KOENIGIANA Band 5 (2) (2011) 71–86 , Dezember 2011 ISSN 0934-2788

Von Demmin nach Bonn: Leben und Wirken von MARGARETHE KOENIG (1865–1943)

RAINER HUTTERER

Einleitung

„Hinter jedem erfolgreichen Mann steht ei- auch in der Wissenschaft Fuß zu fassen (DO- ne starke Frau“; dieses bekannte Bonmot NATH 2002). In der Darstellung der Grün- trifft für MARGARETHE KOENIG sicherlich zu. Ihr dungsgeschichte des Museums verblasst die Mann ALEXANDER KOENIG (1858–1940) sah das Rolle von MARGARETHE KOENIG nach und nach übrigens selbst so und war in dieser Hinsicht bis zur Unkenntlichkeit. Das ist bis heute so; manchem Zeitgenossen voraus. Die Ver- weder in dem historischen Standardwerk dienste seiner „treuen Lebensgefährtin“ von GEBHARDT (1964) noch in einem aktuel- (KOENIG 1938) hat er mehrfach gebührend len Wikipedia-Beitrag über ALEXANDER KOENIG erwähnt. So schrieb er in einem Bericht über (ANONYMUS 2011) wird seine Frau erwähnt. ihre Reisen in Algerien (KOENIG 1895): „Wie Grund genug, das Leben von MARGARETHE auf allen meinen vorigen Reisen hat mich KOENIG und ihren Beitrag zur Entstehung des auch diesmal wieder meine Frau begleitet Museums Koenig hier einmal genauer zu be- und mich wesentlich in meinen Forschungen trachten. unterstützt“, und dieser Tenor zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk. In 56 ge- meinsamen Ehejahren erlebten beide meh- Familiärer Hintergrund rere historische Epochen: die Kaiserzeit, den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik, das MARGARETHE KOENIG (geb. WESTPHAL) wurde Dritte Reich und den Beginn des Zweiten am 3. September 1865 in Demmin in Vor- Weltkrieges, und sie führten viele gemein- pommern (heute: Mecklenburg-Vorpom- same Forschungsreisen durch, von Spitzber- mern) geboren. Ihr Vater, der Kaufmann JO- gen im Norden bis in die Nil-Sümpfe des HANN FRIEDRICH ADOLPH WESTPHAL (1832– Südsudan. Bis an ihr Lebensende arbeiteten 1875?), starb noch vor ihrer Volljährigkeit, beide unermüdlich für den Erhalt ihres Le- so dass ihre Mutter MARIE WESTPHAL geb. benswerkes, des heutigen Zoologischen MÜLLER (1838–1912) die Tochter und zwei Forschungsmuseums Alexander Koenig. Söhne, KARL (vor 1865 geb.) und FRANZ (1867–1927), mit Hilfe des Großvaters CHRIS- In der Wiederaufbauphase nach dem Zwei- TIAN MÜLLER (1805–1895) großziehen muss- ten Weltkrieg bestimmten überwiegend te. Dieser hatte in Demmin eine Eisengieße- Männer die weitere Entwicklung des For- rei und eine Fabrik für landwirtschaftliche schungsmuseums in Bonn. Die konservative Maschinen gegründet und diese später an Politik der Regierung ADENAUER und die per- seinen jüngsten Sohn ERNST (1852–?) über- sonelle Kontinuität ehemaliger Parteigenos- geben, der als „Onkel ERNST“ für MARGARE- sen in öffentlichen Einrichtungen (SCHÜRING THE eine wichtige Rolle in der Familie spiel- 2006) trugen dazu bei, dass Frauen es te. Weitere Kinder des Großvaters waren schwer hatten, im Berufsleben und damit HERMANN (Oberzollrat in Kiel), FRANZ (Gymna- 72 RAINER HUTTERER

Abb. 1. Marktplatz von Demmin mit der St. Bartholomaei-Kirche und dem Rathaus (Postkarte von 1919). siallehrer und Altphilologe in Quedlinburg), Namensvielfalt sowie vier Töchter, deren Namen nicht über- liefert sind. MARGARETHE wuchs in Demmin In amtlichen Dokumenten und in der Lite- auf und besuchte dort u. a. die höhere Pri- ratur findet man MARGARETHEs Vornamen in vat-Töchterschule von MARIE STEINMETZ, der drei Schreibweisen. In zwei Auszügen aus Tochter eines evangelischen Pastors. dem Kirchenbuch des Evangelischen Pfarr- amtes Demmin von 1918 und 1939 (Landes- Demmin war zu dieser Zeit eine Kleinstadt archiv NRW, Bestand NW 223, Nr. 167) wird mit etwa 8.000 Einwohnern und einigen ge- jeweils bestätigt, dass sie am 17. Oktober werblichen Betrieben, Schulen, Handwer- 1865 in der St. Bartholomaei-Kirche auf den kern, Militärs, Landwirten und Großgrund- Namen MARGARETE HERMINE bzw. MARGARETHA besitzern. Das Zentrum der Stadt wurde vom HERMINE getauft wurde. In der Heiratsurkun- Rathaus und der evangelischen Kirche be- de vom 16. Juli 1884 steht ihr Name dann herrscht (Abb. 1). Die medizinische Versor- als MARGARETHE HERMINE WESTPHAL. Ihre einzi- gung war schlecht; noch 1866, ein Jahr nach ge gedruckte Schrift (M. KOENIG ca. 1891, der Geburt MARGARETHEs, starben in der Stadt Reiseskizzen aus Tunis) zeichnete sie als MAR- 618 Menschen an der Cholera (KARGE 1990). GARETE; danach führte sie konsequent bis Seit dem 1. Januar 1878 war Demmin voll- zum Lebensende den Namen MARGARETHE ständig an die Eisenbahnlinie Berlin-Stral- KOENIG. sund angeschlossen (BLEY 2002) und damit leichter erreichbar, so auch zwei Jahre spä- ter für den Studenten ALEXANDER KOENIG. Leben und Wirken von MARGARETHE KOENIG (1865–1943) 73

