179. SWISSAIR GROUNDING Der Film Ist Da! Aber Bringt Er Die Wahrheit, Also Licht in Diese Sache?
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179. SWISSAIR GROUNDING Der Film ist da! Aber bringt er die Wahrheit, also Licht in diese Sache? 1. Der Film zuerst ... Es war mir vergönnt, an der Vorpremiere teilzunehmen. Schon viele Superlativen, dass nun endlich die Wahrheit oder sollten wir sagen eine fiktive Variante, an den Tag kommen würde, waren die- sem Film voraus geeilt. Zwar mag der Streifen wohl für ein breites Publikum attraktiv sein. Aber wie oft bei soviel Vorschusslorbeeren, hält leider der Inhalt einer kritischen Betrachtung in keiner Weise stand und kommt dem wirklichen Geschehen, dass zum Absturz der Swissair führte, nicht mal in kleinsten Teilen näher. Inhaltlich lebt er davon, dass echte Filmbeiträge eingespielt und teils angenommene und fiktiv mögliche Vorgehen in Spielszenen eingebracht werden. Schliesslich wird der Film mit rein erfundenen Geschichten, wie zum Beispiel einem Co-Piloten, der Alkoholprobleme hat, von seiner Hostess getrennt lebt, mit einem kleinen kiffenden Jungen etc. aufgemotzt, anders kann man es nicht ausdrücken. Diese Abfolge, mit echten Dokus und wieder reinen fiktiven Spiel- szenen erhält so ein hohes Tempo, ist also sicher attraktiv für durchschnittliche Kinogänger, wenn man das so sagen darf, lässt aber schlussendlich auch von der Form her, diese für viele Menschen nationale Tragödie Schweizerischer Wirtschaftsgeschichte fast zu einer Dokusoap verkommen. Dann krallt sich die scheinbar dokumentarisch aufgebaute Entwicklung an nur wenige vom Produ- zenten Peter-Christian Fueter ausgemachten Bösen fest, wie Marcel Ospelt UBS usw. Wie wenn die Swissair nur wegen dem Geschehen in diesen letzten Wochen zum Grounding gebracht worden wäre! Das Finale mag, aber auch das mit vielen Einschränkungen, durchaus so ähnlich gewesen sein, aber die fundamentale Frage, wie konnte es denn überhaupt soweit kommen, diese Beant- wortung lässt dieser Film völlig offen. Im Gegenteil, es entsteht sogar der Eindruck, dass mit nur einigen guten Entscheidungen sowie Bankmillionen die Swissair praktisch unbeschadet in die Zu- kunft herüber hätte gerettet werden können. Solche Vorstellungen sind zwar völlig abwegig, wer- den aber bereits überall kolportiert, womit nichts anderes übrige bleibt, als die Tragödie der Swissair wenigstens komprimiert nach der heute gesicherten Beweislage nochmals aufzurollen! 2. Die Swissair schaut nach vorne, sieht „Alcazar“ und verzichtet, warum? Wie so oft, steht auch bei dem Swissair-Debakel das Wort Liberalisierung voran: nach dem Wegfall der Preisvorschriften suchten anfangs der 90er Jahre auch in Europa die Fluggesellschaften neue Möglichkeiten sich am Markt zu behaupten, um nicht im ruinösen Preiskampf, möglich auch wegen Überkapazitäten, unter zu gehen. Die Swissair erinnert sich der KSSU-Gruppe, KLM, Swissair, SAS, UTA, welche mit gemeinsamer Flottenpolitik und Unterhalt viele Einsparungen gebracht hatte. Er- gänzt mit der AUA wird unter dem Projekt „Alcazar“ der erste Zusammenschluss versucht, scheiter- te aber an Machthunger, fehlender Weitsicht und übertriebenem Heimatschutz: SR-Chef Otto Loep- fe wollte unbedingt das Zepter in diesem