Freier Download BA 76 Als
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
BAD 76 ALCHEMY Die Lektüre diesmal? Wie immer querbeet: Jeremy A. Bastian - Cursed Pirate Girl Jedediah Berry - The Manual of Detection Andrea Camilleri - Der Kavalier der späten Stunde Emmanuel Carrère - Limonow Pierre Christin + Enki Bilal - Der Schlaf der Vernunft Guido Crepax - Laterna Magica A. Dan + Maximilien Le Roy - Henry David Thoreau. Das reine Leben Hartmut Dietz - "Lust- & Mordgedanken" Arno Schmidt und Ernst Jünger Gunnar Ekelöf - Spaziergänge und Ausflüge Kerstin Ekman - Geschehnisse am Wasser Per Olof Enquist - Lewis Reise Jon Fosse - Melancholie Neil Gaiman + Michael Zulli - Alice Cooper - Die letzte Versuchung Bettina Galvagni - Melancholia Einar Már Gudmundsson - Engel des Universums Willem Frederik Hermans - Die Dunkelkammer des Damokles; Nie Mehr Schlafen Fritz von Herzmanovsky-Orlando - Rout am Fliegenden Holländer Ulrich Holbein - Weltverschönerung John Irving - Zirkuskind Daniel Katz - Der falsche Hund Björn Larsson - Träume am Ufer des Meeres Rosa Liksom - Crazeland Torgny Lindgren - Das Höchste im Leben Jörg Magenau - Brüder unterm Sternenzelt. Friedrich Georg und Ernst Jünger Karl May - Der Ölprinz Terézia Mora - Alle Tage Morton Ramsland - Hundsköpfe Pentti Saarikoski - Aufforderung zum Tanz Scarlett Thomas - Troposphere Sergio Toppi - Sharaz-De. Tales from the Arabian Nights Thórbergur Thórdarson - Islands Adel Kjell Westö - Vom Risiko, ein Skrake zu sein Carl-Henning Wijkmark - Letzte Tage Mary Wollstonecraft Shelley - Frankenstein or, The Modern Prometheus (illustrated by Bernie Wrightson) 2 Freakshow: KISSES OF FIRE Die Narren feierten am 10.2.2013 wieder mal sich selbst, wir Freaks hatten besseres vor. Wer am Fa- schingssonntag die Schlange an der Würzburger Posthalle hinter sich ließ, den erwartete im ver- steckten Freakasyl IMMERHIN zuerst ein Wiederhören mit den COWBOYS FROM HELL. Das Schweizer Trio bot da ein Update seiner Horrorshow für Liebhaber fetziger Jazzrockkonstrukte. Der Cybersaxmann Christoph Irniger, Marco Blöchlinger mit seinen flinken Bassfingern & Chrigel Bosshard als knackiger Rhyth- muscrack hatten sogar zwei neue Stücke mitgebracht, darunter das pfiffige 'Urbi et Orbit' (sic!), um einen in selbigen zu schießen. Irnigers Sound ist ja auch zum schießen, wenn er etwa bei 'Hymn For The Sailor' zu den Sternen "Du da, Du da, Du da" sagt. Denn sein Horn klingt futuristisch gepimpt nach Wahwahgitarre oder Synthie, nur beim taffen 'Walk' halb- wegs nach einem Bariton, das den Großen Bären tanzen lässt, und gleich schon wieder nicht mehr. Saxophone sind out in Outer Space. Da sind Witz, angewandte Relativitäts- theorie und blitzgescheite, hellwache Quickness Conditio sine qua non. Bei AVA MENDOZA UNNATURAL WAYS, ehrlich gesagt der wahre Grund für das erwar- tungsvolle Schwanzwedeln ringsum, kommen danach auch Schwachmathiker wie ich auf ihre Kosten. An der Seite dieses Cowgirls from Oakland, die sich einst von Brötzmanns Fuck de Boere in den Schlaf wiegen ließ, scheint Nick Tamburro, ein wuscheliger, bebrill- ter Kopfüberdrummer, keine Hemmungen zu kennen, während Dominique Leone an den Keys seines Basssynthies den ruhigen Gegenpol bildet. Dass Mendoza