Begegnung mit ALEXANDER KOENIG ALEXANDER war eigentlich im Januar 1881 nach Demmin gekommen, um nach einer Im Frühjahr 1881 begegnete die 16jährige unglücklich verlaufenen Schulzeit (KOENIG MARGARETHE beim Spaziergang mit Freundin- o.J.) seine letzte Chance wahrzunehmen, nen im Devener Holz, einem Wäldchen und das Abitur nachzuholen, denn er hatte ja be- beliebten Ausflugsziel bei Demmin, dem Stu- reits mit dem Studium in Greifswald begon- denten ALEXANDER KOENIG, Sohn des St. Pe- nen. Um das gesteckte Ziel zu erreichen, hat- tersburger Zuckerfabrikanten LEOPOLD KOENIG te er sich vorgenommen, „die Zähne aufei- und seiner Frau KAROLINE (OESL & HUTTERER nanderzubeißen“ und sogar ein Gelübde ab- 1997). Für ihn war es Liebe auf den ersten gelegt, die ganze Zeit in Demmin nicht zur Blick (KOENIG 1938: 337): „Aus dem edel-ge- Jagd zu gehen, und deshalb sein geliebtes schnittenen, Energie verratenden Gesichte Lefaucheux-Gewehr in Bonn zurückgelassen leuchteten zwei große, himmelblaue, aus- (KOENIG 1938). Nun verdrehte ihm ein jun- drucksvolle Augen, die eine unschuldige, ges Mädchen aus Demmin den Kopf und aber fest umrissene Seele wiederspiegelten. hielt ihn vom Lernen ab. Im Sommer mach- In diese Augen hineinzusehen war mein te er einen Antrittsbesuch bei der Mutter Höchstes, was mir beschieden werden konn- MARIE WESTPHAL, der offenbar zufriedenstel- te.“ ALEXANDER war von dem jungen Mäd- lend verlief. „Nach Beginn des Wintersemes- chen (Abb. 2) fasziniert und unternahm al- ters 1881/82 nahmen meine Beziehungen lerhand, um ihre Bekanntschaft zu machen. zu Margarethe Westphal festumrissenere Li- Auf täglichen Spaziergängen suchte er ihre nien an. Meine Besuche im Hause der Mut- Nähe, oder er schickte kleine Aufmerksam- ter mehrten sich. Ich mußte schließlich mein keiten. Zu MARGARETHEs Konfirmation am Gretchen alle Tage sehen und verbrachte Palmsonntag 1881 schickte er ihr ein Glück- wonnevolle Stunden mir ihr.“ (KOENIG 1938: wunschtelegramm aus Bonn. 342). Auch der Großvater CHRISTIAN MÜLLER, ein in Demmin hoch angesehener Fabrikant, musste überzeugt werden. Er wohnte zu- sammen mit seiner Hausdame MARIE SCHLAA- GE in der Anklamer Straße (heute Breitscheid- Straße) mit Blick auf das Luisentor. Er war sehr streng und versicherte sich des Ernstes und der Aufrichtigkeit von ALEXANDERs Emp- findungen zu seiner Enkelin, da ihn sonst „sein Fluch bis in sein Grab hinein verfolgen würde“ (KOENIG 1938: 342).

