Wirtschaft

BANKEN Der Zauberlehrling Mitten im Sturm der Finanzmärkte soll der -Chef Martin Blessing eine der größten Fusionen der deutschen Bankengeschichte stemmen – trotz gewaltiger Verluste und immer neuer Risiken. Doch ein Zurück gibt es weder für ihn noch für die Politik.

chmal sieht der Lieblingsbanker der dings nicht mehr von einem grünen, son- die stolze Zwei knapp hinter der Deut- Kanzlerin aus in seinem dunkelblau- dern von dem gelben Regenschirm der schen Bank. Sen Anzug und dem weißen Hemd. Commerzbank angekündigt. Bundeskanzlerin und Das riesige Wandbild mit den großen Farb- Blessing kennt die Skepsis – und die Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ha- flächen in Grün und Gelb hinter ihm er- Emotionen, die mit der Übernahme ver- ben 33,2 Milliarden Euro zugesagt, damit schlägt ihn fast. In dem fahlen Licht des bunden sind. Die gelbe Commerzbank, der das Experiment gelingt. 15 Milliarden Euro Ausbildungszentrums der Emporkömmling, die traditionelle Num- davon sind staatliche Garantien für die wirkt er weit älter, als er ist. mer drei unter den privaten Großbanken, Schuldverschreibungen der Bank, die sonst Verschwunden ist der jungenhafte schluckt die grüne Dresdner, früher mal kaum von privaten Investoren gekauft Charme, der Martin Blessing, 45, noch vor wenigen Monaten auszeichnete. Im Ge- sicht des Commerzbank-Chefs tritt die längliche Narbe, die ihn seit einem Rad- unfall in seiner Kindheit begleitet, stärker als sonst hervor. Es ist wie beim Zauber- schüler Harry Potter: An guten Tagen fällt die Narbe kaum auf. Doch Entspannungstage gibt es kaum mehr, seit der Zauberlehrling Blessing am 31. August, kaum vier Monate im Amt, die Übernahme der Dresdner verkündete – kurz bevor die Pleite der US-Investment- bank Lehman Brothers die Finanzmärkte ins Chaos stürzte. Seither musste er Milliardenverluste ver- künden und die Commerzbank zweimal Schutz unter dem Rettungsschirm der Bun- desregierung suchen. Noch immer finden sich in den Bilanzen beider Banken toxi- sche Wertpapiere in Höhe von 55 Milliar- den Euro, die Brüsseler EU-Kommission würde am liebsten das ganze Institut zum Sanierungsfall, zur „Bad Bank“, erklären. Und in dieser Situation, mitten in der größ- ten Finanzkrise seit 1929, soll Blessing eine der größten Fusionen in der deutschen Bankengeschichte gelingen. Wie so oft dienstags hat Blessing einen Zwölfstundentag mit zwei Vorstandssit- zungen hinter sich, als er spätabends im Königsteiner Schulungszentrum der Dresd- ner Bank vor etwa 150 Nachwuchskräfte tritt. „Wie viel Grün ist später im Gelb?“, will einer aus dem Vertrieb der Dresdner vom neuen Chef wissen. Ihre Kunden fänden es gar nicht gut, dass der Name ihrer Bank nach der Über- nahme verschwindet. Ob es nicht besser sei, wie auf dem Wandbild hinter ihm die Farben Gelb und Grün nebeneinander ste- hen zu lassen? Bis Ende nächsten Jahres soll der Name ihrer 137 Jahre alten Bank ausradiert wer-

den. Selbst die Wetterfee vom „heute-jour- DASHUBER THOMAS nal“ und den „Tagesthemen“ wird neuer- Commerzbank-Chef Blessing, Commerzbank-Zentrale in Frankfurt am Main: Hat er die Risiken, die

