Vorwort “Nur wer weiß, was Jugendliche bewegt, kann sie bewegen …” * Sinus-Jugendstudie 2012 Zu lernen auf eigenen Füßen zu stehen und sein Leben in die Hand zu nehmen, gelingt nicht allen Jugendlichen immer ohne verstärkte familiäre oder gesellschaftliche Unterstützung.

Das Modellprogramm „ JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region“ wurde vom Bundesministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen der Initiative JUGEND STÄRKEN initiiert und mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Der Landkreis Meißen war einer der 36 Kommunen, die innerhalb dieses Modellprogrammes vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2013 durch den Europäischen Sozialfonds gefördert wurden, um verbindliche Strukturen zur Abstimmung der Angebote für unterstützungsbedürftige benachteiligte Jugendliche aufzubauen und die Akteure an den Schnittstellen Schule, Arbeitsförderung und Jugendhilfe zu vernet- zen. Ziel war und ist es für den Landkreis Meißen, neue Wege der Integration junger Menschen, die an diesen Schnittstellen immer wieder verloren gehen, zu finden. Ein Modellprogramm bietet immer wieder die Chance Themen anzugehen, die konstruktive Arbeitsbündnisse einfordern. So wurden über einen zeitlich befristeten Projektzeitraum von den regionalen kooperierenden Akteuren des Landkreises Meißen geeignete Methoden der Arbeit mit der Zielgruppe, der digitalen Datenerhebung zu schuldistanzierten Schülern, der elektronischen Fallaktenführung und der bedarfsentsprechenden Maßnahmeplanung erprobt. Diese Erkenntnisse und Arbeitsweisen gilt es, nach Beendigung des Modellprogrammes, in der Praxis der fachlichen Arbeit mit den jungen Menschen zu verstetigen.

Für den Landkreis Meißen, als eine der 36 bundesweiten Modellkommunen, stellte das Bundesjugendministerium bis Ende 2013 Fördermittel in Höhe von 400.000 Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Verfügung; die Kofinanzierung in Höhe von 100.000 Euro erfolgte aus kommunalen Mitteln.

Für die Zielgruppe der benachteiligten und beeinträchtigten jungen Menschen sollten im Landkreis Strukturen und Rahmenbedingungen entwickelt werden, die das „Verlorengehen” der Zielgruppe verhindern.

Dazu erfolgte die gezielte wirksamkeitsorientierte Abstimmung der Angebote und die Zusammenarbeit der Akteure an den Schnittstellen Schule – SGB II - SGB III – SGB VIII. In diesem Kontext wurde die Aufgabenwahrnehmung der kommunalen öffentlichen Jugendhilfe - § 13 SGB VIII – als kommunale Gesamtstrategie verstanden.

Die Dokumentation schildert die Erfahrungen, die durch die Standortkoordination des Modellprogrammes im Landkreis Meißen in der rechtskreisübergreifenden Kooperation und durch die 3 Träger des Projektes (Kinderland Sachsen e.V., Produktionsschule Moritzburg gGmbH, Gemeinnütziger Sozialer Förderkreis e.V. Meißen) in der Aktivierung der Zielgruppe gemacht wurden. In exemplarischen Darstellungen geht die Dokumentation auf die Erfahrungen in der sozialpädagogischen Arbeit der Fachkräfte mit der Zielgruppe ein, dokumentiert Methoden und zeigt Grenzen des Handelns in den Lückenschlussprojekten auf.

Der Landkreis Meißen, insbesondere das Jugendamt und das Jobcenter, bedanken sich bei den Kooperationspartnern der Sächsischen Bildungsagentur /Regionalstelle , der Agentur für Arbeit Riesa, den Trägern Kinderland Sachsen e.V., Produktionsschule Moritzburg gGmbH und Gemeinnütziger Sozialer Förderkreis e.V. Meißen, die durch ihre Kooperationsbereitschaft zum Gelingen des Projektes beigetragen haben.

Albrecht Hellfritzsch 1. Beigeordneter Landkreis Meißen

Seite 1 Teil I – JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region 1. Projektmanagement, Auftrag und Projektbeschreibung Seite 03 2. Kooperationspartner und Akteure Seite 05 3. Zielgruppe, Zugänge und Beschreibung Seite 08 4. Projektentwicklung und Meilensteine Seite 11 5. Fazit und Handlungsempfehlungen Seite 17

Teil II – Rechtskreisübergreifende Kooperation 1. Standortkoordination Seite 21 2. Methoden der rechtskreisübergreifenden Kooperation Seite 24 3. Instrumente des Monitorings Seite 28 4. Fazit und Handlungsempfehlungen Seite 29 Inhalt der Dokumentation

TEIL III – PraxisPalette 1. Bausteine des Modellprogrammes JUGEND STÄRKEN Seite 32 a) Kompetenzagentur Seite 32 b) Jugendmigrationsdienst Seite 35

2. Lückenschlussprojekte JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region Seite 37 a) Aufsuchendes einzelfallbezogenes Jugendsozialcoaching Seite 37 b) WAL (Wohnen - Arbeiten - Leben) Seite 40 c) Erlebnispädagogik Seite 44 d) Arbeit mit schuldistanzierten Schülern Seite 47 e) Kurzzeitige Aktivierungsprojekte Seite 52

Teil IV – Einzelfallarbeit 1. Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Einzelfallarbeit Seite 56 2. Checklisten zur Falldokumentation Seite 58

Impressum Seite 60

Seite 2 Teil I – JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region

1. Projektmanagement – Auftrag und Projektbeschreibung

JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region im Landkreis Meißen ging samkeitsorientierte Abstimmung der Angebote und die der Zielstellung nach, durch rechtskreisübergreifende handlungs- Zusammenarbeit der Akteure an sensiblen Schnittstellen Schule – feldbezogene Kooperation und trägerübergreifende SGB II - SGB III – SGB VIII. Zur Umsetzung der Zielstellung wurden Zusammenarbeit vorrangig passgenaue Angebote als Kooperationsvereinbarungen mit der Bundesagentur für Arbeit – Lückenschlussprojekte für nicht mehr bzw. schwer zu erreichen- Agentur für Arbeit Riesa, der Sächsischen Bildungsagentur – de junge Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren zu entwickeln. Regionalstelle Dresden und dem Jobcenter des Landratsamtes Weiter bestand darüber hinaus der Anspruch in der intensiveren Meißen abgeschlossen. Moderator des Projektverlaufes im Sinne Vernetzung und dem kollegialen Erfahrungsaustausch der unmit- des § 13 SGB VIII war das Kreisjugendamt Meißen. Die telbar mit der Zielgruppe arbeitenden Akteure. Aufgabenstellung von JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region wurde vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2013 in Somit sollten Strukturen und Rahmenbedingungen entwickelt Trägerkooperation mit der Produktionsschule Moritzburg werden, die das „Verlorengehen” der Zielgruppe am Übergang gGmbH, dem Gemeinnützigen Sozialen Förderkreis e.V. Meißen von Schule in Ausbildung oder nach Abbrüchen von und dem Kinderland Sachsen e.V. umgesetzt. Ausbildungen verhindern. Grundlage dafür war die gezielte wirk-

Seite 3 Nachfolgende Ergebnisse wurden erreicht: Programmbestandteile der Kompetenzagentur des GSF Meißen e.V. und des Jugendmigrationsdienstes der Diakonie Riesa- strukturellen Ebene (rechtskreisübergreifende Verzahnung) Großenhain gGmbH wurde umgesetzt. - Die Standortkoordination von „Aktiv in der Region“ wurde in - Für die Aktivierung der Zielgruppe wurden sieben die Jugendhilfeplanung eingebunden. Damit war eine kontinu- Lückenschlussprojekte initiiert. (Konzepte und Erfahrungen im ierliche rechtskreisübergreifende und zielgruppenbezogene Teil III PraxisPalette) Steuerung gewährleistet. - In der Jugendkonferenz „Alle in einem Boot“ am 10. Oktober einzelfallbezogenen Ebene (Zielgruppe und Einzelfallarbeit) 2012 verständigten sich die Vertreter der Rechtskreise und Träger - Die rechtskreisübergreifende Einzelfallarbeit erfolgte über der freien Jugendhilfe zu erforderlichen Kooperationen, die für kooperatives Fallmanagement. Zur Professionalisierung diente das „Verloren“ gehen der Zielgruppe erforderlich sind und der rechtskreisübergreifende Workshop „Fallvignette“ im März Jugendlichen eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben 2013. geben. - Durch die aufsuchende Arbeit wurde eine Analyse und - Die Kooperation an der Schnittstelle von SGB VIII und SGB II Verallgemeinerung der „individuellen Stolpersteine“ im wurde auf die passgenaue Unterstützung im Einzelfall ausge- Aufwachsen der Zielgruppe erarbeitet. richtet. maßnahmebezogenen Ebene (passgenaue Angebote, Lückenschluss) - Durch die rechtskreisübergreifende Erfassung der Angebote und Maßnahmen für die Zielgruppe der Initiative JUGEND STÄRKEN sind die Angebote landkreisweit bekannt und abrufbar. - Die zielgruppenbezogene Steuerung der Verzahnung der Akteure auf Angebotsebene, insbesondere der

Seite 4 Teil I – JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region

2. Kooperationspartner und Akteure Dezernat Soziales - Kreisjugendamt Landratsamt Meißen Loosestr. 17/19 www.kreis-.de 01662 Meißen Dezernat Soziales Dezernat Arbeit und Bildung Die Jugendhilfeplanung des Landkreises Meißen war als öffentli- Brauhausstr. 21 cher Träger der Jugendhilfe mit der Standortkoordination der 01662 Meißen Moderator im Modellprogramm. Als verbindender Akteur zwi- schen den Rechtskreisen und den im Landkreis Meißen mit der Zielgruppe arbeitenden Trägern der freien Jugendhilfe wurde die Aufgabe der Angebotserfassung, der Benennung von Angebotsüberschneidungen und die Beschreibung Zielgruppe von JUGEND STÄRKEN umgesetzt. Folgerichtig wurde eng mit dem Sachgebiet Soziale Dienste / Gerichtshilfe zusammengear- beitet.