Wie den zum Teil erhaltenen Tagebüchern von ALEXANDER und MARGARETHE zu entneh- men ist, gab es schon Anfang 1882 in dem kleinen Ort allerhand Tratsch über den aus- wärtigen Studenten und das junge Mäd- chen. MARGARETHE ging daher offenbar mit Rücksicht auf das Gerede der Nachbarn, den strengen Großvater und die Mutter immer wieder auf Distanz, was ALEXANDER mehrfach zur Verzweiflung trieb. Am 2. Januar 1882 schrieb er in sein Tagebuch: „Frau Schlaage Abb. 2. MARGARETHE WESTPHAL im Alter von 17 sagt mir, daß Gretchen mich bitten läßt, Jahren (aus KOENIG 1938). nicht so oft zu ihr hinzukommen – es wür- 74 RAINER HUTTERER de in der Stadt einmal wieder zu schreckli- Furcht vor dem skeptischen Urteil seines Va- ches Zeug geklatscht. Alle paßten auf, ters. Aber seine Mutter nahm die Nachricht wenn ich dorthin ginge.“ Und am 3. Janu- voller Freude auf, und auch der Vater ar: „Mit den Gedanken an Gretchen ging ich stimmte, nach schnell eingeholter Auskunft gestern zu Bett, mit den Gedanken an Gret- über die Familie WESTPHAL, der Wahl seines chen stehe ich wieder auf.“ MARGARETHE Sohnes zu. Die offizielle Bekanntgabe der wollte natürlich auch Gewissheit über seine Verlobung war für den 20. Januar geplant, Empfindungen haben. Zugleich hatte sie ei- doch konnten die Eltern LEOPOLD und KARO- nen trotzköpfigen Charakterzug, den sie LINE KOENIG, die sich bereits wieder auf den Jahre lang versuchte abzulegen. Für ALEXAN- KOENIGschen Gütern in der Ukraine aufhiel- DER stand von Anfang an fest, dass er diese ten, nicht so schnell anreisen. Die Verlobung junge Frau heiraten wollte. Sein fehlender wurde dann vier Wochen später, am 20. Feb- Schulabschluss stand dem allerdings im ruar 1883, in Berlin im Hotel Royal während Wege. Er nahm deshalb noch einmal alle eines Familientreffens bekanntgegeben. In Kräfte zusammen, holte den Lernstoff für die Bonn ließen sie sich im Studio von JOHANNES Prüfungsfächer nach und hatte am 18. März SCHAFGANS fotografieren (Abb. 3). 1882 endlich das Abiturzeugnis in der Ta- sche. Seine Freude war unbeschreiblich, und er notierte: „Meinem Gretchen aber drück- Hochzeit und erste Ehejahre te ich in voller Glückseligkeit einen besie- gelnden Kuß auf ihre Lippen.“ (KOENIG Nach zweijähriger Verlobungszeit in Demmin 1938: 340). und Bonn heirateten beide standesamtlich am 16. Juli 1884 in Demmin; die Trauung Beide verlobten sich heimlich in Demmin. fand am 18. Juli 1884 in der Dorotheenstäd- ALEXANDER fuhr bald darauf nach Bonn, um tischen Kirche in Berlin statt, gefolgt von ei- seinen Eltern die Nachricht von seinem Ver- ner prächtigen Feier im Kreise der Familie, löbnis zu überbringen, nicht ganz ohne die KOENIG (1938) im Detail geschildert hat. Schon am folgenden Tag reiste das Braut- paar nach Hamburg und dann in die Flitter- wochen auf die Insel Sylt. Zum ersten Mal reisten beide allein, und MARGARETHE (Tage- buch 1884) notierte: „Trotzdem es mir aber ein sehr großer Schmerz war, meine teure Mama, mit der ich so innig zusammengelebt hatte, ganz allein zurücklassen zu müssen, folgte ich doch gern und freudig meinem lie- ben, guten Alexander. Wie sehr hatten wir Beide doch den Tag herbeigesehnt, der uns für immer vereinigen sollte, und wie unend- lich glücklich waren wir jetzt miteinander! Ach möchten wir uns doch stets so glück- lich und zufrieden fühlen können! Was gibt es wohl Schöneres als so in und miteinan- der zu leben?“ In Westerland fanden sie ei- ne schöne Wohnung bei Frau Kapitän MAR- TENSEN. Während der fünf Wochen auf Sylt Abb. 3. Das junge Brautpaar im Herbst 1883 in verbrachten sie viel Zeit am Strand, unter- Bonn, aufgenommen von JOHANNES SCHAFGANS (Ar- nahmen Dinge mit anderen Gästen, und ge- chiv ). legentlich ging ALEXANDER auf die Jagd. Leben und Wirken von MARGARETHE KOENIG (1865–1943) 75

Abb. 4. ALEXANDER und MARGARETHE KOENIG um 1890 vor der Villa LEOPOLD KOENIG in Bonn; rechts ne- ben MARGARETHE STEHEND LEOPOLD KOENIG, sitzend (in schwarz) KAROLINE KOENIG und weitere Verwandt- schaft aus St. Petersburg (Bildarchiv Museum Koenig).

Nach diesen glücklichen Wochen begann für und Gepflogenheiten der reichen Verwand- MARGARETHE eine Zeit, in der sie ihren Ehe- ten kennen zu lernen. Gemeinsame Ferien mann auf seinen ständigen Reisen in Univer- in Cannes liefen nicht immer ohne Reibungs- sitäten, Biologische Institute oder Sammel- verluste ab. Vor allem ALEXANDER fühlte sich gebiete begleitete, denn ALEXANDER war auf mehr und mehr von seinen Eltern gegängelt, der Suche nach der weiteren beruflichen Ori- zumal sich seine Mutter KAROLINE im fortge- entierung. Gleichzeitig forderten beide Fa- schrittenen Alter in religiösen Eifer hineinstei- milien ihren Tribut; Reisen nach Bonn, Bö- gerte und Vater LEOPOLD seine Jagdleiden- ckel, Demmin, Cannes und Neapel dienten schaft kritisierte. MARGARETHE war hin und her dem Kontakt zur Mutter, zu den Schwieger- gerissen zwischen ihren eigenen Ansichten, eltern, und zu den anderen Verwandten ALE- dem Verhalten ihres Ehegatten, und den Er- XANDERs. In Bonn hatte LEOPOLD KOENIG dem wartungen der Verwandtschaft. Im Februar Paar ein Haus und Grundstück gegenüber 1885 kam es deshalb zum Eklat, weil ALE- seiner Villa an der Koblenzerstraße überlas- XANDER sich weigerte in die Kirche zu gehen sen, das zu einer prächtigen Villa und groß- und stattdessen einen Spaziergang machte zügigem Park mit Volieren umgebaut wur- und nach Vögeln Ausschau hielt. Die de (HUTTERER 2000). Hier bot sich MARGARE- Schwiegermutter machte MARGARETHE des- THE ein reiches Betätigungsfeld, und hierhin wegen heftige Vorwürfe; diese schrieb an- kehrten sie immer von ihren Reisen zurück. schließend in ihr Tagebuch: „Ich halte es Zugleich boten ihr Familientreffen mit der Pe- gleich Alexander für einen schönen und tersburger Verwandtschaft in Bonn (Abb. 4) auch Gott wohlgefälligen Gottesdienst den oder Cannes Gelegenheit, die Vorstellungen man im Herzen hat, wenn man die herrliche 76 RAINER HUTTERER