64 der spiegel 16/2009 würden. Mit 18,2 Milliarden Euro stillen wortgewaltiger Finanzminister, wer hier Beckmann und schon gar nicht vor den Einlagen und Aktien will der Bund direkt künftig das Sagen hat. Dabei ist die 25- Nachwuchskräften der Dresdner Bank. einsteigen. Prozent-Beteiligung des Staates noch nicht Hier ist er, ganz anders als im Fernsehen, Die Fusion darf nicht scheitern – darin einmal vollzogen. „Ober sticht Unter“, ur- in seinem Element. Die zwiespältigen Ge- ist sich die Berliner Koalition ausnahms- teilte die „Frankfurter Allgemeine“. fühle seiner Zuhörer nimmt er zur Kennt- weise einig. Eine zweite große deutsche Blessing wirkte ungewohnt nervös. Er nis, mehr nicht. Bank soll entstehen, eine, die sich vor al- verkrampfte bei der Übung, dem Fernseh- „Wir haben uns entschieden, die Bank lem um den deutschen Mittelstand küm- publikum die richtige Mischung aus De- Commerzbank zu nennen“, sagt er etwas mert. Notfalls stehen weitere zweistellige mut und Kompetenz zu demonstrieren. gestelzt. Die 22000 Dresdner-Bank-Mitar- Milliardenbeträge bereit, um die Risiken „Wir Banker haben Fehler gemacht“, sag- beiter wissen längst, was das bedeutet: Von der aufgeblähten Bilanz dieser neuen Com- te er pflichtschuldig. ihrem Institut bleibt nichts übrig. Der kom- merzbank zu isolieren. Aber welche Fehler hat er selbst ge- plette Vorstand, das Geschäftsmodell, die Doch ist Blessing für diese Aufgabe der macht? Hat er nicht die Risiken, die in den Computersysteme, einfach alles kommt richtige Mann? Dieser ehemalige McKin- Büchern der Dresdner schlummerten, fatal von der Commerzbank. „Die Commerz- sey-Berater, den seine Kritiker als Techno- unterschätzt? Blessing wischt solche Fragen bank ist die Blaupause“, sagt Blessing gern kraten abtun? Dieser Turbokarrierist, in- beiseite. „Sie können immer nur auf in kleinem Kreis. tern Blessing der Dritte genannt, weil sein Grundlage der Information entscheiden, Nur beim Logo signalisiert er Kompro- Großvater Bundesbankpräsident und sein die Sie zum Zeitpunkt einer Ent- missbereitschaft. Das Commerz- Vater Deutsche-Bank-Vorstand war? scheidung haben“, sagt er bank-Blatt, intern mit einem Wer Anfang März den Staatsbanker dann. Blumenkohl verglichen, Blessing neben Steinbrück in der ARD- Wenn er Selbstzwei- und das Dresdner-Zei- Talkshow bei Reinhold Beckmann erlebte, fel kennt, dann zeigt er chen, mit Bezug auf den konnte zweifeln. Zu sehr demonstrierte ein sie nicht – nicht bei F ehemaligen Vorstands- BÖRSENWERT vorsitzenden Jürgen Stand: 8. April 2009 UR3,7 Mrd. € Ponto gern „Ponto- STAATSHILFEN W Auge“ genannt, seien Garantien und beide nicht über je- Eigenkapitalhilfen 33,2 Mrd. € den Zweifel erhaben. VERLUSTEENT Aber es gibt wirk- vor Steuern 2008* 5,1 Mrd. € lich andere Probleme. „Sie überrollen die * Dresdner Bank und Commerzbank Dresdner Bank“, warnte Bernd Pischetsrieder im Auf- sichtsrat des Übernahmeopfers vor einer fremdbestimmten „Invasion“. Der ehemalige Chef der Autokonzerne BMW und Volkswagen mahnte Blessing, auch die emotionalen, die weichen Fakto- ren bei dieser Fusion zu berücksichtigen. Sonst gehe das Ganze schief. Wenn Porsche und VW streiten, habe das keine Folgen, weil die Leute trotzdem die Autos kaufen. Bei Banken sei dagegen ein solcher Kulturkampf schlecht für das Geschäft: „Da bleiben die Kunden weg.