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21. Spieltag 1986/87 / Samstag, 21. März 1987

SV Werder - Borussia Mönchengladbach 1:7 (0:1)

Spielbericht von Thomas Zocher

Vor 28.960 Zuschauern hat Borussia heute im Bremer Weserstadion Gastgeber SV Werder mit 7:1 (1:0) eindrucksvoll in die Schranken gewiesen. Nachdem Hans-Georg Dreßen die Mannschaft von noch vor der Pause in Führung gebracht hatte, sorgten , Christian Hochstätter und Hans-Jörg Criens mit drei Toren in den ersten 13 Minuten der zweiten Halbzeit für die Weichenstellung in einer einseitig verlaufenden Partie, von deren Ausgang und Verlauf man vor Anpfiff noch nicht zu träumen gewagt hatte.

Im Vergleich zum nötigen 2:1 über Aufsteiger Blau-Weiß 90 Berlin vor einer Woche am Bökelberg nahm Jupp Heynckes nur eine Änderung in der Startformation vor. In die Mannschaft rückte André Winkhold für den gelbgesperrten Hans-Günter Bruns, der noch am Mittwoch beim erfolgreich absolvierten UEFA-Pokal Rückspiel bei Vitoria Guimaraes (2:2) mit dafür gesorgt hatte, dass die Borussia und vor allem ihre Anhänger weiter von ihrem dritten Triumph in diesem europäischen Wettbewerb träumen dürfen.

Bei Spielbeginn merkte man der Borussia eben nicht an, dass sie noch am Mittwoch in Guimaraes zu spielen hatte, denn die Mannschaft wirkte mit Spielbeginn auf ihre Aufgabe konzentiert. Offensichtlich kann die Mannschaft aus der betrüblichen Nachricht, dass Borussias Trainer zum Saisonende die Nachfolge des bei den Münchener Bayern in Ruhestand tretenden antreten wird, doch eine nötige Portion Mut schöpfen und den Abstand zu den UEFA-Pokal-Plätzen vor den entscheidenden Saisonwochen verkürzen. Mit dem Coup am heutigen Spieltag, den wohl niemand erwarten durfte, kassierte sie immerhin den 1. FC Nürnberg (0:4 beim neuen Tabellenführer FC Bayern) schon einmal ein und schob sich vom elften auf den zehnten Tabellenrang vor.

Schon kurz nach dem Anpfiff war es der Borussia gelungen den Gastgebern vor eigenem Publikum den sogenannten Schneid abzukaufen. Jegliche Gefahr, die die Bremer gerade über Nationalstürmer Rudi Völler - in der Vorwoche zweifacher Torschütze beim 3:1 auf dem Betzenberg in Kaiserslautern und ab der neuen Saison so gut wie sicher in Italiens Liga aktiv - zu initiieren versuchten, verpuffte frühzeitig. Hierbei erwies sich Uli Borowka als unerbittliche wie unüberwindliche Hürde für den ehemaligen Fußballer des Jahres und man kann nahezu mit Händen greifen, weshalb die Borussia mit Saisonende wohl ohne den kräftigen Manndecker wird auskommen müssen. Die Bremer Zuschauer, die noch nicht wussten, weshalb gerade ihr SV Werder intensiv um den 24-jährigen - der es längst auch in das Notizbuch von DFB-Teamchef geschafft hat (selbst wenn er am kommenden Mittwoch beim Länderspiel in Tel-Aviv gegen Israel im Gegensatz zu Uwe Rahn nicht mit von der Partie sein wird) - wirbt, werden sich ob der Glanzleistung des Borussen gerne von ihrer Vereinsführung dahingehend überzeugen lassen.

Zurück zum heutigen Spiel. Ohne eben über Völler Wirkung zu erzielen, standen die Männer von Bremens Trainer der geordnet zu Werke gehenden Borussia um Mannschaftskapitän Uwe Rahn schon weit in der ersten Spielhälfte fast schutzlos gegenüber. Borussia, die ihre Angriffe ruhig aber sehr energisch vortrug, war schon das mehrmals vor dem Tor von aufgetaucht, ehe sie "Schorsch" Dreßen mit seinem Tor (40.) sozusagen zur Pausenunterbrechung von Schiedsrichter Tritschler in Führung brachte. Trotzdem stellte sich unter den der Borussia zugeneigten Zuschauern im Rund des Weserstadions keinesfalls eine wohlige Zuversicht ein, denn einerseits sind die zuhause in dieser Saison noch ungeschlagenen Werderaner für das Wenden von Ergebnissen bekannt und andererseits hatte die Borussia in ihrem vorigen Auswärtsspiel beim Hamburger SV auch mit 1:0 geführt, ehe der Ausgleichstreffer durch Jusufi den Niederschlag vorbereitete, den Frank Schmöller in der zwischen der 53. und 57. Minute zu seinen beiden Siegtreffern für den HSV nutzte.

