Der Zauberlehrling
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Wirtschaft BANKEN Der Zauberlehrling Mitten im Sturm der Finanzmärkte soll der Commerzbank-Chef Martin Blessing eine der größten Fusionen der deutschen Bankengeschichte stemmen – trotz gewaltiger Verluste und immer neuer Risiken. Doch ein Zurück gibt es weder für ihn noch für die Politik. chmal sieht der Lieblingsbanker der dings nicht mehr von einem grünen, son- die stolze Zwei knapp hinter der Deut- Kanzlerin aus in seinem dunkelblau- dern von dem gelben Regenschirm der schen Bank. Sen Anzug und dem weißen Hemd. Commerzbank angekündigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Das riesige Wandbild mit den großen Farb- Blessing kennt die Skepsis – und die Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ha- flächen in Grün und Gelb hinter ihm er- Emotionen, die mit der Übernahme ver- ben 33,2 Milliarden Euro zugesagt, damit schlägt ihn fast. In dem fahlen Licht des bunden sind. Die gelbe Commerzbank, der das Experiment gelingt. 15 Milliarden Euro Ausbildungszentrums der Dresdner Bank Emporkömmling, die traditionelle Num- davon sind staatliche Garantien für die wirkt er weit älter, als er ist. mer drei unter den privaten Großbanken, Schuldverschreibungen der Bank, die sonst Verschwunden ist der jungenhafte schluckt die grüne Dresdner, früher mal kaum von privaten Investoren gekauft Charme, der Martin Blessing, 45, noch vor wenigen Monaten auszeichnete. Im Ge- sicht des Commerzbank-Chefs tritt die längliche Narbe, die ihn seit einem Rad- unfall in seiner Kindheit begleitet, stärker als sonst hervor. Es ist wie beim Zauber- schüler Harry Potter: An guten Tagen fällt die Narbe kaum auf. Doch Entspannungstage gibt es kaum mehr, seit der Zauberlehrling Blessing am 31. August, kaum vier Monate im Amt, die Übernahme der Dresdner verkündete – kurz bevor die Pleite der US-Investment- bank Lehman Brothers die Finanzmärkte ins Chaos stürzte. Seither musste er Milliardenverluste ver- künden und die Commerzbank zweimal Schutz unter dem Rettungsschirm der Bun- desregierung suchen. Noch immer finden sich in den Bilanzen beider Banken toxi- sche Wertpapiere in Höhe von 55 Milliar- den Euro, die Brüsseler EU-Kommission würde am liebsten das ganze Institut zum Sanierungsfall, zur „Bad Bank“, erklären. Und in dieser Situation, mitten in der größ- ten Finanzkrise seit 1929, soll Blessing eine der größten Fusionen in der deutschen Bankengeschichte gelingen. Wie so oft dienstags hat Blessing einen Zwölfstundentag mit zwei Vorstandssit- zungen hinter sich, als er spätabends im Königsteiner Schulungszentrum der Dresd- ner Bank vor etwa 150 Nachwuchskräfte tritt. „Wie viel Grün ist später im Gelb?“, will einer aus dem Vertrieb der Dresdner vom neuen Chef wissen. Ihre Kunden fänden es gar nicht gut, dass der Name ihrer Bank nach der Über- nahme verschwindet. Ob es nicht besser sei, wie auf dem Wandbild hinter ihm die Farben Gelb und Grün nebeneinander ste- hen zu lassen? Bis Ende nächsten Jahres soll der Name ihrer 137 Jahre alten Bank ausradiert wer- den. Selbst die Wetterfee vom „heute-jour- DASHUBER THOMAS nal“ und den „Tagesthemen“ wird neuer- Commerzbank-Chef Blessing, Commerzbank-Zentrale in Frankfurt am Main: Hat