Ludwig Van Beethoven: Der Gehörte Und Der Gehörlose. Eine Medizinisch-Musikalisch-Historische Zeitreise
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Bernhard Richter / Wolfgang Holzgreve / Claudia Spahn (Hg.) Ludwig van Beethoven: der Gehörte und der Gehörlose Eine medizinisch- musikalisch-historische Zeitreise Bernhard Richter / Wolfgang Holzgreve / Claudia Spahn (Hg.) Ludwig van Beethoven: der Gehörte und der Gehörlose Bernhard Richter / Wolfgang Holzgreve / Claudia Spahn (Hg.) Ludwig van Beethoven: der Gehörte und der Gehörlose Eine medizinisch- musikalisch-historische Zeitreise ® MIX Papier aus verantwor- tungsvollen Quellen ® www.fsc.org FSC C083411 Originalausgabe © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2020 Alle Rechte vorbehalten www.herder.de Umschlagmotiv: Universitätsklinikum Bonn Satz: SatzWeise, Bad Wünnenberg Herstellung: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN 978-3-451-38870-5 Inhalt Nike Wagner · Grußwort 9 Kapitel 1 Bernhard Richter / Claudia Spahn / Wolfgang Holzgreve · Einführung und Überblick 11 Beethoven – aus musikermedizinischer Perspektive Kapitel 2 Bernhard Richter und Claudia Spahn · Beethoven et al.: medizinhistorische Aspekte 27 Kapitel 3 Norbert Flörken (zusammen mit Felix Julius Wegeler und Malte Boecker) · Beethovens Freundschaft zu dem Bonner Arzt Prof. Wegeler 50 Kapitel 4 Claudia Spahn · Beethovens Schwerhörigkeit: Psychosoziale Aspekte und Resilienz 68 Kapitel 5 Christian Strassburg · Beethoven: Auswirkungen der internistischen Erkrankungen auf seine Kompositionen 80 5 Inhalt Beethoven – Fokus Hören Kapitel 6 Tobias Moser · Wie funktioniert Hören? 101 Kapitel 7 Götz Schade · Beethoven: Könnten wir heute herausfinden, warum er ertaubte? Diagnostik der Schwerhörigkeit 110 Kapitel 8 Werner Köttgen · Historie der Hörhilfen: Vom Hörrohr zur volldigitalen Multikanaltechnik 120 Kapitel 9 Friedrich Bootz · Beethovens Taubheit: Könnte man ihm heute helfen? Therapeutische Möglichkeiten seiner Schwerhörigkeit 139 Beethoven – politisch und kosmopolitisch Kapitel 10 Eleonore Büning · Beethoven und die Politik 155 Kapitel 11 Gregor Herzfeld · „The best product that we can boast of“ – Beethoven in den USA 169 Kapitel 12 Michael Custodis · Ode für Elise im Mondschein. Pop meets Beethoven 180 6 Inhalt Beethoven – seine Vokalkompositionen aus Sicht der Gesangswissenschaft und der Sängermedizin Kapitel 13 Thomas Seedorf und Dirk Mürbe · Vokale Kammermusik und Hör- und Sprachkompetenz Ludwig van Beethovens – musikwissenschaftliche und musikermedizinische Aspekte 193 Kapitel 14 Matthias Echternach · Beethoven: Übergang vom lyrischen zum dramatischen Gesang 210 Kapitel 15 René Jacobs · Über die Behandlung der menschlichen Stimme bei Beethoven am Beispiel seiner Vokalwerke Leonore und Missa solemnis 221 Zu den Autorinnen und Autoren 230 7 Grußwort Bonn ist nicht nur die Geburtsstadt Beethovens. Beethoven hat hier die ersten beiden Jahrzehnte seines Lebens verbracht, wur- de hier zum professionellen Musiker und sog hier die aufkläre- rischen Impulse und Ideen auf, die auch sein späteres Schaffen bestimmten. Insofern ist es folgerichtig, dass Bonn sich anschickt, Beetho- ven anlässlich seines 250. Geburtstags mit einer Art „Kultur- hauptstadtjahr“ zu