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01 Schultz Hansen 03.02.2015 19:19 Uhr Seite 11 Hans Schultz Hansen Der Weg in die Katastrophe 11 Der Krieg 1864 in der aktuellen dänischen Geschichts- Hans Schultz Hansen: Düppel schreibung. Der Kieler Marinehistoriker Michael Salewski hat einmal festgestellt: „Der Krieg von Der Weg in die 1864 war für Dänemark eine Art Weltuntergang, 1 Katastrophe für Deutschland eine Marginalie“. Diese Aussage Die Vorgeschichte des Deutsch- ist bei der 150-jährigen Wiederkehr des Deutsch- Dänischen Krieges bestätigt worden. Während Dänischen Krieges 1864 aus dieses Jubiläum in Deutschland außerhalb von Schleswig-Holstein dänischer Perspektive kaum Beachtung gefunden hat, wurde es in Dänemark mit zahlreichen Veranstaltungen, Ausstellungen, Büchern und einer Fernsehreihe mar- kiert. Das Interesse war schon vorher durch die zwei vielgelesenen Bücher von Tom Buk-Swienty Slagtebænk Dybbøl und Dommedag Als gestiegen.2 Die beiden Bücher zeichnen sich besonders durch ihre men- schennahe Darstellung aus. Sie ist in erster Linie Geschichte von unten her gesehen. Die Vorgeschichte des Krieges 1864 und die politischen Verhältnis- se während des Krieges spielen dagegen bei Hans Vammes Den tomme stat eine zentrale Rolle.3 Der Kopenhagener Historiker vertritt eine langjährige Tradition, wenn er die Verantwortung für die katastrophale Niederlage vor allem bei den nationalistischen dänischen Politikern sucht, das heißt bei den Nationalkonservativen und den Nationallibera- 1 Michael Salewski: 1864 – ein deut- len. Besonders die letztgenannten sollen demnach eine „Fantasiepoli- sches Trauma? in: Carsten Jahnke und tik“ betrieben haben. Vammen sieht die Politik Dänemarks als einen Jes Fabricius Møller (Hrsg.): 1864 – großen Versuch, sich von den Verträgen mit Österreich und Preußen und der lange Schatten der Geschichte, von 1851/52 zu befreien, die eine Wiederherstellung des Gesamtstaates Husum 2011, S. 187-207, hier S. 187. mit vier gleichgestellten, voneinander unabhängigen Staatsteilen vor- 2 Tom Buk-Swienty: Slagtebænk Dyb- schrieben.4 bøl: 18. april 1864. Historien om et Im Jubiläumsjahr sind zwei Bücher erschienen, die zu einem ande- slag. Kopenhagen 2008. Deutsche Aus- ren Ergebnis kommen. Sowohl der Odenser Historiker Rasmus gabe: Schlachtbank Düppel: 18. April Glenthøj als auch der ehemalige Reichsarchivar Johan Peter Noack 1864. Die Geschichte einer Schlacht. weisen in ihren Büchern 1864. Sønner af de slagne und Da Danmark Berlin 2011. Ders.: Dommedag Als: 29. blev Danmark diese Tradition zurück.5 Glenthøj nennt sie „die däni- juni 1864. Kampen for Danmarks eksis- sche Selbstquälertradition“, während Noack sie als „revisionistisch“ tens. 2010. bezeichnet. Glenthøj und Noack berufen sich auf die älteren, sehr de- 3 Hans Vammen: Den tomme stat. Angst taillierten zweibändigen Werke von Niels Neergaard, Under Juni- og ansvar i dansk politik 1848-1864. grundloven (1892-1916) und Erik Møller, Helstatens Fald (1958). Bei- Kopenhagen 2011. de finden demnach, dass eine Zersplitterung des dänischen Gesamtstaa- 4 Ebda. S. 323. tes ohnehin mit der deutschen ‚Sammlung’ unvermeidbar war. So zi- 5 Rasmus Glenthøj: 1864. Sønner af de tiert Noack den dänischen Historiker und Regierungschef Niels Neer- slagne. Kopenhagen 2014. Johan Peter gaard: „Denn das kann wohl kaum mehr bezweifelt werden, dass die Noack: Da Danmark blev Danmark. Einheit Deutschlands früher oder später den dänischen Gesamtstaat ge- Fortællinger af forhistorien i 1864. Ko- sprengt hätte“.6 Beide Historiker sehen die dänische Politik in den penhagen 2014. 