Eine Art skeptische Erwartungshaltung begleitete die Rückkehr beider Mannschaften auf den Platz, wo Schiedsrichter Tritschler mit seinem Pfiff für den Wiederanstoß sorgte und dabei mit dem 37- jährigen Manfred Burgsmüller für Abwehrspieler Bratseth auf Seiten der Bremer einen zusätzlichen Stürmer begrüßen konnte. Burgsmüllers Einwechselung verstärkte die Skepsis des Borussenanhangs noch weiter, denn der gebürtige Essener (der im Trikot von Bayer Uerdingen als zweifacher Torschützenkönig der Regionalliga West 1974 einen Vertrag der Borussia ausgeschlagen hatte und vor anderthalb Jahren für 150.000 Mark über Rot-Weiß Oberhausen zu Werder gestoßen war) hat ja http://www.seitenwahl.de bis zum letzten Spieltag in Kaiserslautern in seinen 38 Einsätzen immerhin schon 18 Tore für die Norddeutschen erzielt. Der dreifache Nationalspieler gilt deshalb trotz seines relativ fortgeschrittenen Alters immer noch als äußerst torgefährlich und ist immer ein nicht zu unterschätzender Gefahrenherd für jeden Werder-Gegner.

Doch diese Zweifel und auch die Skepsis sollte schon drei Minuten später mehr und mehr der Siegeszuversicht weichen, denn Borussias Nationalspieler Uwe Rahn gelang frühzeitig der Treffer zum 2:0, der die Bremer Hoffnungen - über Burgsmüllers Hereinnahme Verwirrung in Borussias Hintermannschaft zu stiften - jäh zerstörte. Als zwei Minuten nach Rahn 2:0 Christian Hochstätter eine gelungene Kombination über mehrere Stationen zum dritten Borussentor am heutigen Tage zu nutzen wusste, da schien es Bremens Trainer zu dämmern, dass das heutige Spiel womöglich mit einer Niederlage für die ambitionierten Gastgeber enden könnte. Rehhagel musste vor allem sehen, dass sich innerhalb seiner Mannschaft kaum Widerstand gegen die sich in einen Rausch zu spielen scheinende Borussia regte und so nahm er das 4:0 durch Hans-Jörg Criens (58.) nahezu lethargisch auf - Criens begann derweil auch heute wieder Trainer Heynckes zu beweisen, dass dessen Entscheidung, ihn weiterhin dem vor der Saison aus Düsseldorf als Mill-Ersatz geholten Günter Thiele vorzuziehen, eine richtige ist.

Die Stärke der Borussia am heutigen Tage lässt sich auch daran festmachen, wie umgehend sie nach dem Anschlußtreffer des österreichischen Nationalverteidigers , der die Gastgeber in der 65. Minute mit einem für Uwe Kamps unhaltbaren Schuß auf 1:4 heranbringen kann, eine Antwort parat hatten. Mittelfeldspieler Dirk Bakalorz, vor der Saison vom Zweitliga-Spitzenteam Hessen Kassel zur Borussia gezogen, war postwendend zur Stelle um mit seinem 5:1 den alten Abstand wieder herzustellen.

Während jetzt selbst der sonst so gerne an der Außenlinie herumtigernde Rehhagel resignierte und nicht nur auf eine mögliche zweite Auswechselung verzichtete, war der Torhunger der Borussenspieler nicht gestillt. Vier Minuten nachdem Jupp Heynckes Christian Hochstätter gegen Andreas Brandts ausgewechselt hatte, erzielte Hans-Jörg Criens mit dem 6:1 seinen zweiten Treffer des Tages. Und auch als Criens im Zuge dieses Tores seinen Platz für Günter Thiele räumen muss, ist die fast schon marodierend durch das Weserstadion ziehende Borussenhorde um Kapitän Rahn noch nicht besänftigt, denn Abwehrspieler ist es in der 82. Minute vorbehalten seinen Vorstoß in die Hälfte der Hansestädter, die ihm keine nennenswerte Gegenwehr entgegensetzten, trocken mit dem 7:1 für die Borussia abzuschließen und gleichzeitig den höchsten Auswärtserfolg der Borussia während ihrer Bundesligazeit festzuzurren.