sich für ihre Tripps durchs Gitarrenpluriversum Sonny Sharrocks Anspruch to find a way for the terror and the beauty to live together in one song zu eigen gemacht hat, hört und sieht man, ohne sich satt hören und satt sehen zu können. Taff und effektvoll pulverisiert sie alles, was Blues, Folk, Psychedelic Rock, Free Jazz und Noise künstlich und ängstlich scheidet. Sie lässt einen von 'I'm So Glad' zu 'Goodnight, Irene' taumeln, nimmt einen mit knurrigen Eigen- kreationen wie dem brachialen 'Penumbra' und dem desertbluesigen 'Shadowtrapping' in die Mangel. Wem stand zuletzt der Blues so gut wie dieser jungen Frau? Verdammt laut und schnell spielt sie, gleich mit den ersten Riffs fetzt sie MC5-Breitseiten. Nie glatt, nie zahm, immer mit Seele und dunklem Feuer. Eher androgyn als burschikos, und ganz ohne Posen. Einmal bellt sie "All time tolls, all the lifetime" ins Mikrophon. Aber an sich ist ihre Fender Jaguar ihre Stimme, ihre Feuerzunge, die sie moduliert mit energischen Gitarrero- Finessen, per Whammy, Overdrive, Distortion, Ultra Vibrato, Volume Pedal, Looper und Delay. Einmal saugt sie den Sound sogar rückwärts. Bei der Erkennungsmelodie 'Quit Your Unnatural Ways' möchte man gleich mitheulen. Toll ist, wie wenig Mendoza sich damit begnügt, nur Gekonntes vorzuführen. Die Lust am Liverisiko beim Shapeshifting ihrer Stücke erhöht noch den Reiz, sie überhaupt spielen zu sehen. Mit Karacho wird durchs rasante 'The Furious Harpy' gerattert, durch Ornette Colemans hendrixifiziertes 'Free' gesprintet. Als Dreingabe gibt es den alten Tango 'El Choclo', als 'Kiss of Fire' ein Ohr- wurm der frühen 1950er, der mit verdutztem Lächeln quittiert wird. So avafiziert, möchte man sich wochenlang nicht mehr waschen. Foto: Monika Baus artrockpics.com 3 ALBATRE Im Grunde wünsche ich mir ja, dass Freakshow® offensiver für bestimmte Inhalte stünde - antibornierte, grün-linke, feministische, übereuropäische... Aber dann kämmt mir, wie am 17. März im IMMERHIN, wieder Musik die Flausen, selbst noch unter meiner Kappe, und pulverisiert alles Fragwürde durch die allerschönste Wunschübererfüllung. Ich mag die Sonntagsmatinees, weil die nachmittäglichen Eindrücke sich festsetzen können, statt über Nacht zu verdunsten. Und was sind das für furiose Eindrücke, die einem ALBATRE da ins Hirn bläst. Mit einem Jazzcore-Mahlstrom, der uns verschlingt mit besten Empfehlungen durch Heinz Karlhausen & The Diatonics. Dort spielt nämlich Gonçalo Almeida ebenfalls Bass, E-Bass mit allen Schikanen, genauer gesagt. Nur dass der bärtige Portugiese, der eigentlich mit dem Kontrabass in Clean Feed-gütegesiegelten Projekten wie Tetterapadequ und Lama sich einen Namen gemacht hat, aus Rotterdam zwei neue Gesichter für das gleiche heiße Spiel mitgebracht hat: Seinen Landsmann Hugo Costa, ein kompakter Iberer wie aus dem Bilderbuch, der mit schrillem, immer wieder per Delay auch mehrstimmigem Überblaskirren auf dem Tenorsax ganze Halden von Sardinendosen aufschneidet. Und den, trotz der 8-stündigen Anfahrt aus Gorizia, hellwachen Dortmunder Drummer Philipp Ernsting. Der vereint scheppernden und rasselnden Überschall mit knüppelharter Prä- zision und quicker Intelligenz. Die ist auch notwendig, um immer wieder zwischen