Dezernat Arbeit und Bildung - Jobcenter Meißen Rudolf – Breitscheid-Str. 35 01587 Riesa

Aktiver Projektakteur war die Projektmanagerin U 25 des Dezernates Arbeit und Bildung. Ausgangspunkt dafür war, dass die Maßnahmen des SGB II im Kontext der Jugendberufshilfe, wie die Jugendwerkstätten der Produktionsschule Moritzburg gGmbH; sowie weitere niedrigschwellige Maßnahmen für die Zielgruppe der freien Träger im Landkreis Meißen, bedarfsgerecht durch den Träger der Grundsicherung eingerichtet wurden. Weiterhin hat sich bestätigt, dass die überwiegende Anzahl jun- ger Menschen der Zielgruppe sich im Leistungsbezug des SGB II befinden bzw. in ihren Leistungen der Grundsicherung sanktio- niert waren. Ein weiteres Merkmal der Zielgruppe war, dass die jungen Menschen auf Grund von nicht erfolgter und damit feh-

Seite 5 lender Antragstellung keine Leistungen der Grundsicherung Bundesagentur für Arbeit bezogen. Eine kooperierende Zusammenarbeit zwischen www.arbeitsagentur.de Fallmanager und aufsuchender Sozialarbeit war Ausgangspunkt Agentur für Arbeit Riesa für die Aktivierung dieser Jugendlichen. Rudolf – Breitscheid-Str. 35 01587 Riesa Sächsische Bildungsagentur (SBA) www.sba.smk.sachsen.de Grundlage für die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit bil- Regionalstelle Dresden dete die Kooperationsvereinbarung für das Projekt JUGEND Großenhainer Straße 92 STÄRKEN: Aktiv in der Region. Auf dieser Grundlage wurde 01127 Dresden punktuell im Einzelfall, in der Durchführung und Auswertung der Jugendkonferenz zusammengearbeitet. In Folge dessen wurde Die SBA kooperierte im Projekt hauptsächlich in der Erfassung zwischen den Dezernat Soziales und Dezernat Arbeit und der Zielgruppe der schuldistanzierten Schüler. Beginnend mit Bildung des Landkreises Meißen und der Bundesagentur für dem Halbjahr des Schuljahres 2011/2012 wurde über das Arbeit – Agentur für Arbeit Riesa die Kooperation langfristig ver- Monitoring des Bundesprogramms JUGEND STÄRKEN: Aktiv in einbart. Diese vereinbart die Zusammenarbeit im Interesse der der Region, eine online gestützte Erhebung an den Schulen des Aktivierung der Zielgruppe. Landkreises Meißen zur Anzahl der schuldistanzierten jungen Menschen durchgeführt. Die Kooperation zwischen Jugendhilfe Darüber hinaus besagt die Kooperationsvereinbarung, dass spe- und Schule wird im Landkreis Meißen über eine ziell für die Zielgruppe von Jugend Stärken spezifischere Kooperationsvereinbarung geregelt. Deren Inhalte sind der Vereinbarungen getroffen werden können, z.B. Angebots- und Handlungsleitfaden bei Kindeswohlgefährdung und die Maßnahmemanagement. Aufgaben der Schulbegleitung.

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Produktionsschule Moritzburg gGmbH Gemeinnütziger Sozialer Förderkreis e.V. www.produktionsschule-moritzburg.de www.gsf-meissen.de Schloßallee 4 Siebeneichener Straße 2-3 01468 Moritzburg 01662 Meißen

Die Produktionsschule Moritzburg gGmbH ist seit mehreren Der GSF e.V. ist anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und Jahren Träger von Jugendhilfeprojekten. Mit der Jugendwerkstatt seit vielen Jahren in den Bereichen Beschäftigung und Meißen und der Neuen Produktionsschule Moritzburg hat der Qualifizierung, Beratung und Betreuung der von Arbeits– und Träger Erfahrungen in der Arbeit mit der Zielgruppe von JUGEND Ausbildungslosigkeit betroffenen Menschen tätig und fördert STÄRKEN. Die PSM gGmbH initiierte über seine erfolgreich deren Erwerbs– und Sozialintegration. Der GSF e.V. ist Kooperationspartner das Lückenschlussprojekt „Wohnen – Träger der Kompetenzagentur im Landkreis Meißen und hielt das Arbeiten – Leben“. (TEIL III – Praxispalette) Angebot der Aufsuchenden Sozialen Arbeit im Programmbaustein Aktiv in der Region vor. KINDERLAND - Sachsen e.V. www.kinderland-sachsen.de Tharandter Straße 3 DIAKONIE Riesa – Großenhain gGmbH 01159 Dresden www.diakonie-grossenhain.de Jugendmigrationsdienst (JMD) KINDERLAND-Sachsen e.V. ist ein sachsenweit tätiger Verein, der Marktgasse 4 es sich zur Aufgabe gemacht hat, bedarfsgerechte Angebote zur 01558 Großenhain Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Familien zu gestal- ten. An den sachsenweiten Standorten des KINDERLAND- Der Jugendmigrationsdienst unterstützt im Landkreis Meißen Sachsen e.V. gibt es folgende Angebotsschwerpunkte: Offene Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von 12 bis 27 Jahren Kinder- und Jugendarbeit, Hilfen zur Erziehung, mit Migrationshintergrund und Daueraufenthaltsperspektive. Der Kindertagesstätten / Horte, Kindertagespflege und Schule. Der JMD soll die Integrationschancen der jungen MigrantInnen in Träger wirkt mit seinen sozialpädagogischen Erfahrungen an der Bezug auf die sprachliche, schulische, berufliche und soziale Interessensbekundung JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region Integration verbessern. Die Angebote sind individuelle Beratung, des Landkreises Meißen mit. Zur Profilierung der bei Bedarf Begleitung zu Behörden, thematische Lückenschlussprojekte Aufsuchende Arbeit und Gesprächsrunden sowie offene freizeitpädagogische Angebote. Erlebnispädagogik brachte er als Träger eigene personelle und materielle Ressourcen ein.

Seite 7 3. Zielgruppe, Zugänge und Beschreibung In der Arbeit mit der Zielgruppe wurden folgende vorrangige Problemlagen sichtbar: - problematischer Schulverlauf bzw. fehlender Schulabschluss Die Zielgruppe des Programms JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der - geringes (berufliches) Qualifikationsniveau Region im Landkreis Meißen waren überwiegend unterstüt- - Defizite in den (sozialen) Basiskompetenzen zungsbedürftige benachteiligte Jugendliche und junge (Sozialkompetenzen) Erwachsene im Alter von 15 bis 27 Jahren, die: - soziale Isolation - delinquentes Verhalten - sich in einer allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schule - problematischer Substanzkonsum / Suchtmittelmissbrauch befinden und den Unterricht aktiv oder passiv verweigern - psychosoziale Beeinträchtigungen - Schulden bzw. schwierige finanzielle Situation - sich am Übergang von Schule in eine Ausbildung befinden und - Perspektivlosigkeit hinsichtlich Schule und Berufsausbildung nicht bereits an einer Maßnahme im Rahmen von SGB II, SGB III - Wohnungslosigkeit bzw. schwierige Wohnsituation oder SGB VIII teilnehmen (sog. unterversorgte Jugendliche) Für diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen stellten Über- - von den regulären Leistungsbereichen – gänge besondere Risiken dar und waren zu Stolpersteinen in der Schule/Berufsausbildung und Arbeitsförderung (SGB II und SGB Lebensgestaltung geworden. Da diese Jugendlichen und jungen III) – nicht oder nicht mehr erreicht werden (§ 13 SGB VIII; Erwachsenen meistens nicht auf ausreichende familiäre Jugendsozialarbeit) Ressourcen zurückgreifen konnten, waren die Angebote von JUGEND STÄRKEN begehbare Brücken zu ihrer beruflichen und sozialen Zukunft. Vorrangiges Ziel des sozialpädagogischen Handelns im Projekt war daher die individuelle Förderung dieser benachteiligten Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Sinne des ganzheitlichen und lebensweltnahen Ansatzes, abgestellt auf

Seite 8 Teil I – JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region

eine passgenaue berufliche und soziale Integration in die Angeboten der Sozialarbeit hatten. Sie verfügten über Gesellschaft. Erfahrungen, wie man Sozialarbeitern ausweicht oder kurzfristig mit ihnen kooperiert, um bewusst das Hilfesystem zur Die rechtskreisübergreifende Arbeit im Einzelfall bestätigte, dass Verbesserung der Lebenssituation zu aktivieren. Desweiteren ist die Zielgruppe in ihrer Problemlage sehr breit ist. Die aufsuchen- als Resümee zu beschreiben, dass ein Teil der Jugendlichen und de Arbeit als Angebot mit niedrigschwelligstem Ansatz hat sich jungen Erwachsenen die drohen „verloren“ zu gehen oder nicht als wirksames Instrument zur Aktivierung der jungen Menschen mehr erreicht wurden sich ihr Leben ohne Beschäftigung einge- im Rahmen von JUGEND STÄRKEN bestätigt. Im Einzelfall konn- richtet hatten. Die Phasen von Sanktionen im Bereich der te aber auch festgestellt werden, dass ein Teil der Jugendlichen Grundsicherung lösten sich mit Phasen der aktiven Mitarbeit im und jungen Erwachsenen bereits mehrfach Erfahrungen mit den Kontext von Berufsausbildung im Lebensweg ab. Oft wurden Maßnahmen der beruflichen Ausbildung abgebrochen, weil sich junge Menschen nicht in die Rahmenbedingungen der Maßnahmen, wie z.B. regelmäßige Tagesstruktur einfügen konn- ten oder wollten. Zunehmend eruierten die Fachkräfte psychi- sche Probleme/ Krankheiten u.a. bedingt durch den Konsum von illegalen Drogen als gewichtige Hemmnisse eine erfolgreiche Ausbildung zu absolvieren. Diese multiplen Probleme zeigten besonders die Grenzen der sozialen Arbeit und des Case Managements auf. Sinnvoll wird es daher sein in künftige Angebotsplanungen für diese Zielgruppe Anteile für psychologi- sche Betreuung einzuplanen.

Die Charakteristik der Zielgruppe prägte u.a., dass die nicht vor- handenen unterstützenden Ressourcen im Elternhaus, Partnerschaftsthemen der Eltern, nicht funktionierende Patchworkverhältnisse dazu führten, dass sich Jugendliche ver- weigern und zurückziehen. Jugendliche und junge Erwachsene die über keine persönlichen Ressourcen verfügten, diese Situationen auszugleichen, protestieren mit Verweigerungsver- halten oder Desinteresse an gesellschaftlichen Anforderungen. Wiederum wirkten sich eine überbehütete Familienstruktur z.B.,

Seite 9 indem die Eltern oder Großeltern alle lebenswichtigen Themen Der Zugang zu der Zielgruppe erfolgte über die aufsuchende für den jungen Menschen klären, sich negativ auf die Arbeit, das Fallmanagement des SGB II, das Sachgebiet Soziale Entwicklung der Fähigkeit zur eigenen Lebensgestaltung der Dienste/Gerichtshilfen, Ausbildungseinrichtungen und durch die Heranwachsenden aus. Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst.