ganz anders vor, aber ich fühle mich jetzt auch unendlich viel glücklicher, besonders, wenn ich das volle, tiefe Glück aus meines Alexanders Augen strahlen sehe, das jüngs- te Eheglück ist nicht süßer als dieses Glück, welches wir miteinander und ineinander fin- den. Hoffentlich ist mein früher wirklich gar zu häufig auftretender Trotz nun aber ganz gebrochen, daß unser Glück nicht mehr hier- durch getrübt wird“; und weiter, „Heute Abend unterhielten wir uns mit Herr Mor- tier Heimann sehr interessant, ob man wohl noch einmal etwas erfinden würde, um von der Erde zum Mond zu gelangen, und ob al- le sich dazwischen stellenden Schwierigkei- Abb. 5. MARGARETHE KOENIG 1885. Ausschnitt ten überhaupt zu überwinden seien.“ (Tage- aus einem Gemälde von L. STREITENFELD, Capri. Öl- farben auf Leinwand, 68 x 51 cm. (Foto: R. HUT- buch, Juli 1885). Aus diesen Zeilen spricht TERER, Original im Museum Koenig). jetzt eine junge, selbstbewusste Frau, die ih- ren Weg gefunden hat.

Natur ansieht und in derselben die große Lie- Auf Capri spielte ALEXANDER gelegentlich be und Güte Gottes erkennt und ihn Schritt Schach mit dem Künstler L. STREITENFELD, ei- auf Schritt dafür im Herzen lobt und preist.“ nem guten Portraitmaler. ALEXANDER und MARGARETHE überlegten, ob sie sich malen Es verwundert nicht, dass ALEXANDER und lassen sollten (Abb. 5): „Wir sprachen heu- MARGARETHE sich bald wieder auf Reisen be- te noch vielfach darüber, ob wir uns wirk- gaben, und zwar diesmal auf die Insel Capri, lich malen lassen wollen. Alexander meint, wo sie sechs Monate blieben. Hier führte es sähe prahlerisch aus und paßte sich nicht ALEXANDER ornithologische Studien durch und für so junge Leute, ihre eigenen Portraits MARGARETHE konnte dabei in Ruhe seine Ar- großthuerisch im Salon aufhängen zu wol- beiten begleiten und Land und Leute ken- len. Hierin muß ich eigentlich Alexander bei- nen lernen. Am Ende dieser Reise war sie pflichten und doch wäre es schade, wollten deutlich erwachsener geworden: „Der Auf- wir diese vortreffliche Gelegenheit nicht enthalt auf Capri scheint für mich in jeder wahrnehmen, die sich uns hier bietet. Ein Beziehung gut gewesen zu sein, durch das paar Gemälde zu besitzen aus unserer innige Zusammenleben dort mit meinem lie- schönsten Jugendzeit wird uns besonders für ben Manne in der schönen Natur habe ich später von großer Freude sein, und sollten mich noch viel enger an ihn geschlossen, bin uns vom lieben Gott Kinder beschieden sein, mit Leib und Seele bei seiner Wissenschaft welch’ einen Wert würden erst für diese die und verstehe ihn so ganz vollkommen, was Gemälde ihrer Eltern haben. Ich möchte früher doch wohl nicht in diesem Maße der wirklich, wir ließen uns malen. Alexander will Fall war. Ich fühle mich jetzt allen Menschen mich freilich durchaus gemalt haben, um gegenüber so ganz ohne Verlegenheit, wel- mich dann in seiner Stube über den Schreib- ches Gefühl mir immer so drückend war und tisch zu hängen und sagt, von ihm brauch- mich oft ganz verstimmte. Ich spreche frei te ich auch nur ein ganz kleines Bildchen als von der Leber weg, unterhalte mich gern, Jäger.“ (Tagebuch 1885). Der Kinderwunsch habe großen Gefallen an wissenschaftlichen war vorhanden und es war deshalb beson- Gesprächen, die ich mit großem Interesse ders schmerzlich, dass MARGARETHEs erstes verfolge, kurz, ich komme mir selbst jetzt so Kind die Geburt am 21. Juli 1886 nicht über- Leben und Wirken von MARGARETHE KOENIG (1865–1943) 77 lebte. Weitere Kinder stellten sich nicht ein, und deshalb nahmen beide möglicherweise später Patenschaften für einige Kinder an, so wie für den siebenjährigen ROBERT, dessen Vater ROBERT FENDLER (1881–1918), KOENIGs bester Präparator, jung verstarb. Der kleine ROBERT wuchs im Museum Koenig in Bonn auf, erlernte dort den Beruf des Präparators und wurde 1939 von KOENIG angestellt.

