Cartoonmuseum Basel Vierzig Jahre Für Die Neunte Kunst
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Das Magazin der Christoph Merian Stiftung Cartoonmuseum Basel Vierzig Jahre für die neunte Kunst Nr. 7 April 2019 Editorial Geschenktes Schon seit vierzig Jahren gibt es die Sammlung Karikaturen & Cartoons. Kostproben aus dem Lächeln Vierzig Jahre sind beachtlich, aber nicht bloss wegen der Anzahl Jahre, reichen Fundus sondern auch wegen der Entwicklung, die die satirische Kunst und die Das CMS-Magazin RADAR soll nicht nur ein Lese- Sammlung Karikaturen & Cartoons seit 1979 durchlaufen haben. Ange- genuss sein. Auch das Bild, die Illustration, hat fangen hat alles mit einem grosszügigen Mäzen, Dieter Burckhardt, einen besonderen Stellenwert. Kunstschaffende dem eigensinnigen Kurator Jüsp (Jürg Spahr) und einem Kabinett, ein- und Fotograf/innen haben für die bisherigen Ausgaben gearbeitet oder ihre Werke zur Verfü- gemietet in einem Altstadthaus in der St. Alban-Vorstadt. Die Stars der gung gestellt. Zum 40. Geburtstag des Cartoon- damaligen Zeit waren: Mordillo, Loriot, Glück, Sokol, Rosado, Sempé … museums hat RADAR Schmuckstücke aus dem Trägerin des Kabinetts war die unselbstständige Stiftung Karikaturen Fundus ausgewählt: Kostproben aus dem reichen Schatz in der St. Alban-Vorstadt 28. Ein Appetizer & Cartoons, welche Dieter Burckhardt mit Kapital geäufnet und der für die Dauerausstellung und die thematischen Christoph Merian Stiftung (CMS) geschenkt hatte. Finanziert wurde das Ausstellungen in einem der kleinsten, aber bedeu- Kulturprojekt vorerst ausschliesslich aus den Erträgen von Burckhardts tendsten Museen für die neunte Kunst Stiftung. Die Ziele der Stiftung sahen eine Beschränkung auf Origi- nalwerke des 20. Jahrhunderts vor, den Verzicht auf «tagespolitische Schöpfungen», den Aufbau einer einschlägigen Bibliothek und lang- fristig die «Schaffung eines Studienzentrums für diese Kunstrichtung». Weiter sollte die Stiftung dazu beitragen, Karikaturen und Cartoons mehr Achtung und Beachtung zu verschaffen und den Besucherinnen und Besuchern ein «Lächeln und Schmunzeln» zu schenken. Auf Jürg Spahr folgten weitere Kuratorinnen und Kuratoren. Aus dem Kabinett wurde 1996 ein veritables Museum, ein Schmuckstück am neuen, heutigen Domizil in einem alten Haus an der St. Alban-Vorstadt 28 mit einem modernen Hinterhofgebäude von Herzog & de Meuron. Und vieles mehr hat sich geändert. Heute werden im Museum nicht mehr nur Originalwerke der Karikatur- und Cartoonkunst gesammelt und gezeigt. Das Cartoonmuseum hat sich der ganzen Fülle von Aus- drucksformen und Medien der satirischen Kunst geöffnet: Comics, digitalen Zeichnungen, Trickfilmen, Videofilmen mit zeichnerischen Elementen, Mangas, Collagen, plastischen Figuren, Wortbildern, Schab- kartons usw. Das Museum spricht damit ein breites und vor allem auch ein immer jüngeres Publikum an. Unter Museumsleiterin Anette Gehrig hat sich das Cartoonmuseum mit qualitativ hochstehenden und sorgfältig präsentierten Ausstellun- gen hervorragend entwickelt. Die CMS führt es deshalb seit 2016 – neben dem Christoph Merian Verlag und den Merian Gärten – als dritte eigene Institution und alimentiert es mit zusätzlichen Mitteln. Denn die