1860er Jahren als einen Versuch, durch eine Zuspitzung des Konfliktes 6 Zitiert nach Noack S. 5. die europäischen Mächte zu einer Lösung der schleswig-holsteinischen 7 Für einen kurzgefassten Gesamt- Frage zu provozieren, die zu einer Teilung Schleswigs führen sollte. überblick der Zeit 1848-1864 siehe Der folgenden Darstellung liegen vor allem die Bücher Møllers, Hans Schultz Hansen: Demokratie oder Glenthøjs und Noacks zu Grunde. Es wird deshalb auf nähere Anmer- Nationalismus, in: Ulrich Lange (Hrsg.): kungen zu diesen Titeln verzichtet.7 Auch werden einige zentrale Quel- Geschichte Schleswig-Holsteins. len einbezogen. Neumünster 1996/2003, S. 441-456 01 Schultz Hansen 03.02.2015 19:19 Uhr Seite 12 12 Hans Schultz Hansen Der Weg in die Katastrophe Der dänische Gesamtstaat. Die dänischen Monarchie bestand nach dem Verlust Norwegens 1814 aus dem Königreich Dänemark mit 1,6 Mil- lionen Einwohnern (1860), dem Herzogtum Schleswig mit 410 000 Einwohnern, dem Herzogtum Holstein mit 544 000 und dem Herzog- tum Lauenburg mit 50 000. Dazu kamen die sogenannten „Nebenlän- der“ im Nordatlantik: Island, Färöer und Grönland sowie die Koloni- en in Ostindien (verkauft 1845), Afrika (verkauft 1850) und Westindi- en. Der Gesamtstaat war mehr als eine Personalunion, aber auch kein Einheitsstaat. Es gab deshalb sowohl „gemeinsame Angelegenhei- ten“, zum Beispiel Königshaus, Staatsrat, Außenpolitik, Kriegsmari- ne, Armee, Post, Finanzverwaltung, als auch „besondere Angelegen- heiten“ der verschiedenen Staatsteile, vor allem deren innere Verwal- tung, Kirchen- und Schulwesen. Der Gesamtstaat war ein Vielvölker- staat, in dem die dänischen und deutschen Bevölkerungen dominier- ten. Das Königreich war von einer dänischen, die Herzogtümer Hol- stein und Lauenburg von einer deutschen Bevölkerung bewohnt, während es im Herzogtum Schleswig sowohl eine dänische als auch eine deutsche und friesische Bevölkerung gab. Die Lage wurde außerdem dadurch kompliziert, dass die Herzogtümer Holstein und Lauenburg ab 1815 auch zum Deutschen Bund gehörten. Der däni- sche König war deshalb in seiner Eigenschaft als Herzog von Hol- stein und von Schleswig auch Bundesfürst. Die Teilungsfrage. Als das Herzogtum Schleswig in den 1840er Jahren Gegenstand des deutsch-dänischen Nationalitätskonfliktes wurde, zo- gen einige der am Konflikt beteiligten Akteure eine Teilung Schles- wigs nach der Nationalität, das heißt nach der Sprach- oder Gesin- nungsgrenze, in Erwägung. Als sich die Lage nach der schleswig-hol- steinischen Erhebung im März 1848 zuspitzte, waren auf beiden Sei- ten Anhänger dieser Idee vorhanden. In Schleswig und Holstein wur- de sie vor allem durch den Linksliberalen Theodor Olshausen vertre- te, und die provisorische schleswig-holsteinische Regierung bot Ende März 1848 in einem Aufruf „An das dänische Volk“ der