Forschungsreisen

In den ihrer Hochzeit folgenden 28 Jahren waren MARGARETHE und ALEXANDER KOENIG mit kleinen Unterbrechungen ständig auf Reisen. Nach dem Aufenthalt auf Capri folgten Kor- sika (1896), Madeira und Kanarische Inseln (1888/89), Tunesien (1885/86, 1887, 1891), Algerien (1892, 1893), Ägypten (1896/97, 1898, 1899), Sinai (1898), (1903, 1910, 1913) sowie Norwegen und Spitzber- gen (1905). Insgesamt waren sie mehr als 2 Jahre im Ausland unterwegs, davon die meiste Zeit in Nordafrika. Die Reisen waren zum Teil strapaziös und nicht ungefährlich. In der algerischen Wüste legten sie mehr als 1100 km auf Reiteseln, Kamelen und zu Fuß zurück (KOENIG 1896). Dabei wurden Vögel, Säugetiere, Reptilien, Insekten und Pflanzen Abb. 6. Die 26jährige MARGARETHE KOENIG auf or- gesammelt und präpariert, Fotos angefertigt nithologischer Expedition in Tunis 1891 (Bildar- und Tagebücher geschrieben. In Ägypten er- chiv Museum Koenig). krankte MARGARETHE an der Malaria und musste sich in Kairo auskurieren. Die einzel- Reisen trafen, musste sie sich erst gewöh- nen Reisen können hier nicht besprochen nen; manche kritische Charakterisierung be- werden. Beschreibungen finden sich bei A. kannter Ornithologen ist ihren Tagebüchern KOENIG (1888, 1892, 1896, 1911, 1938), M. zu entnehmen. Wo immer möglich, nahm KOENIG (1892), NIETHAMMER (1964), EISENTRAUT sie vor Ort Sprachunterricht in Französisch, (1973), RHEINWALD & VAN DEN ELZEN (1984) und Englisch und Spanisch und informierte sich WAGNER (2008). Hier soll nur auf die Rolle über die lokale Kultur, Geografie und Pflan- von MARGARETHE bei diesen Reisen eingegan- zenwelt. Auch in der Logistik der Reisen er- gen werden. warb sie Erfahrungen, die sie in den folgen- den Reisen nach Tunesien (Abb. 6,7) und Al- Auf den ersten Reisen nach Capri, Korsika gerien (Abb. 8) schon zu nutzen wusste. und Teneriffa machte MARGARETHE sich offen- Auch im Gebrauch der Doppelflinte hatte sie bar erst einmal mit den fremden Kulturen sich offenbar geübt. Die Suche nach Quar- und Ländern bekannt und lernte ALEXANDERs tieren, der Umgang mit Personal, die Auf- Arbeitsweise kennen. Auch an den Umgang sicht über die Köche, all diese organisatori- mit anderen Ornithologen, die sie auf den schen Dinge übernahm sie mehr und mehr, 78 RAINER HUTTERER

Abb. 7. Reisen und Forschen in Tunesien 1891. Oben MARGARETHE und ALEXANDER mit ihrer Kamel- karawane, unten das Haus an einer Weggabelung bei Monastir, das ihnen drei Monate lang als Stand- quartier diente (Fotos: M. KOENIG, Bildarchiv Museum Koenig). auch bei den aufwendigen und langen Nilr- wirklichen Verständnisses für diese Materie eisen. Dazu führte sie detaillierte Tagebücher, gibt. Während unserer männlichen Pflege dokumentierte die Reisen in Fotografien und die jungen Raben sehr bald erlagen, entwi- sammelte Pflanzen und Insekten. Die Auf- ckelten sich die beiden zarten Dunenjungen zucht und Versorgung von Vögeln lag ihr of- von Bubo cinerascens, welche bei Gemésa fenbar am Herzen. ALEXANDER bewunderte ih- dem Horste entnommen wurden, zusehends re Gabe, mit nestjungen Vögeln umzugehen und ebenso gut gediehen bei der sorgsamen und sie erfolgreich aufzuziehen. Als Beispiel Wartung auch die niedlichen Rothalsfalken. sei ein Kommentar von der Sudan-Reise Die Krone ihres Könnens setzte sich aber 1910 wiedergegeben (KOENIG 1911: 492). meine Frau bei der Aufzucht eines Falken sel- Am 31. März 1910 wurden bei Abu Doleb ber auf, den ich ihr in der Hand brachte, als halbwüchsige Vögel aus Nestern entnom- er in meiner Kabine aus dem bereits ange- men; sie sollten aufgezogen und lebend bohrten Ei anläßlich der enormen Hitze, wel- nach Bonn mitgenommen werden: „Diese che daselbst herrschte, nach zwei Tagen, hell Aufzucht ist meiner Frau glänzend gelungen, piepsend, ausgekommen war. Dieses Nest- so unwahrscheinlich und aussichtslos ich ihr häkchen wurde der größte und stärkste un- Bemühen auch von vornherein hielt. Was ter seinen Geschwistern und zeichnete sich aber sorgsame, hingebende Pflege vermag, durch Mut und Kühnheit, aber auch durch das habe ich an dem Resultate erfahren, das einen ganz vorzüglichen Stoffwechsel aus.“ meiner Frau das Zeugnis großer Liebe und Leben und Wirken von MARGARETHE KOENIG (1865–1943) 79

Abb. 8. Die von G. MÜTZEL gemalte Tafel der Lerche, die ALEXANDER KOENIG nach seiner Frau MARGA- RETHE benannte (aus KOENIG 1885).

Abb. 9. Auf Forschungsreise in Algerien, 1893. In der Mitte MARGARETHE und ALEXANDER KOENIG, da- neben rechts mit Hut ihr Bruder FRANZ WESTPHAL (Foto: M. KOENIG, Bildarchiv Museum Koenig). 80 RAINER HUTTERER

