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Bauwelt Fundamente 94 Herausgegeben von Ulrich Conrads und Peter Neitzke Beirat: Gerd Albers Hansmartin Bruckmann Lucius Burckhardt Gerhard Fehl Herbert Httbner Julius Posener Thomas Sieverts Mensch und Raum Das Darmstädter Gespräch 1951 viewe3g Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitaufnahme Mensch und Raum / Das Darmstädter Gespräch 1951. - Neuausg. - Braunschweig: Vieweg, 1991 (Bauwelt-Fundamente; 94) ISBN 3-528-08794-3 NE: Darmstädter Gespräch <02, 1951 >; GT Der Umschlag zeigt in Skizzen zwei der elf sogenannten Meisterbauten, die anläßlich des Gesprächs für die Stadt Darmstadt konzipiert worden waren und die dritte Abteilung der Ausstellung auf der Mathildenhöhe bildeten. Auf der Titelseite: Entwurf für die Mädchenberufsschule von Rudolf Schwarz; auf der Rückseite: Projekt einer Volksschule von Hans Scharoun. Der Neudruck des Gesprächsprotokolls und der Auflistung des Inhalts der Ausstellung zum Gespräch folgt der im Auftrag des Magistrats der Stadt Darmstadt und des Komitees Darmstädter Gespräch 1951 von Otto Bartning herausgegebenen Fassung, erschienen 1952 in der Neuen Darmstädter Verlagsanstalt GmbH. Wir danken allen Beteiligten für ihre Zustimmung zu dieser Neuausgabe. Alle Rechte vorbehalten © Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1991 Der Verlag Vieweg ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. Umschlagentwurf: Helmut Lortz Satz: ITS, Herford Druck und buchbinderische Verarbeitung: Langelüddecke, Braunschweig Printed in Germany ISBN 3-528-08794-3 ISSN 0522-5094 DIE FÜNF GRUNDSÄTZE DER DARMSTÄDTER GESPRÄCHE 1. Die Darmstädter Gespräche sind ein internationales Forum für ganz Deutschland. Die Stadt Darmstadt hat diese Einrich- tung in Besinnung auf ihre kulturellen Traditionen geschaffen, um der öffentlichen Debatte europäischer Lebensfragen einen unabhängigen Ort zu geben. 2. Die Darmstädter Gespräche sind keine Fachgespräche. Sie wer- den für ihr Publikum und für die Öffentlichkeit geführt. Sie stellen nicht Personen gegeneinander, sondern Gedanken. 3. Die Darmstädter Gespräche sollen dem unaufhörlichen Dialog von These und Antithese einen möglichst großen Spielraum bieten. Sie sollen vom Allgemeinen ins Besondere gehen, um aus dem Besonderen neue Schlüsse auf das Allgemeine zu ermöglichen. 4. Die Darmstädter Gespräche sind kein Schauplatz parteipoli- tischer Auseinandersetzungen: Sie wollen nicht Aufgaben po- litischer Parlamente übernehmen. Greifen sie jedoch ein po- litisches Thema auf, soll der Geist der Politik und die Politik des Geistes zur Debatte stehen. 5. Die Darmstädter Gespräche stieben nicht nach Entscheidungen oder Lösungen. Sie dienen der Aussprache und Verständigung. Sie genügen ihrem Zweck, wenn durch sie ein neuer Gedanke, eine fruchtbare Erkenntnis oder eine bessere Ansicht der Dinge sich mitteilen und erproben kann. 5 PRÄSENZ DES ERINNERTEN Könnte die Überschrift ohne weiteres als lapidare Feststellung gelten, so wäre selbst dieses kurze Vorwort überflüssig. Doch wie viele Leser haben die Nachkriegszeit noch zur Gänze erlebt, wer kann lückenlos Zeugnis geben von den vier hinter uns liegenden Jahrzehnten? So nehme der Leser die Überschrift als Wunsch: daß er selbst erfahren möge, mit welcher Unmittelbarkeit noch immer, vierzig Jahre danach, die Reden und Wortwechsel des Darmstädter Gesprächs Mensch und Raum sich in die aktuelle Architektur- und Städtebau-Diskussion mischen. So oft ich auch in den vergangenen Jahren in den Protokollen des Gesprächs geblättert habe, auf der Suche nach irgendeiner nur vage erinnerten Aussage, nie habe ich es mir aufwendig „vergegenwärtigen" müs- sen. Es war und blieb erlebte Gegenwart. Dabei weiß ich gar nicht mehr, wie ich in den ersten Septembertagen 1951 nach Darm- stadt gekommen bin und wie ich mir Eingang verschafft habe zu den Ausstellungsräumen auf der Mathildenhöhe und der aus allen Nähten platzenden (nebenbei gesagt: scheußlichen) Darm- städter Stadthalle, dem Ort des dreitägigen Gesprächs. Dabeisein war alles, damals. Es saß da das ganze bauende oder auch noch nicht bauende „Jung-Deutschland (West)" vier Altmeistern zu Fü- ßen, vier ausgewiesenen Persönlichkeiten durchaus verschiedener geistiger Herkunft und unterschiedlichen Temperaments, doch na- hezu gleich großen Gewichts. Was würden sie uns mitteilen? Und wer würde sich wohl auf Otto Ernst Schweizer, Rudolf Schwarz, Martin Heidegger und Ortega y Gasset in Gegenrede oder auch Zurede einlassen? Wer würde das können, abgesehen von Otto Bartning, dem, bei aller Selbstgefälligkeit und Glätte, manch gutes Zwischen-Wort als Gesprächsleiter zuzutrauen war? Vor allem: Was würden die Nicht-Architekten beitragen? Eben noch Student gewesen, gerade erst europäische Maßstäbe gelernt und begriffen, bislang mehr der bildenden Kunst