Sonny Barger Lag an Johnny Angel
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
startet, aber nicht besonders früh, und das Sonny Barger lag an Johnny Angel. Der große alte Mexi- kaner in den Reihen der Angels hatte eine seiner legendären Rotwein-Partys gefeiert und war schwer abgestürzt. So dauerte das Frühstück im Hotel viel länger als geplant, und wir kamen erst los, nachdem der per- In Sonny Bargers Schlafzimmer musste ich und verurteilt, wild und ungezähmt, auf sönliche Prospect Johnnys dessen Krück- an Hunter S. Thompson denken. Er be- jeden Fall aber unnahbar und abweisend. stock auf dem mächtigen Victory-Motorrad schrieb den bekanntesten Hells Angel der Und nun stand ich im Schlafzimmer ihres platziert und festgeschnallt hatte. Welt so: „… der kühlste Kopf der Bande, der bekanntesten und populärsten Mitglieds Wir bogen auf die Interstate 10 ein und blitzschnell und knallhart agiert, wenn‘s ans der Angels, das die Welt als Anführer und gaben Gas: Vorn Maxx und rechts dane- Eingemachte geht. Er ist abwechselnd Fana- Gründer des berüchtigsten Motorradclubs ben Johnny, dahinter der Prospect, der ihn tiker, Philosoph, schlägergeschickter Ver- auf Erden kannte. beständig abschirmte und gegen jegliche mittler und letztinstanzlicher Schlichter.“ Gefahr zu schützen suchte, und sodann Ich hatte all das im Kopf, all die Geschich- Wir bogen auf den Hof der kleinen ich als Gast im Mini-Pack. Wir hielten uns ten, die Erzählungen, die Bilder, die von der Ranch ein und hatten zweihundertfünfzig nicht besonders an das Speedlimit und so geheimnisumwitterten und verschlossenen Kilometer in glühender Hitze hinter uns. kamen wir gut voran. Immer, wenn John- Bruderschaft im Umlauf sind. Verteufelt Von Tucson aus waren wir am Morgen ge- ny sehr nah an einem der mächtigen Trucks vorbeiraste, hätte er die Fahrertür locker berühren können. Nur wenige Zentimeter trennten ihn dann von vielen Tonnen Eisen, Zeitsprung: Ralph „Sonny“ Barger einst und die ihn hätten zermalmen können. Stoisch heute. und unbeeindruckt wich er keinen einzigen Zentimeter zur Seite, was ich für sehr un- vernünftig hielt. Aber ich musste während dieser knapp anderthalb Stunden einsehen, dass dies einfach zum Angels-Style gehört, denn ein ängstliches Zurückweichen wäre rollten und die Bikes auf dem kiesigen Un- für einen der ihren niemals infrage gekom- tergrund im Schatten parkten. Maxx und er men. Und für Urgestein Johnny Angel so- begrüßten sich nach Angels-Sitte mit einem wieso nicht. Also hatte ich jedes Mal, wenn kurzen gegenseitigen Klopfen auf den Rü- wir einen der riesigen Laster passierten, die cken, mir reichte Barger die Hand. Wir gin- wenig erbauliche Vorstellung, wie es wäre, gen ins Haus, denn es war gegen Mittag und dabei zu sein, wenn einer der bekanntesten die Hitze war kaum auszuhalten. Nachdem Hells Angels auf der Interstate von einem wir durch die Tür gegangen waren, standen Truck überfahren würde. Aber allmählich wir schon direkt im Wohnzimmer, einem beruhigte ich mich, und als Johnny und der großen, offenen Raum, der von einer riesi- Prospect rechts abbogen, um zu Johnnys gen bequemen Couch beherrscht wurde, die Haus in der Wüste zu fahren, war diese – halbkreisförmig im Zimmer stand. In einer wohl ein wenig surreale – Gefahr zumin- Art hölzerner Schrankwand, die links