Auf der Forschungsreise nach Algerien 1893 schaft, hinter der meist alles andere zurück- wurden sie von MARGARETHEs jüngerem Bru- stehen musste. der FRANZ begleitet (KOENIG 1895; Abb. 9). MARGARETHE scheint zu ihm eine besondere Eine zweite Leidenschaft MARGARETHEs Beziehung gehabt zu haben. FRANZ WESTPHAL scheint die Fotografie gewesen zu sein. Seit war als Jugendlicher oft krank und machte 1891 begleitete sie die gemeinsamen Reisen seiner Mutter und seiner Schwester Sorgen. mit der Kamera. Sie verwendete dabei eine Er übernahm später ein Gut in Sbylutten Rollfilmkamera für das Mittelformat sowie (Amtsbezirk Kandien, Ostpreußen); auch eine größere Plattenkamera für Glasnegati- reiste er nach Brasilien und hielt seine Beob- ve. Viele der heute noch erhalten Fotogra- achtungen über deutsche Kolonisten in ei- fien von den Reisen, aber auch von den Ge- nem Buch fest (WESTPHAL 1924). bäuden und Parks in Bonn und Blücherhof (HUTTERER 1998, 2000) stammen von ihr. MARGARETHEs Onkel FRANZ MÜLLER drückte in Meist wurde ihr Name als Fotografin nicht einer Festgabe zu ihrem 25. Hochzeitstag am genannt, nur in KOENIGs (1896) Buch „Rei- 18. Juli 1909 ihre Verdienste um die Wissen- sen und Forschungen in Algerien“, zu dem schaft in einem langen Gedicht aus, welches sie 24 hervorragende Fototafeln beisteuer- hier auszugsweise wiedergegeben sei: te, wird ihre Urheberschaft mit „M. Koenig „Wenn Gretchen nicht Gehülfin war auf rau- phot.“ offengelegt. Diese Fotos von Land- em Pfad, / Mitforscherin und Mitbelausche- schaften, Menschen und Gebäuden in Alge- rin des Reichs / Der Vögelein und ihrer Art rien, von der Bonner Kunst und Lichtdruck- und Frohnatur, / Wärst, Alexander, Du, was Anstalt RUDOLPH SCHADE hervorragend auf Ta- heut Du bist? Wo wär’, / Um nur mit einem feln gedruckt, geben Zeugnis von MARGARE- Beispiel aufzuwarten hier, / „Alemon Marga- THEs großem Talent als Fotografin. ritae nova species?“ Ihr Onkel spielte auf ei- ne Wüstenlerche an, die ALEXANDER 1887 in Mehrfach erwähnt ALEXANDER KOENIG in sei- Tunesien sammelte und nach seiner Frau nen Reiseberichten, dass seine Frau botani- MARGARETHE benannte (KOENIG 1888). Heute sierte und Pflanzen presste. Dieses Interes- wird diese in Ost-Algerien, Tunesien, Libyen se teilte sie mit OTTO LE ROI (1878–1916, vgl. und Ägypten vorkommende Lerche als Un- SEEMANN 2009), dem Assistenten KOENIGs, der terart der Dupontlerche, Chersophilus du- ebenfalls Herbarien anlegte. Von MARGARE- ponti margaritae (KOENIG, 1888), aufgefasst THEs Herbarien ist leider nichts erhalten, doch (VAN DEN ELZEN 2010). ist belegt, dass sie gepresste Pflanzenbele- ge aus dem Sudan GEORG SCHWEINFURTH (1836–1925), dem berühmten Afrikafor- Tagebücher, Fotografie und Botanik scher und Freund der KOENIGs, zur Bestim- mung gab. Seine Pflanzenbestimmungen MARGARETHE führte ab 1884 gewissenhaft Ta- verwendete sie in ihrem (ungedruckten) Rei- gebücher, vor allem während der gemeinsa- sebericht über die Nilreisen. men Reisen. Diese Aufzeichnungen waren später für ALEXANDER eine unverzichtbare Quelle für die Abfassung seiner wissen- Grundsteinlegung des Museums schaftlichen Berichte und Vorträge. MARGA- RETHE hatte dabei einen sehr persönlichen ALEXANDER KOENIG legte den Tag der Grund- Stil, der scharfzüngige Urteile über Personen, steinlegung für sein Zoologisches For- mit denen sie zusammentrafen, einschloss. schungsinstitut auf den 3. September 1912, Aber auch ALEXANDER wurde nicht verschont, den 48. Geburtstag seiner Frau, fest. Die und wiederholt beklagte sie sich im Tage- Gründungsurkunde wurde von ALEXANDER buch über seine unstillbare Jagdleiden- und MARGARETHE KOENIG und dem Architek- Leben und Wirken von MARGARETHE KOENIG (1865–1943) 81

Abb. 10. Portrait von MARGARETHE um 1910 (Bildarchiv Museum Koenig) und ihr idealisiertes Eben- bild als Sandsteinskulptur über dem Haupteingang des Museumsgebäudes (Foto: R. HUTTERER).

ten GUSTAV HOLLAND, einem Schulfreund Verwirklichung noch weitere 22 Jahre dau- KOENIGs, unterzeichnet. Der Text der Urkun- ern sollte. Sowohl MARGARETHE als auch ALE- de lautet: „STUDIIS ZOOLOGICIS SACRUM. XANDER KOENIG sind als Sandsteinfiguren Unter der segensreichen Regierung Sr. Ma- über dem Haupteingang des Museums ver- jestät des Deutschen Kaisers und Königs von ewigt (Abb. 10). Diese Figuren schuf der Bild- Preußen Wilhelm II. wurde der Grundstein hauer KARL MENSER (HUTTERER 2008b). zu diesem Gebäude „Museum Alexander Koenig“ am 3. September 1912, dem 48. Geburtstage der Ehefrau des Erbauers ge- Lazarett im Museum legt. Moege dieses Museum, welches der Er- bauer und Gründer zum Zwecke der biolo- Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wur- gischen Naturforschung aus seinen eigenen de der fertige Rohbau des Museums im Mitteln errichtet, allzeit ein Exempel ernsten Sommer 1914 beschlagnahmt und als Trup- Strebens für Lehrer und Schüler sein: die penunterkunft und Lazarett verwendet. Die schaffenden Naturkräfte voller Freude zu be- Sammlungen des Museums wurden zuvor in trachten, ihre Weisheit zu bewundern und den Kellern eingemauert. Von 1914 bis 1918 in ihre Geheimnisse einzudringen zur Ehre befand sich im Nordflügel des Museums ein Gottes, zur Zierde des deutschen Vaterlan- Lazarett für verwundete Soldaten, das des, sowie zur geistigen und sittlichen För- hauptsächlich von MARGARETHE KOENIG und ih- derung der gesamten Menschheit.“ (Kopie rem Personal (Abb. 11) betrieben wurde. Für im Museum Koenig). Mit dem Neubau eines ihr Engagement verlieh ihr der Preußische Forschungsinstitutes setzten sich beide ein König die „Rote Kreuzmedaille dritter Klas- bleibendes Denkmal, dessen endgültige se“ (HUTTERER & OESL 1998, HUTTERER 2008a). 82 RAINER HUTTERER

Abb. 11. MARGARETHE KOENIG mit Helferinnen und verwundeten Soldaten um 1914 vor dem Muse- umsgebäude, das von 1914 bis 1918 als Lazarett diente (Bildarchiv Museum Koenig).

