Ton mit Tuch­ abdrücken an der N­ Seite. Eine weitere Rekon­ struktion zeigt ein Wohn­ haus aus Mitte Jömon (vor 4000 Jahren), wegen schlechter Lichtverhältnisse nicht photo­ graphiert. Rundhütte, Spitzdach. Die 6 Pfosten rund, in den Boden eingelassen. Herd in der Mitte. Tokyo, Bezirk Suginami, Shimo- takaido 2.

PHOTO 5, b DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 9

Die Bedeutung der Hausfiguren auf den Grabhügeln.12 Die Hausfiguren standen auf den Grabhügeln nicht direkt über dem Skelett, sondern davor. Die Figuren, die realistisch sind, also alte Haustypen wiedergeben, sind mit der Zeit weniger geworden. Es kam die Neigung zur Stilisierung auf, wobei die Höhe übertrieben wurde. Fenster und Eingang sind ebenfalls formalisiert worden. Das Dach wurde ungewöhnlich steil. Das war besonders dann der Fall, wenn die Figur nur das Dach wiedergab~ offenbar in der Absicht, es vom Fuße des Grabhügels aus gut sichtbar zu lnachen. Der Schmuck des Daches ist auf­ fällig betont, unproportioniert oder hat Muster, die an einem wirklichen Dach nicht vorgekommen sind. D8s alles ist bei der Verwertung dieser Hausfiguren als Quelle für den Hausbau der betreffenden Jahrhunderte in Anschlag zu bringen. Damit ist aber nicht die Bedeutung der Hausfiguren berührt. Die ver­ schiedenen Grabfiguren, also Personen, Tiere, Häuser und Geräte, sind je in ihrer Bedeutung verschieden. Verstorbenen Großen mußten l\:lenschen in das Grab folgen, bis von Kaiser Nintoku (313-399?) diese Sitte abgeschafft und die Menschen durch Figuren ersetzt wurden, so nach traditioneller Erklärung. Da aber das Auftreten der Grabfiguren beträchtlich später als Nintoku zu datieren ist, ist uns mit der genannten Tradition nicht gedient; dennoch bleibt die Möglichkeit bestehen, daß die Grabfiguren anstelle von Menschen getreten sind. Die japanischen Grabfiguren können schwerlich als Nach­ ahmung der chinesischen angesehen werden. In China hat man auf das Grab Menschen- und Pferdefiguren 2.US Stein gestellt. Jedoch die Zeit der japanischen Hügelgräberkultur entspricht in China der Zeit der Sechs Dynastien, während welcher steinerne Menschen- und Pferdefiguren auf Gräbern unbekannt waren. Auch kennt man in China die aus Tonzylindern bestehen­ den Einfassungen der Grabhügel nicht, ebenso nicht die Formung von Figuren auf der Basis eines solchen Zylinders. Die chine­ sischen Figuren kennen wohl Darstellungen von Häusern, Ge­ räten, Menschen und Tieren aus Ton, doch während der Sechs Dynastien wurden sie in das Grabinnere gestellt. Stilistisch sind die japanischen und chinesischen Figuren verschieden Trotz

12) Goto, a.a.O., S. 167 ff. 10 MATTHIAS EDER allem muß man die Möglichkeit irg,endeiner Beziehung der japanischen zu den chinesischen Grabfiguren offen lassen. Ver­ mutlich haben die Japaner von der chinesischen Sitte durch Hörensagen erfahren, sie dann mit ihren keramischen Kennt­ nissen aus der Yayoi-Zeit in landeseigenen Formen nachgeahmt. Formell haben die japanischen Figuren mit den chinesischen nichts gemein. In ihrer Funktion decken sie sich im Wesentlichen. Hinter den japanischen Figuren dürfte die Idee einer Über• siedlung eines verstorbenen Großen in das Jenseits gestanden haben. Die bewaffneten Krieger machen mehr einen zeremoniel­ len als einen kämpferischen Eindruck. Sie passen mit den anderen Menschendarstellungen gut in das Gefolge eines in feierlicher Prozession seinen Wohnsitz wechselnden Herrn. Menschliche Grabfiguren tauchen im 5. Jahrh. auf, blühten besonders im 6. und 7. Jahrh. Die Mehrzahl derselben ist männ• lich, sie schauen aus wie Gardisten aus der Heian-Zeit (794-858). Ihr Aufputz ist der von Soldaten unterwegs. Die weiblichen Figuren sind meistens Hofdamen, die zum Hofe des verstorbenen Fürsten oder Adeligen gehörten. Auch sie machen den Ein­ druck, als ob sie auf einer Reise begriffen wären, mit ihrem Herrn zusammen ins Jenseits. Die Pferdefiguren zeigen reichen Schmuck, der ebenfalls gut zu einem feierlichen Umzug paßt. Mit der Idee von einem Residenzwechsel lassen sich auch die Hausfiguren in Einklang bringen. Sie sind dann die sichtbare, symbolische Darstellung der neuen Residenz des Toten im J en­ seits. Der Schmuck der Hausfiguren weist auf eine Wohnung von Leuten hohen Ranges hin. Die ältesten Figuren zeigen ein rundes Giebelholz. Dann folgen Giebel, an denen quer über dieses Giebelholz mehrere kurze, walzenförmige Hölzer gelegt sind, in der Bauterminologieuogi 'Fischhölzer' genannt, Der Name hat mit der Form dieser Hölzer, bauchige Walzen; zu tun. Nur Vornehme durften solchen Schmuck als Rangabzeichen an ihren Häusern anbringen. Allmählich sank aber diese Sitte in untere Schichten ab. Die Querhölzer auf den Giebeln scheinen besonders zahlreich zu sein an Hausfiguren, die starke stilistische Verzerrungen aufweisen, also bei Figuren aus der Endzeit. Wenn mehrere Häuser auf einem Grabe zu finden sind, dann ist das mit dieser Giebelverzierung das Haupthaus. Außer durch seine Größe ist das Haupthaus durch diese Querhölzer als solches gekennzeichnet. Solche Dachgiebel zu haben war ursprünglich das Privileg der Kaiser. Das Kojiki (712) hat einen Abschnitt über Kaiser Yuryaku (457-479), worin dieser einem Vasallen DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 11 zürnt, der sich eine Nachahmung desselben angemaßt hatte,13 und worin auch getadelt wird, daß überhaupt die Adeligen der Provinzen sich dieser Anmaßung schuldig machten. Da solche Querhölzer eine Besonderheit der kaiserlichen Residenz waren, findet man sie an den bloßen Dachfiguren nicht. Auch nicht an den Hausabbildungen auf Metallspiegeln, die nicht vor dem 4. Jahrh. zu datieren sind. Die Kaiser haben kaum in Gruben­ wohnungen residiert, sondern in den fortschrittlichen ebenerdi­ gen Häusern mit erhöhtem Fußboden, die zugleich auch die ältesten bekannten Schreinbauten waren. Die Metallspiegel stammen aus einer Zeit, in der der Mißbrauch des genannten kaiserlichen Privilegs noch nicht eingerissen war. Ob die "Fischhölzer" (uogi) genannten Dachverzierungen jemals einem praktischen Zweck gedient haben, ist umstritten. Man glaubte, sie dienten zur Festigung des Riedgrases oder Schilfes, mit dem das Dach gedeckt war.14 Die beiden Enden der Hölzer seien mit Seilen an den Dachbalken festgebunden worden. Dadurch sei nicht nur das Schilf bei Wind festgehalten, sondern zugleich auch die Konstruktion des Giebels verstärkt worden. Später seien sie als Schmuck beibehalten worden. Es ist aber schwer einzusehen, wie sie zum Niederhalten der Dach­ bedeckung gedient haben könnten. Eher dienten sie zur zusätz• lichen Befestigung des Giebelbalkens. Die heutigen Querhölzer an Schinto-Schreinen sind eine bloße Verzierung ohne jede architektonische Aufgabe. Die Lesart "Fischholz" (uogi) ist nur eine von mehreren anderen. Dem Wort uogi können auch die Schriftzeichen für "Kordelholz" untergelegt werden. Das könnte andeuten, daß diese Querhölzer der Festigung des Giebels mit KurdeIn oder Seilen dienten. Man möchte aber annehmen daß man in der Grabfigurenzeit auf diese primitive Befestigung nicht mehr angewiesen war. Was immer ihr technischer Zweck gewesen sein mag, 'feststeht, daß diese Querhölzer als Ver­ zierung und Privileg beibehalten worden sind. Wiederum ist nicht klar, weshalb auf ihre Beibehaltung Wert gelegt wurde. Außer an Schreinen findet man sie heute nicht mehr. Eine weitere Eigentümlichkeit des Daches der Hausfiguren sind die an den Giebelenden sich kreuzenden und diese über-

13) Die Stelle lautet. [z3fc~W.~~Z~*ffjJ~ 14) Vgl. Sekino Sada, Genshi jidai no kenchiku [Bauen, in der Frühzeit], in: Chil8 shidan [Historisches Zentralorgan], VI, 1. 12 MATTHIAS EDER ragenden Hölzer. An heutigen Schreinen sieht man solche Hölzer noch, ohne daß man um ihren praktischen Zweck weiß. Es hat sich auch in ihnen, so wie in den Querhölzern mTI Giebel, eine alte Tradition erhalten. Die Grabfiguren geben aber über den praktischen Zweck der an den Giebelenden gekreuzten Hölzer eindeutig Auskunft. Sie sind die Enden von Brettern, die dem Dachrand herunter an die Schilfbedeckung angelegt sind und über den Giebel hinausragen. Allerdings sind Nach­ ahmungen davon an den Hausfiguren nicht häufig. An den auf Spiegeln abgebildeten drei Häusern sieht man sie. An den Ton­ figuren findet man wohl Bretter am Rande der Dachbedeckung, sie sind sehr breit, kreuzen sich aber nicht.15 Kein Fall ist be­ kannt von solchen Brettern an kombinierten Dächern. Zahlreich finden wir sie an Figuren, die nur ein Dach zeigen. Da diese Figuren sehr realistisch gehalten sind,16 darf man sie relativ früh datieren. Wir müssen annehmen, daß die Bretter daf: Scl1ilf des Daches vor dem Zerzaustwerden durch Wind schützen sollten.17 Die Hausfiguren zeigen vielfach solche Bretter von beträchtlicher Breite. Sie stoßen am Giebel zusammen, ohne daß sie gekreuzt wären, wenngleich sie über den Giebel vor­ stehen. Es frägt sich, ob die breiten Bretter oder die schmalen und schließlich die im Querschnitt rechteckigen Hölzer zeitlich früher anzusetzen sind. Da solche gekreuzten Hölzer heute nur mehr eine Formsache an Schreinen und Bauernhäusern in wenigen Gegenden sind, ist zu erwarten, daß erst die breiten Bretter da waren. Diese wurden mit der zunehmenden Ver­ besserung der Schilfbefestigung schmäler, gekreuzt, schließlich nur mehr dekorativ. Ihre Dekorwirkung sehen wir heute an zahlreichen Bauernhäusern der Matsumoto-Ebene, mit zwei­ seitigem Dach und gekreuzten Windschutzbrettern an den Dach­ rändern. Bei diesem zeitlichen Ablauf ist es möglich, daß in frühester Zeit, als das Zuschneiden von langen Brettern noch ein Problem war, grobe Balken am Dachrand angebracht wurden.

15) Vgl. Goto, 3.a.O., S. 150, Abb. 37, 7. An zweiseitig bedachten Häusern sind diese Bretter nur bei dem Beispiel von Ueno, Kaminegi gekreuzt. 16) Vgl. Goto, a.a.O., S. 155, Abb. 42 (35, 37). 17) Dr. Ichimura schreibt in Nihon kenchiku jiten-i [Nomenklatur des japanischen Bauwesens], daß die gekreuzt vorstehenden Hölzer ver­ längerte Bretter sind, die als Windschutz angeb!'acht waren. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 13

Die Hausfiguren zeigen uns ferner, daß sich an den Giebel auf beiden Seiten ein Gitterwerk anschließt. Es scheint aus Brettern u~d gespaltenem Bambus gemacht zu sein und war wahrscheinlich mit Kordeln oder Seilen am D?ch befestigt. Das heutige Bauernhaus zeigt über ganz Japan hin eine große Mannigfaltigkeit in der Verstärkung des Giebels und des oberen Teiles des Daches, irgendwelche und anscheinend schon kompli­ zierte Vorformen davon hat es also schon wenigstens im 5. J ahrh. gegeben. Die Dachbedeckung war im Altertum Schilf, Gras oder l8 Stroh . Auf Ziegeldächer lassen die Grabfiguren keinen Schluß zu. Rinde von Zedern (sugi) ist ebenfalls verwendet worden. In einer Quelle aus der Nara-Zeit (710-784) ist davon die Rede, daß die Häuser des Volkes mit Brettern gedeckt waren. Die Vorfahren der heutigen Bretterdächer in einigen Berggegenden finden wir also schon im Altertum. Die Hausfiguren der Hügelgräberzeit sagen uns, daß dHS Dach des japanischen Bauernhauses spätestens im 5. Jahrh. im vVesentlichen schon die heutigen Formen hatte. Das gilt für die drei hauptsächlichsten Dachtypen - zweiseitiges, vierseitiges, kombiniertes Dach - und von den Details der Bedeckung. So wie heute ist damals schon das Dach der wichtigste und am sorgfältigsten gebaute Teil des Hauses gewesen. Das ist nicht zu verwundern bei Häusern, die noch vor nicht langer Zeit blos aus überdachten Wohngruben bestanden haben. Vom Dach abgesehen ist das Haus der Frühzeit in mehreren Punkten vom heutigen Haus verschieden. So fällt an den Haus­ figuren das Fehlen einer Veranda () auf. Auf wenigstens zwei Seiten eine Veranda zu haben ist eine Besonderheit des japanischen Bauernhauses. Wie und wann diese Errungenschaft zustande kam, wird in einem späteren Kapitel gezeigt werden. Die tragenden Pfosten des Hauses sind in den Boden eingelassen worden. Das geschah zum Teil noch bis zum Beginn der Neuzeit. Bei den frühesten buddhistischen Tempelbauten stehen die

18) Im (Gebetsspruch) für das Ohodonohogai, einer Feier zur Abwehr von Feuersbrunst vom kaiserlichen Palast, steht, daß die Dächer des Palastes mit Gras gedeckt waren. Auch die Halle für das Große Erntefest war mit Gras gedeckt und zwar mit frischem. da die Halle nur für die Zeit der Feier gebaut wurde. 14 MATTHIAS EDER

Säulen bereits auf einer Steinunterlage. Die Häuser der Vor­ nehmen sind sicher auch bald so gebaut worden. Das erforderte höhere Zimmermannskunst und einen größeren Aufwand an Bauholz. Um nämlich Säulen und Pfosten stabil in ihrer Lage zu halten, müssen sie vom Boden auf miteinander verbunden werden, wobei weiteres starkes Bauholz und Kenntnis der Ver­ zapfungen und anderen Verbindungen nötig sbd. Die Säulen der Hausfiguren sind eckig, also zubehauen. Die Pfostenlöcher von Fundplätzen der vorausgehenden Periode deuten runde, in den Boden eingelassene Pfosten an. Das heutige Bauernhaus ist auf drei oder auch allen vier Seiten offen. In der Hügelgräberzeit war es noch nicht so. Der Raum zwischen den Pfosten war mit Wänden ausgefüllt. Wir finden an den Hausfiguren eine Türöffnung und Fenster. Die Fenster waren nicht groß. Sie konnten mit Mattengeflechten verdeckt werden. Das Hausinnere war somit dunkler wie beim heutigen Hause, immerhin bereits heller wie bei den alten Grubenwohnungen. Eine Raumabteilungen scheinen die Gruben­ wohnungen schon gehabt zu haben. Es findet sich zuweilen ein Steinbelag in einem Teil des Innern oder ein Teil hat einen erhöhten Boden. In der Zeit der Grabfiguren, besonders in deren Spätzeit, dürfte eine Zweiteilung schon häufig gewesen sein. Von den frühesten Schreinbauten wissen wir, daß das Innere in vier Räume abgeteilt war. Unbekannt ist aber, ob diese Schreinbauten auch für das Haus des gewöhnlichen Volkes etwas aussagen oder blos für das der oberen Schichten. Wenn auch im Volkshause der Wohnraum und der Abstellnlum vielleicht abgetrennt waren, wissen wir immer noch nicht, ob der Boden des Wohnraumes erhöht war oder nicht. Wahrscheinlich war ein solcher Boden im Hause der Gemeinen nicht allgemein. Der Boden dürfte blos Init Stroh oder Matten bedeckt gewesen sein. Wir wissen, daß das Bauernhaus bis in die Neuzeit herein nicht überall im Lande einen erhöhten Boden hatte, die Leute ließen sich auf dem mit einer dicken Schicht von Stroh und Matten bedeckten Erdboden nieder. Da die ältesten Schreinbauten eine gute Auskunftsquelle für das Wohnhaus der Oberschicht sind, wissen wir, daß schon lange vor der Nara-Zeit (710-784), also bereits in der Hügelgräberzeit, das Haus einen über dem Erd­ boden erhöhten Bretterbodern hatte. Dieser lag niedriger wie bei den heutigen Schreinen. Bei den Speichern lag der Bretter- DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 15 boden sehr hoch, sodaß eine Leiter notwendig wurde.19 Das Shösöin, das eine Schatzkammer aus der Nara-Zeit ist, hat eben­ falls einen erhöhten Boden, wenn auch nicht so hoch, daß eine Leiter notwendig wäre. Speicher mit erhöhtem Boden findet man heute noch in Tsushima zwischen Korea und Japan, in Hachijö• shima in den Izu-Inseln, in Amami-Oshima und Süd-Satsuma in Kyushu. Zum Hinaufsteigen ist eine Leiter notwendig, wie das auch beim Speicher der Ainu der Fall ist. Das Wohnhaus der Ainu ist ebenerdig. Der erhöhte Boden der Speicher dient zum Abhalten von Ratten und Schlangen und der Bodenfeuchtig­ keit. Unter den Grabfigurenhäusern finden wir keines, das man als Darstellung eines Wohnhauses mit erhöhtem Fußboden ansehen könnte. Die hohen Häuser unter den Grabfiguren haben keine Fenster, nur einen verschlossenen Eingang, sind also als Speicher oder Schatzkammern anzusehen. Dafür spricht auch, daß bei Gruppen von Hausfiguren auf einer Grabstätte ein als Wohnhaus für den Toten anzusehendes Haus ohne Stockwerk oder erhöhten Boden vorhanden ist. Zusätzliche Häuser sind kleiner und einfacher, offenbar für das Gefolge des Herrn gedacht. So liegt es nahe, daß das Haus mit erhöhtem Boden ein Speicher war. Wahrscheinlich stellen auch die hohen Häuser auf der Bronzeglocke (dotaku) und den Spiegeln Speicher dar. Wenn die alten Schreinbauten einen erhöhten Boden hatten, so vielleicht, weil sie zunächst Kammern für die heiligen Schätze waren und nicht Wohnungen für den göttlichen Geist. Ein altes Wort für Schrein ist , was zugleich Speicher bedeutet.2o Daß bestimmte Figuren Speicher darstellen, dafür spricht u.a. die eng verschlossene Tür. Über die Konstruktion des Inneren und Äußeren eines Hauses finden wir im Kojiki einige Stellen, aus denen hervorgeht, daß die Pfosten und Balken mit vielen Seilen verbunden

19) Im Kojiki, Abschnitt Suinin, wird erzählt, daß Inishiki no Irihiko no Mikoto zu seiner Schwester gesagt hat, er sei selber zu alt und könne die göttlichen Schätze nicht übernehmen, sie möge es an seiner Stelle tun, worauf die Schwester zu bedenken gab, sie sei eine schwache Frau und könne nicht auf den göttlichen Speicher steigen. Der Bruder versprach, ihr eine Leiter zu bauen. 20) Im Abschnitt Suinin des Kojiki wird der Speicher hokura, Speicher genannt, heißt heute , die Silbe ho könnte gut ein Hono­ rificum sein. 16 MATTHIAS EDER waren.21 Von Nägeln ist nicht die Rede. Die Stelle dürfte sich auf Häuser der niederen Schichten beziehen. Die durch die Grabfiguren veranschaulichten Häuser gehören einer höheren Kulturstufe an. Sie sind unter Verwendung von eisernen Zim­ mermannswerkzeugen gebaut worden, die auch aus Grabbeigaben bekannt sind. Eisennägel wurden gefunden, Bambusnägel be­ greiflicherweise nicht; solche waren sicher auch im Gebrauch, wurden noch in der Neuzeit verwandt. Sehr primitive Bauweisen haben sicher zugleich mit den besseren Bauten der Hügelgräber• zeit existiert: ein Haus mit rauchgeschwärzten Pfosten, Init Schlingpflanzen und Strohseilen zusammengehalten, das Dach mit Stroh und Schilf gedeckt, die Wände vom selben Material, außer dem Eingang ein kleines Fenster, der Fußboden mit Stroh oder Schilf belegt, die bessere Lagerstätte den Eltern vor­ behalten.22 Daß man noch lange bei den Grubenwohnungen stehen geblieben ist, sieht man daraus, daß es überall Fund­ stätten davon gibt. Ein Beispiel aus Musashi, einer alten Provinz in der Nähe des heutigen Tokyo, zeigt einen Grundriß von 8 X 5,38 m, war eine Grubenwohnung von ansehnlicher Größe (Photo 4). Ein Gehöft von Wohlhabenden bestand aus mehreren Gebäuden. An den Hausfiguren von Chausuyam.a in Kanto23 sehen wir, daß im 5. J ahrh. ein Reicher der Provinz ein Gehöft von drei Wohnhäusern, sechs Speichern und eine Lagerhütte hatte, also zehn Gebäude. Die Gehöfte waren wahrscheinlich mit einem Zaun aus Schilf oder Bambusgeflecht umgeben. Aus etwas späterer Zeit, 2. Jahr Keiun (704-707) sagt eine Quelle: "An den Gräbern der Clanahnen und den Gehöften der Bauern werden Bäume gepflanzt, die einen Hain bilden. und im Umkreis von 20 bis 30 Schritte gibt es kein einschränkendes Verbot [für die Anlage eines Haines]".24 So ergibt slch das Aussehen der heutigen Gehöfte. Die Neigung zu Streusiedlungen scheint in der Hügelgräberzeit aufgekommen zu sein, bis dahin siedelte man in Gruppen. Allerdings dürften von den in Gruppen ge-

21) Goto führt a.a.O., S. 221 Stellen aus dem Kojiki an, die näher beschreiben, wie beim Hausaufstellen Pfosten und Balken mit Seilen und Ranken von Schlingpflanzen zusammengebunden werden. 22) Goto, a.a.O., S. 218 führt dafür aus der RIten Literatur eine Quelle an. 23) Goto, a.a.O., S. 218. 24) Die Quelle, ein kaiserlicher Erlaß, ist zitiert bei Goto, a.a.O., S. 219. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 17 fundenen Wohngrubenresten nicht alle zu gleicher Zeit bewohnt gewesen sein, man benutzte alte Gruben von neuern, wobei man sie höchstens erweiterte.

H. Daisha-Bau und Wohnhaus Die Hügelgräberperiode (3.-7. Jahrh.) ist eine Zeitspanne, in der sich wirtschaftliche und soziale Schichten bildeten. Die Aristokraten wohnten anders als die Bauern. Die Wohnkultur ging bei den oberen und unteren Schichten je ihre eigenen Wege. Über das Volkshaus geben uns Bodenfunde aus der Yayoi- und Haji-Periode weitgehende Auskunft. Für die Yayoi-Kultur ist die Fundstätte Toro, für die Haji-Kultur die von Hiraide typisch, was das Volkhaus betrifft. Über die V/ohnweise der Oberschicht und der Unterschicht gewinnen wir auch Einsicht aus den Häuser und Speicher darstellenden Grabfiguren und Abbildungen auf Bronzespiegeln und einer Bronzeglocke. Wohnplätze der Oberschicht sind bis jetzt noch keine gefunden worden. \Vas außer den Gräbern an Bauresten aus der Hügelgräberkultur zutage kam, sind Reste von Verteidigungsanlagen, wie Burgen und Palisaden,_ die gegen Feinde aus dem Osten und Westen gebaut wurden. Auch sind als Reste von Kaiser- und Adels­ palästen der ausgehenden Hügelgräberperiode Säulenlöcher, Brunnen und Wassergräben gefunden worden. Einige Eigen­ schaften davon deuten noch 2uf Grubenwohnbautechnik hin, andere wieder zeigen wahrscheinlich doch schon chinesischen Einfluß.25 Auf Einzelheiten muß an anderer Stelle eingegangen

25) Ein Beispiel einer Palastfundstätte aus der Asuka-Zeit ist die eines Palastes, der vermutlich der Ikaruga-Palast von Sh6toku Taishi (572-621) war, des Prinzen, der viel für die Ausbreitung des Buddhismus arbeitete. Bei Ausbesserungsarbeiten am T6jiin von H6ryuji im Jahre 1939 fand man einige zehn Säulenlöcher, Brunnen und Wassergräben. Es scheint aber, daß nur ein Teil der Palastanlage zum Vorschein kam. Nach den bisherigen Funden zu urteilen hatte die Anlage vier größere Gebäude mit Brunnen und vier kleinere mit Brunnen. Die Grundrisse der beiden Gruppen überschneiden sich, die mit den kleineren Gebäuden dürfte die ältere sein. Auch bei den alten Grubenwohnungen wurde derselbe Platz vielfach mehrmals besiedelt. Der Ikaruga-Palast ist nach dem Nihon-shoki (verf. 720) im Jahre 601 (Suiko 9) erbaut worden. Im Jahre 643 (K6gyoku 2) brannte er ab. Nähere Beschreibung der gefundenen Überreste mit Abbildungen in NBD, II, S. 245. Das Fehlen von Resten von Feuerstellen und Herden, die große Anzahl der Säulen• löcher, Brunnen und Wassergräben zeigen bereits eine fortgeschrittene, 'Nohl vom Festland übernommene Bautechnik. 18 MATTHIAS EDER

werden. Die weitaus meisten Kaiserpalastreste gehören nicht mehr der Hügelgräberzeit an, sondern der Vor-Nara-Zeit~ als jeder Kaiser seine Residenz von der seines Vorgängers wegver­ legte oder sie auch während seiner Regierungszeit wechselte. Eine fundamentale These der japanischen Baugeschichte ist, daß die Izu mo-Daisha, also der Große Schrein in Izumo: zu­ sammen mit den anderen ältesten Daisha wie ein Wohnhaus der Aristokraten der Hügelgräberzeit gebaut wurde. Danach haben wir in diesen Schreinen ein Auskunftsmittel über den Wohn­ hausbau aus der Zeit unmittelbar vor der Übernahme chine­ sischer Bauweise. Diese These wird in der einschlägigen Literatur allgemein vertreten. Wir müssen in1 Folgenden sehen, wie sie begründet ist. Über die Entstehung der Izumo-Daisha als Palast geben uns historische Quellen Auskunft. Andere große Schreine der alten Zeit sind im Wesentlichen so gebaut wie der Palast von Izumo. Wenn dann allmählich Abwandlungen eintreten, können wir doch noch den Zusammenhang mit der frühesten Bauweise erkennen. Der Schrein von Izumo ist so gebaut wie die Paläste des Kaisers und der hohen Aristokratie der damaligen Zeit. Über das Wohnhaus der Oberschicht sagen uns auch die Haus­ figuren der Hügelgräberzeit manches. Daß der früheste Schrein­ bau ein Wohnhaus war, wird auch dadurch erhärtet, daß es heute noch Wohnhäuser in Mittel-Japan, im alten Kultur­ zentrum, gibt, deren Grundplan mit dem der Izumo-Daisha übereinstimmt. Zunächst wird eine Beschreibung des Schreines von Izumo am Platze sein, seiner Bauweise, seiner Raumverteilung, der Form seines Daches und der Verzierungen daran. Der Grundriß der Daisha ist quadratisch. An jeder Ecke steht eine Säule, eine weitere in der Mitte jeder Seite und eine im Mittelpunkt des Grundrisses. Der Giebelbalken des Daches ruht unmittelbar auf den drei mittleren Säulen auf. Die Säulen sind in den Boden eingelassen. Das Dach ist zweiseitig, also ein Satteldach. Der Eingang ist zwischen der mittleren Säule und der Säule an der Ecke links davon. Zwischen der Säule in der Mitte des Raumes und der Säule links davon ist eine Bretterwand, hinter welcher Ökuninushi, die Gottheit des Schreines verehrt wird. Der Boden ist sehr hoch gelegt, bedeutend höher als es beim heutigen Wohn­ haus der Fall ist, nämlich, in japanischen Maßen, 12 6 sun, ungefähr 3,65 m. Zum Boden führt vor dem Eingang eine fünf• zehnstufige Treppe hinauf. Die Neigung des Schilfdaches beträgt DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 19

45 Grad. Als Kultstätte muß der Izumo-Schrein viel älter sein, geht in das mythologische Zeitalter zurück. Im Jahre 659 wurde der Schrein auf Befehl der Kaiserin Saimei (655-661) repariert. Die Schreinanlage dürfte zumindest zu dieser Zeit festgelegt worden sein. Der heutige Bau stammt aus dem Jahre 1744. In der Schreinüberlieferung betrug früher die Höhe des Baues 18 ja, ungefährt 54,54 m; noch früher 32 ja, 96,96 m. Man kann diese Maße nicht ohneweiters als phantastisch ablehnen. Am Tempel Todaiji in Nara stand bis zu einem Kriegsbrand im Jahre 1108 ein 33 jo, 99,99 m hoher Holzturm. Die Quellen sagen, daß der Bau in Izumo mehrmals urngefallen sei.26 Im Hinblick auf die riesenhaften Grabanlagen der Hügelgräberperiode ist es denkbar, daß die damaligen Machthaber auch einen solchen monumentalen Holzbau erzwingen konnten. Heute liegt der Fuß• boden 4,5 m hoch, Bei der früheren Höhe des Schreines muß er etwas über 30 m gelegen sein.27 Die Professoren Fukuyama Toshio und Horiguchi Sutemi von der Meiji-Universität haben aus Angaben alter Quellen den Aufrißplan des früheren Schreines rekonstruiert mit dem Ergebnis, daß der Bau 48,48 m hoch war. Eine gut 100 m lange Brücke führte vom Meeresstrand zur Veranda und dem Eingang hinauf, statt der jetzigen Treppe. Das Maru Building vor dem Bahnhof von Tokyo ist 30 m hoch. Mit seinen 24,24 m ist der Schrein auch heute noch beträchtlich höher wie der Große Schrein von Ise. Andere noch erhaltene hohe Holzbauten in Japan sind ein Turm am Tempel Daigoji (erbaut 902) südöstlich von Kyoto mit 36 m Höhe und ein Turm am Tempel Toji (erbaut 796 von Kobo Daishi) südlich von Kyoto mit 54 m Höhe. Die ersten Quellen, die über den Bau des Schreines von Izumo berichten, sind das Kojiki (712) und das Nihongi (720). Sie sagen, daß der Schrein zustande kam, als Gegenleistung des Herrschers des Yamato-Clans für die Abtretung des Landes Izumo durch dessen Herrn Ökuninushi. Der letztere sollte in einem Palast wohnen, der dem des Himmelsenkels (Kaisers) an Größe und Schönheit ebenbürtig ist. Nach dem Nihongi erhielt Ökuninushi den Palast von Kamumusubi, einer kaiserlichen

26) Nach einer Abbildung aus der Kamakura-Zeit (1192-1333) lag er damals dreimal so hoch. Horiguchi Sutemi hat nach dieser Abbildung den Aufriß des Schreines rekonstruiert. Die Rekonstruktion ist abge­ bildet in Kawazoe Noboru, Tami to kami 110 sumai, T6kyo 1960, S. 143. 27) Die Quellen zitiert Kawazoe, a.a.O., S. 152; als Jahre des Um­ fallens werden angegeben 1031, 1061, 1141. 20 MATTHIAS EDER

Ahnengottheit. Das 5. Jahrhundert ist die Zeit der Giganten unter den Hügelgräbern.28 Das Grab des Kaisers Nintoku be­ deckt eine Fläche von über 32 ha und ist 820 m lang, von drei Wassergräben umgeben. Daran muß ein Heer von Fronarbeitern viele Monate gearbeitet haben. Als Kaiser Ingyö (412-453) starb, schickte der König von Silla in Korea achzig Schiffe voll mit Trauergästen zur Beisetzungsfeier. Wieviele Gäste mögen sich erst aus dem Inlande eingefunden haben. Grabanlagen solchen gewaltigen Ausmaßes waren nur möglich bei einem großen Abstand zwischen despotischen Aristokraten und hörigen Unter­ tanen und bei fortschrittlicher Technik. Man kann sich unschwer vorstellen, daß so ein Despot in Izumo auch die Verwirklichung seines extravaganten Palastplanes erzwingen konnte. Da der Izumo-Schrein an einer Meeresbucht liegt, die für den Verkehr mit Korea als Hafen diente, mag Protzsucht die Ausmaße des Palastbaues bestimmt haben. Palast- oder Schreinbauten von solcher Riesenhöhe sind sonst aus keiner Zeit der japanischen Geschichte bekannt. Wie Kaiserpaläste ausgesehen haben, wissen wir nicht. Es ist mög• lich, daß Kaiser- und Aristokratenpaläste sich in ihrer Höhe unterschieden. Aus der Hügelgräberzeit wissen wir, daß es Wohnhäuser mit erhöhtem und mit ebenerdigem Boden gab. Ein anschaulicher Fall ist die schon erwähnte Fundstätte von Chausuyama, wo eine Gruppe von zehn Hausfiguren gefunden wurde. Die Hausfiguren bestehen aus 3 Wohnhäusern, 6 Spei2hern und 1 Abstellhütte. Die Form des Grabhügels, vorn rechteckig und rückwärts rund, zeigt, daß es sich um die Grab­ stätte eines Reichen handelt. Rückwärts auf dem abgerundeten Teil des Hügels stand eine Hausfigur mit einer Giebelverzierung, nämlich quer über dem Giebel angebrachte runde Hölzer, die eigentlich nur ein Privileg des Kaisers waren. häufig aber auch von Aristokraten an ihren Häusern angebracht wurden. Dann folgen zwei Häuser einfacherer Aufmachung; sechs wahrschein­ lich Speicher sein sollende Häuser schließen sich an, den Abschluß bildet ein Haus, das eine Abstellhütte darzustellen scheint. Das Haus mit der Dachverzierung ist das größte unter allen zehn Häusern. Ein zweites Wohnhaus, ohne Dachverzierung, ist etwas kleiner wie das erste, es könnte vielleicht das Haus für die Kinder des Gutsherren darstellen. Daß es sich um einen

28) Vgl. J. E. Kidder, Alt-Japan, S. 134 ff. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 21 wohlhabenden Gutsherren handelt, sieht man aus der großen Anzahl \'on Speichern.29 Das Haupthaus, das durch die Dach­ \·erzierung. nämlich fünf Querhölzer auf dem Giebel, als Adels­ \\'ohnung gekennzeichnet ist, hat keinen erhöhten Boden.30 Dieses Beispiel von Hausfiguren aus Chausuyama mit seiner kompletten Gruppe von Gebäuden für ein Gehöft zeigt uns, daß das Wohnhaus mit erhöhtem Boden unter den Reichen und Adeligen bestimmt nicht die Regel war, jedenfalls nicht in der Mitte der Hügelgräberzeit im 5. Jahrhundert. Daß ein erhöhter Boden zusammen mit Dachverzierungen (an den Giebelenden über den Giebel hinausragenden zwei sich kreuzende Bretter­ genannt - und fischähnliche Querhölzer auf dem Giebel) und einer Umzäunung des Haupthauses eine Auszeichnung der Aristokratie waren, wissen wir, soweit archäologische Funde in Frage kommen, von Hausabbildungen mit erhöhtem Boden. Die Izumo-Daisha ist ein Wohnhaus mit ungewöhnlich hoch gelegtem Boden. Diese Höhe wird ein Despoteneinfall sein, aber es scheint, daß es einmal eine Zeit gegeben hat, in der man den Fußboden wesentlich höher gelegt hat, wie es in den heutigen \Vohnhäusern der Fall ist. Heute finden wir solche Hochboden­ häuser (takatoko sumika) nur in Okinawa in der Ryukyu-Kette und in Hachijoshima, einer abseits gelegenen Insel der Izu-Kette südlich von der Kanto-Ebene. Das sind keineswegs etwa im Wasser stehende Pfahlbauten. Fundstätten entlang der Tokyo-

29) Im Nihon rekishi daijiten [Handbuch der japanischen Ge­ schichte] (im Folgenden zitiert NRD) Bd. 13, S. 2 ist der Grabhügel• fund von Chausuyama folgendermassen beschrieben: vorn eckig. rück• wärts rund. Nach den Beigaben zu schließen aus dem 5. Jahrh. Am runden rückwärtigen Teil Grabfiguren (haniwa) gefunden worden: Stuhl, hohe Becher, Hahn; Menschenfiguren keine, 10 Hausfiguren. Letztere wenig formalisiert, Haupthaus, Nebenhal~s, Speicher. Stellt das Gehöft eines Reichen der Provinz dar. In der Grabkammer Sarg aus angekohltem Holz, der erste Fund eines solchen. Später in M~ttel-Honshu entlang dem Japanische Meere wiederholt gefundEn worden. 30) In NBD, I, S. 218 zeigt Abb. 294 das Haupthaus unter den Hausfiguren des Hügelgrabes von Chausuyama. Das Haus hat auf der Längsseite 4 Pfosten, auf der Schmalseite 3. An der Längs- und Schmal­ seite je 2 Fenster. Rückwärts an der Längsseite eme Tür. Die obere Hälfte des Daches ist mit Netzgefl2cht und mit horizontal und vertikal verlaufenden Bändern niedergehalten. Auf dem Giebel, immer über einem vertikalen Bande, 6 Querhölzer. Figur des Haupthauses 53 cm hoch. Verwahrt im Staatlichen Museum in Tökyö. 22 MATTHIAS EDER

Bucht waren wahrscheinlich solche.31 Aus der Yayoi-Zeit zeigen uns Hausabbildungen auf Keramik und einer Bronzeglocke Häuser mit erhöhtem Boden. In der darauf folgenden Hügel• gräberzeit finden wir Darstellungen von solchen Häusern auf Wandbildern in Hügelgräbern und auf Bronzespiegel. Es ist aber nicht immer klar, ob es sich um Wohnhäuser oder um Speicher handelt.32 Zur Interpretation dieser Hausdarstellungen kann man an­ nehmen, daß nicht alle Häuser mit Hochboden Speicher waren. Es ist nicht wahrscheinlich, daß die Hausabbildung auf einelTI Spiegel mit weit vorstehender Veranda und einem Schirm dar­ über einen Speicher darstellen soll.33 Freilich bleibt zu erklären, weshalb die Veranda nicht die Fortsetzung des Hochbodens ist, sodaß der Hausherr vom Zimmer unmittelbar auf die Veranda heraustreten kann. Hier können wir nur vermuten. Nicht alle Abbildungen an archäologischen Objekten zeigen Häuser von

31) In Onitaka, Ishikawa City, Chiba-Präfektur wurden im Jahre 1937 einige hundert Pfähle aus der Haji-Periode gefunden. Auch in Kisarazu, Chiba-Präfektur kamen Pfahlbaureste ans Licht. Vgl. NBD, I, S. 256. Die Pfahlbauten im Suwa-See, Nagano-Präfektur sind bekannt. 32) In NBD, I, S. 340 gibt Abb. 444 Details von Hausformen, (1) gibt Hausabbildung auf einer Yayoi-Keramik wieder, zeigt eine Leiter, die zum Hochboden hinaufführt, und das Dach. Zwei Personen stehen auf der Leiter. Die Leiter führt in den Dachboden. Darin dürfte dem­ nach der Speicherraum gewesen sein. Fund aus Nara-Präfektur. In (2) ist Hausfigur auf einer Bronzeglocke gegossen wiedergegeben, ein auf hohen Pfählen stehendes Haus, eine Leiter führt auf den Hochboden. In (3) sieht man ebenfalls einen Hochboden, auf den eine Leiter hin­ aufführt. In (6) führt auf einer Seite eine Leiter auf den Hochboden, auf der gegenüberliegenden Seite sieht man etwas niedriger als der Hochboden eine Veranda, schräg darüber eine Stange mit einem Schirm daran. (3), (4) und (6) sind Abbildungen auf einem Bronzespiegel, gefunden in Samida, Dorf Kawai, Kitakatsuragi-Distrikt, Nara-Präfektur. Der Spiegel ist ganz im Stil der Han-Spiegel gehalten, doch ist der Inhalt der Abbildungen rein japanisch. Um den Mittelpunkt des Spiegels sind vier Hausfiguren angeordnet. Auf dem oberen Hause ist der Boden schwach angedeutet. Links davon ein Haus mit Hochboden, auf einer Seite eine Stange schräg über einer Veranda angebracht, schaut aus als ob an seiner Spitze ein Schirm befestigt wäre (Abb. 470, a.a.O., S. 358). Im Hause unten ebenfalls Hochboden mit dazu hinaufführender Treppe. Rechts davon ein Dach wie bei einer Grubenwohnung. Das Haus unten hat ein Satteldach, die drei anderen haben ein kombiniertes Dach. 33) Hausfigur mit Veranda und Schirm darüber wiedergegeben in Abb. 444, 6, NBD, I, S. 340. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 23

ABB. 1

~O .. - - .. - -

Izumo Ötori (Ösaka)

..

,..

Ise

Sumiyoshi (Ösaka)

Entwicklung von Schreintypen aus einer Aristokratenwohnung (Izumo) zu einem Kultbau 24 MATTHIAS EDER gleicher Größe. Das Haus mit der Veranda mit seinen \':Er Pfosten auf einer Seite ist ein größeres, andere haben n'-.lr Gre: Pfosten, ebenfalls mit Hochboden und Treppe oder Leiter Lee das nicht nahe, daß sowohl Wohnhäuser wie Speicher einer: Hochboden hatten? In der Hausabbildung Ruf einem Yayoi­ 3 Keramikfragment führt die Treppe unmittelbar unter das Dac1-:. '; Da denkt man am liebsten an einen Speicher. Eine \Vohnu1l2 ist aber nicht ausgeschlossen. Die Wohnhäuser der Igoroten 3uf den Philippinen sind Häuser mit Hochboden, ein Baumstamm mit eingekerbten Stufen führt in den Dachraum, wo die Schlaf­ stätte ist, sogar mit einer kleinen Feuerstelle, der Rauch zieht durch eine kleine Öffnung im Dach ab. Die Speicher in Oki­ nawa bestehen aus einem Hochboden mit Dach darüber, ohne Wände, eine aus einem Baumstamm gefertigte Treppe führt von unten in das Innere des Daches, so wie beim Igorotenhaus. Wir haben anderswo die Frage der Entstehung des japa­ nischen Hochbodenhauses zu behandeln. Wie vollzog sich der Übergang von der Grubenwohnung zu Hochbodenbauten? Wie entstand das Bauernhaus, in dem ein Teil ungedielter Boden ist, der andere Teil auf erhöhtem Bretterboden in Zimmer eingeteilt ist? Fukuyama Toshio vertritt vorsichtig die Ansicht, daß sich der Schreinbau des Shimmei-Typs (Ise-Schrein) aus dem aus Pfosten und Brettern gebauten Getreidespeicher mit Hochboden der Yayoi-Zeit entwickelt hat.35 Hochboden. zweiseitiges Dach, Bretterwände zwischen runden Pfosten finden wir sO\\"ohl am Ise-Schrein wie an Getreidespei.chern. Ein aus Holz gebauter Speicher ist auch das Shosoin in Nara.36 Ein Speicher. in dem sakrale Schätze und Opfergaben verwahrt wurden. \\"urde mit der Zeit zu einer Schreinhalle. Der Speicher mit Hochboden \\"urde unseres Erachtens auch für Wohnzwecke yen\'ertet und alisc::ebaut. Im Izumo-Schrein ist die Adaptierung des aus dem Speier.er­ bau entstandenen Aristokratenwohnhauses für Kultzwecke noch nicht \'ollzogen. Das Aristokratenprivileg des Hochbodens is~ überbetont. war es früher noch mehr. Daß der Schrein nur einen Raum hatte, kommt von den Wohnhäusern der Zeit. Auch

34) NBD. 1. S. 340, Abb. 441, 1. 35) NBD. H. S. 241. 36) Kaiserlich'?s Schatzhaus, erbaut 756 im Bezirk des Tempel::: T6daiji. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 25 viele andere Schreine in Izumo sind SO.37 Die Bretterwand zwischen Eingang und Göttersitz hat in Resten von Gruhen­ wohnungen ihre Parallele. Zur Steigerung der religiösen Ehr­ furcht wurde bei Wahrung anderer Wohnhausmerkmale der Göttersitz gegenüber den Besuchern gleich hinter den Eingang verlegt. So wie bei dem von Izumo ist auch bei den Schreinen von Otori und Sumiyoshi der Eingang an der Schmalseite des Gebäudes. Wie in Izumo ist auch in Otori der Grundriß quadratisch, jedoch fehlt die mittlere Säule. Sie machte bei der Gestaltung des Kultraumes Schwierigkeiten. Der Raum wurde in einen Vorraum und einen Innenraum abgetrennt, beide Räume wurden durch eine Tür verbunden. So ist es auch beim Sumi­ yoshi-Schrein, doch hat dieser schon einen rechteckigen Grund­ riß. Bei dem ebenfalls rechteckigen Ise-Schrein ist der Eingang bereits an der Längsseite, wie es dann für Schreine üblich ge­ worden ist. Der Ise-Schrein hat nur mehr einen Raum, der Göttersitz ist gegenüber dem Eingang rückwärts in der Mitte. Im Ise-Schrein hat die Entwicklung des Aristokratenwohnhauses zu einem Kulthaus im Wesentlichen ihren Abschluß gefunden.38 (Abb. 1). Soviel zum Hochboden im Aristokratenwohnhaus einerseits und dem Ise-Schrein und anderen alten Schreinen andererseits. Außer dem Hochboden finden wir noch weitere Übereinstim• mungen zwischen dem Wohnhaus der Hügelgräberzeit und dem Izumo-Schrein. Am heutigen Bauernhaus, das keine Wände kennt, ist für Fenster kein Platz. In der Nara-Zeit hatte das Volkshaus Wände aus Brettern. Das Bretterschneiden und die Verwendung von Brettern für den Hausbau ist das Ergebnis einer langen Entwicklung der Zimmermannskunst, wie sie vom Festland gelernt wurde. Die Grubenwohnungen hatten zunächst keine Wände, somit auch keine Fenster, nur eine Tür, die mit Mattengeflecht verhängt wurde. Den Übergang vom Wohnhaus ohne zu dem mit Wänden sehen wir an den Grubenwohnungen von Hiraide, die der Haji-Periode angehören.39 Daß ebenerdige

37) Nach Kon Wajiro, Nihon no [Das japanische Volkshaus], Tokyo, 1943, S. 55 f. 38) Grund- und Aufriß der Schreine von Izumo, ötori, Sumiyoshi und Ise bei Kidder, a.a.O., S. 195, Abb. 65. 39) Mit Haji-Periode bezeichnet man die Zeit, die durch Funde von Arbeitsstätten von Keramikern - haji - gekennzeichnet ist. Hiraide in der Nagano-Präfektur ist ein gutes Beispiel dafür. Dort wurden in den Jahren 1947-1951 an die 50 Grubenwohnungen ausgegraben, wovon 26 MATTHIAS EDER

Wohnhäuser schon vor der Haji-Zeit gebaut wurden, sagten uns bereits Hausfiguren aus der Hügelgräberzeit. Diese dürften aber eine direkte Übernahme der festländischen Wohnkultur sein, waren gewiß keine Wohnungen für die breiten Volksschichten. An den Volkshäusern von Hiraide sehen wir, daß sich auch die Hausbaukunst vom Wohnen in einer überdachten Grube abwandte. Einheimische und ausländische Bauart gingen neben­ einander her. Den Übergang zum ebenerdigen Wohnhaus mit Tür und Fenstern können wir an Bodenfunden nicht weiter verfolgen. Aus geschriebenen Quellen aber wissen wir, daß auch das Volkshaus Bretterwände hatte. Ein Beispiel ist dokumentiert aus Echizen, ein Beamter auf einem Grundstück des T6daiji, eines Tempels in Nara, hatte ein 'taya', d.h. ein Bretterhaus.40 Es war grasgedeckt und hatte einen Bretterboden (itajiki) . Daß es auch Bretterwände hatte, legt das gleichzeitige V01'­ handensein eines aus Brettern gebauten Speichers auf dem Grundstück des Mannes nahe. Die Fensteröffnungen konnten mit aufrollbaren Matten verdeckt werden. Dafür haben wir einen Satz im Engishiki.41 Wie man sich in verschiedener Weise mit Mattengeflechten behalf, kann man sich von der heute noch da und dort üblichen Verwendung von solchen über Türen und Fenstern vorstellen. So spannt man auf der Insel über die ganze Wand des Einganges Stroh, läßt blos eine Öffnung von knapp einem Meter übrig, über die man eine Strohmatte hängt, die nachts heruntergelassen, tagsüber hochgezogen wird. Aus Stroh oder Schilf oder Riedgras geflochtene Matten finden im japanischen Hause eine vielfältige Verwendung. Im Altertum wurden beim Bau der provisorisch für die Thronbesteigung des Kaisers errichteten Kultgebäude - daijokyu - Dach, Türen,

7 der Frühzeit, etwa 20 der mittleren und 17 der Spätzeit der Haji­ Periode angehören. Die vielen kleineren Löcher außer den Löchern der Pfosten zum Tragen des Daches stammen von niedrigen Wänden, so niedrig. daß Fenster nicht in Frage kommen. Immerhin ruhte das Dach nicht mehr auf dem Boden auf. Der Dachrand lag etwa 60 cm über dem Boden. 40) Zitat in NBD. L S. 355. 41) Zitiert bei Goto. a.a.O.. S. 213. Die Stelle bezieht sich auf den Bau der Zeremonienhallen (daijökyü) für das Erstlingsopfer des Kaisers bei der Thronbest:::igung. Diese Hallen hatten Wände, Türen und Fensterverhänge aus Schilfmatten und -geflechten, waren darin nicht verschieden vom ge\vöhnlichen \VGhnhaus. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 27

Wände und Umzäunungen aus Schilf und Gras geftochten.42 Das Fenster links vom Eingang am Izumo-Schrein ist eine weitere Einzelheit, die den Schreinbau mit dem Wohnbau ver­ bindet. Eine weitere, noch wichtigere Einzelheit ist die Säule in der Mitte des Raumes, auf der der Giebel aufruht, durch die sich auch eine bestimmte Raumeinteilung ergibt, nämlich die des Dreiraumhauses, das als die Urform der Raumeinteilung gilt. Es findet sich heute noch in manchen Gegenden, sogar noch mit der zentralen Säule. Diese Art der Raumeinteilung ist ein Bestandteil der Yamato-Kultur, der früh schon in weite Volks­ kreise gelangt ist. Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Abtrennung des Raumes durch die an die mittlere Säule anschließende Wand und die viel später erst aufgekom­ mene Abtrennung durch Papierschiebewände, die außerhalb der architektonischen Konstruktion des Hauses stehen. Die Etymolo­ gie von 'miya' ist mi-ya, mi ist Honorificum, ya ist Haus. Ursprünglich wurde miya für die kaiserliche Residenz und die der höchsten Würdenträger gebraucht.43 Im Bau des Kaiser­ palastes sind bis in die Neuzeit die alten Traditionen befolgt \vorden.44 Am Hofe der Kaiserin Saimei (655-661) wurde ein Hauptgebäude für zeremonielle Zwecke - seiden, etwa Thron­ halle - für die Zukunft zur Regel gemacht. Dieses zeigt heute noch Ähnlichkeiten mit dem Palastbau nach Art des Izumo­ Schreines. Es hat ein Satteldach, ist mit Schilf gedeckt, auf dem Giebel sind wie an Schinto-Schreinen liegende Querhölzer angebracht, der Boden liegt 4,75 m hoch, in der Mitte ist eine ungewöhnlich starke Säule mit einen1 Durchinesser von 1,2 m (3% shaku, Fuß). Davor und dahinter steht je eine 80 cm (2 Fuß 8 Zoll) starke Säule, auf diesen zwei Säulen und der Mittel­ säule ruht der Giebelbalken unmittelbar auf. An beiden Seiten stehen drei weitere Säulen, so hat das Gebäude im Ganzen neun

42) Quellen, die den Bau der Zeremoniengebäude eingehend beschreiben, zitiert in NBD, II, S. 236 ff. 43) In NBD, II, S. 243 ist eine Liste von 22 in Quellen genannten, wegen des ständigen Wechsels der kaiserlichen Residenz und Mangel an archäologischen Funden nicht mehr lokalisierbaren Kaiserpalästen zusammengestellt, alles 'miya'. Die Abhandlung über Baukunst der Schreine, gewöhnlicher Volkshäuser und Verteidigungsposten ist ge­ schrieben von Fukuyama Toshio. 44) Einzelheiten bei Fujita Motoharu, Nihon minka shi [Gesch. des jap. Volkshauses], T6ky6, 1943 (vermehrte Auflage). 28 MATTHIAS EDER

Säulen. Außen am erhöhten Boden führt um das ganze Gebäude eine Veranda herum. Der Eingang ist an der Südwestecke, also wie bei der Izumo-Daisha zwis<.:hen der mittleren und der Eck­ säule. Eine Treppe mit 15 Stufen führt zu ihlTI hinauf. Die Neigung des Daches beträgt 45 Grad. Sämtliches Bauholz ist "weißes Holz", Holz in seiner natürlichen Farbe. Die Über• einstimmungen mit der Izumo-Daisha sind auffallend. Viele Schreine auf der Izu-Halbinsel sind vom selben Typ, quadratisch im Grundriß, mit neun Säulen und Satteldach. Man nennt diese Bauart "Schirmbau" (karakasatate). Man findet sie an Schinto­ Schreinen, buddhistischen Tempeln und stellenweise auch an Wohnhäusern.45 Wir wollen im Folgenden diese Bauart im Wohnhausbau verfolgen. Da zeigt sich, daß die Lage des Göttersitzes in den Schreinen der des Zimmers der Respektperson im Wohnhaus entspricht. Dieses Verhältnis finden wir in Kuninaka und Ika, Gegenden in der Shiga-Präfektur. Wie die alten Schreine sind diese Wohnhäuser vom Schirmtyp, haben vier Zimmer, eine zentrale Säule und den Giebel unmittelbar tragende Säulen (uzubashira). Auch die ersten Bauten für buddhistische Kult- zwecke wurden wie Wohnhäuser angelegt. Als Kaiser Kimmei (540-571) im Jahre 552 vom König von Kudara in Korea eine buddhistische Statue erhielt, stellte sie sein Minister Soga no Iname in einem Wohnhaus auf. Das war der erste Tempel in Japan, K6genji genannt. Ebenso ist der große Tempel Zenk6ji in Nagano, erbaut 670, ein zu einem Tempel umgewandelter Wohnbau, dessen alte Raumanordnung sich unschwer feststellen läßt.46 Es war ein viergeteilter Raum mit zentraler Säule, mit Satteldach und Eingang an der Stirnseite desselben. Die Statue Amidas war vom Eingang her rückwärts aufgestellt, in einem Zimmer mit einem Boden, der höher liegt als der große Raum davor. Wie der Göttersitz im Izumo-Schrein ist, ist in Zenk6ji der Raum der Buddhastatue ebenfalls im Westen vom Eingang. Die Raumanordnung des inneren Teiles des Tempels Zenk6ji

45) Kita Teikichi hat diese Zusammenhänge untersucht in seiner Studie "Schrein- und Tempelbau und Wohnhausbau" (Jinja to jiin ­ chiku to kenchiku) in: Rekishichiri [Historische Geographie], Bd. 45, 5. 46) Eingehend studiert von Kita in Anm. 21 genannter Studie. Auch Fujita Motoharu widmet in diesem Zusammenhang dem Tempel Zenköji einen eigenen Abschnitt, a.a.O., S. 228 ff. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 29 zeigt dieselbe Grundplanung wie das Bauernhaus vom Ika-Typ, die Schreine von Izumo und Otori, nämlich Vierzimmergliederung und Schirmbau. Im Ika-Distrikt der Shiga-Präfektur, nördlich vom Biwa-See, hat das dortige Bauernhaus viel Beachtung gefunden.47 Im Gegensatz zu den in der alten Provinz Ömi, in der der Ika-Distrikt liegt, vorherrschenden Dachformen - vierseitige Dächer und Kombinationen von einem vierseitigen und zweiseitigem Dach­ findet man dort zahlreiche zweiseitige Dächer (Satteldächer'). Die Raumverteilung in diesen Satteldachhäusern hat ebenfalls ihre Eigentümlichkeiten. Man gelangt zunächst in einen ungedielten Vorraum (niwa) , der in zwei verschiedene Hälften eingeteilt ist. Die vordere Hälfte ist bloßer Erdboden mit Kesselöfen und Brennholzlager. Die rückwärtige Hälfte ist von der vorderen durch ein zwei Zoll hohes Brett abgetrennt. Dahinter ist der Erdboden etwa zwei Zoll vertieft, die Vertiefung ist mit Reishülsen (mominuka, Abfall beim Enthülsen des Reises) ausgefüllt, darüber sind grobe Strohmatten gebreitet, über diesen dünne Strohmatten (goza) . Hinter diesem mit Matten ausgelegtem Raum, der die ganze Breite des Hauses ein­ nimmt, ist ein zirka 30 cm hoher Bretterboden~ auf dem zwei Zimmer eingerichtet sind, eine Schlafkammer und eine gute Stube (zashiki). Die Decke über dem Zimmer mit Matten ist ganz einfach aus gesplissenen Bambusstäben gernacht, über den beiden rückwärtigen Zimmern ist eine feste Decke. In der guten Stube sind ein Alkoven () zum Aufhängen von Bildern, ein Hausschrein (kamitoko) und ein buddhistischer Hausschrein (). Hierher werden nur besondere Gäste gebracht, gewöhnliche Gäste empfängt man auf einem bevorzugten Platz im Mattenraum davor. Aus Reinlichkeitsgrüden ist dieser heute vielfach mit einem Bretterboden versehen, wobei aber insofern die alte Tradition gewahrt ist, als der Bretterboden etwa 5 Zoll niedriger gehalten wird als die beiden rückwärtigen Zimmer, sodaß der Boden im Hausinnern vom Eingang her immer noch dreistufig ist. In Bergdörfern haben Bauernhäuser noch Lehm­ wände, sind also nicht auf allen vier Seiten ZUr.:l Öffnen, ein sehr

47) Fujita Motoharu in seinem Nihon minka shi (vgl. Anm. 20), S. 144-189, widmet diesem Haustyp ein ausführliches Kapitel. Weitere Literatur darüber Kurata Shüchfr, Minka cho [Notizen über das Volks­ haus], Tökyö 1955; Yamaguchi Tadashi, Kohoku no minka [Das Volks­ h~us nördlich vom (Biwa-) See], 1939. 30 MATTHIAS EDER

altertümlicher Zustand, der an die Hausfiguren der Hügelgräber• zeit erinnert. Europäische Glaubensboten der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts berichteten, daß in Stadt und Land die Adeligen in schönen, zweistöckigen Häusern wohnen, in denen immer ein Zimmer besonders vornehm ist. Sie lassen sich bemalte Wände und goldene Wandschirme machen, hängen im Alkoven berühmte Gemälde auf, stellen viele Blumenvasen hin, legen Teegeräte und Schwerter aus. Die gewöhnlichen Leute haben aus Holz gebaute Häuser, die Reichen streichen schönen weißen Verputz auf; die Armen decken mit Stroh, haben Wände aus Lehm.48 Demnach waren Lehmhütten im 16. Jahrhundert auf dem Lande noch zahl­ reich. Rückwärts in den Bergen von Ika finden wir sie heute noch. Sie haben keine Veranda (engawa) vor dem Hause) damit auch keine verschiebbaren Bretterwände zum Abschließen des Hauses (amado, 'Regentüren') und im Innern keine Papier­ schiebewände (sh8ji). Im Shutei mank849 steht, daß es bis Mitte Tensh6 (1573-1591) keine Bretterschiebetüren (amado) zum Regenabhalten und Verschließen des Hauses gab. Die Häuser hatten ja Lehmwände. Eine andere Altertümlichkeit von Ika ist die Bezeichnung der Zimmergröße. In Ky6to und Ösaka, wie übrigens überall in Japan, wird die Zimmergröße nach der Anzahl der tatami,50 d.h. der Stücke des zirka 8 cm dicken geflochtenen Boden­ belages, angegeben, in Ika nach der Anzahl der ausgebreiteten groben Matten (mushiro). Im Wesentlichen dieselbe Raumeinteilung wie in Ika findet man auch in Echizen (Fukui-Präfektur), Nifu-Distrikt, Dorf Amatsu. Auf einen Teil des ungedielten Bodens sind in einer Ver­ tiefung Reishülsen oder Stroh ausgebreitet, die rückwärtige Hälfte des Hauses hat einen erhöhten Bretterboden. In der Mitte des Hauses ist eine große Säule, sodaß sich auch hier ein Schirm­ bau ergibt. Eine weitere Parallele also zum alten Schreinbau. Es gibt übrigens auch Schreine, in denen die vordere Hälfte des Innenraumes (gaijin) eine Stufe niedriger ist als die rückwärtige Hälfte (naijin) , wo das Heiligtum ist. Auch darin stimmen Ika­ Haus und alter Schreinbau überein.