stehen- den Wellen und agitierenden Stakkatos so hin und her zu schalten, wie Albatre das tut. Zugleich zwirbelt Ernsting mit elektronischem Gefrickel die Übergänge von einer Etappe zur nächsten. Man weiß kaum, wo man seinen Beifall anbringen soll, um die Konzentration der Drei nicht zu stören. Almeida steuert die albatrossischen Gleitflüge und die infernali- schen Tauchfahrten souverän mit flinken Arpeggios, aber mehr noch mit Soundeffekten, mit Fuzzgeknurr, schwebenden Drones und Slideglissandos. Costa schürt, seltsamerweise immer noch in Strickweste, am Intensitätspol die Weißglut. Das macht Albatre zu einem dicken Fisch im gleichen Schwarm mit Zu, frühe Ultralyd, MoHa, Ballister. Wie Ernsting da einen Sturmangriff ankurbelt bei 'Aphotic' und überkreuz hämmert bei 'Deep Trench' (wie mir im Nachhinein A Descent into the Maelström verrät, die bei Shhpuma erschienene CD zum 6-Länder-Zickzack von Zürich über Bratislava nach Wü). Wie da ein harpunierter 'Vampyroteuthis infernalis' in seiner Wut zur Riesenkrake mutiert, da wird das Immerhin zum trunkenen Schiff, zur 'Nautilus'. Und wir zu Nemos mit einer Vision von einer ent- sprechend extraordinären Welt, von deren Selbstverbesserung aber offenbar nur Freaks und Clowns träumen. 4 BORING MACHINES (Treviso) Durch Nar (BM045, LP) mache ich Bekanntschaft mit Federica Rossella, die, wenn sie nicht mit der dreifach bebrillten Frauenband Brabrabra den Glauben an Wonderland för- dert oder mit dem Neuseeländer Will Gresson in Fausto Maijstral die "saddest music of the world" improvisiert, solo als DUCHAMP nach Dröhnotopia aufbricht. In Berlin macht sie als Mitkuratorin des OccultoFest von sich reden, das im März 2013 im Ausland zum dritten Mal stattfindet. Sie versteht was von Seegurken und Magnetresonanztomographie und bedient sich in ihrer DIY-Philosophie gern auch ungewöhnlicher und abseitiger Strategien. Als Du- Champ transformiert sie Anregungen durch Dröhn-Pionierinnen wie Catherine Christer Hennix, Eliane Radigue und Pauline Oliveros in melancholische Dreamscapes, in denen sie - tongue in cheek - selbst die Seligkeit sucht, die ihr der Föhn zublies, mit der ihre Mutter sie als Kind frisiert hatte. Sie mischt da hintergründig zu den Sounds von Bass- & Bariton- gitarren, Keyboards und - gleich beim Auftakt 'Gemini' - Akkordion auch mal eigene Voka- lisation oder - bei 'A Worship' - ein flehend wiederholtes "Won't You like me?" von Brian Pyle (Ensemble Economique, Starving Weirdos) in die sonoren Durststrecken, die uns von Betterland trennen. Atmendes Pulsieren und stehende Wellen wechseln mit melodisch ge- schrammelten Repetitionen, den Sitarklängen von Filipe Dias De und tickenden Sekunden. Mit 'Protect Me From What I Want' erinnert sie an Jenny Holzer. Aber Sophistication ist hier von vorne bis hinten groß geschrieben. Dass sie mit 'Seiachtheia' für Schuldenerlass plä- diert, da muss man erst mal dahinter kommen. Hazy Lights (BM046, LP) bringt ein Wiederhören mit BEMYDELAY. Nach ihrem bluesig ge- loopten Erstling ToTheOtherSide∆ (2011) schlägt Marcella Riccardi hier leichtere Töne an, sie mit akustischer Gitarre und an ihrer Seite nun Maurizio Abate (Neokarma Jooklo Trio) an Bass, E- & Lapsteel-Gitarren und Mundharmonika.