Nach dem verlorenen Krieg zogen verschie- Haushaltsführung in Bonn und Blücherhof dene Besatzungstruppen in das Gebäude ein, und auch in der Privatvilla der KOENIGs Zu den Aufgaben MARGARETHEs gehörte wurden französische Offiziere einquartiert. auch die Bewirtschaftung der Besitzungen in Bis zu Tausend Soldaten sollen auf dem Mu- Bonn und Blücherhof sowie die Betreuung seumsgelände gewohnt haben; dafür wur- der zahlreichen Gäste. In Bonn war es die ei- de extra eine Truppenlatrine im Museums- gene Villa mit Museumsanbauten sowie ein garten gebaut. Zum Betreten der Kellerräu- Park, Gärten, Tiergehege und Gewächshäu- me, in denen die Sammlungen lagerten, ser (HUTTERER 2000). 1904 erwarb KOENIG das musste MARGARETHE einen Passierschein der Rittergut Blücherhof in Mecklenburg, das er französischen Besatzungsmacht vorweisen. nach und nach zu einem Mustergut ausbau- Da sie sich auch sonst um den Zustand des te. In Blücherhof empfingen die KOENIGs Gebäudes kümmerte und dabei offenbar Freunde, Familienangehörige und Gäste aus kein Blatt vor den Mund nahm, sollte sie vor aller Welt. MARGARETHEs Fotos und die Ein- ein Kriegsgericht gestellt werden, was nur träge der Besucher in den Gästebüchern von durch eine Intervention des damaligen Bon- Blücherhof sind heute die wichtigsten Zeug- ner Bürgermeisters FRITZ BOTTLER (1870– nisse über das Leben auf dem Gut von 1904 1922) verhindert wurde (KOENIG 1934). bis 1940 (HUTTERER 1998). Leben und Wirken von MARGARETHE KOENIG (1865–1943) 83

Literarisches Werk Gemeinsames Ehrengrab

MARGARETHE KOENIG lebte in einer von Män- MARGARETHE KOENIG starb am 14. Mai 1943 nern dominierten Welt. Das galt auch für in ihrer Wohnung in Bonn. Sie wurde neben den Wissenschaftsbetrieb der Zeit. Ihre ver- ihrem 1940 verstorbenen Mann ALEXANDER mutliche einzige Veröffentlichung („Reise- auf dem Südfriedhof in Bonn begraben. skizzen aus Tunis“) ließ ALEXANDER KOENIG bei Trotz der schwierigen Zeitumstände und der dem Verlag Lippert & Co. in Naumburg dru- Anfeindungen, denen das Museum ausge- cken. Die Druckunterlagen für ihr umfang- setzt war (vgl. HUTTERER & OESL 1998), war die reiches Buch über die gemeinsamen Reisen Anteilnahme in der Bevölkerung an ihrem in Ägypten und Sudan, das auf ihren detail- Tod groß; über 100 Kondolenzschreiben gin- lierten Tagebuchaufzeichnungen und eige- gen ein, auch von der Stadt Bonn, der Uni- nen fotografischen Aufnahmen basierte versität Bonn, und der Kaiser-Wilhelm-Ge- und schon mehrfach angekündigt worden sellschaft. In Bonner und Kölner Tageszeitun- war, gingen 1943 in der Druckerei G. Kun- gen erschienen anerkennende Nachrufe ze in Bernburg (Sachsen-Anhalt) verloren, (ANONYMUS 1943). Der Text eines kurzen und das bereits bezahlte und in der Drucke- Nachrufes aus einer Bonner Zeitung sei hier rei eingelagerte Hochglanzpapier wurde zitiert: „Frau Margarethe Koenig geb. West- 1945 beschlagnahmt. Ein Teil der Fahnen- phal, die Gattin des bekannten Gründers des korrekturen, die im Museum Koenig erhal- Zoologischen Reichsmuseums Alexander ten blieben, benutzte der Ornithologe GÜN- Koenig in Bonn, starb jetzt 78jährig. Sie war TER NIETHAMMER (1964) später als Quelle für eine geistreiche und tatkräftige Frau, die seit sein Buch „Alexander Koenigs Reisen am ihrer Vermählung im Jahre 1884 das rastlo- Nil“, in das auch die bereits für MARGARETHEs se Forscherleben ihres Gatten teilte, bis er ihr Buch gedruckten Vogeltafeln eingebunden vor drei Jahren im Tod vorausging. Sie hat wurden. Diese Druckfahnen waren seitdem zahlreiche Reisen nach Afrika und Spitzber- verschollen und wurden erst vor wenigen gen mitgemacht und unter anderem bei der Jahren vom Verfasser im Nachlass von G. ersten Durchquerung der Bajudasteppe in NIETHAMMER aufgefunden. Das eigentliche Werk von MARGARETHE KOENIG, das den ers- ten Band von KOENIGs „Vögel am Nil“ bilden sollte (KOENIG 1938), bleibt daher noch zu entdecken und zu rekonstruieren.