48) So nach Koku shi gan [Auge der Landesgeschichte]: einem 1885 begonnenen und 1888 abgeschlossenem Geschichtswerk, das mit dem Götterzeitalter beginnt und mit der frühen Meiji-Zeit endet vgl. NRD, VIII, S. 51. 49) Tokugawa-Zeit. 50) Ein tatami ist ca. 2,35 Quadratmeter. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 31

Die Residenz (miya) der Kaiser des Altertums dürfte in ihrer Raumanordnung mit dem Ika-Haus übereingestimmt haben. Mittelpunkt des Hauses war ursprünglich der Feuerplatz auf dem mit Matten belegten Boden. Im heutigen Ika-Haus finden wir den Herd mit dem Brennholzlagerplatz auf dem ungedielten Boden (niwa) , jedoch an der Grenzlinie zwischen diesem und dem mit Matten ausgelegten Zimmer; man kann somit vom Mattenzimmer aus sowohl den Herd (kudo) bedienen wie an der Wärme desselben teilnehmen. Sehr wahrscheinlich ist der erhöhte Bretterboden mit der guten Stube und dem Schlafzim­ mer des Ehepaares eine Errungenschaft neueren Datums. Das legt sich nahe durch die Bezeichnung des niedrigen Teiles des Hauses, der oyue genannt wird, eine verderbte Form von o·ie 'Haus'; dieses "Hause" wird eingeteilt in ein "oberes" (oyue no kami) und ein "unteres" (oyue no shimo). Diese Einteilung ist adäquat, der erhöhte Teil des Hauses ist nicht eingeschlossen. Bei Wahrung der übrigen Wesensmerkmale des Ika-Hauses ist anderwärts der rückwärtige höhere Teil des Hauses weiter aus­ gebaut worden, sodaß sich dort vier Zimmer ergaben, die mehr oder weniger wie vier einander anschließende Felder eines Schachbrettes angeordnet sind.51 Wir werden über diese Weiter­ entwicklung (Kuninaka-Bau) unten Näheres zu sagen haben. Der Variationsmöglichkeiten sind mehrere, ,vir beschränken uns hier auf das Typische: Wohnplatz auf dem mit Matten belegten Boden, rückwärts auf erhöhtem Bretterboden die besseren Zim­ mer, in der Mitte der beiden Hälften des InnenrClumes eine starke zentrale Säule. Der Ika-Haustyp greift in Na'2hbargebiete über, z.B. nach Echizen, und hat verschiedene Ergänzungen und Ab­ wandlungen erfahren. Der Schirmbau ist aber immer erkennbar geblieben. In Echizen ist gleich hinter dem Eingang der ungedielte Boden (doma). An diesen schließt sich ein Mattenzimmer an, hinter diesem ist auf der Eingangseite das vornehmste Zimmer (oku). Das Haus hat Lehmwände, rückwärts ist kein Eingang. Beim Ika-Typ ist das Wohnhaus ganz hinten im Gehöft gebaut, so braucht man rückwärts keinen Eingang. Der vordere Teil des Gehöftes wird für landwirtschaftliche Arbeiten benötigt. Die Bodenverhältnisse können so sein, daß vorn im Gehöft kein

51) Japanische Bezeichnung für diese Zimmereinteilung ist yom­ matori. 32 MATTHIAS EDER großer Platz geschaffen werden kann, es muß dann der Platz hinter dem Haus ausgenützt werden und ein Durchgang durch das Haus und ein rückwärtiger Ausgang werden notwendig. So kann sich an den niedrigen Boden rückwärts kein erhöhter Boden (yukabari) anschließen. Des Durchganges durch das Haus wegen muß die Raumanordnung geändert werden, die Wohnräume sind dann alle auf einer Seite, was man im Ika­ Distrikt "einseitige Wohnung" (katakawasumai) nennt. Diese Raumanordnung ist in ganz Kansai weit verbreitet.52 Den Zusammenhang des Ika-Hauses mit dem ältesten Schreinbau erkennen wir auch aus der auffälligen Parallele in der Weiterentwicklung des Ika-Hauses zum Kuninaka-Hause einerseits und des Schreines vom Izumo-Typ zum ötori- und zum Sumiyoshi-Typ. Wir müssen hier einen Blick auf die Grund­ rißkizze dieser Schreinbauten werfen.53 Wie schon erwähnt, die Schreine von Izumo und ötori haben beide einen quadratischen Grundriß. Sie unterscheiden sich dadurch von einander, daß der ötori-Schrein anstatt der einen mittleren Säule zwischen dem vorderen und rückwärtigen Raum zwei Säulen hat. Die beiden Räume sind je blos ein halbiertes Quadrat. Im Sumiyoshi­ Schrein ist jeder Raum ein volles Quadrat, was zur Verlängerung des Grundrisses nach rückwärts führt. Die Schirmhäuser von Ika folgen ganz dem Izumo-Schreintyp mit nur einer mittleren Säule. Der Kuninaka-Haustyp hat, wie der ötori- und der Sumi­ yoshi-Schrein statt der einen Säule nebeneinander zwei Säulen. Solange der Eingang unter der Stirnseite des Satteldaches ist, ist sowohl bei Schreinen wie bei Wohnhäusern die gegebene Linie der Ausdehnung zur Raumgewinnung von vorn nach rückwärts. Im Folgenden befassen wir uns näher mit dem Kuninaka­ Haustyp. Das Schirmhaus des Ika-Typs hat vier Räume. Wenn ihm rückwärts weitere Räume angefügt werden, ergibt sich ein Bau, der in der Ika-Gegend Kuninaka-Bau genannt wird, Auch dieser Bau hat im Innern einen niedrigen und einen erhöhten Raum. Der niedrige Raum ist auch nicht untergeteilt. Der Teil

52) Fujita Motcharu, a.a.O., S. 158 ff., untersuchte viele Bauern­ häuser, die "einseitige Wohnungen" sind, an denen aber trotz vieler Abwandlungen der Raumgliederung der Ika-Type (karakasatate) durch­ scheint. Wir gehen hier auf die Abwandlungen nicht ein. 53) z.B. Kidder, a.a.O., S. 195, Abb. 65. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 33 mit Bretterboden kann je zwei Zimmer hintereinander haben, also eine Verdoppelung der Zimmerzahl des Ika-Hauses. Statt der einen mittleren Säule des Ika-Hauses stehen hier zwei Säulen. Die beiden vorderen Zimmer sind die besseren. Die gewöhnlichen Kuninaka-Häuser haben aber nur zwei Zimmer. Das Eigentümliche des Kuninaka-Hauses ist die Verdoppelung der mittleren Säule an der Grenze zwischen dem ungedielten und dem gedielten Teile des Hauses. In besser entwickelten Gegenden hat man am Hause eine Veranda (en, engawa) , sonst nur Lehmwände. Der Kuninaka-Haustyp erstreckt sich eben­ falls nach Echizen hinüber, bis nach Kaga (Ishikawa-Präfektur). Es ist ein Anklang an die alte Sitte, auf dem ungedielten Boden auf Matten zu leben, wenn am Neujahrsvorabend (omisoka) die Pächter kommen und sich, obwohl auch ein erhöhter und gedielter Boden da ist, auf die Matten auf dem ungedielten Boden niederlassen. Da ist ein Feuerplatz, auf dem bei dieser Gelegenheit Feuer gemacht wird. Dann werden Reis, Nudeln und Reiswein gebracht. In fröhlicher Unterhaltung wird die Nacht zugebracht. Bei Tagesanbruch gehen alle mit dem Pachtherrn zum Schrein seines Clan-Gottes (ujigami). So hält man es vielerorts, auch in Sanuki in Shikoku. Auch in Nara selber wurde auf dem ungedielten Boden zu Neujahr ein Kessel aufgestell.t, Feuer angemacht, Matten wurden ausgebreitet und man röstete und aß Reisteigfladen. Das geschah auch in Yoshiwara in Edo, bevor dieser Stadtteil durch sein späteres Gewerbe berühmt wurde. Heute wird in Kyoto-Land, Tsuzuki Distrikt, Kawaguchi an den ersten drei Tagen von Neujahr auf dem bloßen Boden (doma) zum Niederhocken für die gewöhn• lichen Besucher der Raum mit Matten belegt. Im Kitakawachi­ Distrikt, Ösaka-Land findet man Häuser, in denen auch der Holzboden neben dem ungedielten Boden 7-8 Zoll niedriger ist, als die rückwärts sich anschließenden Zimmer, sodaß das dreistufige Profil des Ika-Hauses gewahrt ist. Die Pächter betre­ ten nicht den höheren Platz. Die Klassenabstufung muß gewahrt bleiben. Im Izumo-Schrein ist der vornehme Platz des Baues rückwärts. einen ungedielten und einen mit Matten ausgelegten Raum hat das Aristokratenhaus nicht gekannt. Im Bauernhaus hingegen v/ürde man mit einem im ganzen Hause erhöhten Boden nichts anfangen können. da man den niedrigen Boden für die Zwecke der Arbeit braucht. Soweit wie möglich hat man aber die vornehme Neuerung übernommen. Den sogenannten Schirm­ bau findet man sowohl im Aristokraten- wie im Bauernhaus als 34 MATTHIAS EDER eine bestimmt bis in die Hügelgräberzeit zurückgehende Bauart. Wie wir schon gesehen haben, gibt es in den Bergen von Ika und anderswo noch Bauernhäuser, die auf allen Seiten Lehm­ wände haben, und geschichtliche Quellen bezeugen, daß solche Wände bei den Volkshäusern einmal allgemein waren. Auch der !zumo-Schrein und die anderen alten und neuen Schreine sind allseitig verschlossen, wenn auch nicht mit Lehmwänden, son­ dern mit den viel vornehmeren und kostspieligeren Bretter­ wänden. Ebenso altertümlich wie diese Lehmhauswände muten die Lehmwände an, mit denen im Hause ein bestimmtes Zimmer eingefaßt ist, das nando genannt wird. Die chinesischen Schrift­ zeichen für dieses Wort kann man vielleicht mit "Aufbewahrungs­ raum" oder "Abstellraum" übersetzen. Damit dürfen wir aber nicht die Vorstellung von Rumpelkammer verbinden. Im be­ treffenden Zimmer wird allerlei Familienbesitz verwahrt. Auch wird dieses Zimmer vielerorts als Schlafstätte des Hausherrnehe­ paares benützt. Der Ausdruck nando ist in Yamashiro, Tamba und ami gebäuchlich, also in Mittel-Japan, wo das alte Kultur­ zentrum mit den beiden Hauptstädten Nara und Heian (Kyoto) waT, ist ab~r nicht darauf beschränkt. über den Ursprung des Wortes sagt uns eine Enzyklopädie,54 daß nand8 ursprüng• lich die Bezeichnung für ch8dai war, was wörtlich "Vorhang­ Plattform" heißt. Der Ausdruck wird stellenweise heute noch gebraucht, bedeutet Schlafstätte. Wie wir noch sehen werden, hatte man in vornehmen Residenzen im Wohnhaus des Haus­ herrn ein aus Holz gezimmertes Gestell, an dem Vorhänge angebracht waren, hinter denen der Hausherr seine Schlafstätte hatte. Gewöhnliche Leute konnten sich in ihren Lehmhütten dieses umständliche l\1öbelstück nicht leisten. Um Familien­ besitz, z.B. gute Kleider, verwahren zu können und auch für die Zwecke des Ehelebens umgab man ein Zimmer mit einer Lehm­ wand. Die Abtrennungswand links von der mittleren Säule der Izumo-Daisha ist der Anfang einer solchen Raumabtrennung. Damit soll nicht gesagt sein, daß sie mit dem Schrein entstanden ist. Dieser zeigt uns aber das erstemal eine solche. Was Kon­ struktion betrifft, geht eine gerade Linie durch die archäologisch dokumentierte und durch die durch die Izumo-Daisha dargestellte älteste Hausform in heute noch vorhandene Häuser im Ika­ Distrikt.

54) Nihon rekishi daijiten [Enzyklopädie der jap. Geschichte]. Tokyo 1959; Bd 14, S. 170,f. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 35

Von den Dachformen ist das Satteldach die älteste. Wir finden es nicht nur an den ältesten Schreinen, sondern auch in späteren Schreinbauten. Wie in anderen Dingen sind die Schreine auch in der Dachform konservativ geblieben. Der Eingang wanderte von der Stirnseite des Baues an die Längsseite. Am "'/ohnhaus ist er bis heute vielerorts an der Stirnseite geblieben, wie z.B. am Ika-Bau; bei der Mehrzahl der Bauernhäuser wurde er jedoch an die Längsseite verlegt. Das Satteldach ist} wie wir gesehen haben, an den Hausfiguren der Hügelgräberzeit nicht allein herrschend, Walmdächer sind zahlreich und kombinierte Dächer.55 Die Abbildungen auf einer BronzegJocke der Yayoi­ Zeit zeigen Satteldächer. Auf der Rückseite eines Bronzespiegels der Hügelgräberzeit mit vier Hausabbildungen sieht man Sattel­ dächer und kombinierte Dächer. Das Satteldach der Schrein­ bauten mit Eingang an der Stirnseite ist wohl die älteste Dach­ form. Dann folgen Satteldächer mit Eingang an der Längsseite. Die Bronzeglocken gehören der Übergangsperiode von der Stein­ zeit zur Metallzeit an, Hausabbildungen darauf liegen also vor denen der Hügelgräberzeit. Freilich schließen Abbildungen von Satteldächern der Yayoi-Zeit die Existenz von anderen Dach­ formen nicht aus. Die Tradition schreibt dem Kaiser Suinin (29 v. - 70 n.Chr., Chronologie aber zweifelhaft) die Einführung von menschlichen Figuren anstelle von Menschenopfern als Opfergaben auf den Gräbern von Kaisern und Adeligen zu. An den ältesten Hausfiguren sind die Satteldächer vorherrschend, dann mehren sich auch die anderen Dachformen. Walmdächer und kombinierte Dächer müssen in der Hügelgräberzeit aufge­ kommen sein, wohl im Gefolge der immer enger werdenden Be­ ziehungen mit der koreanischen Halbinsel und mit China während der Sui- und T'ang-Zeit. Die vier Hausabbildungen auf einem Bronzespiegel zeigen, daß Satteldächer und kombinierte Dächer nebeneinander existierten. Auf Steinsärgen, die dem Ausgang des Altertums angehören, sind Walmdächer vorherschend} Sattel­ dächer selten. Daraus folgt wohl, daß die oberen Klassen, bei denen Steinsärge in Hausform in Gebrauch waren, das Sattel­ dach zugunsten des Walmdaches aufgegeben haben. Eine

55) Das dürfte eine spezifisch ostasiatische Dachform sein. Für seine Entstehung boten sich zwei Möglichkeiten, 1) das Rauchloch unter dem Giebel eines Walmdaches wurde erweitert und schön gestaltet, 2) am Satteldach wurde ein Vordach angefügt. In verschiedenen Gege~­ den kann die Entstehung eines kombinierten Daches verschieden sein. 36 MATTHIAS EDER

Anzahl von Hausfiguren bestehen nur aus einem Dach, auch auf dem Bronzespiegel mit den vier Hausabbildungen zeigt eine ein nur aus einem Dach bestehendes Haus. In Kantö gibt es heute noch solche Satteldächer über eine rechteckige Vertiefung im Boden. Im Innern ist Stroh ausgebreitet. Es hat sich bis in die Neuzeit viel Altertum erhalten. In Ise, Kongosaka, wurde eine Hausfigur ausgegraben, die auf allen vier Seiten drei Säulen hat, also wie der Izumo­ Schrein. Auch bei den Hausabbildungen auf Bronzespiegeln ist es so, ebenso bei der zweistöckigen Hausfigur von Harima. Jedoch die Häuser mit kombiniertem Dech auf Spiegelabbildungen sind im Grundriß rechteckig, haben auf der Längsseite vier Säulen wie der Ise-Schrein. Auf einer flachen Vase aus Bitchu (Oka­ yama-Präfektur) 56 ist eine Hausfigur eingeritzt, die im oberen Stock drei Säulen, im untEren fünf' zeigt. Das Haus ist abge­ stuft. Solche Funde zeigen, daß die Größe der Häuser ver­ schieden war. Es gab Häuser mit drei Säulen an einer Außen• wand und solche mit vier und mehr. Die Schreinbauten legen aber nahe, daß die gewöhnlichen Häuser Schirmbauten, also Häuser mit quadratischem Grundriß, drei Säulen auf jeder Seite und einer zentralen Säule, waren. Der erhöhte Boden fiel bei den Volkshäusern weg. Der Abstand zwischen den Säulen dürfte im Altertum wohl kaum genormt gewesen sein, wie es heute der Fall ist. Im 4. Jahre Shöan (1202) wurde ein Bericht einge­ reicht über die Maße der Haupthalle des Sumiyoshi-Schreines. Die Abstände zwischen den Säulen der Längsseite betrugen zusammen 3 Klafter (ja) 6 Fuß (shaku) , also 36 Fuß, macht 10,80 m. Weil der Sumiyoshi-Schrein auf der Längsseite fünf Säulen, also vier Säulenzwischenräume hat, betrug einer 9 Fuß, sind 2,70 m. Beim heutigen Sumiyoshi-Schrein sind es weniger als 7 Fuß. Die Größe der Zwischenräume hing von dem vor­ handenen Bauholz ab. Wahrscheinlich war ein Säulenabstand damals allgemein größer als heute. Jedenfalls gibt die Anzahl der Säulen keine genaue Auskunft über die Größe der Häuser. Nach all dem oben Gesagten sehen wir im Wohnhausbau die Tradition in mehreren wesentlichen Dingen von der früh• geschichtlichen Hügelgräberzeit bis in die Neuzeit hereinreichen.

56) Nähere Angaben in Fujita, a.a.O., S. 401. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 37

ur. Das Wohnhaus in der Asuka-Nara-Zeit Wir müssen jetzt sehen, welche Bauelemente nach der Hügelgräberzeit zur alten Tradition hinzugekommen sind, diese bereichert oder abgeändert haben. Wenn der Izumo-Schrein im Jahre 659 repariert wurde, muß er irgendwann wenigstens im 6. Jahrhundert gebaut worden sein, also noch in der Hügel• gräberzeit. Diese kam im 7. Jahrhundert zu Ende) die Nara-Zeit mit der ersten definitiven Hauptstadt fällt in die Jahre 710-784. Die Zeit unmittelbar davor nennt man die Asuka-Zeit.57 In der hohen Baukunst wurden glänzende Leistungen vollbracht, die für in1mer in die Kunstgeschichte eingegangen sind. Hier interes­ siert uns, wie zu gleicher Zeit das gewöhnliche Volkshaus aussah. Durch Bodenfunde sind wir darüber einigermaßen unterrichtet. Im Jahre 1940 untersuchte man die Fundstätte Izumi in Koemachi, Kitatama-Distrikt, Tokyo-Land. Es kamen Gruben­ wohnungen zutage, die der Frühzeit der Haji-Periode ange­ hören.58 Eine davon mißt 4 m im Quadrat, hat abgerundete Ecken, die Vertiefung beträgt nur 15 cm, der Boden ist flach getreten. Darauf ist kein einziges Säulenloch zu sehen. Gegen die Seite zu fand man den Rest eines Feuerplatzes, in einer Ecke ein Speicherloch. Es frägt sich, ob das Gebäude überhaupt keine Säulen oder Pfosten hatte oder ob diese vielleicht auf einer Bretterunterlage standen. Auf einer Fläche von 100 Quadrat­ meter fanden sich zehn Grubenwohnungen. In FujimidaL Stadt­ bezirk Nakano, Tokyo, studierte man 1948-1949 fünf Gruben­ wohnungen aus der sogenannten Onitaka-Periode, die der Izumi­ Periode folgt. Diese Wohnstätten haben fast durchwegs einen

57) NRD, Vol. 1, S. 144 f. Vielfach gerechnet seit dem Jahre der übernahme der Statthalterschaft durch Shötoku Taishi i.J. 593 bis zur Verlegung der Hauptstadt nach Nara (710). In diese Zeit fällt die Taika­ Reform von 645 an, durch die Japan nach chinesischem T'ang-Vorbild zu einem Rechts- und Beamtenstaat umgewandelt wurde; ferner die Übernahme des Buddhismus, chinesischer Kunst und Literatur. 58) Nach NBD, Bd. 2, S. 248 ff. Vgl. Kidder, a.a.O., S. 178 ff. über "haji". Diese Periode wurde nach einem Keramiktypus benannt. "Haji­ Keramik ist eine rote Ware, geht direkt auf die Yayoi-Keramik zurück, bleibt im allgemeinen ohne Dekor und weist keinen großen Formen­ reichtum auf. Der produktive Höhepunkt wurde im 5. Jahrh. erreicht und hielt zumindest bis ins 8. Jahrh. an" (Kidder) . Haji-Keramik ist hauptsächlich für den Haushalt bestimmt. Der Name "haji" bedeutet 'Töpfer', die eine Ware für das Volk herstellten. 38 MATTHIAS EDER quadratischen Grundriß, 3.5 bis 6.4 m im Geviert. Der Fußboden liegt 60 cn1 tief. Ringsherum ist ein Graben gezogen. In der Mitte der Nordwand ist ein Ofen, ein Teil davon schneidet durch den Umfassungsgraben. An der Ostseite des Ofens ist an einer oder zwei Stellen eine Speichergrube. In der Regel sieht man vier Pfostenlöcher einander gegenüberliegen. In einem Falle ist ein Pfostenloch in der Mitte des Bodens, in einem anderen Falle sieht man überhaupt kein Pfostenloch. Ein Haus ist einem Brand zum Opfer gefallen, in der Bodenvertiefung fand man den ver­ kohlten Rest eines Pfostens, 13 cm lang und 15 cm im Durch­ messer, und ein verkohltes Brett von 3 cm Dicke. Vom Graben her sind weitere Gräben in der Richtung zu den Hauptsäulen gezogen, also Reste einer Raurnabtrennung. Ferner fand man Reste von Riedgrasstengeln, offenbar vom Dachmaterial. Die erstaunlich große Häufung von 25 Wohngruben von Keramikern fand man innerhalb eines Flächenraumes von 90 X 70 Quadrat­ meter im Jahre 1938 in Azusawamachi, Stadtbezirk Itabashi, Tokyo. Die Stätte gehört ungefähr derselben Zeit an wie die oben genannte von Fujimidai in Tokyo. Größe der Gruben ge­ wöhnlich 4.5 Quadratmeter, die kleinen 2.6 Quadratmeter, die großen 8.2 Quadratmeter. Der Ofen ist aus Lehm) in der Regel in der Mitte der Nordwand, in einigen Fällen an der Ostwand. Vom Ofen rückwärts bis nach vorn an die Südwand ist ein Teil des Bodens hart getreten, hier ist der Boden also viel benützt worden. Die Löcher der Hauptpfosten liegen so wie beim Funde in Fujimidai auf den Diagonalen. Es sind meistens vier Pfosten­ löcher, häufig aber ist zwischen je zwei Löchern ein weiteres, diese Häuser hatten also acht Pfosten und waren somit ziemlich groß. Andere wieder zeigen überhaupt keine regelmäßige Pfostenverteilung und bei der kleinsten Grubenwohnung fehlen Pfostenlöcher ganz. Wie in Fujimidai ist auch ein Umfassungs­ graben vorhanden. Auch hier gibt es Fälle, daß von diesem Graben weitere Abtrennungsgräben ausgehen. Bei einer Wohn­ stätte wurden in der an der Wand aufgehäuften Asche verkohlte Reste \"on Pampaßgras (Miscanthus sinensis) und Baumrinde gefunden, waren Material für Dach und Wände, was wiederum mit Fujimidai übereinstimmt. Quadratisch ist auch der Grundriß von der 50 cm tiefen Grubenwohnung in Tomimachi bei der Stadt Sakura in der Chiba-Präfektur, ausgegraben und untersucht 1949. Vier Haupt­ pfosten, an der Westwand ist ein Ofen aus Lehm. Eine typische Haji-Wohnung, stimmt überein mit Azusawa und Fujimidai. In DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 39

T6kyö, öta-Bezirk, Denenchöfu, Shimonumabe, wurde 1926 eine Fundstätte untersucht, ein Graben ist von Osten nach Westen 2 m breit, von Norden nach Süden ist der Graben 14 m lang. Daran im Süden anstoßend ist eine Grubenwohnung, die eine Töpferwerkstätte zu sein scheint. Im Norden anschließend ist eine Wohngrube, die eine Grabfigurenwerkstätte gewesen zu sein scheint. Sie ist rechteckig, 3.5 m lang, 35 cm tief. Pfosten­ löcher fand man keine, nur eine Anzahl kleiner Löcher von 6 cm Durchmesser in Abständen von 40 cm, deren Neigung so ist, daß man sie als Löcher für die Dachsparren ansehen kann. Das Gefälle des Daches muß sehr gering gewesen sein. In der Mitte der Hütte war das Dach 1.5 m hoch. Auf dem Boden lagen acht pngenügend gebrannte Bruchstücke von Grabfiguren herum. An der Westseite scheint ein ansteigender Brennofen dafür vor­ handen gewesen zu sein. Auch am Ofen lagen verstreut Figuren­ stücke herum. Die Wohngrube war nach all dem eine Werkstätte. In der Chiba-Präfektur, Onitaka, Stadt Ishikawa, wurde 1937 eine Stelle untersucht, bei der 2 m tief in Lehm und Sand liegend einige Hundert Pfosten gefunden wurden, die mit einem scharfen 1\'Ietallwerkzeug zugespitzt waren. Auch fand man Hölzer, die auf zwei oder vier Seiten zugeschnitten waren, sie dürften für Boden. Wände und Pfosten bestimmt gewesen sein. Ohne Zweifel wurden in der Tökyö-Bucht Wohnhäuser mit hoch hegendem Holzboden, also Pfahlbauten, gebaut. In Sugao bei der Stadt Kisarazu in der Chiba Präfektur, ebenfalls niedriges Land, wurden seit 1937 mehrmals Ausgrabungen gemacht. Die alte Wohnstätte ist 2.5 m breit und über 20 m lang. In einem Abzugsgraben sind kleine Pfosten eingeschlagen, etwa 20 cm im Durchmesser, stehen in einer Reihe in einem Abstand von ca. 50 cm. Dazwischen lagen Pfosten, 2 m lang, mit Zapfen, und Dachpfeten. Weil dieses Material nicht in der ursprünglichen Stellung war, erkennt man die Hausform daran nicht. Die Aus­ graber vermuten, daß man so etwas wie eine Plattform hatte. In Kyöto-Land, Yosa-Dist.rikt, Nodagawamachi fand man an einem Hausrest einige Pfosten (tsukabashira) in ihrer ursprünglichen Stellung, fünf in einer Reihe, wahrscheinlich hatte das Haus einen erhöhten Boden. 1951 untersuchte man einen Wohnplatz in der Nagano­ Präfektur, Shimoina-Distrikt, Siedlung Imabara des Dorfes Takagi. Ist eine Grubenwohnung der Onitaka-Periode, 5.2 x 4.8 m, abgerundete Ecken, Bodentiefe 30 cm. Auf dem Boden gegen Westen zu, 70 cm von der Nordwand entfernt ein Ofen, der vorn, 40 MATTHIAS EDER links und rechts mit Steinen, rückwärts mit Lehm umgeben ist. Der rückwärtige Teil des Ofens und in Fortsetzung davon der Lehm außerhalb der Wohngrube ist gut gebrannt. So kann man hier den Rauchabzug vermuten. Links und rechts vom Ofen, etwa 1 m davon entfernt, ist je ein Vorratsloch ausgehoben mit ca. 50 cm Durchmesser. Das Loch links enthält einen großen Tonbehälter. Unn1ittelbar an der inneren Seitenwand sind zehn, außerhalb der Bodenvertiefung etwa zwanzig kleine Löcher, Durchm~sser ca. 8 cm, Tiefe 15 cm. Sind Löcher von kleinen Pfosten im Hausbau. Am ergibigsten für das Studium des Hausbaues der Haji­ Periode ist die Fundstätte von Hiraide in der Nagano-Präfektur, die 1947-1951 untersucht wurde. Da sind an die 50 Gruben­ wohnungen von Keramikern ausgegraben worden. Davon ge­ hören 5 der Frühzeit, etwa 20 der mittleren Periode, 17 der Spätzeit an. Die Frühzeit entspricht der mittleren Hügelgräber• periode (5. Jahrh.), folgt im Alter der Izumi-Fundstätte. Hiraide No. 43 ist rechteckig, 5.3 x 4.8 m, der Boden liegt 25 cm tief. Umfassungsgraben. Die Säulenlöcher sind nicht auf dem Fußboden, sondern auf dem Umfassungswall, auf den vier Seiten ist je in der Mitte ein Loch für den Hauptpfosten, außer• dem sind viele kleine Löcher verstreut. In der Mitte des Fuß• bodens und gegen die Westwand zu ist je ein Rest einer großen Feuerstelle, in der Mitte ist auch ein Speicherloch. Dieses Haus ist abgebrannt, auf dem Boden fand man ein verkohltes Brett, 3.8 m lang, 11 cm breit, 3-5 cm dick; ferner ein Stück Dachsparren (taruki) mit einer Schicht gebrannter Erde und einer Schicht Schilf darüber, woraus man etwas vom Dachbau erkennen kann. Die Feuerstätte ist die allgemeine Besonderheit der Wohnstätten der Haji-Frühperiode von Hiraide. Die Fundstätte Nr. 46 hat eine andere Besonderheit. Rechteckiger Grundriß, 5 x 4.9 m, Ecken abgerundet, Bodentiefe ca. 40 cm. Umfassungsgraben. Auf dem Boden sind 6 kleine Löcher, in der SO-Ecke ist ein Speicherloch. Es scheinen keine Löcher für Hauptpfosten vorhanden zu sein. In der Mitte der Westwand ist ein mit Lehm überstrichener Ofen, nämlich über flache, aneinandergereihte Steine ist ein Lehmverputz gestrichen, wodurch der Ofen zustandekommt. Bei den Grubenwohnungen von Hiraide aus der Früh-Haji-Periode ist es die Besonderheit, daß in der Mitte und an der Seite ein Feuerplatz vorhanden ist. Der unentbehrliche Ofen geht durch die mittlere und die Spät• periode. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 41

Die Fundstätten von Grubenwohnungen der Spätperiode sind zahlreich. Nr. 3 hat rechteckigen Grundriß, 6.3 X 6.05 m, Ecken abgerundet, 40 cm Bodenvertiefung, auf dem Boden vier Haupt­ pfostenlöcher von 30 cm Durchmesser. An der Mitte der Ostwand ist ein aus Lehm gebauter Ofen () , auf der Umfassungs­ wand ist eine Reihe von 54 kleinen Löchern. Diese stammen nicht von Dachsparren, die auf den Boden reichten, sondern dienten dem Bau einer Wand. 1951 wurde Nr. 3 rekonstruiert. Nr. 11 ist der Rest des größten Wohnhauses von Hiraide. Bodenfläche 11 m im Quadrat, Boden 40 cm tief. Vier Haupt­ pfosten, ihr Durchmesser 35-77 cm, ihre Tiefe im Boden 70-110 cm, neigen sich nach innen. Auf dem Boden der Löcher lagen faustgroße flache Steine, was etwas Besonderes ist. Abstand zwischen den Hauptpfosten 6.6 bis 7.3 m. Zwischen den Löchern der Hauptpfosten fanden sich sechs für Nebenpfosten. An der Mitte der \Vestwand ist eine Feuerstätte, eine andere in der Nähe der Raummitte. Auf der Umfassungsmauer elf Pfosten­ löcher. \Vie in Nr. 3 und Nr. 11 ist der Boden quadratisch, um 5 Quaclratmeter herum, abgerundete Ecken. Für gewöhnlich ist in cler ':"Iitte der Westwand und an der Nordwand ein aus Lehm gebauter Ofen. Die Mitte-Haji-Periode fällt ungefähr mit der späten Hügelgräberperiode zusammen, die spätere Haji-Periode fällt in die Asuka-Zeit hinein. Die Wohnungen des gewöhnlichen Volkes dieser Zeitspannen in den Provinzen kennt man also relativ gut. Die Zahl der Funde wird zunehmen. Über die Wohnungen der "Hauptstadt", die ständig wechselte, weiß man fast nichts. Nur über die Größe der höheren Würdenträgern für den Residenzbau zugewiesenen Grundstücke haben wir einige Quellenangaben. Die größten scheinen 4 cho (6940 Quadratmeter) gewesen zu sein, die nächstuntere Stufe war 2 cho (3470 Quadratmeter) .59 Als Besonderheit der Grubenwohnungen des Volkes der Haji-Zeit fanden wir einen aus Lehm gemauerten Ofen mit Rauchabzugs­ loch nach außen, Bretterwände, starke und zahlreiche Pfosten und einen Umfassungswall um die Bodengrube. In Hiraide gibt es große Bauten mit einem Durchmesser von 11 m. Speicher fanden sich keine. Diese waren blos in Gehöften von wohl-

59) NBD, Bd. 2, S. 257 näher angegeben. Die Angabe darüber stammt aus dem Nihon shoki und ist datiert mit Jitö 5. Jahr (691). also gegen Ende Asuka. 42 MATTHIAS EDER habenden Grundeigentümern, einer Art Landadel zu finden. Aus der Nara-Zeit (710-784) sind noch viele ziegelgedeckte Tempelbauten erhalten. Die prachtvollen Baudenkmäler der Hakuhö- (673-687) und der Tempyö-Periode (722-748) gehören der Geschichte der hohen Kunst an. Die gleichzeitigen Volks­ häuser hatten Bretter- und Grasdächer und vielfach auch Bret­ terwände. Doch lassen sich Unterschiede im Grade der Wohl­ habenheit erkennen. Auch Fußböden aus Brettern finden sich bereits in Volkshäusern, neben ungedielten, blos mit Stroh be­ legten Böden. Der Grundriß war vorwiegend quadratisch. Das sieht man auch häufig bei den Hausgrundrissen der Haji-Periode. Der quadratische Grundriß hat sich im Schirmbau (karakasa­ tate) von Ika fortgesetzt. Die Tempyö-Zeit fällt mit der Blüte• periode der chinesischen T'ang-Kultur zusammen. In den gleich­ zeltigen japanischen Volkshäusern der besser gestellten Leute wurden zunehmend Bretter für Fußboden und Wände verwendet, in den der ärmeren blieb noch lange alles beim Alten.

IV. Das Wohnhaus der Heian-Zeit 1) Neue Baugedanken in den Adelsresidenzen der Hauptstadt, der "Schlafhallen" (shinden) -Bau. In der Heian-Zeit (794-858) vollzog sich eine Neuerung im Wohnhausbau, der zuerst auf die oberen Schichten beschränkt war, mit der Zeit aber über die mittleren Schichten auch das Volk erreichte. Im nächsten Abschnitt werden wir einen Blick werfen auf die Großstubenhäuser (hiroma-kei) , von Nordost­ Honshu (Töhoku), in denen ein Ausläufer der Heian-Wohnkultur die Bauernhäuser der Neuzeit erreichte. Von Anfang Heian haben wir über diese Residenzbauten keine Quellen, nach dem 11. Jahrhundert geben die Nikki (Tagebücher) und emaki (Bilderrollen) darüber Auskunft. Wegen ihres weitreichenden Einflusses im gesamten Wohnbauwesen müssen wir diese Bauart näher beschreiben. Die für die Residenzanlage einschließlich Garten benützte Fläche betrug durchschnittlich 40 Quadrat-chö (7.920 Quadrat­ Ineter). Die Residenz besteht aus mehreren Gebäuden. Davon ist in der Mitte, nach Süden schauend, das Haupthaus. Es wurde shinden genannt, was "Schlafhalle" bedeutet. Danach wurde die ganze Anlage shindenzukuri "Schlafhallenbau" genannt. Rechts und links vom Haupthaus und rückwärts vom Haupthaus sind Nebengebäude. Der ganze Gebäudekomplex ist mit gedeck- DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 43 ten Gängen mit erhöhtem Bretterboden verbunden. Natürlich hat auch das Haupthaus einen solchen. Südlich vom Haupthaus ist ein Garten mit einem großen Teich, darin eine Insel, zu der eine Brücke führt. Vom Haupthaus führt links und recht je ein überdachter Gang zu einem Gartenhaus, eines im Osten und eines im Westen. Das Gartenhaus heißt "Fischerhalle" (tsuri­ dono). Auf beiden Gängen ist ein Durchgang, durch den man in den Garten gelangt. Dieser Durchgang heißt "mittleres Tor" (chumon) , ein Ausdruck, dem wir bei der Behandlung des heutigen Bauernhauses im Nordosten von Hon­ shli (Töhoku) wieder begegnen werden. Dieses Durchganges 0 wegen nennt man den W.

Faltbare Wandschirme stehen im Zimn1er, an den Wänden sind Wandbretter für tägliche Gebrauchsgegenstände. Das Hauptzimmer (shinden) wird links und rechts von je einem Nebenzimmer (tai) flankiert. Das Wort dafür (tai) be­ deutet 'gegenüber'. Die Nebenzimmer sind rechtecktig, in nord­ südlicher Richtung angeordnet. Auf der Südseite haben sie einen abgetrennten Raum unter dem Dachvorsprung, der an der Vor­ derseite offen ist. Der überdachte Gang außerhalb dieses Raumes liegt eine Stufe tiefer und hat eckige Säulen. In der Schlafhalle wohnt der Hausherr, in einem der beiden anschließenden Nebenräume (tai) seine Familie. Hier wird ge­ lebt, gegessen, gearbeitet, geschlafen. Toilette und Bad sind in einem der Gänge untergebracht, die die Haupthalle mit den Nebenzimmern verbinden. Der Hausherr beansprucht für seine Person außer der Haupthalle wenigstens noch eines der großen Nebenzimmer und den sich daran anschließenden Gang, der zu einem Gartenhaus führt. Seit Mitte Heian ist das "lackierte Privatgemach" abgekommen, dafür wurde in der Mitte der Haupt­ halle ein Vorhang aufgehängt und dahinter ein Schlafplatz ein­ gerichtet. Davor wurde ein Bodenbelag aus einer dicken Schicht geflochtenen Strohes ausgebreitet. Das ist der Beginn der Ver­ wendung von tatamiJ die heute in jedem Hause zu sehen sind. So entstand ein Wohnzimmer (ima) , wie es im Wesentlichen heute noch aussieht. Auch fing man an, dem Hauptgebäude einen zweiten Stock aufzusetzen, wo Haarputzdinge, Schreib­ geräte und andere tägliche Gebrauchsgegenstände untergebracht wurden. . Die Haupthalle diente auch sozialen Zwecken. Das Jahr hindurch fanden hier jahreszeitliche Veranstaltungen statt. Wenn sehr \'iele Gäste kamen und die ganze Nacht gefeiert wurde, benützte man dafür die südliche Hälfte der Halle, die großen Nebenzimmer und die Gänge (chumonr8) zu den Gartenhäusern. Als das Leben komplizierter wurde und ein Bedürfnis nach einer Trennung des privaten und öffentlichen Lebensbereiches entstand. wanderte der Wohnraum (ima) des Hausherrn nach rückwärts von der Haupthalle, wo unter dem Dachvorsprung ein Zimmer abgetrennt wurde. Dieses nördliche Zimmer hatte von Anfang an einen betont privaten Charakter. An dieser Nordseite waren auch die Räume für weibliche Bediente, hier waren ver­ hältnismäßig viele Zimmer abgetrennt, die sich mit der Zeit noch vermehrten. Die Haupt- und Nebenräume wurden durch überdachte DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 45

Gänge (wataridono) verbunden. Mitte Heian hatte man einen Verbindungsgang von der SO- und SW-Ecke der Haupthalle zum nächsten Nebenzimmer. Der Gang zu einem Gartenhaus hieß sukiwadadono 'Durchgangshalle nach außen'. Vorher war die Haupthalle nur von ihren rückwärtigen Ecken an mit den Nebenzimmern verbunden, die Gänge hießen wadadono 'Durch­ gangshallen'. Diese Gänge wurden von Mitte Heian an als solche aufgegeben, dafür richtete man in ihnen je zwei Zimmer ein. Hier waren dann Kinderzimmer, Mägdezimmer; Bad, Toilette. In der NO-Ecke der Haupthalle wurde häufig ein Raum ein­ gerichtet, der dei hieß, was ungefähr 'Aus- und Eingang' be­ deutet. Für gewöhnliche und rein persönliche Besucher nämlich gebrauchte man nicht die große Halle, die immer mehr für gesell­ schaftliche Zwecke bestimmt wurde. Das dei war eine Art privater Tagesraum, war Wohn- und Empfangszimmer zugleich. Eigene Gastzimmer (osetsuma) wie heute gab es noch nicht. Das dei war ein Teil der privaten Gemächer (ima) rückwärts von der Haupthalle. Der Eingang zum ganzen Wohnhauskomplex geschah durch das Tor am Verbindungsgang zum Gartenhaus (tsuridono). Diesem Zugang entspricht heute das (Vestibül). Für gewöhnlich ging man nicht durch den Garten, betrat vielmehr den Verbindungsgang und gelangte zunächst in ein großes Neben­ zimmer, von da in die Durchgangshalle (wadadono) und in die Haupthalle. Im Gartenhaus (tsuridono) wurde gefischt) in den Mond geschaut, der Schnee gepriesen. Es hatte keinerlei Möbel und war auf allen Seiten offen. Im Teich schwamm ein Boot, diente für gesellige Zwecke, Vergnügungen mit Gedichten, Liedern und Musik. Das Wasser floß dem Teiche zwischen der Haupthalle und dem großen Nebengebäude (tai) östlich davon zu. Der Ver­ bindungsgang zwischen den beiden Gebäuden ist demnach eine überdeckte Brücke über dem Zuflußbach. Vom Teich fließt das Wasser nach Süden ab. Nach Mitte Heian wich man allmählich von der orthodoxen Form des Schlafhallenbaues ab durch Aufgabe der Symmetrie von links und rechts. Diese Symmetrie stammte wahrscheinlich vom Kaiserpalast (nairi). Die äußere Symmetrie in der Hori­ zontalen deckte sich nicht mit der Verwendung der Räume im Innern. Bei Zeremonien wurde der Platz vor dem "lackierten Privatgemach" (nurigome) zum Ehrensitz. Dieser war also nicht in der Mitte. Die Achse lag nicht nordsüdlich, sondern ostwest- 46 MATTHIAS EDER lich. Von der Verwendung der Räume her gesehen war der Schwerpunkt des Hauses entweder im Osten oder im Westen, je nachdem auf welcher Seite man aus- und einging und wo der tägliche Aufenthaltsraum war. Die andere Hälfte der ganzen Residenzanlage wurde mehr zu einem Luxus. Erst ließ man die Räume als offene Hallen noch bestehen, mit der Zeit ließ man sie ganz weg. Diese Vereinfachung war auch ökonomisch be­ dingt, denn die Aristokratie (kuge) von Heian verlor infolge der Wandlung im Pfründensystem (sh6en) ihre Wirtschaftskraft. Ende der Heian- und zu Beginn der Kamakura-Zeit (1192-1333) verschwand die Paarung von Osten und Westen ganz. Weniger reiche Herren haben sich in ihren Residenzbauten von Anfang an nicht daran gehalten. Die Symmetrie war aber das klassische Ideal. Es blieben die Haupthalle und der Zugang dazu, der frühere Verbindungsgang zum Gartenhaus blos übrig. Ein gutes Beispiel eines so vereinfachten Baues ist die Residenz von Fujiwara Sadaie (1162-1241). Das Haupthaus war schon in einem Gehöft der Hügelgräber• zeit in der Mitte. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese Tradition in den Palastbauten fortgesetzt wurde. Wie schon erwähnt, wurden die vermutlichen Reste des Palastes von Prinz Shötoku gefunden.60 Wie bei den Adelsresidenzen der Heian-Zeit war da anscheinend ein großes zentrales Gebäude vorhanden. Weitere Grabungen müßten die Spuren der anderen Gebäude ans Licht bringen. Irgendwie gehen die Schlafhallenbauten auf die kaiserliche Residenz zurück. Da sie nirgends von langer Dauer waren, weiß man über die Kaiserpaläste nicht viel. Im Jahre 645 wurde der Kaiserpalast von Yamato aufgegeben und nach Naniwa verlegt. Hier wurde auch eine Anzahl von Regierungsgebäuden errichtet. In den Jahren 650-652 wurde der Palast von Nagara no Toyosaki neu gebaut. Das Nihon shoki (720) beschreibt seine Herrlich­ keiten, es waren Gebäude im Stile der T'ang-Zeit. Naniwa war nur neun Jahre Hauptstadt. Der Kaiser Saimei verlegte seine Residenz wieder nach Yamato. Der geplante Bau mit einem Ziegeldach kam nicht zur Ausführung. Bemerkenswert ist, daß man Dachziegel gebrauchen wollte, die bisher nur an buddhisti­ schen Tempeln verwendet wurden. Die Fujiwara-Hauptstadt

60) über diese Grabungen NBD) Bd. 2, S. 245 f. Der Ikaruga-Palast von Shötoku Taishi wurde nach dem Nihon shoki 601 (Suiko 9) gebaut, brannte 643 ab. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 47 wurde unter der Kaiserin Jit6 in den Jahren 691-694 gebaut. Die Nordsüdlänge betrug 203 Fuß (ca. 64 m), die Ostwestlänge 780 Fuß (ca. 260 m). Der folgende Heij6-Palast war kleiner, der Heian-Palast noch kleiner. Von diesen drei Palästen weiß man aber nichts über die vom Kaiser selber benutzten Gebäude. Im Jahre 960 brannte die kaiserliche Residenz ab. Während des Neubaues mußte der Kaiser in einer Adelsresidenz wohnen. Bis 1048, also in 88 Jahren, brannte die Kaiserresidenz elfmal ab. Jedesmal wurde für den Kaiser vorübergehend eine Adels­ residenz eingerichtet. Diese nannte man "Dorfresidenz" (sato­ dairi, sato 'Dorf', dairi die vom Kaiser benutzten Gebäulichkeiten im Palast). Nach dem Brande 1048 brach während des Neubaues abermals ein Brand aus, so wurde die neue Kaiserresidenz (dairi) erst achtzehn Jahre später fertig, 1071. Wegen dieser häufigen Brände wurde es üblich, daß auch bei Vorhandensein einer kaiser­ lichen Residenz die "Dorfresidenz" gebraucht wurde. In einer solchen wurden Stil und Bauanlage so gehalten wie bei der eigentlichen Residenz. Auch wenn später in der Stadt eine kaiserliche Residenz vorhanden war, wurde sie kaum gebraucht. Die Dorf- oder Landresidenz wurde zur tatsächlichen Kaiser­ wohnung. So haben wahrscheinlich Kaiser und Adelige zusam­ men den Schlafhallenbau ausgebildet, wobei die Führung doch wohl beim Kaiser lag. Neben der sozialen hatte der Residenzbau auch eine religiöse Funktion. Wenn ein Fujiwara N.N. Buddha verehrte, stellte er das Buddha-Bild aus seiner Privatkapelle in' den großen Haupt­ raum, die bei ihm angestellten lVIönche hockten sich davor nieder und beteten um das Gedeihen der Familie. Die Familienmit­ glieder beteten alle von ihren Sitzen im Vorraum mit. Das Haus wurde im Hinblick auf diesen Kult geplant und gebaut, hatte die verehrte Gottheit zum Mittelpunkt mit den Sitzen der Beter darum herum.61 Das eben Gesagte sieht man auch im heutigen Kaiserpalast von KyOto veranschaulicht, nämlich in der Zere­ monienhalle (seiry6den). Sie war früher ein Bau in der Kaiser­ residenz (dairi). Darin war der Kaiser, selber ein Gott, der Mittelpunkt. Um den großen sakralen Hauptraum herum sind weitere, kleine Räume angeordnet, so wie sonst beim Schlaf­ hallenbau der Heian-Zeit. Die Aristokraten dieser Zeit besaßen in Wirklichkeit wenig Macht und was sie an Macht hatten,

61) Vgl. den Aufsatz von Kon Wajirö, Der Wandel des Wohnhauses (jukyo no hensen), in: NBD. Bd. 6. S. 11. 48 MATTHIAS EDER suchten sie mit Hilfe der Götter und Buddhas zu erhalten. Daher die Hausanlage mit einer Kulthalle als Mittelpunkt. Schutzgötter wohnten seit alters mit den Menschen zusammen. Die Verehrung von Göttern im ungedielten Teil des Bauernhauses setzt diese alte Praxis fort. Das Bauernhaus besteht aus drei Teilen, dem ungedielten Teil (doma) , dem gedielten Teil (itanoma») dem mit tatami (dicken Strohmatten) belegten Teil. Der ungedielte Teil stammt aus der Urzeit, der gedielte aus der Heian-Zeit, der Teil mit tatami aus der Zeit der Krieger (buke) , d.h. von der Kamakura-Zeit (1192-1333) an.62 Die alte Dreiteilung ist in den Bauernhäusern von Nordost-Honshu mit der großen Stube (hiro­ ma) heute noch klar zu sehen. Der ungedielte Teil ist dort groß. Daran schließt sich eine große Stube mit Bretterboden an. Hier ist eine Feuerstelle, um die herum die Familie lebt. Eine gute Stube (zashiki) mit tatami schließt sich an, wird nur für Gäste gebraucht. Ein überrest aus der Zeit der Grubenwohnungen ist es, wenn in Bergdörfen heute noch im ungedielten Teil geschlafen wird. Auch Austragleute, Knechte, junges Volk werden hier untergebracht. Es wird eine Vertiefung ausgehoben und mit Ge­ häcksel und Stroh ausgebettet. Auch der Stall für Haustiere ist eine Vertiefung im Boden, in die Schichten von Stroh geworfen werden. Aus dem ungedielten Teil des Hauses kann man das Hausinnere der Urzeit rekonstruieren. Hier werden Götter verehrt, am Herd der Feuergott Kojin, am Brunnen im Hause der Wassergott. Die Götter haben ein kleines Wandbrett, auf das zum Jahresende Opfergaben gelegt werden. Sie sind Götter ohne Beziehung zu öffentlichen Schreinen, reine Hausgötter, die ältesten im Hause verehrten Götter, wahrscheinlich schon seit der frühgeschichtlichen Zeit oder noch länger vorhanden. Ein gutes Beispiel für das Wohnhaus als Kultstätte haben wir in Hyuga in Kyushu. In Kashiwabara bis hinüber nach Takachiho gibt es nach der Tradition Ansiedlungen ehemaliger Parteigänger der Heike. Von den Minamoto geschlagen ließen sie sich als Bauern in abgelegenen Berggegenden nieder.63 Typisch für viele andere der genannten Gegend ist das Gehöft Tsurutomi. Die baulichen Ei.gentümlichkeiten in­ teressieren uns in einem anderen Zusammenhang, hier nur das religiöse Element. Anschließend an den ungedielten Vor-

62) Kon Wajirö, a.a.O., S. 4. 63) Der Untergang der Taira wurde durch die Seeschlacht von Dannaura J. 1185 besiegelt. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 49 raum (doma) folgen in einer Reihe vier Zimmer. Das erste und das zweite dürfen durch Geburt oder Tod verunreinigte Personen nicht betreten, weil hier Götter gerufen und verehrt werden. Noch heute werden im genannten Landstrich nach der Ernte gegen Jahresende (religiöse Theaterstücke mit Musik) als Kultfeier aufgeführt. Das Los entscheidet jedes Jahr, in welchem Hause. Die Häuser sind eigens so gebaut, daß kagura gespielt werden können. Wer kein solches Haus hat scheidet aus. Das Haus, das an der Reihe ist, wird einige Tage vorher gereinigt, die Hausleute ziehen sich für eine Weile in eine Ab­ stellhütte (naya) zurück. Am Tage der Theateraufführung wird in einem kleinen Schrein am Bergabhang das (wörtlich 'Götterleib', d.h. ein Gegenstand, der als Sitz der Gottheit gilt), bewillkommnet. Jungmänner in Zeremonienkleidung tragen eine kleine Göttersänfte () zum Empfang der Gottheit, hier paarig, männlich und weiblich. Das shintai wird in der Sänfte in das gereinigte Haus getragen und in der Stube abgestellt. Dann wird hier die ganze Nacht hindurch kagura gespielt. \Vährend dieser Zeit dient das Nachbarzimmer (goza) den Spielern zum Rasten. Die Zuschauer sitzen am Rande der Stube und im Nachbarzimmer auf der anderen Seite und auf der Veranda (engawa). Alle beten. Auch im Garten beten Leute mit. So sehen wir, daß sowohl das Aristokraten- wie das Volk­ haus so gebaut ist, daß eine Kultfeier darin stattfinden kann.54 Die ältesten Schreine (jinja) waren ja auch nichts anderes als Aristokratenwohnhäuser. In vereinfachter Form kam das Aristokratenhaus, also der Schlafhallenbau, in die Provinzen. Elemente davon sanken mit der Zeit in das Bauernhaus ab. In diesem Zusammenhang ist das Bauernhaus von Nordost­ Honshu (Töhoku) interessant. Der Grundplan eines solchen läßt unschwer erkennen, was daran aus der Raumanordnung eines Aristokratenhauses (shindenzukuri) aus der Heian-Zeit stammt. Die große Stube mit Bretterboden ist die alte Schlafhalle (shin­ den), die anschließenden kleinen Zimmer, darunter das Schlaf­ zimmer des Ehepaares (nando) , erinnern an die Zimmer rück• wärts davon. Die religiöse Funktion der großen Stube (hiroma) ist gut aus der Sitzordnung am Feuerplatz erkennbar. Betritt man das Haus vom Vorraum (doma) her und schaut gerade aus

64) Kon Wajiro, a.a.O., S. 10. 50 MATTHIAS EDER in die Stube hinein, ist rechts vom Feuerplatz der Sitz der Haus­ frau (kakaza) , sie hat von da aus zur Küche nicht weit. Links vom Feuerplatz kommt der Gast zu sitzen, denn dieser Platz (kyakuza) liegt dem Eingang am nächsten. Hinter dem Feuer- platz sitzt der Hausherr, sein Platz heißt "Quersitz" (yokoza) , denn dieser Platz liegt "quer", an der Quer- und nicht an der Längsseite des Feuerplatzes. Das ist der vornehmste Platz im Hause. Er wird nur dem Sippenoberhaupt abgetreten, wenn dieses zu Besuch kommt. Hinter diesem Quersitz ist der Haus­ () , dessen Betreuer und Offiziant der Hausherr ist. Die in der Stube verehrten Götter werden als "innere Gäste" (naikyaku) angesehen, sind verschieden von den im Vorraum (doma) verehrten. Sie haben Beziehungen zu Schreinen, sind Götter, die dem Volke von seinen Herrschern gegeben wurden. Sie haben politische und soziale Bedeutung, stamrnen vom Staat oder von einem Lehensherrn (daimyo) , z.B. Daijingu, d.i. die Sonnengöttin , die Ahnherrin des Kaiserhauses; oder Chinshu, die Schutzgottheit des jeweiligen Lehensgebietes, über das ein Lehensherr gesetzt ist. Hinter dem Hausfrauensitz werden die Götter und Daikoku verehrt und hängen die von der Shingon-Sekte ausgegebenen Feuerabwehramulette. Andere Amulette sind an den Hauseingang geklebt. Auch der bud­ dhistische Hausschrein (butsudan) ist hinter dem Hausfrauen­ sitz in einer Ecke. Die Sekten Shinshu und Nichiren lassen diesen Schrein rückwärts in die gute Stube (zashiki) stellen. Die in der großen Stube verehrten Götter sind nicht die alten Hausgötter, diese finden wir im Vorraum, dem ungedielten und historisch ältesten Teil des Hauses. In dem erwähnten seikyoden (Zeremonienzimmer) des Kaiserpalastes ist anschließend an das Schlafgemach des Kaisers ein kleines Zimmer (futama) , in dem der buddhistische Hofkaplan ein Kannon-Bild aufgehängt hat, um davor um Schutz für den Kaiser zu beten. Darin sehen wir den Anfang von buddhistischer Bilderverehrung in einem Wohn­ hause. Die Lage stimmt mit der des buddhistischen Haus­ schreines im Bauernhause von Nordost-Honshu überein. Der Residenzbau von Heian war ganz den wirtschaftlichen, sozialen und religiösen Verhältnissen der damaligen Aristokraten angepaßt. Jede Residenz war von einer Familie besetzt. Chinesischer Einfluß ist nur indirekt darin wirksam gewesen. Die große Wohnhalle des Hausherrn, die angeschlossenen Neben­ zimmer in eigenen Gebäuden, die mit gedeckten Gängen mit dem Haupthause verbunden sind, ebenso die Gartenanlage mit DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 51 den Gartenhäusern sind von der chinesischen Baukunst inspiriert. In China aber herrscht das Großfamiliensystem, dessentwegen eine bessere Residenz aus einem Komplex mit mehreren Höfen zusammengesetzt ist, von denen jeder mit den ihn umgebenden Gebäuden eine Einheit für sich bildet und einem verheirateten männlichen Familienmitglied mit seiner Familie zur Verfügung steht. In einer Heian-Residenz gruppiert sich die ganze Anlage um ein Hauptgebäude mit einem Hausherrn und seiner Familie. Dem Leben dieser einen Familie und religiösen und sozialen Veranstaltungen derselben dient der ganze Komplex. Auch im Baumaterial unterscheiden sich ein chinesischer und ein japa­ nischer Palast: in China baut man mit großen Ziegeln, auch der erhöhte Fußboden ist mit solchen belegt. Viele Raumabtrennungen sind in China mit Holzrahmen (ko-shan) , die mit Seide bespannt sind, bewerkstelligt, in Japan mit Vorhängen und Bretterwänden oder mit Mörtel verputzten Bambusgeflechten. Wir finden auch im Wohnhaus japanischen Verhältnissen angepaßte Weiterent­ wicklungen chinesischer Anregungen. Die Heian-Gesellschaft mit den Fujiwara Diktatoren verlor ihre Vorrangstellung zugunsten der aufsteigenden Kriegerklasse. Die Wurzeln des Verfalls der Zentralregierung liegen weit zurück in der Zeit der Kriege gegen die Ainu. Die Konzessionen, die damals gegen Ende des 8. Jahrhunderts dem Provinzadel ge­ macht werden mußten, unterhöhlten die Taiho-Gesetzgebung von 702, die einen zentralistischen Beamtenstaat nach chinesischem Muster geschaffen hatte. Vom 8. J ahrh. an wurde immer mehr Land kultiviert, das nie richtig von der Zentralregierung erfaßt werden konnte. Mit dem sich daraus ergebenden Konflikt zwischen Heian und den Provinzen sind drei Jahrhunderte er­ füllt. Das Kaiserhaus verlor seine Macht immer mehr an die Clane, die durch den Taiho-Codex ausgeschaltet werden sollten. Fujiwara Yoshifusa regierte praktisch das Land von 858 bis 872 als Regent. Der Aufstieg der Fujiwara war begleitet von der Rivalität anderer Clane, wobei Landbesitz der Zankapfel war. Der Hogen-Aufstand (1156-1158) mit dem autokratischen Regime und ihnen hörigen Kaisern auf der einen Seite und den beiden kriegerischen Clanen der Minamoto und der Taira mit dem Gegenkaiser Go-Shirakawa auf der anderen Seite brachte das Ende der kaiserlichen Macht und führte zu einem langen Kampf um die Machtstellung zwischen den Minamoto und den Taira. Yorinaga war der letzte Autokrat aus dem Fujiwara-Hause. Die tatsächliche Macht glitt in die Hände des Militärs hinüber, das 52 MATTHIAS EDER dann von der Mitte des 12. Jahrh. an das Feld beherrschte. Mit ihrer Macht verloren die Heian-Aristokraten auch ihren Wohl­ stand. Mit dem Siege Minamoto Yoritomo's in der Schlacht bei Dannoura (1185) und der Verlegung der Regierung nach Kama­ kura (1192-1333) und der folgenden Neuverteilung des Landes wurden für die nächsten fünf Jahrhunderte die Kriegerfamilien die tatsächlichen Beherrscher des Landes.

