Die Amerikanischen Goldruten Solidago Canadensis L. Und S
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ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Göttinger Naturkundliche Schriften Jahr/Year: 1997 Band/Volume: 4 Autor(en)/Author(s): Bopp Martin Artikel/Article: Die amerikanischen Goldruten Solidago canadensis L. und S. gigantea Air. als Neophyten in Mitteleuropa: Besiedlung durch Insekten 181-206 Göttinger Naturkundliche Schriften 4, 1997: 181-206 (Q 1997 Biologische Schutzgemeinschaft Göttingen Die amerikanischen Goldruten Solidago canadensis L. und S. gigantea Air. als Neophyten in Mitteleuropa: Besiedlung durch Insekten The american goldenrods Solidago canadensis L., and S. gigantea Au. as neophytes in Central Europe: Colonization by insects M a r t in B o pp Summary The fauna associated with two american goldenrodsSolidago canadensis and S. gigantea was in vestigated on ruderal sites located on the outskirts of the town of Gottingen. The analysis focused on herbivorous and pollinating insects: leafhoppers, bugs, gallers and miners, bees and flower- inhabiting geometrids. Most insect records belong to polyphagous, eurytopic taxa, except several bugs and the solitary beeColletes daviesanus, which prefer Asteraceae plants. 1. EINLEITUNG Mit Hilfe des Menschen dringen immer häu Ursachen für die artenarme Fauna an Neo figer Organismen in neue Lebensräume vor. phyten hegen darin begründet, daß potentiel Sofern es Pflanzen gelingt, neue geographi len Nutzem die Möglichkeit fehlt, im Verlauf sche Bereiche zu besiedeln, kann ein agressi- der Evolution Anpassungen zu entwickeln ves Ausbreiten solcher Neophyten sowohl (K l a u sn it z e r 1993). autochthone Pflanzenarten (K o r n e c k & Die hier untersuchten Ruderalflächen sind Su k o p p 1988) als auch die an ihnen lebende anthropogen entstandene Lebensräume, de Fauna verdrängen. Bedeutsam ist die Frage, ren Klima- und Bodenfaktoren starken jah inwieweit Neophyten von heimischen Tieren reszeitlichen und räumlichen Schwankungen genutzt werden können, zumal es deren art unterhegen (ELLENBERG 1986). Im Gegen spezifischer Begleitfauna entweder gar nicht satz zu Wäldern zeichnen sich mderale gelingt, mit in das neue Areal einzuwandem, PflanzengeseUschaften durch einen hohen oder nur einzelne Arten ebenfalls zu erfolg Anteil von Archäo- und Neophyten aus reichen Invasoren werden (z.B. Kl a u s - (K l a u sn it z e r 1993), also Arten, die erst NITZER 1993). mit dem Menschen eingewandert sind. Viele Nach STRONG et al. (1984) werden viele dieser Pflanzenarten sind Rohboden- Neophyten nicht oder nur von wenigen, oft Pioniere, deren Femverbreitung meist durch polyphagen einheimischen Insektenarten be Wind oder Tiere erfolgt, so daß sie sich rela siedelt, so daß ein hoher Anteil von Neo tiv schnell ausbreiten können. phyten zu einer Reduktion der heimischen Die Fauna von Ruderalstandorten setzt Insektenfauna führt, wie KJENNETH & sich aus Elementen der Wälder, Steppen und SOUTHWOOD (1984, zit. in KJLAUSNITZER Wiesen zusammen (T isc h l e r 1980). Der 1993) an Gehölzen belegen konnten. Die Phytophagenkomplex in den Ursprungsgebie- 181 ten der Ruderalflora kann mit der Ausbrei - Wie ist die zeithche Abfolge der Phyto tung seiner Wirtspflanzen nicht Schritt halten phagen? - meist aufgrund klimatischer oder geogra - Wurden amerikanische Goldruten-Besied- phischer Barrieren (MlOTK 1977). Deshalb ler eingeschleppt? sind viele der möglichen ökologischen Ni Resultiert aus den Ergebnissen Handlungs schen auf den noch jungen mitteleu- bedarf für den Naturschutz zu Arten- und ropöischen Ruderalstellen noch unbesetzt. Flächenschutz bzw. Pflegemaßnahmen? Somit wird das Spektrum der Herbivoren Aufgrund der allgemein starken Dynamik in Zentraleuropa anders aussehen, als in den von Hochstauden-Gesellschaften in Rude- Herkunftsgebieten der Ruderalpflanzen (z. B. ralbiotopen, des hohen chemischen Abwehr- Mediterraneis, östliche Steppen). Insbesonde Potentials von Solidago gegen Herbivore re ist zu erwarten, daß nur wenige Monopha und den Anpassungsmöglichkeiten bei Phy ge an ihnen leben, da solche Nährpflanzen tophagen wurden folgende Hypothesen zur bindungen erst dann entstehen, wenn