neuen Konstrukt, die SR-Luftkutscher, sorry Piloten fürch- teten um die Schweizer Supersaläre von 300'000 und mehr Franken, die Medien witterten einen Ausverkauf der Heimat und sogar die Regierung warb für eine echte Schweizer Airline am Himmel, wir hätten die Stärke und sollten die nutzen! Das ist aber nur eine schäbige Kurzfassung der detaillierten Vorgänge um das Projekt „Alcazar“. Wobei, was nun schlussendlich entscheidend war, wohl nie auszumachen sein wird. Um den Unter- gang der Swissair überhaupt zu verstehen, kann man wohl nicht genug tun, um das Geschehen der Alcazar-Tragödie auszuleuchten: In einem Boot für den Untergang dieses wirklich guten Projektes standen als Paten die Medien, zuvorderst der BLICK, mit Frank A. Meier, der den Ausverkauf der Heimat zelebrierte, aber auch der umtriebige Moritz Suter, Ex-Swissair-Pilot und Chef der Crossair, der immer noch seine Idee, seine Gesellschaft und auch den Standort Basel als Topziel sah, ein wegen dem EWR-Nein eingelullter Bundesrat Ogi sowie eine schwache Swissair-Führung, mit einem unbedarften VR-Präsidenten Hannes Goetz, ohne jegliche Luftfahrterfahrung. Ganz weglassen darf man aber auch nicht die Grundstimmung in den übrigen Partnerländern, wo man sich zwar noch etwas besser ein solches Zusammengehen vorstellen konnte, aber bei den ersten Swissair- Forderungen schon etwas vorschnell beleidigt abwinkte, eventuell aus genau so falsch verstande- nem Heimatgefühl. Am Tag der langen Messer, 22. September 1993 bringen sich Rainer E. Gut,. Thomas Schmidheiny sowie Bènèdict Hensch – alles Swissair-Verwaltungsräte - in Position und stossen den mühsam ausgehandelten Kompromiss um! Ein gewisser Pieter Bouw, wir hören noch von ihm, versucht das zerschlagene Porzellan nochmals zu kitten, umsonst, Alcazar, nicht nur bei 1 uns umstritten, wird geschreddert! Ingesamt fehlte grundsätzlich den beteiligten Airline-Managern die politische, aber auch wirtschaftliche Unterstützung. So musste dieses gute Projekt, da ist man sich heute einig, abstürzen, das für die Swissair den Anfang vom Ende bedeutete! Immerhin schafft es Loepfe noch, erstmals in der Luftfahrtgeschichte, wieder weitsichtig, trotzdem eine lose Allianz aufzubauen, mit der Delta, Singapore, Atlantic, SAS und AU: die EQA, European Quality Alliance. 3. Neuer CEO, neue Ideen, wir sind doch wer: die Hunter-Strategie! Das Zauberwort, Philippe Bruggisser, das Ziel, was Swissair nie wollte, aufkaufen von Airlines und zur grössten in Europa oder so was zu werden, das Rezept: die Hunterstrategie! Immerhin hochge- dient hatte sich Bruggisser mit guten Zukäufen im Catering-Bereich und so Gate Gate Gouremet zu einem der weltweitführenden Luftversorger gemacht, unter Applaus der Presse und Wirtschaft. Zuvor aber hatten und das zur Rechtfertigung von Bruggisser, die Vorgänger im VR und Marketing, also noch Loepfe und auch der spätere Paul Reutlinger, sich um die Sabena bemüht und schnapp- ten sich mal 25 % mit einem Vertrag, der über Etappen eine absolute Mehrheit vorsah! Zwar hatte man im VR rein rethorisch, also nochmals erwähnt, wir stehen da im Jahre 1994, sich überlegt: den Alleingang, nein – das Zusammengehen, nein – und den Aufbau einer grossen europäischen Fluggesellschaft, das aber ja! Der VR