V. Der Krieger-Bau 1) Kamakura-Zeit Die Kriegerfamilien (buke) waren jetzt die maßgebende Klasse der Gesellschaft. Innerhalb derselben gab es streng ein­ gehaltene Rangstufen. Die alten Adelsfamilien und die hohen Beamten von Kyoto sahen von oben auf die Krieger herab und wahrten ihr Klassenbewußtsein. Ihre verfeinerte Kultur und Lebensweise wurde von der Kriegerklasse weitgehend nach­ geahmt. Das war auch in der Wohnkultur der Fall. Die Ab­ wandlung des alten Schlafhallenbaues durch die Krieger führte zum sogenannten Kriegerbau (bukezukuri). Der Übergang ist nicht klar. Es gibt sprunghafte Erklärungs• versuche, in der Baugeschichte sind hier noch Lücken auszufüllen. Die Krieger lebten in der Welt der Waffen, abseits von den Kaisern, die in ihrem Palaste ein geheimnisvolles Dasein führten. Sie verlangten aber nach besseren Wohnbauten und ahmten darin die Adeligen von Kyoto nach. Dabei mußten die Unterschiede der militärischen Ränge berücksichtigt werden. Eigene Räume für die hohen und für die niedrigeren Ränge wurden notwendig; für Verteidigungszwecke eine starke Einfriedung, Türmchen und ein mächtiges Holztor. Gelegentlich umgab man die ganze Anlage mit einem Umfassungsgraben. Umständlich wurden auch die Abstufungen in der Sitzordnung und im Ausbreiten der Sitz­ unterlagen. Bauern und anderes niedere Volk durften das Haus überhaupt nicht betreten. Sie mußten sich im Garten im Freien auf dem Erdboden niederwerfen und von da dem Herrn ihre Aufwartung machen; dabei auf einer Strohmatte hocken zu dürfen war schon eine Auszeichnung (Abb. 3). Der nächsthöhere Grad der Auszeichnung war, auf der Veranda niederzuhocken und Verbeugungen machen zu dürfen. Dann kam das Sitzen auf dem Bretterboden der großen Stube auf billigen, dünnen Matten (usuberi) , dann das Sitzen im Zimmer mit besseren Matten (tatami) . Da gab es drei Rangstufen. Einen Sitzpolster (zabu- DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 53 ton) zu benützen war schon ein Privileg. Wenn ein unbekannter Gast kam, wurde erst seine Kleidung von oben bis unten ge­ mustert, denn auch diese brachte Rang zum Ausdruck; dann wurde er entsprechend behandelt. Auch in dem für den Besucher gebrauchten Teegerät gab es einen Unterschied von Hoch und Niedrig. Zum Unterbringen dieser Geräte und von Kleidern wurde im Hause ein Aufbewahrungsraum (nando) oder außer• halb des Hauses ein feuersicherer Speicher (dozo) notwendig. In der Kriegerklasse wurde ein Gast von Rang zum Mittelpunkte des Hauses. Was geschah mit den Traditionen der Heian-Zeit? Bei den Amida-Sekten wurde ein Zimmer für die Betätigung der Religion eingerichtet, hieß butsuma 'Buddha-Zimmer'. Früher war das ganze Haus für Kultfeiern geplant. In der späteren Edo-Zeit (1603-1867) dienten die vorderen Zimmer für den Gästeempfang, zum Beten war blos ein dunkles Zimmer rückwärts vorgesehen. Jedoch die Anhänger der J6do-Shinshli, einer der Amida-Sekten, kehrten zur Tradition der Heian-Zeit zurück, sie stellten den buddhistischen Hausschrein (butsudan) in das beste Zimmer gegenüber dem Eingang. Bei Andachtsfeiern wurden die Raum­ abtrennungswände () herausgenommen, wodurch das ganze Haus zu einer Gebetshalle mit Sitzplätzen wurde. Die Anhänger der Zen-Sekte, die unter den Kriegern am meisten verbreitet war, machten den buddhistischen Hausschrein zu einer Art Möbelstück, das im sogenannten "Teezimmer" (chanoma) , das ist in dem gewöhnlichen Aufenthaltsraum der Familie, auf­ gestellt wurde. In der guten Stube (zashiki) , die für Gäste ge­ braucht wurde, war dann weder ein schintoistischer noch ein buddhistischer Schrein. Die religiöse Sphäre des Hauses wurde von dessen sozialer Funktion zur Seite gedrückt. So zeigt sich im Hausbau, daß die dominierende Ideologie der Kriegerklasse eine andere war, wie die der Aristokraten der Heian-Zeit Der Übergang vom Schlafhallenbau zum Kriegerbau vollzog sich allmählich. Schon Ende Heian wurde die Symmetrie des ersteren aufgegeben, als man anfing, eines der beiden großen Nebengebäude (taiya) wegzulassen. Ein Beispiel eines so ver­ einfachten Residenzbaues ist der Palast von Fujiwara Sadaie (1162-1241). Er bestand nur aus einer Haupthalle und einem kurzen Vorbau, Rest des früheren Verbindungsganges zum Gartenhaus. Die zusätzlichen Privaträume waren unter dem­ selben Giebel unter dem Dachvorsprung (hisashi) untergebracht. Auf dem Grundstück waren noch eine buddhistische Kapelle, 54 MATTHIAS EDER ein Dienerhaus und eine kleine Wagengarage. Ein Tor in der Einfriedung führte in das Residenzgelände. Die Halle im Haupt­ gebäude diente für zeremonielle Veranstalltungen und war zu­ gleich Wohnraum des Hausherrn. Der Vorbau (chumonro) war ein repräsentativer Eingang. Die doppelte Funktion der Haupt­ halle (shinden) brachte die Tendenz mit sich, für jede der beiden Funktionen ein getrenntes Gebäude zu haben. Weil der Raum vor der Haupthalle und der Raum unter dem südlichen Vordach für öffentliche gesellschaftliche Zwecke diente, blieben für den privaten Gebrauch nur die Räume unter dem nördlichen Vordach übrig. Unter diesem Vordach bildete sich der ständige Aufent­ haltsraum (tsune no gosho) aus, der Wohn- und Schlafzimmer zugleich war.) Er wurde mit der Zeit geräumiger gebaut, indem entweder ein Anbau an das Vordachzimmer oder dieser Raum in das Hauptzimlner hinein erweitert wurde, sodaß die Abtren­ nung der beiden Räume nach Süden verschoben wurde. Dieser Wandel begann bereits Ende Heian, in der Kamakura-Zeit wurde er allgemein. Wenn auch mit reduzierten Ausmaßen wahrten die Adelswohnungen auch weiterhin im Wesentlichen die Tradi­ tionen der Heian-Zeit bis in die Muromachi-Zeit (1382-1490) hinein. Die neue Klasse der Krieger rekrutierte sich aus den Pro­ vinzen. Sobald ihre soziale Stellung gesichert war, entwickelten sie auch einen ihnen angemessenen Wohnbaustil. Das Azuma kagami65 berichtet über die Residenz des militärischen Statt­ halters (shogun) seit Minamoto Yoritomo (1147-1199). Es werden folgende Räume genannt: eine Haupthalle (shinden) , ein größerer Nebenraum (tai) , ein Gartenhaus (tsuridono») ein Gefolgezimmer (samurai), ein Privatraum (kogosho) , ein Pferde­ stall (umaya) , ein ständiger Aufenthaltsraum für den Statthalter (shogun) (tsune gosho), ein Empfangsraum (taimen gosho); zwei überdachte Verbindungsgänge mit eigenem Giebel, ein Studier­ zimmer (gakumonsho) , ein Abstellraum (osamedono). Abgesehen vom Empfangszimmer sind das alles Zimmer und Zimmerbezeich­ nungen, die von denen des alten Residenzbaues von Heian sich nicht unterscheiden. Demnach war der Übergang vom Schlaf-

65 Wörtlich "Spiegel des Ostens", beschreibt den Aufstieg der Kriegerklasse und deren Verhaltenskodex und umfaßt die Zeit von 1180­ 1266. Der erste Teil wurde 1270 abgeschlossen und handelt über ver­ schiedene Themen; der zweite Teil bietet wertvolle historische Angaben über Wirtschaft und Gesellschaft des späteren Mittelalters. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 55 hallenbau zum Kriegerbau nicht sprunghaft. In einem Rollbild (emaki) über Hönen Shönin (1133-1212), dem Apostel der Sekte vom Reinen Lande (Jödo-shu), scheint die Residenz von Mina­ moto Tokikuni in Mimasaka, eine der acht Provinzen von San­ yödö in West-Honshu, auf. Sie ist typisch für eine Wohnung des damaligen Provinzadels. Es steht da von der Haupthalle (shin­ den) ein überdachter Verbindungsgang (chumonro) vor, der als Raum für Gefolgsleute eingerichtet war. Anstelle des Wagen­ schuppens in der Residenz von Fujiwara Sadaie wurde hier ein Pferdestall eingerichtet. Sonst unterscheidet sich die Anlage nicht von der genannten Fujiwara-Residenz. Als die Krieger der Provinzen zu sozialem Ansehen gelangt waren, wurden ihre Wohnungen stattlich gebaut. Der alte Schlafhallenbau lag am nächsten. Zwar ließ man den Verbindungsgang an der Vorder­ seite der Haupthalle (sukiwatadono) weg, ebenso den Gang zum Gartenhaus und dem Teich, doch wurden alle anderen Neben­ räume (taiya) groß gebaut und weitere Gebäude hinzugefügt. Die Funktion der einzelnen Innenräume war in der ersten Zeit noch wenig entwickelt, daher wenig Abtrennungen. Die Krieger setzen vorläufig noch die Baukultur der Stadtaristokraten fort, hielten sich auch später im Wesentlichen daran. Im Gempei seisuiki66 heißt es vom Hause von Minamoto Yoritomo, dem Be­ gründer der Macht des Minamoto-Clanes, daß es ganz nach dem Stil der Hauptstadt gebaut war. Das Besondere des Krieger­ hauses (bukezukuri) tritt in der Kamakura-Zeit noch wenig hervor, tut es erst von der Muromachi-Zeit an. Die Raurnabtren­ nung wurde komplizierter, man gebrauchte dafür entfernbare Schiebetüren (fusuma) , Holzrahmen, die auf zwei Seiten mit Papier bespannt waren. Ferner war der größere Teil des Fuß• bodens mit guten Matten (tatami) bedeckt und eine Zimmer­ decke angebracht.

2) Ashikaga-Zeit

Palastbauten von Ashikaga Takauji und anderer Statthalter Die Residenz von Ashikaga Takauji (1305-1358), dem ersten Statthalter aus dem Hause der Ashikaga, in Ogawa besteht aus zwei Hauptgebäuden, von denen das östliche die Privaträume, das westliche die Zeremonienhalle enthielt. Auch fehlte eine

66) "Geschichte des Aufstieges und Falles der Minamoto und Taira", umfaßt die Jahre 1160-1185, Hamamoto Tokinaga zugeschrieben. ~ ~ Q ~

Cf) ~ @ ~ ~ ~ ~

ABB. 3 Zimmerrang und Besucherzeremoniell der Feudalzeit. liegt eine Stufe tiefer, ist für Besucher mittleren - Auch unter der Bauernbevölkerung gab es Würden• Ranges. Der nächstuntt'l"e Platz ist auf der Veranda. träger. Die sozialen Abstufungen der Feudalzeit er­ Besucher dieser drei Ringe dürfen durch das Haupttor streckten sich auf das Land. Die Abbildung zeigt einen das Haus betreten. lIiirige müssen durch das Gartentor ':D höheren Bauern-samurai im besten Zimmer auf dem kommen und dem Ikrrn auf dem Boden vor der tn Ehrensitz vor der Wandnische (toko) sitzen, neben ihm Veranda kniend ihre Aufwartung machen. Die Respekts­ ranggleiche Besucher. Das rechts anschließende Zimmer person unter ihnen darf dabei auf einer Matte knien. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 57 buddhistische Kapelle nicht. So ist immer noch der Heian­ Residenzbau ersichtlich. Jedes der beiden Hauptgebäude ist vorn und rückwärts in eine Anzahl Zimmer eingeteilt, außen führt eine Veranda (en) herum. Takauji's Residenz ist noch ziemlich einfach gebaut. Spätere Ashikaga-Statthalter leisteten sich Prachtbauten, die sich mit den Adelssitzen von Heian messen konnten. Man hatte prächtige Tore, Verbindungsgänge, Gärten und Gartenhäuser. Die Residenz von Ashikaga Yoshimitsu (1358­ 1408) in Muromachi wurde wegen der vielen Blumen im Garten "Blumenresidenz" (hana no gosho) genannt. Die Saionji-Familie baute sich einen Palast in Kitayama, in den Jahren Öei (1394­ 1426) mischte sich Ashikaga Yoshimitsu ein und machte daraus den Kitayama-Palast, ist jetzt Rokuonji, ein buddhistischer Tempel. Der heute noch zu sehende Teil verrät deutlich einen Palast nach Heian-Stil. Der Higashiyama-Palast wurde von Ashikaga Yoshimasa (1435-1490) im Jahre 1483 erbaut. Er besteht aus fünf Gebäuden, eines mit zahlreichen Zimmern ist vom Haus­ herrn persönlich benutzt worden, ein anderes ebenso großes diente für Versammlungen, hat ebenfalls zahlreiche Räume; im Garten sind eine buddhistische Gebetshalle, eine Kannon-Kapelle und ein Gartenhaus. Die Kannon-Kapelle wurde später Ginkaku ("Silberpavillon") genannt. Das von Ashikaga Yoshimitsu (1358-1408) im Jahre 1397 erbaute Kinkaku ("Goldpavillon") ist ein Gartenhaus, das man in der Heian-Zeit "Fischerhaus" (tsuri­ dono) genannt hätte. Solche Bauten waren bei den Ashikaga­ Statthaltern beliebt, hießen "Kirschblütenpavillone". Das Gin­ kaku hat zwei, das Kinkaku drei Stockwerke. In Zen-Tempeln wurde ein oberer Stock gebaut und für religiöse Versammlungen und Gastmäler gebraucht. Am Kinkaku ist der dritte Stock ebenfalls von Zen-Priestern eingerichtet worden. Davon ging ein Einfluß auf den Residenzbau aus. Zweistöckige Gartenhäuser hatte man schon Ende Heian. Die Saionji-Villa auf dem Kita­ yama war schon von Kirschbäumen umgeben. Eine besondere Vorliebe für Kirschbäume im Garten hatten die Zen-Buddhisten. Von mehrstöckigen Gebäuden in Wolken von Kirschblüten zu schauen gehörte zur verfeinerten Kultur. Solche Gebäude ver­ liehen dem Garten viel Plastik. Am Kinkaku sind Pfosten und Dach leicht, der Bau ist gefällig und hell. Der zweite und der dritte Stock sind vergoldet, für den ersten Stock ist einfaches Holz verwandt. Das Wasser des Teiches spiegelt sich im Gold. Das Ginkaku, erbaut 1489, ist zweistöckig, der obere Stock ist versilbert, leuchtet matt. Der untere Stock ist ein sogenanntes 58 MATTHIAS EDER

"Schreibzimmer" (shoinzukuri) , über das noch Näheres zu sagen ist; hat Papierschiebewände, deren unterer Teil ziemlich hoch hinauf aus Brettern besteht (koshitakash8ji). Der obere Stock mit seinen abgerundeten Fenstern zeigt Zen-Atmosphäre. Der Dachvorsprung ist schwer und hoch, Zen-Stil. Vom alten Heian­ Stil ist nichts mehr zu spüren. Im Higashiyama-Palast sind Räume für Samurai und zum Empfangen von Gästen. Das Versammlungshaus (kaijo) und das Gästehaus erinnern noch an eine Heian-Residenz, in der aber nur vorhandene Räume im Schlafhallenbau für diese Zwecke gebraucht wurden. Getrennte Versammlungshäuser kamen an­ fangs der Muromachi-Zeit (1392-1490) auf. Ein eigenes Haus zu haben zum Empfangen und Beherbergen von Gästen ist eine große Neuerung. Die Raumverteilung in einem solchen ist ähn• lich wie die im Hause des Hausherrn. Der Gästeraum im heutigen Volkshaus ist eine sehr vereinfachte Form des Gäste• hauses der Muromachi-Paläste. Im Heian-Palast bestand noch ein Unterschied zwischen den Innenräumen und den Räumen unter dem Dachvorsprung, in den Bauten der späteren Krieger­ klasse fiel dieser Unterschied weg, die zahlreichen inneren Zim­ n1er nahmen den ganzen Platz unter dem Dach bis zur Veranda ein, alle Zimmer haben gute Matten (tatami) , eine Zimmerdecke, Papierschiebewände (sh8ji) und um eine Angel sich drehende Türen. Der Name zashiki für 'gutes Zimmer' stammt aus dieser Zeit und bedeutet ein Zimmer, das mit tatami ausgelegt ist. Auch auf der Veranda fing man an, tatami anzubringen, wo man früher Bambuslatten hatte. Schon Ende Kamakura tritt der neue Resi­ denztyp in Erscheinung, ist schon deutlich ausgeprägt in der Residenz von Ashikaga Takauji, weiterentwickelt im Higashi­ yama-Palast. Nicht alle einzelnen Gebäude sind mit Gängen verbunden.

VI. Der Schreibzimmerbau

Zum Kriegerbau (bukezukuri) traten einige Neuerungen hinzu, deren Ergebnis man als "Schreibzimmerbau" (­ zukuri) bezeichnet. Er bahnte sich an im Aufkommen eines Alkovens (toko) in einem guten Zimmer (zashiki), von Wand­ brettern, einer kleinen Schreibkammer (tsukeshoin) und einer Schlafstätte auf einem um eine Stufe erhöhten Boden. Diese Dinge waren aber zunächst im Hause frei verteilt. Der aus­ gebildete, eigentliche Schreibzimmerbau gehört einer späteren DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 59

Zeit an. Erhöhte Schlafstätten hat man schon anfangs Kamakura ge­ baut. Es war ihnen eine hölzerne Wand mit einer Tür vorgebaut, die oben mit kleinen verschiebbaren Flächen (fusuma) versehen war. Der Alkoven (toko) ist auf Rollbildern aus der Kamakura­ Zeit zu sehen, in ihm ist ein Bild aufgehängt, vor dem ein Bonze betet. Davor ist ein Brett gelegt, wie man es zum Kleiderglätten benützt; darauf steht ein Inzensbrenner. Man hat bisher die Entstehung der Wandnische mit dieser im Bilde dargestellten Verwendung erklärt: eine Vertiefung in einer Wand, in der ein Bild hängt und die ein breites Brett als Boden hat. In der Heian­ Zeit hat man Bilder an verschiebbaren Papiertüren (shaji) be­ wundert. Die Sung- und Yuan-Bilder waren auf Rollen auf­ montiert. Zum Aufhängen derselben wurde eine Wand not­ wendig, man machte dann Wandnischen. Daß das Brett als Boden derselben ein Preßbrett war, wird von anderen bestritten. In der Momoyama-Zeit wurde die Wandnische tiefer und statt mit einem Brett am Boden mit tatami (guten Matten) aus­ gestattet. Man sprach dann von einem Wandnischenraum (tokonoma) . Was das Wandbrett (tana) betrifft, in den Residenzbauten von Heian und auch später noch hatte man in der Küche ein Wandbrett. In der Kamakura-Zeit brauchte man ein Wandbrett zum Weglegen von Sutren. Der Bücherzimmerbau steht auch mit den Zen-Zimmern in Zusammenhang. Die Zen-Bonzen haben zum Schreiben und Bücheranschauen ein ruhiges Zimmer im Nordostteil des Hauses ausgewählt~ nannten es "Bücherzimmer" (shoin). Allmählich liebte man es, am Rande der Veranda das Bücherzimmer einwenig vorstehen zu lassen und davor einen kleinen, ruhigen Garten zu haben. Der Garten diente zum Schmucke des Zimmers. So kam auch hinter dem Hause ein Garten auf. Der Name "Bücherzimmer" bürgerte sich ein. Man unterschied ein "angefügtes Bücherzimmer" (tsukeshoin) und ein "flaches Bücherzimmer" (hirashoin). Mit "angefügt" ist das Vorstehen des Zimmers von der Veranda gemeint. Im vorstehen­ den Zimmer ist der Tisch in dem über die Veranda vorstehenden Teil eingebaut; "flach" ist ein Zimmer ohne eingebautem Tisch, es muß ein beweglicher Tisch aufgestellt werden. Eine Abwandlung des Schreibzimmerbaues ist die Wohnung, die sich unter Zen-Buddhisten ausgebildet hat. Man nannte sie hojo. womit zunächst die Wohnung eines Oberpriesters gemeint \\"ar. \\"örtlich aber heißt haja 'Quadrat-ja', zirka 3 Quadratmeter. 60 MATTHIAS EDER

Der Ausdruck kam für die Priesterwohnung eines Zen-Tempels auf.67 Die Anlage ist rechteckig. In der Mitte rückwärts ist das "Buddhazimmer" (butsuma), davor ist ein Zimmer mit Bretter­ boden ohne tatami (Matten), heißt "Zimmermitte" oder "zwi­ schen den Zimmern", "Zwischenzimmer"; rechts und links davon sind weitere Zimmer: Hausherrenzimmer (tanna no ma), Zere­ monienzimmer (rei no ma), Schreibzimmer (shoin no ma). Im Zwischenzimmer sind im Umkreis tatami, im Schreibzimmer ist eine Wandnische (toko), ein mehrstufiges Wandbrett (chigai­ dana) und eine Schreibecke mit eingebautem Tisch (tsukeshoin). Um diese Zimmer herum führt eine breite Veranda, die Schreib­ ecke ausgenommen. Eigentlich nur durch die Einrichtung eines "Buddhazimmers" unterscheidet sich eine Zen-Wohnung von den sonst üblichen Schreibzimmerwohnungen (shoinzukukri). An der Vorderseite des Hauses steht an einer Ecke der Veranda ein Vestibül (genkan) vor. Die Wortbedeutung von genkan ist "Zugang zur tiefsinnigen Erkenntnis" (satori), eine solche Er­ kenntnis oder Erleuchtung ist das Ziel der Betrachtungen der Zen-Sekte. Wort (genkan) und Sache (Vestibül am Hausein­ gang) haben sich im japanischen Wohnhaus eingebürgert, so wie die ganze Wohnung im Zen-Stil auf die Gestaltung des späteren Volkshauses nachhaltigen Einfluß ausgeübt hat. Es hatte ein vorderes gutes Zimmer (zashiki), das heißt rückwärts waren zwei Zimmer und das auf der Vorderseite des Hauses war das sogenannte omotezashiki 'vorderes gutes Zimmer'. Darin war eine Wandnische und ein gestuftes Wandbrett (chigaidana). An der Seite der Nische an der Ecke der Vorderseite des Hauses war ein Schreibzimmer mit eingebautem Tisch (tsukeshoin). Die Zimmer und die um das Haus herumgehende Veranda sind durch papierbespannte Schiebetüren (sh8ji) von einander ge­ trennt. Am Außenrand der Veranda ist am Boden eine Rille, in der verschiebbare Verschlagbretter oder Holztüren (amado 'Re­ gentüren') laufen, wenn man das Haus mitsamt Veranda nach außen abschließen will. Zwischen den einzelnen Zimmern sind verschiebbare Türen (fusuma), die mit mehreren Schichten Papier bespannt und oft künstlerisch bemalt sind. In den Resi­ denzbauten von Heian und auch noch im Krieger- und frühen Schreibzimmer-Haus geht die Zimmerabtrennung nicht an die Zimmerdecke, sodaß alle Zimmer dieselbe Decke haben. Im vollentwickelten Schreibzimmerbau (shoinzukuri) bekam jedes

67) NRD, Bd. 16, S. 250. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 61

Zimmer eine eigene Decke, etwas über Kopfhöhe läuft ein Balken (kamoi) , in dem die Rillen für den oberen Rand der beweglichen Papierwände (fusuma) sind. Zwischen diesem Balken und einem Balken an der Zimmerdecke ist ein dünnes Brett (ramma) , das in schönen Mustern, eine Art Laubsägearbeit, durchbrochen ist. Statt des Brettes kann hier auch ein Gitter aus geflochtenen Bambusstäben sein. In allen Zimmern sind gute Matten (tatami) . Im Schreibzimmerbau sind El~~mente aus drei verschiedenen Bauarten zusammengeflossen, nämlich vom Bau der "Schlafhalle" (shinden) , vom Kriegerbau und vom Bau der Tempelwohnungen (jiin) . Ende des 16. Jahrhunderts war die Verschmelzung abgeschlossen. Im Laufe der Tokugawa-Zeit (1603-1868) ging vom Schlaf­ hallenbau nach Heian-Stil jede Spur verloren. In Heian waren die Außenwände ein Gitter, die mit aufrollbaren Matten ver­ hängt wurden (-koshi). Solche findet man heute nur mehr an Schreinen und Tempeln. Die Schlafhalle als Mittel­ punkt des Hauses ist nicht mehr zu finden. Den besten Platz im Hause nehmen jetzt die Gäste ein. Erst auf Umwegen gelangten alle diese Verfeinerungen der städtischen Wohnkultur in die breiten Volksschichten. Der Önin-Aufstand (1467-1477) hatte die Zentralregierung der Ashikaga-Statthalter (Schogune) (1338-1477) erschüttert. Es bildeten sich viele regionale Macht­ und Kulturzentren. Die so hochgekommenen Territorialherren (Daimyo) bauten sich ihre eigenen Residenzen und Burgen. Trotz der vielen Kriege landauf landab während der sogenannten Sengoku-Zeit (1490-1600), der "Zeit der kriegführenden Länder", machte die Kultur auf verschiedenen Gebieten Fortschritte. Oda Nobunaga fing 1573 an, die Länder wieder unter eine Zentral­ regierung zu bringen. Toyotomi Hideyoshi setzte sein Werk fort, von Tokugawa Ieyasu wurde es vollendet. Während der Momo­ yama-Zeit baute sich Hideyoshi 1593 eine prachtvolle Burg auf einem Hügel bei Fushimi in Kyoto. Die Frühperiode der Momo­ yama-Zeit (1573-1595) ist eine Zeit hochstehender Kunstübung, die spätere Momoyama-Periode ist bereits epigonenhaft und formalistisch. Die Großen bauten ihre Burgen und Paläste jetzt in der Ebene. Um sie herum entwickelten sich Städte, in die viel Landvolk abwanderte, um direkt oder indirekt in den Dienst der Kriegerklasse zu treten. Die jogemachi, wörtlich "Städte unter­ halb der Burg", mit den Samurai, Kaufleuten und Handwerkern entwickelten eine Kultur eigener Art. Die wichtigsten Burgen wurden in dieser und der kurz auf sie folgenden Zeit erbaut, 62 MATTHIAS EDER

Adzuchi 1567, Ösaka 1583, Matsumoto 1585, Wakayama 1585, Kochi 1587, Takamatsu 1588, Edo 1590, Wakamatsu 1592) Fushimi 1592, Ueno 1592-1595, Marugame 1595, Takasaki 1597, Sendai 1601, Hikone 1602, Himeji 1602, Matsuyama 1602, Matsue 1607, Nagoya 1609, Morioka 1616. Innerhalb der Burgen wurde der Schreib­ zimmerbau im großen Stil angewandt und vervollkomlnnet. In der Sengoku-Zeit (1490-1600) war die Raumanordnung (matori) allmählich standardisiert und festgelegt worden, dabei war ganz rückwärts ein Gastzimmer eingerichtet worden mit Schreibzim­ mer (shoin) und erhöhter und eingefaßter Schlafstätte (ch8dai). Auf dieser Grundlage bauten die Krieger weiter. Von den großen Daimyo (Territorialherren) ging diese Linie weiter in die Wohnungen der Priester an den großen Tempeln, höherer Beamter und schließlich der unteren Schichten. Die Residenzen (yashiki) der Daimyo wurden von langen und schmalen Ge­ bäuden (nagaya) mit stattlichem Toreingang eingefaßt. In diesen Nebengebäuden waren Zimmer für Angestellte und Wächter eingerichtet und Abstellräume für Verschiedenes. Sie wurden von Bauernhäusern im höheren Rang übernommen. Auf die Straße zu sind kleine Fenster als Ausguck gemacht. An der Außenseite ist ein weißer Verputz mit Rautenmuster in schwarzer Linienführung aufgetragen. Die Gestalt des Außen• tores war je nach dem Range des Hausherrn verschieden. Aus der späten Tokugawa-Zeit sind noch viele solche Tore vorhanden. In Tokyo ist das Akamon ("Rotes Tor") an der früheren lVIaeda­ Residenz ein solches. Mit besonderer Erlaubnis der Tokugawa­ Statthalter wurde es besonders stattlich gebaut, da eine Tochter desselben mit einem Maeda verheiratet wurde. Heute ist das Tor ein Eingang zur Tokyo-Universität, die auf dem ehemaligen Maeda-Besitz erbaut wurde. Ein anderes altes Residenztor sieht man an der Ikeda-Residenz (yashiki) des Daimyo von Inshu, ist ein nagayamon "Langhaustor") , Tor mit links and rechts anschließenden Gesindewohnungen, heute Eingang zum Staat­ lichen Museum (kokuritsu hakubutsukan) in Tokyo. Die Schreibzimmerhäuser der Krieger gelangten herunter bis zu den kleinen Samurai auf dem Lande. Viele Samurai waren zugleich Bauern, so kam verfeinerte Wohnhauskultur auch in die Bauernhäuser. Man findet noch zahlreiche Beispiele von besseren, privilegierten Bauernhäusern in allen Provinzen. Große Bauern haben sich regelrechte kleine Residenzen (yashiki) ge­ baut mit Graben und Mauern darum herum. Um einige Beispiele DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 63 anzuführen: 68 in der Kagoshima-Präfektur in Kyushu, Hioki­ Distrikt, Städtchen Isaku finden wir ein Bauernhaus, dessen Anlage und Raumanordnung deutlich den Zusammenhang mit einer Kriegerresidenz zeigt. Der ungedielte Boden gleich hinter dem Eingang mit drei Kesselherden ist verhältnismäßig schmal. Daran schließt sich eine große Stube· an, die die ganze Breite des Hauses einnimmt. Rückwärts ist ein Mägdezimmer. Auch führt ein breiter Verbindungsgang mit Bretterboden in einen großen Komplex von Zimmern hinüber, die am Hause mehr Platz einnehmen als es für ein Bauernhaus unbedingt nötig ist. Auch führt vom Garten her ein eigener Eingang mit Vorraum (gen­ kan) in diesen Raum, der in vier Zimmer aufgeteilt ist. Es sind vornehme Zimmer, denn in einem der zwei rückwärtigen, das Gastzimmer ist, finden wir eine Wandnische (toko) , das andere ist ein Schreibzimmer (shoin). Im kleineren der zwei vorderen Zimmer ist der buddhistische Hausschrein aufgestellt. Ganz rück• wärts ist ein großes Schlafzimmer (nando) mit anschließender Toilette auf der Veranda. Mehr als die Hälfte des Hauses dient also sozialen Zwecken, die aus dem Rahmen des durchschnitt­ lichen Bauernlebens herausfallen. Bei einem feudalen Bauern­ hause im Aira-Distrikt, im Bereiche des Städtchens Gamo, sind die eigentlichen Bauernhausräume noch kleiner. Wir sehen da einen kleinen Vorraum (doma) mit zwei Kesselherden, an­ schließend eine Stube mit einem großen Feuerplatz () , an der Rückwand ist der Hausschrein (kamidana). Die Stube ist der tägliche Aufenthaltsraum der Familie. Mit einem eigenen Eingang (genkan) vom Garten her schließt sich rückwärts eigentlich ein zweites Haus an mit sechs guten Zimmern, wovon zwei zashiki, also Zimmer für Gäste sind. In einem derselben, an der Außenwandseite, ist eine Wandnische (toko) , eine weitere ist im Zimmer rückwärts davon, das so etwas wie ein Schreib­ zimmer (shoin) ist. In das Gehöft führt ein schönes überdachtes Tor. Noch prächtiger ist ein anderes Bauernhaus im erwähnten Hioki-Distrikt, Dorf Kushikino. Auch hier ist der der Bauern­ wirtschaft dienende Teil der kleinere, er enthält die im durch­ schnittlichen Bauernhaus üblichen Räume mit einer die ganze Breite des Hauses einnehmenden Stube. Daran angebaut ist mit eigenem Eingang (genkan) ein weiteres Haus mit neun Zimmern, davon zwei zashiki (Gästezimmer) mit je einer Wandnische. Die

68) Grundpläne in Ishihara Kenji, Nihon nomm kenchiku, Bd. 1 (Kagoshima-Präfektur), S. 31 f., Abb. 6, 7, 8. 64 MATTHIAS EDER

Versammlungshalle (kaijo) der Kriegerhäuser wurde in der Muromachi-Zeit (1392-1490) in Gästeräume (kyakudono) und Schreibzimmer (shoin) umgebaut. Die gesellschaftlichen Zwecken dienenden Räume sind also größer wie die für Familien­ leben und Wirtschaft und getrennt von den letzteren. In kleinerem Ausmaße finden wir die Doppelnatur dieser Funk­ tionen eines Bauernhauses auch in Bauernhäusern mittlerer Größe durchscheinen, wie wir im Abschnitt über die Raum­ einteilung des heutigen Bauernhauses näher zeigen werden. Je wohlhabender ein Bauer ist und je bedeutender seine soziale Stellung. umso mehr ist der Teil seines Hauses entwickelt, der repräsentativ und für Gäste bestimmt ist. An mehr Räume und Behaglichkeit für die Familie ist eigentlich nicht gedacht. Das ist der Geist aus der Welt der Krieger mit ihren sozialen Pflichten und Abhängigkeiten und ihrem Standesbewußtsein.

B. Das japanische Bauernhaus in der Gegenwart In einem Überblick über die geschichtliche Entwicklung des japanischen Bauernhauses haben wir gesehen, daß sehr mannig­ faltige Faktoren funktioneller, wirtschaftlicher, sozialer und religiöser Art am Werden des japanischen Bauernhauses als Lebenszentrum der Familie des tragenden Volksteiles des Landes mitgewirkt haben. Die verschiedenen kulturellen Hintergründe haben aber keineswegs etwas nun Fertiges hervorgebracht. Wenn wir uns jetzt dem Bauernhause der Gegenwart zuwenden. finden wir überall sowohl durchgehende gemeinsame Züge, wie auch zahlreiche regionale und soziale Varianten. Nicht immer und nicht überall haben die maßgebenden Faktoren der Entwicklung das gleiche Ergebnis hervorgebracht. Allen Formen nachzugehen ist im Rahmen dieses Aufsatzes nicht möglich. Die Frage der Typologie des japanischen Bauernhauses ist nicht leicht zu beantworten.69 Jedenfalls liegt sie ganz anders wie etwa in europäischen Ländern, wie Deutschland, österreich, die Schweiz, wo ethnische Faktoren und eine Vielfalt von

69) Versuche, eine Typologie des japanischen Bauernhauses auf­ zustellen, sind mehrere gemacht worden. Kurata Shüchü gibt eine Ver­ breitungskarte der Haustypen gegenüber S. 74 seines Aufsatzes "Ie­ zukuri" [Hausbau], in: NMD, VI (1958), S. 65-101. Derselbe Verfasser schrieb 1955 das Buch Minka-cho [Notizen über das Bauernhaus], darin führt er auf einer Übersichtskarte 22 Typen der äußeren Erscheinung des Bauernhauses an, Okinawa ist nicht einbezogen. Die Verbreitungskarte DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 65 stärkeren kulturellen Ausstrahlungszentren tätig waren. In diesen Bezügen herrscht in Japan mehr Einheitlichkeit. Die l3ildung von zahlreichen politischen und kulturellen Zentren in der Ashikaga-Zeit fand statt, als das Bauernhaus in seiner wesentlichen Struktur schon ausgebildet war und wirkte sich hauptsächlich in der zusätzlichen Übernahme von Einzelelemen­ ten aus der verfeinerten Stadtkultur aus, die aber im Grunde genommen doch die alte Heian-Kultur war. Wenn man schon eine Typologie des japanischen Bauernhauses aufstellen und deren Verbreitungszonen verfolgen wollte, wäre diese zweifach: eine für Dachformen und eine für die Anordnung der Innen­ räume. Japanische Bauernhausforscher haben diese Arbeit bereits mit großer Sorgfalt getan. Solche Typen sind in Wirk­ lichkeit kaum etwas anderes als verschiedene Stufen der Weiter­ entwicklung ursprünglicher Grundformen. Wir haben bereits solche auf einer bestimmten historischen Stufe stehengebliebene Bauernhausformen - z.B. das Ika-Haus - vorgeführt und werden noch mehrere aufzeigen. Rein beschreibend dürfen wir das Bauernhaus der Gegenwart nicht behandeln. dele Erscheinungen können nur in ihrem historischen Zusammenhang verstanden \\·erden. Die Ge.genwart ist nicht etwas Statisches und Bleibendes, sondern sich in Zukunft umsetzende Vergangenheit. So müssen wir sehen, woher eine Entwicklungsbewegung kommt und wohin sie geht. Es wäre natürlich wünschenswert, daß eine Arbeit wie diese von einem Baufachmann geschrieben worden ·\väre. Sie kam in den Händen eines Volkskundlers zustande. Der materiellen und technischen Seite des Bauernhauses wurde, soweit das ein Nicht­ baufachmann kann, nachgegangen. Daran ist auch die Volks­ kunde interessiert. Darüber hinaus mußten Wirtschaft, gesell­ schaftliches und religiöses Brauchtum und andere Aspekte der \Vohnkultur behandelt werden, mit anderen Worten, das Bauern­ haus und die darin lebenden Menschen in ihrem Aufeinander­ bezogensein. Alles zu sagen, was sich über das japanische Bauern­ haus sagen ließe, ist nicht beabsichtigt und in einem Aufsatz der Raumeinteilungstypen zeigt 18 solcher Typen. Das bereits 1951 er­ schienene Minzokugaku jiten [Wörterbuch der Volkskunde] zeigt auf einer Verbreitungskarte ohne Ainu-Gebiet und Okinawa 13 verschiedene Typen der Raumeinteilung. Bei der Aufstellung solcher Typen ist nicht immer leicht zu entscheiden, ob man von einem eigenen Typ oder von einer Variante eines Typs sprechen soll. 66 MATTHIAS EDER auch nicht möglich. Immerhin dürfte das Gebotene einen Ein­ blick in die alte ländlische Wohnkultur geben. 1. Der Hausbau 1) Zimmerleute Das japanische Wort für Zimmerleute daiku bezeichnet in Hclz arbeitende Handwerker überhaupt, umfaßt also auch Schreiner, Böttcher, Schiffsbauer u.a. Das Wort wurde ursprüng• lich für einen Handwerksmeister gebraucht, es heißt wörtlich 'große Arbeit', steht shoku 'kleine Arbeit' gegenüber, womit die dem Meister unterstellten anderen Handwerker gemeint sind.70 Vor dem Aufkommen dieses chinesischen Wortes in Japan nannte man Holzhandwerker kodakumi 'Holzfachleute' oder konomichi­ takumi 'Holzweg[kunst]fachleute'. Ein in Japan gebildeter chinesischer Ausdruck für Zimmerleute ist bansho, so nannte man Zimmerleute, die von Yamato und Hida jährlich zur Dienst­ leistung in die Hauptstadt Heian (Kyöto) geschickt werden mußten. Der Sinn des Wortes ist 'sich ablösende Handwerker'.71 Seit dem Mittelalter wurde das Wort für Holzhandwe;rker über• haupt gebraucht,72 hauptsächlich aber für Zimmerleute, als sich in der Holzhandwerkerkunst Spezialisten, wie Bretter- und Balkenschneider, Schreiner, Böttcher, Drechsler U.a. entwickel­ ten. In der Neuzeit werden daiku und bansh8 nebeneinander gebraucht. Die Zimmerleute nehmen unter den am Hausbau beteiligten Handwerkern den höchsten Rang ein, Maurer (sakan) und andere Handwerker stehen unter ihnen. Die ersten Tempel- und Palastbauten in der Asuka-Zeit (etwa ein Jahrhundert vor der Nara-Zeit, die von 710-784 dauerte) wur­ den von aus dem Festland zugewanderten Handwerkern aufge­ führt. Ihre Kunsttraditionen wurden von der Yamato-Handwerks­ meistern (Yamato-daiku) fortgesetzt, die als eine Gruppe für sich Hörige des Kaiserhofes, von Tempel und Adelsfamilien waren.73 Eine andere Gruppe bildete sich in Hida, einem Bergland mit rei­ chen Waldbeständen für Bau- und Werkholz. Mit dem Aufkommen der Feudalterritorien kamen die Zimmerleute unter den Feudal-

70) Diese Gegenüberstellung finden wir schon im Ryo no gige, einem Kommentar zum chinesischen Gesetzbuch, von Kiyowara Natsuo 833 veröffentlicht. 71) Ban wie in taban 'jemandes Reihenfolge im Diensttun', sh8 'Handwerker', besonders 'Zimmermann', 72) Im Azuma kagami aus dem Ende des 12. Jahrh. belegt. 73) Rya no gige. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 67 herren ihres Landes zu stehen, wurden auch zu Verbänden zu­ sammengeschlossen. Als seit der Sengoku-Zeit (1490-1600) bis in die folgende Tokugawa-Zeit hinein \"iele Burgen (shiro) ge­ baut wurden, stieg das Ansehen der Zimmerleute noch mehr, die verschiedenen Daimyo holten sich solche in die um die Burgen herum sich bildenden Städte (jogemach i) herein. Hier waren sie von Abgaben und Militärdienstleistung enthoben. mußten dafür eine bestimmte Anzahl \"on Tagen im Jahre Pflichtarbeit leisten. Diese wurde später \'on einer besonderen Gewerbesteuer abgelöst. Ihr Meister. toryo ·Giebel-Balken·. besaß innerhalb des Feudalgebietes (han) hohes Ansehen und übte als Vertreter seiner Zunft amtliche Funktionen aus und war zum Einziehen von Abgaben yon seinen Berufsgenossen berechtigt. In Kyoto wurde das l\Ieisteramt in der Familie Nagai erblich. Zu Beginn der NeuzeIt unterstanden ihr 20 Gruppen (kumi) von Zimmer­ leuten in K~·(·)to. dazu noch Zimmerleu.te in anderen Territorien, zusarnn-:en 7000-8000 Handwerker. In Edo gab es vier solcher al:er :\Ieisterfamilien. denen zusanlmen 44 Gruppen unter­ s:a!lC~en. Ahnlich war die Organisation auch in anderen Burg­ s:äci:en im ganzen Lande. Ihre Arbeitsleistungen konnten all­ !::ä:-:lich auch yon der Bevölkerung der Burgstädte in Anspruch genommen werden. Das taten zunächst reiche Kaufleute, die Zimmerleute wanderten VOl). einer Baustelle zur anderen (deiri 'Ausundeingehen') . Ein Zimmermann trat zunächst als Knabe von etwa fünfzehn Jahren bei einem Meister in die Lehre, die bis an die zehn Jahre dauerte. Hernach blieb er entweder beim Meister oder machte sich selbständig. Wie in Europa gingen die Zimmerleute auch in Japan weitherum auf Wanderschaft. Ein Hausbau in einem Dorf war früher Gemeinschaftsarbeit der Bewohner. Wir werden auf die dafür geltenden gesellschaftlichen Bräuche an anderer Stelle näher zu sprechen kommen. Aber auch in Dörfern kamen mit der Zeit berufsmäßige Zimmerleute auf. Zunächst wandte sich in bestimmten Gegenden ein Großteil der jungen Männer diesem Berufe zu. Sie lernten das Handwerk von wandernden Zimmerleuten. So kam in der späteren Tokugawa-Zeit das Hand­ werk auch in die Dörfer. In der Gegenwart gibt es auf dem Lande noch viele Zim·­ merleute, die als Gruppe auswärts Aufträge übernehmen. All­ gemeiner aber überträgt man einen größeren Bau ortsansässigen Bauunternehmern, die erreichbare Zimmerleute anstellen, viel­ fach blos als Taglöhner. Solche sind heute die meisten Zimmer- 68 MATTHIAS EDER leute. Nur vereinzelt gibt es noch Meister (toryo) alten Stiles, die einen Hausbau übernehmen. In Fischerdörfern genießen Bootbaumeister großes Ansehen. In allen Gegenden sind viele Bewohner von Fischerdörfern als Zilnmerleute anderswo tätig, so stellen solche Handwerker die Inseln der Binnensee (Setonai­ kai), die Westküste der Izu-Halbinsel, der Nishitagawa-Distrikt in der Yamagata-Präfektur, die Gegend von Kesennuma in der Miyagi-Präfektur. Darunter sind viele Fachleute im Bootbau.74

2) Wie ein Haus gebaut wird Gezeichnete Baupläne hat man in Japan schon vor der Ver­ breitung moderner Bautechnik einem Hausbau zugrunde gelegt.75 Der Bauplan heißt kanabakari, darin ist kane, kana ein T- oder L-förmiges Lineal zum Zeichnen von rechten Winkeln, hakari, bakari ist 'Messen', das Wort kann demnach sinngemäß mit 'Winkelplan' wiedergegeben werden. Zunächst muß der Erd­ boden, auf dem gebaut werden soll, vorbereitet werden. Der Boden wird gehärtet. Man gräbt Gruben für die Säulen aus, in die Gruben kommt ein Steinboden. Das ist nötig zum Verhindern des Faulens der Säulenenden. Gewöhnlich nimmt man große, runde Steine oder Schotter. Solche Steinunterlagen kannte man schon im Altertum für Residenz- und Tempelbauten, bei Volks­ häusern kamen sie erst seit der Neuzeit in Anwendung, seit die Baukonstruktion schwerer wurde. Die Säulen kamen unmittel­ bar auf je einen großen, rundlichen Naturstein zu stehen, der tamaishi 'runder Stein' heißt. Diese Steine mit einer Mulde zum Einsetzen der Säule zu versehen, sodaß sich ein sogenannter "Schuhstein" (kutsuishi) ergibt, ist ein Kostenpunkt, den die meisten Leute sich sparen. Zwischen die unteren Enden der tragenden Säulen wurden von der Neuzeit an Verbindungshölzer eingefügt, sodaß der Säulenabstand sich nicht unter der Last des Aufbaues verschieben kann. Man kann noch alte Bauernhäuser ohne diese Verbindungshölzer sehen. Vielfach ging man dazu über, als Unterlage für die Säulenenden lange, flache Steine, sogenannte "Tuchsteine" (nunoishi) zu legen. Damit auch diese sich nicht unter dem Druck verschieben, wird zwischen und unter die "Tuchsteine" von je zwei benachbarten Säulen ein Stein-

74) Geschichtlicher Überblick über die Zimmerleute nach Nihon shakai minzoku jiten [Wörterbuch der Gesellschaft und Volkssitten J apans], Bd. 2, S. 865, f. 75) Kurata Shuchu, Iezukuri [Hausbau], in: NMD, VI, S. 65-101. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 69 fundament gelegt, was man "Tuchunterlage" (nunokiso) nennt. Heute spricht man von kiso 'Unterlage' seit etwa 1926; vorher sagte man jigyo 'Bodenform' und nunojigyo 'Tuchbodenform'. Das Ausheben der Vertiefungen für diese Unterlagensteine wird tsubojigyo genannt, bedeutet 'Krug-Bodenform', 'Krug' wegen der mit Steinen ausgefüllten Vertiefung genannt. In diese Unter­ lagen gehen beträchliche Baukosten, so sind sie erst in neuester Zeit allgemein geworden. Die tragenden Bestandteile des Hauskörpers sind hashira 'Säulen', keta die oberen Säulenenden der Längseite des Hauses nach verbindende Balken, hari die oberen Säulenenden der Schmalseite (Stirnseite) des Hauses nach verbindende Balken. Für die Säulen und für die Längsbalken (keta) nimmt man das beste Holz, keyaki (Zelkowa serrata) , Zypresse (hinoki) oder Zeder (sugi). Weil in Japan dieses gute Baumaterial reichlich vorhanden ist, konnte sich hier der Holzbau gut entwickeln. Sparsamer gebaute Volkshäuser haben Säulen und Längsbalken aus Zederholz (sugi) , Stirnbalken aus Kiefernholz (matsu). Erst­ klassige Säulen jedoch sind aus keyaki- oder Zypressenstämmen geschnitten, der "Bodenunterbau" (dotai) , d.h. die versteifenden Verbindungsbalken zwischen den unteren Säulenenden, sind Zypresse. Die Daikoku-Säule (Daikokubashira) im Innern des Hauses ist vielfach ebenfalls keyaki. Die Stirnbalken macht man womöglich aus keyaki, meistens nimmt man aber dafür einen starken und klobigen Kiefernstamm in seiner natürlichen Form, kurogi 'schwarzes Holz', so genannt weil unbehauen. Bis un­ gefähr in die Mitte der Tokugawa-Zeit wurden nicht nur die Stirnbalken (hari) , sondern auch sämtliche andere Balken und Säulen nicht mit dem Hobel (kanna) geglättet, sondern nur mit der Schäftaxt (yariganna) rauh bearbeitet. So kann man von den Werkzeugspuren das Alter des Baues erschließen. Ge­ hobeltes, weißes Holz war den Aristokratenhäusern vorbehalten. Entgegen den Vorschriften von oben gestattete man es sich im Laufe der Tokugawa-Zeit allmählich auch in den Bauernhäusern. Man wollte es den höher gestellten Leuten gleichtun. Man nahm auch für die sichtbaren Teile des Dachstuhles sehr gutes Holz. Die Daikoku-Säule im Innern des Hauses wurde größer und stattlicher gemacht, als es die bloße Baukonstruktion erforderte; man nahm das beste Holz dafür und färbte sie noch dazu mit Lack (urushi) oder rotem Ocker (benigara) , wodurch das Holz auch dauerhafter wurde. Hier soll Einiges über die Daikoku-Säule gesagt werden. 70 MATTHIAS EDER

Ihre Lage im Hause ist heute nicht genau festgelegt. Allgemein fällt auf sie der Blick eines jeden, der vom vorderen Eingang hereinkommt. Sie steht links vom ungedielten Vorraum (doma) an der Grenze desselben zum erhöhten Bretterboden (takatoko) hin; rechts, wenn der ungedielte VOTraum auf der linken Seite des Hauses ist. Die Säule ist 30 cm oder noch mehr stark, meistens keyaki. Sie kann auch Eiche (kashi) oder Zypresse (hi) sein. In Kii nimmt man da und dort Kirschholz (sakura). Nicht überall sagt man Daikokubashira, stellenweise heißt sie yaku­ bashira 'Amtssäule' oder teijubashira 'Hausherrnsäule'. Diese starke, kantige Säule ist auf den ersten Blick schon schön, hat vielleicht auch in der Hauskonstruktion eine Bedeutung. Es gibt welche, die bis an den Giebelbalken hinaufreichen und diesen stützen. Meistens reicht sie nur bis in den Dachboden, wo sie abgeschnitten ist. Heute findet man oft, daß auf dieser großen Säule nur ein Querbalken des Dachstuhles aufruht. So wiegt also bei der Daikoku-Säule die Schau vor. Architektonisch wichtig ist sie insofern, als mit ihr von vier Seiten Balken ver­ bunden sind, wenn sie auch nicht den Giebel trägt. Beim Haus­ bau vergräbt man unter der Daikoku-Säule etwas Kostbares (tamamono) , das Glück bringen soll. In den Dörfern der Shimane-Präfektur sind an dieser Säule die Figuren der beiden Glücksgötter Ebisu und Daikoku angebracht. In der Shizuoka­ Präfektur, Kamo-Distrikt, Minamisakimura hängt man zum Richtfest an der Daikoku-Säule Regenhut und Regenmantel auf. Diese Säule hat rituelle Bedeutungen. Es müssen darüber noch viele Erhebungen gemacht werden. Gleich hinter der Daikoku-Säule ist gewöhnlich der Feuer­ platz (irori). In Hida sind hinter dem Hausfrauensitz (kakaza) am Feuerplatz ein Wandschrank (todana) und die Spülsenke (nagashi) , von der Feuerplatzstube durch eine Bretterschiebe­ wand abgetrennt. Hier steht die Daikoku-Säule. An ihr werden Daikoku und Ebisu verehrt. Überall steht rliese Säule so, daß von ihr aus die Glücksgötter das ganze Hausinnere überschauen können. Auch der Küchengott wird oft an dieser Säule verehrt. In der Iwate-Präfektur hängt daran eine Maske des Küchen• gottes (kamadogami). Auf Neujahr werden der Säule Reisklöße (mochi) und Reisteigkügelchen (mayudama 'Kokonkügelchen', zur Förderung der Seidenraupenzucht) geopfert. Und noch anderes Brauchtum bezieht sich auf die Dai}

ABB.4:

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ko~aMti / koya.hari Giebelkonstruktion, Stirnseite, mit Zimmermannsausdrücken Seine Beliebtheit beim Volk verdankt Daikoku Puppenspielen und Tänzen. Wandernde Tänzer und Spielleute brachten in den Provinzen Bilder von Daikoku in Umlauf, zusammen mit Liedern zu den Daikoku-Tänzen. Die Sieben Glücksgötter und die Dai­ koku-Tänze müssen spätestens anfangs der Tokugawa-Zeit (1602­ 1867) überall bekannt gewesen sein. Daikoku dürfte seine Stellung im Hause als Gott des bäuerlichen Wohlstandes seiner landläufigen Darstellung unter den Sieben Glücksgöttern ver­ danken: er reitet auf einem Reissack. In der Hand hält er einen Hammer, mit dem er Schätze hervorzaubert. Der Weg von Dai­ koku ins Bauernhaus ging kaum direkt von der Küche bud­ dhistischer Klöster aus, sondern über die Popularisierung der Sieben Glücksgötter, von denen er zusammen mit Ebisu die Bauern am meisten ansprach.76 Wenn die Säulen aufgestellt sind, kommen der Längsseite des Hauses nach die seitlichen Balken (keta) zu liegen. Je so einer bildet den obersten Rand der Seitenwände. Mit Hilfe der nach den Schmalseiten des Hauses aufgelegten Balken (hari) wird der Dachstuhl gezimmert. Beim Bau des Ainu-Hauses wird

76) Näheres über das Paar bei M. Eder, Figürliche Darstellungen in der japanischen Volksreligion, in: Folklore Studies, Vol. X, 2, S. 262­ 273. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 73 der Dachstuhl auf dem Boden zusammengestellt (abgebunden), dann werden die Säulen aufgestellt, die Längsbalken darüber ge­ legt, mit vereinten Kräften setzt man darauf den Dachstuhl. Das ist bei einem Ainu-Dachstuhl nicht so schwer. Da im eigentlichen Japan der Dachstuhl komplizierter ist, kann man ihn nicht im auf dem Boden zusammengefügten Zustand auf die Säulen heben. Bei den über Wohngruben gebauten Häusern (tateana) der alten Zeit sind zwei Pfosten in den Boden eingelassen, über die der Giebel gelegt ist, von dem Sparren zum Boden herunterreichen. Der Dachstuhl des heutigen Bauernhauses ist ein kompliziertes Gebilde. Am besten bringen wir davon eine Zeichnung, zusam­ men mit den Fachausdrücken der Zimmerleute. (Abb. 4). Kunstgerechte Fenster und Türen werden erst seit der Neu­ zeit gemacht.77 Der Eingang in den ungedielten Vorraum (doma) nimmt die ganze Breite desselben ein. Ein großes Tor von un­ gefähr 6 Fuß (1,82 m). Die Breite des Vorraumes ist demnach mit 3,64 m zu berechnen, denn das Tor dreht sich nicht um eine Angel, sondern ist seitwärts verschiebbar. Im großen Tor ist eine kleine Schiebetür zum täglichen Ausundeingehen angebracht. Beide Schiebetüren laufen auf einem kleinen Rad in einer Rinne im Türstock. Der rückwärtige Eingang ist meistens nur eine kleine Schiebetür. Das große Eingangstor heißt 6toguchi 'große Toröffnung', die Schiebetür im großen Tor nennt man kugurito 'Durchgangstür', kuguru 'unter einem Tor durchgehen', to 'Tor' oder 'Tür'. Bessere Häuser der Neuzeit haben unten am großen Tor eine Öffnung, die wiederum mit einem Schiebefenster ver­ schlossen werden kann. Dieses heißt koshitaka sh6ji 'Schiebe­ fenster in Hüfthöhe'. Auf seiner oberen Hälfte ist geöltes Papier geklebt, sodaß etwas Licht in den Vorraum gelassen wird. wenn das große Tor und das Schiebefenster geschlossen sind. Das Fenster lä\}ft ebenfalls auf Rädchen, das beim Schieben etwas Lärm macht. Die anderen Schiebefenster oder -wände im Hause laufen ohne Rädchen blas in Rillen. Fenster konnte es nur zu einer Zeit geben, als noch regel­ rechte Hauswände gebaut wurden. Das heutige Wohnhaus hat um die Wohnzimmer herum fast durchwegs verschiebbare und herausnehmbare Papierwände. Die Fensteröffnungen waren mit Matten (shitomi) verhängt. Man hängte die obere Hälfte der­ selben hoch und ließ die untere Hälfte herunterhängen. Die