Auf der anschließenden Pressekonferenz durfte man das Wehklagen des einstigen Vorstoppers Rehhagel vernehmen, der die fehlende Gegenwehr seiner Mannschaft auch daran festmachte, dass Schiedsrichter Tritschler während beider Spielhälften ohne Verwarnungen auskommen konnte ("So ganz ohne Aggressivität ist gegen eine auf Hochtouren spielende Gladbacher Mannschaft nicht anzukommen, [...]"). Der hastig herbeigeeilte Präsident des um zwei Punkte in seinen Meisterschaftsambitionen zurückgeworfenen Tabellensechsten, Dr. Franz Böhmert, bemühte sich sogleich klarzustellen, dass der einst als "Otto Torhagel" verspottete Übungsleiter sich weiterhin keine Sorgen über seinen Job zu machen brauche. Demgegenüber präsentierte sich Borussentrainer Jupp Heynckes sehr entspannt, fand die Zeit seine Mannschaft für ihr tolles Spiel zu loben.

Nachdem die Borussia zwar das erste Spiel bei den Bremern nach deren Wiederaufstieg 1981 mit 1:0 hatte gewinnen können, war sie in den letzten Jahren (dreimal 0:2) meist ohne Punkte aus der Wesermetropole zurückgekehrt. Auch wenn Christian Hochstätter ihr in der letzten Saison mit seinem 1:1-Ausgleichstreffer immerhin schon einen Punkt aus Bremen ins Gepäck packen durfte, das zwischen der Saison 1974/75 (4:1) und eben jener Saison 1981/82 (1:0) in vier Spielen vier Niederlagen für sie zu Buche standen, unterstreicht abermals die relative Trostlosigkeit mit der ein Punktspiel in Bremen oft für Borussia endete. Deshalb ist es geradezu doppelt schön, dass sie heute ihren zweiten Auswärtserfolg der laufenden Saison einfahren konnte.

Es ist wohl nicht zu euphorisch, angesichts dieser tadellosen Darbietung zu hoffen, dass die Borussia auch in der Zukunft auswärts in Bremen und sonstwo (man entsinne sich da an das schauderhafte 2:3 im letzten August bei Blau-Weiß 90 in Berlin, welches den trostlosen Hauptstädtern noch immer ihr einziger Saisonsieg ist) keine Probleme und fortwährend Siegchancen haben dürfte, wenn sie die heute bewiesenen Tugenden wiederholt und sich konsequent an diese hält. So kann man ruhigen Herzens auf die in zwei Wochen auf die Borussia wartende Auswärts-Doppelaufgabe (in der im Waldstadion gegen die abstiegsbedrohten Frankfurter, im UEFA-Cup Hinspiel im http://www.seitenwahl.de

Tannadice Park zu Dundee gegen den starken schottischen Vertreter Dundee United) blicken und auch wieder mit erheblich mehr Zuversicht auf die letzten knapp drei Monate der Amtszeit von Jupp Heynckes schauen.

Die Mannschaft scheint sich ihrer Aufgabe(n) bewußt zu sein, dass auch sie einen erheblichen Anteil daran hat, mit welchem Endresultat Heynckes am Saisonende dasteht. Es spricht für die Mannschaft, dass sie mit Engagement und Herzblut ihren Trainer bei dessen Hoffnungen auf ein gutes Saisonfinale nicht im Regen stehen lässt. Diese Mannschaft hat ganz offensichtlich Qualität und Charakter. Komponenten, mit denen sie in den restlichen Wochen hoffentlich noch mehr Plätze in der Tabelle gutmachen wird.

Tore: 0:1 Dreßen (40.), 0:2 Rahn (48.), 0:3 Hochstätter (50.), 0:4 Criens (57.), 1:4 Pezzey (65.), 1:5 Bakalorz (66.), 1:6 Criens (74.), 1:7 Krauss (82.)

Werder Bremen: Burdenski - Pezzey, Bratseth (Burgsmüller 46), Votava, Schaaf, Wolter, Möhlmann, N. Meier, Otten, Völler, Ordenewitz.

Borussia: Kamps - Herlovsen, Borowka, Winkhold, Krauss, Dreßen, Hochstätter (Brandts 70), Bakalorz, Frontzeck, Rahn, Criens (Thiele 75).

Schiedsrichter: Karl-Heinz Tritschler (Freiburg)

Zuschauer: 28.960

Gelbe Karten (Borussia): Fehlanzeige

Rote Karten: Fehlanzeige.

Besondere Vorkommnisse: Das heutige 7:1 über den SV Werder Bremen ist Borussias höchster Auswärtssieg seit dem Aufstieg in die Bundesliga 1965. Vom 29. Oktober 1977 datiert ein 6:0 im Stadion an der Hamburger Straße in Braunschweig gegen die gastgebende Eintracht, vom 5. Mai 1973 datiert ein 5:0 gegen den gastgebenden Wuppertaler SV.