dänischen Regierung an, dass die nördlichen Teile Schleswigs selbst bestimmen durften, ob sie zum Königreich Dänemark oder dem Deutschen Bund gehören wollten. Als die Intervention Preußens im deutsch-dänischen Krieg um die Herzogtümer die deutsche Seite erheblich stärkte, wur- de die Teilung aber von der provisorischen Regierung aufgegeben.8 Die nationalliberalen Minister der neuen liberal-konservativen Regierung in Kopenhagen überlegten sich ebenfalls diese Lösung. Die Stimmung in Schleswig und Dänemark war aber gegen eine Tei- lung. Auch der dänische König selbst und seine nationalkonservati- ven Berater wiesen sie ab. Der König soll schlagwortartig erklärt ha- ben: „Det skal ei skee!“, auf Deutsch: „Es darf nicht passieren“. Da- mit war dieser konstruktive Weg zur Lösung des Nationalitätskonflik- tes praktisch versperrt. 8 Hans Schultz Hansen: Hjemmetyskheden i Nordslesvig 1840-1867, I. Aabenraa Die Wiederherstellung des Gesamtstaates 1851/52. Nach der Niederlage 2005, S. 383-388. der Schleswig-Holsteiner im Bürgerkrieg 1848-51 wurde der Ge- 01 Schultz Hansen 03.02.2015 19:19 Uhr Seite 13 Hans Schultz Hansen Der Weg in die Katastrophe 13 samtstaat nach dem Gebot der Großmächte, vor allem Russlands, re- Det skal ei skee (Es soll nicht geschehen) stauriert. Schleswig war schon durch die kriegerischen Ereignisse 1850 wieder in dänischen Besitz gekommen. Um wieder die Souve- ränität des dänischen Königs über Holstein zu gewinnen, musste die dänische Regierung zur Jahreswende 1851/52 Zugeständnisse an Österreich und Preußen machen. So musste die Regierung verspre- chen: „Sowie der König einestheils bereits zugesagt hat, auch ferner erklärt, dass weder eine Incorporation des Herzogthums Schleswig ins Königreich stattfinden, noch irgend dieselbe bezweckende Schritte vorgenommen werden sollen, so können Seine Majestät an- dertheils Nichts genehmigen, wodurch eine Zusammenschmelzung Holsteins und Schleswigs, oder überall irgend eine andere oder nähere Verbindung dieser Herzogthümer unter einander als zwi- schen einem jeden derselben und dem Königreich Dänemark, gleich 9 Der dän. Außenminister Bluhme an die eintreten oder in Zukunft herbeigeführt werden würde…“9 dänischen Vertretungen in Wien und Berlin Dieser in keiner Weise klare Text bedeutete, dass die Hauptteile 6.12.1851. In: Der Nationale Gegen- der Monarchie, das Königreich und die drei Herzogtümer, weiterhin satz/De nationale modsætninger 1800- als selbstständige Einheiten bestehen sollten. Schleswig und Hol- 1864. Quellen zur Geschichte der deutsch- stein durften nicht miteinander verbunden werden, ebenso wenig dänischen Grenzregion/Kilder til den Schleswig und das Königreich. Von einer Einverleibung Schleswigs dansk-tyske grænseregions historie I. in das Königreich konnte deshalb gar nicht geredet werden, von Vor- Flensburg 1984, S. 170, 172. 01 Schultz Hansen 03.02.2015 19:19 Uhr Seite 14 14 Hans Schultz Hansen Der Weg in die Katastrophe bereitungen dazu auch nicht. Damit erlitten sowohl das Programm „Dänemark bis zur Eider“ als auch „Schleswig-Holstein up ewig un- gedeelt“ bis zur Königsau eine schwere Niederlage. Man kehrte zur Situation vor 1848 zurück. Im Vergleich zu früher erreichte Däne- mark allerdings,