Erträge der Stiftung von Dieter Burckhardt reichen schon lange nicht mehr, um den Betrieb in der heutigen Form aufrechtzuerhalten. Immer häufiger erhält das Museum Rechercheanfragen von Fach- 5 Wie alles begann leuten, Medien und Einzelpersonen aus dem In- und Ausland. Erben von Sophie Burckhardt-Furrer Nachlässen der satirischen Kunst, Bund und Kantone wenden sich im Zusammenhang mit der Sicherung und Inventarisierung von Kunst- beständen an das Cartoonmuseum – und Museen bitten um Leihgaben. 8 Vom Kabinett zum So wurde das Cartoonmuseum zum nationalen Kompetenzzentrum der Kompetenzzentrum Das Cartoonmuseum gestern satirischen Kunst – worauf die CMS stolz ist – und der Traum von Dieter und heute Burckhardt von einem «Studienzentrum» ist nach vierzig Jahren Wirk- lichkeit geworden. 10 Die Ursprünge des Comic Dr. Beat von Wartburg Basel und Genf! Direktor der Christoph Merian Stiftung 12 Kunst, kein Kinderkram Ein Plädoyer für die neunte Kunst cm, Papierschnitt cm, 30 × 40 Für junge Sprachtalente 13 , Wortstellwerk auf dem Dreispitz 2007 14 Für aussergewöhnliche Menschen AHA! im St. Johann , Schweiz), Die Künstler, Die Künstler, Schweiz), , Titelbild Obdachlose in Basel 1968 Andreas Gefe (*1966, Schweiz), Der ungläubige Thomas, 16 2006, 57 × 44 cm, Acryl auf Halbkarton Die Studie der CMS 2 Anna Sommer Anna Sommer (* Gespräch «Er war ein sehr humorvoller Mensch!» Dieter Burckhardt hat zusammen mit seiner Frau Sophie Burckhardt- Furrer das heutige Cartoonmuseum Basel erst ermöglicht: Das Ehepaar hat seine umfangreiche Sammlung in eine Stiftung überführt und 1979 Tomi Ungerer (1931–2019, Frankreich/Irland), 1996, 30 × 21 cm, Tusche auf Papier der CMS anvertraut. Damit legte das Paar den Grundstein für eines der international bedeutendsten Museen für die neunte Kunst. Im Gespräch mit RADAR erzählt die heute 84-jährige Witwe Sophie Burckhardt- Furrer, wie es dazu gekommen ist, was sie auf ihren Reisen mit ihrem Mann und mit dem Basler Karikaturisten Jüsp erlebt hat und wie die Ankäufe zustande kamen. RADAR: Frau Burckhardt, Ihr Mann ist 1991 verstorben. Was für ein Mensch war er? Sophie Burckhardt-Furrer: Mein Mann war ein sehr origineller Typ. Er stammte ja aus dem ‹Daig› – aber er fiel aus dem Rahmen der gehobe- nen Basler Gesellschaft. Er hatte grossen Sinn für Humor und eine grosse Affinität zum englischen Humor. Er war ja Direktor in der damaligen Geigy, hat in den USA gelebt und auch England bereist. Ich selber hatte eine englische Mutter und deshalb ebenfalls einen starken Bezug zum englischen Humor. Das hat uns verbunden. Wie haben Sie Ihren Mann kennengelernt? Mein erster Mann war Direktor bei der UNO für Science und Techno- logy. In seiner Funktion musste er viel reisen – und ich begleitete ihn. In Buenos Aires wartete ich mal in einem Hotel auf ihn. Dann kam ein hoch- gewachsener Mann herein, Hartmann Koechlin – mit Dieter, seinem Vetter. Dieter war in dieser Zeit in der Geigy für das Argentinien-Geschäft ver- antwortlich. Mein erster Mann kannte Dieter, und so kamen wir vier ins Gespräch. Dann haben Dieter und ich uns länger nicht mehr gesehen. Dieter hat uns später ins Gellertgut nach Basel eingeladen, das er später ja der CMS geschenkt hat. Ich fand Dieter ungemein lustig. So hat das angefangen … Später haben Sie Dieter Burckhardt geheiratet … cm, Tusche auf Halbkarton auf Tusche cm, 42 Ja, das war auch ziemlich ungewöhnlich: Dieter ist zu unserer Hoch- × Ronald Searle (1920–2011, Grossbritannien), Der Babysitter, 1976, 66 × 51 cm, Tusche und 58 zeit mit einem roten Schal und einer Dächlikappe erschienen. Er war , Aquarell auf Papier schon ein ziemlich schräger Vogel. 