Aktuelle Unterrichtsmaterialien Sek. I 3|2020

Jahrgangsstufe 7|8

Worte über Orte Lyrik entdecken

In dieser Ausgabe finden Sie: Audiodateien • Farbfolien zwei Klassenarbeiten mit Bewertungsbögen INHALT

1. EINFÜHRUNG 1 2. MATERIALIEN 2–16

Orte der Einsamkeit: Wälder und Meere 2–4 M 1 Joseph von Eichendorff: Die Einsame und : Der Wald „Im Walde rauscht’s so sacht“ M 2 Georg Heym: Aus grüner Waldnacht Vergessene Zeit M 3 : Meeresstrand und Albrecht Schaeffer: Meeresabend „Aus Westen weht ein Traum daher“ M 4 Pierre Bonnard: Der Strand bei Ebbe (Folie 1) Aus einem Bild wird ein Gedicht.

Orte der Erinnerung: Gärten und Friedhöfe 5–6 M 5 Joseph von Eichendorff: Der alte Garten und Emanuel Geibel: Mittagszauber „Ins Märchenreich der eignen Kinderzeit“ M 6 Friedrich Georg Jünger: Alter Friedhof und Detlev von Liliencron: Auf dem Kirchhofe „Verwittert Stein und Kreuz“

Orte aus Märchen und Träumen: Schlösser und Burgen 7–8 M 7 : Das Schloss Boncourt „Hoch ragt … ein schimmerndes Schloss hervor“ M 8 Annette von Droste-Hülshoff: Das alte Schloss „Von Zerfallendem umgeben“

Durchgangsorte: Bahnhöfe, Züge und Straßenbahnen 9–11 M 9 Ernst Stadler: Bahnhöfe „Das Schicksal vieler hundert Menschen“ M 10 Roman Ritter: S-Bahn-Station „Was anders könnte es sein als kalt“ M 11 Gerrit Engelke: Auf der Straßenbahn „Das Wagensingen sausebraust, es schwillt!“

Orte für die Massen: Städte 12–16 M 12 George A. Goldschlag: City „Ein Chaos wird entfesselt.“ M 13 Jörg Fauser: , Paris, New York „Ich wurde von den großen Städten geformt“ M 14 Bruno Wille: Straße „Jedweden kümmert nur seine Not“ M 15 Ernst Ludwig Kirchner: Straßenbahn und Eisenbahn (Folie 2) Von der Bildbeschreibung zum Gedicht

3. UNTERRICHTSVERLAUF 17–28 WOCHENPLAN CD-Beilage/Extra 01 KLASSENARBEITEN CD-Beilage/Extra 02 AUDIODATEIEN Track 01–Track 13 4 MATERIALIEN MATERIALIEN

M 3 Theodor Storm: Meeresstrand und Albrecht Schaeffer: Meeresabend M 5 Joseph von Eichendorff: Der alte Garten und Emanuel Geibel: Mittagszauber

Meeresstrand Meeresabend Theodor Storm Albrecht Schaeffer

An’s Haff nun fliegt die Möwe, Du schüttelst, Baum, dein dunkles Haupt, Und Dämm’rung bricht herein; So ganz gedankenüberlaubt, Über die feuchten Watten So altersgrün; so zeitbestaubt. Spiegelt der Abendschein. Geschüttelt flog der Windgott aus, 5 Graues Geflügel huschet 5 Mit Schwingen spitz, im kalten Saus, Neben dem Wasser her; Und kreist, und bläst ums Bauernhaus. Wie Träume liegen die Inseln Dann schleicht er schlank und schlangengleich Im Nebel auf dem Meer. Durchs wehnde Gras, hinan den Deich, Ich höre des gährenden Schlammes Und hockt dort schwarz, vorm Abend bleich.

10 Geheimnisvollen Ton, 10 Der riesige Okeanos Einsames Vogelrufen – Mit Rossen und Tritonentroß So war es immer schon. Dahingestreckt die Augen schloß. Noch einmal schauert leise O Glanz des Meers perlmutterklar! Und schweiget dann der Wind; Der Windgott schließt das Augenpaar 15 Vernehmlich werden die Stimmen, 15 Und lächelt, schmal und wunderbar … Die über der Tiefe sind. Verschwand er dann? – Der Deich ist leer. Zit. nach: Theodor Storm: Sämmtliche Schriften. Erste Gesamtausgabe. Sechs Bände. Braunschweig: Druck und Verlag von George Westermann 1868, S. 10 Es schläft der Baum, das Haus, das Meer, (Rechtschreibung angepasst) Aus Westen weht ein Traum daher … Zit. nach: Insel-Almanach auf das Jahr 1917. Leipzig: Insel-Verlag, S. 64 f.