Erfolgsfaktoren für die aktivierende Arbeit mit der Zielgruppe der schwer erreichbaren jungen Menschen waren u.a.:

- die Jugendlichen dort abholen wo sie sich gerade emotional und real befinden, beginnender Aufbau einer verlässlichen Vertrauensebene, welche es ermöglicht nachhaltig zusammen zu arbeiten, - die Stärkung der individuellen positiven Unterstützungssysteme und das Verhindern des Rausfallens aus dem staatlichen Hilfesystem, - die Förderung der Aktivierung der Jugendlichen durch das frühe Verdeutlichen von kleinen Erfolgen; zeitnahe individuelle Anreize zur Verstärkung der positiven Entwicklung schaffen, um nachhal- tige Eigenmotivation zu festigen.

Seite 10 Teil I – JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region

4. Projektentwicklung und Meilensteine Mit diesen strukturellen Veränderungen war eine Vielzahl von Herausforderungen in der Zusammenführung der Strukturen ver- Interessensbekundung und Antrag Mai bis August 2010 bunden. In diesem Kontext stand JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region vor der Aufgabe insbesondere für die Zielgruppe der nicht Grundlage der Interessensbekundung des Landkreises Meißen mehr bzw. schwer erreichbaren jungen Menschen landkreisweit bildete die Schaffung von rechtskreisübergreifenden geeignete und passgenaue Angebote vorzuhalten. Die Kooperationsformen nach der Kreisgebietsreform 2008 und die Strategieplanung der Interessensbekundung beinhaltete neben Einrichtung der optierenden Kommune ab 2011. der Einrichtung der Standortkoordination den Aufbau verbindli- cher Rahmenbedingungen und Strukturen, die Entwicklung neuer passgenauer Integrationsangebote (Lückenschlussprojekte) und deren Nachhaltigkeit und Verstetigung. Der Zielfindungsprozess in der rechtkreisübergrei- fenden Zusammenarbeit war demzufolge bestimmt von der Schaffung wirksamer Strukturen und Rahmenbedingungen für die Akteure.

Koordinierungsstelle ab 1. Oktober 2010

Die Standortkoordination des Modellprogrammes nahm die koordinierende Tätigkeit von JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region am 1.10.2010 auf. Zur Steuerung des Projektes arbeitete man eng mit dem Sachgebiet Soziale Dienste/Gerichtshilfe des Kreisjugendamtes und mit der Projektmanagerin U 25 des Dezernates Arbeit und Bildung zusammen. In diesem Kontext waren bei den drei kooperierenden Trägern (KL-Sachsen e.V.,PSM gGmbH und GSF e.V.) der freien Jugendhilfe drei Fachkräfte mit je 0,75 VZÄ tätig.

Seite 11 Strategieberatung mit den beteiligten Maßnahme- und Zielgrupppenmonitoring Kooperationspartnern ab März 2011 Die Standortkoordinatorin des Modellprogramms JUGEND Ausgangspunkt bildete die am 02. Februar 2011 stattgefundene STÄRKEN: Aktiv in der Region steuerte die systematische Auftaktberatung zum Modellprogramm. An dieser nahmen alle Bestandsaufnahme von Angeboten sowie die Erfassung der Kooperationspartner teil. Ausgehend von der Zielgruppen im Standort – Landkreis Meißen. Unter Interessensbekundung wurden die Schwerpunkte der www.aktiv-in-der-region.jugend.staerken.de wurden die Ange- Umsetzung in den Themen Einzelfallarbeit, Erprobung der bote für die Zielgruppe landkreisweit erfasst. Differenzierte Such- Geeignetheit der Methode der Erlebnispädagogik für die möglichkeiten nach diversen Kriterien waren: Kommune im Zielgruppe und Entwicklung eines rechtskreisübergreifenden Landkreis / Zielgruppe / Alter der Zielgruppe / Art der Maßnahme Lückenschlussprojektes, welches auf die Verbesserung der Wohnsituation der Zielgruppe abstellt, diskutiert. Zur Optimierung der Einzelfallarbeit wurde eine monatliche Fallkonferenz mit anschließender Strategieberatung zur Umsetzung von JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region einge- richtet. Diese rechtskreisübergreifende anonymisierte Fallkonferenz zu den Einzelfällen ermöglichte die bewusste Nutzung der jeweiligen gesetzlichen Möglichkeiten der Rechtskreise für den Einzelfall.

Seite 12 Teil I – JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region

/ Entwicklungsziel der Maßnahme. An Hand dieser umfassenden sichere Datenreihe statistische Aussagen über die belasteten und übersichtlichen Angebotsliste konnte mit Hilfe von Schularten und Regionen im Landkreis Meißen getroffen werden. Suchkriterien der Akteur vor Ort das passgenaue Angebot für den Jugendlichen finden. Jugendkonferenz 10. Oktober 2012 Beginnend mit dem Schulhalbjahr 2011/2012 wurde in Absprache mit der Sächsischen Bildungsagentur, Regionalstelle Aufgabenstellung der Jugendkonferenz „Ein Boot kommt nicht Dresden eine online gestützte Erhebung an den Schulen des voran, wenn jeder auf seine Art rudert“ war es, den rechts- Landkreises Meißen zur Anzahl der schuldistanzierten jungen kreisübergreifenden Informationsaustausch, die Vernetzung und Menschen durchgeführt. Damit konnten erstmals über eine Abstimmung von bedarfsgerechten Aktivitäten und Angeboten zur beruflichen Integration von jungen Menschen mit Benachteiligungen im Landkreis Meißen zu verbessern sowie über die Etablierung eines konstanten Netzwerkes zum regel- mäßigem Informationsaustausch zu beraten. (Erfahrungen und Ergebnisse TEIL II – Rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit)

Ausstellung

Die FOTOausstellung zeigt Momentaufnahmen der Arbeit im Modellprogramm so z.B. von der Jugendkonferenz am 10. Oktober 2012 „Ein Boot kommt nicht voran, wenn jeder auf seine Weise rudert“ und der erlebnispädagogischen Mehrtagesarbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Ausstellung wurde im Kreisjugendamt, Loosestr. 17/19, 01662 Meißen präsentiert. Sie war täglich für die Mitarbeiter des Landratsamtes und Bürger zugänglich. Zielstellung war die Mitarbeiter und Bürger für die positiven Seiten der Zielgruppe zu sensibilisieren.

Seite 13 Lückenschlussprojekte - Rechtskreisübergreifende Lückenschlussprojekte waren: Trägerkooperationsprojekte ab Oktober 2010 Aufsuchendes einzelfallbezogenes Jugendsozialcoaching Im Rahmen der Umsetzung der Strategie der Interessensbekundung wurden bereits ab 1.10.2010 die ersten Im Rahmen von aufsuchender Arbeit und Case Managements beiden Lückenschlussprojekte mit der aufsuchenden sozialen ging es um niedrigschwellige, soziale Arbeit, frei von Sanktionen Arbeit und der sozialen und schulischen Integration von nicht und ohne zeitlichen Druck. Das Herausarbeiten/ Erkennen indivi- mehr erreichten Schülern eingerichtet. dueller Ressourcen und Kompetenzen sowie der Aufbau eines sozialen Netzwerkes bewirkte eine langfristige Stabilisierung der Im Jahr 2012 begannen die Lückenschlussprojekte Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Aus der Situation her- Erlebnispädagogische Aktivierungscamps und Wohnen – Arbeiten – Leben. Damit konnte im Landkreis Meißen eine Lücke im Netz der kommunalen Angebotsstruktur insbesondere an der Schnittstelle Jugendhilfe / Schule geschlossen werden. (Erfahrungen und Ergebnisse TEIL III – Praxispalette)

Seite 14 Teil I – JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region

aus lernend, wurde mit ihnen eine Problem- und Soziale und schulische Integration von nicht mehr erreich- Konfliktlösestrategie entworfen und so ihre ten Schülern Selbsthilfekompetenz gestärkt. So konnten Jugendliche gestärkt und motiviert werden und sich wieder in Schule, berufliche Ziel war es, schulverweigernde Jugendliche mit gravierenden Ausbildung integrieren. Durch die rechtskreisübergreifende sozialen und persönlichen Problemen zu stabilisieren und sie zu Fallarbeit wurde gleichzeitig analysiert, warum sich Jugendliche unterstützen, neue Motivation für sich zu finden und sie so wie- den bestehenden Angeboten der Jugendhilfe, der Schule und der der in die Schule zu integrieren. Im Rahmen von aufsuchender beruflichen Ausbildung entzogen, welches rechtskreisübergei- Arbeit (zu Hause) und Case Managements stand die intensive fendes Hindernis es gab und welche Angebote für diese Kontaktarbeit ohne zeitlichen Druck im Fokus des sozialpädago- Zielgruppe im Landkreis individuell und passgenau sind. gischen Handelns. Das Herausarbeiten/Erkennen individueller Ressourcen/Kompetenzen sowie der Aufbau eines sozialen Netzwerkes unterstützte die langfristige Stabilisierung des Jugendlichen. Durch die komplexe Problematik der Schulverweigerung war es notwendig, neben individueller Arbeit die enge Zusammenarbeit mit der Schule/dem Jugendamt durch regelmäßige bedarfsorientierte Elternarbeit zu ergänzen. Individuelle Defizite, die die Verweigerungshaltung verstärkten konnten somit benannt werden und individuell über weitere Angebote der Jugendhilfe/Schule abgebaut werden.