als der Architektur zugewandt, konnte man, wie ich, damals mit einiger Anstrengung noch das ganze Kunstschaffen (der Leser gestatte diesen ältlichen Begriff) im Blick haben. Noch war es möglich. Dem Krieg entkommen, glichen wir dürstenden Schwämmen, auch sechs Jahre später noch. Ungeachtet der hundsgemeinen Ernüch- 7 terungen, in die uns die Politik der Adenauer-Republik stürzte (durchaus vergleichbar der heutigen Ernüchterung insbesondere in den sogenannten Neuen Bundesländern), war unsere Stimmung immer noch die des frischen Aufbruchs: schon 1951 ein schöner Wahn. Uns selbst noch wie vor allem Anfang und frei fühlend, Ubersahen wir, wenn auch gewiß nicht geflissentlich, was da um uns herum längst an faktischer Restauration und geistiger Re- striktion betrieben wurde. Und so war es eigentlich nicht nur die äußere, sondern auch unsere innere Situation, die uns junge Leute 1951 zu wachen, geschärften, kritischen und schließlich doch, ich muß es gestehen, zu dankbaren, wenn nicht - stellenweise - sogar begeisterten Zuhörern des zweiten Darmstädter Gesprächs machte. Vierzig Jahre später kann ich diese Dankesschuld einlösen: Der vorliegende Band der Bauwelt Fundamente soll ein Ereignis ver- gegenwärtigen, das sich vor vierzig Jahren wiederum auf ein an- deres, damals genau ein halbes Jahrhundert zurückliegendes Er- eignis am selben Ort berufen konnte: auf die erste Ausstellung der Künstlerkolonie auf der Darmstädter Mathildenhöhe 1901, die sich Ein Dokument Deutscher Kunst nannte. Unglaublich, wie sich immer wieder Kontinuität herstellt und selber hilft! So wiederhole ich meinen Wunsch, daß der Neudruck des Darm- städter Gesprächs Mensch und Raum, mag seine Sprache heute auch stellenweise antiquiert erscheinen, aufgefaßt werde als ein Dokument der Hoffnung auf ein Bauen aus Menschenliebe. Das hinzuschreiben, geht einem nicht leicht von der Hand und klingt fast zynisch eben jetzt, im Jahr des Golf-Kriegs, dieser ungeheu- erlichen Niederlage der Aufklärung, der Menschenwürde, der Lie- be. Oder im Jahr des kurzlebigen, doch darum nicht weniger lähmenden Putsches in der Sowjetunion. Eben darum aber kann es keinen besseren Zeitpunkt geben, dem Gespräch über Mensch und Raum sechs Jahre nach den Blutbädern, Verheerungen, Mor- den und Schrecknissen des Zweiten Weltkriegs aufs neue Geltung zu verschaffen. Es steht insgesamt für eine innere, geistige Haltung, ohne die alles Bauen das ihm aufgegebene humane Pensum ver- fehlen muß. * 8 Der hier vorgelegte Neudruck des Darmstädter Gesprächs Mensch und Raum folgt, abgesehen von der Auslassung rein organisato- rischer Mitteilungen, dem im Auftrag des Magistrats der Stadt Darmstadt und des Komitees Darmstädter Gespräch 1951 von Otto Bartning herausgegebenen Protokoll, 1952 vorgelegt von der Darmstädter Verlagsanstalt. Nicht aufgenommen in unseren Neu- druck haben wir die Erläuterungen der „Meisterbauten", insgesamt elf Entwürfe für Bauvorhaben der Stadt Darmstadt auf dafür 1951 durchweg schon zur Verfügung stehenden Grundstücken. Ei- nige dieser Projekte sind in den Folgejahren ausgeführt worden, nicht immer mit viel Beifall bedacht. Der Begriff „Meisterbauten" war von vornherein unglücklich. Dennoch, daß ausgerechnet ein so exorbitant sich von den Konventionen abhebender Entwurf wie der für eine Volksschule von Hans Scharoun (bezeichnen- derweise im Protokoll Alfred Scharoun genannt) nicht realisiert wurde, ist - meine Meinung - eine der schlimmen Architektur- Niederlagen des ersten Nachkriegsjahrzehnts. Dieser Bau hätte - Schulbau, der er ist - Schule machen können; pädagogischer hat Scharoun, so behaupte ich, nicht ein zweites Mal mit einem Entwurf ins Baugeschehen eingegriffen. Wer weiß, welche Resi- gnation er aus Darmstadt davongetragen hat, als Einübung auf spätere, scheinbar einschneidendere. Ich erinnere an den Thea- terentwurf für Kassel. Die authentischen Beschreibungen der Darmstädter „Meisterbau- ten" kann man in den inzwischen erschienenen Monographien der Architekten oder in den Katalogen der ihnen gewidmeten Ausstellungen nachlesen. Die Liste der „Meisterbauten" ist im vorliegenden Nachdruck am Ende des ersten Teils, Die Ausstellung, eingefügt. Im übrigen ist mit Bedacht entschieden worden, langweilige Ein- führungen, Anreden, Danksagungen nicht zu streichen. Es werden da nicht selten Personen angesprochen und Namen genannt, mit denen sich Initiativen, Verantwortungen, mutige Interventionen zu Beginn der fünfziger Jahre, will sagen: zu Beginn deutscher Nachkriegsgeschichte, Raum West, verbinden. Es ist festzuhalten, daß es, woher sonst auch die Anstöße und Anregungen kamen, ein Oberbürgermeister und sein Stadtkämmerer gewesen sind, die die Darmstädter Gespräche - es waren fünf insgesamt in fünf aufeinander folgenden Jahren - zu wirkender Wirklichkeit werden ließen; ihre Namen: Dr. Ludwig Engel