Ludwig Windthorst – Wirkung Eines Wegbereiter Der CDU Herausragenden Politikers Udo Baron

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Ludwig Windthorst – Wirkung Eines Wegbereiter Der CDU Herausragenden Politikers Udo Baron 429_53_57_Baron 28.07.2005 14:24 Uhr Seite 53 Zur nachhaltigen Ludwig Windthorst – Wirkung eines Wegbereiter der CDU herausragenden Politikers Udo Baron In diesem Jahr feiert die Christlich Demo- machte der überzeugte Katholik Windt- kratische Union (CDU) ihr sechzigjähri- horst im protestantischen Königreich ges Bestehen (siehe auch Die Politische Hannover als Jurist Karriere. Seiner Er- Meinung, Nr. 422, Januar 2005). Der lang- nennung zum Vorsitzenden Rat des Ka- wierige Prozess einer politischen Annä- tholischen Konsistoriums in Osnabrück herung der Konfessionen mündete end- im Jahre 1842 folgte 1846 seine Wahl zum lich in die Gründung einer sich betont als Oberappellations-Rath im Kriminalsenat überkonfessionell verstehenden christli- am Oberappellationsgericht in Celle und chen Partei. Wirft man einen Blick auf somit innerhalb kürzester Zeit der Auf- ihre Vordenker und Wegbereiter, so stößt stieg in das höchste Gericht im Königreich man sogleich auf Namen wie Konrad Hannover. Adenauer, Andreas Hermes, Jakob Kai- Ausgerechnet auf dem Höhepunkt ser oder Eugen Gerstenmaier. Womög- seiner juristischen Karriere begann 1849 lich ist Adam Stegerwald, Vorsitzender mit der Erlangung eines Mandates für des Gesamtverbandes Christlicher Ge- die Zweite Kammer der Hannoverschen werkschaften und preußischer Minister Ständeversammlung seine eigentliche für Volkswohlfahrt, der bereits 1922 die politische Karriere. Bereits 1851 wählte Bildung einer überkonfessionellen christ- ihn die Ständeversammlung zu ihrem lichen Einheitsfront gefordert hatte, eini- Präsidenten. Noch im gleichen Jahr über- gen noch ein Begriff. Fragt man dagegen nahm er das Justizministerium, welches jemanden nach Ludwig Windthorst, so er bis 1853 und dann wieder von 1862 bis erntet man zumeist nur erstaunte Blicke 1865 leitete. 1866 wurde er „Kronober- und ein Achselzucken. Nahezu verges- anwalt“ in Celle und avancierte somit sen scheint heute der „bedeutendste Par- zum leitenden Staatsanwalt im König- lamentarier des kaiserlichen Deutsch- reich Hannover. lands“ wie ihn seine Biografin Margaret Die Niederlage der Habsburger im L. Anderson charakterisierte. Wer aber preußisch-österreichischen „Bruderkrieg“ war dieser Ludwig Windthorst? Warum von 1866 besiegelte das Schicksal des ist er so wichtig für die Entstehung der mit ihnen verbündeten hannoverschen CDU und der Bundesrepublik Deutsch- Königshauses der Welfen und beende- land? te vorerst auch die politische Karrie- re von Windthorst. Mit der Entmachtung Lebensstationen Georg V. und der Herabstufung des Ludwig Windthorst, geboren am 17. Ja- hannoverschen Königreiches zur preu- nuar 1812 in der Nähe von Osnabrück, ließ ßischen Provinz wurde er als bekennen- sich nach einem mit Auszeichnung ab- der Welfenfreund seiner Ämter enthoben geschlossenen Studium der Rechte 1836 und in den vorläufigen Ruhestand ver- als Anwalt in Osnabrück nieder. Schnell setzt. Nr. 429 · August 2005 Seite 53 429_53_57_Baron 28.07.2005 14:24 Uhr Seite 54 Udo Baron Dieser „Unruhe“-Zustand währte aber vor, die partikularistischen