Einer Fußnote von ALEXANDER KOENIG (1892) ist zu entnehmen, dass MARGARETHE auch Auszüge aus ihren Tagebuchaufzeichnungen für die Illustrierte „Über Land und Meer“ zu- sammengestellt hatte. Bisher ist es aber noch nicht gelungen, eventuell weitere Publikatio- nen von MARGARETHE KOENIG in dieser heute schwer zugänglichen Zeitschrift, die im 19. Jahrhundert eines der wichtigsten illustrier- ten Unterhaltungsblätter war (ROTH 1996), aufzufinden.

Abb. 12. Die Grabstätte von MARGARETHE und ALEXANDER KOENIG auf dem Bonner Südfriedhof (Foto: R. HUTTERER). 84 RAINER HUTTERER der östlichen Sahara eine ungewöhnliche Danksagung Leistung vollbracht. Ihre Aufzeichnungen Ich danke herzlich den ehrenamtlichen Mitarbei- und eigenen wissenschaftlichen Arbeiten terinnen und Mitarbeitern, die halfen, die Tage- z.B. in der Erforschung der Fauna der Sinai- bücher ALEXANDER und MARGARETHE KOENIGs zu ent- halbinsel sind dem Lebenswerk des Gelehr- schlüsseln und zu übertragen, namentlich HELLA ten eingefügt, ebenso ihre Tagebuchnotizen, VON ISSENDORFF (Warstade), CHRISTINE THROLL (Bonn- die als Schilderungen in seinem zweibändi- Holzlar) und REINHARD PFOTENHAUER (Bonn). Frau Dr. gen großen Werk über die „Vögel am Nil“ ALEXANDRA-K. STANISLAW-KEMENAH (Dresden) stellte ihr Wissen über ihre Urgroßtante MARGARETHE zur erschienen. Bis in die letzte Lebenszeit hat Verfügung. Dem Landesarchiv NRW (Düsseldorf) Frau Margarethe Koenig diese wissenschaft- bin ich für den Zugang zu Archivalien dankbar. lichen Arbeiten durchgeführt und zum Ab- Dr. GUSTAV PETERS (Bonn) verdanke ich wertvolle schluß gebracht.“ Auch hier wieder ein Hin- Hinweise; er, Dr. INGE BISCHOFF und KARIN ULMEN weis auf ihr Buch, das sich 1943 im Druck (Bonn) unterzogen das Manuskript einer kriti- befand, dann aber durch Kriegseinwirkung schen Durchsicht. verloren ging. Summary Über die Gestaltung der Grabstätte hatten sich beide schon zu Lebzeiten verständigt A review is given of the lifetime achievement of MARGARETHE KOENIG, née WESTPHAL (1865–1943), und die renommierte Firma F. HOFMEISTER in the wife of ALEXANDER KOENIG (1858–1940), or- Frankfurt mit der Ausführung einer gemein- nithologist and founder of Zoologisches samen Grabstätte beauftragt. Da ALEXANDER Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn. Ehrenbürger der Stadt Bonn gewesen war, She was born in Demmin, a small town in a coun- übernahm die Stadt die Pflege des Grabes ty called Vorpommern at that time. She lost her auf dem Südfriedhof (Abb. 12). father early in her childhood and grew up with her mother, two brothers, and her grandfather. In 1881 at the age of 16 she met ALEXANDER KOENIG, a student who came to Demmin in order Schlussbemerkung to complete his A levels at the local boys’ second- ary school. A year later they got engaged, and MARGARETHE WESTPHAL wuchs behütet in der in 1884 they married. MARGARETHE was introduced kleinbürgerlichen Gesellschaft Demmins auf into the family of the rich sugar king LEOPOLD und traf als junges Mädchen auf den bereits KOENIG, ALEXANDER’s father, and the corresponding social class, and also into the scientific commu- welterfahrenen ALEXANDER KOENIG, Sohn eines nity of her husband. After some months of field Multimillionärs. Den Eintritt in die Welt der work with ALEXANDER on the islands of Capri and Reichen und Gelehrten fiel ihr offenbar nicht Corsica she had adjusted to her new way of life leicht, Abenteuer und strapaziöse For- and soon became an irreplaceable companion on schungsreisen meisterte sie dagegen mit be- most of his expeditions for the next 28 years. wundernswertem Elan. Auf den meisten For- From 1888 to 1913 both conducted long biolog- ical surveys on Madeira and the Canary Islands, schungsreisen ALEXANDER KOENIGs war sie ihm in Tunisia, Algeria, , Sudan, Sinai, as well as eine unersetzliche Begleiterin und Mitarbei- Norway and Spitsbergen. MARGARETHE was re- terin. Spätestens seit 1912 verfolgte sie ge- sponsible for logistics, for writing diaries and field meinsam mit ihrem Mann das Ziel, ein Zoo- notes, photographic documentation, collecting logisches Forschungsmuseum in Bonn zu er- plants, and so forth. Her notes and photographs richten, das über eine Stiftung abgesichert formed an important part of the subsequent sci- werden sollte. Dieses Ziel verfolgten beide entific publications of ALEXANDER KOENIG. In 1912 both laid the foundation stone for a new large hartnäckig gegen viele Widerstände und zoological research institute and museum in über zwei Weltkriege hinweg. MARGARETHEs Bonn, the completion of which absorbed much Anteil an diesem Werk sollte daher aner- of their energy until their end. MARGARETHE was kannt werden und dauerhaft in Erinnerung a strong woman who contributed much to the bleiben. success of ALEXANDER KOENIG’s research and writ- ings as well as to the successful foundation of a Leben und Wirken von MARGARETHE KOENIG (1865–1943) 85 new research museum in Bonn. Her lifetime KOENIG, A. (1896): Reisen und Forschungen in Al- achievement, though almost forgotten, merit re- gerien. I: 1–168, II: 1–426, 24 Fototafeln, 16 spect and recognition. Farbtafeln, 1 Karte. 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