Erlebnispädagogisches Aktivierungscamp mit unterversorg- ten männlichen Jugendlichen 2011 - Ungarn

Die Maßnahme zielte stark auf die Aktivierung der persönlichen Ressourcen ab, um die Mitwirkung bei der Integration in Ausbildung nachhaltig zu erreichen. Die intensive Einzelfallarbeit beinhaltete Genogrammarbeit, Case Management der akuten Lebenssituation und der Aktivierung der persönlichen Ressourcen in der Nutzung und Entwicklung des eigenen sozialen Netzwerkes. Zielstellung war den Teilnehmern in ein rechts- kreisübergreifendes passgenaues Angebot aus dem Programm

Seite 15 JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region überzuleiten und für den W A L (Wohnen –Arbeiten –Leben) Verbleib in der Maßnahme zu motivieren. Mit der Standortwahl des Camps, der ungarischen Puzsta, war die Chance gegeben W A L war und ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Träger weit weg von kommerziellen Freizeit- und Produktionsschule Moritzburg gGmbH, dem Kreisjugendamt Versorgungsangeboten über die Sicherung grundlegender Meißen und dem Jobcenter Meißen. Zielgruppe sind junge Bedürfnisse, wie Essen und Hygiene, motivierende Ansätze der Menschen, die in Wohnsituationen / Obdachlosigkeit leben, die Individuellen Lebensgestaltung zu entwickeln. Das Camp konnte es ihnen nicht ermöglicht erfolgreich die berufliche Ausbildung nicht wie geplant durchgeführt werden, da sich die Teilnehmer zu meistern. In W A L erleben Jugendliche und junge unmittelbar vor Beginn dem Projekt entzogen bzw. verweigerten. Erwachsene lebenspraktische niedrigschwellige Unterstützung und ein tagesstrukturierendes Umfeld. In der Wohngemeinschaft Erlebnispädagogisches Aktivierungscamp mit unterversorg- ten Jugendlichen - Grenzgänger 2 ( 12 mehrtägige Camps)

Die Teilnehmer wurden durch die Maßnahme hinsichtlich ihrer Teamfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Selbstreflektion gestärkt. Weiterhin sollten dadurch die negative Selbstwahrnehmung der Teilnehmer ins positive verschoben wer- den, so dass die Teilnehmer sich mehr zutrauen, selbstbewusster werden. Ziel ist es, die Teilnehmer dadurch zu befähigen, ihrer Berufsschulpflicht wahr zu nehmen, einen Abschluss (hier quali- fizierten Hauptschulabschluss) machen zu können respektive eine theoriegeminderte Ausbildung aufnehmen zu können.

Seite 16 Teil I – JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region

in Moritzburg leben Studenten der Evangelischen Hochschule Sachgebietsleiterin SG Soziale Dienste/Gerichtshilfe des KJA, der Moritzburg mit der Zielgruppe von JUGEND STÄRKEN in Form Projektmanagerin U 25 des Dezernates Arbeit und Bildung. einer Wohngemeinschaft. Dieses System wird sozialpädagogisch Anspruch des Lückenschlussprojektes war und ist es Jugendliche durch den Träger und eine Fachkraft betreut. Die konzeptionelle und junge Erwachsene für ein selbständiges Leben in eigenem und fachlich inhaltliche Begleitung von WAL leistet der Beirat. Wohnraum fit zu machen. Der Beirat reflektiert die Umsetzung der Konzeption, moderiert Konflikte im Prozessverlauf und eruiert die Wirksamkeit für die 5. Fazit und Handlungsempfehlungen Jugendlichen. Das Zusammenleben in der Wohngemeinschaft regelt die "Hausversammlung". Der Zugang der Jugendlichen Durch JUGEND STÄRKEN wurde deutlich, dass für diese spezielle erfolgte grundsätzlich nur in Abstimmung zwischen der Zielgruppe im Landkreis Meißen kein durchgängiges abgestimm- tes rechtskreisübergreifendes Fördersystem eingerichtet ist. Im Projektverlauf wurden Schwierigkeiten und Schwächen im Über- gang von Schule in Ausbildung sichtbar. Eine Schwierigkeit lag und liegt nach wie vor in den gesetzlichen Grundlagen und Handlungsspielräumen in der Maßnahme- und Angebotsplanung für die Zielgruppe. Die rechtskreisübergreifende kooperative Kommunikation im individuellen Einzelfall erfolgte auf der operativen Ebene und ist jedoch stark geprägt von den handelnden Personen. Die indivi- duelle Professionalität und das Engagement dieser Akteure wie Fallmanager, Sozialarbeiter können die Ausbildungschancen für einzelnen Jugendlichen wesentlich verbessern und das „Verloren“ gehen verhindern. Die zielgruppenbezogene sozialpädagogische Arbeit mit der Zielgruppe von JUGEND STÄRKEN ist mehr als Statistik. Trotz ten- denziell positiver Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt bleiben die prägenden Probleme der Zielgruppe bei der Integration in Ausbildung und Arbeit bestehen. Keine oder geringe Qualifikation, fehlende soziale Kompetenzen und individuelle gesundheitliche Hemmnisse sind schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

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Seite 18 Teil II Rechtskreisübergreifende Kooperation

Seite 19 Seite 20 Teil II – Rechtskreisübergreifende Kooperation

1. Standortkoordination Diese Unterstützungsstruktur basiert vor Ort regional auf einem vielschichtigen mitunter unabhängigen Ausgehend davon, dass für die soziale, schulische und Fördersystem, was die Erfassung schwierig machte. Diese berufliche Integration benachteiligter junger Menschen Angebote auf kommunaler Ebene transparent zu machen, und die Verbesserung ihrer Bildungschancen eine Vielzahl war eine der Zielstellung in den Modellkommunen von von Maßnahmen und Angeboten bestehen, galt es diese JUGEND STÄRKEN:Aktiv in der Region. Für die kommuna- Unterstützungsstrukturen transparenter im rechtskreisü- le Steuerung und Koordinierung war eine bergreifenden System darzustellen. Der Abgleich von Koordinierungsstelle einzurichten. Die Angebot und Bedarf enthielt die Erfassung und das Standortkoordination wurde als Aufgabe der Veranschaulichen von Lücken in der Angebotsstruktur. Jugendhilfeplanung eingerichtet und arbeitete zur Steuerung des Projektes eng mit dem Sachgebiet Soziale

Seite 21 Dienste/Gerichtshilfe des Kreisjugendamtes und mit der Projektmanagerin U 25 des Dezernates Arbeit und Bildung zusammen. Die kommunale Gesamtstrategie zur Integration schwer erreichbarer junger Menschen und die Verzahnung der Bausteine des Bundesprogrammes JUGEND STÄRKEN wurde an diesen Stellen angebunden.

Erfahrungen Arbeitsmethoden, Stolpersteine

Für die erfolgreiche Umsetzung der Ziele von Aktiv in der Region im Landkreis Meißen hatte die Standortkoordina- tion eine Schlüsselfunktion. Das rechtskreisübergreifende Handeln und die Reflektion der erreichten Ziele wurden von Rambøll Management Consulting GmbH als vom Bundesministerium beauftragte Prozessbegleitung eva- luiert. Die thematischen Workshops sowie die zur Verfügung gestellten Instrumente der Prozessbegleitung unterstützten die Verstetigung der Arbeit der Koordinierungsstelle. Standortspezifische Checklisten zum Umsetzungsstand sowie Wissenstransfer und der Austausch zu guten Ansätzen der Projektumsetzung der anderen Standorte bewirkten das auf die Ziele des Modellprogrammes fokussierte Handeln.

Seite 22 Teil II – Rechtskreisübergreifende Kooperation

Seite 23 2. Methoden der rechtskreisübergreifenden auf der strukturellen Ebene (rechtskreisübergreifen- Kooperation de Verzahnung)

Das Gelingen einer rechtskreisübergreifenden Kooperation Die themenzentrierten Arbeitsberatungen (Strategiebe- und Zusammenarbeit mit der Zielstellung der Integration ratungen) mit den Kooperationspartnern wurden an der Zielgruppe in Schule und Ausbildung und dem Meilensteinpunkten durchgeführt. So z.B. vor dem Beginn Verhindern des “Verlorengehens” der Zielgruppe ist eng von Lückenschlussprojekten. Die Jugendkonferenz „Ein mit dem Handlungsspielraum und dem Mandat der Boot kommt nicht voran, wenn jeder auf seine Art rudert“ Koordinierungsstelle verbunden. Sie hatte die Funktion am 10. Oktober 2012 manifestierte, dass es vielfältige Transparenz herzustellen, den Prozess zu moderieren und Themen zu fokussieren. Mit der Antragstellung zu JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region wurden Vereinbarungen zur Kooperation mit - dem Träger der Grundsicherung dem Dezernat Arbeit und Bildung, dem Jobcenter des Landkreises Meißen - der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Riesa - der Sächsischen Bildungsagentur, Regionalstelle Dresden abgeschlossen. Darin wurde die programmbezogene rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit vereinbart. Als praxisorientierte Methoden der Kooperation haben sich bewährt:

Seite 24 Teil II – Rechtskreisübergreifende Kooperation

rechtskreis- und trägerübergreifende Angebote zur jeweiligen Rechtskreis heraus das Zielgruppenverständnis Stärkung und Unterstützung junger Menschen am Über- der „benachteiligten Jugendlichen“. Die 7 Themen - gang Schule – Beruf gibt. Inputs zeigten auf, welche Bedarfe die Zielgruppe hat, auf welche bürokratischen Hindernisse die Akteure in der Desweiteren muss insbesondere die rechtskreisübergrei- Vermittlung und Integration der Zielgruppe treffen konn- fende Kooperation an den Schnittstellen transparenter ten und welche Rahmenbedingungen geschaffen werden ausgestaltet werden. Die Jugendkonferenz zog müssen damit Jugendliche die Ausbildungsreife erreichen Zwischenbilanz zur Umsetzung von JUGEND STÄRKEN: bzw. eine Ausbildung aufnehmen und beenden. Als Aktiv in der Region und die Akteure skizzierten aus dem dringlichsten Handlungsbedarf im Landkreis Meißen, damit Jugendliche in Schule, am Übergang zwischen Schule und Ausbildung und in der Ausbildung nicht schei- tern, wurde die Stärkung des Systems Schule gesehen.