77) Nach Kurata Shuchu, Iezukuri [Hausbau], in: NMD, VI, S. 92- 94. 74 MATTHIAS EDER

Veranda war durch keine Wände oder Verschlagbretter geschützt, somit dem Regen ausgesetzt (nure-en 'nasse Veranda'). Erst seit der Neuzeit sind die Zimmer von der Veranda mit Papier­ schiebewänden () abgetrennt und am Rande der Veranda die sogenannten "Regentüren" (amado) angebracht, das sind in Rillen laufende Verschlagbretter, die vorgezogen und wieder bis an das Ende der Veranda zurückgeschoben werden können. Seit es die mit weißem Papier beklebten Papierschiebewände gibt, ist es im Zimmer hell. Sie bestehen aus einem leichten Holz­ rahmen, das Papier ist über dünne Holz- oder Bambusrippen geklebt. Der untere Teil dieser Wände ist mit dünnem Holz bespannt, das ist die "Hüfte" (koshi) der Papierschiebewände (shoji) . Man hat in Volkshäusern gern schwarz lackierte Rahmen, die Rippen sind weißes (nicht angestrichenes) Holz. Der Gegensatz zwischen den lackierten Rahmen und den rohen Holzrippen ist von besonderem Reiz. Über dieses Mittel der Zimmerabtrennung müssen wir in einem anderen Zusammenhang nochmals zu sprechen kommen. Fensteröffnungen werden an den rückwärtigen Teilen des Hauses geluacht, weil da auch Wände gebaut sind, hinter der Küche und im ungedielten Vor­ raum. Die Fenstergitter können vertikale oder horizontale Rippen haben. Auch läßt man zuweilen als Fensteröffnung den betreffenden Teil des Lehmwandverputzes weg, sodaß das Bambusgeflecht unter dem Lehmverputz sichtbar wird und als Fenstergitter dient. Solche Fenster nennt man "Untergrund­ fenster" (shitaji mado). Oder das Fenstergitter besteht aus schmalen vertikalen Brettchen mit Zwischenabständen und ein anderes in Rillen laufendes verschiebbares Gitter kann so über das feste Gitter geschoben werden, daß die Stäbchen des ver­ schiebbaren Gitters den Zwischenraum zwischen den Stäbchen des festen Gitters zudecken. Solche Fenster nennt man, wörtlich übersetzt, "Keine-Zwei-Fenster", nämlich bei geschlossenem Fenster kommen die Stäbchen der beiden Gitter nicht über• einander zu liegen. So wurde auch das Fenster zu einem Gegen­ stand eines verfeinerten Geschmacks. 3) Das Dach Endlich muß auch über das Dach das Nötige gesagt werden.78

78) über Dachdecker, Dachmaterial und Volkssitten beim Dach­ decken Material in Nihonjin no surnai [Die Wohnung der Japaner], S. 38-42. Das Buch ist der 3. Band der Sammlung Nihonjin no seikatsu zenshu, die der Verlag Iwasaki herausgebracht hat. Der 3. Band er- DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 75

Die traditionellen Materialien zum Dachdecken sind Schilf, Ried­ gras, Weizen- und Reisstroh, Hanfstengel, Bretter und Rinde. Ziegeldächer sind eine Errungenschaft der Neuzeit. Von den Schilf- und Riedgrasdächern wird gesagt, daß sie fünfzig Jahre lang halten. In einem Dorf mit dreißig oder vierzig Häusern muß jedes Jahr oder jedenfalls jedes zweite Jahr ein Dach neu gedeckt werden. Weizen- oder Reisstrohdächer halten nicht über fünf Jahre. Ein oder zwei Haushalte haben ihren Riedgras­ platz, der Dorfbesitz ist. Riedgrasschneiden in solchen Mengen ist heute nicht mehr möglich, da womöglich alles Brachland für den Anbau benützt wird. Reis- oder Weizenstroh ist nur ein Er­ satz. Ein Bauer muß zum Dacherneuern das Stroh der ganzen Jahresernte aufwenden. Es ist ein Behelf, für die untere Hälfte der Dachdecke Stroh, für die obere, der Verwitterung besonders ausgesetzte Schicht Riedgras zu verwenden. In Shirakawa in Hida, Gifu-Präfektur, gibt es Großfamilienhäuser mit drei bis vier Stockwerken. Die Dächer sind mit Riedgras gedeckt, das alle 25-30 Jahre erneuert wird. Dafür ist jedesmal eine große Menge Riedgras erfordert. Jede Großfamilie besitzt in den Bergen einen ausgedehnten Riedgrasplatz. Jedes zweite Jahr schneidet man davon Deckmaterial, trocknet und speichert es. Die Hauseigentümer sind in einer Dachdeckervereinigung organi­ siert, zwei Mann derselben sind jedes Jahr für die Dächer ihres Bezirkes verantwortlich. In der Iwate-Präfektur, Kamihe­ Distrikt, Tsuchibuchimura haben die Familien ein System der gegenseitigen Hilfeleistung mit genauen Satzungen. Jedes fünfte Jahr wird in gemeinsamer Arbeit ein Dach erneuert. Womög• lich geschieht das vor dem dritten Monat des Mondkalenders, da die Arbeit sonst in die Zeit des Anbaubeginnes hinübergezo• gen würde. Wenn auch noch Schnee liegt, wird das alte Schilf vom Dach genommen und neues aufgelegt. Während dieser Zeit werden alle Geräte im Hause in eine Hütte geschafft, die zu­ weilen provisorisch dafür gebaut wird. Für ein neues Dach werden wenigstens 500-600 Pferdetraglasten von Material be­ nötigt. Das kann eine Familie allein nicht bereitstellen. So schien 1957. über Verfahren beim Schilfdachdecken unterrichtet Ogura Tsuyoshi in seinem Buch T6hoku no minka [Das Volkshaus von Nordost­ Honshü], S. 215, ff.; ibid. auch über Opfer an den Berggott beim Schilf­ schneiden, Organisation und Technisches; über Verbreitung der Dach­ formen Einiges bei Kurata Shüchü, Minka-ch6 [Notizen über das Volks­ haus], S. 305, f. und vor allem in den Bänden von Ishihara Kenji, N6min kenchiku [Ländliche Baukunst]. 76 MATTHIAS EDER stehen die Dorfleute zusammen, auch auswärtige Verwandte helfen mit. Als Entgelt bekommen sie für zwei Pferdetraglasten 5 sh8 (zirka 9 Liter) Reis oder Hirse. Die Siedlung besitzt ge­ meinsam einen Riedgrasberg, aus dem eine eigene Vereinigung die nötige Menge holt. Wenn eine Riedgrasfläche von 3-4 ch8 (3-4 Hektar) vorhanden ist und es sind damit zirka 50 Haushalte zu versorgen, können damit alle Dächer zur rechten Zeit gedeckt werden. Es wird gut darauf geachtet, daß das Riedgras am Giebel gut abschließt, damit der Regen nicht eindringt. Man legt Rasen vom Felde auf den Giebel. In der Aomori-Präfektur, Hachinohe­ Distrikt, Dorf Naganawashiro und anderen Orten in Nordost­ Honshu sind die Dachflächen sehr groß. Damit die Riedgras­ decke nicht abrutscht, pflanzt man kleine Kiefernbäume auf den Giebel. In vielen Gegenden pflanzt man Blumen. In abgelegenen Gegenden am Berg Nanatsu der Miyazaki-Präfektur in Kyushu pflanzt man Kiefern von einer Stärke von 3-4 Zoll auf das Dach. Am Oberlaufe des Tamagawa in den Bergen westlich von Tokyo pflanzt man Legföhren zum Abhalten des Windes auf das Dach. In Berggegenden findet man vielerorts Schindeldächer mit geringem Dachgefälle und mit aufgelegten Steinen zum Nieder­ halten der Schindeln. Das hängt sicher damit zusammen, daß in waldreichen Gegenden dieses Dachmaterial reichlicher zur Verfügung steht wie Riedgras oder Schilf. Bretter als Dach­ material und als Baumaterial überhaupt haben eine lange Ver­ gangenheit hinter sich.79 In Hokuriku und in Tohoku sind Bret­ terdächer besonders häufig. Diese gab es früher auch in der Kaiserstadt zusammen mit Riedgrasdächern. Die Kaiserin Sai­ mei (655-661) hatte auf ihrem Palast so ein Dach, er hieß daher Asuka no itabuki miya 'mit Brettern gedeckter Palast von Asuka'. Auch am Shosoin des Todaiji (erbaut 756) ist ein Bretterdach, was zeigt, daß im zeitgenössischen Nara Bretterdächer zahlreich waren. Gewiß nicht blos in Nara, auf dem Lande sicher eben­ falls, so nach dem Dai Nihon kokubunsho.80 Da finden wir auch, daß von acht Häusern, von denen die Rede ist, nur zwei im Innern einen Bretterboden hatten, die anderen hatten nur Erd­ boden mit darauf gelegten Matten. Bretterdächer gab es auch

79) über Bretterdächer verbreitet sich eingehend Fujita Motoharu in seinem Buch Nihon minka shi [Geschichte des japanischen Volks­ hauses], Tokyo 1933; S. 81-90. 80) Zitiert bei Fujita, a.a.O., S. 82. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 77 in der Hauptstadt immer, vom Jahre 1270 z.B. ist bezeugt, daß die Bürgerhäuser von Kyoto so gedeckt waren,fll ebenso um 1676, auch in der Stadt waren Steine auf die Dächer gelegt. Ohne Zweifel waren Bretterdächer in Kyoto und Ösaka nichts Unge­ wöhnliches. Auch in Edo hatte man zu Beginn der Tokugawa­ Zeit Bretterdächer.82 In der Tempo-Zeit (1830-1843) ist in einem Buch das Dachdecken mit Brettern so beschrieben: 83 in der alten Zeit hat man große Bretter aneinander gereiht und mit Lianen verbunden, dann mit Holz niedergedrückt. Die Bretter wurden von oben nach unten der Länge nach gelegt. Länge der Bretter 2 Fuß (shaku, 60,6 cm), Dicke 5-6 bu (zirka 2 cm), Breite 5 sun (Zoll, 15,2 cm). Daraus ist ersichtlich, daß im Bretterdach eine Wandlung stattgefunden hat, gab es doch früher Bretter bis zu 6 Fuß (1,80 m) Länge. Kaufhäuser in Kyoto hatten Bretter in der Länge von 3 Fuß (90,9 cm) und einer Breite von 5 Zoll (sun, 15 cm). Auf das Dach waren gegen den starken Wind Steine gelegt.84 In der frühen Edo-Zeit waren auch die Samurai-Häuser in Edo mit Brettern gedeckt und zwar mit solchen aus Zypressen­ holz (sugi) von Nikkö und solchen aus Kastanienholz von Koshu. Zirka 2 cm dicke Bretter wurden in mehreren Lagen übereinandergelegt, ohne Nägel und ohne Stricke, blos durch auf­ gelegte Steine niedergehalten. So waren die Dächer in Fushimi bei Kyöto bis zur Zeit Kambun (1661-1673), so sind sie heute noch in Echizen und Hokuriku. Doch anfangs der Edo-Zeit traten auch sorgfältig gemachte Dächer mit kurzen und dünnen Bret­ tern, also Schindeln (kokera) in Erscheinung. Sie wurden in vielen Lagen übereinandergeschichtet mit Bambusnägeln fest­ geschlagen. Solche Dächer hiessen daher auch tatakiyane 'Schlagdächer'. Die Bretter in einer Abbildung von Häusern in Fushimi bei Kyöto aus der Kambun-Zeit sind jedoch horizontal aufgelegt; die Holzstangen, auf denen die Steine zum Beschweren aufgelegt sind, sind von oben nach unten angereiht. Heute werden solche kurze Bretter auch unter den Dachziegeln ver­ wendet. In Kyoto legt man über den Brettern Erde auf, ein so gedecktes Dach heißt daher "Erdeauflagedach" (doyobuki) oder "Dach zum Halten" (motaseyane), nämlich von Erde. Auf dieser

81) Bei Fujita, a.a.O., S. 83 sind verschiedene Quellen zusammen­ gestellt. 82) Nach Quellenzitat aus Periode Keichö 0596-1614); Fujita, a.a.O., S. 85. 83) Fujita, a.a.O., S. 85. 84) Fujita, a.a.O., S. 86. 78 MATTHIAS EDER

Unterlage kommen die Dachziegel zu liegen. Weil die Bretter nur als Unterlage dienen, sind sie roh gearbeitet. Erstklassige Bretter jedoch werden genommen, wenn sie auf einem Vordach sichtbar angebracht sind. Bretter als Dachmaterial fanden und finden in verschiedener Weise Verwendung. Am vornehmsten und dauerhaftesten, aber auch am teuer­ sten sind die Ziegeldächer. Die frühe und weite Verbreitung der Bretterdächer war wirtschaftlich und technisch bedingt. Schon die Haniwa-Hausfiguren stellen Bretterdächer dar,85 sie gehen also auf die frühgeschichtliche Zeit zurück, in verbesserter Form in die Asuka-Zeit hinein. In der Asuka-Zeit (etwa hundert Jahre vor Beginn der Nara-Zeit 710) kamen eiserne Handwerks­ zeuge in Gebrauch. Bretterdächer wurden bis in die Nara-Zeit hinein nur an den Häusern der oberen Schicht benutzt, weil viel Arbeit darin steckt. Der "mit Brettern gedeckte Palast von Asuka" (Asuka itabuki no miya) war demnach etwas Besonderes, die Bretter auf seinem Dach waren eine Auszeichnung.86 Wo viele Zedern und Zypressen vorkommen, benutzt man die Rinde davon zum Dachdecken. Solche Dächer sind dauer­ haft. Die in mehreren Schichten aufgelegte Rinde wird mit Bambusstangen und Steinen niedergehalten. Rindendächer sind zahlreich in Chichibu, Joshu, Musashi, Yamanashi, Shinshu und Kishu. Auch mit Bambus werden Dächer gedeckt. In Kinki, wo starke Bambusbestände vorkommen, hat man bis in die letzte Zeit Nebengebäude und Eingangstore von Gehöften mit Bambus gedeckt. Die Stangen wurden mit Kordeln niedergehalten. In Gegenden mit Bambuswäldern deckt man zuweilen auch das Haupthaus mit Bambus, z.B. in der Öita-Präfektur in Kyushu. Dort gibt es viel Bambus mit einem Durchmesser bis zu 10 cm. Die Gliedknoten werden entfernt und die Stangen halbiert, sind 1 ken (1,81 m) lang. Die Stangen werden wie imbrex und tegula übereinandergreifend aneinandergereiht, vielfach in zwei Lagen übereinander. Weil in neuester Zeit Bambus teuer geworden ist, als Dachmaterial auch nur 5-6 Jahre hält, ändert man jetzt Bambusdächer häufig in Ziegeldächer um, nur gelegentlich findet man ein Stadthaus oder das Haus eines Reichen mit einem Bambusdach. In den Präfekturen Öita und Kumamoto in Kyu-

85) Beschrieben bei Fujita, a.a.O., S. 406, f. 86) Fujishima Gaijir6, Nihon no kenchiku [Japanische Architektur], T6ky6 1958, S. 3. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 79

shü scheinen die Bambusdächer noch häufig zu sein.87 Ziegeldächer werden in unserer Zeit immer zahlreicher. An Bauernhäusern sind sie noch selten. Dachziegel sind für den Bauern eine zu kostspielige Neuerung. Nur Wohlhabende kön• nen sich ein Ziegeldach leisten. Die Anschaffung lohnt sich aber, denn ein Ziegeldach ist an Haltbarkeit allen anderen Dächern weit überlegen. Wir wollen uns hier mit dem Ziegeldach als ein den Bauern vor Augen schwebendes Idea befassen.s8 Das erstemal wird ein Ziegeldach aus dem Jahre 628 erwähnt, dem Todesjahre des Kaisers Suiko (593-628). Es ist die Rede von einem ziegel­ gedeckten Haus eines Nonnenklosters, in das sich ein Adeliger der Saga-Familie geflüchtet hatte. Ziegelbrenner kamen bereits während der Regierungszeit des Kaisers Yomei (586-587) nach Japan, doch dauerte es noch eine Weile, bis die Japaner an Wohnhäusern Dachziegel zu verwenden anfingen. Das scheint in den obersten Kreisen während der Regierung des Kaisers Shinki (724-729) geschehen zu sein. Nach einer Angabe aus dem 1. Jahre Daido (806) waren die Gästehäuser in den Reise­ stationenJ (eki) der Provinzen Bingo, Aki, Suwo und Nagato ziegelgedeckt und hatten verputzte Mauern. Funde aus Tempel­ ruinen zeigen, daß die Dachziegel der damaligen Zeit außer• ordentlich graß und schwer waren, sodaß sie außer an den mit starken Säulen und Balken gebauten Tempeln nicht verwendet werden konnten. Es scheint, daß leichtere Ziegel viel später auf­ kamen. Als Oda Nobunaga 1576 die Burg Azuchi bauen ließ, berief er einen chinesischen Ziegelfachmann. Nobunaga's acht Söhne haben Dachziegel im Lande verbreitet, die viel leichter waren wie die der alten Zeit. So konnten Ziegel auch für die Dächer leicht "gebauter Häuser gebraucht werden. Die Ziegel-' dächer der Städte sind also ziemlich jungen Datums. In dem durch viele Brände berüchtigten Edo wurden 1660 Ziegeldächer anbefohlen, doch konnten sich zunächst nur die Vasallen des Schoguns (Statthalter aus der Tokugawa-Familie) solche leisten, das gewöhnliche Volk mußte bei seinen Riedgrasdächern bleiben. Im Jahre 1732 wurde angeordnet, auf die Dächer der kleinbürger• lichen Häuser wenigstens eine Schicht Muschel aufzulegen, um Bränden zu steuern. Unter der Muschelschicht war ein Bretter-

87) Nach Fujita, a.a.O., S. 93. 88) über die Geschichte der Dachziegel und der Ziegeldächer in Japan handelt eingehend der Bauhistoriker Fujita Motoharu, a.a.O., S. 93, ff. ,"Vir geben hier das Wesentliche seiner Darstellung wieder. 80 MATTHIAS EDER oder Rindendach. Ein Dekret von 1729 verfügte, daß den Be­ wohnern von Edo Anleihen gegeben werden sollen für die An­ bringung von Ziegeldächern. Bis in die neueste Zeit waren in Önomachi, einem Landstädtchen in Echizen, die Häuser mit Brettern gedeckt. Die Stadt gab dann Anleihen für Ziegeldächer. Die Bewohner schlossen sich zu Ziegeldachverbänden zusammen, die jährlich Gelder sammelten. Doch gibt es in Önomachi heute noch viele Bretterdächer, wie überhaupt in Hokuriku. Die Dachziegel sind konvex und werden als imbrex und tegula aufeinandergelegt, so wie auch in Indien und Südosteuropa. Diese Ziegeldachart wurde auf indische Bambusdächer zurück• geführt. Wie oben erwähnt, werden in Kyushu Bambusstangen halbiert, nachdem die Gliedknoten entfernt worden sind; dann wie Ziegel aufeinandergelegt. Das japanische Wort kawara für Dachziegel soll auf Sanskrit kapala zurückgehen und mit dem Buddhismus ins Land gekommen sein. Es steht fest, daß die Dachziegel mit dem Tempelbau in Japan aufgekommen sind, so wie sie auch in China sehr früh schon an buddhistischen Tempeln verwandt wurden. In China gab es Dachziegel bereits anfangs der Ch'in-Zeit (249-206 v.Chr.), sie waren damals halbrund und haben sich wahrscheinlich unabhängig von Indien im chinesischen Osten entwickelt, vielleicht in der Ebene von Schantung und Honan.89 In der Han-Zeit waren offenbar Ziegeldächer schon weit verbreitet, es scheint, daß Hallenbauten alle so gedeckt waren. Ins Volk gelangten Ziegeldächer erst nach der T'ang-Zeit (620-907). Früher deckte man auch in China mit Bambus und Riedgras. Wegen der Feuersgefahr wurde das Volk aufgefordert, mit Ziegel zu decken. Gegen die Annahme, daß die Ziegeldächer Chinas und Ostasiens überhaupt in den indischen Bambusdächern ihren Prototyp haben, spricht, daß um Kanton, das doch der Stützpunkt des Verkehrs mit Südostasien war, Ziegeldächer später als in den mittleren und nördlichen Provinzen Chinas in Gebrauch gekommen sind. Die Ziegeldächer haben sich offenbar unabhängig von buddhistischen Bauten und von Handelsbezie­ hungen mit Indien in den Ebenen mehr im Norden des Landes entwickelt. Dabei bleibt richtig, daß auch da die Ziegeldächer anfangs nur an Palastbauten und Tempeln, erst seit etwa der der Sung-Zeit (960-1280) auch an Häusern des Volkes ange-

89) Wir brauchen hier auf die Entstehung der Dachziegel in China nicht näher eingehen. Mit Auswertung chinesischer Quellen verbreitet sich darüber Fujita, a.a.O., S. 97, ff. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 81 bracht wurden. Auf die verschiedenen Dachziegelarten hier einzugehen würde zu weit führen. Allgemein gilt, daß in Japan dieselben Dachziegel und Deckarten vorkommen, wie in China und Korea. Nur eine Art gibt es nur in Japan. Es sind an einem Ziegel Flach- und Rundziegel kombiniert. ABB. 5 (Abb.5) Solche Ziegel empfehlen L_.,/ .///~ L,/ " sich des geringen Gewichtes ~~ wegen. In der mittleren Toku- Kombination von Kon- gawa-Zeit wurden Ziegeldächer vex- und Konkavziegeln, dadurch leicht gemacht. daß man in Japan entwickelt nur flache Ziegel nahm, die man statt mit darüber gelegten Rundziegeln blas n1it Mörtel aneinanderfügte.9o Die Ziegeldächer an Volkshäusern wurden zuerst in Kyoto und Ösaka entwickelt, in den Provinz- und Landstädten ahmte man sie nach. In die Dörfer kamen sie erst in der Neuzeit. Ihre hohen Kosten sind für einen bäuerlichen Haushalt selten er­ schwinglich. Man deckt immer noch mit Riedgras und wo dieses rar geworden ist, mit Reis- oder Weizenstroh. Am zahlreichsten sieht man mit Ziegel gedeckte Bauernhäuser in der Aichi­ Präfektur, wo viel keramische Industrie existiert und Dach­ ziegel billiger sind wie anderswo, wo Transportkosten und Zwischenhandel den Preis erhöhen. Auch in Yamato gibt es viele Ziegeldächer an Bauernhäusern, sind wohl auf die städtische Kultur von Nara zurückzuführen. Die Bauerngehöfte von Yamato sind auch verhältnismäßig wohl­ h<.,bend. ABB. 6 In Kantö ist der Giebel vielfach mit Ziegeln gedeckt, eigens dafür gemachte große runde Ziegel sind über die Schnittlinie der beiden Dachflächen gelegt, sodaß die dem Durchsickern des Regens und dem Zugriff der Winstöße am meisten ausgesetzte Stelle des Daches auf viele Jahrzehnte geschützt ist. Man nennt diese ziegelgedeckten Giebel kabuto-mune 'Helmgiebel', da die Ziegel wie ein schützender Helm aufgesetzt sind. Wo keine

90) Sehr eingehende Details über japanische Ziegeldächer in Ver­ gangenheit und Gegenwart in Stadt und Land bei Fujita, a.a.O., S. 102, ff. 82 MATTHIAS EDER solchen Ziegel über den Giebel gestülpt sind, hält an ihrer Stelle ein Flechtwerk aus dünn gespliessenem Bambus die Giebelkante zusammen. Die Musterung ist ähnlich der der Ziegelbedachung des Giebels. Das Primäre dürfte wohl das Flechtwerk sein. Dessen Musterung wurde auf die Ziegel übertragen. Eine andere Dachverstärkung über der Giebelkante ist das Anbringen eines kleinen Daches darüber, genannt hakomune 'Kistengiebel'. (Abb. 6) Dieser niedrige, sich der Länge des Daches nach über den ganzen Giebel ziehende Aufbau hat viel­ fach ein Ziegeldach; wenn nicht, ist er wie das übrige Dach mit Riedgras gedeckt oder mit Rinde oder Brettern. So ist der Giebel überdacht, im Dreieck des Giebeldaches ist vielfach das Rauch­ abzugsloch.91

4) Raumabtrennung im Hausinnern Das heutige japanische Bauernhaus ist das Ergebnis einer langen geschichtlichen Entwicklung. Diese fand am intensivsten auf dem Gebiete der Raumabtrennung und der gesamten Innen­ einrichtung statt. Andere Elemente, wie Baumaterial, Dach­ konstruktion, Dachformen und Dachbedeckung haben sich in viel langsamerem Tempo gewandelt. Bestimmte Bauelemente ziehen sich im Wesentlichen unverändert durch viele Jahrhunderte hin­ durch. Die Grubenwohnungen der Jomon-Periode wurden noch in der Nara- und Heian-Zeit gebaut. Das Bauernhaus von Hiraide aus der Haji-Periode zeigt einen langsamen Fortschritt darin, daß über der Wohngrube niedrige Wände gebaut wurden. Das heutige Ika- und Kuninaka~Haus in ami ruht auf vier Säulen an den Ecken und einer in der Mitte des Hauses ("Schirmbau") , setzt somit die Konstruktion einer Bauweise aus der Hügelgräber• zeit fort, wie sie in alten Schreinen zu finden ist. Ein überrest aus der Urzeit ist im heutigen Bauernhaus der ungedielte Boden (doma) unmittelbar hinter dem Eingang. Der sich anschließende Raum mit einem Bretterboden (itanoma) geht in die Heian-Zeit zurück. Mit tatami (dicken, kunstvoll geflochtenen Matten) versehene Zimmer gibt es seit der Ashikaga-Zeit. Die große Stube (hiroma) in Nordost-Honshfr ist ein popularisiertes Über• bleibsel des Schlafhallen (shinden) -Baues der Heian-Aristo-

91) Takeuchi Yoshitaro, Yashiki, matori [Gehöft, Innenraum­ abtrennung], in: NMD, VI, S. 21-64, behandelt Dach und Dachgiebel­ varianten am besten (ab S. 68). Nach ihm findet man "Kistengiebel" mit Ziegeldach am Yamato-Giebel der Nara-Gegend. Schöne Kisten- DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 83 kratie. Es gibt noch Familien, die den Feuerplatz auf dem ungedielten Boden haben. Für gewöhnlich ist er auf den mit Brettern versehenen erhöhten Boden gerückt. Es sind dann Herd und Kochstelle an die frühere Stelle des offenen Feuerplatzes getreten. In Bergdörfern wird häufig noch auf dem ungedielten Boden geschlafen. Hier werden auch Lebenmittel, Kleider und Geräte untergebracht. Auch kommt es vor, daß Austragleute, Knechte und junge Leute auf dem ungedielten Boden unter­ gebracht werden. Dafür wird in einer Ecke eine Grube aus­ gehoben, Gehäcksel und Stroh hineingetan, man schläft dann darüber auf Matten. Im selben Raum werden auch Haustiere gehalten, auch dafür wird eine Vertiefung in den Boden gegraben, mit Strohschichten ausgefüllt, die warm halten und zugleich der Düngerbildung dienen. Auch in der Verehrung von Göttern sieht man, daß der ungedielte Raum im Hause der älteste ist, hier werden Götter verehrt, die keine Schreinbeziehung haben, wie Feuer- und Wassergott. Wahrscheinlich sind sie schon in den alten Wohngrubenhäusern verehrt worden. Sie sind Schutz­ götter des Hauses. Das sollen einige Beispiele dafür sein, daß bei allen Neuerungen alte Elemente gleich geblieben sind Was die Verbreitung der Haustypen betrifft, sowohl nach ihrer äußeren wie inneren Gestaltung, findet man, daß die meisten Typen an keine bestimmten Gegenden gebunden sind, wenngleich die Häufigkeit des Vorkommens regionale Unter­ schiede aufweisen kann. Nur mit diesem Vorbehalt haben Ver­ breitungskarten über Haustypen ihre Gültigkeit. Auch ist die Gestalt des Bauernhauses nach der sozialen Schichtung ver­ schieden, sodaß man in derselben Gegend je nach der Schicht mehrere Typen sehen kann. Die neueste Darstellung der Dach- formen des japanischen Bauernhauses Ty en der bringt in Zeichnungen auf einer Ver- Ra~mabtrennung breitungskarte 23 Typen. Zu jedem Typ

ist auch die Aufteilung des Hausinnern im ABB. 7 ~ Grundriß gezeichnet. Der nähere Ver- gleich der beiden Zeic~nunge~ läßt. leicht ~.:..:.:.... :: ...: :....:. '.:'.';' erkennen, daß VerschIedenheIten In der LL:~J"::' äußeren Erscheinung des Hauses nicht ... ~.. U t -:-. mit den Verschiedenheiten der Raumein- gen e~ r yp giebel gibt es in Chugoku, in der Kyoto- und Nagana-Präfektur. Nach Takeuchi ist diesen Giebeldächern noch keine Spezialuntersuchung ge­ widmet worden, was unbedingt geschehen sollte. So käme ein künstler• isches Element am Bauernhaus zur gebührenden Geltung. 84 MATTHIAS EDER teilung im Innern zusammengehen müssen.92 Im Folgenden behandeln wir die Aufteilung des Haus- innern.93 Im Japanischen nennt man die Aufteilung des Haus­ iinnern in abgetrennte Ein- zelräume matori, was wört- ABB. 8 lieh 'Raumnahme' bedeutet. Die alten Grubenwohnun- g~n b~standen nur aus [I]j'::.:':".:'.:<,' eInemeInem Raum. An- ,', : ' '... sätze zu einer Raumein- >. ',' :',': t.-- teilung finden wir bereits einreihige Zimmeranordnung in den Grubenwohnungen der Haji-Periode. In einer Ein­ raumwohnung spielte sich das Leben auf dem Boden ab, was durch eine Schicht von Gehäcksel, Stroh und aufgelegten Matten erträglich gemacht wurde. Auf der nächsten Stufe der Entwicklung sehen wir das Hausinnere abgeteilt in einen Raum mit ungedieltem Boden (doma 'Erdzimmer') und einen anderen mit erhöhtem Bretterboden, der auch mit einfachen oder kunst­ voll geflochtenen Matten (tatami) versehen sein kann. Die japa­ nische Fachterminologie spricht hier von "Urtyp" (genkei) der Raumabtrennung. (Abb.7) Nach den Erhebungen von Prof. Ishihara Kenji findet man in der Kagoshima-Präfektur, Kumage­ Distrikt im Süden von Kyushu und in Tanegashima, Kimotsuki­ Distrikt im alten Lande Ösumi zahlreiche Bauernhäuser von diesem urtümlichen Typ.94 In derselben Präfektur gibt es aber auch zahlreiche sehr stattliche Bauernhäuser mit vielen Zimmern,

92) Kurata Shuchu: Minka cho [Notizen über das Volkshaus], Tokyo 1955; Innenseite des Einbandes. 93) und folgen dabei im Wesentlichen der Darstellung von Take­ uchi Yoshitaro in seinem in Anm. 91 zitierten Aufsatz über Gehöft und Innenraumeinteilung. Auch Kurata Shuchu in seinen "Notizen über das Volkshaus" (siehe Anm. 92) gibt eine gute übersicht über die Innen­ raumeinteilung. Für das Bauernhaus von Nordost-Honsho (Tohoku) tut es Ogura Tsuyoshi in seinem Buch Tohoku no minka [Das Volkshaus von Nordost-Honshu], Tokyo 1955; S. 104-154. Der Verfasser ist Professor der Architektur an der Staatlichen Universität von Sendai. Ishihara Kenji, auch ein Baufachmann, beschreibt in seinem 16-bändigen Werk Nihon nomin kenchiku [Ländliche Baukunst] das Bauernhaus nach Präfekturen. Das hat den Nachteil, daß die übersicht leidet, da die neuzeitliche Einteilung des Landes in Präfekturen keine natürliche Grundlage für eine Typenverbreitung abgeben kann. Andererseits ge­ währleistet dieses Verfahren, daß alle Gebiete erfaßt worden sind. 94) Ishihara, a.a.O., Bd. 1, S. 28. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 85 einem "Bücherzimmer" (shoin) und einer Veranda davor und einem eigenen Eingang (genkan) zu diesen für soziale Funk­ tionen bestimmten Räumen, wie sie bei der gehobenen Schicht der Samurai-Bauern üblich waren. Der Urtyp ist aber keines­ wegs auf bestimmte Gegenden beschränkt, findet sich in ver­ schiedener Häufigkeit im ganzen Lande bei kleinen Bauern, Siedlern und Kohlenbrennern. Statt "Urtyp" (genkei) sagt man dazu auch "Einzimmer" (hitoma) -Typ. Dieses eine Zimmer kann weiter geteilt werden, sodaß zwei Zimmer entweder hinter­ einander oder nebeneinander zu liegen kommen. Sie liegen hintereinander, wenn der Hauseingang unter dem Giebel des Hauses (tsumairi); nebeneinander, wenn er an der Längsseite des Hauses ist (hirairi). Ein Zimmer kann auch durch Opfern des rückwärtigen Teiles des ungedielten Bodens durch Anbringen eines erhölten Bodens gewonnen werden. Gewöhnlich ist dieser Raum der Eß- und Wärmeplatz mit Feuerstelle (irori) der Familie und heißt daitoko (steht für das gewöhnlichere daitokoro, wörtlich 'Platz mit erhöhtem Boden'). Die beiden anderen Zimmer stehen im Rang höher, weil sie für Besucher und Gäste gebraucht werden. Dann können noch weitere Zimmer angeschlossen werden, ebenfalls hintereinander oder nebeneinander. Dafür muß aber das Haus länger gebaut werden. Der Eingang ist dann wiederum entweder an der Schmalseite (tsuma) oder an der Längsseite (hira) des Hauses. Ist der Eingang an der Schmal­ seite, dann ist er nicht in der Mitte derselben, sondern an der Seite. Man gelangt in einen schmalen ungedielten Raum, an den sich auf einer Seite die Zimmer von vorn nach rückwärts aneinanderreihen. Man nennt das "einseitige Wohnung" (kata­ kawasumai). (Abb. 8) Auf der anderen Seite des ungedielten Raumes können kleine Zimmer und Ställe sein. Auch kann man den rückwärtigen Teil des schmalen Ganges in ein Zimmer um­ wandeln, z.B. in eine Küche (katte). Diese Raumaufteilung findet man häufig in Städten und Märkten, wo senkrecht zur Straße mehr Raum für weitere Ausdehnung zur Verfügung steht, wie parallel zur Straße.95 Eine weitere Möglichkeit der Zimmergewinnung ist die Zweiteilung eines der zum ungedielten Raum parallel laufenden Zimmer. Von den drei sich dann ergebenden Zimmern ist das ungeteilte große der Aufenthaltsraum der Familie, ist nach Ge-

95) Grundrißpläne einreihiger Zimmeranordnung senkrecht zur Straße in NMD, VI, S. 32. 86 MATTHIAS EDER

genden verschieden benannt, z.B. omae, etwa "Vorderzimmer" oder katte, was allgemein Küchen- und Eßraum bedeutet. Von den zvyei rückwärtigen Zünmern ist das an der Vorderseite des Hauses zashiki, das ist die "gute Stube" für Gäste; das an der Rückseite des Hauses ist Schlafzimmer (nando) für das Eltern­ paar der Familie. In weniger entwickelten Gegenden der Niigata­ Präfektur und von Nordost-Honshu ist das Vorderzimmer vielfach heute noch "Erdsitz" (doza) , also ohne erhöhtem Bretterboden, man sitzt auf dem mit Stroh, Gehäcksel und Matten belegten Erdboden. Im Einzelnen ergeben sich mehrere Variationsmög• lichkeiten. So kann gleich der Raum anschließend an den un­ gedielten Boden zweigeteilt werden, an der Türseite etwa cha­ noma 'Teezimmer', d.h. Raum für Besucher, mit denen man Tee trinkt; dann an der Innenseite des Hauses Küchen- und Eßraum (daitoko, katte) .96 So in der Chiba-Präfektur, Awa-Distrikt. Oder der ungedielte Vorraum ist halbiert, der rückwärtige Teil davon dient als Aufenthaltsraum der Familie und hat einen Feuerplatz. So häufig in Kinki, Mittel-Japan und Süd-Kyushu. So haben wir mehrere Abarten des Dreizimmerwohnhauses. In Hokuriku sind Dreizimmerhäuser ebenfalls häufig, ihr Grundtyp ist Küche in der rückwärtigen Hälfte des Vorraumes, ein großes mittleres Zimmer (oe) und zwei sich rückwärts davon an­ schließende Zimmer, wovon eines "Buddha-Zimmer" (butsuma) , das andere "gute Stube" (zashiki) ist.97 Die Vierzimmerwohnung ist im ganzen Lande am häufig• sten zu finden. Man nennt sie "Feldzeichentyp" (ta-no-ji-kei) , weil diese Zimmeranordnung an das chinesische Schriftzeichen für 'Feld' EB erinnert. Vier Zimmer sind um eine mittlere Säule angeordnet. Das ist heute die Standard-Wohnung, findet sich überall in kulturell aufgeschlossenen Gegenden, ist aber verhält• nismäßig neu (Abb. 9). Die Säule in der Mitte kann die sogenannte Daikoku-Säule sein. Im Feldzeichentyp ist leicht zu bauen, die Zimmer sind gleichmäßig groß, die Raumabtrennung ist von der zentralen Säule aus leicht zu machen. Sie empfiehlt sich für Seidenraupenzucht, bei der alle Abtrennungen vorübergehend entfernt und alle vier Zimmer für die Unterbringung der Gestelle zum Abstellen der Körbe mit den sich zu Kokons einspinnenden

96) Dazu einige kleine Nebenräume, Zeichnung in NMD, VI, S. 33, Abb. 23. 97) Zeichnung in NMD, VI, S. 25, Abb. 25. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 87

Raupen gebraucht werden. Auch für soziale Veranstaltungen mit viele Gästen I lassen sich die vier Zimmer leicht in einen einzigen großen Raum umwandeln, z.B. für Hochzeiten und Trauerfeiern. Heute wird ~ ABB. 9 ein dreizimmeriges Großstubenhaus in ein "Feldzeichen"- Vierzimmerhaus umgewandelt, indem man Typ die große Stube in zwei Zimmer umbaut; oder ein sogenanntes zweizimmeriges Einreihehaus wird durch Zweiteilung der beiden Zimmer in ein Vierzimmerhaus umge­ baut. So ist es fraglich, ob das Feldzeichenhaus ursprünglich ist oder ob ein Zwei- oder Dreizimmerhaus in ein Vierzimmerhaus umgewandelt worden ist. Diese Entwicklung kann noch weiter­ gehen. Ein Haus mit sechs Zimmern nennt man sa-Zeichen-Typ (sa-no-ji-kei), nach dem Katakana-Silbenzeichen y sa, dem die Raumverteilung in einem Sechszimmerhaus ähnlich ist. Dieses hat zwei Reihen von je drei Zimmern. Ein Haus mit neun Zim­ mern nennt man i-Zeichen-Typ (i-no-ji-kei) , d.h. 'Brunnen­ zeichentyp', nach dem chinesischen Schriftzeichen für Brunnen ;t!:, drei Reihen von je drei Zimmern. Bei den bisher genannten Raumabtrennungstypen ist die Abtrennung regelmäßig. Es kommt auch eine un­ regelmäßige Abtrennung vor, bei der sich die Abtrennungen über- schneiden, der so- ABB. 10 genannte "Überschneide• tatekuichigai Längsüberschneidung Typ" (kuichigai-kei) . Davon gibt es eine ver­ tikale und eine hori­ zontale Überschneidung, vertikal und horizontal vom Standort im un­ '. : ~-----_..-...... ,. ~ '--~--~ gedielten Vorraum aus ABB. 11 gesehen. Das Überschnei• yokokuichigai Querüberschneidung den kann parallel zur Längsseite des Hauses (tatekuichigai 'vertikale Überschneidung') (Abb. 10) oder parallel zur Schmalseite des Hauses (yokokuichi­ gai 'horizontale Überschneidung') (Abb. 11) geschehen. Die Ver­ breitung des Überschneidetyps ist ungefähr dieselbe wie die des 88 MATTHIAS EDER

Feldzeichentyps. Häuser mit Zimmerüberschneidungen parallel zur Längsseite des Hauses sind ziemlich selten. Es ist kaum an­ zunehmen, daß sich Überschneidetyp aus dem Feldzeichentyp entwickelt hat, da er diesem gegenüber keinen Vorteil bringt und so nur ein Rückschritt wäre. Wahrscheinlich hat sich die Über• schneidung parallel zur Schmalseite durch Abteilung der großen Stube entwickelt. Über den Großstubentyp soll in diesem Zusammenhang noch einiges Zusätzliche gesagt werden. Gewöhnlich wird das Drei­ zimmerhaus Großstubenhaus genannt, weil darin das sich an den ungedielten Vorraum anschließende Zimmer gewöhnlich die ganze Schmalseite des Hauses einnimmt. Davon gibt es aber Abwandlungen. Andere nennen den Über- ._ schneidetyp, bei der die Überschneidung ~ parallel zur Schmalseite des Hauses (yoko- I kuichigai 'horizontale Überschneidung') ge- ~ 1~_·-·_·.·1 schieht, Großstubentyp (hiroma-kei) (Abb. ~ : ..::J 12). Vom Charakter als Wohnung her ge- ABB. 12 sehen ist aber blos die Großstubenwohnung Großstubenhaus von Nordost-Honshu also solche anzuspre- chen. Nämlich rückwärts hinter dem großen Zimmer sind zwei kleine Zimmer, wovon eines Schlafzimmer (nema, heya, nando) ist, das andere dient als Küche (ryori no ma, zembu) oder Abstellraum von Küchen- und Eßgeräten, zuweilen auch als Eß• zimmer. Zuweilen werden beide Zimmer als Schlafzimmer ge­ braucht. Solche kleinen Schlafzimmer nennt man chodai. wört• lich 'erhöhter Boden mit Vorhang', eine Einrichtung zuerst aus den Heian-Residenzen und dann aus dem Bücherzimmerbau (shoinzukuri) der Ritterresidenzen. Im Bauernhaus ist nur mehr der Name erhalten geblieben. Verderbte Dialektwörter sind choda, chonda. Das große Zimmer ist nicht immer von der Größe der ganzen Schmalseite des Hauses, rückwärts können von ihm zwei kleine Schlafzimmer abgetrennt sein. Welche Triebkräfte haben diese Zimmerabtrennung verur­ sacht?98 Die Grubenwohnung hatte nur einen Raum, in dem Feuerstätte, Küche und Schlafplatz beisammen waren. Die Raum­ abtrennung entwickelte sich daraus in zwei Richtungen. Küche und Schlafplatz wurden im selben Hause abgetren'nt, allmählich mehrere Zimmer mit besonderen Funktionen eingerichtet. Haupt-

98) über Ausführungen darüber vgl. Ogura Tsuyoshi, Tohoku no minka [Das Volkshaus von Nordost-Honshu], Tökyö 1955, S. 106, ff. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 89 haus, Küche, Gästewohnung waren alle einmal getrennte Räume unter eigenen Giebeln, wurden später unter einem Giebel vereinigt. In Okinawa und in den Präfekturen Kagoshima und Miyazaki in Kyushu ist heute noch ein eigenes Küchenhaus mit Herden und Kesseln zu finden. Die Zimmerabtrennung richtete sich nach den Bedürfnissen des Lebens in langer Zeit zusammen mit den Wandlungen in den Berufen, mit den Familiensystemen und der Familiengröße, mit dem Wohlstand der Familie und ihrer sozialen Stellung. Auch die Seidenraupenzucht brachte Wand­ lungen. Hundert Jahre alte Häuser haben dieselbe Raumanord­ nung wie neue, die Wandlung derselben geht langsam vor sich und nicht überall den gleichen Weg. In Nordost-Honshu kommen noch Einzimmerhäuser vor, das sind die vom sechsten bis zum neunten Monat von Fischern am Strand benützten Häuser. In den eigentlichen Häusern bleiben während dieser Zeit nur die alten Leute zurück. In so einem Strandhaus ist ein Teil ungedielt: ein Teil mit einem Bretterboden ausgestattet. So waren in früh• geschichtlicher Zeit alle Volkshäuser. Im Folgenden wurden an die große Küche ein oder zwei Zimmer angeschlossen. Eines davon war ein besseres Zimmer (heya) , das andere war Abstell­ raum. Später wurde im besseren Zimmer eine Wandnische einge­ baut, was als vornehm galt, und das Zimmer wurde als Gast­ zimmer benützt. Früher hat man Besucher und Gäste im Raum um den Feuerplatz empfangen. Der Schlafplatz verlegte sich von selbst nach rückwärts. Der große Raum mit dem Feuerplatz, Küche und Tagesraum zugleich, ist zur Hälfte ungedielter Erdboden, zur Hälfte ist ein niedriger Bretterboden gelegt. Zwischen den beiden Hälften ist keine Abtrennung angebracht, sodaß sich ein einziger großer Raum ergibt. Im Raum mit Bretterboden sind Feuerplatz und Hausalter (kamidana). Hier ist der Mittelpunkt des Familien­ lebens. Wenngleich gegen den ungedielten Boden keine Abtren­ nung vorhanden ist, hat die große Stube um den Feuerplatz als täglicher Aufenthaltsraum und für den Verkehr mit Auswärtigen ihre Aufgabe zu erfüllen. Heute sind Bauernhäuser ohne Ab­ trennung zwischen dem gedielten und ungedielten Teil selten geworden. Sie sind aber bestimmt ein Durchgangsstadium in der weiteren Entwicklung. Mit der Abtrennung ergab sich um den Feuerplatz ein abgeschlossenes Zimmer. Dahinter sind an der Schmalseite des Hauses zwei Zimmer.99 Die Abtrennung ver-

99) Schematische Zeichnung der Entwicklung der Raumaufteilung bei Ogura Tsuyoshi, Töhoku no minka, S. 108, f. 90 MATTHIAS EDER hindert, daß man vom ungedielten Boden das ganze Leben auf dem Bretterboden beobachten kann, sie hält die Räume für Arbeit und privates Leben auseinander. Das intime Familienleben setzt sich vom Wirtschaftsleben als selbständige Sphäre ab. Nach der alten Bauweise ist die große Stube blos ein mit Brettern belegter, niedriger Fußboden. Später wurde er erhöht und mit guten Matten (tatami) versehen. Hinter der großen Stube, an der Längsseite des Hauses, ist in Nordost-Honshu vielfach ein kleines Zimmer eingerichtet. Die Raumanordnung mit einer großen Stube und mit zwei Zimmern dahinter an der Schmalseite des Hauses ist in der Neuzeit zum Standard für das Bauernhaus von Nordost-Honshu geworden. Wenn auch an der Längsseite des Hauses hinter der großen Stube ein Zimmer eingerichtet wird, ist im größeren vorderen Raum nach wie vor die Feuerstätte. Das rückwärtige Zimmer wird als Schlaf- und Abstellraum gebraucht. Der oben beschriebene Großstubentyp diente auch den vielen Samurai auf dem Lande als Wohnung. Jedoch war darin der größere Teil mit Brettern belegt und im guten Zimmer (zashiki) wurde ein Alkoven (tokonoma) angebracht. Vielfach führte ein besonderer Eingang durch ein Gartentor in den Garten; von diesem gelangte man direkt in das gute Zin1mer. Der Eingang für gewöhnliche Leute führte auf den ungedielten und bei Samurai-Bauernhäusern verkleinerten Boden. Der besondere Eingang durch ein Gartentor wurde von Besuchern benützt, die nicht in Familienangelegenheiten, sondern in amtlicher Eigen­ schaft kamen. Um das Privatleben davon getrennt zu halten, war an der Vorderseite der von der Familie benutzten großen Stube ein Gitterfenster. Solche Bauernhäuser gehobenen Ranges findet man heute noch viele im ganzen Lande.loo Der sogenannte Feldzeichentyp (Abb. 9) ist über ganz Japan verbreitet. In Nordost-Honshu findet man ihn außerhalb der Miyagi-Präfektur, deren Hauptstadt Sendai ist, selten. Im Sendai-Territorium gab es keine gegen diese Bauweise gerichtetes Verbot. Wahrscheinlich spielten auch Traditionen der Zimmer­ leute eine Rolle. Man kann den Feldzeichentyp dreihundert Jahre zurückverfolgen. Leute sagen, nur wohlhabende Bauern in ge­ hobenen Stellungen (choja) konnten eine Vierzimmerwohnung haben. Die Zimmer waren früher mit Brettertüren abgetrennt. IOI

100) Ogura Tsuyoshi, a.a.O., S. 116. 101) Ogura Tsuyoshi, a.a.O., S. 117, beschreibt ein 300 Jahre altes DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 91

Die Türen zwischen den Zimmern konnten entfernt werden, sodaß sich ein großer Raum ergab, was für Versammlungen praktisch war. In der Mitte der vier Zimmer steht meistens eine Säule allein, die keinen architektonischen Zweck erfüllt. Wohl liebte man es, daran auf einer Seite eine Wand anzubauen. Von den vier Zim­ mern war eines ganz von Wänden umgeben, diente privaten Zwecken. Die anderen drei Zimmer konnten durch Entfernung der Türen zu einem einzigen Raum umgestaltet werden. Erst in der Neuzeit wurden die Brettertüren durch verschieb· und herausnehmbare Papierwände (sh8ji) ersetzt. Im Natori-Distrikt in der Miyagi-Präfektur findet sich eine besondere Variante des Vierzimmerhauses. Si.e besteht darin, daß zwischen dem Tages­ aufenthaltsraum (hier chanoma 'Teezimmer' genannt) und Küche (daidokoro) keine Abtrennungswand vorhanden ist. Diese Bauweise scheint früher auch in Kanto und Kyushu existiert zu haben. Die Küche ist mit einem erhöhten Bretter­ boden versehen und in den rückwärtigen Teil des ungedielten Raumes vorgeschoben. In alten Häusern der Umgebung von Sendai findet man vielfach Tagesraum und Küche abgetrennt. So ergibt sich eine Vierzimmerwohnung im strengen Sinne. Die Häuser von früheren Samurai sind meistens so angelegt. Das Weglassen der Abtrennung ist mehr bäuerliche Bauweise. Der Überschneidetyp hat in Nordost-Honshu ebenfalls eine weite Verbreitung, findet sich besonders häufig in Berggegenden und auf Inseln.102 Bei der Raumabtrennung spielte das Schmuck­ bedürfnis keine Rolle, rein praktische Zwecke waren maßgebend. Die Unterschiede in der Raumabtrennung hängen mit der Bildung von wirtschaftlichen und sozialen Schichten im Volk zusammen. So können in einundderselben Siedlung solche Unterschiede nebeneinander bestehen. Aus der Iwate-Präfektur liegen Be­ obachtungen vor über Häuser von Stammfamilien (oyakata) und davon abgezweigten Familien (mako) .103 Die Häuser der Stammfamilien stehen in der Mitte zwischen den Samurai­ Bauernhäusern und den einfachen Zweigfamilienhäusern, von denen es nicht mehr weit ist zu den urtümlichen Einraumhäusern.