A Suche dir eine Partnerin/einen Partner und teilt die beiden Meeresgedichte unter euch auf. Jeder bearbeitet zunächst „sein“ Gedicht wie folgt: • Kläre die unbekannten Wörter mithilfe des Internets. • Fasse zu jeder Strophe den Inhalt in einem Satz zusammen. • Arbeite die Elemente heraus, die über die reine Naturbeschreibung hinaus ins Fantastische/ A Lies die beiden Gedichte über einen Märchenhafte/Irreale gehen. Garten. Markiere mit einem grünen B Trage deiner Partnerin/deinem Partner die Ergebnisse aus Aufgabe A vor und überlegt, Stift alle Passagen, die den Garten be- welche Gemeinsamkeiten die Gedichte haben. schreiben, und mit einem roten, was C Analysiert das Reimschema von „Meeresabend“. über die Personen in diesen Gärten gesagt wird. Markiere schließlich mit D Bildet Reimketten zu den folgenden Wörtern: blauer Farbe die Aussagen über die • Meer – schwer – leer – sehr – Geräusche.

• Boot – Not – B Notiere die Gemeinsamkeiten und Unter- schiede beider Gedichte. Was löst jeweils • blau – die Erinnerung im lyrischen Ich aus? • Strand – C Wählt zu einem der Gedichte eine pas- E Sieh dir das Gemälde „Der Strand bei Ebbe“ von Pierre Bonnard an (M 4/Folie 1) und schreibe sende Musik aus und nehmt das Ge- mithilfe der Reimwörter ein Gedicht, das ein ähnliches Reimschema wie „Meeresabend“ hat. dicht mit dieser Musik zusammen auf.

:in Deutsch 3|2020 // Worte über Orte // // Worte über Orte // :in Deutsch 3|2020 4.000 MATERIALIEN MATERIALIEN 7

M 6 Friedrich Georg Jünger: Alter Friedhof und M 7 Adelbert von Chamisso: Das Schloss Boncourt Detlev von Liliencron: Auf dem Kirchhofe Das Schloss Boncourt Adelbert von Chamisso

Ich träum’ als Kind mich zurücke, 25 So stehst du, o Schloss meiner Väter, Und schüttle mein greises Haupt; Mir treu und fest in dem Sinn, Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder, Und bist von der Erde verschwunden, Die lang’ ich vergessen geglaubt? Der Pflug geht über dich hin.

5 Hoch ragt aus schatt’gen Gehegen Sei fruchtbar, o teurer Boden,

Ein schimmerndes Schloss hervor, 30 Ich segne dich mild und gerührt, Ich kenne die Türme, die Zinnen, Und segn’ ihn zwiefach, wer immer Die steinerne Brücke, das Tor. Den Pflug nun über dich führt. Es schauen vom Wappenschilde Ich aber will auf mich raffen,

10 Die Löwen so traulich mich an, Mein Saitenspiel in der Hand,

Ich grüße die alten Bekannten, 35 Die Weiten der Erde durchschweifen, Und eile den Burghof hinan. Und singen von Land zu Land.

Zit. nach: Adelbert von Chamisso: Gedichte. Leipzig: Weidmann’sche Buch- Dort liegt die Sphinx am Brunnen, handlung 1831, S. 41 f. (Rechtschreibung angepasst) Dort grünt der Feigenbaum,

15 Dort, hinter diesen Fenstern, Verträumt’ ich den ersten Traum. Ich tret’ in die Burgkapelle Und suche des Ahnherrn Grab, Dort ist’s, dort hängt vom Pfeiler