Seite 25 auf der maßnahmebezogenen Ebene (passgenaue Angebote, Lückenschluss)

Plattform für das Strukturmonitoring war die Online – Die Beschreibung der Angebote und der Abgleich von Angebotsdatenbank zu der jeder Träger von Angeboten Angebot und Bedarf befähigte die Akteure geeignete und und Maßnahmen im Landkreis einen Zugang hatte und passgenaue Lückenschlussprojekte einzurichten. aufgefordert wurde, die zielgruppenbezogenen Maßnahmen einzutragen. Die Wirksamkeit der Datenbank basierte auf der freiwilligen Mitwirkung der Träger der Angebote und Maßnahmen. 27 Träger haben die Veröffentlichung in der Datenbank wahr genommen und haben 28 Angebote dargestellt. Da die Übernahme der Online – Angebotsdatenbank durch den Landkreis Meißen nach Abschluss des Bundesprogrammes auf Grund fehlen- der finanzieller Mittel nicht möglich war, sollte wie in anderen Stadtortkommunen geeignete rechtskreisüber- greifende Datenbanken eingerichtet werden. Die Filter der JUGEND STÄRKEN – Angebotsdatenbank waren mit ziel- gruppenspezifischen Rastern wie z.B. Schulverweigerung hinterlegt.

Seite 26 Teil II – Rechtskreisübergreifende Kooperation

einzelfallbezogenen Ebene (Zielgruppe und Einzelfallarbeit)

Die Hauptzielgruppe im Landkreis Meißen bei Aktiv in der Region waren benachteiligte Jugendliche am Übergang in Ausbildung, die drohen, “verloren” zu gehen. Das Bundesprogramm ermöglichte durch die aufsuchende Arbeit und das Case Management die Vielfalt ihrer Lebenswelt, ihrer Potentiale und Bedürfnisse zu definieren und sie dadurch im Einzelfall intensiv zu unterstützen. Übergabeprotokolle inklusive Datenschutzerklärung, gemeinsame Fallbesprechnungen sind Methoden die die Aktivierung im Einzelfall steuerten.

Seite 27 3. Instrumente des Monitorings

Seite 28 Teil II – Rechtskreisübergreifende Kooperation

4. Fazit und Handlungsempfehlungen

- Eine produktive rechtskreisübergreifende Kooperation und Zusammenarbeit setzt Offenheit und die Bereitschaft voraus, die Impulse in den einzelnen Bereichen aufzuneh- men, manchmal bisherige Strategien (Gleise) zu verlassen und die gegebenen rechtlichen Handlungsräume für gemeinsame Lösungen zu nutzen.

- Die rechtskreisübergreifende Steuerung braucht eine pro- fessionelle Moderation, die politisch legitimiert ist und dafür Ressourcen zur Verfügung hat. Für die nachhaltige Kooperation auf der kommunalen Steuerungsebene ist eine vertrauensvolle Kommunikation und Informationsaustausch erforderlich.

- Regelmäßige Abstimmungsgespräche zu aktuellen Entwicklungen und strategischen Planungen oder rechts- kreisübergreifende Jugendkonferenzen sind Schlüssel für abgestimmtes Handeln mit Beteiligung aller Akteure.

- Im Einzellfall müssen Doppelbetreuungen vermieden werden, d.h. Zuständigkeiten für die Fallführung eindeutig festgelegt werden.

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Seite 30 Teil III PraxisPalette

Seite 31 1. Bausteine des Modellprogrammes Großer Vorteil war der freiwillige Aspekt der Arbeit und JUGEND STÄRKEN der aufsuchende Charakter. Die Jugendlichen kamen z. T. durch Empfehlungen von Freunden und Verwandten zur a) Kompetenzagentur Kompetenzagentur. Durch die freiwillige Arbeit der Jugendlichen mit den Case-Managern ergab sich ein sehr Seit 01.01.2007 hat sich im GSF e.V. die intensives und nicht auf Druck aufgebautes Kompetenzagentur Landkreis Meißen als Vertrauensverhältnis, was die Grundlage für den positiven Weiterentwicklung der mobilen Jugendberatungsstelle für Beratungsverlauf darstellte. Diejenigen, die uns nicht errei- besonders benachteiligte Jugendliche im Landkreis fest chen konnten, weil sie den weiten Weg z.B. aus Riesa, etabliert. Mit großem Engagement und ergebnisorientiert oder Wülknitz nicht fanden oder nicht finanzieren förderten die Casemanager durch ihre aufsuchende konnten, sind durch die Case-Manager mobil an deren Jugendsozialarbeit, die soziale und berufliche Integration Wunschort besucht worden. Im Landkreis waren es u.a. der ihnen anvertrauten Jugendlichen und ermöglichten Treffpunkte im Park, an Bushaltestellen, in Cafes oder bei ihnen damit eine Chance auf eine berufliche Perspektive. den Klienten zu Hause.

Unter Eingliederungshemmnissen der Jugendlichen ver- Durch den intensiven Kontakt stärkten wir junge standen wir individuelle Vermittlungshemmnisse, die die Menschen für ihr eigenes Leben, gaben ihnen soziale und/oder berufliche Integration dieser jungen Handwerkszeug, um auch mit schwierigen Menschen erschwerten. Dazu zählten u.a. problematische Lebenssituationen zurecht zu kommen und eröffneten Schulbiografien, Defizite im Bereich sozialer ihnen so reale Chancen auf eine berufliche Perspektive. Zu Kompetenzen, aber auch Suchtauffälligkeiten, unseren Hauptaufgaben zählten die Kooperation und Schuldenprobleme und Wohnungslosigkeit. Koordination der Akteure und Hilfen in den Übergangssy- stemen, bei der wir uns um eine Bestandsaufnahme der regionalen Angebotsstruktur und ggf. der Initialisierung

Seite 32 TEIL III – PraxisPalette

neuer Angebote widmeten. Im Arbeitsalltag begegneten - Begleitung und Beratung am Übergang Schule – uns sehr individuelle komplexe Problemelagen wie Ausbildung (1. Schwelle) Konflikte zwischen Jugendlichen/jungen Erwachsenen und Eltern, kein Strom und hohe Schulden, nicht bezahlte - Begleitung und Beratung am Übergang Ausbildung – Handyrechnungen und Inkassoverfahren. Beruf (2. Schwelle) Zusammenfassend ließen sich die Ziele der Arbeit der Kompetenzagentur wie folgt formulieren: - Unterstützung der persönlichen Stabilisierung

- Individuelle passgenaue Unterstützung bei Ausgleich - Vorbereitung auf Ausbildungsanforderungen und oder Überwindung individueller Beeinträchtigung(en) Heranführen an die Arbeitswelt durch sozialpädagogische Hilfen

Seite 33 Unter Berücksichtigung der zentralen Grundsätze pädago- Arbeitsförderung ermöglichten die ziel- und passgenaue gischen Handelns waren für uns folgende Methoden von Vermittlung in geeignete Angebote zur sozialen und / oder besonderer Relevanz: Case-Management, Case-Work, ver- beruflichen Integration. schiedene Beratungstechniken, Verfahren zur Kompetenzfeststellung (u.a. Assessment-Center, biogra- In den vergangenen 5 Jahren wurden 426 Jugendliche phische Interviews, Fragebögen zur Selbst- und durch die Case-Manager betreut, wobei 170 Klienten Fremdeinschätzung), individuelle Formen von erfolgreich vermittelt wurden. 22% dieser Jugendlichen Bewerbungstrainings sowie Praktiken der Netzwerk- und nahmen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Öffentlichkeitsarbeit. auf, 19% begannen eine Ausbildung und 5% besuchten

Die Kompetenzagentur stellte eine rechtskreisunabhängi- ge Beratungsstelle mit aufsuchenden Angeboten für alle benachteiligten jungen Menschen im Landkreis Meißen dar.

Der Zugang für junge Menschen zur Kompetenzagentur war ohne langes Antragsprozedere und somit schnell und unbürokratisch möglich, was viele Jugendliche nachhaltig zu schätzen wussten. Es war möglich, ohne längerfristige Terminvergaben oder umfangreiche Antragsprozedere an uns heranzutreten. Das dichte Kooperationsnetzwerk des Vereins mit der Jugendhilfe, dem Bildungssystem und der

Seite 34 TEIL III – PraxisPalette

eine weiterführende Schule. Angesichts dessen, dass diese Weiterhin bot die Kompetenzagentur für einen gewissen Jugendlichen vom System als ausgegrenzt galten, haben Zeitraum eine Nachbetreuung an, z.B. nach einer erfolg- sie mit Hilfe intensiver Unterstützung ihren Weg wieder reichen Vermittlung. Deshalb ergaben sich Chancen, dass gefunden. die Betreuung durch die Kompetenzagentur möglichst langfristig und nachhaltig wirkt.

b) Jugendmigrationsdienst

Der Jugendmigrationsdienst (JMD) Meißen/Großenhain, hervorgegangen aus dem Jugendgemeinschaftswerk Großenhain der Diakonie Riesa-Großenhain gGmbH, ist ein fester Bestandteil der Jugendsozialarbeit in der Region Großenhain, Riesa und Meißen seit 1997.

Der JMD zielt auf Vermeidung bzw. auf den Ausgleich von Benachteiligungen ab und trägt dazu bei, das Recht aller jungen Menschen mit Migrationshintergrund auf umfas- sende Teilhabe und Chancengerechtigkeit in allen gesell- schaftlichen Bereichen zu verwirklichen. Wir kooperieren mit anderen relevanten Diensten und Einrichtungen und nehmen für diese eine Anlauf-, Koordinierungs- und Vermittlungsfunktion im Hinblick auf die Zielgruppe junger Menschen mit Migrationshintergrund wahr.

Wir unterstützen junge Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von 12 bis 27 Jahren bei der schulischen, beruflichen und sozialen Integration. Dabei ist unser Schwerpunkt, nicht mehr schulpflichtigen

Seite 35 Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine individuelle Dieser Fakt hatte natürlich auch Einfluss auf unsere Arbeit. Integrationsförderung anzubieten. Die individuelle Da dies eine sehr heterogene Gruppe mit unsicherer Integrationsplanung im Verfahren des Case Managements Aufenthaltsdauer ist, steht jetzt die individuelle Beratung wird ergänzt durch weitere Formen individueller Beratung im Vordergrund. Gruppenangebote mit sportlichen oder (zum Beispiel in Krisensituationen) und durch bildungsrelevanten Charakter sind aber trotzdem konstan- Gruppenangebote. ter Bestandteil unseres Angebotes.

Im Jahr 2013 hat der Jugendmigrationsdienst insgesamt 239 junge Menschen mit Migrationshintergrund im Landkreis begleitet, davon intensiv im Rahmen des Case Managements 78 Personen. Wir betreuen Standorte in Großenhain, Riesa, Gröditz und Coswig.