“ Doch Blessing will es den Altvordern der Branche zeigen, die mit ihren Fusions- plänen in der Vergangenheit regelmäßig scheiterten. Und seinen alten Widersa- chern in der Dresdner, die ihm einst die einzigen empfindlichen Niederlagen sei- ner Karriere beibrachten. Nach seiner Zeit als Unternehmensbe- rater hatte er bei der Dresdner angeheuert. Doch beim Aufstieg in den Vorstand schei- terte er am Widerstand der Betriebsräte. Die fürchteten den knallharten Sanierer aus der McKinsey-Schule. „Ihm fehlte die Menschlichkeit“, sagt einer, der ihn von damals kennt. Statt Blessing rückte An- dreas Georgi in den Dresdner-Bank-Vor- stand auf. Der war einer der Vorstände, der nun mit einer millionenschweren Ab- findung gehen musste. Statt Vorstand bei der Dresdner wurde Blessing im Jahr 2000 Chef der Münchner Advance Bank. Doch deren Luxusvarian-

HANS-GUENTHER OED te einer Direktbank funktionierte nicht, sie in den Büchern der Dresdner schlummerten, fatal unterschätzt? musste 2003 wegen dauerhafter Verluste

der spiegel 16/2009 65 Als das Leitungsgremium des Soffin zwi- schen Weihnachten und Neujahr zu einer Notsitzung zusammengetrommelt wurde, war alles längst beschlossen. Der Soffin stellte weitere Milliarden in Aussicht, um den Kauf der Dresdner abzusichern. Im Gegenzug will sich der Staat mit 25 Pro- zent am Aktienkapital beteiligen. „Der Allianz geht es nicht sehr gut, hieß es im Lenkungsausschuss“, erinnert sich einer der Teilnehmer. Wenn der Deal plat- zen würde, geriete möglicherweise auch der Münchner Versicherungsgigant in den Sog der Finanzkrise, wurde den Bundes-

200 Unsichere Bank Chronik der Commerzbank-Krise 31. August 2008 Die Commerzbank vereinbart mit der 188 Allianz die Übernahme der Allianz- Tochter Dresdner Bank für 9,8 Mrd. €. 15. September 2008 Im Zuge der US-Finanzkrise meldet die Investmentbank Lehman Brothers

CHRISTIAN THIEL CHRISTIAN Insolvenz an und löst damit eine Regierungspolitiker Merkel, Steinbrück: Notfalls stehen weitere Milliardenpakete bereit 166 weltweite Finanzmarktkrise aus. 3. November 2008 beerdigt werden. Trotz seines Scheiterns lich riesige Löcher, bis zum Jahresende Die Commerzbank begibt sich durfte Blessing 2001 in den Vorstand der schnurrte ihr Eigenkapital um fast zwei unter den staatlichen Rettungs- Commerzbank wechseln. 2002 stand die Drittel auf kümmerliche 4,5 Milliarden schirm. Sie erhält eine kurz vor dem Exitus. Die britische „Fi- Euro zusammen. „Die Übernahme war 144 Kapitalspritze von 8,2 Mrd. € nancial Times“ hatte über Liquiditätspro- existenzbedrohend“, sagt Dieter Hein. Der und 15 Mrd. € an Garantien. bleme berichtet und mit dem Gerücht wohl Analyst von Fairesearch verlangte sogar 27. November 2008 einige Hedgefonds reich gemacht. Der da- Blessings Rücktritt. Neuverhandlung der Dresdner- malige Vorstandschef Klaus-Peter Müller Doch der hat die Rückendeckung sei- Bank-Übernahme. Der Kaufpreis musste in den darauf folgenden turbulen- nes Aufsichtsratschefs Müller und, wichti- 122 sinkt auf 5,1 Mrd. € und die ten Tagen mehrmals im Büro übernachten ger noch, der Bundesregierung. Als klar Übernahme soll – früher als und erkannte, dass manchmal auch Fitness war, dass die Übernahme aus eigener Kraft geplant – schon im Januar 2009 abgeschlossen sein. zum Job gehört. nicht zu schultern war, kamen ihm die Ihm imponierte die Belastbarkeit Bles- glänzenden Kontakte nach Berlin zugute. 