und dest in meinem Kopf gebannt. rechts neben dem Fernseher emporragte, Noch einige Meilen weiter bogen auch standen in offenen Regalen ein paar Bücher, Maxx und ich ab und kamen bald auf Son- einige gerahmte Fotos sowie Unmengen ny Bargers Grundstück an. Er erwartete uns von Krimskrams – eine alte Geige, eine rote schon, in der Mitte des Hofes stehend, un- Schachtel aus Plastik, auf die der Schriftzug geschützt vor der gleißenden Sonne. Er hob „CocaCola“ aufgedruckt war, einige Fla- Chillout-Zone vor dem Haus: Sonny empfängt hier gern Gäste. kurz die Hand, während wir an ihm vorbei- schen mit und ohne Inhalt sowie Geschenke 52 53 aus aller Welt. Mitbringsel und Ehrerbietun- von der Seite. Auch nicht, als wir weiter gen, die dem „Chief“ von Brüdern aus al- durch das Haus gingen, die Küche und das len Kontinenten überreicht worden waren. Büro besichtigten, wo es ebenfalls überall Eine hölzerne Schlange wand sich um den die schönsten Fotos, Bilder und Ausstel- Bildschirm des Fernsehers und davor lagen lungsstücke zu besichtigen gab. In der Kü- einige Plaketten mit dem Deathhead. Über che beispielsweise stand eine Vitrine mit dem Fernseher hing ein gemaltes Bild, das großen Glasscheiben, in der sich unzählige neben einem kunstvoll gezeichneten geflü- kleine Geschenke stapelten: Ringe, Pins, gelten Totenkopf auch Sonnys Gesicht zeig- kleine Schachteln, Aufnäher, Aufkleber, alte te. Merkwürdigerweise hatte er die Augen Broschüren – alle mit dem geflügelten To- geschlossen auf diesem Bild und er lächelte. tenkopf versehen. Ich konnte kaum genau Das Bild stammte von deutschen Hells An- hinschauen, da ging es schon weiter. Und gels und er schien es zu mögen, sonst hätte plötzlich stand ich im Schlafzimmer des er es kaum an dieser exponierten Stelle auf- „Chiefs“. Nicht, dass es jetzt ein irgendwie gehängt. außergewöhnlicher Raum gewesen wäre, Auf der anderen Seite des Zimmers das nicht. Doch schon sonderbar, auf ein- stand ein schwarzer Konzertflügel, der aber mal in einem so intimen Raum zu stehen. kaum zu erkennen war, weil sich auf ihm Schließlich bettete hier der berühmteste Ro- ebenfalls Fotos und Gegenstände aller Art cker der Welt sein Haupt zur Ruhe! Aber türmten. Vor allem ein großes Motorrad aus scheinbar sieht man das in Amerika gelasse- Rattan stand dort, aus dem gleichen Materi- ner als in Europa, oder wenigstens im Hau- al, aus dem ansonsten Sitzmöbel oder Rega- se Barger. In der Küche bot Sonny mir etwas le gefertigt werden. Davor standen dicht an zu trinken an und als wir beide eine Flasche dicht gerahmte Fotos, die fast aneinander Wasser in der Hand hielten, setzten wir stießen, sodass man auf dem jeweils hinte- uns unter das Vordach in den schützenden ren gar nicht mehr erkennen konnte, was Schatten. Hier unterhielten wir uns über Freedom und Hannah sind Sonnys Lieblinge – In seinem Gym trainiert Sonny täglich, um in darauf zu sehen war. Sie standen auf einer das Altwerden und ich führte mein erstes er holte beide von der Straße. Form zu bleiben. Damastdecke, die am Ende lange, gedreh- Interview mit Ralph Barger. Ganz rück- te Kordeln hatte. Auf der mit einem Deckel sichtsvoll hatte er zuvor die großen Röhren verschlossenen Tastatur stand ein hölzernes des Klangspiels mit einem Gummiband Dreieck mit der amerikanischen Flagge. Der