Interessen des nur kurze Zeit. Windthorst wählte von Königshauses Hannover zu vertreten, nun an den Weg des Parlamentariers und und setzte ihn mit jenen welfischen und zog innerhalb kürzester Zeit in die wich- polnischen Kreisen gleich, die angeblich tigsten neuen Parlamente in Deutschland das Deutsche Reich unterminierten und ein. So gehörte er als Abgeordneter dem den preußisch-protestantischen Vorherr- Preußischen Landtag, dem Norddeut- schaftsanspruch infrage stellten. Durch schen Reichstag und, nach der deutschen diese Unterstellungen reduzierte er alle Reichsgründung von 1871, auch dem politischen Diskussionen auf den Gegen- Deutschen Reichstag an. Als sich vor dem satz von Loyalität und Staatsfeindlichkeit Hintergrund verstärkter Anfeindungen und vertiefte somit den Graben durch eine seitens des Liberalismus der politische bereits gespaltene Nation. Schon legendär Katholizismus zur Zentrumspartei for- ist sein Ausspruch: „Mein Leben erhalten mierte und nach den ersten Wahlen zum und verschönern zwei Dinge, meine Frau Deutschen Reichstag vom 21. März 1871 – und Windthorst. Die eine ist für die Liebe den Einzug ins Bundesparlament schaff- da, der andere für den Hass.“ te, stieg Windthorst innerhalb kürzester Seiner klaren Überzeugungen und sei- Zeit zu deren unumstrittener Führungs- nes politischen Geschicks wegen wuchs persönlichkeit auf. sein politischer Einfluss im Verlauf des In den siebziger Jahren des neunzehn- Kulturkampfes über den religiösen Kon- ten Jahrhunderts stand sein Wirken ganz flikt hinaus. Obwohl er weder den Partei- im Zeichen des von Bismarck gegen das vorsitz noch den Fraktionsvorsitz des Zentrum und die katholische Kirche ent- Zentrums jemals innehatte, galt Windt- fesselten Kulturkampfes. Dieser „Kampf horst bis zu seinem Tode am 14. März für die Kultur“, wie ihn Rudolf Virchow, 1891 als anerkannter Führer der Opposi- Arzt und Sprecher der Fortschrittslibera- tion. len, nannte, diente dem protestantischen Preußen als Versuch, die katholische Kir- Gesetz und Staat che im Deutschen Reich unter die Auf- Als annektierter Hannoveraner und gläu- sicht des neuen Staates zu stellen. Unter biger Katholik stand Windthorst zwangs- dem Vorwurf des Ultramontanismus, läufig in einem permanenten Spannungs- das heißt einer vermeintlichen Fremdbe- verhältnis zur preußischen Zentralge- stimmung durch den Vatikan, bekämpfte walt. Von seinem Staats- und Rechtsver- der Reichskanzler die Zentrumspartei ständnis her stellte das Recht für ihn das und den politischen Katholizismus als höchste Gut eines Staatswesens dar und „Reichsfeinde“ und malte das Schreckge- war dessen wechselnden Mehrheiten spenst von der Restauration katholischer übergeordnet. Im Gegensatz zu Bismarck Macht an die Wand, um so die Protes- lehnte er es ab, das Gesetz den Staatsin- tanten gegen den organisierten Katholi- teressen unterzuordnen. Das „Recht und zismus zu mobilisieren. nicht die Macht“ sollte in allen politischen Die zumeist erbittert und von Seiten und gesellschaftlichen Fragen entschei- Bismarcks auch sehr persönlich geführte den. Die persönliche Freiheit und die ver- Auseinandersetzung zwischen ihm und bürgten Grundrechte eines jeden Indivi- der „Fraktion Meppen“, wie Windthorst duums erfuhren für ihn ihre Begrenzung wegen seines Wahlkreises im