8. Januar 2009 sings, er baute den durchtrainierten Mara- Schon sein Vorgänger Müller hatte die 100 Der Bund will die thonläufer zu seinem Nachfolger auf. Verbindungen bis hinauf zur Kanzlerin Commerzbank mit einer Müller sah das latente Risiko, dass die auch in Zeiten gepflegt, als es der Bank AKTIENKURS weiteren Kapitalhilfe in Höhe von 10 Mrd. € stützen Commerzbank als die schwächste der drei gut ging. Müller, der Sohn eines ehemali- in Euro und dafür 25% plus eine Frankfurter Großbanken irgendwann ver- gen Düsseldorfer CDU-Oberbürgermeis- Aktie übernehmen. Damit schwindet. Also setzte er auf Expansion. ters, galt schon immer als der politischste 8 würde der Bund größter Zuerst übernahm die Commerzbank aller Banker. Einzelaktionär. Ende 2005 für 4,6 Milliarden Euro die Eu- Blessing brachte seine eigenen Kontak- rohypo und wurde so zum größten Immo- te mit. Er kennt Merkels Wirtschaftsbera- bilienfinanzierer Europas. Dann wurde ter Jens Weidmann ebenso gut wie den Anfang 2008 deutlich, dass die Allianz die neuen KfW-Vorstand Axel Nawrath, der 6 Dresdner loswerden wollte. Müller und bis vor kurzem dem Lenkungsausschuss Blessing sahen die Chance, mit der des Bankenrettungsfonds Soffin vorstand. Übernahme und dann über elf Millionen „Die duzen sich alle“, sagt einer, dem die 12. Januar 2009 Kurs: Thomson Kunden die Nummer eins zumindest in Stützaktion nicht ganz geheuer ist ange- Vollständige Übernahme Financial Datastream Deutschland zu werden. sichts der riesigen Milliardenbeträge, die da der Dresdner Bank. 4 In einem Anflug von Größenwahn po- für die Steuerzahler auf dem Spiel stehen. 18. März 2009 kerte die Commerzbank im vergangenen Blessing, Weidmann und dessen Nach- Die EU-Wettbewerbs- Sommer auch noch bei der Postbank mit. folger beim Soffin, der Finanzstaatssekretär kommissarin äußert Bedenken Schließlich durfte Blessing, der Müller Jörg Asmussen, gehören zur angelsächsisch gegen die zweite geplante Kapital- mittlerweile als Vorstandschef beerbt hat- geprägten pragmatischen Generation jener spritze und die Beteiligung des Bundes. te, am 31. August den Deal mit der Dresd- Mittvierziger, die die Finanzkrise ins Zen- 27. März 2009 ner verkünden. Die Transaktion sei „ein trum der Macht gespült hat. In sogenannten Die Commerzbank lagert toxische Wertpapiere Quantensprung, der Maßstäbe setzt“, Non-Gesprächen zwischen ihnen wurde mit einem Marktwert von 55 Mrd. € – vorwiegend schwärmte Blessing vor Analysten. binnen weniger Tage das zweite Rettungs- aus dem Portfolio der Dresdner Bank – in eine separate Abwicklungsabteilung aus. Wenige Tage später waren mit der paket für die Commerzbank geschnürt, Lehman-Pleite alle Pläne Makulatur. In ohne dass vorher eine offizielle Hilfsanfra- Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Jan. Febr. März den Bilanzen der Dresdner klafften plötz- ge des Instituts eingegangen war. 2008 2009