Seit ca. vier Jahren ist festzustellen, dass sich die Herkunftsländer, aus denen die jungen Menschen in unse- re Region zuwandern und damit auch ihr ausländerrechtli- cher Status mit einhergehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen extrem verändern. Waren vorher die jugendlichen Spätaussiedler unsere Hauptzielgruppe, so sind es nun mehr junge Flüchtlinge, die am häufigsten unseren Dienst aufsuchen.

Seite 36 TEIL III – PraxisPalette

Wir sind aktiv im landkreisweiten Netzwerk Migration, im 2. Lückenschlussprojekte JUGEND STÄRKEN: Netzwerk für Integration und Migration Sachsen und in Aktiv in der Region der sächsischen Facharbeitsgruppe JMD. Wir arbeiten eng mit der Migrationsberatung für Erwachsene des a) Aufsuchendes einzelfallbezogenes Jugendsozial- Landkreises zusammen sowie mit den Mitarbeitern für die coaching soziale Begleitung der Asylbewerber. Dadurch entsteht ein In dem Projekt JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region Mehrwert für alle Beteiligten, der eine umfassende soziale wurde die Methode der aufsuchenden Jugendsozialarbeit Begleitung für alle Personen mit Migrationshintergrund im (JSA) verwendet. Diese richtete sich an junge Menschen, Landkreis Meißen sicher stellt. im Alter von 15-21 Jahren, die von den herkömmlichen sozialen Institutionen nicht mehr erreicht werden oder auch nicht erreicht werden wollen, deren Situation aber Jugendsozialarbeit im Sinne der Jugendhilfe notwendig macht. Aktiv in der Region, mit der aufsuchenden JSA, war im Landkreis Meißen ein niedrigschwelliges und lebens- weltorientiertes sozialpädagogisches individuelles Aktivierungsangebot für schwer erreichbare Jugendliche und junge Erwachsene, deren Benachteiligung zu Ausgrenzung und persönlichen Krisen führten. Für einen Wiedereinstieg beginnend bei ihren Interessen, Wünschen und Ressourcen benötigen sie einen erhöhten sozial- pädagogischen Unterstützungsbedarf. Als soziale Benachteiligungen begegneten uns Diskrepanzen im schu- lischen Alltag, Lernprobleme, geringes Bildungsniveau, prekäre finanzielle Lagen, schlechte Wohnverhältnisse und Arbeitslosigkeit der Eltern, Gewalterfahrungen innerhalb der Familie, verminderte Sprachkenntnisse, Drogenmissbrauch. Als individuelle Beeinträchtigungen stellten wir u.a. ungenügende Konfliktfähigkeit, mangeln-

Seite 37 de Fähigkeit eigene Interessen zu formulieren, wichtig, den Jugendlichen über einen langen Zeitraum zu Bindungsschwierigkeiten, erhöhtes Aggressionspotential, kontaktieren. Oft konnte davon ausgegangen werden, latente/offene Gewaltbereitschaft, Selbstzerstörungsten- dass die Teilnehmer gelernt hatten, über denzen, gestörte Selbstwahrnehmung, mangelnder Kontaktverweigerung und/oder auffälliges Verhalten, jeg- Respekt gegenüber anderen Personen fest. In monatliche liche Fachkräfte zu umgehen. Konsequentes Aufsuchen Fallkonferenzen von JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der vermittelt den Jugendlichen erhöhtes Interesse an der Region wurde der Einzelfall bekannt. Im Fall der aufsu- eigenen Person und daher eventuell ein Umdenken in der chenden Arbeit, waren die Jugendlichen oftmals längere Ablehnungshaltung gegenüber dem Sozialarbeiter. Zeit nicht persönlich und telefonisch erreichbar, so dass von der zuständigen Fachkraft andere Methoden ent- wickelt werden musste um den Jugendlichen zu erreichen. Um eine Kontaktaufnahme überhaupt zu ermöglichen, wurde die Unterstützungsleistung nicht an Bedingungen geknüpft. Schon der Begriff Maßnahme führte zu Verweigerungsverhalten oder zu Abwehrverhalten der Jugendlichen, so dass ein Gespräch erst gar nicht stattfin- den konnte. Die Kontaktaufnahme erfolgte entweder zusammen mit dem zuständigen Jugendamtsmitarbeiter oder Fallmanager der Leistungen der Grundsicherung, per Handy, über eine postalische Einladung, durch Hausbesuche, dem Aufsuchen von lokalen Treffpunkten oder über soziale Netzwerke. Dabei war es in hohem Maß

Seite 38 TEIL III – PraxisPalette

Ziel war es, den Jugendlichen Alternativen aufzuzeigen zubauen, um ihn zu bestärken, zu motivieren und eigene und die Integration in die Gesellschaft zu fördern, damit Fähigkeiten erkennen zu lassen. der Übergang von Schule in Beruf gelingt. Nach der Kontaktaufnahme wurden stabile positive Strukturen In dem Unterstützungszeitraum wurden die Jugendlichen ermittelt, erhalten, gestärkt und genutzt. Die beraten, begleitet und weitervermittelt. Hauptziel war die Unterstützungsbrücken waren niedrigschwellig und die Stabilisierung der Lebensverhältnisse um perspektivisch Entscheidung über die Nutzung des Angebotes oblag den geeignete Angebote der beruflichen Ausbildung anzuneh- Jugendlichen. Innerhalb des Hilfsangebotes wurde ver- men. Daneben waren weitere Aufgaben: die Vermittlung sucht, ein Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen auf- in Hilfesysteme, Vermittlung in die Angebote der offenen Jugendarbeit, Vermittlung in andere Gesellschaftsbereiche außerhalb des Hilfesystems und die Nachbetreuung nach der Vermittlung. Einigen Jugendlichen konnte dadurch geholfen werden, dass Vermittlungshemmnisse beseitigt wurden und sie in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt integriert werden konnten. Zudem wurden sie in die Lage versetzt, alte Verhaltensmuster zu durchbrechen, um zukünftig weniger Probleme entstehen zu lassen. Speziell im Landkreis Meißen lässt sich feststellen, dass die Mehrzahl der Teilnehmer aus den Städten Gröditz, Riesa und Meißen stammen. Weiterhin betreut wurden Teilnehmer aus den Städten , Coswig und Großenhain. Das legt die Vermutung nahe, dass besonders Jugendliche in den Städten sich Entzugsräume geschaffen haben. Hier gibt es in der Zielgruppe eigene Hilfesysteme wie die Gewährung von Übernachtung, Lebensmittelbeschaffung oder die Versorgung mit legalen und illegalen Drogen.

Seite 39 b) WAL (Wohnen - Arbeiten - Leben)

W A L ist ein passgenaues Angebot für wohnungslose, Erwachsenen sein Leben selbst in die Hand zu nehmen benachteiligte Jugendliche, die durch das gemeinsame und die Bereitschaft sich auf die Gemeinschaft einzulas- und niedrigschwellige Wohnen mit Studenten in ihren sen. sozialen Kompetenzen und kommunikativen Fähigkeiten gestärkt werden sollen. Ziel ist es, die Betroffenen zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung zu aktivieren und ihnen eine erste Orientierungshilfe zur Strukturierung ihres Alltags zu geben. Hinzu kommt der positive Aspekt, dass das Wohnen eng mit einer Beschäftigung verknüpft ist und den Jugendlichen / jungen Erwachsenen in W A L sozi- alpädagogische Begleitung nach Bedarf gegeben wird. W A L ist ein Ort, an dem sich Jugendliche mit ihren Stärken und Schwächen angenommen fühlen sollen und gleichzeitig mit ihrem Fehlverhalten konfrontiert werden. Ein individueller Umgang stellt sicher, dass die passgenaue individuelle Förderung stattfindet. Aus diesem Grund behält sich die „W A L-Konferenz“ vor, von Einzelfall zu Einzelfall zu prüfen, ob eine Aufnahme möglich ist. Grundvoraussetzung für die Aufnahme in das Projekt ist die Freiwilligkeit des jeweiligen Jugendlichen/jungen

Seite 40 TEIL III – PraxisPalette

Die durch den Träger zu erbringenden Leistungen erfolgen Anleitung bei hauswirtschtschaftlichen Aufgaben und in den drei Kernbereichen des Projektes: Verantwortungsübernahme für die gemeinsam genutzten Räume Wohnen Vermietung eines Einzelzimmers und entsprechender wöchentlich stattfindende „Hausversammlung“ Gemeinschaftsräume Unterstützung durch Mitarbeiter bei Fragen rund ums Wohnen

Arbeiten Kooperation mit den Maßnahmen und Angeboten in der Region

Beschäftigen, Bilden, Ausbilden und möglicherweise den Hauptschulabschluss erlangen (Produktionsschule Moritzburg gGmbH als Netzwerkpartner)

Umsetzung der entsprechenden Eingliederungsverein- barungen des Jobcenters

Unterstützung bei Praktikums- oder Ausbildungsplatzsuche

Vermitteln einer eigenverantwortlichen Alltagsstruktur

Seite 41 Leben WAL bietet die Möglichkeit der gegenseitigen Unterstützung bei behördlichen Angelegenheiten Unterstützung und Korrektur, weil in dem gemeinschaftli- chen Leben ein Rückzug nur zum Teil möglich ist, weshalb Netzwerkarbeit mit Schuldnerberatungs- und es z.B. eine Gemeinschaftsküche und –Aufenthaltsräume Suchtberatungsstellen gibt.

Einzel- und Gruppengespräche und feste Rituale (gemein- Pädagogische Themenrunden, abgestimmt auf die aktuel- same Mahlzeiten, Gruppenaktivitäten, Gesprächsrunden, le WG-Situation, sollen helfen das gemeinsame Leben Feedbackrunden) positiv zu gestalten und Rückschlüsse für die individuelle

Thematische Einheiten zur Förderung der persönlichen Kompetenzen

Impulse zur Freizeitgestaltung bzw. punktuelle gemeinsa- me Aktivitäten

Wie bereits erwähnt betrachtet die WAL-Projektleitung den wertschätzenden, individuellen und respektvollen Umgang mit dem Jugendlichen als Grundlage der Arbeit. Die Jugendlichen benötigen viel Unterstützung, Förderung und Ermutigung, weil sie in der Vergangenheit nur wenig Positives mit auf ihren Lebensweg bekommen haben.