Bauernhaus mit vier Zimmern aus dem Landstädtchen Kosaka, Katsuno­ Distrikt, Akita-Präfektur. Die Regel ist aber in dieser Gegend der Großstubentyp. 102) Takeuchi Yoshitarö, Yashiki, matori, in: NMD, VI, S. 33. 103) Takeuchi Yoshitarö, a.a.O., S. 46. 92 MATTHIAS EDER

Mit dem sozialen Aufstieg ging eine Anreicherung der Zimmer­ zahl zusammen. Wie wir gesehen haben, ist das Dreiraumhaus bereits eine gehobene Wohnung. Wenn sich das Bedürfnis nach einem weiteren Zimmer ergibt, wird den Teil der großen Stube geopfert und der Raum zweigeteilt. Wenn die Abtrennungslinie so gelegt wird, daß sie mit der der beiden rückwärtigen Zimmer zusam­ menfällt, ergibt sich eine regelmässige Vierzimmerwohnung vom Feldzeichentyp. Wenn zwei in der Längsrichtung des Hauses liegende Zimmer ungleich groß werden, ergibt sich eine horizontale Über• schneidung (yokokuichi­ gai) der Zimmerabtren- ~ nung. Eine vertikale ABB. 13 Überschneidung (tatekui- Taira-Haus, Kyushu chigai) kommt zustande, a) Schlafraum (nando) wenn der eine große b) Vorzimmer Raum mit Bretterboden c) Hauptzimmer; Bühne wenn kagu- an der Schmalseite des ra gespielt Hauses verkürzt und nach d) Zimmer, mit Feuerplatz e) Raum mit Kesselherden, Bett- der Längsseite des Hauses erboden zweigeteilt wird. Die bei- f) ungedielter Boden den so geschaffenen g) Veranda Räume sind ungleich groß. Es braucht jedoch nicht immer eine Verkürzung der zwei be­ stehenden Zimmer durch Abtrennung von zwei weiteren sein, diese können auch durch Anbau oder Vergrößerung des Hauses geschaffen sein. Die Zweiteilung eines Raumes der Längsseite des Hauses nach kam selten vor. Aus Kyushu, Hyuga, von Kashibamura nach Takachihö hinüber kennt man eine Raumanordnung in einer Reihe der Längsseite des Hauses nach (Abb. 13). Man gelangt in die einzelnen Zimmer über eine Veranda und einem kleinen Vorzimmer. Für jedes Zimmer ein eigener Holzklotz vor der Veranda dient zum Schuheausziehen und zum Besteigen der Veranda. Wie schon erwähnt, ist diese Zimmeranordnung zum Aufführen von Kagura (sakrale Tänze mit Musikbegleitung) erdacht worden, dient einem religiösem und sozialen Zweck. Seit wann diese Bauart existiert, ist nicht klar. Die lokale über• lieferung sagt, in dieser Gegend hätten sich geschlagene Krieger des Taira-Clanes angesiedelt. Man kennt in Japan an die siebzig DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 93

Dörfer mit dieser Überlieferung,104 ohne daß überall Überein• stimmungen im Hausbau festgestellt worden wären. Die bäuer• liche Funktion des Hauses in angeblichen Taira-Dörfern in Hyuga ist von der religiös-sozialen getrennt. Das Haus hat zwei Schwerpunkte. Bei den Bauernhäusern ist es sonst üblich, daß man durch den ungedielten Boden in das Hausinnere kommt. Hier aber sind an der Vorderseite des Hauses mehrere Ein­ gänge, getrennt für die privaten Räume der Familie und für die für Auswärtige bestimmten Räume. Der ungedielte Boden ist verhältnismäßig klein. Da stehen Herde und Kessel. Da hinter ist ein Teil des Bodens mit Brettern oder Bambuslatten belegt. Wir bringen eine Skizze dieser Raumverteilung (Abb. 13).105 Wir erwähnen dann zwei Beispiele von der Raumgliederung in Taira-Siedlungen in Shikoku. Das eine stammt aus dem Miyoshi-Distrikt, Dorf Higashiiyayama, das tief in einem Berg­ tal im Innern der Inselliegt.106 Die Bauern leben dort vom Anbau von Weizen, Hirse und Tabak. Der Hauseingang besteht aus einem großen Vestibül (daigenkan) an der linken Seite des Hauses. Vom Eingang gelangt man zunächst in ein besseres Zimmer, hinter dem ein noch besseres ist. An der Rückseite des letzteren ist ein Alkoven (tokonoma) und ein Büchergestell mit sich überschneidenden Brettern (chigaidana), also eine Ein­ richtung für ein Bücherzimmer (shoin). An der Außenseite dieser beiden Zimmer, an der Westseite des Hauses ist eine breite Veranda, was an Kriegerbau (bukezukuri) des Mittelalters erin­ nert. Nirgendwo sonst in Shikoku sind die besseren Zimmer (zashiki) so angelegt, daß man vom Eingang direkt in sie ge- langt. Man betritt sonst das Haus überall durch den ungedielten, für bäuerliche Arbeitszwecke dienenden Vorraum (doma) , und je nach dem Ansehen des Besuchers wird dieser entweder in den Tagesaufenthaltsraum der Familie um den Feuerplatz oder in ein sich rückwärts anschließendes besseres Zimmer geführt. Im genannten Taira-Dorf in Shikoku ist rechts von den zwei guten Zimmern eine große Stube, genannt "Mittelzimmer" (nakanoma). Weiter nach rechts ist das Eßzimmer (katte) und der Tagesauf­ enthaltsraum (ima). Rechts vom Eßzimmer ist die Küche (suiji-

104) Minzokugaku jiten [Wörterbuch der Volkskunde], S. 514. 105) Skizze nach NMD, VI, S. 10. Obige Beschreibung und Skizze sind entnommen dem Aufsatz von Kon Wajiro, Der Wandel des Wohn­ hauses (jukyu no hensen) in: NMD, VI, S. 9, ff. 106) Nach Ishihara Kenji, Nihon nomin kenchiku, Bd. 3, S. 25, f. 94 MATTHIAS EDER ba). Der ungedielte Boden (doma) ist sehr klein, hier stehen zwei Herde für Kessel (kudo) , um die herum der Boden mit Bambuslatten belegt ist (Abb. 14). Hier wird gespült. Auch an der Vorderseite ist eine breite Veranda, die einem Vorraum gleichkommt. Von da gelangt man in die einzelnen Zimmer. In einem anderen Beispiel,lo7 aus dem Dorf Iya. sind die Verhält• nisse primitiv, das Haus hat h nur zwei Innenräume~ näm• lich Tagesaufenthaltsraum (katte 'Eßzimmer' genannt) I und Stube (hier omote _=~.J..!l.Uu.lJ.U'= ABB. 14 'vorn' genannt) . Beide Taira-Haus Shikoku Räume haben einen Feuer- a) Eingang (genkan) platz (irori). Daß das b, c) bessere Zimmer bessere Zimmer "vorn" ge- d) Schmucknische (toko) e) Großstube (hiroma) , durch nannt wird, zeigt, daß hier Papierschiebewände untergeteilt, der Zugang ins Haus ist. mit Feuerplatz Beide Zimmer sind nur f) Küche und Eßplatz, mit Feuer- mit einfachen Strohmatten platz, rückwärts Wandschränke (mushiro) belegt. Wir sehen g) Tageszimmer (ima) h) Bambuslattenboden, Kesselherd in den angeführten Bei- i) ungedielter Boden (doma) spielen von Bauernhäusern k) Veranda, Bretter aus alten Taira-Siedlungen ländlichen Zwecken dienende Wohnungen mit einigen aus der Kultur der höheren Schichten übernommenen Verfeinerungen; so sind diese Häuser in Taira-Siedlungen ganz offensichtlich sehr vereinfachte, in bäuerliche Verhältnisse hineingezwungene Woh­ nungen nach dem Stil des Schlafhallenbaues (shindenzukuri) von Kyoto. Trotz ihrer für ein Bauernhaus unpraktischen Anlage halten ihre Bewohner zäh am Hergebrachten fest. Im Groß• stubenbau von Nordost-Honshli entwickelte sich die große Stube allmählich als städtische Verfeinerung vom ursprünglichen Wohnboden her. In den Taira-Häusern wurde die große Stube direkt von der Stadt ins Bauernhaus übertragen. Wir haben uns bis jetzt mit den verschiedenen Typen der Raumgliederung des Bauernhauses befaßt. Wir müssen jetzt Weiteres und Näheres über die Verwendung der Räume) ihre Wohnfunktion sagen. Einunddieselbe Raumgliederung kann ver-

107) Beschrieben von Kon Wajirö in seinem Buch Nihon no minka [Das Volkshaus Japan], Tökyö 1943; S. 58, dazu Abb. 14 ibid. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 95

schiedenen Zwecken dienen.lOB So ist bei einem Vierraumhaus (ta-no-ji-kei) die Lage des guten Zimmers (zashiki) nicht überall gleich, auch nicht die des Alkovens (toko) darin. Der ungedielte Boden (toji, uchiniwa, nakae) ist nödlich von Kantö und in Nord­ Kyushu meistens groß, sehr schmal ist er in Süd-Kyushu und in Shikoku. Ursprünglich war dieser Vorraum überall weit. Später hat man für die Zwecke der Seidenraupenzucht einen Teil davon mit einem erhöhten Bretterboden versehen, nämlich zum Auf­ stellen der Holzgestelle für die Körbe, in denen die Raupen mit Maulbeerblättern gefüttert werden. In Nordost-Honshu nimmt der ungedielte Boden mehr als die Hälfte des Hausinnern ein, in Süd-Kyushu vielleicht nur ein Viertel. Der Vorraum ist vor­ wiegend Arbeitsplatz. Heute hat man vielerorts eine eigene Arbeitshütte (shinogoya) mit eigenem Giebel neben dem Haupt­ haus. Aber auch dann wird im Vorraum des Haupthauses immer noch gedroschen. Im Vorraum, oder im Arbeitshaus, werden Strohseile gedreht, Matten geflochten, Gemüse verarbeitet, Tabak­ blätter zum Trocknen aufgehängt, während der Zeit der Seiden­ raupenzucht Maulbeerblätter sortiert. Der Vorraum eignet sich als Arbeitsplatz, weil der Feuerplatz im Hause etwas Licht und Wärme spendet. Früher richtete man in Nord-Kyushu außer dem Vorraum im Hause einen weiteren ungedielten und über• dachten Raum ein als Arbeitsplatz (shinogoya, verderbt aus shigotogoya 'Arbeitshütte') und Scheune. In Sanin und Chugoku hat man einen Arbeitsplatz unter demselben Dach mit dem Haupthaus, in Verlängerung des letzteren. Im kalten und schnee­ reichen Ura-Nihon, also entlang der Nordwestküste, wird heute noch im Vorraum gedroschen und dieser dafür sauber gehalten. Man betritt ihn nicht mit der Fußbekleidung, er ist auch vielfach mit Matten oder Brettern belegt. In der Niigata-Präfektur macht man häufig einen niedrigen Bretterboden, sagt aber auch dann noch niwa dazu, wie zu einem ungedielten Boden. Bei der Arbeit in der kalten Zeit hat man hier auch eine Feuerstelle (irori). So entsteht hier der tägliche Aufenthaltsort der Familie, man ißt hier, auch gewöhnliche Besucher werden hier empfangen. Gleichzeitig kommt das ochanoma (wörtlich 'Teezimmer') ) d.h. die Familienstube ab, sie wird in den Rang eines Gästezimmers (zashiki) erhoben, tsugi no ma 'anschließendes Zimmer' genannt. Denselben Entwicklungsvorgang finden wir in der Ishikawa-

108) Takeuchi Yoshitarö, Yashiki, matori, in: NMD, VI, S. 50, ff. 96 MATTHIAS EDER

Präfektur, wo der Vorraum zur Hälfte mit einem Bretterboden versehen ist, der eine Stufe tiefer liegt, wie der im Hausinnern. Außer Baden und Schlafen vollzieht sich hier das tägliche Leben. In Kinki (Mittel-Japan) hat man häufig den Vorraum durch eine Abtrennung verkleinert, der Raum dahinter wird ausschließ• lich als Eßraum gebraucht. In der Kochi-Präfektur (Shikoku) wird in der Mitte des Vorraumes ein Zimmer eingerichtet, da­ hinter ist die Küche, der Platz davor ist so klein, daß er zum Arbeiten nicht mehr in Frage kommt. In vielen Fällen steht zwischen dem Vorraum und dem sich anschließenden erhöhten Bretterboden die Daikoku-Säule. Eine geheiligte Säule findet sich im Vorraum immer. In der nördlichen Miyagi-Präfektur in Nordost-Honshu bis in die Iwate-Präfektur hinüber ist in der Nähe der Feuerstelle die "Kesselsäule" (kamabashira). Daran hängt gegenüber dem Eingang eine bös dreinschauende Maske, der hiotoko 'Feuermann', kamaotoko 'Kesselmann', kamakami­ sama 'Kesselgott', dient der magischen Feuerabwehr. An der Westseite des Vorraumes macht man einen einfachen Holzboden zum Lagern von Reissäcken oder es wird darauf Kleie ge­ speichert. In Shikoku sagt man für diesen gedielten Abstellplatz uchigura 'In­ nenspeicher' oder nezumi­ ABB. 15 irazu 'Ratten kommen nicht magariya "gebogenes Haus" daran'. Auch in Kyushu, mit "Großstube" (hiroma) Sanin und Nordost-Honshu (lwate-Präfektur, Ninohe) ist dieser Speicherboden noch a) Pferdestall (maya) erhalten, wird für Ver- b) ungedielter Raum (niwa) mit schiedenes gebraucht. Von Kesselherd . Kanto an nach Chubu, Hoku-

c) Küche und Eßraum (dmdoko) 'k d N d t H h A • t .. (d k ) n u un or os - ons u IS d) Schl af raume ne 0 0 . e) Gute Stube (zashiki), hier Groß- 1m Vorraum der Pferdestall stube (hiroma) (umaya) eingebaut. Die f) rückwärtige gute Stube (oku- Präfekturen von Tochigi und zashiki) Ibaragi sind Pferdezüchter- g) ~ingebauter Wandschrank (oshi- gegenden, für Pferde ist ein Lre) . h) Schmucknische (toko) großer Raum notwendIg und i) ein gutes Zimmer (de) großer Raum notwendig und k) Veranda (en) so entwickelten sich die DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 97

Häuser mit einem Vorsprung an einer Seite und einen Eingang (chumon) daran (Abb. 15 u. Photo 6). Häuser mit einem solchen Vorsprung nennt man magariya 'geknickte Häuser'. Im Vorraum ist der Pferdestall, links vom Eingang vorn an der Ecke oder auch rückwärts. In Nordost-Honshu ist das Ausmisten des Pferdestalles im Winter wegen der Schneemenge nicht mög• lich, deshalb ist der Pferdestall tief, der Mist bildet eine mächtige Schicht und wird von den Pferden fest getreten. über dem Stall hat der Pferdeknecht (wakaze) seine Schlafstätte. Der Hühner• stall liegt gleich neben dem Pferdestall. Westlich von Chubu steht im Vorraum auch der Mörser (karausu) , wird kaum noch gebraucht, nur der Platz wird noch danach benannt (karausuba). In den Präfekturen von Yamagata und Aomori ist an den ungedielten Boden ein Raum mit Bretterboden angebaut, heißt inabeya, inabe 'Reiszimmer'. War Lagerplatz für den geernteten und noch nicht gedroschenen Reis, heute allgemein Abstellraum (monooki). Wenn kein eigenes Kesselhaus vorhanden ist, wird der Kesselherd im Vorraum (niwa) gebaut. Ein großer Kessel dient zum Kochen von Bohnen zu Bohnenmus (miso) und von Viehfutter. Eine besondere Art des Kesselherdes ist der magari­ kudo in Kinki, wörtlich 'gebogener Herd', ist ein im Halbkreis gebauter Herd mit mehreren Feuerungslöchern zum gleichzeiti­ gen Aufstellen von mehreren großen und kleinen Kesseln~ fünf oder sieben. Sonst sind die Herde rechteckig, oft mit Lack ver­ schönert, am großen Kessel ist ständig eine Kiefer angebracht, heißt Kojin-Kiefer, Kojin ist der Herd- und Feuergott. Der Herd wird ehrfürchtig okudosan, etwa "göttlicher Herd" genannt. Im Naßfelderbereich von Kanto wird mit Stroh geheizt, das Stroh dafür liegt auf dem "Feuermachplatz" (hitakiba) in einer Ecke des Vorraumes bereit. Hier ist in Hüfthöhe eine gemauerte Wand. Von Kinki nach Westen, dann in der Ehime-Präfektur in Shikoku und in den Schneegebieten von Nordost-Honshu ist in der Mitte des Vorraumes ein Brunnen gegraben. Anderswo wieder vermeidet man das, weil der Brunnen Feuchtigkeit ins Haus bringt. Im Vorraum sind auch der Spültrog (nagashi) ~ ein Wandschrank, ein Wandbrett für Pfannen (nabedana) , Reis­ kübel (meshibitsu) für die Mahlzeiten. Auch werden hier Bohnenmus (miso) , Soya-Sauce (shoyu) , eingepöckelte Rettiche . (tsukemono) , der Schrank für Holzsandalen () , Fahr­ räder und Alkergeräte abgestellt und verwahrt. So ist der un­ gedielte Boden für das Bauernleben sehr wichtig. An den ungedielten Boden schließt sich ein erhöhter Bretter- 98 MATTHIAS EDER boden mit dem täglichen Aufenthaltsort der Familie an. Die Bezeichnung dieses Raumes ist nicht einheitlich, es kommen folgende Namen vor: chanoma 'Teezimmer', daidoko 'erhöhter Boden', idoko 'Aufenthaltsboden', joi 'gewöhnlicher Aufenthalt', 'ima 'Aufenthaltsraum', zashiki 'Sitzunterlagen (sonst Name für besseres ZImmer), za 'Sitz', yokoza 'Quersitz'. In diesem Raum ist die Feuerstelle. Auch Besucher werden hierher geführt. Ein­ mal im Jahre findet hier eine Kommunionfeier der Menschen mit Göttern statt, hier wird auf Neujahr der "Jahresaltar" (to­ shidana) hergerichtet, im Sommer der Bon-Altar zum Bewill­ kommnen und Verehren der Ahnenseelen. Auf Neujahr wird der Kokonkügelchenschmuck (may'udama) angebracht. Dieser be­ steht in Zweigen und Ästen, an die Reisteigkügelchen, die Kokons darstellen, gesteckt werden, sie sollen Segen in der Seidenraupen­ zucht bringen. Auch der buddhistische Hausschrein steht oft hier. Die Jüdo-Sekte ignoriert die Götter und stellte dafür einen Hausschrein für buddhistische Religionsübung auf. über dem Feuerplatz hängt an einer Eisenstange ein eiserner Kessel mit Teewasser. Darüber werden wir unten mehr sagen. Ferner hängt über dem Feuerplatz flach ein rechteckiges Holz­ gitter herunter, das hidana 'Feuergestell', dient zum Trocknen von allerlei Dingen (Photo 10). Die Sitte, die Asche des Feuer­ platzes ständig zu rechen und in Form zu halten, findet man viel­ fach in Fischerdörfern von Nordost-Honshu, auch in den Bauern­ häusern von Akita und Yamagata. In der Fukushima-Präfektur ist der Feuerplatz am Rande des Zimmers mit dem erhöhten Bretterboden, sodaß man ohne die Fußbekleidung auszuziehen sich daran setzen kann. Der Feuerplatz heißt hodo 'Feuerplatz', man hält ihn heilig, spuckt hier nicht aus. In den Bergen der Fukui-Präfektur ist der hölzerne Rahmen um den Feuerplatz in Lackarbeit ausgeführt. Heute härtet man den Rand des Feuer­ platzes häufig mit Mörtel. Um sich an den glühenden Kohlen nicht zu verbrennen, ist oft ein Drahtgitter darüber gelegt. Das eigentliche Schlafzimmer ist rückwärts in einer Ecke des Hauses, heißt heya 'Zimmer', nebeya 'Schlafzimmer', nedoko 'Schlafboden', toko 'Boden'. Wenn nur ein Schlafzimmer vor­ handen ist, wird dieses von den Eltern gebraucht. Wenn der Hausherr übergeben hat, zieht er in die Austragstube oder in das Austraghaus um. Wenn für ihn kein eigenes Zimmer oder Haus vorhanden ist, schläft er vielfach mit den Enkeln in der Stube (zashiki). Das vielerorts auch nando 'Abstellraum' ge­ nannte Schlafzimmer wurde ursprünglich im Sinne seiner Be- DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 99 zeichnung gebraucht. Hier stehen Kleiderschränke und Truhen. Der Raum war wichtig, als noch kein eigener Speicher mit Abstellkammer vorhanden war. Dieses Schlafzimmer ist klein und dunkel, zu überfüllt, ohne Ventilation, unhygienisch. In Hida und in den Bergen von Hokuriku sagt man für Schlafzimmer ch8dai oder chondai. So nannte man, wie wir schon gesehen, in der Heian-Zeit den Schlafraum in der Schlaf­ halle (shinden) , das Wort bedeutet 'erhöhter Platz mit Vorhang', etwa ein von einem Vorhang eingefaßtes Podium, der Vorhang war an einem gezimmerten hohen Rahmen um das Podium aufgehängt. In Shirakawa in Hida und in Gokayama in der Toyama-Präfektur ist der Schlafraum (ch8dai) der Familienmit­ glieder ziemlich geräumig, ganz rückwärts ist das Schlafzimmer der Eltern, heißt oku no ch8dai 'rückwärtiges Schlafzimmer' oder kakoi 'Einfriedung', 'Lagerraum'. In der Niigata-Präfektur findet man auch die Bezeichnung nakama 'inneres Zimmer'. In Nordost-Honshu und zum Teil auch in Kant6 ist das Schlafzimmer (nema) ausschließlich ein solches, hat einen Bret­ terboden, der ganz mit einfachen oder kunstvollen Matten (tatami) bedeckt ist. Eine Schwelle trennt es vom Tageszimmer der Familie, sie heißt hajikakushi 'Randverdeckung' sie soll näm• lich verhüten, daß Stroh vom Saume der lVlatten in das Tages­ zimmer heraussteht. Eine große Familie hat mehrere Schlaf­ zimmer nötig. Im Ninohe-Distrikt in der Iwate-Präfektur hat man auffällig große Häuser, kommt vom dortigen Großfamilien• system. Die kleinen Schlafzimmer sind im ganzen Hause verteilt. Diese Sitte stammt aus einer Zeit als man noch kein eigenes Bett­ zeug kannte und sich einfach irgendwo hinlegte. Heute sind für das Abräumen des Bettzeuges tagsüber eigene Wandschränke nötig. Vielerorts hat man auch in einer Ecke des Vorraumes (niwa) eine Schlafstätte, genannt shimozashiki 'untere Stube', shitabeya 'unteres Zimmer', niwazashiki 'Vorraumstube', muk8zashiki 'gegenüber (liegende) Stube' (auf der anderen Seite des Vor­ raumes). Das "unten" in "untere Stube" steht hier im Gegensatz zu "oben", womit die Zimmer auf dem erhöhten Bretterboden gemeint sind. Das Vorraumzimmer wird entweder als Austrag­ stube oder für junge Ehepaare oder andere junge Leute ge­ braucht. In Nordost-Honshu hat der Pferdeknecht (magi) über dem Pferdestall seine Kammer. In manchen Gegenden hat man ein sogenanntes konashibeya 'kinderloses Zimmer', war wahr­ scheinlich einmal ein Raum für Reisverarbeitung. Der Name läßt 100 MATTHIAS EDER ein Zimmer für unverheiratete Leute vermuten. In Bauern­ häusern, an denen ein Teil des Gebäudes rechtwinkelig vorsteht (magariya) , ist auch über dem Eingang zu diesem Teil ein Zimmer eingerichtet. Das Schlafzimmer (nema) der Eheleute wurde auch als Gebärzimmer (ubuya) gebraucht. In Berggegenden sieht man im Geburtszimmer ein von einem Balken herabhängendes Seil, das bei der Geburt seine Aufgabe zu erfüllen hatte. Im Norden der Miyagi- und im Süden der Iwate-Präfektur hat man in der Mitte des Hauses ein kleines Zimmer, das früher für wandernde Spielleute gebraucht wurde, die joruri, eine Art Balladendrama aufführten. Das Zimmer heißt zatobeya, zato ist 'blinder Sänger', heya 'Zimmer'. Solche Leute übernachteten darin und richteten sich zum Spielen her. Später wurde das Zimmer hier und dort zu heimlichen Gebetsversammlungen von buddhistischen Sekten gebraucht. Auch im Speicher außerhalb des Haupthauses richtet man zuweilen ein Schlafzimmer ein, das sogenannte kurazashiki 'Speicherzimmer', es wird zugleich auch als Gastzimmer ge­ braucht. Solche Speicherzimmer sind im Norden häufig, von Niigata nach Fukushima, Yamagata, Miyagi. An einer Speicher­ wand ist ein Fenster, das nach außen gut verschlossen werden kann, wenn das Zimmer nicht benutzt wird. Am Eingang ist eine starke eiserne Feuerabwehrtür. Im unteren Stock ist ein erhöhter Bretterboden, der obere Stock ist Abstellraum für wichtige Geräte. Alles was man im Falle einer Feuersbrunst in Sicherheit wissen will, wird in diesem feuersicheren Speicher verwahrt. Es ist zwar auch gezimmert, doch sind die Wände mit einer mächtigen lVlörtelschicht verputzt. Das Dach ist womöglich mit Ziegeln gedeckt. Die starken Wände halten Hitze und Kälte ab. Die Küche ist gewöhnlich rückwärts von der Familienstube, gegessen wird gleich davor, zwischen Familienstube und Küche. Vielfach ist auf dem Eßplatz auch eine Feuerstätte (irori). Wenn in der Stube die Feuerstätte abgekommen und die Stube vor­ wiegend für Gäste benutzt wird, dann wird der Eßplatz der Mittelpunkt des Familienlebens. Ausdrücke wie meshikuiba 'Reiseßplatz', chanoza 'Teesitz', kitaza 'Nordsitz' (weil an der Nordseite des Hauses) und heute daitoko 'erhöhter Boden' be­ zeichnen Küche und Eßplatz. Von Nordost-Honshu nach Sanin in Südwest-Honshu sagt man ryoTinoma 'Speisenzimmer', aber nur für die Küche. Das Eßzimmer hat vielfach einen Bretter­ boden mit guten Matten (tatami) oder einfachen Sitzmatten (goza). Die Bauernhäuser mit Eingang an der Schmalseite haben DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 101 rückwärts an die Stube anschließend ein Badezimmer (turo) mit der Kochstelle (suijiba) daneben. Ein eigenes Eßzimmer gibt es nicht. An der Grenze von Eßzimmer und Vorraum ist häufig irgendeine Abtrennung, in kalten Gegenden aber ist alles offen, damit auch der Vorraum mit dem Pferdestall vom Haus­ innern etwas Wärme mitbekommt. Westlich von Chubu stellt man an die Aufsteigestufe (agaridan) zwischen Vorraum und erhöhtem Boden einen Kesselherd, sodaß man den Herd bedienen kann ohne über den ungedielten Boden gehen zu müssen. Man feuert von dieser Stufe aus. In vielen Häusern bedient man den Kesselherd vom erhöhten Boden aus. Sonst steht der Kesselherd in der Mitte des Vorraumes oder an der Wand desselben. In einer Ecke des Vorraumes sind oft Spültrog und Wasserbehälter, daneben ist die Küche (suijiba) , genannt 'Wasserhaus', nagashiba 'Spülplatz', hashirimoto (vielleicht) 'Platz wo man ausundeingeht'. Der Spülplatz war früher hinter dem Hause an einem Bächlein, kommt in Berggegenden heute noch vor. Fließendes Wasser wird zuweilen auch in den Vorraum hereingeleitet, für die Waschstelle und das Bad. So häufig in den Präfekturen von Niigata, Nagano. Sonst ist der Spülplatz anschließend an den Bretterboden (itanoma) gebaut, sodaß man ohne Fußbekleidung daran arbeiten kann. Bessere Zimmer für Gäste schließen sich für gewöhnlich an die Stube nach rückwärts an. Sie dienen vorwiegend zum Empfangen von selteneren Gästen, die darin auch übernachten können. Der häufigste Name für Gastzimmer ist zashiki (ganz wörtlich) 'Sitze ausgelegt', früher Sitzpolster, heute gute Matten (tatami) . Von Kantö nach Nordost-Honshu sagt man häufig auch dei 'Ausgang-Wohnung' (Sinn nicht recht klar), davon verderbt de, deeza (za 'Sitz'). Der Name zashiki wird vielerorts auch für die Familienstube gebraucht. Der Name für das bessere Zimmer ist von seiner Einrichtung zum Sitzen her genommen, so wie der Zimmername itanoma von seiner Ausstattung mit einem Bretterboden herstammt. Wie an anderer Stelle schon gesagt, man hat früher für Gäste runde Sitzpolster (enza) , aus Stroh oder Schilf geflochten, oder andere Matten (goza, mushiro) , ausgebreitet. Als die guten Matten (tatami) etwas gewöhnliches wurden, fing man an, darüber noch eigens eine weitere Matte (goza) oder einen mit Watte gefüllten Sitzpolster () für den Gast auszubreiten, wurde eine Forderung der Höflichkeit. Der Name dei für besseres Zimmer, der wörtlich "Ausgangs­ wohnung" bedeutet, wurde gewählt, weil hier der Ort ist. wo 102 MATTHIAS EDER der Hausherr 'herausgeht", nämlich sich zeigt und den Gast empfängt. Der Name des Zimmers setzt das frühere Vorhanden­ sein eines Bücherzimmers (shoin) voraus. Dieses ist heute in Bauernhäusern meistens aufgegeben. Es gibt in Bauernhäusern zum Empfangen von Gästen mehrere Räume, einer davon ist das dei. An dieses kann das tsugi no ma 'anschließendes Zimmer' anschließen oder das nakama 'inneres Zimmer'. Letzteres heißt auch okudei 'rückwärtiges dei' (Gastzimmer), 8dei (wahrschein­ lich verderbt von okudei), oder es heißt kodei 'kleines dei (Gast­ zimmer). Vornehme Bauernhäuser haben diese drei Räume für Gäste. Die Zimmernamen setzen einen eigenen vornehmen Ein­ gang oder Vestibül direkt vom Garten her (genkan) voraus. Das sich anschließende Zimmer (tsugi no ma) schließt sich an das Vestibül an. Hinter diesem Vorzimmer ist das "innere Zimmer" (nakanoma). Es gibt auch Häuser, in denen nach Art der Häuser der Krieger (buke) ein yarinoma 'Lanzenzimmer' vorhanden ist. Dann führt auch eine Veranda an den Zimmern vorbei und ist ein eigenes Eingangstor (chumon) gebaut, durch das man direkt in die Gästezimmer gelangt, ohne erst durch den ungedielten und bäuerlichen Zwecken dienenden Voraum (doma) gehen zu müssen. Für in den Austrag gegangene alte Bauern hat man meistens im Gehöft ein eigenes Gebäude, seltener nur ein Zimmer im Haupthaus. So ein Zimmer heißt inkyobeya, inkyo heißt wört• lich 'zurückgezogenes (verborgenes) Leben', heya 'Zimmer'. Man sagt auch kobeya 'kleines Zimmer' oder zashiki, womit man jedes bessere Zimmer benennt. In Häusern, in denen ein nando, also ein kleines, wohl abgetrenntes Schlafzimmer vorhanden ist, schlafen darin die Eltern und kleinen Kinder, die anderen Familienmitglieder in einigen freien Zimmern. Wo rückwärts ein besseres Zimmer zashiki oder ein Zimmer in einem rück• wärtigen Vorbau mit Eingang (urachumon) vorhanden ist, be­ nützen das die unverheirateten oder auch verheirateten Söhne, wenn solche noch mit ihren Eltern zusammen leben. Wenn der Vorbau vorn und ein Pferdestall darin ist, schlafen die Söhne im Zimmer über dem Eingang zum Vorbau. Wenn der alte Hausherr das Gehöft seinen ältesten Sohne übergeben hat, schläft dieser im kleinen Schlafzimmer (nando) und das bisherige Zim­ mer des ältesten Sohnes wird den Alten überlassen. Das ist dann das Austragszimmer oder, in der Bedeutung des japanischen Wortes dafür, das Rücktrittszimmer. Oft hat man ein shitabeya 'unteres Zimmer' (nicht auf dem gedielten und erhöhten Teil des DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 103

Hausinnern) rückwärts im Vorraum. Auch dieses oder ein Gast­ zimmer kann dem von der Hausregierung zurücktretenden alten Vater eingeräumt werden. Wenn jedoch der Abort zu weit davon entfernt ist, gibt man ihm ein anderes Zimmer, je nachdem wie es ausgemacht ist. Auch das butsuma 'Buddhazimmer' kann dafür benützt werden. In Gegenden mit strengem Austragsystem hat man ein eigenes Haus für die Alten, sodaß keine Zimmer­ wahl nötig ist. Das Austragshau~ ist ein kleines Wohnhaus, genannt inkyogoya 'Rücktrittshütte', hat einen ungedielten Boden (doma») ein oder zwei Zimmer, einen Spültrog (nagashi) und einen Kesselherd (kamado). Auf die Zimmergestaltung übt auch die Seidenraupenzucht ihren Einfluß aus. Es ist dafür gesorgt, daß in Nordsüdrichtung der Wind durchziehen kann. Ferner ist in dieser Richtung eine Veranda gebaut, weil sie für die Versorgung der Seidenraupen mit Maulbeerblättern praktisch ist. Seit etwa 1925 fing man an, die jungen Raupen in einem dicht abgeschlossenen Zimmer zu züchten, weil sie darin stärker werden. Man baut für die Raupen und einen Maulbeerblättervorrat eine eigene Hütte. Die Zucht jm Wohnhaus ist aber noch vorherrschend.

H. Latrine

Der Abort ist im Bauernhaus wirtschaftlich wichtig. Meistens ist er außerhalb des Hauses anschließend an ein Feld gebaut. In Schneegegenden hat er ein eigenes Dach; wenn nicht, dann ist er in der Nähe des Einganges unter dem Vordach. Er ist dann aber kein eigentlicher "oberer Abort" (kamibenjo). So nennt man einen Abort innerhalb des Hauses. Dieser wird nur nachts oder bei schlechtem Wetter benützt oder von Kranken und kleinen Kindern. Die Regel ist, den Abort außerhalb des Hauses zu benützen, er dient als Düngerquelle. Der Abort im Hause ist mehr für Gäste als für die Familie bestimmt, befindet sich daher nahe am Gastzimmer. Wie die Familie gelegentlich das Gastzimmer als Schlafzimmer gebraucht, so benützt sie auch den Abort im Hause. Grundsätzlich ist der Abort nicht innerhalb des Gehöftes, man hat in der Nähe des Hauseinganges nur ein Pissoir. Von diesem gibt es im ganzen Lande verschiedene Varianten. In Nordost-Honshu wird, besonders zu Beginn des Winters, an die Seite des Hauseinganges ein mit Asche gefüllter Sack hingestellt, 104 MATTHIAS EDER darauf wird gepißt. In der Akita-Präfektur ist das der "Pißsack" (shobenhy6). Im Frühling wird der Sack einfach auf das Feld geleert. In Aizu in der Fukushima-Präfektur wird gleich hinter der großen Tür des Einganges ein großer Behälter aus ge­ branntem Ton in den Boden versenkt, ein Brett darüber gelegt und der Abort ist fertig. Anderswo hat man einen solchen Abort an der Seite des Eiganges vor dem Hause. Er wird mit einem Deckel zugedeckt. Nur ein Pissoir ist dann hinter der Tür, Es gibt auch Aborte, die nur an zwei Seiten eine niedrige Wand haben. Von Kanto bis westlich von Chubu ist der Abort vielfach an der Seite des Einganges, sein Wasser fließt in den Dünger• behälter. Wo dieses ausgeschöpft wird, ist das Pissoir. Nicht selten findet man den Abort im Vorraum anschließend an den Pferde­ stall. Wenn ein Fäkalienkübel in den ungedielten Vorraum ver­ senkt wird, werden darüber zwei Bretter befestigt, zwischen denen die Fäkalien in den Kübel fallen. Von einem Balken hängt ein Seil herunter, an dem sich Kinder festhalten können. Wo im­ mer der Abort untergebracht ist, vor dem Eingang oder hinter dem Eingang, immer wird er zum Ausschöpfen des Dunges ein­ gerichtet. Dieser dient der Produktionsförderung und spielt daher auch in den Kultzeremonien von Neujahr eine Rolle. Weit verbreitet ist die Bezeichnung kanjo für Latrine, be­ deutet 'abgeschlossener Ort', von Nordost-Honshu dem japa­ nischen Meer entlang bis Sanin hinüber, an der pazifischen Seite bis Hachijoshima in der Inselkette von Izu. Der Ausdruck stammt aus der höheren Gesellschaftsschicht der alten Zeit, ebenso der andere Ausdruck setchin, der aus setsu-in entstanden ist, was wörtlich 'Schnee-verborgen' heißt, ein poetischer Name für eine prosaische Sache. In den Bergen von Shikoku nannte man früher die von den Erwachsenen außerhalb des Hauses gebrauchte Latrine senya, wörtlich 'Rücken-Haus' oder 'Haus rückwärts', hinter dem Hause. Auch sagt man kawaya für Latrine, wird ge­ wöhnlich als 'Bachhaus' erklärt. Auch die Erklärung 'Seiten­ hütte' ist möglich. In Mimine in der Saitama-Präfektur und in Yoshino in der Nara-Präfektur sieht man solche Latrinen am Bachufer; kawaya könnte also auch "Hütte am Bachufer" be­ deuten. In Nordost-Honshu sagt man für Latrine to 'Tür', zur Latrine gehen heißt to ni iku 'zur Türe gehen'. In der Fuku­ shima-Präfektur sagt man tonbo, ton oder to ist 'außerhalb', bo oder b6 ist 'Seite'. In Gebieten der Niigata- und der Fukushima­ Präfektur sagt man kado 'draußen'. Zum Reinigen nimmt nlan in Shishishima in der Kagoshima-Präfektur dünne, 5 Zoll lange DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 105

Bambussplisse, heißen shinogi, in Nordost-Honshfr shinnoge. Papier wird erst seit neuester Zeit gebraucht, war früher zu teuer. Auch gesplissene Hirsestengel, Baumblätter und Ranken nimmt n1an. Hierher gehört auch aus Zen-Familien hervorgegan­ gene chugi, der Name ist in ganz Japan verbreitet. Es sind Blätter der Farnart (Pteridophyta) shida, die man eigens für diesen Zweck aus dem Walde holt. Weit verbreitet ist der Glaube an einen Latrinengott. Wenn in der Umgebung der Stadt Kanazawa in der Ishikawa-Präfektur eine Latrine errichtet wird, hebt man eine Grube aus, in die ein großer runder Behälter aus gebranntem Ton versenkt wird, dar­ unter werden eine männliche und eine weibliche Figur vergraben. In der Umgebung von Sendai wird in der Latrine auf einem Wandbrett eine weibliche Lehmfigur verehrt, heißt kanjogami 'Latrinengöttin'. In Hida in der Gifu-Präfektur werden an einem Pfosten der Latrine Blumen geopfert, jeden Monat am 16. Tage wird eine heilige Fackel angezündet, mit kleinen Reis­ mehlkugeln zwischen den Zweigen der Fackel. Man sagt, die Latrinengöttin sei blind. In der Wakayama-Präfektur und in Aizu in der Fukushima-Präfektur heißt es, wer in der Latrine ausspuckt, erblindet. Das Vermeiden des Ausspuckens ist weit verbreitet. Man erklärt: der Latrinengott fängt Urin und Fäkalien mit beiden Händen auf, Spucke muß er mit dem Munde auffangen. Daher die l\!Ieidung. In Okinawa muß vermieden werden, im Schweinestall, der zugleich Latrine ist, auszuspucken. Das Schwein ist ein blinder Gott; wenn man in seinem Stall ausspuckt, wird es zu einem Gott der Armut. Weit verbreitet ist die Meidung, nackt in die Latrine zu gehen. Zu beachten ist die Beziehung des Latrinengottes zu den Kindern. Unter setchin-mairi, senchi-mairi 'zur Latrine pilgern' versteht man die Sitte, mit dem neugebornen Kinde am dritten oder siebten Tage nach der Geburt den Abort im eigenen Hause und in den Häusern der Nachbarschaft zu besuchen. Diese Sitte ist von Kanto nach Koshfr und Shinshfr hinüber verbreitet, ebenso in den Präfekturen Mie und Fukushima. Im Yama-Distrikt in der Fukushima-Präfektur sagt man: der Besuch des Säulings beim Latrinengott ist der Anfang seiner Götterbesuche. In der Iida-Gegend der Nagano-Präfektur ist es Brauch, wenn der Säugling nachts schreit, eine Nachbildung aus Lehm des "Spiegel­ reiskuchen" (kagamimochi) genannten Opferkuchens im Abort zu opfern. In der Suwa-Gegend glaubt man, daß der Latrinen­ gott Schuld ist, wenn ein kleines Kind stirbt.lo9 In der Mie- 106 MATTHIAS EDER

Präfektur pilgert man in der siebten Nacht nach der Geburt zum Brunnen und zur Latrine. Man sagt: "Sieben Brücken über• schreitend pilgern wir zu den Latrinen von sieben Häusern [der Nachbarn]". Yanagita Kunio, der Altmeister der japanischen Volkskunde erklärt: sowohl Brunnen wie Abort sind für das Kleinkind gefährliche Orte, so ist es natürlich, zuerst diese auf­ zusuchen. Es muß einmal eine besondere Beziehung zwischen Geburt und Wassergott bestanden haben. In Okinawa, wenn der Tag der Namensgebung kommt, legt man das Kleinkind nieder, bedeckt es mit einem Tuch aus Bananenfasern und läßt vier vom Strande geholte Krabben darüberkriechen. In Amami-Oshima, einer Insel südlich von Kyushu, läßt man sieben Tage nach der Geburt über den Kopf des Kindes Krabben kriechen. Die Krabbe ist der Bote oder Diener des Wassergottes. Im Dorfe Kumogi in der Shimane-Präfektur nennt man die Dienste der Hebamme bei einer Geburt kawayuki 'an den Bach gehen'. Die Hilfe­ leistung bei einem Begräbnis ist yamayuki 'in den Berg gehen'. Das zeigt die Beziehung zwischen Geburt und Wasser und zwischen Tod und Berg.

II!. Meidungshütte

Weil ebenfalls biologisch paßt vielleicht am besten in diesen Zusammenhang ein Abschnitt über die Meidungshütte der menstruierenden und gebärenden Frauen.no Sie wäre sonst im Abschnitt über Nebengebäude des Bauerngehöftes unterzubrin­ gen. Geburtshütten (sanya) sind heute noch erhalten, wenn sie auch blos noch als Abstellhütten gebraucht werden. Eine nieder­ gekommene Frau mußte 21 oder auch 75 Tage lVleidung üben. Sie lebte getrennt von ihrer Familie in einem eigenen Gebäude mit eigenem Feuer. Auf der Insel Himakajima in der Aichi­ Präfektur und im Hinterland der Stadt Kohama in der Fukui-

109) über den Latrinengott hat öto Tokihiko eine eingehende Studie veröffentlicht, Kawagami-k6 [Der Latrinengott] , in: Kokugakuin zasshi, Showa 16 (1941), Oktober-Nummer; hat hingewiesen auf die Ähnlichkeit des Latrinengottes mit anderen Hausgöttern, wie Herdgott und Brunnengott; aber steht dahinter nicht der Glaube an den ·Wasser­ gott? 110) Material u.a. bei Makita Shigeru, Imigoya [Meidungshütte], S. 159-161 in seinem Beitrag Koya [Hütten], in: NMD, VI, S. 145, ff.; ferner in: Nihonjin no sumai, S. 147-149. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 107

Präfektur stehen noch einige Geburtshütten. Auf der Insel Ibukishima in der Kagawa-Präfektur in Shikoku nennt man Geburtshütten debeya, etwa 'auswärtige Zimmer', so ein Ge­ bäude hat dort sechs Zimmer, diente also der Dorfgemeinschaft. In Hachijoshima sagt man koumiya 'Kind-Gebär-Hütte', in Miyakeshima komochikado 'Kind-Haben-Haus'. In Kitashidara in der Aichi-Präfektur hatte man vor gut zwanzig Jahren noch abseits vom Haupthaus sogenannte higoya, wahrscheinlich mit 'Feuer-Hütte' zu erklären, weil die Frauen nach der Geburt ihr Essen über einem gesonderten Feuer bereitet bekommen oder selber bereiten. Auch Menstruierende benützen solche Hütten. Ein anderer Ausdruck ist dort himaya, etwa 'zeitweiliges Haus'. Früher sagte man für unrein, meidungspflichtig sein hi ga kakaru 'sich Feuer zuziehen'. Doch sind diese Volksetymologien nicht zuverlässig. Heute ist verabscheuen, meiden imu, die verlängerte Form davon ist imohu; davon mag moya, himoya (in Bergdörfern der Kochi-Präfektur in Shikoku) für Trauerhaus (Meidungs­ haus) entstanden sein. Auch von hima 'freie Zeit' scheint es eine Verbform himaeru gegeben zu haben. In manchen Gegenden nennt man die Menstruation himae, die dafür benützte Hütte war dann die himaegoya (koya, goya 'Hütte'). In der Okayama­ Präfektur, Oda Distrikt, Tobishima bestehen noch himaegoya. Unter himae versteht man 'Meidung' (imi). Weil für Menstrua­ tion auch itoma 'Abschied' vorkommt, muß himae dasselbe be­ deuten: sich zeitweilig verabschieden, zurückziehen. Die Menstruationshütte heißt vielerorts auch taya 'das andere Haus', zum Unterschied vom Haupthaus. In Sado finden die Geburten im ehelichen Schlafzimmer des Haupthauses statt; wenn eine Gebärende sich dahin zurückgezogen hat, sagt man koya wo tateta 'sie hat (sich) eine Hütte gebaut'. In der Kago­ shima-Präfektur, Öshima-Distrikt, Jittomura finden heute Ge­ burten im Hause statt, aber auch im Felde abseits davon baut man eine kleine Hütte von etwa einem Meter im Quadrat im Grundriß, die ubuya 'Gebärhaus' heißt, in der man aber blos die Nachgeburt (ena) vergräbt. In der Öshima-Gegend der Fukuoka-Präfektur findet am dritten Tage nach der Geburt die Namensgebung statt, zugleich wird im Hauseingang eine kleine Hütte mit Strohdach, etwa 40 cm hoch, gebaut und ein Küchen• messer hineingetan. Am 30. Tage läßt man sie von Kindern der Nachbarschaft abreißen. Ist ebenfalls eine "Gebärhütte" (ubu­ ya). Im Kojiki (verf. 712) macht Toyotamahime am Strand aus Kormoranfedern eine Geburtshütte. Wie der Ausdruck in Sado 108 MATTHIAS EDER

koyatatta 'hat eine Hütte gebaut' vermuten läßt, wurde ganz früh die Gebärhütte von Fall zu Fall gebaut, nach Ablauf der Feuermeidungszeit wieder abgebrochen. Mit der Zeit wurde die Geburtshütte ins Haus hineingenom­ men, so wie auch sonst die Tendenz aufkam, für verschiedene Zwecke, für die man erst eine eigene Hütte hatte, im Haupthaus Raum zu schaffen. In Vororten im Norden von Kyöto wird unter dem Dachrand (hisashi) des Haupthauses ein Bezirk für Ge­ bärende eingerichtet, heißt tsugibeya' anschließendes Zimmer'. In der Okayama-Präfektur, Umgebung der Stadt Fukayama nennt man die Menstruations- und Geburtshütte kagiya: was vielfach mit 'Schattenhaus' oder 'rückwärtiges Haus' erklärt wird; kann aber auch 'Schlüsselhaus' bedeuten, weil vielerorts die Bauernhäuser einen Anbau haben, der wie der Bart eines Schlüssels vorsteht, entweder an der Vorder- oder an der Rück• seite des Hauses. In Matsubaramura in der Fukui-Präfektur ging die Frau, die dreißig Tage lang in der Geburtshütte war, im Haupthaus zunächst für zwanzig Tage in ein sogenanntes betsuya 'besonderes (abgetrenntes) Zimmer'. Statt betsuya sagte man auch shimogoya 'untere Hütte', ein Zimmer unter dem Vordach auf der Veranda. In Izuyama bei Atami lebte die Frau dreißig Tage lang im Sonderzimmer (betsuya) , das auch kakoi 'ver­ 'verborgen' hieß; das Zimmer befand sich auch hier unter dem Vordach auf der Veranda. Die Frau bekam da ihre Mahlzeiten getrennt von denen der Hausleute. Die Meidungshütte wurde sowohl für Menstruation wie für die Geburt gebraucht. In beiden Fällen war Verunreinigung des Haupthauses durch Blut zu vermeiden. Aber auch bei Todes­ fällen bezog man eine Meidungshütte. Die alte Literatur bezeugt, daß man bei Trauerriten nach Unglücksfällen von Adeligen eine Trauerhütte baute. Wenn heute noch Hausfiguren (moya 'Trauer­ hütte', 'Seelenhütte') auf dem Friedhof aufgestellt werden, ist das ein Überrest der Trauerhütte, in die man sich früher zurückzog. Im Mogami-Distrikt in der Yamagata-Präfek• tur wird der Grabstein in Stroh gehüllt, was koya 'Hütte' genannt wird. Auf den Inseln Tsushima, Iki und Oki heißt die Hausfigur, die man auf das Grab stellt, suya, das Wort bedeutete ursprüng• lich eine Hütte außer dem Haupthause. In Miyakeshima in der Inselkette von Izu zieht man sich beim Tode des Vaters oder der Mutter fünfzig Tage lang in ein kadoya 'Torhaus' zurück, dieses ist dasselbe Gebäude, das nach einer Geburt dreißig Tage lang, bei einer Menstruation sieben Tage lang benutzt wurde. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 109

Der Name 'Torhaus') also Haus außerhalb des Haupthauses) zeigt, daß man sich bei Todesfällen in eine Hütte zur Meidung des Umganges mit anderen Leuten zurückzog.

7) Das Bad Im Leben der Japaner spielt das Bad eine viel größere Rolle, als es bei anderen asiatischen Völkern der Fall ist.1l1 Diese Tat­ sache mag vielleicht durch die hohe Bedeutung der Lustration in der vorbuddhistischen, einheimischen Religion in etwa erklärt werden. Man kennt die Geschichte des Bades in Japan nur an­ nähernd. Das Wort für Bad soll aus muro entstanden sein, was Höhle oder überdachte Grube bedeutet. Das Bad war ursprünglich ein Dampfbad, das in einer Felsenhöhle oder in einer Grube eingerichtet wurde. Man spricht noch mancherorts von einem ishiburo 'Steinbad'. Der Inlandsee entlang hat man noch solche Felsenbäder. In Yase nördlich von Kyoto hat man kamaburo, sind Bäder in einer natürlichen Felsenhöhle, kama ist heute der Name für den aus Steinen oder Ziegeln gemauerten Brennofen für die Töpferei. Eine Felsenhöhle ist auch das oroke genannte Bad in Sado. Man baute solche Höhlen auch aus Steinen. Dahinein stellte man einen Bottich mit heißem Wasser und badete, war mehr ein Dampfbad. Die heutigen Badebottiche gibt es erst seit die Böttcherkunst sie erzeugen konnte. Ganz neu ist die Anbringung einer Feuerung an den Badebottich. In Sado gab es Badebottiche mit einem Strohdeckel, der mit einem Seil heruntergelassen und abgehoben werden konnte. Am Boden des Bottichs waren heiße Steine, auf die noch heißes Wasser gegossen wurde. Auch das war ein Dampfbad. In der Umgebung der Stadt Miyazaki in Kyushu bedeutet furo (Bad) soviel wie kama, ein Wort für Brennofen bei der Töpferei; ein bewegliches fUTO: also einen Badebottich, nennt man yutaru 'Bottich für heißes Wasser'. In einem Teil der Chiba-Präfektur in Kanto sagt man yuuke 'Kübel für heißes Wasser'. Auf halbem Wege

111) über Bad (furo) , Geschichtliches, Arten der Bäder Material bei Makita Shigeru in seinem Auf~atz koya [Hütten], in: NMD, VI, S. 154-156. Eingehender befaßt sich damit Miyamoto Tsuneichi in seinem Beitrag Ido to mizu [Brunnen und Wasser], in: NMD, VI, S. 182-186. über Bad (furoba) Einiges bei Takeuchi Yoshitaro in seinem Beitrag Yashiki, matori, in: NMD, VI, S. 63, f. In Nihonjin no sumai über Bad und Dampfbad S. 119-122; in: Nihon shakai minzoku jiten, Bd. 3, S. 1277, f., Artikel furo [Bad]. 110 MATTHIAS EDER zwischen der Dampfbadhöhle und dem Badebottich, in dem man sich in heißes Wasser hockt, finden wir den Dampfbadbottich. In Okinawa nennt man die Badehütte yuya 'heißes-Wasser-Hütte' oder yufuro 'heißes-Wasser-Höhle'. Ein furo (heute 'Bad') hat demnach früher nicht Wasserbad, sondern Dampfbadhöhle be­ deutet. In Okinawa bedeutet furo alleinstehend nicht Bad, sondern Latrine. In der Umgebung der Stadt Takayama in Hida, Gifu-Präfektur, hieß früher die Latrine furoya (ya ist 'Hütte' oder 'Haus'). Der Ausdruck oriyu für Baden findet sich in der Literatur, bedeutet etwa 'im heißen Wasser sein'. Vielerorts sammelt man das abgelassene Badewasser am Eingang des Haupt­ hauses und gebraucht es als Dünger. Diese Sammelstelle heißt yudono 'heißes-Wasser-Halle', so in Bergdörfern der Wakayama­ Präfektur und der Kyoto-Präfektur. Die Verwendung von ge­ brauchtem Badewasser als Dünger ist aber viel weiter verbreitet. Weshalb der Hütte die hohe Bezeichnung dono 'Halle' gegeben wird, ist nicht klar. Oft steht in einer Ecke des Vorraumes blos ein hölzerner Badekübel. In Bergdörfern hat man das Bad auch im Freien, an der Seite des Brunnens, an einem Bach oder in einem Flußbett. Da steht der Kübel. In Chubu und Nordost-Honshu ist für das Bad eine eigene Hütte gebaut. Zuweilen ist das Bad mit dem Kesselherd (kamado) verbunden oder es ist im Kesselhaus (kamaya) oder in der Waschküche (araiba). Da ist der Boden aus Bambuslatten gemacht, darunter sammelt sich der Dünger. Wenn das Bad im Haupthaus ist, dann an der Seite des Einganges, wo sich auch der Latrineninhalt sammelt. Das Bad ist über der Düngergrube gebaut. Das Badewasser wurde früher in einem Kessel gekocht und dann in den Badekübel gegossen; war eher ein Dampfbad) weil die Wassermenge nicht groß war. In den Reisestationen an den alten Überlandstrassen sieht man diese Art von Bädern heute noch. Eine Variante des Dampfbades ist ein schrankartiger Kasten in Sado, in den man sich hineinbegibt und dann die Tür schließt, sodaß man ganz dem Dampf aus­ gesetzt ist. Das gewöhnliche Dampfbad ist das mit erhitzten Steinen (onjaku), auf die man Wasser gießt. Daß jedes Bauernhaus sein eigenes Bad hat, ist so lange noch nicht her. Das Gewöhnliche war früher, bei anderen Leuten gemeinsam baden zu gehen, was man moraiburo 'erhaltenes Bad' nannte. In Sado wurde, wenn in einem Hause das Bad gerichtet worden war, mit einer Muschel ein Signal geblasen, sowohl bei bezahlten Bädern wie bei Gefälligkeitsbädern von Familien. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 111

Wenn die Leute das Signal hörten, versammelten sie sich sofort, denn das Bad mußte benützt werden ehe es abkühlte. In den Dörfern um der Stadt Miyazaki nennt Inan ein Bad im Hause sueburo 'aufgestelltes Bad' oder yudaru 'Badefaß'. Auf der Boso­ Halbinsel in Kanto sagt man dafür yuuke 'Badekübel') man schöpft aus einem großen Kessel Wasser hinein. Dieses umge­ gossene Wasser nennt man toriyu ~genommenes Wasser'. In Tanamura in der Nagano-Präfektur gab es im ganzen Dorfe kein bezahltes Bad, nur wenig Familien hatten einen Badebottich. Wenn eines der wenigen Bäder angemacht war, rief man die Nachbarn. Die Familie A ruft die Familie B und umgekehrt. Wenn B von A gerufen wurde, aber nicht ging, dann ging auch A nicht zu B, wenngleich gerufen. Es ging daher womöglich immer jemand, wenigstens Kinder. Wenn eine gerufene Familie nicht ging, gab es Verstimmung. Der Hausherr der Familie A geht als erster ins Bad. Ihm folgt der Hausherr der Familie B. Als erster ins Bad gehen heißt arayo 'neues (heißes) Wasser', Wenn der Hausherr B im Hause A ankommt, findet eine zweifache Begrüßung statt. Die Familie B dankt zuerst für die Einladung zum Bade, dann sagt jedes Kind von B eine Begrüßung. Die Hausfrau A fordert dann die Leute von B auf, ins Bad zu gehen und sich dann auszuruhen. Sie legt auch ein Handtuch an den Rand des Badebottichs. An einem Abend gehen zehn bis zwanzig Personen ins gleich Bad und alle gebrauchen das gleiche Handtuch. Die Hausfrau muß unbedingt fragen, ob das Badewasser nicht zu lau sei; ebenso unbedingt muß die Antwort sein: nein, das Wasser ist gut, es ist nicht nötig, nachzuheizen. Zusätzliches Brennholz muß abgelehnt werden. Wenn das Bad zu heiß ist, muß man es lautlos ertragen; muß sich auch wegen der vielen nachher badenden Leute beeilen. Nach dem Bade wieder die Etikette: "War es nicht zu kalt?", "Keineswegs, es war ein gutes Bad". In den Dörfern von Nord-Kyushu bildete man kleine Bade­ vereinigungen, koya genannt, das ihnen gemeinsame Bad heißt koyafuro. Das Heizen besorgen die Mitglieder der Vereinigung der Reihe nach. Die Siedlung Kadomae im Kami-Ina-Distrikt in der Nagano-Präfektur hat keine privaten Bäder, dafür fünf gemeinsame; 5-20 Familien heizen es sich jeden zweiten oder vierten Abend der Reihe nach. Die Einrichtung} daß private Bäder zusätzliche Benützer haben, ist weit verbreitet. Etwa zehn Familien bilden eine Gruppe, deren Mitglieder sich gegenseitig zum Badbenützen einladen. Nach dem Abendessen ist Baden. 112 MATTHIAS EDER

Es kommt auch vor, daß auswärtige Benützer Brennholz lnit­ bringen. Das moraiburo 'erhaltene Bad' ist nicht dasselbe, da es weniger auf Gegenseitigkeit beruht. In Kansai sagt man für Bad juro, in Kantö, besonders in Tökyö, yu 'dampfendes Wasser'. Der Ausdruck juro bezieht sich auf den Baderaum, yu auf das Badewasser. Daraus ist ersichtlich, daß früher furo und yu nicht dasselbe waren. Früher wurde dampfendes Wasser in einen geschlossenen Raum gestellt, man ging dahinein, um zu schwitzen. Dann rieb man sich ab, um den Schmutz zu beseitigen. Heute dürften alle Bäder, außer dem mit einem heizbaren Badebottich ausgestatteten Privatbad auch auf dem Lande abgekommen sein. Nur in der Häufigkeit des Badens gibt es Unterschiede. In den kalten Schneegegenden ist das häusliche Bad eine willkommene Gelegenheit sich zu wärmen und für mehrere Stunden das Ge­ fühl der Wärme im Körper zu haben. In der heißen Zeit bildet das Bad den wohltuenden Abschluß eines schweißreichen Tage­ werkes. Mehrmals in der Woche zu baden dürfte heute auch in Bauernfamilien die Praxis sein.

