Aufbruch Zur Weltstadt Julius Rodenberg Und Sein Buch „Wiener Sommertage“ (1875) ∗
Aufbruch zur Weltstadt Julius Rodenberg und sein Buch „Wiener Sommertage“ (1875) ∗ Peter Payer Das im Jahr 1875 erschienene Buch „Wiener Sommertage“ ist ein bemerkens- wertes Zeugnis Wiener Stadtgeschichte. Geschrieben von dem Berliner Julius Rodenberg, also mit dem Blick von „außen“, dokumentiert es die Bemühungen Wiens, zur „Weltstadt“ aufzusteigen und seine Position unter den führenden eu- ropäischen Großstädten zu behaupten. Stilistisch gekonnt und mit feiner Ironie, nähert sich Rodenberg dem Wesen der Stadt, erforscht er voll Neugier deren Be- wohner, Gebäude, Straßen und Plätze. „Mein lieber Leser, du mußt bedenken, daß ich ein Fremder in Wien bin und daher ein Recht habe mich über alles Mög- liche zu wundern“ 1, stellt er gleich zu Beginn klar. Es ist ein wertschätzendes, lebensfrohes Buch, geschrieben mit der überbordenden Euphorie des beginnen- den Weltausstellungsjahres 1873, als nur wenige die schon kurze Zeit später hereinbrechende Krise ahnten. Die fundamentalen ökonomischen, sozialen und kulturellen Transformationen, denen Wien im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ausgesetzt war, bilden dann auch die Folie, vor der die facettenreichen Schilde- rungen Rodenbergs ihre Wirksamkeit entfalten. Julius Rodenberg: Publizist zwischen Tradition und Moderne Der Name verweist auf den Ort seiner Herkunft: In der niedersächsischen Klein- stadt Rodenberg kam am 26. Juni 1831 Julius Levy zur Welt, der Jahrzehnte spä- ter unter dem Namen Julius Rodenberg weit über die Grenzen seines Heimator- tes hinaus bekannt werden sollte. 2 Sein Vater, der jüdische Kaufmann Simon Gumpert Levy, und seine Mutter Amalie waren wohlhabende Bürger der Stadt. Aufgeklärt-liberal und literarisch interessiert, ließen sie Julius, das älteste von sechs Kindern, zunächst von Hauslehrern unterrichten, ehe er höhere Schulen im nahe gelegenen Hannover und in Rinteln besuchte.
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