66 der spiegel 16/2009 Wirtschaft tagsabgeordneten bedeutet, die über die Milliardenhilfen für die Banken wachen. „Da streiten Sie nicht mehr über die letz- te Milliarde des Hilfspakets“, sagt einer der Soffin-Manager. Dafür gibt es nun Ärger mit der Euro- päischen Kommission, die die zweite Eigen- kapitalspritze des Staats für die Com- merzbank immer noch nicht genehmigt hat. Die Brüsseler stufen die Commerz- bank ähnlich wie die WestLB als Bank ein, die auch ohne Finanzkrise in Schwierig- keiten stecken würde. Die Kommission verlangt ein tragfähiges Sanierungskon- zept, das den radikalen Abbau von Risiken und Vermögenswerten vorsieht. Die neue Commerzbank selbst hat we- nige Wochen nach Vorlage der vorläufi- gen Bilanzzahlen noch einmal Giftpapiere in Höhe von 55 Milliarden Euro entdeckt, die nun abgewickelt werden sollen. Am liebsten wäre es Blessing, wenn ein Teil der Papiere von einer staatsfinanzierten Bad Bank übernommen werden würde. Sein Aufsichtsratsboss und Vorgänger Müller legte als Präsident des Bundesver- bands deutscher Banken in Berlin ein Konzept für eine solche staatliche Gift- müllhalde vor. Insgesamt werden die toxischen Wert- papiere bei deutschen Banken auf 200 Mil- liarden Euro taxiert, vielleicht sind es noch viel mehr. Die Landesbanken stürzen von einer Kalamität in die nächste. Von der Deutschen Bank bis zur Spar- kasse Südholstein hat jedes Kreditinstitut Vermögenswerte in der Bilanz, die es am liebsten in staatliche Obhut geben würde. Doch zu welchem Preis? Und wer trägt die Risiken? Bisher erlagen Bundeskanzlerin Merkel und der Bundesfinanzminister nicht dem Charme der Lobbyisten. „Das kann der Staat nicht leisten“, meinte Steinbrück. Weil in den vergangenen Wochen keine akuten neuen Krisenherde auftauchten, spielt der Minister erst mal auf Zeit. Doch die Lage hat sich bei den deut- schen Finanzinstituten nicht wirklich ver- bessert. Nun sollen möglicherweise viele kleine Bad Banks für einzelne Institute entstehen, die mit Staatsgeldern abge- sichert werden (siehe Seite 63). Zudem werden nach dem Vorbild der Amerika- ner die Bilanzregeln so gemildert, dass die Risiken in den Tiefen der Bilanz schein- bar verschwinden. Die Kreditinstitute dür- fen künftig mit eigenen Preismodellen hantieren. „Sie können den Bankbilanzen immer weniger vertrauen“, warnt Hugo Bänziger, Risikovorstand der Deutschen Bank. Die Bilanzsumme der Commerzbank hat eine Eins und dann zwölf Nullen hin- tendran. Das Management der darin ent- haltenen Giftpapiere wird dadurch er- schwert, dass zeitgleich die Investment- bank der Dresdner abgewickelt wird. Fast die gesamte Führungsebene kassierte trotz der spiegel 16/2009 67 Wirtschaft des Milliardenverlusts noch einmal Boni sicherem Terrain. Die kann er, anders als in Höhe von 130 Millionen Euro und ver- die Finanzkrise, selbst gestalten. Sogar sei- ließ dann das Haus. ne größten Kritiker in der Dresdner wis- Die Investmentbank soll auf die Hälfte sen, dass es kein Zurück mehr gibt. schrumpfen und dann nicht einmal mehr Wie gewaltig die Aufgabe ist, kann Arno Investmentbank heißen. Mit dem Rückbau Walter besonders gut ermessen. Den Groß- des Geschäftsmodells kann Blessing auch teil seines Berufslebens hat der Leiter vor Mitarbeitern punkten, denen die Groß- Organisation der Commerzbank bei der mannssucht der Investmentprofis gerade Dresdner verbracht. Nun muss er deren ihre eigenen Erfolgsprämien verdorben Nachlass verwalten.