8) Der Feuerplatz Der Feuerplatz (irori) ist der intime Mittelpunkt, um den sich das Familienleben seit Generationen abgespielt hat.112 Schon die Grubenwohnungen der Steinzeit hatten in einer vertieften Stelle eine Feuerstätte. Als der erhöhte Bretterboden aufkam und das tägliche Leben dahin verlagert wurde, ging die Feuer­ stätte mit. Es wurde dafür in den Bretterboden ein viereckiges Loch geschnitten, in das der Behälter für das Feuer hineingebaut wurde. Dieser ist entweder gemauert oder hat Bretterwände mit einem Blechüberzug. Auch sieht man solche Feuertröge aus starkem Holz blos, was insofern keine unmittelbare Feuersgefahr ist, als so ein Trog zur Hälfte mit Asche gefüllt ist, auf der in der Mitte das Feuer angemacht wird. Auch läßt man das Feuer nur brennen, wenn Leute darum herum sind, man geht übrigens auch mit dem Brennholz sparsam um. Wenn die Zimmer zahl-

112) Material in: Nihonjin no sumai, S. 86, ff. und besonders bei Goda Hirobumi, Irori to hi [Feuerplatz und Feuer], in: NMD, VI, S. 189­ 218, mit weiterer Literaturangabe. Der Aufsatz ist in vier Abschnitte gegliedert, 1) Feuer und Leben, 2) Feuerplatz und Kesselherd, 3) die verschiedenen Funktionen des Feuerplatzes, 4) Feuer in der Religion. Das Nihon Shakai minzoku jiten [Wörterbuch der japanischen Gesell­ schaft und Volkssitten] hat einen Artikel über Feuerplatz Bd. 1, S. 55-57. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 113 reich geworden sind, wird das Feuer geteilt und in einem Feuer­ eimer in ein anderes Zimmer getragen. Seit dem Aufkommen von Feuerbecken (hibachi) kann man an mehreren Stellen im Hause Feuer haben. Dieses besteht aber nur in glühenden Kohlen, nicht in lodernden Flammen. Mit den Feuerbecken rückt die Familie langsam von ihrem Mittelpunkt um die ge­ meinsame Wärmequelle weg. Das ist in den Städten überall schon eingetreten, in Bauernhäusern flackert überall noch das Feuer im alten Mittelpunkt des Hauses, Wärme und Licht aus­ strahlend. Wenn alle außer Hauses gehen, wird die Glut mit Asche zugedeckt. Die Größe einer Feuerstätte beträgt bis zu drei Quadratfuß. Es gibt noch größere, rechteckige von 4 X 6 Fuß. Zuweilen baut man eine zusätzliche Feuerstätte anderswo im Hause, die aber nicht zum Kochen dient, sondern zum Warmhalten des Raumes für die Seidenraupen, zum Süßkartoffelziehen und Trocknen von Pilzen (shiidake, Pasania cuspidata) und auch zum Wärmen für Leute. Früher schlief die Familie in kalten Nächten auch um die Feuerstätte herum oder man legte sich unter die wattierten Decken () zum Schlafen nieder erst wenn man sich den Bauch und Rücken genügend am Feuer erwärmt hatte. Wie wichtig die Feuerstätte als Lichtquelle auch tagsüber im Hause war, kann man sich nur vorstellen, wenn man sich in die Zeit zurückversetzt, als es noch keine verschiebbaren Papierwände. (sh8ji) gab und man der Kälte wegen das Haus verschlossen halten wollte. Die Bedeutung des Wortes irori für Feuerstelle ist immer noch nicht aufgeklärt. Dialektische Varianten sind yurui, irui. Das Wort iru für 'sich aufhalten', 'wohnen' dürfte darin enthalten sein. In den Präfekturen von Ishikawa und Toyama sagt man für Feuerstätte ennaka, was eine Abwandlung von irunaka 'Wohnmitte' ist, Mittelpunkt, um den man sich aufhält. Im ­ Distrikt in der Ishikawa-Präfektur sagt man innaka; in den Di­ strikten Fugeshi und Kahoku ennata und hinata in der Umgebung der Stadt Takayama in der Gifu-Präfektur. Entlang dem Strande des Nishikubiki-Distriktes in der Niigata-Präfektur sagt man hinnata oder irui, aber auch hidoko 'Feuerstätte', welches \Vort auch im Yatsuka-Distrikt der Shimane-Präfektur und weit davon entfernt auf der Izu-Insel Miyakeshima gebraucht wird. Auch hijiro 'Feuerbereich' kommt vor, in Bergdörfern der Kanagawa­ Präfektur, in der Nagano-Präfektur in Kami-Ina, in Suwa und im Higashi-Chikuma-Distrikt. Anderswo findet man dafür hitaki- 114 MATTHIAS EDER jiro, so in einem Teil der Nagano-Präfektur, in der Shonai-Gegend der Yamagata-Präfektur. In vielen Gegenden von Kyushu sagt man jiro für irori, so in der Sonoki-Gegend in der Nagasaki­ Präfektur und in Bergdörfern der südlichen Kumamoto-Präfek• tur. In Nordost-Honshu hat man ganz andere Ausdrücke für Feuerplatz, nämlich hihodoshibudo, shibito, hodo. Die Worter­ klärung ist etwas umständlich und auch nicht ganz sicher. In der Zusammensetzung ist hi 'Feuer' zu hodo geworden, was wahrscheinlich 'Flamme' bedeutet. Genauer genommen ist hodo die Mitte des Feuerplatzes, wo das Feuer brennt. Unter shibito versteht man in der Umgebung von Sendai in der Miyagi-Präfek• tur eine kleine Feuerstelle in einem guten Zimmer (zashiki); in der Iwate-Präfektur Higashi-Iwai-Distrikt sagt man subuto, im Hiemi-Distrikt in derselben Präfektur sagt man hibito. Überall in der Iwate-Präfektur sagt man auch hibuto, shiboto. In der Aomori-Präfektur und im Norden der Akita-Präfektur kommt zu diesen Abwandlungen noch shibuto, neben shiboto. Die lVIitte auf der Aschenschicht in der Feuerstelle, wo das Feuer brennt, heißt in Nordost-Honshu und in den Präfekturen Nagano und Niigata vielfach hodo. Da in der Sendai-Gegend die kleine Feuerstelle in einem guten Zimmer, wenn zugedeckt, shibito genannt wird, darf man die Erklärung geben: shi, hi 'Feuer'; buto, futo scheint von selben Stamm zu sein wie futa 'Deckel', Verschluß'. Der Name hihodoshibudo dürfte demnach 'Feuer­ flammebedeckung' bedeuten, genauer 'Feuerflammefeuerbedek­ kung'; das Feuer der Feuerstätte kann nämlich mit Asche über• deckt werden, die Kohlen glimmen unter der Asche weiter. Dialektische Abwandlungen haben die eigentliche Wortbedeu­ tung fast unkenntlich gemacht. Weiter nach Süden, in den Präfekturen Shiga in Mittel­ Honshu und Öita in Kyushu, stellenweise auf derselben Insel auch in der Miyazaki-Präfektur, um Tottori und im Kamo-Di­ strikt in der Shizuoka-Präfektur sagt man hi no tsubo, hitsubo 'Feuerbezirk', tsubo ist sonst ein Flächenmaß, hi no tsubo ist dann der Bezirk oder Bereich, in dem das Feuer brennt. In Shikoku, Ehime-Präfektur, Kita-Uwa-Distrikt heißt der Feuer­ platz hokubo 'Feuer-Vertiefung', Feuergrube. Der Feuerplatz dient zum Kochen, zum Wärmen, diente früher auch zum Erleuchten des Hausinnern. Der aus starken Brettern gezimmerte Rand heißt gewöhnlich robuchi 'Feuer­ platzrand'. In Dialekten der Niigata-Präfektur sagt man yoro­ butsu, irobuchi, verderbt aus iroribuchi 'Feuerplatzrand'. Im DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 115

Kita-Azumi-Distrikt der Nagano-Präfektur wird das Wort zu irubuchi. Man setzt sich an den Rand, läßt die Füße hinein­ hängen, ruht, wärmt sich, bereitet das Essen. Nach der Arbeit draußen sucht man zunächst den Feuerplatz auf, auch Gäste wärmen sich hier, Nachbarn plaudern. Der Hausherr fordert die Leute auf, ihre Füße am Feuer zu wärmen. So kommt die Unterhaltung in Fluß. An kalten Winterabenden öffnet man die Kleider, wärmt sich an der Flamme Bauch und Rücken. Über dem Feuerplatz hängt eine Stange von einem Balken unter dem Dach herunter, an deren Ende ein Kessel, eine Pfanne oder ein Topf aufgehängt ist. Eine besondere Vorrichtung ermög• licht es, das Gefäß mit einem Handgriff verschieden hoch zu hängen. Früher hing dazu eine Latte mit eingeschnittenen Stufen über dem Feuerplatz, kommt in verschiedener Gestalt heute noch vor. An der Kesselaufhängestange ist ein Querholz angebracht, das nur etwas gehoben zu werden braucht, um das Gefäß höher oder tiefer zu hängen. Dieses Querholz hat oft die Gestalt eines Fisches, ein in astasien weit verbreitetes Glücks• symbol. Auch im Namen dieses Holzes scheinen verschiedene Fischnamen auf. Anderswo wieder nennt man das Querholz "Affe" (saru). Der Fisch ist ein Wasserwesen, Wasser ist Herr über Feuer. Das wäre eine magische Bedeutung. "Affe" wird das Holz genannt wegen des Aufundabgleitens des Kessels an der Stange, das damit ermöglicht wird. Die Stange heißt vielerorts auch kagisama, kagi 'Schlüssel', sama ist ein Hono­ rificum, das den sakralen Charakter des Gerätes andeutet, sakral wegen seiner Beziehung zum Feuergott. In vielen Gegenden, etwa im halben Japan, gebraucht man anstatt der Aufhänge• stange einen Dreifuß, der in der Asche steht und oben einen eisernen Ring (kanawa) hat. Der Feuerplatz ist aber zusehends am Abkommen, dafür wärmt man sich an Kohlenbecken. Das Kochen wird in der Küche abseits vom gemeinsamen Aufent­ haltsraum besorgt, ebenfalls über Kohlenbecken, noch häufiger über einen kleinen tragbaren Ofen aus gebranntem Ton und mit Holzkohlen zu heizen, genannt shichirin. In Nordost-Honshu und anderswo hängt über dem Feuerplatz horizontal ein hölzernes Gitter in gut Kopfhöhe, das sogenannte hidana 'Feuergestell'. Die Größe desselben deckt sich ungefähr mit dem der hölzernen Umrahmung (robuchi) des Feuerplatzes. Auf dem Gestell trocknet man Kleider und Getreide. Auch Brennholz wird da zum Trocknen gestapelt. Die Namen für das Gestell wechseln, auch yusage 'heißes-Wasser-Herablasser' wird 116 MATTHIAS EDER es genannt (Aichi-Präfektur, Kitashidara-Distrikt), weil der Kessel mit heißem Wasser an einer Stange darunter hängt; oder blos sage 'Herablasser'. Im amada von Kyushu ist ama 'Himmel', 'Zimmerdecke', da ist verkürzt aus dana 'Gestell'. In Hida in der Gifu-Präfektur sagt man hiama 'Feuer-Zimmerdecke'. davon abgewandelt dürfte himaya in der Nagano-Präfektur sein. Auf dem Gestell werden auch Bohnenmuskugeln (miso) , Persimonen (kaki) und Pilze (shiidake) zum Trocknen ausgelegt. Das Feuerbecken (hibachi) war früher ein Feuereimer aus Holz. Seit Keramik allgemein in Gebrauch kam, gelangten die in Seto bei Nagoya hergestellten Feuerbecken überall hin. Im Minami-Akita-Distrikt in der Akita-Präfektur nennt man sie hitoriko 'Feuernehmer', weil man damit vom Feuerplatz genom­ menes Feuer überall hintragen kann. Wenn ein wichtiger und seltener Gast kommt, wird er nicht ail den Feuerplatz, sondern in das obere Zimmer gebeten, dann bringt man schnell in einer Feuerschaufel (juno) vom Feuerplatz glühende Kohlen für das Feuerbecken, läßt den Gast rechts davon sitzen. So verliert der Feuerplatz an Bedeutung. Ein Dialektwort okaro 'Feuerplatz zum (beliebigen) Aufstellen' (Herumtragen) gibt es ebenfalls. Dann kennt man ein nagahibachi 'langes Feuerbecken', womit gemeint ist, daß man das Becken bis in die Räume im oberen Stock trägt. Es wird auch nagaro 'langer Feuerplatz' genannt (Nagano-Präfektur, Kawanakashima). Weil der Feuerplatz nur im Winter gebraucht wird, im Sommer mehr das Feuerbecken, sagt man zu letzterem auch natsuro 'Sommerfeuerplatz' (Niigata­ Präfektur, Higashikambara-Distrikt, Tsugawamachi). In der Umgebung der Stadt Yamagata sagt man bushoburo, bushiburo, der Name besagt, daß man mit Feueranmachen keine Arbeit hat. In Yonezawa sagt man okiro, das anderswo zu okaro geworden ist. In geräumigen Häusern hat man einen großen Feuerplatz im großen Aufenthaltsraum (joi) zur Küche (katte) hin, außer• dem ist im oberen (rückwärtigen) besseren Zimmer ein Feuer­ platz in den Boden eingebaut, ein sogenannter otoshiro 'einge­ lassener Feuerplatz'. Er mißt nur 2-3 Quadratfuß, wird auch zum Zimmerwärmen während der Zeit der Seidenraupenzucht gebraucht. Darüber ist ein Holzgestell gebaut. Wenn über dieses Gestell () eine wattierte Decke ausgebreitet wird, ergibt sich ein , das ist sonst eine Vertiefung im Fußboden, in das ein- Feuerbecken gestellt wird. über die Vertiefung kommt ein niedriges Tischchen, darüber, auf allen vier Seiten reichlich DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 117 herunterhängend, wird eine Decke gebreitet, unter die man die Beine steckt und sie am Feuerbecken darunter erwärmt Die Wortbedeutung von kotatsu ist nicht klar. Das Gestell über dem eingelassenen Feuerbecken wird erst seit dem Aufkommen der wattierten Decken gebraucht. Früher hat man die Glut mit Asche zugedeckt, damit sie nicht ausgeht; darüber Bambuslatten oder ein Gitter gelegt und eng daneben geschlafen. Alte Leute, Kranke und Kinder schlafen mit Vorliebe so nahe am kotatsu, daß Wärme daraus unter ihre Bettdecken gelangt. In der letzten Zeit fing man in den Städten an, Zimmer mit Gas- oder elekt­ rischen Öfen zu erwärmen. Die traditionelle japanische Wohnung kennt die Idee, die Luft im ganzen Zimmer auf eine höhere, angenehme Temperatur zu bringen, nicht. Im Winter zieht man eben wärmere Kleider an, wenn nötig in mehreren Lagen über• einander, und wärmt sich Hände und Füße am Feuer. Über die Rangordnung der Sitze am Feuerplatz werden wir weiter unten Einiges sagen. In diesem Zusammenhang hier bleibt über Brenn­ material und Beleuchtung etwas zu sagen.

VI. Brennmaterial und Beleuchtung Daß die Beleuchtung im Hause eine der Aufgaben des Feuer­ platzes ist, haben wir schon erwähnt. Sie war früher im Bauern­ hause ein Problem.ll3 Wenn auf dem Feuerplatz Kiefernholzfeuer angemacht wurde, bekamen die Herumsitzenden vom öligen Rauch ein schwarzes Gesicht. Sie sahen am nächsten Morgen aus wie schwarze Katzen, schreibt Yanagita Kunio in seinem Hi no mukashi (Feuer in der alten Zeit). In Ammenliedern (komoriuta) ist diese Stimmung wiedergegeben, z.B. im folgen- den: tanin osorishi yami yoru kowai die Leute schauen schreck­ die Nacht im Dunkeln ist lich aus, unheimlich; oya to getsuya wa itsu mo yoi Eltern und Mondschein­ sind immer freundlich. nächte Noch vor zwei oder drei Generationen fürchtete man sich vor wilden Tieren und Räubern. Der Mond war ein lieber Freund

113) über Beleuchtung und Brennmaterial gute Zusammenstellung in: Nihonjin no sumai, S. 98-114. 118 MATTHIAS EDER der Bauernfamilie. "Neumond" heißt tsugomori 'Sich-Verbergen­ des-Mondes'. Der folgende Tag heißt tsuitachi 'Wiedererscheinen des Mondes'. In vielen Dörfern folgt man immer noch dem Mond­ kalender in verschiedenen Dingen des Brauchtums. Fackeln werden mit einem sehr alten Wort akashi 'Erheller' genannt. In der Toyama-Präfektur, Shimoniigawa-Distrikt be­ zeichnet man damit das Brennholz, das man in die Feuerstelle legt. Auf der Insel Iki in der Nagasaki-Präfektur nennt man vertrocknete Äste an stehenden Bäumen akashi. In Bergdörfern werden heute noch solche Äste klein geschnitten ins Feuer gelegt, um Licht zu haben. In Hida in der Gifu-Präfektur schneidet Inan Kiefernwurzeln in Kerzengestalt und legt sie ins Feuer. In der Niigata-Präfektur sagt man für klein geschnittene Kiefernwurzeln toboshi 'Leuchter', man gebraucht sie anstelle von Lampen und Laternen. Auf den Goto-Inseln in der Nagasaki­ Präfektur wird auf einem eisernen Gitter Kiefernholz als Lampe angezündet, heißt matsukagari 'Kiefernfeuergitter'. Im Kamo­ Distrikt der Gifu-Präfektur hat man vor dem Aufkommen von Petroleumlampen Kiefernholz gespalten und als Beleuchtung bei Abendarbeiten nach der Ernte benützt, samumatsu 'Kältekiefern' genannt. Harziges Kiefernholz heißt koimatsu 'fettes Kiefern­ holz', wird klein gespalten und auf Lampenständern angezündet. In den Bergen des Bimi-Distriktes in Nagato (Südwest-Honshu) hat man vor der Einführung des elektrischen Lichtes solches Leuchtholz gebraucht. Dafür wurde ein tellerrundes Eisengitter an einer eisernen Kette über dem Rand der Feuerstelle aufgehängt. Auf O-Bon, dem buddhistischen Allerseelenfest im Sommer, bringt man auf einer hohen Bambusstange vor dem Hause eine Fackel an, die sogenannte takataimatsu 'hohe Fackel'. Den nötigen Vorrat an Kiefernholzfackeln dafür und für allgemeine Zwecke zu verfertigen gehörte zu den jährlichen Verrichtungen in einem Bauernhofe. Die Fischer von Enoshima in der Kanagawa­ Präfektur haben früher beim nächtlichen Fischfang Kiefernholz gebraucht, hieß shidemaki 'Arbeitsbrennholz'. In den Bergen um Tökyö hatte man früher zum Spalten von Kiefernholz für Lampengebrauch ein steinernes Becken, das hidebachi 'Feuer­ machbecken' hieß; sah aus wie eine Pfanne auf drei Füßen. Es gab auch eine Art Mörser dafür mit einem Hals in der Mitte. In Nordost-Honshu ist noch das Wort matsutogai in Ge­ brauch, wörtlich 'KiefernlampenkO'rb', in Morioka zu mattonge, im Kunohe-Distrikt der Iwate-Präfektur zu mattongea geworden. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 119

Dieser "Korb" besteht aus einem Ast mit drei oder vier Zweigen, der in eine Ecke der Feuerstelle gesteckt wird. Darauf werden Kiefernzweige gelegt und angezündet. Inl genannten Kunohe­ Distrikt hat man dafür ein Gestell aus Stein oder Metall, wird täglich als Lampe gebraucht. In Morioka benützt man so ein Astgestell nur für Wachtfeuer (kagaribi). Später traten Lampen mit einem Ölteller (andon) an die Stelle der alten Kiefernholz­ lampen (togai) . Zu einem ländlichen Haushalt gehörten früher auch große, auf der Schulter getragene Fackeln, taimatsu. Wenn man nach Einbruch der Dunkelheit ausgehen mußte, nahm man so eine Fackel mit. Später traten Papierlaternen, Lampions (chochin) an deren Stelle. Eine Fackel brannte ungefähr eine halbe Stunde. Leute, die eine ganze Nacht unterwegs sein mußten, trugen auf dem Rücken einen ganzen Korb voll Fackeln mit, was beschwer­ lich war. Die Fackeln waren entweder Kiefern-, Zypressen- oder Bambusspäne oder Weizenstrohbündel. Fackeln aus Zypressen­ spänen waren die besseren. Entlang den alten Überlandstraßen wurden verschiedene Fackelsorten an Wanderer verkauft. Heute werden Fackelprozessionen über die Felder zur Insektenabwehr gehalten, gelegentlich kann man dabei noch altertümliche Fackeln sehen. Öllampen mit- Papierrahmen (andon) , Papierlaternen (cho­ chin) und Kerzen (rosoku) sind schon verfeinerte Lichtspender. Auf mittelalterlichen Rollbildern sind in Palästen wohnende schöne Damen sitzend dargestellt, die Öllampen vor sich stehen haben. Wahrscheinlich nahm man das kostbare Sesamöl. Öl gebrauchte man für Lampen schon früher. Man preßte Öl aus den Nüssen der Torreya und Kamelienfrüchte, war aber Luxus­ gegenstand. Öl von den Nüssen der Torreya wurde ausschließ• lich für Lampen gebraucht. Populäre Namen für diesen Baum, gewöhnlich kaya genannt, gibt es mehrere, inugaya 'Hunde-kaya', hebogaya, hebonoki 'Schlendrian-kaya', 'Schlendrianbaum' (Kyu­ shu) , shobu, sobi (Nordost-Honshu), hebe, hibi (Kyoto), hyomi (Niigata), hettama, hedama (Bergdörfer um Tokyo), die Wort- bedeutung ist problematisch. Auch Fischöl wurde seit alters für Lampen gebraucht, roch aber abscheulich. Der Gebrauch von Rapsöl kam vor etwa 200 Jahren auf, seit ölhaltiger Raps in Japan eingeführt wurde, und verbreitete sich seines niedrigen Preises wegen schnell. Zur selben Zeit wie die Rapsöllampen, seit Papier in Umlauf gekommen war, verbreiteten sich Öllampen mit Papierrahmen (andon) und Papierlaternen mit Kerzen (chochin) . 120 MATTHIAS EDER

Solche Öllampen wurden ursprünglich gebraucht und an der Hand getragen, wenn man kurze Gänge zu machen hatte. Später wurden sie groß gemacht, um sie irgendwo aufzustellen. In Gegenden der Okayama-Präfektur machte man Kerzen aus Baumharz, hießen rassoku. In der Akita-Präfektur, Senhoku­ Distrikt macht man Kiefernharzkerzen, matsurosoku. Man sagt, wie ein Idiot haben sie immer eine triefende Nase, werden daher auch bakarosoku 'Idiotenkerze' genannt. Man knetet Kiefern­ wachs in Stabform, wickelt Sasa-Blätter (Banlbusgras) herum, bindet diese mit einem Gras, das 'Drachenbart' (tatsu no hige) genannt wird. Solche Harzkerzen waren vor 80-90 Jahren noch in Gebrauch. Diese Kiefernwachskerzen haben am unteren Ende kein Loch wie die gewöhnlichen Kerzen und wurden nicht auf einen Stift gesteckt. Auch hatten sie keinen Docht. Man wartete, bis das Wachs geschmolzen war und füllte in ihren Behälter nach. Das Harz fand man an Baumästen. Im Mittelalter nannte man . Kiefernharzkerzen tsuimatsu, frei und sinngemäß übersetzt 'Nachfüllkiefer (Harzkerzen) " tsui ist kontrahiert aus tsu.zuki 'fortsetzen', 'nachfüllen'. Wachskerzen sind seit der Nara-Zeit bekannt, waren aber für das Volk nicht erschwinglich. Als aus China zum erstenmal Wachs (ra) eingeführt wurde, scheint es Bienenwachs gewesen zu sein. Seit Mitte der Edo-Zeit hat man aus dem Saft einer Lackbaumart (ha.zeurushi) Kerzen gemacht, waren keine ölig qualmende, sondern hochwertige Kerzen und kamen allgemein in Gebrauch. In der Kisen-Gegend in der Iwate­ Präfektur mischt man bei der Herstellung der Kiefernharzkerzen Kleie bei, die man in das Harz hineinknetet. Diese Kerzen heißen dann detchi, ein Wort das einen Artikel bedeutet, der zu einem anderen beigegeben wird. In Nord-Akita geht man mit einem Eimer aus der Rinde des tsuki-Baumes (Ulmenart) in den Wald, bohrt Löcher in Kiefernbäume und zapft Harz ab. Dieses wickelt man in Sasa-Blätter und schlägt es zu langen Stäben. Von diesem Schlagen haben die Harzkerzen ihren Namen tataki bekommen. Die Nachteile der alten Beleuchtungen war, daß sie immer von jemanden betreut werden mußten. Auch bei Kerzen mußte der Docht immer nachgeschnitten werden. Dieser war aus Fasern einer Hirseart (takibi) gemacht und brannte nicht ab wie Papier­ oder Fadendochte, die Flamme wurde plötzlich groß und die Kerze schmolz. So mußte immer jemand die Kerze bedienen. In Theatern gab es eigene Angestellte dafür. Die Leute gingen früh zu Bett, das Licht von der Feuerstelle genügte auch wenn DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 121 ein Gast kam, auch bei Gelagen und bei später Arbeit im un­ gedielten Vorraum. Kinder betreuten das Feuer. Jetzt Einiges über Heizmaterial früher und jetzt. Wenn es auf starke Hitze ankam, mußte man maki 'wirkliches Holz' nehmen. Heute ist maki allgemeine Bezeichnung für jedes Brennholz. Die Pflöcke, die an den auf Neujahr am Hauseingang aufgestellten Kiefern - "Torkiefern" - eingeschlagen werden, waren früher nicht nur Verzierung, sondern Brennholz für "reines Feuer" im neuen Jahre. Die alte Bezeichnung für gewöhnliches Brennholz, also nicht "wirkliches Holz", war beeta (von Chubu nach Osten), odoro (Chubu), baira, beera (Kyushu), boya, moya (Kanto, Koshu, Shinshu). Mit bai meinte man dünne Knüppel, grünes Holz und auch trockene Gräser. Damit konnte man ein kleines Feuer unterhalten, boya bedeuet 'kleines Feuer'. Verknotetes Kiefernholz nannte man chinchirako, ken­ keramatsu. Die ganz alten Dörfer wurden von den Pionieren der Land­ erschließung der Brennholzversorgung wegen an einem Berg oder Wald angelegt. Mit der Zunahme der Bevölkerung kamen Brennholzhandel und Kohlenbrennen auf. Die Holzhacker (kikori) waren ursprünglich Handwerker, die für den Verkauf Holz hackten, gingen dann allmählich zur Kohlenbrennerei über. Holzkohlen waren ein vornehmer Artikel. Bis Ende Muromachi (1392-1490) konnte die Kriegerklasse in Kyoto noch nicht beliebig Holzkohlen gebrauchen und nur hochgestellte Personen durften einen Feuereimer (hioke) , die Vorform des heutigen Kohlen­ beckens (hibachi) , haben. Wenn auch nicht für täglichen Haus­ gebrauch ist Holzkohle seit alter Zeit in Schmieden und Gießereien zur Metallbearbeitung verwendet worden. Während des langen Friedens der Tokugawa-Zeit wurde viel Neuland für Ackerbau erschlossen. Wenn kein Brennholz zu haben war, wie z.B. in Sum!Jfgebieten, brannte man Reisstroh und in den Haus­ halten wurde der Kesselofen (kamado) für schwaches Feuer umgeändert. Mit dem Aufkommen des Feuerbeckens konnte man das Feuer leicht teilen und in die anderen Räume des Hauses bringen. Kerzen und öl wurden billiger, jedes Zimmer konnte erhellt werden. Die Technik des Kohlenbrennens fand im ganzen Lande Verbreitung. Das alles liegt erst knapp hundert Jahre zurück. In der Geschichte der Feuerbereitung scheint es Feuerbohrer und Feuerpumpen nicht gegeben zu haben. Man hat die Enden von Zypressenholzstäben zugespitzt, dann die Stäbe mit beiden 122 MATTHIAS EDER

Händen auf einem weichen Brett fest gedreht, bis Feuer entstand. An diese Verwendung von Zypressenholz erinnert noch der Name von Zypresse, hinoki 'Feuerbaum', 'Feuerholz'. Kultisches Feuer wird heute noch auf genannte Weise bereitet. Im Großen Schrein (daisha) von Izumo werden die Opfergaben auf so erzeugtem Feuer bereitet. Die später in Gebrauch gekomnlenen Feuerzeuge heißen hiuchigane 'Feuerschlagstein'. Sie müssen schon früh bekannt gewesen sein, denn in einer Legende des Kojiki (verf. 712) heißt es, daß Yamato Takeru no Mikoto auf seinem Feld­ zuge nach Osten aus einem Sacke einen Feuerstein herausholte und Grasland in Brand steckte. Allgemein braucht aber der Feuerstein damals noch nicht in Gebrauch gewesen sein. AJs Zunder wurde gama (Typha latifolia) , eine Schilfart gebraucht, mit dem Funken darauf wurde leicht brennbares dürres Gras zum Brennen gebracht. Als Zunder wurden ferner, je nach Gegenden, morsches Holz von verdorrten alten Bäumen, halb verkohltes Paulownia-Holz (jap. kiri, Paulownia imperialis), verdorrtes Pampasgras (Miscanthus sinensis) und Schwämme von Bäumen gebraucht. Heute sagen ganz alte Leute, daß der Zunder schwarz war, es wurde nämlich Holzkohlenpulver bei­ gemischt. Vor dem Aufkommen der Streichhölzer hatte jede Familie Feuersteine (hiuchiishi) und ein Feuerschlagkistchen (hiuchibako) , in dem alles Zubehör zum Feuerschlagen beisam­ men war. Die Hausfrau griff jeden Morgen zu diesem Kistchen, schlug Feuer und blies es an. Man machte aus dünn gespliessenem Bambus einer ölreichen Art oder aus Kiefernholz Späne, auf die zunächst das Feuer vom Zunder übertragen wurde. Entlang der pazifischen Küste sagt man dazu tsukegi 'Anmach­ holz', am Japanischen Meer und in Kyushu tsukedake 'Anmach­ bambus'. Ein Fortschritt war es, an ein Ende dieser Anmach­ hölzer Schwefel zu streichen, sodaß sich das Blasen erübrigte. Noch vor etwa dreißig Jahren hatte man Bündel von Spänen mit Schwefel daran. In der Chiba-Präfektur und anderswo erwiderte man ein Geschenk von auswärts mit zwei Bündeln von Anmach­ hölzern. Heute legt man eine Schachtel Streichhölzer auf ein Teller. Das Wort tsukegi (Anmachholz') wurde zum Adjektiv einer Sache, mit der man ein Geschenk erwiderte. Da also das Feueranmachen früher umständlich war, ließ man das Feuer im Hause nicht ausgehen. Ein neues Feuer wurde angemacht, wenn das Haus kultisch unrein geworden war. In Shima, Anorl (Mie-Präfektur) wurde jährlich am 13. Tage des Totengedenkfestes (O-Bon) das Feuer erneuert. Das Feuer DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 123 wurde als Quelle des Lebens heilig gehalten. Die Erhaltung des Feuers heißt hidomari 'Feuerfesthalten' und erfordert sorg­ fältiges Zudecken, was in alten Familien dreimal am Tage geschieht, jedenfalls immer abends w~nn die Leute schlafen gehen. In Kiso in den Bergen von Mittel-Honshü gibt es Familien, die ihr Feuer durch drei Generationen erhalten haben. Das ist ein Überrest aus der Zeit, in der die Feuerbereitung noch primitiv war. Zum Verwahren des Feuers hat man einen Feuer­ krug (hodo) , in diesen gibt man die restliche Glut von der Feuerstätte hinein, steckt in der Größe von Holzkohlen geschnit­ tene Stäbchen von Eichenholz hinein (jap. nara, Quercus glandulifera, oder kunugi, Quercus serrata) tut heiße Asche (kuukiri) darüber und deckt den Krug gut zu. Eine Weile qualmt es. Bis zum nächsten Morgen ist das Eichenholz zu schönen und harten Kohlen geworden. An diesen wird dann in der Feuerstätte kleines Brennholz durch Blasen entzündet. Im Dorf Nibukawa, Gno-Distrikt, Gifu-Präfektur, legt man zum Erhalten des Feuers alte Maulbeerbaumzweige direkt in die Feuerstätte. Bevor man schlafen geht, deckt man Reishülsen (mominuka) darüber. Wanderer finden den Geruch davon an- heimelnd. Als die Verwendung von Feuersteinen allgemein geworden war, sparte man sich meistens a11 diese Mühe, blos am Vorabend von Neujahr oder vom Kleinen Neujahr (Mitte des Neujahrsmonates) wird nach alter Sitte das Feuer erhalten. In Nord-Shinshü verwahrte man das alte Feuer am Vorabend des Bonfeuers in der Neujahrszeit unter einer dicken Aschenschicht im Feuerkrug. Anderswo wird ein Glutrest vom Bonfeuer über Nacht so verwahrt und am nächsten Morgen damit das neue Feuer entfacht. Das Feuererhalten oblag einer bestimmten Person, der Hausfrau oder der Frau des ältesten Sohnes. Für die Sitzplätze um die Feuerstätte gilt eine bestimmte Rangordnung.ll4 Der ranghöchste Sitz heiß yokoza 'Quersitz', der Name kommt daher, daß hier ein tatami (gute Matte als Bodenbelag) quer, d.h. parallel zur Schmalseite des Hauses auf­ gelegt ist. Der Sitz ist für den Hausherrn bestimmt; wenn dieser nicht da ist, darf niemand diesen Sitz einnehmen. Ein Axiom sagt: "Katzen und Idioten setzen sich auf den Quersitz (neko to baka to wa yokoza ni suware)". Statt yokoza 'Quersitz' sagt man auch teishuza 'Hausherrnsitz' oder oyazashi 'Vatersitz'

114) Nach Nihonjin no sumai, S. 91, ff. 124 MATTHIAS EDER

(Sado) oder tanna-ido 'Hausherrnplatz' (Kameyamamura. Kimi­ tsu-Distrikt, Chiba-Präfektur). Namen für den Platz gegenüber dem Hausherrnsitz besagen dessen Nähe zum Brennholzstapel­ platz oder sind Varianten davon, wie kijiri, kijiro, kijire; kijira; das jiri, entstanden aus shiri, bedeutet 'rückwärts' hier vom Hauptsitz aus gesehen, 'hinter dem Brennholz', das auf dem Feuerplatz brennt. Hier sitzen Knechte, Mägde und Kinder. Andere Bezeichnungen davon sind sueza 'Endsitz', kijimo 'unter­ halb vom Brennholz', hinoshiri 'rückwärts vom Feuer', rojiri 'hinter dem Feuerplatz', sumiza wahrscheinlich von shimoza) 'unterer (letzter) Sitz'. In Amakusa in Kyushu sagt man scherzhaft neko no yokoza 'Quersitz (Ehrensitz) der Katze'. Den Gastsitz zur rechten Hand des Hausherrn nennt man minamiza 'Südsitz', weil er am nächsten der Südseite ist, an der der Ein­ gang sich befindet. Der Hausherrnsitz heißt oft auch nishiza 'Westsitz', der Hausfrauensitz kitaza 'Nordsitz'. Statt kyakuza 'Gastsitz' sagt man auch yoriza 'Ankunftsplatz' oder maritoza 'Gastsitz', früher wurden Gäste marebito, marito genannt. Die Sitzordnung wird bei den täglichen Mahlzeiten praktisch. In Nihonjin no sumai [Die Wohnung der Japaner] (S. 91) sind zwölf Fälle von möglichen Sitzordnungen angeführt, die sich je nach der Zusammensetzung der Familie unterscheiden. Man sitzt in zwei Reihen, von denen jede am Feuerplatz beginnt und am Suppenkessel endet. Am Anfang der männlichen Reihe sitzt der Vater auf seinem "Quersitz" (yokoza) , am Anfang der weib­ lichen Reihe die Mutter. Am Ende der weiblichen Reihe sitzt gewöhnlich die älteste Tochter des Hauses, die zusammen mit der Mutter die Bedienung beim Essen besorgt und das Bindeglied zwischen der männlichen und der weiblichen Reihe ist. Am Hausherrnsitz kann auch der Vater des Vaters sitzen; wenn kein Vater vorhanden, der älteste der Söhne. Wenn die Mutter fehlt, kann die Mutter des Vaters oder die älteste Tochter am Haus­ frauensitz sitzen. Der Feuerplatz des Sippenoberhauptes ist auch der soziale Mittelpunkt der Sippe. Von einer Stammfamilie (honke) ab­ gezweigte Familien (bunke) bleiben mit der Stammfamilie gesellschaftlich verbunden. In der Nagano-Präfektur) Kita­ Azumi-Distrikt, sagt man für das Zimmer mit dem Feuerplatz omae, omee; so wird auch die Stammfamilie bezeichnet. Das genannte Zimmer fungiert als Mittelpunkt der Sippe bei Fest­ feiern, beim Feldpflanzen und bei der Reisernte. Der Sitz des Hausherrn ist also so etwas wie der Thron des Sippenoberhauptes. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 125

Er tritt diesen höchstens an den Priester des buddhistischen

Tempels, zu deren Gemeinde seine Familie gehört (bodaiji) j ab. Wenn der in Austrag gegangene Vater kommt, sitzt dieser neben dem Hausherrn. Auch der Hausfrauensitz ist unbeweglich. Die Braut wird gewarnt, sich auf ihn zu setzen. Dieser Sitz wird heute noch koshimoto genannt, was man wörtlich mit 'unter den Hüften' übersetzen kann. In der kriegerisch bewegten Sengoku­ Zeit (1490-1600) konnte man links vom Hausfrauensitz ständig das Schwert des Hausherrn sehen, die Hausfrau mußte es un­ ablässig im Auge behalten, daher wurde der Sitz koshimoto ge­ nannt. In den unteren Schichten des Volkes ist die Stellung der Hausfrau höher. Die feudalistische Dorfordnung spiegelt sich noch in der Sitzordnung im Hause wieder. Außer auf dem Feuerplatz auf dem erhöhten Bretterboden wird Feuer auch im ungedielten Vorraum angemacht, weil hier die Kesselherde stehen,u5 Wie schon gesagt, gibt es noch Bauern­ häuser, die den Feuerplatz im ungedielten Vorraum haben. In der Frühzeit hatte man nämlich nur ein Feuer im Hause. Später kamen Herde mit eingemauerten oder aufsetzbaren eisernen Kesseln auf. Daß der Feuerplatz im Vorraum der ältere und ursprüngliche ist, sieht man noch daraus, daß der Feuergott heute noch hier und nicht am Feuerplatz (irori) in der gedielten Stube verehrt wird. Das Feuer in dieser dient hauptsächlich zum Beleuchten und Erwärmen. Nur ein Kessel mit Teewasser hängt über diesem Feuer, seit in der Kamakura-Zeit (1192-1333) das Trinken von Teeblätteraufguß in Schwung kam. Der Kesselherd heißt kamado 'Kesselplatz'. Das kama darin bedeutete früher ein Kochgefäß. Im Shozu-Distrikt der Kagawa­ Präfektur in Shikoku nennt man die Küche kamatoko 'erhöhter Boden (toko) für den (die) Kessel'. In Kishu (Kii Halbinsel) nennt man den großen Raum, der rückwärts im Vorraum ab­ getrennt ist, kamamoto 'unter dem Kessel'. Auf den Izu-Inseln heißt der Krater von Vulkanen kamado 'Kesselplatz'. Das ent­ spricht dem kanado, kando, womit man anderswo die Feuerstelle in der Mitte des Hauses bezeichnet. In Hyuga in Kyushu nennt man das Kesselhaus, das sich mit einem eigenen Giebel an das Haupthaus anschließt, kamado 'Kesselplatz'. Entlang den Küsten der Inlandsee nennt man vielerorts den Kesselherd hidoko

115) Gute Darstellung bei Goda Hirobumi, Irori to hi [Feuer und Feuerplatz], in: NMD. VI, S. 190-206; Nihonjin no sumai, S. 92-96. 126 MATTHIAS EDER

'Feuerplatz'. Im Yazuka-Distrikt in Izumo, Shimane-Präfektur, nennt man den Feuerplatz im Hause hidoko. Am Strand des Nishikubiki-Distriktes in Echigo, Niigata-Präfektur, sagt man hidoko für irori, also Feuerplatz. Ein solcher hidoko ist im vorderen Zimmer an der Stelle, an der man vom Vorraum auf den erhöhten Fußboden steigt; ein anderer ist im rückwärtigen Zimmer, ebenfalls anschließend an den Vorraum. Alle diese Bezeichnungen deuten darauf hin, daß ursprünglich nur ein Feuer im Hause war. Das Feuer hat sich einerseits zum Feuer­ platz in der Mitte des Hauses, andererseits nach rückwärts im Vorraum in die Mitte des mit einem erhöhten Bretterboden versehenen Raumes (daidokoro) bewegt. Der Name kamado bedeutet den Ort, wo man kocht, wo der Kessel über das Feuer gesetzt wird. Im Nita-Distrikt in Izumo, Shimane-Präfektur, ist dieser Ort oben auf dem erhöhten Bretter­ boden neben dem offenen Feuerplatz. In manchen Gegenden schließt sich diese Kochstelle an diejenige Seite des Feuerplatzes an, die am nächsten dem ungedielten Vorraum ist und kijiri genannt wird, was den Brennholzstapelplatz bedeutet. Eine Kochstelle muß also nicht unbedingt gemauert sein. Es scheint, daß der Übergang von einer offenen Kochstelle zu einer ge­ mauerten in seinen Zwischenstufen noch verfolgt werden kann. In vielen Dörfern hat man in Häusern ohne offene Feuerstelle den gemauerten Herd auf einen erhöhten Bretterboden gebaut, unten ist das Brennholz gelagert, um den Herd sind die Sitzplätze für gewöhnliche Tage. In den Bergdörfern des Higashikambara­ Distriktes in der Niigata-Präfektur nennt man die Mitte der offenen Feuerstelle kamado 'Kesselplatz'. Den Bereich darum herum nennt man irori oder irubuchi, die Bedeutung von iru­ buchi kann sein 'Sitzrand', falls das iru nicht aus irori abge­ wandelt ist und was irori eigentlich bedeutet, ist nicht klar, es dürfte die Bedeutung von 'sitzen' einschließen. Der Kesselherd im Vorraum ist immer gemauert, hat nur ein Feuerungsloch, oben wird in die Öffnung der Kessel aufgesetzt. Große Häuser haben drei, fünf, selten sieben Kesselherde neben­ einander stehen. Ganz früh hatte man einen hölzernen Dreifuß für den Topf oder hing diesen an einer horizontalen Stange auf, wie man das heute in einem Lager macht. Die Entwicklung ging dann weiter einerseits zur offenen Feuerstelle, andererseits zum gemauerten Kesselherd. Seit man Reis in einem Gefäß (nabe) kocht, hängt man dieses an einer Hängestange (jizaikagi) über dem Feuerplatz auf. Seit dem Aufkommen eines Reiskessels DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 127 mit einem Kragen kann man die Hitze des Feuers besser aus­ nützen, indem man diesen Kessel in die genau passende öffnung des Herdes setzt. Solche Kessel heißen tsubagama, tsuba wird auch für 'Schwertstichblatt' gebraucht, kama ist 'Kessel'. Zum Kochen von größeren Mengen, wie von "rotem Reis" (mit roten Bohnen gemischter Reis) für festliche Gelegenheiten, von Reis zum Reiskuchen (mochi) machen und von Bohnenmus (miso) wird ausschließlich der Kesselherd gebraucht. Häuser werden nach Herden gezählt. Familienteilung nennt man "den Herd teilen" (kamado wo wakeru) . Die Stammfamilie heißt "Elternherd" (oyakamado) , eine abgezweigte Familie "Vasallenherd" (keraikamado). Hier kann auch Einiges über die Feuerverehrung eingefügt werden. Die offene Feuerstelle sowohl wie der Kesselherd sind heilige Orte, die von Göttern beherrscht werden. Es gibt einen Kesselherdgott (kamadogami) , Kesselgott (okamasama) , Feuergott (Kojin). Mancherorts wird eine Feuergottmaske über dem Kesselherd im Vorraum aufge­ hängt, heißt Kojin-shishi, wörtlich eigentlich 'Feuergott-Löwe', aber shishi 'Löwe' werden nicht nur Löwenmasken, sondern auch mehrere andere Tan:?:masken genannt, die einem Löwen schwerlich ähnlich sehen. Im Shibata-Distrikt in der Miyagi­ Präfektur hat man eine hölzerne Kesselgottmaske kamashishin, 2 X 1,5 Fuß groß, von erschreckendem Aussehen. In Niijima in der Izu-Kette nennt man den offenen Feuerplatz Fugensama, also "Feuergott". So wie vor dem buddhistischen Hausschrein werden auch vor ihm jeden Morgen zwei Inzensstengel angezündet. Von Tee werden auf jeden Fall die ersten zwei, drei Tropfen in die Feuerstelle geträufelt.

VII. Hausgötter Da wir schon von Göttern sprechen, wollen wir hier auch über die anderen im Hause verehrten Götter einen Überblick gehen,u6 Es gibt deren eine ganze Anzahl. Da ist der Gehöftgott

116) Wir folgen hier hauptsächlich der Zusammenstellung Ie rzo kamisama [Hausgötter] in: Nihonjin rzo sumai, S. 153-158. Gut unter­ richtet auch Takeda Hisayoshi, Jahresbrauch im japanischen Dorf, mit 195 Photos, in: Folklore Studies, Vol. VIII (1949), S. 1-269, passim, Verehrung der Hausgötter das ganze Jahr über. Mehrfach einschlägig sind ferner die Studien von Matthias Eder, Familie, Sippe, Clan und Ahnenverehrung in Japan, in: Anthropos. Bd. 52 (1957), S. 813-840; Totenseelen unI Ahnengeister in Japan, in: Anthropos, Bd. 51 (1956), Iso Ebisu-Daikoku

co C'1 rl ------~= --~---=t= ------.~ -----­ ABB. 16. Im japanischen Bauernhaus verehrte Götter. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 129 außerhalb des Hauses, im Hause der Hausaltar mit gewöhnlich mehreren Göttern, der buddhistische Hausschrein, dann Götter in der Latrine und am Feuerplatz, im Pferdestall, am Eingang. Der Gehöftgott (yashikigami) wird gewöhnlich in der Nord­ westecke des Gehöftes in einem kleinen Schrein oder in einem Bilde verehrt. Es kommt auch vor, daß er in einem abgelegenen, zum Hofe gehörigen Walde seinen Schrein hat. Dieser Schrein im Walde steht aber nicht dauernd, ist eine kleine provisorische Hütte, die jedes Jahr mit Stroh neu gedeckt wird. Der verehrte Gott ist Inari, Jimmyo, Gion, Kumano, Hakusan, Aiyu, Inaba, Yama no kami (Berggott), , Wakamiya. Das ist aber noch nicht die ganze Liste von Göttern, die als Gehöftgott fungieren können. Der Inari wird im ganzen Lande als Gehöft• gott verehrt. Vielfach geschieht das auf dem Felde an einer fruchtbaren Stelle oder auf einem breiten Zwischenraum zwischen zwei Bewässerungsfeldern. Kulttag ist häufig der erste Tag des Pferdes (hatsuuma) im zweiten Monat. An diesem Tage bewillkommnet man die Ahnen. Dann beginnt allmählich die Feldarbeit. Beim Erntefest am 15. Tage des elften Monates wird Inari gewöhnlich wieder verehrt. Mancherorts sagt man für Gehöftgott uchigami, was eine Abwandlung von ujigami 'Sippen­ gott' ist. Der Gehöftgott ist demnach Gott der Familie und der ganzen Sippe. In ihm werden der Ahnengeist und der Feldgott verehrt. Im zweiten Monat kommt der Berggott, der ein Ahnen­ geist ist, ins Dorf zurück und wird Feldgott. Im elften Monat kehrt er zurück und wird wieder Berggott. Berggott, Feldgott und Ahnengeist sind identisch. Es gibt Fälle, in denen der Ge­ höftgott von im Dorfe alteingesessenen Familien zum Sippengott und zum Dorfgott der ganzen Siedlung geworden ist und im Dorfschrein verehrt wird. Erhebungen über den Gehöftgott sind noch im Gange, sind für die japanische Religionsgeschichte wichtig. Im Hause ist ein Hausaltar (kamidana) im täglichen Aufent­ haltsraum der Familie (Photo 12). Die alten Hausaltäre waren nicht dauernd aufgestellt, man baute einen solchen als "Jahres­ altar" (toshidana) auf Neujahr, als "Seelenaltar" (shoreidana) zum Seelenfest (O-Bon) im Sommer. Daß Hausaltäre in allen Familien dauernd zu stehen kamen, geschah nach der Ausbildung

S. 97-112; Die Reisseele in Japan und Korea, in: Folklore Studies, Vol. XIV (1955), S. 215-244, Schamanismus in Japan, in: Paideuma, Bd. VI, Heft 7, 1958, S. 367-380. 130 MATTHIAS EDER des Schrein-Schint6. Davor versammelt sich die ganze Sippe und hält unter dem Vorsitz der Stammfamilie eine Feier ab. Die Buddhisten verehren die Ahnen in ihrem Hausschrein (butsu­ dan), in dem die Ahnentäfelchen stehen. Sowohl beim schinto­ istischen wie buddhistischen Hausschrein liegt die Vorstellung zugrunde, daß ein wandernder Gott, etwa vom Ise-Schrein oder den1 von Kumano einen göttlichen Geist ins Haus gebracht hat. So sind die auf dem Hausschrein verehrten Götter solche, die in großen Schreinen im Lande verehrt werden (Abb. 16). Auf heutigen Hausaltären sieht man außer auch in öffent• lichen Schreinen verehrten Göttern auch den Glücksgott Ebisu, Inari und Daruma, eine aus Papiermache geformte Darstellung von Bodhidarma, der den Zen (Ch'an) -Buddhismus von Indien nach China gebracht hat; wird ebenfalls als Glücksgott verehrt. Auch den Feuergott K6jin findet man gelegentlich auf dem Hausaltar. Der Hausaltar ist ein Miniaturschrein, der auf einem Brett an einem Balken unter der Zimmerdecke aufgestellt ist. Nördlich von Ky6to hinüber nach Tamba nennt man den Haus­ schrein nicht kamidana' Götter-Wandbrett', sondern kamitoko 'Götter-Platz' oder 'Götter-Boden'. Statt eines Schreines hat man da ein Tischchen. In den Hausschreinen hat man papierne Amulette (o-juda) von Ise, vom Schrein der Sonnengöttin Ama­ terasu, und solche vom Dorfschutzgott. Man stellt eine kleine Kiefer davor auf oder Sakaki-Zweige (Eurya ochnacea) , zündet Lämpchen an und bringt Reis oder Reiswein als Opfer dar; entweder jeden Morgen oder am ersten oder 15. Tage des Monats. Die Hausaltäre kamen erst vor etwa dreihundert Jahren in Gebrauch. Die meisten Familien haben sowohl einen Götterschrein (kamidana) wie einen buddhistischen Seelenschrein (butsudan) im Hause. Diese beiden Gegenstände der Verehrung schließen sich nicht gegenseitig aus. Im Seelenschrein stehen die Ahnen­ täfelchen (ihai) mit den Namen der verstorbenen Familienahnen. Verstorbene werden im ganzen Lande hotoke genannt. In der Gegend von Kitagata in Aizu, Fukushima-Präfektur, holt man nach dem Begräbnis aus dem Wald einen lebenden Baum, schnitzelt daran etwas ab, auf das zutage tretende weiße Holz läßt man von einem buddhistischen Priester den posthumen Namen (kaimy6) des Toten schreiben. Am letzten Gedächtnis• tage 33 Jahre nach dem Tode stellt man diesen Baum auf das Grab. Der Baum heißt hotoke-b6 'Verstorbenen-Stab'. Es scheint, daß hotoke ursprünglich soviel wie Totenbrett bedeutete. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 131

Man sagt heute für die langen, schmalen und dünnen Bretter, die mit dem posthumen Namen des Toten versehen sind, sotoba. In allen Präfekturen von Nordost-Honshu (Ou) nennt man bud­ dhistische Totenfeiern hotokekaki 'Gedächtnisbretter-Aufstellen'. Der Seelenschrein steht vielfach im Zimmer für den täglichen Aufenthalt der Familie. Wenn der Götterschrein ebenfalls in diesem Zimmer ist, steht der Seelenschrein darunter. Der letztere kann auch in einem besseren Zimmer sein. Der Seelen­ schrein zeigt in Größe und Bau Unterschiede. Manche haben im Innern einen kleinen Altar, auf dem eine geschnitzte Statue von einem Buddha oder eines Sektenstifters aufgestellt ist oder ein gemaltes Bild hängt. Als Opfergaben werden Inzensstengel, Blumen, Tee und Reis dargebracht. Die Wirksamkeit der Gebete vor dem Hausheiligtum ist dieselbe, wie der bei einem Tempel­ besuch. Die Gebete vor dem Seelenaltar zielen auf das Wohler­ gehen der Verstorbenen in der anderen Welt und auf den Schutz ab, der von den Ahnen für die Familie in dieser Welt erwartet wird. Als man noch keine dauernden Seelenschreine hatte, baute man auf O-Bon, dem Seelenfest im Sommer, einen Seelenaltar (sh8reidana). Auch wenn heute ein Seelenschrein vorhanden ist, breitet man im Zimmer, vor dem Schrein, frisch geflochtene grüne Matten aus, läßt an einem Seil Kastanienzweige und anderes Grün und Persimonen herabhängen. Das ständige Auf­ stellen eines Seelenschreines geschah aus dem Bedürfnis, sich das ganze Jahr über im Gebet an die Ahnen wenden zu können. Ein Vers sagt: "tamadana no oku natsukashi ya wie traulich das Innere des Seelenaltars, oya no kao das Antlitz der Eltern". Die Ahnen denkt man sich jetzt im Seelenschrein ständig zuge­ gen. Beim Seelenfest im Sommer nimmt man die Gedächtnis• täfelchen heraus und stellt sie auf den neu errichteten Seelen­ altar. Der Schrein bleibt mittlerweile leer. In der Gegend von Iida in Shinshu sagt man dann für die aus dem Schrein genom­ menen Täfelchen orususama 'abwesende Ahnen'. Im Sannohe­ Distrikt der Aomori-Präfektur sagt man karadana 'leerer Seelenschrein', man stellt aber auch davor ein Reisopfer auf. Die Götter im schintoistischen Hausschrein waren ursprüng• lich auch nichts anderes als Ahnengeister. Allmählich wurde dieser Schrein zum Ort, wo die von den öffentlichen Schreinen 132 MATTHIAS EDER ausgegebenen papiernen Amulette (o-fuda) aufgestellt werden. Was heute kamidana 'Götteraltar' ist, war im Altertum ein vor­ übergehend aufgestellter tamadana 'Seelenaltar'. Da auch der Buddhismus sich der Ahnen annahm, geriet die alte Form der Ahnenverehrung mehr in den Hintergrund. Eine Zwischenstufe auf dem Wege zum Seelenschrein ist es, auf dem Gehöft eine kleine buddhistische Kapelle zu haben. Bei einem Todesfalle macht man zwei Seelentäfelchen, eines zum Aufstellen im Hause und eines zum Aufstellen auf dem Grabe. Das letztere wird zunächst im Hause neben das Kissen des Toten gestellt, dann an das Grab gebracht, der Nachfolger des Toten trägt es, wird ihai-mochi 'Seelentäfelchen-Träger' ge­ nannt. Das im Hause verbleibende Täfelchen wird nach 49 Tagen oder auch erst drei Jahre später für einen Gedächtnistag erneuert, diesmal in sehr schöner Ausführung für dauernde Verehrung. Das Täfelchen im Seelenschrein ist für die Seelen das, was für die Götter der Gegenstand, auf den sie sich während der Kult­ feier vorübergehend niederlassen (). Das nach einem Sterbefall vorläufig gemachte Seelentäfelchen wurde nach Ab­ lauf der Trauerzeit oder nach dem letzten Jahresgedächtnistag in der Erde vergraben oder in einen Tempel gebracht. Der Ahne verliert mit der Zeit auch seine Individualität und wird zu einem kami 'Gott', der kein Seelentäfelchen mehr braucht. Vielfach werfen die Buddhisten nach Ablauf einer dreijährigen Trauerzeit die Seelentäfelchen und für dessen Verehrung ge­ brauchte Gegenstände und Sutren in einen großen Fluß. Es kommt auch vor, daß dann der Hausschrein für profane Zwecke gebraucht wird. Die Schintoisten kennen auch ein Seelen­ täfelchen, bezeichnen es aber nicht mit dem chinesischen Namen ihai, sondern nennen es 'hohe Seele'. Sie machen es aus einem viereckigen weißen Holz, auf dem der Name des individuellen Toten geschrieben wird. Das Holz kommt auf dem Hausaltar der Götter (kamidana) zu stehen. Das Wort ihai (wei-p'ai) gibt es auch in China Auf der Vorderseite des Täfel• chens den posthumen Namen des Toten zu schreiben ist japa­ nische Sitte. Der Ausdruck kaimyo für 'posthumer Name' besagt, daß der Tote während seines Lebens die Gesetze Buddhas gehalten hat und in dessen Lehre eingedrungen ist. Die Amida-Sekten richten ein eigenes Zimmer als "Buddha­ Zimmer" (butsuma) ein. Sie gingen darin auf den alten Geist der Heian-Zeit zurück, in der das ganze Haus für die Verehrung Buddhas benützt wurde. In der Edo-Zeit mußte nach außen DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 133

,-' T' in der Nähe des Einganges die Räume für den Gastempfang :-esen'iert werden. So wurde ein dunkles Zimmer mehr rück• "\'ärts im Hause für die Verehrung Buddhas benützt: genannt nembutsu no ma 'Zimmer, wo man zu Buddha betet'. Nur die Jodo-shinshu, also die reformierte Sekte vom Reinen Land, wandte sich von der Kriegerideologie wieder ab und stellte den Seelenschrein im besten Zimmer auf dem vornehmsten Platz darin auf, nämlich gegenüber vom Eingang. Bei Feierlichkeiten mit vielen Teilnehmern wurden die Zimmerabtrennungen (fusu­ ma) weggenommen und so das ganze Haus zu einer Gebetshalle mit vielen Sitzplätzen gemacht. Zur Illustration beschreiben wir diese Verhältnisse, wie sie sich in einem Bauernhause auf der Insel Oki in West-Japan finden. Anfangs der Meiji-Zeit wurde im Zuge einer Schint6-Renaissance der Buddhismu.s unterdrückt, die vorhandenen Buddha-Billder wurden ins Meer geworfen und nur mehr die einheimischen Götter verehrt. Das frühere Buddha-Zimmer wurde zur Ahnenverehrung benützt. Man hat früher dafür nie ein eigenes Zimmer gehabt.ll7 Die Krieger­ klasse gehörte weitgehend der Zen-Sekte an, der buddhistische Hausschrein galt bei ihr nicht viel, verlor seine zentrale Stellung, wurde zu einem Möbel, das man in der allgemeinen Familien­ stube aufstellte. Das bessere Zimmer (zashiki) hatte auch keinen Götteraltar (kamidana), diente ausschließlich sozialen Zwecken. Religion war zu einer privaten Angelegenheit geworden. Auch die Nichiren-Sekte räumte, wie es die J6do-Sekte tat, dem buddhistischen Hausschrein den besten Platz im Hause ein, nämlich den Alkoven (tokonoma) der guten Stube (zashiki). Wo die J6do-Sekte stark ist, wie in den Präfekturen Niigata und Toyama, hat man in der guten Stube einen Götteraltar und einen

117) In Minami-Kawachi, ösaka-Präfektur, ist hinter der guten Stube (zashiki) ein Zimmer mit vier tatami (Matten, Zimmergröße durch deren Zahl bestimmt, vier Matten ist sehr klein), heißt hier butsuma 'Buddhazimmer', der buddhistische Altar in der guten Stube steht an der Außenwand des Mönchszimmers, der Mönch schläft also hinter dem Altar. So nach Ishihara Kenji im ösaka-Band seines oben wiederholt zitierten Werkes Nomin kenchiku. In Nihonjin no sumai ist auf S. 68 ein Photo von einem butsuma 'Buddhazimmer' zu sehen, das Zimmer liegt im okuzashiki, d.i. in der rückwärtigen guten Stube, ein Beispiel aus der Fukushima-Präfektur. Rückwärts in die Wand ein­ gebaut sehen wir einen großen prunkvollen buddhistischen Hausschrein (bHtsHdan). Davor sehen wir auf einem niedrigen Tischchen die in ein \\'eißes Tuch eingeschlagene Kiste mit den Kremationsresten (honebako) \'0:1 einem Begräbnis, umgeben von Blumenschmuck.

I 134 MATTHIAS EDER

Seelenschrein. Für den zu Besuch kommenden Priester der Sekte hat man oft eigenes Zimmer (hojo no ma) anschließend an das Zimmer mit dem Seelenschrein. An das Priesterzim­ mer schließt sich in besseren Häusern ein Buchzimmer (shoin) an. Das Priesterzimmer nennt man auch kakurema "Ver­ berge-Zimmer', Zimmer zum Sichzurückziehen des Priesters. Gelegentlich führt ein eigener Hauseingang in diesen religiösen Bereich. In großen Häusern im Westteil der Toyama­ Präfektur ist rückwärts von der guten Stube das Priesterzimmer, der Seelenschrein beherrscht von der vornehmsten Stelle aus, das ist gegenüber dem Eingang, die gute Stube. In der Ösaka• Präfektur, Minami-Kawachi ist hinter der guten Stube ein schmales Zimmer in der Größe von vier Matten (tatami) ; darin wohnt der zu Besuch kommende Priester. An der Außenwand dieses Zimmers steht in der guten Stube der Seelenschrein. Die Shingon-Sekte läßt den Schrein in der großen Familienstube auf­ stellen. Sie legt größeren Wert auf das Ausgeben von Amuletten, denen magische Kraft innewohnt.