zusammengebunden, damit diese meinen Rest des Zimmers war vollgestellt mit Reit- Mitschnitt nicht stören konnten. utensilien: da waren Sättel verschiedener Ich will ja nicht alles wieder aufwärmen, weise stehe ich morgens um fünf Uhr auf, Tag, aber ein paar Tage die Woche mache ich Ausführung und Machart, die auf eisernen was du schon 500 Mal gefragt worden bist. genieße eine Tasse Kaffee und gehe dann das so. Und dann später fahre ich eine Run- Gestellen lagerten. Ein großes gerahmtes Ich bin interessiert an deinem Leben jetzt zu meinen Pferden, um sie zu füttern. Dann de auf dem Motorrad. Gegen 21 Uhr gehe Bild mit drei Reitern stand auf dem Fußbo- und hier, wie es dir geht und was du so putze ich den Pferdestall, denn das Beseiti- ich ins Bett, sodass ich um fünf wieder auf- den an die Wand gelehnt, einige Skulpturen den ganzen Tag lang machst. gen der Pferdeäpfel verhindert die meisten stehen kann. Außer, wenn etwas angesagt mit Reitern und Pferden auch. Ein Coca-Co- Was wichtig ist, ist, dass ich nicht der Spre- Fliegen. Wenn das alles fertig ist, ist es gegen ist – Clubtreffen, Ausfahrten, Partys. Aber la-Werbeschild sowie ein alter Holzkasten cher der Hells Angels bin. Mein Leben ist halb sieben und ich gehe in mein Fitnessstu- dann stehe ich trotzdem fünf Uhr auf, ma- mit ebenso alten Coca-Cola-Flaschen stan- der Club, aber ich mache keine Politik und dio, was in letzter Zeit nach der Operation che dann höchstens ein Mittagsschläfchen den vor dem Klavier. Auch eine Art Ver- keine Richtlinien mehr. nicht möglich war, aber im Normalfall ist zwischendurch. Ich werd schließlich 75 Jah- korkungsautomat stand herum. Vor dem Also, wie muss man sich einen normalen das so. Dann mache ich Sport für ein bis an- re dieses Jahr. Ich habe den Krebs besiegt in Kamin, der unbenutzt wirkte, waren eini- Tag im Leben des Sonny Barger vorstel- derthalb Stunden und das fünf Tage die Wo- den 80er-Jahren, als ich Kehlkopfkrebs hat- ge alte Öllampen aufgereiht, daneben eine len? che. Dann gehe ich ins Haus, dusche und te, und letztes Jahr haben die Ärzte die Pro- schwarze Vase mit Sonnys Namen und ei- Zuerst mal: Mein Leben ist langsamer ge- frühstücke. Ich nehme gern Proteingeträn- stata herausoperiert, die von Krebs befallen nem Deathhead, die wie eine Urne aussah. worden. Und jetzt nochmal zusätzlich, weil ke für mein Frühstück. Ich trinke also gern war. Und nun sieht es so aus, als ob ich vom Die beiden Hunde der Bargers, Hannah ich kürzlich (im Frühjahr 2012, der Autor) mein Frühstück, dann sattle ich mein Pferd Krebs befreit bin – wieder! Ich schaue et- und Freedom, wichen dem Hausherrn nicht noch eine Operation hatte. Aber normaler- und reite für ’ne Stunde oder so. Nicht jeden was fern gegen 17 Uhr. Dann füttere ich die 54 55 Goose, er hat ein grau-weißes Specklemus- Letztens bin ich den Pick-up selber gefah- ter, fast wie eine graue Gans, und so kamen ren, rückwärts, um was aufzuladen, und wir auf den Namen Goose. Wir haben es seit bin in einen Baum gefahren. Als ich jünger knapp acht Jahren. war, bin ich öfter Auto gefahren, kurz bevor Also haben die geliebten Motorräder Kon- ich zum Militär ging, hatte ich ein eigenes kurrenz bekommen – was machst du denn Auto. Nach dem Militärdienst, als ich 17 lieber: reiten oder fahren? war, habe ich mir ein Motorrad gekauft.