hat. Japan wurde als Standort bereits auf- PRESS / ACTION MICHAEL WALLRATH „Über die Hälfte der insgesamt 60000 gegeben, die meisten der tausend Jobs in Finanzmanager Müller, Josef Ackermann Mitarbeiter der beiden Banken werden am den USA stehen zur Disposition. Der Sie- Charme des Lobbyisten Schluss auf einem anderen Arbeitsplatz sit- mens-Konzern müsse sich künftig einen zen, selbst wenn sie oft am gleichen Ort die anderen Partner suchen, wenn er eine Frankfurter Zentralen. Allein dort fallen gleiche Arbeit machen“, sagt Walter. 340 Zehn-Milliarden-Euro-Transaktion in den 2200 Jobs weg. Die Operation wird bis der heute noch 1540 Filialen sollen schlie- USA durchziehen wolle, heißt es. Ende 2011 ohne betriebsbedingte Kündi- ßen. Im Sommer nächsten Jahres soll auch Doch die Radikalkur ist risikoreich. gungen ablaufen. Selbst Hans-Georg Bin- der letzte Mitarbeiter einer Filiale wissen, Auch die Spezialisten der Investmentbank, der, der Vorsitzende des Betriebsrats für wo sein künftiger Arbeitsplatz ist. die die risikoreichen Kontrakte einst er- die Zentrale der Dresdner, lobt „die fairen Allein im Großraum Frankfurt belegen schaffen haben, sind von heute auf morgen Verhandlungen“. beide Banken mit ihren Büros, Handels- verschwunden. „Die Commerzbank weiß Nachdem auf den ersten beiden Füh- räumen und Filialen 800000 Quadratmeter. gar nicht, was sie da eingekauft hat“, unkt rungsebenen überproportional viele Com- Ein Drittel der Flächen soll Walter bis 2012 einer der nun entlassenen Dresdner-Vor- merzbanker zum Zug kamen, sollen nun räumen. Diese Fläche entspricht dem stände. auch Leute von der Dresdner eine Chance Raumangebot von fünf riesigen Banktür- men. Immerhin ist der so- zum Vergleich: 2202 genannte Silberturm schon Notgemeinschaft an die Deutsche Bahn ver- Unternehmenszahlen von Commerzbank Eigentümer der Commerzbank mietet. Die Zentrale der und Dresdner Bank 2008 nach einem Einstieg des Bundes Dresdner war einst das höchste Haus Deutsch- lands. Es wird renoviert, Streubesitz/ die Vorstandsetagen kön- institutionelle Investoren nen bereits dieses Jahr von KUNDEN BESCHÄFTIGTE FILIALEN BILANZSUMME 49,9 dem neuen Mieter belegt in Deutschland in Deutschland in Deutschland in Mrd. Euro werden. in Mio. 22,2 in tausend 720* 421 5,0 Generali Insgesamt sollen zwei Dresdner 6,3 Milliarden Euro durch die Bank Zusammenlegung einge- nach der nach der in Prozent Fusion Fusion spart werden. Wann es so Commerz- weit sein wird, ist unge- bank bleiben: bleiben: 44,1 1200 Allianz Bund wiss. IT-Chef Peter Leu- 18,8 25,0 6,0 28,5 820 625 kert setzte schon mal durch, dass trotz aller Stel- Quelle: Commerzbank, Dresdner Bank, Deutsche Bank; *ohne OLB und Allianz-Bank-Filialen lenabbaupläne jeder der 4300 Computerspezialisten Das sei „kein Hexenwerk“, meint dage- erhalten. „Transparenz, Fairness und beider Institute an Bord bleiben darf. „Ich gen Ulrich Sieber. Die Risiken würden jetzt Chancengleichheit, unabhängig von be- brauche jeden Mitarbeiter“, sagt der Mann bei der Commerzbank adäquat gesteuert. trieblicher Herkunft, sind oberste Grund- mit dem Bürstenschnitt, der randlosen Bril- Der Personalchef hat bis 2006 bei der sätze des Besetzungsprozesses“, heißt es in le und dem glattrasierten Gesicht. Dresdner gearbeitet und genießt dort den Abschnitt C, Paragraf 8 der Konzernbe- An einem Wochenende im Oktober 2010 Ruf, ein knallharter Hund zu sein. In den triebsvereinbarung. sollen die Systeme der Dresdner Bank ab- vergangenen Wochen wurden die einzel- Auch die Commerzbanker müssen sich geschaltet werden und deren fünf Millio- nen Positionen zu aktuellen Marktpreisen neu bewerben. In den nächsten Wochen nen Kunden mit