Seite 42 TEIL III – PraxisPalette

Entwicklung zu gewinnen. Ein Schwerpunkt liegt darauf, Jugendlichen und Studenten den Vorteil, dass beide Seiten dass die Jugendlichen lernen Verantwortung für das eige- mit unbekannten Lebenswelten vertraut gemacht werden ne Leben aber auch für einander zu übernehmen. Mit den und sich somit der eigene Lebenshorizont erweitert. Den WG-Bewohnern und den Mitarbeitern sind für alle ver- Studenten obliegen keine pädagogischen Aufgaben, sol- bindliche Regeln und Normen vereinbart. Ziel ist es, dass len aber unterstützend auf das Alltagsgeschehen Einfluss die bereits länger in dem Projekt wohnenden Jugendlichen nehmen. Aus diesem Grunde gibt es regelmäßige Team- Verantwortung für die „Neueren“ übernehmen und somit Treffen, an denen neben den Fachkräften auch die eine positive Gruppenkultur gestärkt wird. In diesem Studenten teilnehmen. Hier findet unter Beachtung des Zusammenhang hat das Zusammenleben von Datenschutzes ein Austausch über die Entwicklung der Jugendlichen statt, ohne dass die Studenten über Details informiert werden. Die Studenten sollen nicht als verlän- gerter Arm der Fachkräfte gelten um nicht in unnötige Gewissenskonflikte zu geraten und möglichst unvoreinge- nommen zusammen leben können.

Des Weiteren wird das Projekt durch einen Beirat eva- luierend begleitet. Der Beirat des WAL-Projektes besteht aus Vertretern des Kreisjugendamtes und Jobcenters Meißen, der evangelischen Fachhochschule Moritzburg sowie der Produktionsschule Moritzburg gGmbH.

Seite 43 Im Rahmen des Modellprogramms fanden von 2011 bis c) Erlebnispädagogik 2013 insgesamt 9 erlebnispädagogische Angebote in Kleingruppen von max. 6 Teilnehmern statt. Verortet wur- Im Landkreis Meißen wurden seit 2011 neue Ansätze zur den die Maßnahmen u.a. im Elbsandsteingebirge Unterstützung benachteiligter junger Menschen erprobt. (Klettertouren, Höhlenbefahrung, Extrem-Survival-Touren, Im Mittelpunkt stand dabei die Fragestellung, welche etc.) sowie auf der (Wasserwandern). Durch einen Rahmenbedingungen erforderlich sind, damit öffentliche standardisierten Bewertungsbogen gab es nachhaltige Jugendhilfe für junge Menschen stärker wirksam werden Effekte für die Pädagogen als auch für die Teilnehmer. kann. Um die bereits genannten übergeordneten Ziele zu Probleme bereitete allerdings immer wieder die Akquise erreichen hat sich die innovative und gleichzeitig erfolgrei- che Methode der Erlebnispädagogik in den Lückenschlussprojekten des Modellprogramms etabliert. Die erlebnispädagogischen Angebote boten der Zielgruppe von JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region die Erfahrungsebene durch die Kombination von intensiven Körpererfahrungen und dem durchdringenden Gruppenerlebnis die eigenen Grenzen wie auch Stärken hautnah zu erleben. Durch die schon in der Maßnahme verständnisgemäße Rückkopplung mit der aktuellen Lebenssituation konnten so für sie nachhaltig neue Perspektiven entstehen.

Seite 44 TEIL III – PraxisPalette

der Teilnehmer, welche sich in manchen Fällen nicht an positiven Resonanzen von Teilnehmern und anderer betei- vertragliche Absprachen hielten und dadurch das ein oder ligter Akteure waren Anlass dafür, das Angebot der andere Unternehmen gefährdeten. Diesem Umstand zu Erlebnispädagogik im Landkreis Meißen auch über das begegnen, brauchte es intensivere Vorbereitung und Ende des Modellprogramms „JUGEND STÄRKEN: Aktiv in Schaffung von Identifikationsindikatoren für die der Region hinaus fortzuführen. Teilnehmer. Mit den erlebnispädagogischen Angeboten haben wir insgesamt 24 Teilnehmer erreicht, gestärkt und Ressourcen ihnen vor allem für ihr Berufsleben bzw. ihrer weiteren Entwicklung neue Perspektiven aufzeigen können. Die - mehrjährige Erfahrung im Bereich Erlebnispädagogik und der dazugehörenden Logistik

- Arbeit mit der Zielgruppe aus dem Landkreis Meißen in der Sächsischen Schweiz/Osterzgebirge/Elbe

- zielgruppenorientiertes Repertoire (Angebotsstruktur, Methodik))

- Arbeit mit Kleingruppen, intensive Beziehungsarbeit

- Netzwerkpartner (für Teilnehmerakquise sowie Auswertung)

- Einbindung der Teilnehmer in die Planungsphase Identifikation mit der erlebnispädagogischen Maßnahme und ihrer Ziele

- klare, auf die Zielgruppe abgestimmte, methodische Planung und inhaltliche Ausrichtung der Maßnahmen

Seite 45 - kurze, standardisierte Auswertung/Beurteilung für jeden 6. Erlernen von praktischen Fähigkeiten – Kochen, Feuer Teilnehmer (Entwicklung gemeinsam mit den entsprechen- machen, Holz und Wasser organisieren, Toilette bauen den Stellen Jugendamt, Jobcenter, betreuender usw. Sozialarbeiter, etc.)

Zu beachten

1. Regionaler Bezug, mit ÖPNV jederzeit erreichbare und durch Teilnehmer jederzeit und selbständig nachahmbar

2. lebensweltorientiert, auf Zielgruppe(n) planbar, Transfer des Erlernten ins Alltagsleben der Teilnehmer

3. Kleingruppenarbeit (Schlüssel 1:1 bis 1:3)

4. Schaffung von „Fluchtbarrieren“ - so wird „Aushalten“ ermöglicht

5. Reduzierung von externen Reizeinflüssen wie z.B. ein- geschränkter Handyempfang, das Fehlen anderer ablen- kender Medien

Seite 46 TEIL III – PraxisPalette

d) Arbeit mit schuldistanzierten Schülern von purer Unlust, fehlendem Leistungswillen, Versagensängsten oder anderen psychischen Problemen Zielgruppe: Schuldistanzierte Jugendliche des Landkreises bis hin zu Bedingungen im familiären Umfeld reichen, die Meißen dieses mitunter sogar geradezu provozieren.

JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region stellte sich mit der Als Ausgangspunkt der Arbeit diente das Signal von aufsuchenden Jugendsozialarbeit außerdem der Lehrern der Pestalozzi Oberschule Meißen, dass es einen Zielgruppe der schuldistanzierten jungen Menschen. verstärkten Bedarf der Kooperation mit der Jugendhilfe in Bestätigt wurde, dass die Hintergründe für Schuldistanz Bezug auf die Integration auffälliger/schuldistanzierter Schüler erforderlich war. An dieser Schule fanden in regel- mäßigen Abständen bereits Fallberatungen statt. Von die- sen konnte die aufsuchende Jugendsozialarbeit des Modellprogrammes partizipieren. Zum Thema Schuldistanz konnte JUGEND STÄRKEN Anregungen zu bestehenden Hilfsangeboten im Landkreis Meißen gege- ben werden. Im Einzelfall wurde ressortübergreifend durch Schulleiter, Lehrer und Sachbearbeitern des Jugendamtes agiert und am System der Familie angesetzt. Eine wichtige Erfahrung ist aber auch, und das war noch bedeutsamer, dass für den Jugendlichen selbst jeder fehlende Tag nicht nur versäumter Schulstoff bedeutet, sondern dass Ängste aufgebaut wurden, was meist eine Rückkehr zur Herkunftsschule oder überhaupt in Schule für den einzel- nen unmöglich erscheinen ließ.

Daher war es außerordentlich wichtig, frühzeitig, zeitnah und kontinuierlich mit dem jungen Menschen selbst, aber vor allem auch mit den Eltern ins Gespräch zu kommen,

Seite 47 um Gründe zu eruieren, die zur vorerst noch zur tagewei- In der Arbeit mit dem Schüler ging es vordergründig um sen Schuldistanz geführt hatten. Deutlich war in allen Kontakt- und Vertrauensaufbau durch regelmäßige Gesprächen mit Lehrern geworden, dass schnelleres, Gespräche, womit folglich die Ursachen für sein Fehlen abgestimmtes und konsequentes Handeln eine sich noch erfahren und damit dann mit dem Schüler gezielt daran aus wenigen Tagen dargestellte Schuldistanz in ihrem gearbeitet werden konnte. Verlauf unterbrochen und langfristig verhindert werden konnte. In der Einzelarbeit mit dem jungen Menschen, durch gemeinsame (vermittelnde) Gespräche mit Elternhaus und Ziel der Arbeit: Schule, durch das Hinzuziehen von Vertrauenspersonen

Durch zeitnahe, aufsuchende Arbeit in der Familie, - Beratung der Eltern und die Arbeit mit dem Jugendlichen und deren (zeitlich begrenzte) Begleitung zur Stabilisierung - sollte erreicht werden, schulmüde Jugendliche so schnell wie möglich wieder in die Klasse zu integrieren, sie zu festigen.

Bei allen Elterngesprächen wurde auf eine konsequente Mitarbeit der Eltern zur Wiederherstellung des Schulbesuchs hingewirkt. Ziel war es, Eltern wieder in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken bzw. ergänzende Hilfen zu vermitteln.

Seite 48 TEIL III – PraxisPalette

aus dem familiären oder sozialen Umfeld des Jugendlichen Zusammenfassend kann man resümieren, dass es durch wurden in erster Linie Themen wie Stabilisierung (bei zeitnahes und intensives Handeln gelingen kann: sozialen, psychischen und persönlichen Problemen), Motivation (Herausarbeiten von Nah- und Fernzielen, - den Schüler wieder in die Schule zu bringen, zu halten, Klärung von Sinnfragen), Aufzeigen von Stärken/Vermittlung Selbstwertgefühl bearbeitet und - die Eltern für eine Zusammenarbeit zu gewinnen, sie Unterstützung bei Lernschwierigkeiten organisiert. auch zu bestärken, nicht wegzuschauen, sich mit ihren Kindern auseinander zu setzen, Grenzen aufzuzeigen,

- dem Lehrer in dieser Situation ein Stück Entlastung zu geben, aber dennoch Schule nicht aus der Verantwortung zu nehmen.