feiern. In diesem besonderen Jahr wurden Gelegenheiten in Hülle und Fülle geschaffen, um sich mit dem „Großmogul“ – wie Haydn ihn nannte – zu befassen. Mehr noch in seiner Musik, aber auch in seinem Leben gibt es weiter- hin viel zu entdecken. Insofern stellt ein Symposium, das sich dem Phänomen Beethoven von einem musikermedizinischen Blickwinkel her nähert, eine zusätzliche und notwendige Be- reicherung des Jubiläumsjahres dar. Mit Beginn meiner Intendanz der Beethovenfeste Bonn im Jahr 2014 hatte ich es mir zur Aufgabe gemacht, immer auch Neues, Besonderes und Interdisziplinäres zu bringen. Nicht nur die Werke des klassischen Repertoires, sondern auch Querver- weise in Geschichte und Gegenwart. Beispielsweise hatten wir 2019, im Jubiläumsjahr der Mondlandung, ein Festival-Motto, das neben den romantischen Aspekten auch Bezüge zur natur- wissenschaftlich-technischen Seite erlaubte: „Mondschein“. Es ist ja nicht nur Beethovens Musik, die im kulturellen Be- wusstsein verankert ist, sondern auch Beethovens tragisches Schicksal. Um sein dreißigstes Lebensjahr herum begann der Musiker allmählich zu ertauben. In einer Umfrage bei über zweitausend Erwachsenen in Deutschland, durchgeführt im De- zember 2019 vom Meinungsforschungsinstitut YouGov, war Beethovens Taubheit immerhin fast zwei Dritteln der Befragten bekannt. Dementsprechend wählte ich den Begriff des „Schick- sals“ auch einmal als Motto eines Beethovenfestes – ein Begriff, 9 Grußwort den man durchaus auch aus medizinischer und psychologischer Perspektive beleuchten kann. Meiner Ansicht nach hat sich der Verlust seines Gehörs aber nicht auf sein kompositorisches Schaffen ausgewirkt. Beethoven wäre immer der geworden, der er war. Zu vermuten ist jedoch – und das betrifft vor allem das Spätwerk –, dass er eine Radika- lisierung seiner Musiksprache an den Tag gelegt hat, die ihm, wäre er nicht ertaubt, so vielleicht nicht gegeben gewesen wäre. Eine sozial einschneidende Beeinträchtigung seines Musiker- daseins aber war es, dass dieser begnadete Pianist aufhören musste, Klavier zu spielen und zu dirigieren. Im Programm des Symposiums „Beethoven – der Gehörte und der Gehörlose“ gibt es vielfältige Bezüge zum Beethovenfest 2020. Zum einen umkreisen wir das Thema „Beethoven und Europa“ und zum anderen lassen wir den Vokalkomponisten Beethoven zu Wort kommen. Im März wie im September 2020 soll die Neunte mit ihrem berühmten Stimmeinsatz im vierten Satz erklingen, und neben der Oper „Fidelio“ steht die „Missa solemnis“ im August auf dem Plan. Das Märzfest 2020 musste wegen der Covid19-Pandemie leider abgesagt werden. Aber wir hoffen darauf, dass unsere Herbst- saison – vom 4. bis zum 27. September 2020 – nicht auch dem Virus zum Opfer fallen muss. Das Motto dieses Herbst-Festivals zitiert einen Klopstock-Vers und lautet: „Auferstehn, ja auf- erstehn“. Sollte es wirklich stattfinden können, käme diesem Titel eine unerwartet aktuelle Perspektive zu, passend zum er- sehnten Ausgang aus der gegenwärtigen Corona-Krise. Nike Wagner, Intendantin des Bonner Beethovenfests 10 Kapitel 1 EinführungQund Überblick Bernhard Richter / Claudia Spahn / Wolfgang Holzgreve Das Jahr 2020 markiert ein besonderes Jubiläum in der Beschäf- tigung mit Ludwig van Beethoven, denn sein