ihren Kontonummern auf in die Handelsbücher der Commerzbank haben in Frankfurt einige tausend Be- die Commerzbank-Systeme transferiert übernommen und oft gleich an die haus- schäftigte Anspruch auf ein „strukturiertes werden. „Das ist das tollste IT-Projekt in eigene Bad Bank weitergereicht. Gespräch“ mit ihrem potentiellen Vorge- Deutschland“, schwärmt Leukert. Gleichzeitig drückte Sieber auf Geheiß setzten. Sie dürfen sich um die etwa 900 Und ein teures. Insgesamt 1000 externe von Blessing aufs Tempo. Von den drei bis- Stellen der dritten und vierten Führungs- IT-Berater sollen gewährleisten, dass am herigen Zentralen in Frankfurt am Main ebene streiten. „Tempo, Tempo“, lautet Tag X die Guthaben der Dresdner-Bank- (von Commerzbank, Dresdner und dem Blessings Devise. Wer in Altersteilzeit ge- Kunden nicht im digitalen Nirwana ver- Investment-Arm Dresdner Kleinwort) wer- hen will, muss sich bis Ende Juli entschei- schwinden. „Ich brauche für die IT-Inte- den zwei abgeschafft. Fast alle der 11400 den. Wer freiwillig ganz schnell ausschei- gration insgesamt eine Milliarde Euro“, Mitarbeiter fürchten um ihren Job und sol- det, wird mit einer „Sprinterprämie“ von sagte Leukert dem Commerzbank-Vor- len möglichst schnell Klarheit bekommen, drei Monatsgehältern belohnt. Wer min- stand, als der über die Dresdner-Übernah- ob sie künftig noch erwünscht sind. destens zehn Jahre dabei ist, darf mit einer me beriet. Er bekam das Geld. Auf einer fünftägigen Klausurtagung Abfindung gehen. „Zusammen wachsen“ heißt das Projekt einigte Sieber sich Ende März mit dem Mitten in der Finanzkrise zieht Blessing auf den Folianten, die die Unternehmens- Betriebsrat auf einen Sozialplan für die die Bankfusion durch, hier fühlt er sich auf berater an die Führungskräfte verteilen.

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persönlichen Gespräch in Brüssel von Bles- sing „substantielle Angebote“ im Gegen- zug für die staatlichen Hilfen. Es müsse wohl „richtig weh tun“, stöhnt eine Füh- rungskraft der Commerzbank. Wahrscheinlich muss sich die Com- merzbank von ihrer Tochter Eurohypo trennen, die eine Bilanzsumme von 300 Milliarden Euro vor sich her schiebt. Zu- mindest auf dem Gebiet der Immobilien- finanzierung war die Commerzbank dank der Eurohypo auch international eine große Nummer. Doch derzeit geht es ums Überleben, nicht um große Strategieentwürfe. Die Eu- rohypo hat als größter Immobilienfinan- zierer Europas genug eigene Probleme. Etwa ein Viertel ihrer Ausleihungen ging in die Krisenländer USA, Großbritannien und Spanien. Dort sind massive Zahlungsaus- fälle zu befürchten. Zudem hat sie – ähnlich wie die Hypo Real Estate – viele Staatsanleihen in der Bi- lanz, bei denen es Wertberichtigungsbe-

HARTMUT SCHWARZBACH / ARGUS SCHWARZBACH HARTMUT darf gibt. Weil das auf Dauer die Refinan- Händlersaal bei der Commerzbank in Frankfurt am Main: Toxische Papiere in der Bilanz zierungsmöglichkeiten der Commerzbank strapaziert, hatte Blessing der Bank einen Die gelbe und grüne Farbe der beiden der Bundesregierung. Die ist daran inter- scharfen Schrumpfkurs aufgedrückt. Konzerne soll sich möglichst schnell mi- essiert, dass die Commerzbank möglichst Ein von Brüssel verordneter Verkauf schen. Dass beim Mischen vieler Farben viele Kredite vergibt. Wenn es um Tau- wäre also nicht das Schlechteste. Doch wer leicht ein lebloses Grau entstehen kann, sende von Arbeitsplätzen geht, wird der kauft in diesen Zeiten einen Immobilien- weiß jeder Malermeister. Druck wachsen, Pleitekandidaten durch- finanzierer? Die EU-Kommissarin muss „Schlagzahl erhöhen“, ist auch so ein zufüttern. schon sehr lange Fristen einräumen, damit Ziel, das in Zeiten