VIII. Hausbausitten, sozial und religiös Die Erstellung eines neuen Hauses ist von allerlei sozialen und religiösen Sitten umgeben.llB Sie ist eine gemeinsame, auf Gegenseitigkeit beruhende Angelegenheit der Dorfbewohner. Heute treten an deren Stelle meistens bezahlte Zimmerleute. Die Zusammenarbeit der Dorfgenossen umfaßt Beistellung von Bau­ material und Arbeitsleistung. Wenn ein neues Haus gebaut werden soll, muß zuerst die Zustimmung der Dorfbewohner ein-

118) Unsere Beschreibung der Hausbausitten stützt sich auf Nihon­ jin no sumai, S. 149-158, 162, f.; Makita Shigeru, Kenchiku girei [Haus­ bauzeremonien], in: NMD, VI, S. 133-144. Makita handelt darin über 1) Mitarbeit der Dorfbewohner beim Hausbau, 2) Erdfest und Erde­ schlagen, 3) Richtfest, 4) Hauseinweihung, 5) Zusammenhänge zwischen Hausbauriten und Jahresbrauchtum. Der Verfasser verwertet dabei Material in Kyoju shuzoku goi [Vokabular zu den Wohnsitten], das von Yanagita Kunio and Yamaguchi Sadao zusammengetragen wurde. Yama­ guchi Sadao hat außerdem 1944 in der Zeitschrift Chiri to minzoku [Geographie und Volkssitten] eingehend darüber geschrieben. Wertvoll und westlichen Lesern zugänglich ist die Arbeit von Architekt Max Hinder, Japanische Bausitten, in: Mitteilungen der Deutsch. Gesellsch. f. Natur- und Völkerkunde Ostasiens, Bd. XXII, Teil E. Tökyö 1931, 30 Seiten. über Bauhilfe als Sippenverpflichtung Einiges bei M. Eder, Familie, Sippe, Clan und Ahnenverehrung, in Anthropos, Vol. 52 (1957), S. 618, f. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 135 geholt werden. Erst dann steuert jeder Material und Arbeit bei. Bevor es berufliche Zimmerleute gab, konnte kein Haus ohne die Mithilfe von Verwandten und Dorfleuten gebaut werden. Das japanische Wort für Zimmermann daiku bedeutete ursprünglich jemanden, der die Arbeit beaufsichtigte. Im Chinesischen be­ deutet ta-kung (jap. daiku) allgemein einen geschickten Hand­ werker. 'Zimmermann' ist eine eingeengte Bedeutung. In l\1ittel­ Japan kennt man einen uta-daiku (etwa) 'Liedermeister' für das feierliche Reispflanzen (hana no taue), er war also jemand, der dirigierte. Seit auch auf dem Lande Häuser von Fachleuten gebaut werden, sagt man: "Wenn Zimmerleute geholt werden, können die Hausleute die Hände in den Schoß legen und das Haus steht". Im Ono-Distrikt in der Gifu-Präfektur ruft man erst alle für Mitarbeit beim Bau in Frage kommenden Leute zusammen, was tanomi 'Bitten' heißt. In Yoshikawamachi, Nakakubi-Distrikt, Niigata-Präfektur ruft man die Verwandten zu einer Feier, sobald man den Bauplan fertig hat. Diese Feier heißt teitafurumai 'Handbrettfeier'. Ein teita 'Handbrett' ist ein Brett auf das man den Bauplan gezeichnet hat. Im Dorf Nishikazushiro in der Ösaka-Präfektur dürfen die um Mithilfe Gebetenen nicht ablehnen. In Kokamura, Öno-Distrikt, Fukui­ Präfektur ließ man Verwandte und Dorfgenossen vom Bau­ vorhaben wissen, "otokogashira de negaimasu (wir bitten für den Arbeitsvorsteher) ." Dann darf sich außer bei Krankheit niemand entschuldigen. In Nordost-Honshu schicken die Verwandten Geld, die empfangende Familie trägt es in ein Rechnungsbuch ein. Wenn später in einer anderen Familie ein Neubau statt­ findet, wird dieser im gleichen Ausmaße geholfen. Eine solche Gegenseitigkeit besteht auch beim Neudecken eines Daches und beim Feldpflanzen. In Kamimura, Yoshishiro-Distrikt, Gefu­ Präfektur geht bei einem Neubau von jeder Familie jemand hin und hilft beim Festschlagen des Bodens. In Yoshikawamachi, Nakakubiki-Distrikt, Niigata-Präfektur steuern andere Familien je einen Baumstamm bei und helfen beim Bauholztransport mit. l\1an schickt ihnen als Anerkennung Reiskuchen (mochi) oder ein anderes Reisgericht, auch denen, die einen Tag nicht zur Arbeit kamen. Im Ibi-Distrikt in der Gifu-Präfektur wird vom Dorf nur die ersten drei Tage gemeinsame Arbeit geleistet, hernach helfen nur die Verwandten, die zahlreich darum gebeten werden. Weit verbreitet ist die Sitte, in der Zeit vom Beginn des Hausbaues bis zum Richtfest die Zimmerleute in die Häuser der Verwandten zum Essen und Trinken einzuladen, heißt daiku- 136 MATTRIAS EDER furumai 'Zimmerleutebewirtung'. Dabei ist der Hausbau schon in die Hände von Fachleuten übergegangen. Die religiösen Bräuche beim Hausbau beginnen mit Geomantik. Dafür wird ein Fachmann darin geholt, der Aus­ kunft darüber gibt, an welchem Tage der Bau begonnen werden könne und ob das in Aussicht genommene Grundstück günstig liege. Dafür muß er die Geburtsdaten des Bauherrn wissen, der z.B. im Tigerjahr im Hasenmonat am Drachentag geboren sein kann. Es kann sich etwa herausstellen, daß die Stellung der Sterne erfordere, den Baubeginn drei Monate lang zu ver­ schieben. Der Zimmermeister entwirft eine Bauplanskizze, die der Sterndeuter begutachten muß. Dessen Gutachten kann mehrere Wochen auf sich warten lassen. Es berücksichtigt 1) Form des Bauplatzes, 2) die Wahl des Hausmittelpunktes, 3) die Himmelsrichtung, in der die Hausfront zu liegen hat, 4) die Form des Grundrisses des Hauptgebäudes, 5) die Form der Bäume und Büsche und ihre Lage zum Hausmittelpunkt. \iVichtig ist, die richtige Lage für das Eingangstor zu finden. Der Geomant kann z.B. herausfinden: "Die nach Norden geneigte natürliche Böschung als Bauuntergrund bedeutet Unglück für den ältesten Sohn".119 Die Verteilung der Nebengebäude im Gehöft und die Anlage des Gartens unterliegen ebenfalls strengen Gesetzen. Da kann das Gutachten z.B. lauten: " ...ver­ giß ja nicht, deine zwei Fichten dort im Osten zu fällen, damit deinem ältesten Sohn kein Unheil zustoße". Auch wenn manches praktischer und vernünftiger gemacht werden könnte, muß der Anweisung des Hausbaugeomanten (kasoka) Folge geleistet werden. Mit der Bauausführung geht eine Reihe von religiösen und unterhaltsamen Feiern zusammen. In Hachijöshima hält man eine solche schon, wenn man die Axt an die Bäume legt, die Bauholz werden sollen. Das ist die Feier des yamatori 'Berg­ nehmen', d.h. dem Wald Bauholz entnehmen. Der nächste Schritt ist das Flachmachen des Bauplatzes, heißt jitaki 'Erde schlagen' oder ishibataki 'Steinplatz schlagen', d.h. die Fläche, die mit Steinen ausgelegt wird. In Tökyo ruft man zur Beglei­ tung des rhythmischen Schlagens yoitomake, nach diesem Chor­ sprechen ist dieser Akt im Hausbau benannt. Das Schlagen war früher nicht nur technisch notwendig, hatte auch magische

119) Rinder beschreibt eingehend so ein Gutachten des Geomanten, a.a.O., S. 5. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 137

Bedeutung, was man daraus ersieht, daß dazu möglichst viele Kräfte geholt werden, mehr als notwendig. In Nordost-Honshu sagt man dafür senponzuki 'Stoßen mit tausend (Stößel) '. Die Mitwirkung vieler soll Kraft und Herz derselben vereinen und die Anstrengung wirksamer machen, nämlich böswillige Geister im Boden unschädlich machen. Beim Regenbitten und bei einer Wallfahrt für die Genesung eines Kranken (hyakudomari 'hundertfache Wallfahrt') nimmt in der gleichen Absicht eben­ falls eine große Anzahl teil. In der Kagoshima-Präfektur, Izumi­ Distrikt, Itöjima ist das Bodenschlagen hauptsächlich Frauen­ arbeit. In der Umgebung der Stadt Fukuoka bilden beim Boden­ schlagen acht Frauen die zentrale Gruppe. Die anderen da­ rumherum beteiligen sich dadurch, daß sie je eines der Taue halten, die am Stößel angebracht sind. So ein Stößel heißt tako 'Octopus'. Dieser wurde früher heilig gehalten, es waren daran Hanffäden, Hobelspäne oder in Zickzack geschnittene weiße Papierstreifen () angebracht, also Dinge, die einen Gegen­ stand als sakral kennzeichnen. In der Gifu-Präfektur, Land Hida, Shirakawamura hängt man diesen Stßel nach Beendigung der Arbeit an die geheiligte Säule (Daikokubashira) des Hauses auf, stellt davor Reiswein auf und Stäbe mit weißen Papierstreifen (gohei) , worauf man Reiswein trinkt. Der Stock wird später im Hain vor dem Dorfschrein weggelegt. Im Rhythmus des Bodenschlagens singt man. Im Folgenden ein Beispiel von einem Erdschlaglied:

medeta medeta no wakamatsusama yo Glück und Segen, erhabene junge Kiefer, eda mo sakaeru ha mo shigeru Mögen Zweige und Blätter daran in Fülle gedeihen! koko wa daiji na inui no hashira Hierher kommt die bedeutsame Säule an der Nordwestecke. tanomimasu zo e tsunakosama Wir bitten dich, heiliges Tau (am Stößel befestigt).

Das Lied ist ein an den Stößel gerichtetes Gebet. Häufig singt man auch Holzhackerlieder mit glückbringender Bedeutung. Beim Schlagen des Bodens wird eine Reihenfolge eingehalten. Gewöhnlich fängt man an der Stelle der heiligen Haussäule (Daikokubashira) an. hört an der Stelle der Säule in der Nord­ westecke (inui) auf. In Shirakawamura beginnt man an der Stelle der Daikoku-Säule, geht schlagend vor das künftige Haus, 138 MATTRIAS EDER darumherum, hört an der Ebisu-Säule auf.120 Dann schlägt man in umgekehrter Reihenfolge und kommt wieder zur Stelle der Daikoku-Säule zurück. Es werden dann die Arbeitsgeräte ge­ reinigt und ihnen Opfergaben dargebracht. Heute feiert man das Erdberuhigungsfest nicht mehr an der Baustelle, sondern im Dorfschrein.121• Dort sagt der beamtete Priester (shinkan) täg• lich für das ganze Land ein Gebet zur Beruhigung der Erdgeister und bringt die dazu gehörigen Opfer dar. Alle Götter, besonders die Erdgötter werden gebeten, die Stelle des künftigen Hauses gegen Erdbeben, Wirbelstürme, Wassermangel und alles andere Unheil zu schützen. Dann wird die Baustelle hergerichtet, so wie der Geomant es gefordert hat. Das nächste Fest ist eine Art Exorzismus des Bauplatzes.l22 Ein Zimmermann steckt vier grüne Bambusstauden so in den Boden, daß sie ein Rechteck bilden. Die Stauden werden mit sakralen Strohseilen ( 'Absperr-Seile'), an denen viele Fransen hängen, verbunden, etwa in Manneshöhe. In derselben Höhe wird auch ein schmaler Streifen weißer Leinwand, der shiroimaki 'weißer Vorhang' gehängt, auf jeder Seite des Recht­ eckes einer, außer an der Südseite. An der Nordseite wird ein Tisch als Altar aufgestellt, ungefähr in der Mitte des Rechteckes ein zweiter, etwas längerer. Vor einem zum Planieren des Bau­ platzes bestimmten Erdhäufchen stehen auf einer Bank Opfer­ gaben. Vor diesen steht eine Art Betstuhl, auf dem Weihwedel, Bündel von Papierstreifen (gohei) und Bücher mit Gebeten (norito) liegen. Vor diesem Pult ist an der Südseite des Rechteckes eine achteckige Matte (banza) ausgebreitet.l23 Der erste Zimmermann (bansho) im Ornat der Schinto-Priester, von einigen Assistenten in langem weißen Gewand begleitet. betritt das heilige Rechteck. Wir führen hier am besten die Beschrei­ bung der nun folgenden Zeremonien von Hinder an.

"(Die Gehilfen) reichen dem Meister nun 8 weiße, mehrfach gefaltete Papierstreifen shimhei auf kleinen Rolzgestellen hin; er stellt deren drei auf den äußeren, nördlichen Altar, die 5 anderen auf die vorderen. (Die Zahl 5, die im folgenden wiederholt vorkommt,

120) Daikoku und Ebisu sind Glücks- und Rausschutzgötter, mei­ stens zusammen als Paar verehrt, zuweilen jeder für sich je an einer Säule. 121) Beschrieben bei Rinder, a.a.O., S. 10, f. 122) Eingehend beschrieben bei Rinder, a.a.O., S. 10, ff. 123) Zeichnung bei Rinder, a.a.O., S. 14. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 139

geht auf chinesische Zahlenmystik zurück). Dann bringt man ihm die Gogyohei (gogyo=die fünf Elemente), 5 farbige Nusa (ähnlich wie die Shirahei) , von denen er das gelbe in das mittlere Erdhäuf• chen steckt, das blaue ins östliche, das rote ins südliche; Westen bekommt Weiß, und Norden Schwarz. Nun stellt man sich hinter dEn Bansho [amtierender Zimmermeister, E.], der erste Geselle (Kosho) links, wir [Auftraggeber des Baues, E.] rechts. Die Zere­ monie beginnt. Der Meister ergreift den Weihwedel und verscheucht damit (auch im japanischen Sinne nur sinnbildlich) alle unreinen und bösen Geister, die etwa noch in dem geweihten Viereck zugegen wären, trotz Shimenawa und Shiroimaku, in denen eine reinigende magische Kraft steckt. Nun klatscht der Bansho mit den Händen, gegen den Altar gewandt. Er bittet oder beschwört damit die Götter, in die Symbole niederzusteigen, die er für sie aufgestellt hat .... Daraufhin bringen wir [Auftraggeber des Baues, E.] nun die Opfer­ gaben zum Altar, damit der Meister sie einzeln den Göttern dar­ bringe und auf die Gabenbank lege. Nun spricht er sein singendes Gebet [norito, E.], eine lange, lange Litanei. Dann ergreift er eine geweihte Reisschale und streut die Körner links und rechts auf die Erde. Dieselbe Zeremonie wiederholt sich dann vor den farbigen Symbolen, die in den 5 Erdhäufchen stecken. Vom letzten der Gyohei [Papierstreifen in fünf Farben, siehe oben, E.], vom schwar­ zen im Norden, kehrt er dann zur Mitte zurück und klatscht wieder; nach einem weiteren Gebet, in dem er den Göttern für ihr wohl­ wollendes Kommen dankt, und nach einer letzten Reinigung des Bauplatzes mit dem Weihwedel ist nun die Zeremonie zu Ende; die Opfergaben, von den Göttern nur sinnbildlich mit dem Ausstreuen des Reisopfers in Gnaden angenommen, werden nun als geweihte Geschenke an die Anwesenden verteilt. Jetzt werden die Altäre abgeräumt und das ganze Beiwerk aus Papier, Stroh und Bambus verbrannt. Fröhliches Singen leitet den gemütlichen Teil ein, der als regelrechtes Gelage oft bis tief in die Nacht hinein dauert".

Wo das eben beschriebene Erdberuhigungsfest (jichinsai) nicht mehr auf der Baustelle gefeiert wird, begeht man umso sorgfältiger die Zeremonie des Erdebringens (jibiki no shiki) .124 Auch dabei wird zu den Göttern gebetet, sie möchten Erdbeben, Stürme und Überschwemmungen vom künftigen Hause fern­ halten. Wie beim Erdberuhigungsfest, vielleicht in Nachahmung desselben, stellt man auch diesmal zwei Altäre auf, einen vor­ deren und einen rückwärtigen. Auf dem rückwärtigen steht das Symbol des Erdgottes Otsuchi mioya no kami, neben ihm das des Gottes Sarutahiko daijin, der auch ein Erdgott und als Führer der Götter Straßenschutzgott ist; ferner das Symbol von Omoi-

124) Beschrieben bei Hinder, a.a.O., S. 13, f. 140 MATTHIAS EDER kane no Mikoto, der Gott alles Planens und Entwerfens ist. Auf dem vorderen Altar stehen die Symbole der fünf Windrosen­ götter Gogy6 no Mikoto, die auch durch die fünffarbigen Papier­ streifenbündel auf den fünf Erdhäufchen vertreten sind. Sie heißen auch Fünffarbengötter. Ihre Namen sind: Gelber-Kaiser-Drachengott (K6teiryujin) , ist Gott der Mitte; Blauer-Kaiser-Drachengott (Seiteiryujin) , ist Gott des Ostens; Roter-Kaiser-Drachengott (Shakuteiryujin) , ist Gott des Südens; Weißer-Kaiser-Drachengott (Hakuteiryujin) , ist Gott des Westens; Schwarzer-Kaiser-Drachengott (Kokuteiryujin) , ist Gott des Nordens. Götternamen und zugrundeliegende Kosmologie sind chinesisch. Den Plan des Hauses haben Zimmerleute mit ausgelegten Stroh­ seilen auf die Erde gezeichnet. In Abständen von etwa einem Klafter sind die Löcher für die Steine ausgehoben worden; auf denen die Pfosten zu stehen kommen sollen. Die Pfosten direkt in den Boden einzurammen kommt kaum noch vor. Mit einem Rammbock stoßen Arbeiterinnen Steine in die Löcher. Eine singt vor, die anderen fallen ein. Im Folgenden ein Beispiel von solchen Liedern.125

Vorsängerin: Diesem ehrenwerten Hause da ...Hoppla-ho! (die Ramme wird aufgezogen und fällt) Chor: Jetzt los mit dem Hoppla-ho, los! V.: Dem ehrenwerten Hause wünschen wir - Hoppla-ho! Ch.: respondiert (im Folgenden wird der Sinn der nächsten drei Verse zusammengefaßt) V.: Säulen aus Gold - goldenen Verputz - ein Dach aus Gold­ münzen! Im Osten der Fuß des Berges (d.h. nach Osten ist die Aussicht frei) , Hell scheint die Morgensonne herein! Dies alles wünschen wir (dem Hause)! V.: Und geweint soll nicht werden, nein, geweint soll nicht werden (in dem Hause)! Wenn wir uns jetzt auch trennen! Ch.: Also gut! Wenn's auch puterrote (Köpfe) gibt! Plumps-da! Hoppsassa!

125) Architekt Hinder hat mehrere derartige Lieder gesammelt und eines davon in einem Anhang zu seiner Studie über Hausbausitten wiedergegeben. Wir entnehmen ihr nur die übersetzung. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 141

V.: Wenn ihr nur im Leben bleibt, so gibt es auch ein Wiedersehn! Ch. (repet.) : Also gut! Wenn's auch ... etc. V.: Schnell! Schnell! Ch.: Ja, husch-husch! (Zum Schluß wird der Rammbock nicht mehr hoch, dafür aber sehr schnell hintereinander gehoben und fallen gelassen) . Auf die so gestampften Steine in den Löchern kommen die sogenannten Schuhsteine (kutsuishi) zu liegen, auf denen die Pfeiler aufgesetzt werden. Das Einsetzen derselben geschieht wieder in einer umständlichen Zeremonie. Wieder ein Bambus­ viereck und die Altäre, Gabentisch und Betschemel (inaridai) und die achteckige Matte wie beim Erdberuhigungsfest, aber keine Erdhäufchen mehr.126

Statt ihrer (der Erdhäufchen) stehen in der Mitte jeder Front und an den Hausecken 8 kleine Altäre mit Gebetsschemeln davor. Auch der Verlauf der Zeremonie ist im Anfang ebenso wie beim jibiki no shiki [Zeremonie des Erdebringens]. Nach der feierlichen Handlung am Mittelaltar wird der erste Pfeilersockel, eben einer jener Schuhsteine, von den Maurern genau versetzt und die Erde darum festgestampft; dann folgt ein Gebet und die Darreichung der Opfergaben an den Schutzgott des betreffenden Pfeilers; dies wiederholt sich gleicherweü:e bei den 7 anderen Sockeln, bei denen Altäre stehen. Die übrig bleibenden Steine werden später versetzt. (Es sind deren oft 50 und mehr für ein Haus). Zum Schlusse nach dem langen Dankgebet werden die Opfergaben wieder unter die Bauleute verteilt, das Beiwerk, natürlich mit Ausnahme der Gebets­ requisiten und Tische verbrannt, und bei Spiel und Rundtanz die Herrlichkeiten verzehrt und getrunken, zur Ehre der Götter und Erquickung der Festteilnehmer, die ein solches Mahl mit ihrem langen Fasten wohl verdient haben. Der Name des Festes ist ishizue no shiki 'Zeremonie der Grundsteinlegung', jedoch die Schriftzeichen dafür bedeuten "Feier der verborgenen Drachen". Eine andere Schreibweise hat den Sinn von "Erde- und Grundsteinfeier". Im Laufe der Feier werden mehrere Götter verehrt. Auf dem nördlichen Altar finden wir das Symbol von Shökihöjin, des schöpferischen Gottes und Schützers aller Dinge. Ihn bittet der erste Zimmermeister in seinem Gebet um seine Gunst. Der mittlere Altar ist der der fünf Sterngötter (Gayösei), die dem Gebäude Festigkeit ver­ leihen. Die fünf Sterngötter heißen Sterngott des Holzes, des Feuers, der Erde, des Metalles, des Wassers. Also dieselben

126) Wir geben für das Folgende Hinders Beschreibung wieder. 142 MATTHIAS EDER

Namen wie die der Wochentage im Japanischen (Moku-, Ka-, Do-, Kin-, Sui-yo-seijin). Die acht kleinen Altäre sind für die Achtgrundsteingötter. Die acht Grundsteine heißen hasshinseki 'Achtgöttersteine'. Mitten in der Ostfront ist Seiryutojin 'Blauer­ Drachen-Kopf-Gott', das ist Gott des Kopfes des Blauen Drachens; im Norden ist Sujakujin, ein unter die Sterne versetzter chinesischer General.l27 In der Nordwestecke ist Byakukotojin 'Gott des Kopfes des Weißen Tigers'; in der Südostecke Byakuko­ sokujin 'Gott der Tatzen des Weißen Tigers'; in der Südwestecke Byakukokyojin 'Gott der Flanken des Weißen Tigers'; in der Nordostecke Gemmujin~ ebenfalls ein unter die Sterne versetzter chinesischer General. Einige Tage später findet die Feier der Werkzeugweihe statt, chanasome oder chanahajime no shiki 'Axtbeginnfeier', chana ist die Schroppharke (Hinder) . Man nennt die Feier auch chana­ date 'Axtaufstellen'. Mit dieser Feier beginnt die Arbeit der Zimmerleute. Als es noch keine Hobel und Sägen gab, arbeitete man blos mit einer Handaxt (chana) und Stemmeisen (nomi) . Es gibt in alten Häusern da und dort noch Pfosten, die nicht gehobelt, sondern nur mit der Handaxt bearbeitet sind. Auch haben die Bestimmungen der Feudalherren (Daimyo) den Bauern die Verwendung von gehobelten Pfosten verboten. Ein Bauern­ haus mit ungehobelten Pfosten ist wenigstens 200 Jahre alt. Aus der Hügelgräberzeit wurden Handäxte gefunden. Im Iwabune­ Distrikt in der Niigata-Präfektur stellt man am Tage des "Axtbeginns" (chanahajime) in den Ecken des Bauplatzes provisorische Pfosten auf, die die Zimmerleute yabashira 'Pfeil­ pfosten' nennen; bringt Bretter an in der Gestalt von Pfeilen und Helmverzierungen (kuwagata) , läßt sie bis zum Richtfest daran. Auch ein Bogen wird vielfach angebracht. Diese Symbole dienen der Teufelabwehr (akumayoke). Auf der Insel Iki wird beim Baubeginn zunächst erst ein Gelage abgehalten, das koya iri 'in die Hütte gehen' heißt. Die Zimmerleute bauen nämlich eine Hütte, die zum Übernachten und zum Einhalten vo Ent­ haltsamkeitsvorschriften (monoimi) dient. Pfosten und Balken sind zu respektieren und kultisch Unreine dürfen nicht an ihnen arbeiten.128

127) Näheres über ihn bei Henri Don§, Chinese Superstitions, Bd. XII, S. 1229, f. 128) Nihonjin no sumai, S. 137. Die Beschreibung von Hinder ist viel detaillierter, besonders betreffs der bei den Hausbauriten verehrten Götter. Wir halten uns daher im Folgenden wieder an ihn, a.a.O., 17, f. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 143

Bei der Werkzeugweihe steht der Gott Amanomahitotsu no Mikoto im Mittelpunkt, er ist der Schöpfer und Beschützer der Werkzeuge. An zweiter Stelle kommt no Mikoto, der Gott des Planens; auf ihn folgt der Holzgott Kukunochi no Kami, der den Samen der Zedern (sugi) , Kiefern (matsu) und anderer Bauhölzer auf die Berge streute. Die Götter der Statik und des Winkelmaßes sind Amatsukoyane no Mikoto und Futodama no Mikoto. Es fehlen auch nicht die zwei göttlichen Zimmerleute, die dem Prinzen Shütoku (572-621) einen Palast bauten, nämlich Taokiooi no Mikoto und Hikosachi no Mikoto. Das Symbol des Prinzen selbst steht auf dem zweiten Altar unter sechs anderen Göttern, die die Gesamtheit aller übrigen Götter vertreten.

Neben dem ersten Altar liegen auf einer langen Bank alle Werk­ zeuge, oder wenigstens alle Werkzeugsarten, die zum Bau des Hauses verwendet werden sollen. Daß das chonahajime no shiki [Werkzeugweihe] ein wichtiges Fest ist, kann man außer an den langen Gebeten auch an den Opfergaben erkennen, die ein be­ sonders geweihtes Viereck mit Bambuszweigen und Strohseilen etc. nötig machen, innerhalb dessen ein großes kumo-tsukue-dana (Opfertisch) schon am Abend zuvor mit mochi (Reiskuchen) und sake (Reisschnaps) und hunderterlei Dingen (Zehntausend Sachen, sagt man Japanisch) beladen worden ist. Das übrige Instrumentarium und auch die Zeremonie selbst ist wie beim jibiki [Erdebringen] . Nur wird der zeremonielle Teil dadurch länger, daß die Werkzeuge, jedes einzeln, durch den banshosan [als Priester amtierender erster Zimmermeister] in besonders feierlicher Weise geweiht werden. Außerdem muß die chona (Schroppharke) wie auch die Aufreiß• schnur sofort ihr erstes Werk tun, das geheiligt wird. Zwei Gehilfen im weißen hakucho (Festgewand) halten eine geschwärzte Schnur straff auf einen der größten der schon herumliegenden Balken; während eines Bittgebetes um Gelingen der Arbeit faßt der bansho­ san die Mitte der Schnur, hebt sie und läßt sie auf dem Balken niederschnellen, womit die erste Werklinie aufgerissen ist. längs welcher nun die Gesellen gleich eine Ebene harken, da dieser Balken als Rundholz auf die Baustelle gebracht wurde, wie früher alles Bauholz überhaupt. Heute, da die Kreis- oder Bandsäge die Schroppharke auch in Japan fast ganz verdrängt haben, wird die frühere beschwerliche Arbeit des Harkens, durch die das Rundholz in Kantholz verwandelt wurde, nur noch durch einige Streiche mit der chona (Schroppharke) angedeutet, die außerdem im Hobel eine Verbesserung für ihre weitere Aufgabe, die des Glättens rauher Holz­ flächen, wie sie das Beil überläßt, gefunden hat. - Die Nachfeier, der sogenannte gemütliche Teil, der auch bei diesem Feste oft schon ungemütlich wird, ist dem Gabentisch entsprechend lang.

\Venn die Zimn1erleute alles Bauholz für den Gebrauch genau 144 MATTHIAS EDER zugeschnitten haben und das Baugerüst aufgestellt ist: findet schon wieder eine Feier statt. Diesmal wird nur ein kleiner Altar aufgestellt mit nur drei Symbolen, denen der Reinigungsgötter und -göttinen. In der Mitte Shinagatsuhiko, links von ihm Shinagatsuhime, die durch Wasser Reinigenden; rechts Haya­ sasurahime, die durch Wind Reinigende. Es ist das Fest der Hobelreinigung (kiyokanna no shiki) , gemeint ist Reinigung von unsichtbarem Schmutz, von allem was den Göttern und Geistern an den Hobeln mißfallen könnte. Wurde schon vor dreißig Jahren nur mehr selten begangen.l29 Das sechste Fest wird nur mehr bei Tempelbauten begangen. Es heißt Säulenaufstellfest (tatebashira no shiki) , findet 4-5 Wochen nach der Grundsteinlegung statt. Zwei Altäre. Auf dem ersten Symbole der sieben Schicksalsgötter, die in den sieben Sternen des Großen Bären wohnen; sie sind der Gott der Lebens­ kraft, der Gott der Heilung, der alles äußerliche Unheil bringende Gott, der von allem Bösen befreiende Gott (Seelenarzt), der uns verführende Gott (Verneiner) , der unser Leben verlängernde Gott, der unser Leben verkürzende und zerstörende Gott. Auf dem zweiten Altar stehen die Symbole der drei glückbringenden Göttinen. Das Fest wird auch tatemae 'vor dem Aufstellen' ge­ nannt. Vielfach wird das letzte der Feste, das muneage 'First­ aufrichtfest' so genannt. Das Firstaufrichtfest wird auch heute noch allgemein be­ gangen und ist das wichtigste aller Baufeste. Es verläuft wie im Folgenden geschildert.I3o

Der Rohbau des Hauses, das Gerippe aus Holz, ist vollendet, bis auf den Firstbalken, oder, wo dieser aus mehreren Stücken besteht, bis auf das letzte Stück des Firstes, das auf dem Podium vor dem Dachaltar bereit liegt; oder, genauer gesagt, vor den zwei Altären, auf derem kleineren, hinteren, drei japanische Landes­ götter, auf dem größeren, vorderen, die hashira no kamisama 'Schutz­ götter der Säulen' symbolisiert sind. Jene drei heißen: Ame-no-minaka-nushi-no-mikoto, der japanische Atlas, der Himmel und Erde trägt, zugleich als Vertreter der Götter der Natur; öhirumenomuchi-no-mikoto, der Gott des Tages; Tsukiyomi-no-mikoto, der Gott der Nacht. Die sechs Drachengötter, die als Wassergötter den Schutz des Hauses, speziell der Pfeiler, gegen Feuersbrunst übernehmen sollen, sind: Izuhame-no-mikoto, Seiteiryuö, Shakuteiryuö, Koteiryuö,

129) Wie Hinder schreibt, a.a.O., S. 19. 130) Nach Hinder, a.a.O., S. 21, f. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 145

Hakuteiryüo, Kokuteiryu6.l31 Auf dem hashira ne no saidan 'Säulen• wurzelalter', der unten im Süden steht, finden wir fast nur solche Götter, die wir irgendwo bei anderen Bauzeremonien schon gesehen haben. Die vordere Reihe bilden die Gogy8hei (Symbole der Fünf•

farben- oder Windrosengötter) ."\2 Die hinteren neun Symbole sind uns bekannt, mit Ausnahme von zweien, nämlich des Omotaru-no­ mikoto und des Kashikone-no-mikoto, zweier Götter des Metalles und der Erde. Die übrigen sind: der Werkzeuggott, die Schutz­ patrone der Zimmerleute, der Gott der Werkrisse, die Götter der Statik und der Baumathematik, und der Baureformenprinz, der Schutzgott aller Bauleute.

Auf dem gyokuny8danaJ dem südwestlichen Altar, also neben den vorgenannten, sind ebenso nur bekannte Namen, die durch shiruhei [weiße Papierstreifen] versinnbildlicht sind: in der hinteren Reihe die drei Glückbringer Tensei-, Shikisei- und Tagwan-Gyoku­ nyo-Jin (nach dem letzteren ist der Altar benannt). Vor ihnen ist der Straßengott und der Götterbote oder -führer Sarutahiko. Das Richtfest dauert einen ganzen Tag lang. Ein Teil der dabei vom ersten Zimmermeister als amtierenden Priester rezitierten Gebete soll hier folgen. 133

"Allen erhabenen Göttern des Weltalls Opfern wir Weihrauch vom edelsten Holze, Branntwein dazu, vom besten, und Speisen, Vielerlei Gutes auf köstlichen Schalen! Vor dem erleuchteten Antlitz der Götter Wollen wir opfern und klatschen und beten, Wie es sich schickt für ein richtiges Richtfest! Ihr jedoch, Göttliche, wollet geruhen, Alles dieses schicklich und passend zu finden, Unsern Opfern die Weihe zu spenden! Allerhöfliehst, ergebenst erlauben Eure Diener sich, Euch darum zu bitten. Reinigt durch Eure Huld diEsen Ort hier! Reinigt den Festplatz und unsere Opfer! Reinigt, was alles von Urelementen In uns und um uns ist! Reinigt alles! Gebete werden an allen Altären, auch auf dem Dach errichteten,

131) Außer Izuhame-no-mikoto sind uns diese Götter bei der Zere­ monie des Erdebringens begegnet, siehe oben S. 139, f. 132) Siehe oben S. 138 beim Erdberuhigungsfest und der Zeremonie des Erdebringens, Hinder S. 11 und 13. 133) Bei Hinder, a.a.O., S. 29 steht der japanische Text in chine­ sischer Satzkonstruktion mit einer freien Übersetzung, die wir hier wiedergeben. 146 MATTHIAS EDER hergesagt. Das Kernstück der Feier ist das Verlegen des letzten Firststückes.

Von zwei Gesellen leicht hingelegt faßt das Stück in die Zapfen der Säulen. Nun schlägt der bansho (erster Zimmermeister) mit einem schweren, bemalten und mit Bändern geschmückten Holzhammer auf das südliche Ende des losen Holzes, daß es in eie Holzverbindung des nächsten Firststückes eingreift, und ruft dabei einen Segens­ spruch. Nach ihm will nun jeder seinen Schlag oder auch deren dreie, mit einem Spruch begleiten, der uns [den Auftraggebern des Baues] gilt, und manchmal recht drollig ist. Ganz übermütig werden die jungen Gesellen oft, die da oben wie Seiltänzer auf dem First auf und ab spazieren, während sie darauf warten, daß die Reihe an ihnen ist, den Firstschlag zu tun. An die zahlreichen Gebete und Zeremonien vor den ver­ schiedenen Altären schließt sich der unterhaltsame Teil des Richtfestes an bei Reiskuchen und Reiswein. Den Abschluß der vielen Hausbaufeste bildet das sogenannte yagatame matsuri 'Hausfestigungsfest' etwa zwei Monate nach dem Richtfest. Es ist nicht mehr Sache der Zimmerleute, sondern der Familie, die im neuen Hause wohnen soll. Es kommt dazu ein Schreinpriester, der die Hausgötter aus dem Hausaltar (kamidana) des alten Hauses in das neue Haus bringt. Darin vertreibt er mit einem Bogen, dessen Sehne er zum Ertönen bringt, alle bösen Geister und alles Unreine.134 Von der Funktion des Hauses her gesehen ist das Dach wichtiger als die Pfosten. Es scheint, daß man früher im Giebel eine Seele des Hauses verehrte, die in einem Amulett in den Giebel getan wurde. Das wäre dasselbe wie die Anbringung des Funadwma, der 'Bootseele' bei der Einweihung eines Bootes. In der Saga-Präfektur in Kyushu wird noch so ein Amulett in den Giebel gesteckt. Vielerorts wird ein Stäbchen mit weißen Papier­ streifen (gohei) daran auf den Giebel gestellt, auch Hanffäden und ein Fächer geopfert, zusammen mit Reiswein und Reis­ kuchen (mochi). Weit verbreitet ist die Sitte, am Giebel Pfeil und Bogen anzubringen, wahrscheinlich zur Teufelsabwehr. Der Pfeil deutet in die Richtung des Teufelstores (onimon). In der Aichi-Präfektur, Kitashidara-Distrikt, wird ein Zweig der mizuki 'Wasserholz' genannten Staude (Cornaceae) geopfert zur Abwehr von Brand. Auf der Insel Iki stellt man auf den Giebel einen

134) Die Ainu schießen bei einer Hauseinweihung Pfeile unter das Dach. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 147 aus Bambus gefertigten Bogen und Zweige vom Maulbeerbaum, davor opfert man Hirseklöße. An vielen Orten werden beim Richtfest Frauenhaare und Haarputzgeräte geopfert. Nach einer Legende wurde ein Zimmermann gebeten, einen Götterschrein zu bauen. Aus Versehen machte er einen Pfosten 3 Zoll zu kurz. Ein Mädchen, das den Fehler bemerkt hatte, riet ihm, anzu­ stücken, also zu pfuschen. Er tat es und, damit der Betrug nicht aufkomme, tötete er das Mädchen. Das könnte ein Anklang an ein Bauopfer sein. Bei einem Umzug in ein anderes Haus führt man in Japan ein gemummtes Wesen mit Hörnern an der Spitze mit. Das Opfern von Frauenhaaren beim Richtfest soll mit der Legende von der "Menschensäule" zusammenhängen. Die Legende ist vielleicht nur sekundär, das Opfer primär. Amulette werden heute noch bei modernen Konkritbauten eingemauert. In Nagoya wurde anfangs der Dreißiger Jahre eine Fabrik gebaut, wozu ein deutscher Architekt herangezogen wurde. Dieser sagte zum japanischen Chefingenieur, daß das eingemauerte Amulett seine Aufgabe gut erfüllt habe, es sei während des Baues kein einziger Unfall vorgekommen; ob man solche Amulette nicht nach Deutschland schicken könne. Ernstlich überlegend ant­ wortete der Japaner, das würde nicht gehen, denn das Zollamt werde das Kistchen mit dem Amulett öffnen, wodurch es seine Wirksamkeit verlöre. Beim Richtfest werden ferner die vier Ecken des Hauses besonders verehrt. Auf den Goto-Inseln und anderswo in der Nagasaki-Präfektur werden beim Richtfest von den vier Ecken des Hauses Reisklöße heruntergeworfen, sogenannte "Ecken­ klöße" (sumi no mochi). In der Kagoshima-Präfektur, Izumi­ Distrikt, und in der Aichi-Präfektur, Kitashidara-Distrikt gab es sogenannte "Viereckenklöße" (yosumimochi oder kadomochi). Auch beim Erneuern der Dachbedeckung (Photo 8) wirft man mancherorts Reisklöße oder Münzen vom Dach herunter. Stellenweise werden die Zimmerleute nach dem Richtfest nach Hause begleitet. So hat man in der Niigata-Präfektur, Nishikubiki-Distrikt, ein eigenes Zimmerleuteverabschiedungs­ fest (daiku okuri matsuri). Dabei gehen Verwandte und Be­ kannte dreimal um den Neubau herum, schlagen mit Stöcken und Hämmern auf die Pfosten, begleiten dann die Zimmerleute heim. Ähnliche Sitten werden vom Minamikawamachi-Distrikt in der Osaka-Präfektur und von Ueda in der Nagano-Präfektur berichtet, in der Nagano-Präfektur heißt das Richtfest "Weg­ geleiten der Zimmerleute" (tori okuri). Heute werden die Zim- 148 MATTHIAS EDER merleute häufig vom Bauherrn oder seinen Verwandten zu einem Gelage eingeladen. Früher als man die Bauernhäuser ohne Zimmerleute selber baute, wurde der Hausherr Mittelpunkt eines Zeremoniells. In der Tono-Gegend in der Iwate-Präfektur ruft man den Hausherrn und die Hausfrau, nimmt den Reiskübel (meshibitsu) unter den Arm, tut Reisschalen in einen Netzsack und trägt ihn auf dem Rücken während man zu Trommel und Flöten tanzt; mimt dabei, wie man den Hausherrn und die Haus­ frau auffordert, Reis in die Schalen einzufüllen. Die Zeremonie heißt tabiragae, tabira sind Eßgeräte, kae (gae) ist wahrschein­ lich kayu 'Brei'. Wenn die Zimmerleute verabschiedet sind, ist noch das Dach zu decken. Heute tun das eigene Handwerker; früher war es Höflichkeitspflicht der Dorfleute, dafür Arbeitskräfte zu stellen, so wie für das Bodenschlagen vor Beginn des Hausbaues. Wenn das Dach auf beiden Seiten fertig gedeckt ist, wird ein Stab mit weißen Papierstreifen daran als Opfergabe auf den Giebel gestellt. Vielfach wird eine Feier dazu abgehalten. In der Aichi­ Präfektur, Higashikamo-Distrikt, Dorf Shimoyama, nennt man den letzten Tag des Dachdeckens "Eindecken" (jukigomori). Es übernachten dann Hausherr und Hausfrau zum erstenmal unter dem neuen Dach im neuen Hause. Man sagt, das müsse ge­ schehen, damit sich nicht die Eulen mittlerweile einnisten; auch damit die Teufel nicht einziehen. Das Neubaufest heißt "Hausbesichtigung" (iemi) oder "Haushärtung" (yagatame). In der Kagoshima-Präfektur, Ito­ shima, sagt man "Feueranmachfest" (hitaki iwai) , auf der Izu­ Halbinsel "Hausnachtwache" (yahimachi) , war früher ein Sichzurückziehen (okomori) mit Abstinenzverpfiichtungen. In Kyushu sagt man watamashi, ist höfliche Form für watari 'über• siedlung', wahrscheinlich damit ursprünglich die Übertragung der Hausgötter in das neue Haus gemeint. Der Ausdruck jukigomori für den Abschluß des Dachdeckens kommt ebenfalls daher, daß Mann und Frau in das neue Haus sich zur Abstinenz (komori) zurückziehen mußten. Weitum nennt man den Einzug in das neue Haus "Hausübersiedlung" (yautsuri). Man spricht auch von einem "Hausübersiedlungsbrei" (yautsurigayu) , da an diesem Tage Bohnen zu Brei gekocht werden. In der Umgebung von Shizuoka verbrennt man am neuen Herd grünen Bambus und kocht Bohnenbrei. In diesen Brei tut man eine Münze und kleine Steine in Bohnengröße hinein und opfert ihn dem Hausgott und den Hauspfosten. Im Abe-Distrikt in der Shizuoka-Präfektur DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 149 gießt der Hausherr erst gegen die Daikoku-Säule (Hauptsäule im Hause) Brei aus, sagt Segenssprüche. Dann tun die anderen Hausleute dasselbe, wobei sie sagen: "Warera mo ato kara kayu susuro - auch wir wollen hernach Brei schlürfen". Sie wieder­ holen das an jeder Säule dreimal, bis sie am Schluß wieder bei der Daikoku-Säule ankommen. In Kyushu kennt man einen "Hausbrei" (yagayu) , wird auch beim Neudecken des Daches bereitet. Man mischt zwölf Münzen hinein, in einem Schaltjahr dreizehn. Im Neujahrsbrauchtum steckt man in zwölf Reis­ klöße (mochi) Eßstäbchen, die Klöße heißen dann "beseelter Reis" (mitama no mochi). Ohne Zweifel steht die Zwölfzahl für die Monate des Jahres. Bei den Münzen wird das auch der Fall sein. Auch unter den Opfergaben beim Richtfest sind zwölf Münzen oder zwölf Reisklöße dabei. In einem beim Boden­ schlagen gesungenen Lied aus der Nagasaki-Präfektur ist in einem Vers ebenfalls von zwölf Münzen die Rede. In Bauzere­ monien findet man wiederholt zwölf Münzen. Gewöhnlich werden zwölf Münzen auch der kleinen Figur beigegeben) die als "Bootseele" (Funadamasama) am Fuße des Mastes in einen kleinen Nische untergebracht wird. Also auch hier eine Parallele zwischen Hausbau- und Bootsbauzeremonien. Haus und Boot bekommen eine Seele. Um wieder zum Haus zurückzukehren, in der Iwate-Präfek• tur kennt man einen sumikko-kayu 'Eckenkinder-Brei'. Zwei Kinder, die noch beide Eltern haben, Knabe und Mädchen, läßt man, während sie auf die vier Ecken des Hauses zugehen, Brei essen. Das geschieht am Tage der Neubaufeier, in großen Familien auch bei der Feier, die eine Dacherneuerung abschließt. Das Breiessen ist da Aufgabe von Kindern geworden. Auf den Amakusa-Inseln in der Kumamoto-Präfektur steigt bei der Neu­ baufeier ein Zimmermann auf den Dachgiebel, schöpft mit einem Holzlöffel Brei und bläst ihn mit dem Munde in alle Richtungen herum. In Kyushu nennt man ein gemischtes Gericht norai, ist dialektisch für naorai, bedeutet einen Brei, in dem die Opfer­ gaben vom Hausaltar zusammengekocht wurden und dann von den Leuten gegessen wird.135 Bei einer Hauseinweihung in der Nagano-Präfektur, Shimo-Ina-Distrikt, wird der Brei in einen

135) Die nach einer Götterfeier abgeräumten Speiseopfer werden an die Teilnehmer und Sippenmitglieder verteilt und von diesen ge­ gessen. Das heißt naorai. In vielen Orten in Kyushu nennt man ein gemischtes Gericht zu Neujahr so. In ihm wurden die vom Hausschrein 150 MATTHIAS EDER

Kübel getan und an die Nachbaren verteilt, während man singt: "Emmy8 ch8ja ie utsuri kayu wo susureyo - möge unser Leben lang dauern, wenn wir bei der Übersiedlung Brei schlürfen". Anderswo ist blos gekochter Reis an die Stelle des Breies getre­ ten.136 Es gibt auch Parallelen zwischen Hausbauriten und einigen Jahresbräuchen. Das Bodenschlagen vor dem Hausbau hat sein

abgeräumten Speiseopfer zusammengekocht, so ist sein Name berechtigt. Heute ist das Verzehren der Opfergaben etwas bei einer Feier Neben­ sächliches. Des tieferen Sinnes des Wortes naorai ist man sich nicht mehr bewußt. In naorai, so erklärte man früher, ist naoru enthalten, was die Rückkehr von der Kultfeier in den gewöhnlichen profanen Zustand bedeutete. Die Bedeutung ist aber noch sakraler und naomi kann nicht von naoru abgeleitet werden. In den Ausdrücken nihiname für 'gemeinsam mit den Göttern von den neuen Erntefrüchten kosten' und ohonie für 'große Kostfeier', die nach der Thronbesteigung eines neuen Kaisers im kaiserlichen Palast stattfand, wurde früher das chine­ sische Zeichen für 'kosten' * nafurahi, namurahi gelesen. Die Urform für naomi war dann nafuriahi, namuriahi, bedeutete ein von Göttern und Menschen gemeinsam eingenommenes Mahl und auch Speiseopfer für die Götter. Demnach war naorai ursprünglich bei einer Kultfeier nichts Nebensächliches, sondern stand in deren Mittelpunkt. - Wb. d. Vkde, S. 418, f. 136) Brei spielt im Kult vielfach eine Rolle. Nach Beendigung des Weizensäens ißt man anafusagikayu 'Lochschließbrei', am Tage nach dem taue 'Reispflanzen' ißt man naetorikayu 'Setzlinge-nehmen-Brei' (Gumma-Präfektur, Seta-Distrikt, Fujimura). Das Breiessen hat immer den Sinn von naorai, d.h. eines mit den Göttern gemeinsam genossenen Gerichtes. Bei einer Neubaufeier gibt es auch einen yawatarikayu 'Um­ zugsbrei'. Verschiedene Breiarten. Mit Brei wird ferner kayuura 'Brei­ divination' getrieben. Zum Kleinen Neujahr, heute also Mitte Januar, '"vird mit Brei gute oder schlechte Ernte vorausgesagt. Dafür stellt man zwölf, in einem Schaltjahr dreizehn Bambusröhrchen in den Brei und je nachdem, in welchem Röhrchen Brei und wieviel davon eingedrun­ gen ist, sagt man den Ernteausfall des betreffenden Monates voraus. Man kann auch Holzstäbchen nehmen, spaltet ein Ende davon, steckt sie in den Brei; aus der Anzahl der dann daran haften gebliebenen Reis­ körner stellt man die Ernte des angezeigten Monates fest. Früher wurden solche Divinationen vom Dorf als solchem gemacht oder von einer Stammfamilie für die ganze Sippe. Seit die Familien es für sich einzeln tun und die Ergebnisse verschieden ausfallen, ist der Glaube daran erschüttert. Auch in Schinto-Schreinen diviniert man mit Brei, heißt kudakayu 'Röhrenbrei'. Daß Brei bei Hausbauzeremonien verwendet wird, zeigt wie sakral ein Wohnhaus ist. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 151

Gegenstück im Bodenschlagen am Inoko-Tag (Kalenderangabe) im 10. Monat. Das Sichzurückziehen des Hausherrn und seiner Frau zwecks Enthaltsamkeit geschieht beim Hausbau wie auch jährlich am 4. Tage des 5. Monates. Enthaltsamkeit (monoimi) wird auch vor der Reisernte geübt, dafür eine eigene pro­ visorische Hütte gebaut. Die Meidungsperiode dürfte da eine Vorbereitung für die Begegnung mit der göttlichen Reisseele sein.137 Wo keine Hütte mehr gebaut ist, besteht eine solche in Kinderspielen weiter. Diese und andere Nachrichten aus ver­ schiedenen Gegenden Japans zeigen deutlich, daß auch bei der Hauseinweihung in den zukünftigen Bewohnern eine religiöse Voraussetzung für die Begegnung mit den Göttern im neuen Haus geschaffen werden muß. daß das \Vohnhaus durch die An­ wesenheit von Göttern ein heiliger Ort ist.

IX. Anlage eines Gehöftes, Speicher und andere

~ebengebäude

Die Gehöftftäche beträgt meistens zwischen 100 bis 200 tsubo, also 300 bis 600 Quadratmeter.138 Darauf müssen außer dem Hal~ptgebäude auch mehrere Nebengebäude untergebracht wer­ den. wie Speicher, Badehütte, Dreschhütte, Getreidelagerraum, Ställe für Pferde, Rinder, Schweine und Hühner. Bei Haufen­ siedlung ist die Gehöftfläche kleiner als bei Streusiedlung. In Kinki und Mittel-Honshu, wo Reisfelder schon sehr früh angelegt wurden, herrschen die Haufensiedlungen vor. In Kantn, wo viel Felderwirtschaft getrieben wird, sind die Streusiedlungen typisch, das Gehöft ist hier meistens in einem Wäldchen ver-

137) Wie auch andere Reisbauern denken sich auch die Japaner die Reispflanze beseelt und erweisen ihr kultische Ehren; vgl. M. Eder, "Die Reisseele in Japan und Korea", in: Folklore Studies, Vol. XIV (957), S. 215-244, und Richard Arens, The Rice Ritual in the East Visayan Islands, Philippines, in: Folklore Studies, Vol. XVI (957), S. 268-290, 12 photos. 138) Honda Osamu handelt in seinem Aufsatz Kura sono ta [Speicher und andere Nebengebäude] in: NMD, VI, S. 101-132 zunächst das Gehöft als solches mit Haupthaus und Nebengebäuden, dann Speicher und zusätzliche Hütten im Gehöft, das Eingangstor und die Umfriedung, am Schluß vom Dorf gemeinsam gebrauchte Gebäude. Weiteres Material über Gehöftanlage in: Nihonjin no sumai, S. 17-23; Takeuchi Yoshitaro, Yashiki, matori [Gehöft und Innenraumeinteilung] , in: NMD, VI, S. 21­ 28: Ogura Tsuyoshi, Tohoku no minka [Das Volkshaus von Nordost­ Honshu], S. 68-103; Wb. d. Vkde, Yashiki, S. 632-634. 152 MATTHIAS EDER borgen. In gedrängten Haufensiedlungen werden die Gehöfte durch Lehmwände von einander abgetrennt. An der Straßen• seite liegen Pferdestall und Lagerhütte (naya) , die meistens zu einem Toreingang verbunden werden. Dahinter liegt eine Art Tenne, wo gedroschen und Saat gesichtet wird, und ein Setz­ lingsbeet. Hinter diesem offenen Platz liegt das Haupthaus, in der Nähe davon die Abstellhütte (monooki) und die Badehütte; hinter dem Haus ist der Speicher (dozo). Bei Streusiedlung mit Einzelgehöften liegt der Eingang ebenfalls auf der Straßenseite oder ist durch einen Weg mit der Straße verbunden. Der Toreingang ist meistens ebenfalls mit Nebengebäuden kombiniert, sodaß sich ein sogenanntes nagayamon 'Langhaustor' ergibt. Dahinter ist auch hier ein großer Trockenplatz. Das Haupthaus, zum Süden gerichtet, ist umgeben von einer Abstellhütte, Speicher und Stall. Dahinter ist ein hoher Zedern (sugi) - oder Bambushain als Schutz gegen den Nordwind. Die Nebengebäude können verschieden angeordnet sein. Sie können alle mit dem Hauptgebäude in einer Linie liegen. Das ist der Fall, wenn das Gelände es so erfordert, wie etwa an einem Bergabhang oder am Strand. Wenn die Giebelzahl gering ist, stehen die Gehäude so nebeneinander. Bei vermehrter Giebelzahl macht man zwei Reihen, die im rechten Winkel zu­ einander stehen; oder zwei Reihen schließen sich rechts und links vom HaL~pthaus im rechten Winkel zu diesem an. Auch können eine oder zwei Reihen von Nebengebäuden parallel zum Haupt­ gebäude stehen. Damit dabei das Wohnhaus nicht im Schatten zu stehen kommt, wird davor der Trockenplatz gelegt; die Neben­ gebäude stehen südlich oder auch nördlich vom Wohnhaus. Wenn die Nebengebäude in einer Reihe im rechten Winkel zum Hauptgebäude angelegt sind, geschieht das meistens auf der Ost­ seite, da im Hause die Küche und der ungedielte Boden (doma) mit den Kesselherden meistens auf der Ostseite sind. So ist der Weg zu den Nebengebäuden kürzer. Wenn auf beiden Seiten des Hauptgebäudes rechtwinkelig zu diesem sich die Neben­ gebäude anschließen, sind auf der Ostseite die Gebäude, in denen man am häufigsten zu tun hat: Stall, Düngerhütte, Arbeitshütte. Im Westen liegen Speicher und Abstellhütte. Es kommt auch vor, daß die ganze Gehöftfläche von Gebäuden eingefaßt wird, was sich z.B. ergibt, wenn vorn Speicher (kura, dozo) und Lang­ haustor (nagayamon) sind. Das Haupthaus kann auf drei oder vier Seiten in unregelmäßiger Anordnung von Neben­ gebäuden umgeben sein, wenn Raum und Bodengestalt es so DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 153 notwendig machen. Über die Rolle der Geomantik beim Hausbau wurde oben Einiges gesagt. Das soll hier ergänzt werden durch Angaben über die Rolle der Geomantik in der gesamten Gehöftanlage. Berufsmäßige Geomanten suchen die Dörfer auf. In vielen Dörfern wird heute noch auf sie gehört. In vielen Bauernhäusern verwahrt man auch geomantische Handbücher und den von einem Geomanten angefertigten Grundplan des eigenen Ge­ höftes.139 Zuerst wird der Mittelpunkt des zu bauenden Hauses festgelegt, dann die Lage der Nebengebäude. Auch die vor­ handenen Bäume spielen eine Rolle, müssen eventuell gefällt werden. Am wichtigsten ist das sogenannte "Teufelstor" (oni­ mon) im Nordosten und das "rückwärtige Teufelstor" (ura­ onimon) im Südwesten. Das Teufelstor liegt auf der Verbin­ dungslinie vom Hausmittelpunkt zur Nordostecke des Hauses~ das rückwärtige Teufelstor auf der Verbindungslinie zur Süd• westecke. Hauseingang (genkan) , Latrine und Brunnen dürfen nicht auf diesen Linien liegen, da sonst Unheil folgen würde. Geomantisch umständlich ist der Bau des Speichers. Wenn es sich nicht vermeiden läßt, daß der Speicher im Nordwesten zu stehen kommt, muß er besonders hoch gebaut werden. Die möglichen Maße sind festgelegt. Wenn in Nichtbeachtung aller Regeln der Speicher im Südwesten gebaut wird, muß der Hausherr früh sterben; wenn im Nordosten, dann erlischt die Familie in der zweiten oder dritten Generation. Wenn im Osten oder Südosten ein großer Speicher steht, stellen sich in der Familie häufig Krankheiten ein. Reich wird die Familie nur dann, wenn der Speicher im Westen oder Osten steht; aber auch hier sind nur ganz bestimmte Größenmaße des Speichers zulässig. Über den Mittelpunkt der geomantischen Planung gingen seit alters die Meinungen auseinander. Die einen sagen. es ist der Mittelpunkt des Wohnhauses; andere sagen, es ist der Mittel­ punkt des Gehöftes. NHch wieder anderen liegt dieser Mittel­ punkt im Zimmer des Hausherrn. Auch die Daikoku-Säule wird als Mittelpunkt angesehen. Zuweilen kann der anscheinend abergläubischen Planung praktische Erfahrung zugrunde liegen. In Gonami in der Toyama-Präfektur sagt man: baue den

139) Verf. hat in Aizu solche Bücher und Pläne gesehen, siehe Photo 11, a, b. 154 MATTHIAS EDER

Speicher (dozo) im Südwesten. Es weht in der Gegend vom Gebirge Hakusan her ein starker Wind, was leicht Brand ver­ ursacht. Davor muß das Haupthaus durch den Speicher geschützt werden.