Geburtstag liegt in diesem Jahr genau zweihundertfünfzig Jahre zurück. Die runde Zahl bietet Anlass und Grund, sich mit seiner Person und sei- nem Leben in einer spezifischen Zusammenschau unterschied- licher Disziplinen zu beschäftigen. Der vorliegende Band zeich- net in verschiedenen Beiträgen ein Bild des Komponisten, indem musikermedizinische Perspektiven auf Beethoven in ihrer his- torischen Dimension untersucht und eingeordnet werden. Er fasst die Vorträge eines Symposiums mit dem gleichnamigen Titel als Dokumentation zusammen, welche von der Beethoven- jubiläumsgesellschaft BTHVN gefördert wurde. Im Folgenden sollen die Leser*innen in das Thema eingestimmt werden und einen Überblick über die unterschiedlichen inhaltlichen Aspekte des vorliegenden Bandes erhalten. Beethoven – der Gehörte und der Gehörlose Ein Großteil von Beethovens Werken, die Symphonien in glei- chem Maße wie seine Werke für Klavier solo, seine Kammer- musik genauso wie seine Oper Fidelio, haben sich seit ihrer Ur- aufführung fest ins kulturelle Gedächtnis der Menschheit eingebrannt. Lebendiger Ausdruck dieser gelebten Musikrezep- tion sind die anhaltend hohen Ziffern in den CD-Verkäufen von Beethovens Werken und den Abrufen bei den gängigen Stream- ing-Diensten wie beispielsweise Spotify. Man könnte in An- lehnung an die Formulierung Schillers in der Ode an die Freude 11 Bernhard Richter / Claudia Spahn / Wolfgang Holzgreve nahezu von „Allen Menschen“ sprechen, die Beethoven hörend erfahren. Die Menschen waren und sind rund um den Globus von Beethovens Musik direkt angesprochen und tief berührt. Die „Emotionstiefe“ seiner Werke umfasst dabei die gesamte Skala von „namenloser Freude“ im Fidelio bis zu „tiefer Trauer“ im Marcia funebre der Eroica. Eleonore Büning formuliert es in ihrem zum Beethovenjubiläum 2020 erschienenen Buch Spre- chen wir über Beethoven – Ein Musikverführer so: „Die Musik Ludwig van Beethovens hat schon das Publikum zu dessen Leb- zeiten erschüttert, verstört, entzweit.“1 Beethoven hat über sein Musikerdasein hinaus eine immense Wirkung entfaltet. Nach Ansicht des Dirigenten Kent Nagano ist „Beethoven wahrscheinlich derjenige Komponist der Klas- sik, dessen Musik den größten zeit- und ideengeschichtlichen Einfluss aufweist.“2 Man könnte Beethoven also als einen „In- fluencer“ avant la lettre bezeichnen. Manche Autoren sehen in ihm sogar den „Schöpfer“ eines eigenen „Universums“, wie Martin Geck (1936–2019) im Untertitel seiner Monographie Beethoven im Jahr 2017, der ihm damit quasi einen „gottglei- chen“ Status zuschreibt.3 Beethoven wird als Revolutionär und Visionär, als Vordenker für die Freiheit des einzelnen künst- lerisch tätigen Individuums, ja sogar der gesamten Menschheit angesehen, ganz im Sinne der Schiller’schen Textzeilen „Seid umschlungen Millionen! Diesen Kuss der ganzen Welt!“ Zusammenfassend kann man also mit Fug und Recht be- haupten: Beethoven war und ist ein „Gehörter“. Fast genauso bekannt wie seine Musik ist auch die Tatsache, dass Beethoven schon in der Mitte seines Lebens zunehmend sein Gehör verlor und dass er einen Teil seiner heute noch als bedeutend angesehenen Werke – u.a. die 9. Symphonie und die Missa solemnis – als nahezu gänzlich ertaubter Musiker schuf. Die Bewunderung für