ist zwar orientiert, das ganze aber intern wissentlich sehr schön geredet und so wird zwischen Oktober 1994 und Mai 1995 der Deal für einen Ausbau auf 49 % Beteiligung der Swissair, an der eigentlich maroden Sabena geebnet, samt Erweiterung zu der erwähnten Mehrheit und mit einer ersten Tranche von 260 Mio CHF bezahlt. Und Ende 1995 muss es den Entscheidungsträgern schon gedämmert haben, wird das wohl auch gut gehen? So entzog sich Rainer E. Gut (Credit Suisse) dem VR und schickte seinen Schützling an die Front: Lukas Mühlemann (auch CS), gestützt vom Industriellen Thomas Schmidheiny und Bé- nédikt Hentsch (Privatbanker). Man zweifelt sowohl am VR-Präsidenten Goetz wie auch am CEO Loepfe und lässt wie immer den Soldaten über die Klinge springen: Loepfe geht und stirbt dann am 29. März 1998, als letzter von zu unterst in der Swissair hochgedienter Vertreter ... Und Philippe Bruggisser übernimmt nun das Zepter, die Swissair zu einem weltweit operierenden Carrier zu zementieren. Aber schon jetzt, also 1995, schlagen ihm negative Ergebnisse entgegen, er will eine halbe Milliarde einsparen, 1200 Stellen abbauen, Flüge ab Genf werden fast eingestellt, die Öffentlichkeit horcht auf, ist das unsere Swissair? Es wäre aber auch verfehlt, in Bruggisser den Totengräber der Swissair zu sehen. Der Sabena-Deal, der wohl schlimmste Klotz am Bein der Swissair, war längst vor seinem Amtsantritt eingefädelt worden. Und obwohl Bruggisser als prag- matischer Vorwärtsmanager schon bekannt war, hätte er sich wohl nie auf eine so ruinöse Ein- kaufstour begeben, ohne die Zustimmung des VR und den Vorschlag der Hunter-Strategie durch die hinzugezogenen Unternehmensberatung Mc Kinsey mit Nils Hagander. 4. Bruggisser auf Einkaufstour Ambitiöses Ziel der Hunter-Strategie ist der Aufbau einer eigenen Allianz unter alleiniger Führung der Swissair, angereichert mit der Sabena und weiteren nationalen europäischen Gesellschaften, vorzugsweise Partnern der Delta Airlines, da als Risiko angesehen wird, dass diese zur starken Air France abwandern könnte. Alternativen, wie Beitritt als Juniorpartner bei Air France, Lufthansa oder British Airways werden vom VR aus nationalem Stolz und Drang nach Unabhängigkeit durch- gewunken. Inzwischen arbeitet die Zeit gegen die Swissair mit den Gründungen von Zusammen- schlüssen wie 1996 unter British Airways die „Allianz Oneworld“ (BA mit American Airlines, Cathay Pacific und Quantas), 1997 unter Lufthansa die „Star Alliance“ (LH mit United Airlines, SAS, Thai Airways und Air Canada), will heissen, die Rosinen im Luftfahrtgeschäft schwimmen davon. Wie schon bei Gate Gourmet sucht sich nun Bruggisser durch den Kader-Vermittler Björn Johannson eine neue Konzernspitze zusammen und erhält: Finanzchef Georges Schordert, Logistikchef Klaus Knappik, Swissair-Chef Jeffrey Katz, Networkmanager Ray Lions und Verkaufsmanager Lee Shave, der Amerikaner und die beiden Briten sollen dabei ihre Erfahrungen im deregulierten Markt einbrin- gen. Im Eiltempo kauft nun die Swissair mehrere Gesellschaften aus der 2. oder 3. Liga ein, alle mit dem Problem der Rentabilität, wie den deutschen Ferienflieger LTU, die französischen Regional- flieger Air Littoral und Air Outre Mer (AOM) und die italienische Volare. Zu spät