Fallbeispiel: In einer Fallberatung an der Schule im Beisein der Sachbearbeiterin des Kreisjugendamtes wurde die Schulsituation des 15- jährigen Realschülers S. vorgestellt. S. fehlte tage- und wochenweise, im ersten Schulhalbjahr hatten sich die Fehltage bereits auf 30 Tage summiert. Der Vater entschuldigte die Fehltage mit Erkrankungen seines Sohnes. Nach Gesprächen mit dem Klassenleiter allerdings war deutlich geworden, dass es für die Erkrankungen keine physischen Ursachen gab.

Die Sozialpädagogin des Kreisjugendamtes lud den Vater und den Jugendlichen zu einem ersten Gespräch ein. Die Beratung fand nicht in den Amtsräumen, sondern bei der Casemanagerin von Aktiv in der Region statt, um mit die-

Seite 49 ser Geste die Freiwilligkeit des Hilfeangebotes zu unter- Hilfe einer Kinder- und Jugendpsychologin benötigte. Er streichen und so die Hemmschwelle für die Mitarbeit des hatte große Vorbehalte und Angst vor Gesichtsverlust Jugendlichen herabzusetzen. Vater und Sohn konnten sich gegenüber seinen Freunden und Mitschülern. eine Zusammenarbeit mit der Casemanagerin vorstellen und es wurden erste Absprachen getroffen. Weitere Fehltage kamen dazu. Die Schule informierte die Casemanagerin. Diese suchte S. auf. Immer wieder gab es Im Fall von S. konnten der erwachsene Bruder und seine Kontakte zum Kreisjugendamt, zum Vater und Bruder, die Lebensgefährtin mit „ins Boot geholt werden“. Beide hat- mittlerweile auch die Dringlichkeit der psychologischen ten ein sehr gutes Verhältnis zu S. und boten ihm Unterstützung erkannten. Auch der drohende Unterstützung bei der Aufarbeitung des versäumten Unterrichtsstoffes bzw. bei der Anfertigung von langfristi- gen schulischen Aufgaben an.

Die ersten Gespräche der Casemanagerin mit S. bildeten die Grundlage für Vertrauensaufbau und das Ergründen von Ursachen für die Fehlzeiten.

Nach mehreren intensiven Kontakten erzählte S., dass er vor einem Jahr seine Mutter bei einem Verkehrsunfall ver- loren und diesen schweren Verlust nicht verarbeitet hatte. Sehr schwierig war es zunächst, S. davon zu überzeugen, dass er für die Aufarbeitung dieses Traumas professionelle

Seite 50 TEIL III – PraxisPalette

Schulabgang mit Klasse 9 und ohne Abschluss konnte den Nach einem Zusammenbruch bestätigte S. zum Ende der Jugendlichen vom Hilfsangebot der Psychologin nicht Zusammenarbeit im Abschlussgespräch, dass das ständige überzeugen. Dranbleiben und IHN-ERNSTNEHMEN sowie das Interesse der Casemanagerin ihn dazu bewegt haben, eine Therapie zu beginnen, was die Stabilisierung seiner Persönlichkeit förderte.

S. hat später seinen Schulabschluss der 10. Klasse geschafft.

Seite 51 e) Kurzzeitige Aktivierungsprojekte

Ziel der kurzfristigen Aktivierungsprojekte PraMo (prakti- sche Motivierung) was es schul- und ausbildungsmüden Jugendlichen/drohenden Abbrechern durch praktische, einfache aber sinnstiftende Tätigkeiten in einem kurzen Zeitfenster zu motivieren sich wieder aktiv an der Maßnahme zu beteiligen. Im Vorfeld bietet sich so die Chance für den einzelnen Jugendlichen den Aufbau von Förderketten zu vermeiden. Mit der ergebnisorientierten und zeitlich abgeschlossenen Maßnahme der einfachen Renovierung von Räumlichkeiten des zukünftigen Wohnobjektes WAL oder der punktuellen Mitwirkung bei der Beseitigung der Hochwasserschäden in Meißen 2013 wird den Teilnehmern ein Erfolgserlebnis geschaffen. Damit ist die Zielstellung verbunden durch intervenierende Tätigkeiten mit dem zeitnahen Erfolgserlebnis dem Verweigerungsverhalten zu begegnen.

Seite 52 TEIL III – PraxisPalette

Die Zielgruppe wird durch den Kontakt mit dem Modellprogramm JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region angesprochen. Den Zugang finden Jugendliche, welche im AiR durch die aufsuchende Arbeit bekannt sind sowie Jugendliche, die sich in Maßnahmen befinden und in die- sen passiv anwesend sind oder drohen diese abzubrechen.

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Seite 54 Teil IV Einzelfallarbeit

Seite 55 1. Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Einzelfallarbeit

„Niedrigschwelligkeit ist nicht nur Methode, sondern auch eine Haltung“

oder „Vom Brücken bauen und Steine aus dem Weg räu- men … „

Durch den niedrigschwelligen Zugang und das lebens- weltorientierte Vorgehen erhielten die Fachkräfte der Kompetenzagentur und der aufsuchenden eil IV- Einzelfallarbeit eil IV- Jugendsozialarbeit Einblicke in Problemstellungen, aus T denen sich Bedarfe und Impulse für eine Weiterentwicklung der kommunalen Angebotsstruktur wie auch von sozialpädagogischen Ansätzen ableiten ließen. Deutlich wahrgenommen wurden „Angebotslücken“ für psychisch kranke, wohnungslose oder suchtkranke junge Menschen. Die Erfahrungen aus der Zielgruppenarbeit im Modellprogramm zeigen, dass für erfolgreiche Einzelfallarbeit folgende fachliche Abläufe gestaltet werden sollten: a) Vertrauensvoller Kontaktaufbau zu dem Jugendlichen/jungen Erwachsenen - niedrigschwellige Unterstützungsangebote, die dem aktuellen Bedarf des Jugendlichen/jungen Erwachsenen entsprechen - Eingehen erster Verbindlichkeiten, die das „Abchecken“ und „Ausreizen“ durch den Jugendlichen gestatten b) Kontaktintensivierung und verbindlicher Beziehungsaufbau - Bearbeiten der ausbildungshemmenden individuellen Problemlagen - Fallbesprechungen mit oder ohne den Jugendlichen/jungen Erwachsenen - Hilfe und Unterstützung wird angenommen - Hinterfragen von Handlungen und Verhaltensweisen durch den begleiten den Sozialarbeiter wird zugelassen

Seite 56 c) Vertrauensphase

- mittel- und langfristige Ziele werden gemeinsam definiert, Inhalte der Zusammenarbeit werden anspruchsvoller - Fallbesprechnungen nur mit den Jugendlichen/jungen Er- wachsenen - das Maß an Verbindlichkeit in den Handlungen wird höher - durch erste positive Erfolge, die der Jugendliche /junge Er- wachsene aus seiner Sicht definiert, beginnt er/sie eigenverantwortlich zu Handeln - umfassende Analyse der individuellen Ressourcen (Familie, Freunde, Wohnumfeld) d) Verringerung des Kontaktes oder Überleitung des Einzelfall in andere Unterstützungssysteme

- Kontaktarbeit wird minimiert und auf verbindliche Fragestellungen fokussiert - der Jugendliche/junge Erwachsene erfährt in anderen Unterstützungsangeboten z.B. in Maßnahmen der beruflichen Ausbildung sozialpädagogische Unter- stützung - geringe Kontaktarbeit ist ausreichend

Der entscheidenste Gelingensfaktor für den Zugang und die Aktivierung des jungen Menschen liegen in der Kontinuität der Bezugspersonen, also in der Fachlichkeit und Professionalität der Sozialarbeiter in der aufsuchenden Arbeit, den Fallmanagern oder den Fachkräften in den Maßnahmen und Angeboten.

Seite 57 2. Checklisten zur Falldokumentation

Auf der Grundlage des Standes der Wissenschaft zur Zielgruppenerreichung sowie der Ergebnisse der Befragungen der Kompetenzagenturen und Koordinierungsstellen der 2. Chance mittels qualitativer

eil IV- Einzelfallarbeit eil IV- und quantitativer Methoden wurden verschiedene T Strategien und Ansätze herausgearbeitet und auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.

Diese Praxishilfe „Zielgruppenerreichung und Zugangswege in der Jugendsozialarbeit am Beispiel der ESF-Bundesprogramme Kompetenzagenturen und Schulverweigerung - Die 2. Chance“ steht auf den Programm-Webseiten http://www.zweitechance.eu/aktuelles/ sowie http://www.kompetenzagenturen.de/aktuelles/ zum Download zur Verfügung.

Sie beschäftigt sich mit der Thematik Zielgruppenerreichung und Zugangswege in der Jugendsozialarbeit und liefert Handlungsempfeh- lungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den verschiedenen Feldern der Jugendsozialarbeit tätig sind.

Seite 58 Für JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region wurde die pro- grammspezifische Fallakte WASKU/WASKO und mpulsAiR als programmübergreifende Einzelfalldokumentation für die Steuerung und Planung auf der Einzelfallebene und die pro- grammübergreifende Berichterstattung zur Verfügung gestellt.

Diese ermöglichte: - die Erfassung teilnehmerbezogener Daten und die Dokumentation der individuellen Fallarbeit (Stammdaten; Förderplanung; Werdegang)

- die Zusammenfassung also Summe relevanter Teilnehmerdaten für die landkreisspe- zifische Auswertung der Merkmale der Zielgruppe

Die Fallaktenarbeit erfolgte auf der Basis eines Sicherheitskonzeptes der ESF – Regiestelle des Bundesministeriums für Familie, senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) Servicestelle Jugendsozialarbeit. Mit dem Landkreis Meißen wurde eine Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung abgeschlossen. Gleiche Vereinbarungen bildeten die Basis für die Fallaktenarbeit mit den kooperierenden Trägern.

Auf der eingerichteten Auswertungsebene hatte die Standortkoordinatorin den Zugang zur Zusammenfas- sung aller Dateneingaben, z. B. Merkmale bei Eintritt und Austritt der Jugendlichen.

Seite 59 essum Impr

Herausgeber: Landkreis Meißen, Kreisjugendamt

Anschrift: Loosestr. 17/19, 01662 Meißen Tel.: 03521 - 72 53 202 Fax: 03521 - 72 53 200 email: [email protected] Internet: www.kreis-meissen.de

Redaktion: Beate Thiele, Corina Taleiser (Standortkoordination) Entwurf, Layout und Satz: Axel Reiche ([email protected]) Druck: WDS Pertermann, Dresden

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