er die Risiken, die 64 der spiegel 16/2009 würden. Mit 18,2 Milliarden Euro stillen wortgewaltiger Finanzminister, wer hier Beckmann und schon gar nicht vor den Einlagen und Aktien will der Bund direkt künftig das Sagen hat. Dabei ist die 25- Nachwuchskräften der Dresdner Bank. einsteigen. Prozent-Beteiligung des Staates noch nicht Hier ist er, ganz anders als im Fernsehen, Die Fusion darf nicht scheitern – darin einmal vollzogen. „Ober sticht Unter“, ur- in seinem Element. Die zwiespältigen Ge- ist sich die Berliner Koalition ausnahms- teilte die „Frankfurter Allgemeine“. fühle seiner Zuhörer nimmt er zur Kennt- weise einig. Eine zweite große deutsche Blessing wirkte ungewohnt nervös. Er nis, mehr nicht. Bank soll entstehen, eine, die sich vor al- verkrampfte bei der Übung, dem Fernseh- „Wir haben uns entschieden, die Bank lem um den deutschen Mittelstand küm- publikum die richtige Mischung aus De- Commerzbank zu nennen“, sagt er etwas mert. Notfalls stehen weitere zweistellige mut und Kompetenz zu demonstrieren. gestelzt. Die 22000 Dresdner-Bank-Mitar- Milliardenbeträge bereit, um die Risiken „Wir Banker haben Fehler gemacht“, sag- beiter wissen längst, was das bedeutet: Von der aufgeblähten Bilanz dieser neuen Com- te er pflichtschuldig. ihrem Institut bleibt nichts übrig. Der kom- merzbank zu isolieren. Aber welche Fehler hat er selbst ge- plette Vorstand, das Geschäftsmodell, die Doch ist Blessing für diese Aufgabe der macht? Hat er nicht die Risiken, die in den Computersysteme, einfach alles kommt richtige Mann? Dieser ehemalige McKin- Büchern der Dresdner schlummerten, fatal von der Commerzbank. „Die Commerz- sey-Berater, den seine Kritiker als Techno- unterschätzt? Blessing wischt solche Fragen bank ist die Blaupause“, sagt Blessing gern kraten abtun? Dieser Turbokarrierist, in- beiseite. „Sie können immer nur auf in kleinem Kreis. tern Blessing der Dritte genannt, weil sein Grundlage der Information entscheiden, Nur beim Logo signalisiert er Kompro- Großvater Bundesbankpräsident und sein die Sie zum Zeitpunkt einer Ent- missbereitschaft. Das Commerz- Vater Deutsche-Bank-Vorstand war? scheidung haben“, sagt er bank-Blatt, intern mit einem Wer Anfang März den Staatsbanker dann. Blumenkohl verglichen, Blessing neben Steinbrück in der ARD- Wenn er Selbstzwei- und das Dresdner-Zei- Talkshow bei Reinhold Beckmann erlebte, fel kennt, dann zeigt er chen, mit Bezug auf den konnte zweifeln. Zu sehr demonstrierte ein sie nicht – nicht bei F ehemaligen Vorstands- BÖRSENWERT vorsitzenden Jürgen Stand: 8. April 2009 UR3,7 Mrd. € Ponto gern „Ponto- STAATSHILFEN W Auge“ genannt, seien Garantien und beide nicht über je- Eigenkapitalhilfen 33,2 Mrd. € den Zweifel erhaben. VERLUSTEENT Aber es gibt wirk- vor Steuern 2008* 5,1 Mrd. € lich andere Probleme. „Sie überrollen die * Dresdner Bank und Commerzbank Dresdner Bank“, warnte Bernd Pischetsrieder im Auf- sichtsrat des Übernahmeopfers vor einer fremdbestimmten „Invasion“. Der ehemalige Chef der Autokonzerne BMW und Volkswagen mahnte Blessing, auch die emotionalen, die weichen Fakto- ren bei dieser Fusion zu berücksichtigen. Sonst gehe das Ganze schief. Wenn Porsche und VW streiten, habe das keine Folgen, weil die Leute trotzdem die Autos kaufen. Bei Banken sei dagegen ein solcher Kulturkampf schlecht für das Geschäft: „Da bleiben die Kunden weg.