20 Das alte Gewaffen herab. Noch lesen umflort die Augen A Vor dem Lesen der Gedichte: Bildet in der Klasse eine Assoziationskette zum Thema Die Züge der Inschrift nicht, „Friedhof“: Jeder nennt reihum einen Begriff, der ihm zu diesem Ort als Erstes einfällt, Wie hell durch die bunten Scheiben zwei Schüler/-innen notieren die genannten Begriffe an der Tafel. Das Licht darüber auch bricht. B Lies die beiden Gedichte und markiere Begriffe und Gedanken, die in eurer Liste stehen oder die mit diesen verwandt sind. C Formuliere für jedes Gedicht, inwiefern der Dichter den Friedhof als Erinnerungsort beschreibt. A Lies das Gedicht und gliedere es in größere Abschnitte. Formuliere für diese Abschnitte passende Überschriften bzw. Zusammenfassungen. D Untersuche das Gedicht „Auf dem Kirchhofe“ hinsichtlich seiner sprachlichen Besonderheiten. B Informiere dich über das Leben des Dichters Adelbert von Chamisso. Gibt es autobiografische E Der Komponist Johannes Brahms hat das Gedicht „Auf dem Kirchhofe“ vertont. Höre dir Züge in diesem Gedicht? zweimal eine Interpretation im Internet an. Achte zunächst darauf, welche Wörter durch die Gesangsstimme hervorgehoben werden. Beschreibe anschließend möglichst genau die C Diskutiert in der Klasse, ob die Reaktion des lyrischen Ich auf den Verlust des Schlosses und Klaviermusik. der Heimat nachvollziehbar ist bzw. welches Lebensideal dahintersteckt.

:in Deutsch 3|2020 // Worte über Orte // // Worte über Orte // :in Deutsch 3|2020 MATERIALIEN MATERIALIEN 13

M 12 George A. Goldschlag: City M 13 Jörg Fauser: Berlin, Paris, New York

Berlin, Paris, New York Jörg Fauser

Ich habe große Städte gesehen und habe die großen Städte immer geliebt, ihre Frauen, ihre Bars, ihre Dämmerungen vor dem Gebrüll der Maschinen und dem Sturm

auf die Bastille, Berlin, Paris, New York, eine Straßenecke in Schöneberg1) erregt mich

tiefer als der Schnee auf dem Mont Blanc oder die Wälder im Untertaunus2), ich habe

3) 5 die Schönheit gesehen von großen Städten, den Glanz ihrer Avenuen , das Elend der Massen und die Vernichtung von Einzelnen, ich habe die großen Städte geliebt und ich liebe sie auch in ihrem Verfall, es sind nicht die großen Städte, die die Menschen zer- stören, sondern die Gesetze, die das Menschliche nicht formen, sondern ersticken, ich wurde von den großen Städten geformt, was ich sah, was ich litt, was ich wurde

10 verdanke ich einer Mutter aus Stein, der großen Stadt, und morgen, wenn meine Zeit vorbei ist, wird es die große Stadt sein die mich begräbt.

Aus: Jörg Fauser: Ich habe große Städte gesehen. Die Gedichte. © 2019 by Diogenes Verlag AG Zürich

1) Schöneberg: Stadtteil in Berlin (West) 2) Untertaunus: Mittelgebirge bei Frankfurt am Main 3) Avenue: engl./franz. Wort für Straße

A Der abgedruckte Text ist ein Gedicht aus 33 reimlosen Versen. Überlege dir, wo ein neuer Vers oder eine neue Strophe sinn- vollerweise beginnen könnte, und mar-

kiere Versenden mit / und Strophenen- m o c . e

den mit //. Vergleiche dein Ergebnis mit b o

A Lies den Text und fülle die Lücken sinnvoll aus. Beachte ggf. auch das Reimschema. Vergleiche d a .

dem einer Partnerin/eines Partners und k c

deine Lösungen anschließend mit einer Partnerin/einem Partner und dem Original. Wo gibt o t dem Original. Kannst du die Gliederung s –

es die größten Abweichungen? Wie wirken sich diese auf die Aussage des Gedichts aus? y t i

des Dichters nachvollziehen? C M n B Beschreibe mit deinen Worten, welche Stimmung Goldschlag hier vermittelt. Inwiefern i a t p passt der Titel zum Gedicht? Kennst du einen Ort in deiner Nähe oder von Reisen, der eine B Beschreibe das Verhältnis des lyrischen a C ähnliche Atmosphäre vermittelt? Ich zur Großstadt mit eigenen Worten. © C Recherchiere, was man unter den Stilmitteln der Antithese und der Akkumulation versteht, C Schreibe genau nach dem Muster des Originals ein eigenes Parallelgedicht. Beginne mit: und finde Beispiele in diesem Gedicht. Welche Wirkung erreicht man damit beim Leser? „Ich habe die großen Städte gesehen / und ich habe die großen Städte immer geliebt/gehasst/…“

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