emslän- nur am Recht des Mitmenschen und dem dischen Meppen häufig genannt wur- Gemeinwohl. de, drückte dieser Zeit ihren Stempel auf. Entgegen dem damals vorherrschen- So warf der Reichskanzler Windthorst den Zeitgeist teilte Windthorst nicht den Seite 54 Nr. 429 · August 2005 429_53_57_Baron 28.07.2005 14:24 Uhr Seite 55 Ludwig Windthorst – Wegbereiter der CDU Glauben an den allmächtigen Staat. Viel- im Besonderen nach der Reichsgründung mehr bedauerte er den Trend, „den Staat ausgesetzt waren. Zugleich wandte er immer mehr omnipotent zu machen, alle sich gegen die Einschränkung ihrer Privatthätigkeit mehr und mehr in die staatsbürgerlichen Rechte, wie sie das Hände des Staates zu legen“. Seiner An- Klostergesetz von 1875 mit ihrer staat- sicht nach ließen sich die gesellschaft- lichen Einengung der Ordenstätigkeit lichen Probleme nur dann effektiv lösen, oder das preußische Schulgesetz zur Sä- wenn dem Einzelnen und der kleineren kularisierung der Schulen vorsah. Gemeinschaft Vorrang vor dem Staat ein- Minderheitenschutz und Toleranz geräumt würden, das dem sich später aus machten für Windthorst aber nicht Halt der katholischen Soziallehre entwickeln- an den Grenzen des eigenen Milieus. Viel- den Subsidiaritätsprinzip sehr nahe kam. mehr sollten sie gerade für Katholiken als Sein Verfassungsdenken führte nicht nur „geborene Minorität“ zu den unverzicht- zu seiner prinzipiellen Kritik an der baren Tugenden zählen. Diese Einstel- Machtfülle, die Bismarck zeitweise mit lung bewahrte ihn vor dem Virus eines den Ämtern des deutschen Reichskanz- rassisch begründeten politisch-weltan- lers, Außenministers und Preußischen Mi- schaulichen Antisemitismus, der sich im nisterpräsidenten in einer Person vereinte, Zuge der Wirtschaftskrise von 1873 wie sondern auch zu seiner Forderung nach ein Flächenbrand im deutschen Reich weitgehender Autonomie der Einzelstaa- ausbreitete. Entgegen dem Zeitgeist, von ten in Übereinstimmung mit einer effekti- dem auch die Zentrumspartei nicht ver- ven Bundesregierung. Seine antietatisti- schont blieb, pflegte Windthorst enge Be- sche, auf die Macht des Gesetzes und der ziehungen zu seinen jüdischen Mitbür- Subsidiarität zielende Einstellung zwang gern und setzte sich für deren Anliegen Windthorst förmlich dazu, im Reichstag ein. So gehörte der liberale jüdische Jour- gegen eine in seinen Augen zu zentralisti- nalist August Stein ebenso zu seinem sche deutsche Verfassung zu stimmen. Freundeskreis wie der konservative jüdi- sche Bankier Gerson Bleichröder. In der Rechtsstaatlichkeit Reichstagsdebatte vom 20. und 22. No- und Minderheitenschutz vember 1880, in der die erste große anti- Seiner religiösen und geografischen Her- semitische Welle im Lande diskutiert kunft nach gehörte Windthorst zu den wurde, gelang es Windthorst kraft seiner Minderheiten im protestantisch-preu- Persönlichkeit, ein Einschwenken des ßisch dominierten Deutschen Reich. Ge- Zentrums auf einen antisemitischen Kurs prägt von den damit verbundenen Erfah- zu verhindern. Zwar war die Versuchung rungen, entwickelte er schon frühzeitig groß, mithilfe judenfeindlicher Agitation eine starke Sensibilisierung für die Rechte die Isolation des Kulturkampfes zu von Minoritäten und die Sicherung durchbrechen
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