“ Doch Blessing will es den Altvordern der Branche zeigen, die mit ihren Fusions- plänen in der Vergangenheit regelmäßig scheiterten. Und seinen alten Widersa- chern in der Dresdner, die ihm einst die einzigen empfindlichen Niederlagen sei- ner Karriere beibrachten. Nach seiner Zeit als Unternehmensbe- rater hatte er bei der Dresdner angeheuert. Doch beim Aufstieg in den Vorstand schei- terte er am Widerstand der Betriebsräte. Die fürchteten den knallharten Sanierer aus der McKinsey-Schule. „Ihm fehlte die Menschlichkeit“, sagt einer, der ihn von damals kennt. Statt Blessing rückte An- dreas Georgi in den Dresdner-Bank-Vor- stand auf. Der war einer der Vorstände, der nun mit einer millionenschweren Ab- findung gehen musste. Statt Vorstand bei der Dresdner wurde Blessing im Jahr 2000 Chef der Münchner Advance Bank. Doch deren Luxusvarian- HANS-GUENTHER OED te einer Direktbank funktionierte nicht, sie in den Büchern der Dresdner schlummerten, fatal unterschätzt? musste 2003 wegen dauerhafter Verluste der spiegel 16/2009 65 Als das Leitungsgremium des Soffin zwi- schen Weihnachten und Neujahr zu einer Notsitzung zusammengetrommelt wurde, war alles längst beschlossen. Der Soffin stellte weitere Milliarden in Aussicht, um den Kauf der Dresdner abzusichern. Im Gegenzug will sich der Staat mit 25 Pro- zent am Aktienkapital beteiligen. „Der Allianz geht es nicht sehr gut, hieß es im Lenkungsausschuss“, erinnert sich einer der Teilnehmer. Wenn der Deal plat- zen würde, geriete möglicherweise auch der Münchner Versicherungsgigant in den Sog der Finanzkrise, wurde den Bundes- 200 Unsichere Bank Chronik der Commerzbank-Krise 31. August 2008 Die Commerzbank vereinbart mit der 188 Allianz die Übernahme der Allianz- Tochter Dresdner Bank für 9,8 Mrd. €. 15. September 2008 Im Zuge der US-Finanzkrise meldet die Investmentbank Lehman Brothers CHRISTIAN THIEL CHRISTIAN Insolvenz an und löst damit eine Regierungspolitiker Merkel, Steinbrück: Notfalls stehen weitere Milliardenpakete bereit 166 weltweite Finanzmarktkrise aus. 3. November 2008 beerdigt werden. Trotz seines Scheiterns lich riesige Löcher, bis zum Jahresende Die Commerzbank begibt sich durfte Blessing 2001 in den Vorstand der schnurrte ihr Eigenkapital um fast zwei unter den staatlichen Rettungs- Commerzbank wechseln. 2002 stand die Drittel auf kümmerliche 4,5 Milliarden schirm. Sie erhält eine kurz vor dem Exitus. Die britische „Fi- Euro zusammen. „Die Übernahme war 144 Kapitalspritze von 8,2 Mrd. € nancial Times“ hatte über Liquiditätspro- existenzbedrohend“, sagt Dieter Hein. Der und 15 Mrd. € an Garantien. bleme berichtet und mit dem Gerücht wohl Analyst von Fairesearch verlangte sogar 27. November 2008 einige Hedgefonds reich gemacht. Der da- Blessings Rücktritt. Neuverhandlung der Dresdner- malige Vorstandschef Klaus-Peter Müller Doch der hat die Rückendeckung sei- Bank-Übernahme. Der Kaufpreis musste in den darauf folgenden turbulen- nes Aufsichtsratschefs Müller und, wichti- 122 sinkt auf 5,1 Mrd. € und die ten Tagen mehrmals im Büro übernachten ger noch, der Bundesregierung. Als klar Übernahme soll – früher als und