Die Funktionen der Nebengebäude und ihre Verbindung mit dem Haupthause. Für Stroharbeiten und Arbeiten mit Reis und anderem Getreide steht das Gebäude dafür am besten in der Nähe des Gehöftzuganges und nahe am Haupthause; auch zum Abstellen von Wagen und Ackergeräten und zum Lagern von Brettern, Bauholz etc. empfiehlt sich für die Hütte dafür diese Lage. Zur Viehhaltung ist Sonne nötig und Nähe zum Haupthaus. Die Düngerhütte ist daneben. Daran schließt sich die Latrine, die aber jetzt so gelegt wird, daß der Sommerwind den Gestank nicht in das Haus trägt. Die Brennholzhütte, der Speicher für Bohnen­ lTIUS (miso) , Soya-Sauce und eingepöckeltes Gemüse liegen am besten in der Nähe der Küche. Der Speicher soll den Winterwind abhalten, aber dem Wohnhause die Sonne nicht wegnehmen; sonst ist es gleich, wo er steht.140 An Speichern gibt es mehrere Arten. Seit Speicher mit Mörtelverputz aufgekommen sind, wird zwischen Speicher (kura, dozo) und Abstellraum (monooki) unterschieden. Es gibt Speicher für Reis und anderes Getreide, für Bohnenmus, für Soya-Sauce (shoyu) und für eingepöckeltes Gemüse (Salz­ gemüse, tsukemono) und für die feuersichere Verwahrung von wertvollem Familienbesitz. In einem Speicher kann auch ein Wohnzimmer (kurazashiki) eingerichtet werden. Austragleute ziehen sich häufig in einen Wohnspeicher in einer Gehöftecke zurück. Es gibt auch Grubenspeicher. In Shimono in Kawachi, Osaka-Präfektur hat man in einer Gehöftecke 2-3 Fuß tiefe, mit einem einfachen Dach überdeckte Gruben, in denen die Bauern im Winter Stroharbeiten verrichten. Ähnliche Hütten gibt es auch in der Gegend von Suwa in der Nagano-Präfektur. Da diese Gegend 800-1000 m über dem Meere liegt, ist es der Kälte

140) über Speicher und andere Nebengebäude eigener Aufsatz von Honda Osamu, Kura sono ta, siehe Anm. 138; Nihonjin no sunwL S. 129­ 131. Zitierte Autoren über das Bauernhaus, z.B. Ishihara Kenji, bieten ebenfalls Material über Speicher und sonstige Nebengebäude. DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 155 wegen im Winter nicht möglich, im Freien Arbeit zu verrichten. Man wählt eine sonnige Stelle aus, hebt eine 3 Fuß tiefe recht­ eckige Grube aus, macht mit drei Pfosten ein Dachgerüst mit der Stirnseite im Süden, darüber auf der Ost- und Westseite ein Dach aus Stroh und Lehm. In dieser Grubenhütte verfertigen die Männer aus Stroh Sandalen, Schneeschuhe, Seile, Matten und Körbe für Seidenraupenzucht. Zusammen mit derlei Arbeiten gehen heute auch diese Grubenhütten ein. Zu anderen Jahreszeiten dienten sie als Lagerplatz für Einmachgemüse. In Kitamura in Suwa, Nagano-Präfektur, sind solche Hütten sehr solide gebaut. In einer Gehöftecke wird 2-3 Fuß tief eine recht­ eckige Grube ausgehoben, an den Wänden werden Steine herumgeschichtet, je ein Pfosten vorn und rückwärts in der Mitte dient als Stütze für das Dach, das auf den Boden herunterreicht und vom Boden bis etwa zur Mitte hinauf mit Erde bedeckt wird. Der Eingang ist auf der Südseite. Der Innenraum mißt ungefähr 7 X 9 Fuß. Die Höhe vom Fußboden in der Hütte bis zunl Giebel beträgt 6-7 Fuß, also zirka 2 m. In Shiraito in Suruga, Shizuoka­ Präfektur, sieht man in Bauerngehöften ähnliche Hütten für Salzgemüse, etwa 1 Fuß und 5 Zoll tief im Boden, an den Wänden herum sind Feldsteine aufgehäuft, reichen 1-2 Fuß über die Ober­ fläche hinauf; auf diesen Steinen ruht der untere Dachrand auf. Die Hütten werden hier das ganze Jahr über zum Lagern von Salzgemüse gebraucht. Blockhausspeicher (azekura). - Eines der wertvollsten Museen der Welt, die kaiserliche Schatzkammer Shosoin in Nara ist ein Blockhausbau. Sie wurde 756 im Bezirk des Tempels Tüdaiji gebaut und enthält viele Objekte aus der Blütezeit der Nara-Periode (724-748). In Berggegenden baut man einfache Blockhäuser mit runden Hölzern, an denen die Luft durch die Spalten durchzieht. In der feuchten Zeit schließen sich die Spalten etwas. Die Hölzer sind 3-6 Zoll stark, bei den eigentlichen Blockhäusern (azekura) sind sie stärker. Bei letzteren läßt man die Enden der Balken der Längsseite einwenig vorstehen. Die Balken der Schmalseite sind in einer Kerbe an denen der Längs• seite eingepaßt (verzapft). Eine Abart der Blockhäuser, die man seiro-Bau nennt, hat zwischen den Balken keinerlei Zwischen­ raum. Das feste Aneinanderfügen der Balken geschieht mittels Holzstiften, die in Abständen von 3 Fuß ins Holz 1 Zoll tief ein­ gelassen sind. Die Enden der Balken der Schmalseiten sind; wie bei einem azekura (Blockhaus mit Lüftungsspalten) , in Kerben an denen der Längsseiten eingefügt. Die Balkenenden stehen 156 MATTHIAS EDER etwa 2 Zoll vor. Zum Bau wird Kastanien- oder Kiefernholz gebraucht. Es gibt auch zweistöckige Speicher von dieser Bauart, deren Wände 3% bis 4% m hoch sind. Sowohl der untere wie der obere Raum hat einen Bretterboden. Unten wird Getreide gelagert, oben werden Schränke und anderer Hausrat unter­ gebracht. Wenn die Seitenwände sehr lang sind, wird in ihrer Mitte ein Pfosten gebraucht, an dem die Balken in eine Rinne eingefügt sind. Statt Balken nimmt man auch Bretter, die in eine Rinne an den Eckpfosten eingefügt werden. Außerdem ver­ bindet man die Balken horizontal mit Hölzern, an denen die Balken senkrecht befestigt werden. An derartige Speicher mit gezimmerten Wänden (azekura und seirozukuri) und an Speicher mit Bretterwänden (itakura) streicht man zur Feuerabwehr auch Mörtel, sodaß sie ganz wie verputzte Speicher (dozo) aussehen. Wenn ein Bretterspeicher weit genug vom Wohnhause entfernt ist, sieht man von dieser Sicherung ab. Wenn an einen gezim­ merten Speicher Verputz aufgetragen wird, werden in die Wände viele Holznägel eingeschlagen, die dann mit straff gespannten Kordeln verbunden werden. So hält der Verputz besser. Aus dem Verputz schauen zuweilen die Längsbalken eines gezim­ merten Speichers hervor. Es gibt auch Kombinationen von gezimmerten Speichern und mit Brettern verschalten Speichern, z.B. wenn die Bretter in einer Rinne an den Pfosten eingepaßt sind oder wenn die vier­ eckigen horizontalen Balken schon eher Latten gleichkommen. Gezimmerte Speicher gibt es viele in Shinano und Kai und über• haupt in den Bergen von Chfibu (Mittel-Honshil), besonders in schon in der alten Zeit entstandenen Dörfern. Das Shosoin, die kaiserliche Schatzkammer in Nara, ist nur ein Beispiel von vielen. In der Yamagata-Gegend haben die mit Mörtelverputz versehenen Speicher (dozo) noch eine eigene Bretterverkleidung zum Schutze des Wandverputzes gegen Verwitterung. Die Bretter­ einfassung nennt man saya 'Scheide'. Wenn Dach und Wände so eingefaßt sind, spricht man von einer honzaya 'eigentliche, wirkliche Scheide'; wenn nur das Dach so eingefaßt ist, nennt man das eine nosezaya 'aufgesetzte Scheide'. Die verputzten Speicher der Yamagata-Gegend haben an der Innenwand Bretter, die in die Pfosten eingelassen sind. Zwischen den Pfosten sind Querhölzer angebracht, an diesen werden Rebranken gespannt, darüber wird Mörtel dick aufgetragen. Ist eine Feuersicherung. Speicher mit Mörtelverputz (dozo 'Lehmspeicher') .- Das Auftragen eines dicken Mörtelverputzes dient der Feuer- DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 157

sicherung. Wenn für Durchzug gesorgt wird, ist das Innere eines solchen Speichers Feuchtigkeitsschwankungen wenig ausgesetzt. So sind die dozo geeignet für Lagerungen. Die Mörtelschicht hält warm, im Sommer kühl. Wenn der Eingang auch ent­ sprechend gebaut wird, ist die Feuergefahr gebannt. Diese Speicher werden für die Lagerung von Reis und Seidenraupen­ kokons besonders bevorzugt. Beim Bau eines solchen Speichers wird erst mit Zypressen­ oder Zedernholz die Basis und das Pfostengerippe erstellt, auf die Hölzer wird, außer auf der sichtbaren Innenseite, ein schwarzes Chemikal gegen Fäulnis aufgestrichen. Die Pfosten kommen in Abständen von 3 Fuß zu stehen. In Abständen von je 2 Fuß sind Querhölzer (nuki) angebracht; oberhalb und unter­ halb dieser Querhölzer werden in Abständen von 2 Zoll Bambus­ stifte von 1 Zoll Stärke in die Pfosten eingeschlagen. An diesen Stiften werden dünne runde Bambusstäbe mit Palmfaserkordeln angebunden. Darüber wird eine 6-7 Zoll dicke Mörtelschicht aufgetragen. Ein Nachteil dieser Art Speicher ist die geringe Wasser­ widerstandsfähigkeit der Außenseite. In Schneegegenden wer­ den deshalb die Wände zusätzlich mit Brettern verschalt. Kommt auch vor, daß man gegen Regenanschlag nur den unteren Teil der Wände verschalt. Auch sieht man Speicher, an denen der größere Teil der Außenwände mit rautenförmigen dünnen Ziegelplatten belegt ist, deren Ränder mit wulstig aufgetragenem, blendend weißen Verputz verstrichen werden. Solchen Wand­ belag sieht man vielfach noch an Gebäuden von alten Daimyo­ Residenzen, z.B. am Akamon, dem stattlichen Eingangstor der Tokyo-Residenz der Daimyo aus dem Hause der Maeda von Kaga, jetzt Eingang zur Staatsuniversität von Tokyo. Bei der Herstel­ lung dieser mit Ziegelplatten geschützten Wand, genannt nama­ kokabe 'Edelmörtelwand', werden erst an die Außenfläche der Pfosten schräg Querhölzer angenagelt. Daran befestigt man die etwa 1 Quadratfuß großen und 6-7 bu (gut 1 cm) dicken Ziegel­ platten. Diese haben an den vier Ecken Löcher für die Bambus­ nägel zum Befestigen. Die Nägel werden gehärtet, indem man man sie erst eine Weile in erhitzte Reiskleie gibt. Die gehärte• ten Nägel werden vor dem Gebrauch mit Palmfasern oder mit Hanf umwickelt. Der weiße Verputz, mit dem die Ränder der angenagelten Ziegelplatten verstrichen werden, macht das Ein­ dringen des Regens unmöglich. Heute kommen immer mehr in Konkrit gebaute Speicher auf, die mit Ziegelplatten umkleideten 158 MATTHIAS EDER

Speicher werden immer seltener, die jüngeren Maurer verstehen sich nicht mehr auf deren Technik. Steinspeicher. - In an geeigneten Steinen reichen Gegenden baut man auch Speicher aus Steinen. Da Steine ein guter Wärmeleiter sind, muß in solchen Speichern gut für Luft­ regulierung gesorgt werden. Dieser dient z.B. das doppelte Dach, das man übrigens auch an den mit Mörtel verputzten Speichern hat. Der Abstand zwischen den beiden Dächern ist so groß, daß ein Mensch durchkriechen könnte. Die Hitze des oberen Daches wird nicht auf das Innere übertragen. Die Bausteine werden erst gut gewaschen, dann aufeinander gelegt und mit Zement ver­ bunden. Zur Verstärkung gebraucht man auch steinerne oder eiserne Zapfen. Man baut auch zweistöckig; unten wird dann Reis gelagert, oben Hausrat, wie Schränke () und Truhen (nagamochi). Der Erdbebenwiderstand dieser Stein­ bauten ist gering, beim großen Erdbeben in Kantö 1923 stürzten viele ein. Hochspeicher. - Auf Pfählen stehende Speicher Init hoch über der Erde angebrachtem Boden, daher "Hochspeicher" (taka­ kura) genannt, findet man häufig noch auf der Inselkette von Izu, auf den Ryukyu-Inseln und in Satsuma in Süd-Kyushu. Hier sollen die Hochspeicher von Hachijöshin1a in den Izu-Inseln be­ schrieben werden. Man nennt sie dort einfach kura Speicher' oder itakura 'Bretterspeicher', ashiagekura 'pfahlspeicher', wört• liche 'Speicher mit erhöhten Beinen'. In Hachijöshima haben die Speicher vier bis sechs, in Okinoerabushima in den Ryukyu­ Inseln acht Pfosten. Der Bretterboden liegt zirka 4 Fuß (1,20 m) hoch. Man steigt auf einer Leiter mit etwa vier Stufen hinauf. Vielfach ist die Leiter ein natürlicher Baumstamm, in den Stufen eingekerbt sind. Der erhöhte Boden dient dem Luftdurchzug und der Rattenabwehr. An den oberen Enden der Pfosten sind dicke, runde Bretterscheiben horizontal angebracht, die mit dem Speicherboden nicht in Berührung kommen, heißen nezumikaeshi 'Rattenzurückschicker'. Die an den Pfosten hochgekrochenen Ratten müssen an den Scheiben umkehren. In Bodenhöhe steht um den Speicher ein Brettergesims vor. Die Speicherwände sind alle aus Brettern gezimmert, das steile Dach ist mit Riedgras bedeckt. Unter dem Speicherboden ist es kühl) hier wird in Ryu­ kyu, wo der Boden höher liegt, gedroschen und gemahlen. Weitere Nebengebäude sind Hütten für verschieden Zwecke. Zum Mahlen und für Stroharbeiten wird vielfach eine eigene Hütte gebaut, die koya 'Hütte' genannt wird, zum Unterschied DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 159 von naya 'Abstellraum', der auch eine Hütte ist. Die koya kann auch für Viehzucht dienen. Es kann auch im Abstellraum ein Platz zum Arbeiten geschaffen werden. Der Boden ist dann nur zum Teil gedielt, heute oft Zementboden. Gelagert werden vor allem Ackergeräte und Stroh. Wenn ein zweiter Stock vorhan­ den, wird darin das Stroh untergebracht. Die Düngerhütte hat heute häufig einen Zementboden, auch die Wände sind über 6 Fuß Höhe Zement. Das übrige ist Holzbau. Die Düngerhütte nimmt Fäkalien und Urin auf. In den älteren Düngerhütten ist ein großer Bottich in den Boden eingelassen mit einem Pultdach darüber. Oft sind Latrine und Dungloch verbunden, jedenfalls ist die Latrine in der Nähe, sodaß sich die Fäkalien im Bottich sammeln. Für Schafe und Ziegen hat man meistens nur ein Dach, das auf in den Boden gesteckten Pfosten ruht. Für Rinder und Schweine dient ein Bretterverschlag. Eine weitere Hütte schützt Zeug- und Brennholz vor Regen. In einer Gehöftecke ist die Aschenhütte. Asche ist als Dünger wichtig. In den Bergen von ChD.bu (Mittel-HonshD.) haut man die Aschenhütte aus Steinen, darüber kommt ein Dach aus Reisig oder Erde. Reisig wird eigens zur Düngerbereitung verbrannt. In Strandgegenden be­ treiben die Fischerfamilien auch Reisbau und die Bauern Fischerei. Die Netzhütten haben vielfach Bretterwände. In sandigen Gegenden ist der Boden hoch, es wird gegen Wellen und Ratten Vorsorge getroffen. Von den Boothütten haben die ganz einfachen nur aufgeschichtete Steine als Wände, darauf ruht ein kleiner Dachstuhl mit Strohdach. Das Innere ist geräumig, zirka 30 Fuß lang, sodaß ein Boot untergebracht werden kann. Es gibt auch Hütten, die zwei bis drei Boote fassen. Die ganz guten haben Zementboden und einen sorgfältig gezimmerten Dachstuhl. Abseits vom Dorf baut man Berg- und Waldhütten, die nur im Sommer benützt werden. Sie sind ähnlich wie Bauernhäuser gebaut. Kolonistenhütten bieten nicht viel mehr wie Wetter­ schutz. Sie haben nur eingerammte Pfosten, das Dach ist mit Bambus oder Reisig gedeckt mit Erde darüber. Sie bieten nur Unterkunft für die Nacht, bis ein richtiges Wohnhaus gebaut ist. In den Bergen gibt es Blockhäuser für dort lebende Leute wie Holzfäller. Solche bessere Hütten baut man erst, nachdem man mehrere Jahre in den Bergen gelebt hat und sich dort dauernd niederzulassen gedenkt. Die einfacheren haben nur in den Boden eingelassene Pfosten, über die Balken zu liegen kommen, die 160 MATTHIAS EDER das Dach tragen. Das Dach ist mit Zedernrinde gedeckt. Die Wände sind mit Ästen gemacht, die Tür aus Rinde. Wird ein dauerndes Haus gebaut, legt man das dafür übliche Fundament, auf das die Pfosten gestellt werden. Das Dach wird mit Rinde gedeckt, Bretter bilden die Wände. Im Innern ist ein Feuerplatz, den schon die provisorische Wohnhütte gehabt hat. Die Mühlenhütten haben eingelassene Pfosten, Rindendach und Mattenwände. Gemeinsam benützte Mühlen sind besser gebaut, haben Bretterwände und ein großes Strohdach. Gehöfttor und Umfriedung. - Zusätzliche Bauten in einem Bauerngehöft können ein Gehöfttor und eine Umfassungsmauer sein. Meistens sind Gehöfte mit einer lebenden Hecke eingefaßt. Es kann aber auch eine Umfriedungsmauer mit weißem Verputz sein. Der Eingang zum Gehöft ist meistens durch zwei Pfosten gekennzeichnet. Tore mit vier Pfosten, auf jeder Seite zwei mit einem Dach darüber, war früher nur für Häuser von Rang ge­ stattet. Eine Stufe höher im Rang stehen Tore mit sechs Pfosten und Satteldach. Ein ganz feudales Tor ist ein sogenanntes naga­ yamon 'Langhaustor', bei dem sich links und rechts vom Tor Zimmer anschließen, Tor und Zimmer unter einem großen Dach. In den alten Samurai-Gehöften wohnte darin Dienstpersonal. In Bauernhäusern wohnen heute in diesen Räumen Knechte oder sie sind Rinderstall, Arbeitsplatz oder Abstellraum. Im Nara­ Becken hat man rechts vom Tor einen Rinderstall. Das große Tor unterscheidet sjch nicht viel von dem am Haupthause, wie auch das ganze Langhaus fast wie das Haupthaus ausschaut. Die Wände sind mit weißem Mörtel verputzt, der untere Teil ist häufig mit getünchten Brettern verschalt. Vornehm ist es, Wände mit Rautenmuster zu haben, also solche mit aufgenagelten Ziegel­ platten, deren Ränder mit wulstig aufgetragenem weißen Ver­ putz verstrichen sind. Auch dann kann der untere Teil der Wand mit Brettern verschalt sein. Kleine Fenster als Ausguck sind auch häufig.

Seidenraupenzimmer Beim Hausbau wird auch an ein Zimmer für Seidenraupen­ zucht gedacht.141 Mit dem Wandel der Zuchttechnik wandelte

141) Darüber Aufsatz von Kon Wajiro und Takeuchi Yoshitaro, Yosan gijutsu no hensen ni tomonau kaoku no henka [Wandel des Bauernhauses unter dem Einfluß des Wandels der Seidenraupenzucht­ technik] , in: Minzokugaku kenkyu [Völkerkundliche Studien], Showa DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 161 sich auch dieses Zimmer. Früher hielt man Seidenraupen im Dachboden auf Bambussplissen. Seit etwa Meiji 30 (1898) richtete man der besseren Erwärmung wegen ein Raupenzimmer ein. Man baute das Wohnhaus so, daß die Zimmer in den Zucht­ zeiten zu einem einzigen großen Raupenzimmer umgewandelt werden konnten. Die Zimmer wurden und werden noch womög• lich je 10 tatami groß gemacht, was ungefähr 2,5 Quadratmeter ausmacht. Es ist dafür gesorgt, daß der Wind von Norden nach Süden durchziehen kann. Ferner ist von Norden nach Süden eine Veranda gebaut, weil diese praktisch ist für die Versorgung der Seidenraupen mit Maulbeerblättern. Seit etwa 1925 fing man an, die jungen Raupen in einem dicht abgeschlossenen Zimmer zu züchten, weil sie in einem solchen stärker werden. So baute man eine eigene Maulbeerblätterhütte. Die Zucht im Wohnhaus herrscht aber immer noch vor.

Gemeinsam gebrauchte Gebäude: Dorfspeicher und Jung­ gesellenhäuser. Ein Dorfspeicher ist ein Getreidespeicher für schlechte Ernte. Auf dem Lehmboden sind Säulen aufgestellt, die Wände sind aus Brettern gebaut oder nach Art der Speicher mit Lehmverputz über einem Bambusgitter. Wenn Bretterwand, werden keine Nägel gebraucht, sondern starke Bretter werden in Rillen an den Pfosten eingefügt. Bei trockenem Wetter schrumpfen sie ein und dehnen sich bei feuchtem Wetter aus, wodurch sich der Luft­ durchzug von selber regelt. Der Boden ist mit Brettern belegt, die entweder befestigt oder einfach aufgelegt sind. Auch un­ gedielter Boden kommt vor. In solchen Speichern werden Säcke mit noch nicht enthülstem Reis gelagert. Der Dachstuhl ruht nur auf den Balken den Seitenwänden entlang, die Schmalseiten unter dem Giebel haben keine solchen. Die Dachsparren (taruki) verbinden Giebel und Längsbalken, auf denen sie anstehen. Wie bei den Speichern mit Lehmwänden gibt es auch doppelte Dächer. Kleine Fenster dienen der Regulierung des Durchzuges. Größere Speicher haben zwei Räume, in einem ist ein Dreschplatz und in einer Ecke ein festgebauter Verschlag, in dem der unge­ hülste Reis gelagert wird; der andere Raum dient für Versamm-

11 (1936). Honda Osamu gibt davon eine Zusammenfassung in seinem Aufsatz Kura sono ta [Speicher und andere Nebengebäude], in: NMD, VI, S. 125, f. 162 MATTHIAS EDER lungen und hat einen Feuerplatz (ra). Der gemeinsame Speicher wird gebraucht, wenn der Ernteertrag so gering ist, daß sich die Lagerung des Reises und die damit verbundene Mühe im eigenen Speicher nicht lohnt. Junggesellenhäuser. - Vom 15. oder 17. Lebensjahre an er­ halten Knaben ihre Schulung als Erwachsene. Das geschieht in ein~m eigenen Hause, wo sie auch schlafen. Mit dieser Aufstellung müssen wir uns aber ein gutes Stück in die Vergangenheit zurück• versetzen. Vereinzelt leben Knaben heute noch in Junggesellen­ häusern, nämlich wo Kräfte für gemeinsame Arbeiten benötigt werden, wie etwa in Fischerdörfern. In Shikoku, Köchi-Präfek• tur, Distrikt Hara ist Hausnummer 1307 des Dorfes Yoshina in der Nähe der Stadt Sukumo so ein altes Junggesellenhaus. Man nennt es dort tomariya 'Übernachtungshaus'. Es ist eine Hütte mit hoch gebautem Fußboden (takatoko). Sie steht in der Sied­ lung an beherrschender Stelle, diente vielleicht einmal auch zur Sicherheitswache. Ihr Alter steht nicht fest, soll Meiji 14 oder 15 (1882-1883) umgebaut worden sein. Nach Baustilkriterien dürfte sie Ende der Edo-Zeit, also vor 1868 gebaut worden sein. Die Hütte hat einen quadratischen Grundriß, eine Seite ist 12 Fuß lang. Der Fußboden liegt 2,4 m hoch. Große Kastanienstämme bilden die tragenden Pfosten. Man steigt auf einer Leiter hinauf. Der Raum oben hat keine Decke und ist nach allen vier Seiten offen, nur Papierschiebewände (shaji) sind vorhanden, vor die Bretter zum Regenabhalten (amado) geschoben werden können. Tagsüber ist der Raum mit diesen Brettern verschlossen, die abends zur Seite geschoben werden bis in die Zimmerecken, wo sie in den tobukuro 'Türsäcken' eng hintereinander zu stehen kommen, wie das auch bei solchen Regenschutzbrettern an ge­ wöhnlichen Wohnhäusern geschieht. Das Dach ist ziegel­ gedeckt. Seit 1956 steht das Gebäude unter staatlichem Denkmal­ schutz.

x. Wasserversorgung Trink- und Kochwaser sind für den Haushalt am wichtigsten, dann braucht man noch Wasch- und Badewasser.l42 Die Ver-

142) über die Wasserversorgung des Bauernhauses berichtet gut Miyamoto Tsuneichi in seinem Aufsatz ldo to mizu [Brunnen und Wasser], in: NMD, VI, S. 165-188. über Koch-, Nutz- und Trinkwasser Auskunft in Nihonjin no sumai unter Kapitel Mizuya to kamaya [Wasser- DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 163 sorgung mit Trinkwasser wird entweder durch eine Wasserleituüg oder durch einen Brunnen im Gehöft gesichert. Oft steht eine Quelle zur Verfügung, auch Regenwasser wird aufgefangen und verwertet. Die Kunst, Brunnen zu graben, war schon im Altertum bekannt. Während des letzten Krieges hat man den Bereich des Kashiwabara-Schreines erweitert indem man einen Teil des Ge­ bietes der alten Fujiwara-Hauptstadt143 einbezog. Bei den Bau­ arbeiten stieß man auf zehn Brunnen der alten Haupstadt, deren kunstgerechter Bau der Wände Staunen erregte. Die Brunnen waren mit Holz eingefaßt, einige waren rund, andere viereckig. Es scheint in Planken gespaltenes Zedernholz gewesen zu sein. Der Durchmesser der Brunnen war entweder von oben bis unten gleich oder die Brunnenwände wiesen zwei Stufen auf, verengten sich nach unten. Einige Brunnen waren rund, bei anderen war die obere Hälfte viereckig, die untere rund. Der Boden war aus gebranntem Ton, tellerförmig, vielfach mit gebrannten Schrift­ zeichen versehen. Bei manchen Brunnen war auf dem Boden Sand oder Kiesel gestreut. Brunnen waren also schon vor gut 1200 Jahren in die Stadtplanung einbezogen. Im 1. Buche des Many6shil144 findet sich ein Gedicht über die Fujiwara-Brunnen (Fujiwara no mi-i no uta) , das die natürlich schöne Stadtanlage der Fujiwara-Residenz (Fujiwara no miya) und darin auch das klare Wasser der Brunnen (mi-i no shimizu) rühmt. Das In­ teresse an guten Brunnen war damals groß. Die Arbeiter, die die alten Brunnen in Kashiwabara ausgruben, stammten aus der Mie­ Präfektur. Als sie die tellerförmigen Böden der Brunnen sahen, sagten sie: "Auch in diesen Brunnen sind Augen". Es ist in der Mie-Präfektur heute noch Sitte, in die Brunnen "Augen" zu tun. In der Yamato-Gegend tut man Schalen (wan) hinein. In den Bergen des Senhoku-Distriktes in der Ösaka-Präfektur legt man

hütte und Kesselhaus], S. 117-119; über allerlei Wasserquellen ibid., S. 8-12; Geschichtliches über Brunnen bei Miyamoto Tsuneichi, a.a.O., S. 176-178; über Verwertung von Regenwasser, ibid., S. 170-174; über Quellwasser und fließendes Wasser, ibid., S. 174-176; über die Entwick­ lung von Brunnen im Gehöft, ibid., S. 174-178; über Waschplätze, ibid., S. 179-182; über religiöse Riten und Vorstellungen in Beziehung mit Wasser, ibid., S. 186, f., darunter Bachgottfest und Brunnen- und Wasser­ gottverehrung. 143) War Hauptstadt von 694-710 unter Kaiserin Jit6, Kaiser Mom­ m u und Kaiserin Gemmei. 144) Sammlung von 4000 Gedichten aus dem 7. und 8. Jahrh. bis 760. 164 MATTHIAS EDER auf den Brunnenboden nicht selten einen Bronzespiegel. Der obere Brunnenrand war in der alten Zeit ein Holzrahmen, gelegentlich roh gebrannte Kerarnik, solche kamen auch in Kashi­ wabara zum Vorschein. In Yamato und Kawachi wurden einer alten Tradition gemäß viele Brunnen rundröhrig aus Steinen gebaut statt aus Holz­ planken. Andere haben nur in ihrer unteren Hälte Steinwände. Es gibt Brunnen mit überfließendem Wasser oder hohem Wasser­ stand; dann solche mit einem Schöpfeimer zum Aufundabziehen. Auf den Goto-Inseln der Nagasaki-Präfektur nennt man über• fließende Brunnen tsubokawa 'Krugbach', der Brunnen ist wie ein Krug, den ein Bach ständig gefüllt hält. Das soll die älteste Brunnenart sein. Der Boden ist nicht tief, an seinen Umfassungs­ rand sind einfache Steine gelegt, man schöpft Wasser mit einem Schöpflöffel. In Kyushu nennt man solche Brunnen allgemein kawa 'Bach'. Andernorts nennt man auch Brunnen mit tiefem Boden so. An solchen Orten nennt man einen fließende Bach goro (Okinawa), kawara (überall in Kyushu) zur Unterscheidung. Brunnen werden stellenweise auch in Setonaikai (Gebiet der Inlandsee) und auf Izu-Öshima kawa 'Bach' genannt. Für tiefe Brunnen ist das Wort tsurui 'Ziehbrunnen' (tsuru-i) weit ver­ breitet. Solche Brunnen findet man im Osten bis hinauf zur Fukushima-Präfektur, ihre dichteste Verbreitung haben sie aber in West-Honshu. In der Tokyo-Präfektur, Nishitama-Distrikt, Hamuramachi, Gonokami sieht man ein klassisches Beispiel eines Brunnens der Kanto-Gegend. Man gräbt ein muldenförmiges Loch mit einelll Durchmesser von etwa 10 m, am Boden der Mulde hebt man ein etwa 6 m tiefes Loch aus, aus dem mit einem Eimer an einem Rad Wasser geschöpft wird. Ein gewundener Weg führt zu diesem Brunnen hinunter. Dieser Windungen wegen wird ein solcher Brunnen maimaizui 'Schneckenbrunnen' genannt. Die Leute der Siedlungen des Tama-Flusses verlegen der jährlichen Hochwassergefahr wegen ihre Wohnungen auf eine Terasse, wo das Grundwasser sehr tief liegt. Die eben beschriebenen Brunnen lassen sich in dieser Gegend 1200 Jahre zurückverfolgen. Ähn­ liche Brunnen sieht man auf Inseln südlich von Amami-Öshima, dort kurago 'dunkler Bach' genannt, worin Bach wohl Brunnen bedeutet. Dort führt eine Treppe zum Brunnen hinunter. Auf vielen Amami- und Ryukyu-Inseln stehen in einiger Tiefe Korallen an. Man schmiltzt dieses Gestein, macht darunter ein Loch, in dem sich Wasser ansammelt. Der Zugang zum Loch wird DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 165 dort erweitert, ein Weg hinunter angelegt, im Loch Wasser geschöpft. Die Dunkelheit muß man mit einer Kerze erhellen. So ist auf diesen Inseln die Wasserversorgung umständlich. Diese "Dunkelbrunnen" (kurago) liegen nicht selten abseits der Wohnhäuser. Die Wasserversorgung durch Grabungen, Zerschlagen von Gestein, Anlage von unterirdischen Brunnen zu sichern ist seit alter Zeit vielerorts ein dringendes Problem, das nur in Gemein­ schaftsarbeit gelöst werden kann; am schwierigsten ist es in Dörfern an Strandgegenden und auf Inseln. Sh6wa 29 (1955) wurden die Nutzwasserverhältnisse aller abgelegenen Inseln des Landes untersucht. Nach dem dabei zusammengebrachten Material beziehen mehr als die Hälfte der Haushalte ihr Wasser von Brunnen, die fast alle Gemeinschaftsbrunnen sind. Das Ver­ hältnis von Haushalten und Brunnen ist nicht einheitlich. Auf den Goto-Inseln, Fukueshima, Nagate haben 130 Familien drei Gemeinschaftsbrunnen. In Motoyama, ebenfalls auf den Goto­ Inseln, haben 250 Familien gemeinsam drei kleine Brunnen. Auf der Insel Tsushima, SagalTIUra haben 300 Familien zwei Brunnen, in Minemura 150 Familien einen Brunnen. Das sind Extremfälle. Wassermangel führt die Bewohner in Brunnenvereinigungen zusammen. In Fukueshima in den Goto-Inseln und auf Kami­ shima in der Mie-Präfektur ist die Reihenfolge des Wasser­ schöpfens festgelegt, man gibt Reihenfolgenkarten aus. Wenn sich Wasser gesammelt hat, muß man gegebenenfalls auch nachts schöpfen gehen, wenn man an der Reihe ist. In Sagamura auf Tsushima lebten vor 500 Jahren schon 500 Familien, das Wasser­ problem ist alt. Im Notfall behilft man sich mit Regenwasser. Die Sieben Izu-Inseln sind klein, der Strand ist felsig und steil. Wie auch in Fukueshima auf Goto herrschen lehmiger Boden und vulkanisches Gestein vor, das Wasser dringt nicht ein, so ist wenig Grundwasser vorhanden. Fließendes Wasser ist ebenfalls sehr knapp. So gewinnen Regen- und Tauwasser erhöhten Wert. Um des Regenwassers habhaft zu werden, wendet man verschiedene Verfahren an. Häufig sieht man Reisstrohbündel übereinander gestülpt oder zu Tauen verarbeitetes Stroh, die Wurzeln schauen nach oben, wenn die Bündel oder Taue um einen Baumstamm gewunden sind. Von den Asten fließt das Wasser zum Stamm, gelangt ins Stroh, fällt von den Ahrenenden in einen Behälter. Das ist in regenreichen Gegenden das einfachste Verf!ahren, Regenwasser zu sammeln. Kohlenbrenner in den Bergen wenden 166 MATTHIAS EDER es ständig an. In Miyakeshima in den Sieben Izu-Inseln und in Okinawa nennt man so gewonnenes Wasser kimizu 'Baumwasser'. In Okinawa wickelt man vielfach breite Baumblätter um den Stamm, in Süd-Satsuma Seile. Ein fortschrittliches Verfahren ist das Auffangen des Regen- wassers, das vom Dache fließt. Das geschieht mit Dachrinnen (toi) aus Bambus oder Holz, die das W,asser in einen Bottich leiten. Dafür müssen die unteren Ränder des Stroh- oder Ried­ grasdaches horizontal geschnitten werden. Die Dachdecke kann sonst auch schräg geschnitten werden. Von Kinki bis Nord­ Kyushu sind die Dächer vielfach schräg geschnitten; von Chubu nach Osten, besonders an Häusern auf Terassen und Inseln sind sie horizontal geschnitten, viele Familien verwenden Regen­ wasser. Obwohl es häufig eine Farbe hat wie Tee, wird es als Trinkwasser gebraucht. Wo besseres Trinkwasser zu haben ist, nimmt man Regenwasser nur zum Baden, Waschen und Putzen. Es wurden 82 Märkte und Dörfer auf abgelegenen Inseln untersucht, wo kein Unterschied zwischen Trink- und Wasch­ wasser gemacht werden kann und pro Person und Tag weniger als 36 Liter Wasser zur Verfügung stehen. Auf den wasser­ knappen Goto-Inseln, in den Ortschaften Fukuemura und Saki­ yama, dann in Fukamimura auf der Insel Amakusa in Kyushu kann pro Person und Tag nicht viel mehr wie ein Liter verbraucht werden. In Sakasegawamura auf der Insel Amakusa, dann stel­ lenweise auf den Izu-Inseln mit Hachijoshima sind es zirka 6 Liter; in der Kagoshima-Präfektur, Koshikishima, und in Sakito­ mura in der Nagasaki-Präfektur 7,20 Liter. Die gemachte Er­ hebung fand 17 Ortschaften mit 9 Liter. Daß pro Person und Tag weniger als 18 Liter vorhanden sind, traf in 60% der Fälle zu. Am meisten Wasser ist für Bad und Wäsche notwendig. Zum 'Vaschen wird im ganzen Lande das Wasser vom Bad (juro) oder fließendes Wasser gebraucht. In den Jahren nach 1912 ging man im Bergland von Yoshino monatlich einmal ins Bad.145 Auf den Inseln der Hiroshima-Bucht leistete man sich in denselben Jahren zwei- bis dreimal im Monat ein Bad. Große Regenwasser­ bottiche stehen unter dem Dachrand. Wo solche fehlen, wird aus Erde ein Behälter gebildet und mit klebrigem Lehm gehärtet. In Aogashima südlich von Hachijoshima in den Sieben Izu-Inseln

145) Nach dem von der Präfekturbibliothek von Nara heraus­ gegebenen Choson fuzoku shi [Sitten und Bräuche in den Landstädten und Dörfern]. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 167 hat die Hälfte der Häuser solche behelfsmäßige Wasserbehälter. Reiche Leute und Schulen bauen sich Behälter aus Konkrit. Solche in den Boden eingelassene Regenwasserbehälter sieht man in Chugoku und im Hügelgelände von Izumi, Ösaka-Präfektur. Die Leute sagen, wenn man mit roter Erde die Innenseite härtet, wird das Wasser nicht schlecht. Man nennt diese Behälter ike 'Teich', auch wenn sie klein sind. Das Wort ike ist auch in der Bedeutung von 'Brunnen' weit verbreitet, so in den Präfekturen Kyoto und Fukui, in der südlichen Tokushima-Präfektur und im Kimitsu-Distrikt der Chiba-Präfektur. Das Nomen ike hängt wahrscheinlich mit ikeru 'speichern' zusammen. Man hat offen­ bar in den genannten Gegenden Regenwasser gestaut und ge­ braucht. In Izu-Öshima hat man heute vielfach unter dem Hause einen großen Regenwassertank aus Konkrit. An der pazifischen Küste gibt es von Oktober bis März wenig Niederschläge. Wo auch das Grundwasser spärlich ist, muß ein Wasservorrat für ein halbes Jahr angelegt werden. In Toshim.a in der Izu-Insel­ kette hat jedes Haus im Hofe einen Wasserbehälter von 5.400 Liter, was manchmal bei Trockenheit nicht genügt. Im Jahre 1958 war die Insel ohne Wasser, mußte mit einem Schiff von Tokyo aus mit Wasser versorgt werden. Im Durchschnitt stehen in Toshima pro Familie und Tag zirka 5% Liter zur Verfügung. Ein Tank mit 5.400 Liter ist in 100 Tagen geleert. Die Leute leben von Feldarbeit, wofür sie Regenwasser benötigen. Quellwasser, fließendes Wasser. - Zweifellos holte man vor dem Aufkommen von Brunnen Nutzwasser von einer Quelle oder einem Bach. Zahlreiche Legenden berichten von der wunder­ baren Entstehung von Quellen, z.B. ein wandernder Mönch eröffnet eine Quelle durch Aufstellen seines Stabes. Brunnen heißen tsubokawa 'Krugbach' oder kumikawa 'Schöpfbach'. Die Quelle wird eingefaßt. In vielen Dörfern gibt es solche Quellen­ brunnen, was auch viele Ortsnamen bezeugen. Von höher gelegenen Quellen wird das Wasser zum Hause geleitet, besonders in Bergtälern. Zu Röhren nimmt man Bambus mit durch­ gestoßenen Knoten oder gespaltene und ausgehölte Hölzer oder auch ausgehölte Baumstämme, die dann fune 'Boot' genannt wer­ den. Fortgeschrittener ist eine Wasserleitung aus Brettern, die kistenförmig zusammengefügt sind; schließlich auch Wasser­ leitungen aus Konkrit. Quellen gibt es auch in der Ebene, oft entstand um sie herum ein Dorf oder eine Stadt. Die Entstehung von Brunnen im Gehöft. - Das Brunnen­ graben besorgten Fachleute, von denen es viele in Mino gab. Sie 168 MATTHIAS EDER verstanden sich auch auf die Anlage neuer Felder, Dämme und Steinzäune. Sie arbeiteten früher auch in Bergwerken in der Erzförderung; nachdem viele Bergwerke aufgelassen wurden, gingen sie zu landwirtschaftlichen Bauarbeiten über. Außer in Mino gab es solche Handwerker in Kaga und Echizen und in der Yamaguchi-Präfektur. In Öshima in der T6ky6 Bucht befaßten sich die Experten in Steinarbeiten auch mit Brunnengraben. Wenn ein Grundstück in ein Reisfeld umgewandelt wurde, wurde dazu meistens auch ein Brunnen gegraben. Derartige Be­ wässerungsfelder sieht man auf den Setonaikai-Inseln viele. Da­ durch vermehrten sich auch die Brunnen für den Hausgebrauch. Gemeinsame Brunnen gingen dem Gehöftbrunnen voraus. Die Gehöftbrunnen wurden erst in der Meiji-Zeit allgemein, also seit 1868. In wasserarmen Gegenden haben oft mehrere oder viele Familien einen gemeinsamen Brunnen, wie wir schon gesehen haben. Wenn ein Gehöftbrunnen austrocknet, holt man Wasser von einem gemeinsamen Brunnen. Trocknet auch dieser aus, muß man Wasser aus einem Bach oder einer Quelle holen gehen. In Hiradoshima, Tsuyoshi ist die Quelle 2 km vom Ort entfernt. Die Dorfleute gehen morgens von 10 Uhr an nach einer festgesetzten Ordnung Wasser schöpfen. Auf den Goto-Inseln gibt es einen Ort, wo man, wenn die Gehöftbrunnen ausgetrocknet sind, die ganze Nacht hindurch der Reihe nach zu einem 2 km entfernten Ge­ meinschaftsbrunnen Wasser holen geht. Wenn auch dieser er­ schöpft ist, muß man anderswo Wasser kaufen. Ähnliche Ver­ hältnisse herrschen auf den Inseln um Nagasaki und Kumamoto. In den Städten hatte man bis in die Zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts fast nur Brunnenwasser. In niedrig gelegenen und feuchten Orten ist jedoch das Brunnenwasser schlecht und kaum zu trinken, so im Flußgebiet östlich von T6ky6 und Ösaka in Funabashima. Man holte in Ösaka das Wasser in Hachikenya jenseits des Yodo-Flusses, hier war das Flußwasser klar. Man spannte im Fluß ein viereckiges Tuch als Filter und schöpfte Flußwasser, das man am Ufer speicherte. Wasserverkäufer trans­ portierten es auf Booten und Wagen eimerweise in die Häuser. Sie waren mit ihrem Bezirk vertraut wie niemand anderer. Die Verleiher von Zeremonienkleidern, Blumenhändler und Leichen­ bestatter waren Nutznießer ihrer Ortskenntnisse. Wenn jemand gestorben war, teilte man es zum Weitersagen einem Wasser­ händler mit, damit die Helfer kommen. Auch wenn die vorhan­ denen Brunnen infolge der Vermehrung der Häuser nicht reich­ ten, trank man Flußwasser. DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 169

Viele neue Gehöftbrunnen mußten angelegt werden, weil der Wasserverbrauch allgemein stieg. Seit der Meiji-Zeit (1868-1912) stieg mit dem allgemeinen Lebensstandard auch der Wasserver­ brauch außerordentlich an. Im Jahre 1898 wurde ein Gesetz zur Verhütung von Epidemien erlassen. In jedem Dorfe bildeten sich Hygieneverbände, das Trinkwasser wurde untersucht, regel­ mäßige große Hausreinigungen (osoji) wurden jährlich unter polizeilicher Kontrolle durchgeführt. In den Familien fing man zwischen Trink- und Nutzwasser zu unterscheiden an. In wasser­ armen Gegenden wird das Brunnenwasser nur getrunken~ das Nutzwasser holt man von einem Bach. Die Gehöftbrunnen liefern meistens hinreichend Trinkwasser. Die Gemeinschaftsbrunnen werden aus hygienischen Gründen möglichst vermieden. Gehöftbrunnen zu haben konnten sich früher nur die Samu­ rai leisten. Sie hatten ihre Residenzen (yashiki) unterhalb der Feudalburgen. Ihre Brunnen mußten tief gebohrt werden, da ihre Häuser hoch lagen, wenn auch niedriger als die Burg. Meistens war der Brunnen im Hause im ungedielten Raum. Diesen Brunnenluxus der höheren Klassen fing nlan in den Jahren der Meiji-Ara allmählich überall nachzunahmen an, zuerst in den Städten, dann auch auf dem Lande. In planmäßig angelegten alten Städten (machi) sieht man häufig der Straße entlang einen Bach. Ein gutes Beispiel dafür ist Onomachi in der Fukui-Präfektur. In der Kaga-Ebene (Ishi­ kawa-Präfektur) fließt fast durch jedes Dorf ein Bach, sodaß es an Waschplätzen nicht fehlt. Nördlich vom Biwa-See hat man dem Dorfbach entlang Wasserhütten (mizugoya). Vielerorts ge­ hört eine Wasserhütte zum Dorfplatz. Die Hütte hat an drei Seiten Bretterwände, innen sind Wandbretter, auf denen sauber gewaschene Kessel und Küchengeräte liegen, gelegentlich auch Gemüse. In der Saga-Präfektur, Kanzaki-Distrikt, sagt man für diese Waschhütte am Bach tsukaigawa 'Gebrauchsbach', im Ogi­ Distrikt kawaba 'Bachplatz'. In vielen Siedlungen hat jede Familie ihren Waschplatz. In der Gumma-Präfektur, Nitta­ Distrikt, sagt man kaidana, wahrscheinlich verderbt aus kawa­ dana, was wörtlich 'Gestell am Bach' bedeutet. Ein mit kleinen Steinen belegter Weg führt vom Hause hin. Von Chubu an nach Osten findet man auch häufig kawado 'Bachplatz' und kawaba, ebenfalls 'Bachplatz'; in Nordost-Honshu kado, offenbar verderbt aus kawado. Wo es möglich ist, leitet man am eigenen Hause einen Bach vorbei. Vielfach wird daraus auch das Trinkwasser geholt. Vor der Meiji-Zeit, also vor 1868, hat wohl mehr als die 170 MATTHIAS EDER

Hälfte der Familien Trinkwasser aus einem Bach geholt. Auf Neujahr hat man hier das sogenannte "Jungwasser" (wakamizu) , das am Neujahrsmorgen frisch geholte erste Wasser, feierlich ge­ holt. Vielfach wurden am Waschplatz auch Torkiefern (kado­ matsu) aufgestellt, die heute nur noch am Hauseingang stehen. So geschah es jn den Hida-Bergen und im Ina-Tal in Shinshli. In der Aomori-Präfektur ist kawado 'Bachplatz' ein gemeinsamer Waschplatz, hier wurde auch das "Jungwasser" geholt. In wasserreichen Gegenden wurde Wasser in einem Leitungs­ graben vor den Häusern vorbeigeführt und Wasch- und Schöpf• plätze angelegt. Im Dorf H6tatsu in Noto (jetzt Ishikawa-Präfek• tur) kam in den Jahren Tensh6 (1573-1591) bis Keich6 (1596­ 1614) im Bach Gold zum Vorschein, die Leute sammelten und verteilten es untereinander. Nutz- und Trinkwasser wird dem Bach nicht an derselben Stelle entnommen. Von Sanin nach Hokuriku ist ein mizuya 'Wasserhaus' oder 'Wasserhütte', wo Quellwasser oder Bachwasser in einer Röhrenleitung im Gehöft ankommt. Im Ina-Tal in Shinshli sagt man mizuya 'Wasserhütte' auch für die überdachte Stelle, wo vor dem Hause Bachwasser aufgefangen wird. Hier hat man einen ido 'Brunnen' oder idoba 'Brunnenplatz'. Nicht selten hat man einen Wassergebrauchsplatz sowohl im Hause als auch außer dem Hause. Auf dem gemein­ samen Waschplatz, dem auch Trinkwasser entnommen wurde) achtete man auf Sauberkeit. Windeln und andere schmutzige Dinge wurden da nicht gewaschen. Gewaschen wurden Kessel, Küchengeräte, Gemüse, Kleider, Papierschiebetüren (sh6ji). Windeln und Trauerkleider wurden abseits in einem großen Waschbecken gewaschen. Auch getrocknet wurden sie nicht an allgemein sichtbaren Stellen. Nach Rollbildern des Mitelalters hat man Kleider vielfach am Rande des Brunnens gewaschen, wobei man das Tuch mit Füssen trat. So geschieht es heute noch in Tsuyama in der Okayama-Präfektur und in der Aomori-Ge­ gend, hier vielfach in fließendem Wasser. Kleider von oten wäscht man in einem Becken am Bach, hängt sie dann nicht am Bach hängt sie dann nicht am Bach zum Trocknen auf, sondern trägt sie im Becken nach Hause.

XI. Zur Typologie des japanischen Bauernhauses

Wenn man von der Typologie de::i japanischen Bauernhauses spricht, sind damit die traditionsgebundenen regionalen Unter­ schiede in der Erscheinung des Hauses gemeint. Wie schon oben DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 171 gesagt, finden wir solche Unterschiede am meisten in die Augen springend am Dach. Von diesen unabhängig gibt es regionale Unterschiede in der inneren Raemeinteilung. Außerdem gibt es im Süden des Landes eine Bauart, die sich dadurch von der in den übrigen Landesteilen absetzt, daß der Kesselherd in einem eigenen, wenn auch mit dem Haupthaus verbundenen Bau unter­ gebracht ist. Eigentlich gibt es sowohl in der Dachform wie in der inneren Raumgestaltung sehr wenig typenmäßige Unter­ schiede in den verschiedenen Landesteilen, wohl aber eine große Anzahl von regionalen Variationen und verschiedene Stadien der geschichtlichen Entwicklung aus derselben Grundform. Der Architekt Ishihara Kenji hat sich der gewaltigen Auf­ gabe unterzogen, das Bauernhaus in ganz Japan zu beschreiben. Als Einleitung zu seinem 16-bändigen Gesamtwerk gibt er eine Übersicht über die Ergebnisse seiner Untersuchungen. Er unter­ scheidet vier Typen des japanischen Bauernhauses, 1) den nörd• lichen, 2) den mittleren, 3) den westlichen und 4) den südlichen Typ. Der nördliche Typ wird nach Ishihara durch die große Stube (hiroma) charakterisiert, der mittlere durch die schach­ brettartige Zimmeranordnung, genannt seikei 'regelmäßiger' Typ oder tanojikei 'Feldzeichentyp', findet sich von Kinki über Kan­ sai nach West-Honshu. Der westliche Typ hat ebenfalls regel­ mäßige Zimmeranordnung, aber die Zimmer sind dort rechteckig, nicht quadratisch im Grundriß. Bei diesen drei Typen ist also die Raumabtrennung zur Grundlage der Typenaufstellung ge­ nommen. Anders beim südlichen Typ. Ishihara nennt ihn "Schlüsselhaus" (kagiya) , weil ein Teil des Hauses vorsteht wie der Bart an einem Schlüssel. Der Typ findet sich in Kyushu in den Präfekturen Saga, Fukuoka und Kumamoto. Als Hauptpunkt wird aber genannt, daß Wohnteil und Küchenteil des Hauses je einen eigenen Giebel haben. So ist es auch in Hachijöshima in den Izu-Inseln und auf den Ryukyu-Inseln. In Okinawa hat das Wohnhaus keinen ungedielten Fußboden (doma) , ein solcher ist im Küchenhaus. Auch in Hachijöshima ist der Boden im Wohn­ haus gedielt und dazu noch ungewöhnlich hoch gelegt. In Hachi­ jöshima hat das Wohnhaus rückwärts eine Verlängerung oder einen Vorsprung, darin ist die Küche untergebracht. In Ogasa­ wara, der weitab im Pazifik gelegenen Inselgruppe, hat das Haus für den Koch einen eigenen Giebel oder besteht in einem Vor­ sprung am Haupthaus. Die Bezeichnung kamaya 'Kesselhaus' kommt vor in Gegenden von Chugoku, Shikoku und Kyushü. Das sogenannte Kesselhaus ist ein Vorsprung hinter dem Haupthaus, 172 MATTHIAS EDER kommt in Chugoku in der Yamaguchi-Präfektur am häufigsten vor, in Shikoku in den Präfekturen Kagawa, Tokushima und Köchi. In Shikoku gibt es auch einige Häuser mit eigenem Giebel für das Kesselhaus. Ishihara schreibt, daß sich das Kesselhaus vom Haupthaus getrennt hat, in anderen Fällen aber von An­ fang an getrennt war. Wenn aber nur die Raumgestaltung im Hause zum Ausgangspunkt einer Gruppierung nach Typen ge­ nommen wird, zeigt Kyushu kein einheitliches Bild. Ishihara fand, daß sich sowohl der regelmäßige Typ wie der Großstuben• typ finden. Der regelmäßige Typ ist dort verbreitet, wo gute Verkehrsverhältnisse herrschen und somit städtische Kultur ins Volk gedrungen ist; das ist der Fall in der Ebene im Norden der Fukuoka-Präfektur und von da in die Kumamoto-Präfektur hinüber. Der Großstubentyp findet sich zahlreich in den Präfek• turen Fukuoka, Kumamoto, Aso-Distrikt, öita, Öita-Distrikt; ist aber hier eine sekundäre Erscheinung, da, wie Ishihara fand, der Großstubentyp sich aus dem ihm vorausgehenden Über• schneidetyp entwickelt hat. In Nordost-Honshu ist er primär. Der Überschneidetyp findet sich auf verkehrsungünstigen Inseln in der Nagasaki-Präfektur und in Berggegenden der Präf~kturen Saga, Nagasaki und Fukuoka, am häufigsten in den Präfekturen Miyazaki und Kagoshima. Es ist leicht ersichtlich, daß Kyushu typologisch in keiner Weise absticht. Man kann nur soviel sagen, daß in Kyushu ältere Formen der Raurnabtrennung verhältnis• mäßig häufig sind. Über das Bauernhaus von Shikoku sagt Ishihara zusammen­ fassend: es zeigt im Allgemeinen Zusammenhang mit dem von Kansai mit Setonaikai (Inlandsee) als Mittelpunkt. Tosa im Süden von Shikoku zeigt den Einfluß des "Südtyps" am stärk• sten, d.h. das Kesselhaus und andere zusätzliche Bauten haben eigene Giebel. Auch dieser Zug ist altertümlich, insofern als die Tendenz, den Kesselraum und womöglich noch andere Räume unter dem Giebel des Haupthauses unterzubringen, noch nicht wirksam geworden ist. Von einem wesentlich von anderen ver­ schiedenen Bauernhaustyp kann man wohl nicht reden. Der Westtyp mit länglichen Rechtecken als Zimmerform herrscht auch in Chugoku vor. Daneben finden sich Häuser des Über• schneidetyps und da und dort des Urtyps, also mit nur zwei Räumen, einem ungedielten und einem gedielten. Wenn in der Fukui-Präfektur rückwärts der Küchenraum (daidokoro) groß ist, so ist das nicht dasselbe wie der Großstubentyp in Nordost­ Honshu, wo der allgemeine Tagesraum der Familie groß ist und DAS JAPANISCHE BAUERNHAUS 173

die "Großstube" ausmacht.

Schlußwort: Zukunftsausblick.

In obiger Studie wurde zu zeigen versucht, wie durch viele Jahrhunderte ein anhaltender Verstädterungsprozeß am Bauern­ hause wirksam war. Dieser geht immer noch weiter ohne zu­ nächst wesentliche Änderungen in der äußeren Erscheinung des Bauernhauses hervorzurufen. Radio- und Fernsehantennen ragen im ganzen Lande über die Dächer hinaus. Strohdächer wiegen auch heute noch bei weitem vor, Ziegel- und Eternitdächer sind am Zunehmen. Wenn es billiger kommen muß, macht man ein Blechdach. Die Bestände an Schilf und Riedgras reichen heute selten noch aus, um ein ganzes Dorf damit zu versorgen. Die früheren Papierschiebewände an der Außenseite der Zimmer haben statt Papier oft Glasscheiben, der ungedielte Erdboden des Vorraumes und die Ställe werden mit Zement gepflastert, elektrische Herde werden immer mehr, Wasserpumpen und Wasserleitungen mit eisernen Röhren und fließendem Wasser im' Hause und elektrische Beleuchtung und Dreschmaschinen mit Stromantrieb haben schon vor Jahren Eingang bis in die ent­ legensten Dörfer gefunden. Die alten Badebottiche weichen nicht selten einem gemauerten Bad in einem schön mit weißen Fliesen ausgelegtem Badezimmer. In anderen Dingen ist man wieder sehr konservativ. IVlan kann sich ein Wohnzimmer nicht anders als mit Strohmatten (tatami) ausgelegt denken und man schläft nach wie vor im Bettzeug auf diesen Matten, Betten werden kaum jemals gewünscht werden. Auch werden Möbelstücke immer nur den Wänden entlang oder in die Wände eingebaut sein. Kulturelle Neuerungen sind in der japanischen Kulturgeschichte immer nur in dem Maße von auswärts übernommen worden, als sie eine organische Anreicherung einbrachten. Größere Neuerun­ gen im Hausbau würden in der bäuerlichen Wirtschaftsstruktur weitreichende Störungen hervorrufen. Etwa alle Zimmer mit guten Bretterböden ausstatten und westlich möblieren würde die Waldwirtschaft überlasten und viele Ausgaben für Schreiner mit sich bringen. Die Häuser mit soliden Wänden bauen, sei es aus Holz, Ziegeln oder Stein, ist ebenfalls wirtschaftlich nicht denk­ bar, auch sprechen klimatische Verhältnisse dagegen. So wird man auch weiterhin beim offenen Feuerplatz und den Kohlen­ becken bleiben. Das japanische Haus hat den Vorteil, daß es beliebig in größere oder kleinere Räume eingeteilt werden kann, 174 MATTHIAS EDER dieser Vorteil ginge mit dem Einbau von festen Wänden verloren. Auch die westliche Architektur macht von deIn Vorteil der be­ liebigen Raumverwendung immer mehr Gebrauch und liebt zu­ nehmend den offenen Ausblick in einen Garten, wie das alte japanische Haus ihn gestattet. Diese Verbundenheit mit der Natur hat der Japaner wenn eben möglich auch in die Städte mitgenommen und wird sie nie aufgeben. Die ländliche Wirtschaft ist heute starken Neuerungstenden­ zen ausgesetzt: zunehmende Mechanisierung der Feldarbeit und der Ernteverarbeitung, Kapitalsanlage und Produktionsplanung im Hinblick auf wechselnde Marktmöglichkeiten statt bloße Familienversorgung wie früher, Zusammenschluß von individuel­ len Wirtschaftseinheiten zu zentral geleiteten Körperschaften. Das alles geschieht zur Erzielung einer größeren Rentabilität des Landbaues und zur Steigerung des Lebensstandards. Zu letzterem gehört aber keineswegs eine "Modernisierung" des Wohnhaus­ baues.146 Es wird in der äußeren Erscheinung des japanischen Bauernhauses auf lange Zeit hinaus keine wesentliche Änderung zu merken sein. '

146) eber das dörfliche Japan der Nachkriegszeit unterrichtet gut das von einem Team von Anthropologen, Geographen und Soziologen der University of Michigan erarbeitete Buch von Richard K. Beardsley, John W. Hall und Robert E. \Vard, Village Japan (The University of Chicago Press, 1928. XIV. 488 S.). In den Conclusions (471-483) wird zusammenfassend über das Zusammentreffen beharrender und ver­ ändernder Kräfte gehandelt. Die Lage faßt am besten der Satz zusam­ men: "Change is absorbed and channeled to profitable ends, while equilibrium is maintained". DAS J APANISCHE BAUERNHAUS 175

Contents in English Translation

The Cultural History of the Japanese Farmhouse A. The Historie DeveJopment of the Japanese Farmhouse I. Housing in Prehistoric and Protohistoric Times 1) Jomon period 2) Yayoi period 3) The house-figures among the clay-figures (haniwa) of Kohm period as doeuments for the history of the J apanese house 11. The Construction of Great Shrines (daisha) and Dwel­ lin2 Houses IH, The D\\'elling House during Asuka and Nara Tjme IY", The Dwelling House in Heian Time: new eoneepts embodied in the residenees of the aristoeraey of the capital. the "sleeping hall" (shinden) eonstruetion Y. The Houses of the Warriors 1) Kamakura Time 2) Ashikaga Time, Palaee Construction YI. The "Writing-room" (shoin) Construction B. The J apanese Farmhouse in Modern Times I. The Construetion of a House 1) Carpenters 2) How a house is built 3) The roof 4) The partition of the interior II. Latrine III. Avoidanee (imi) Hut IV. Bath V. The Fire-plaee, economie, religious, social VI. Fuel and Light VII. House-gods VIII. House-construction eeremonies, religious and social IX. The Outlay of a Mansion, Granary and Other Addi­ tional Buildings X. Water Supply XI. On the Typology of the Japanese Farmhouse Conclusion: The Probable Future of the Japanese Farmhouse PHOTO 6: "Gebogenes Haus" (magariya). Aizu, Fukushima­ Präfektur.

PHOTO 7, a, b: Eingang zu einem wohlhabenden Bauernhaus aus der Feudalzeit (vor 1868), a) Außenseite, b) Innenseite. In der Nähe der Stadt Iida, Shimo-Ina-Distrikt, Nagano-Präfektur. PHOTO 7, b

PHOTO 8: Blick unter ein abgedecktes Dach. ömachi, Nagano­ Präfektur. PHOTO 9: Kombination von vierseitigem Dach mit Satteldach. Die große Giebelöffnung ist mit einem Gitter verschlossen. Der halb­ dunkle Raum dahinter wird für Seidenraupenzucht verwandt. Ni5hitama. Tokyo-Land. - Dach Satteldach vom Giebel abwärts, vierseitig vom Dachrand aufwärts.

PHOTO 10: Gitter über dem Feuerplatz (hidana) zum Trocknen von Sachen. PHOTO 11, a, b: Geomantischer Hausplan. Aizu, Fukushima­ Präfektur.

PHOTO 11, b PHOTO 12: Hausaltar, darauf Amulette, wie sie von Götterschreinen ausgegeben werden. Aizu, Fukushima-Präfektur.

PHOTO 13: Hausschrein für das Glücksgötterpaar Ebisu und Dai­ koku. Aizu, Fukushima-Präfektur.