1908 Sie haben mit Ihrem Mann eine der bedeutendsten Sammlungen von Karikaturen und Cartoons aufgebaut. Weshalb? Dieters Wunsch war es, die besten Karikaturen und kritischen Zeich- nungen der Welt zu sammeln. Er fand, dass die Schweizer vieles viel zu ernst nehmen. In dieser Zeit traf er auf dem Flohmarkt auf dem Peters- platz Jüsp, Jürg Spahr, der damals schon ein bekannter Schweizer Kari- katurist war. Sie kamen ins Plaudern, und Dieter erzählte ihm von seinem Vorhaben. Und Jüsp war Feuer und Flamme. Jüsp wurde danach quasi , USA), Little Nemo in Slumberland, Slumberland, LittleNemo in USA), , unser Kurator. Und dann sind wir zu dritt auf Reisen gegangen und haben 1934 – die Sammlung aufgebaut. 1869 5 Winsor McCay ( McCay Winsor Gespräch Erinnerungen an Begegnungen mit Künstlern? An Saul Steinberg natürlich. Der war damals schon ein älterer Herr. Er hat uns Basler in einer richtigen Ritterrüstung empfangen, als Gag. Und natürlich auch an Sempé – ein Gentleman alter Schule. Oder Loriot, den haben wir in der Nähe von München besucht. Ein aristokratischer Landlord. Viel ernster, als man es erwarten würde. Und Martial Leiter! Jesses, war das eine Nummer! Und Claire Bretécher, eine der wenigen Frauen. Eine beeindruckende, sehr direkte, sehr kritische Frau. Ich habe sie in Basel getroffen, und wir schrieben uns eine Zeit lang. Welche Karikaturisten mögen Sie am liebsten? Den grossen britischen Zeichner Ronald Searle mag ich sehr. Seine Katzen! Ich bin ein Katzennarr. Ein Bild von ihm habe ich behalten. Und Jüsp hat mir zum 60. Geburtstag ein Katzenbild geschenkt. Wer waren die Lieblinge Ihres Mannes? Vor allem Karikaturisten, die im ‹New Yorker› publiziert haben. Etwa Peter Arno. Diese Art von Humor gefiel Dieter ganz besonders: Wenn man die Karikaturen mit wenigen oder, noch besser: ohne Worte versteht. Oder Charles Addams: herrlich! Dieter mochte speziell auch jene Künstler, welche die bürgerliche Gesellschaft aufs Korn genommen haben. Das hat vielleicht auch mit seiner Herkunft zu tun: Er, der selber aus dem ‹Daig› Claire Bretécher (*1940, Frankreich), Die Schwangere, aus: Die Frustrierten, 1978, stammte, konnte sehr bissige Bemerkungen machen. Er hatte auch Spitz- 38 × 37 cm, Tusche und farbige Tusche auf Papier namen für Familienmitglieder: den gefrorenen Bajass zum Beispiel. Wie kamen Sie auf die Idee eines Museums? Dieter sagte einmal: «Auch du lebst nicht ewig.» Und wir waren uns einig: Unsere Arbeit und die Werke sollten in guter Hand und öffentlich zugänglich sein. Deshalb haben wir unsere Stiftung 1979 der Christoph Merian Stiftung übergeben. Unsere Sammlung ist jetzt vor einigen Jahren Wie muss man sich diese Reisen und Ankäufe vorstellen? aus dem alten Haus umgezogen in das von Herzog & de Meuron reno- Wir haben uns direkt mit den Künstlern in Verbindung gesetzt oder vierte