der Krise etwas hohl Das notwendige Kapital will Blessing der Verkauf annähernd das bringt, was die klingt. Künftig sollen beispielsweise Mit- auch mit Verkäufen freisetzen. Viele Toch- Commerzbank einst bezahlt hat. arbeiter in der Privatkundenabteilung 30 tergesellschaften der Dresdner, vom Bank- „In den Zeiten der Krise dürfen die Prozent mehr Kunden betreuen. Ein Filial- haus Reuschel bis zur Allianz Dresdner Bemühungen, eine Bank zu stützen, nicht leiter der Dresdner beschwerte sich bei Bauspar AG, sollen zu Geld gemacht wer- torpediert werden“, mahnt Bundesfinanz- Blessing, dass er laut Plan die Zahl seiner den. „Wir wollen nicht zur Großsparkasse minister Steinbrück in Richtung Brüssel. Neukunden gar verdreifachen soll. mutieren“, sagt Blessing tapfer. Aber die- Vordergründig geht es ihm darum, das Ver- Die Konkurrenten freuen sich schon trauen der Kapitalmärkte in die staatlichen mal, dass die Commerzbanker in den nächs- Rettungsmaßnahmen zu stärken. ten Monaten vor allem mit sich selbst Gleichzeitig wird Steinbrück bei sei- beschäftigt sind. Doch langfristig macht nen Mahnungen aber auch die künftige der Zusammenschluss im Privatkunden- Zahlungsfähigkeit der Commerzbank im geschäft zweifelsohne Sinn. Mit einem Blick haben. Die muss für die staatlichen höheren Marktanteil ist die Bank auch Einlagen künftig jedes Jahr 1,6 Milliarden künftig konkurrenzfähig. Euro nach Berlin überweisen. Je mehr lu- Das gilt auch für das Geschäft mit dem krative Beteiligungen sie verkaufen muss, Mittelstand. Hier kommt in Zukunft an desto weniger wird sie dazu in der Lage dem Kreditinstitut kaum einer der Markt- sein.

teilnehmer mehr vorbei. Schon die alte / AP YVES LOGGHE Wenn Wettbewerbskommissarin Kroes Commerzbank erzielte hier im vergange- EU-Wettbewerbskommissarin Kroes nach Ostern endlich das zweite Hilfspaket nen Jahr einen ordentlichen Gewinn. Tragfähiges Konzept gefordert durchwinken wird, verfügt die Commerz- Doch diese guten Zeiten werden nicht so bank über einige Kapitalreserven für die schnell wieder zurückkommen. „Die ha- ser Eindruck drängt sich auf, wenn Japan nächste Zeit. Doch dass die Commerzbank ben sich in den vergangenen Jahren wahn- und Aktivitäten in Südamerika aufgege- noch ein drittes Mal in Berlin um Hilfe bet- sinnige Risiken eingekauft,“ sagt der Vor- ben werden und auch sonst alles auf dem teln muss, will auch Blessing nicht aus- stand einer Frankfurter Bank. In den nächs- Prüfstand steht. schließen. ten Jahren würden die Unternehmenslei- Zurzeit geht es in den Verhandlungen Der Marathonmann hat sich ausführlich chen angespült, die die expansionsfreudige mit der Brüsseler EU-Kommission darum, mit der letzten Weltwirtschaftskrise von Bank in den Boom-Jahren finanziert hat. wie weit der Aderlass noch gehen soll. Un- 1929 beschäftigt. An deren Ende sei die Zudem kumulieren sich die Risiken. Bei ter anderem wird über die Osteuropa- Dresdner zu 90, die Commerzbank zu 70 dem Autozulieferer Schaeffler sind Dresd- Aktivitäten der Commerzbank diskutiert, und die Deutsche zu 30 Prozent in Staats- ner und Commerzbank mit Krediten in die in den vergangenen Jahren eine der besitz gewesen, sagt er eindringlich. Dabei Höhe von insgesamt fünf Milliarden Euro Erfolgsgeschichten waren. wird sein Blick seltsam starr. engagiert. Da muss die Bank bis zum bit- Doch das reicht der Brüsseler Wett- Der Pragmatiker Blessing vermittelt den teren Ende dabeibleiben. Und überdies bewerbskommissarin Neelie Kroes nicht. Eindruck, dass er auch damit leben könn- steht die Bank unter scharfer Beobachtung Vergangene Woche verlangte sie in einem te. Christoph Pauly

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