diese Besiedlung der amerikanischen Goldruten über größere Zeiträume an der Pflanze leben durch Tiere formuliert: konnten. Treten heute bereits Monophage an - Besiedler müssen hochbeweglich und in Ruderalpflanzen in Zentraleuropa auf, ist zu der Lage sein, potentielle Nährpflanzen vermuten, daß sie bereits mit der Wirtspflan rasch zu besiedeln. ze eingewandert sind (MlOTK 1977). - Zu erwarten sind Nahrungsgeneralisten Mit der vorhegenden Arbeit soll die Be oder Arten, die in Nordamerika an Soli gleitfauna an zwei aus Nordamerika stam dago spp. leben und mit diesen importiert menden Goldrutenarten auf Ruderalflächen in wurden. Göttingen untersucht werden. Dies sind die Kanadische Goldrute Solidago canadensis L in n a e u s , 1753 und die Späte Goldrute S. 1.2 Herkunft, taxonomischer Status und gigantea AlTON, 1789, die, ursprünglich als Biologie von Solidago canadensis und Zierpflanzen eingefuhrt, heute vorwiegend S. gigantea auf Ruderalstellen und an Flußufem etabliert sind (H egi 1986). Sie werden im folgenden Die Gattung Solidago L. ist holarktisch ver auch mit S. can. bzw. S. gig. abgekürzt. breitet; mit 100 bis 120 Arten hat sie jedoch in Nordamerika einen deutlichen Schwer punkt. Das Verbreitungsgebiet der beiden 1.1 Fragestellung und Hypothesen hier besprochenen Arten reicht nach SCOGGAN (1979) von Kanada über fast die Das Hauptaugenmerk hegt auf phytophagen gesamten USA südwärts bis Kalifornien, Neu und blütenbesuchenden Insekten, da sie eine Mexico und Florida. In Florida arbeitete gewisse Bindung an ihre Nährpflanzen er Fo n t e s (1985) an Solidago canadensis var. warten lassen. Um die Begleitfauna der scabra (MUHL.) und S. gigantea. Goldruten ökologisch einschätzen zu kön S. can. und S. gig. sind charakteristisch nen, soll sie mit der Fauna an einheimischen für Hochgras-Prairien (W a g e n it z in H egi Pflanzen der Umgebung verghchen werden. 1964, 1986). Auch in ihrer ursprünglichen Außerdem erfolgt ein Literaturvergleich Heimat dringen sie in anthropogene Biotope faunistischer Daten aus Mitteleuropa und wie Weideland, Brach- und Ödland vor und Nordamerika. haben dadurch vermutlich bereits ihr Verbrei Die Arbeit soll dazu beitragen, folgende tungsgebiet erweitert. S. can. gilt in Nord Fragen zu klären: amerika als lästiges Forstunkraut (WERNER - Welche Phytophagen bzw. Blütenbesu etal. 1980). cher nutzen Goldruten? Bei S. can. und der einzigen eurasiatischen - Welche Organe der Goldruten werden Art S. virgaurea ist der taxonomische Status von Phytophagen befallen? noch ungeklärt (HEGI 1986). Von der for 182 menreichen S. canadensis L. wird von eini lenweise die heimische Flora verdrängen (z. gen Autoren aufgrund möglicherweise unter B. B r a n d e s 1981; S c h u l d e s & K ü b l e r schiedlicher Verbreitungsgebiete die hexa- 1990; WALTER 1987). Die Goldruten sind ploide Solidago altissima L. abgetrennt, die heute in Mitteleuropa in den angegebenen sonst als Solidago canadensis var. scabra Habitaten weit verbreitet (vgl. H a e u p l e r & (MUHL.) bezeichnet wird (W e r n e r et al. Sc h ö n fe l d e r 1989). 1980). In der vorhegenden Arbeit wird Soli Für Göttingen hegt eine Rasterkartierung dago canadensis L. in ihrem weitesten Sinn der spontanen Flora und Vegetation des incl. S. altissima L. aufgefaßt. Stadtgebietes von Th ie l e c k e (1987) vor, Beide Goldrutenarten sind gelbblühende die insgesamt 492 Arten nachweisen konnte, Hemikryptophyten, die als ausdauernde davon 111 Neophyten. Dies entspricht 22,6 Stauden zwischen 50 cm und 2 m Höhe er % der Gesamtartenzahl. S. can. war dem reichen. Sie bilden Rhizome und können sich nach bereits 1986 über das gesamte Stadt mittels unterirdischer Sproßausläufer asexuell gebiet verbreitet (incl. der im Rahmen der vermehren. Ihre Blütezeit erstreckt sich von vorhegenden Studie untersuchten Standorte), Ende Juli bis in den Oktober. Die zwittrigen S. gig. hingegen auf nur etwa 20 % der Flä Blüten sind selbststeril, werden von Insekten che. Beide Arten dringen in Göttingen v.a. in bestäubt und bilden sehr zahlreich gut flie folgende Assoziationen ein: Artemisio- gende Achänen (Schließffüchte). Zur mor Tanacetetum, Dauco-Picridetum, Echio- phologischen Unterscheidung von S. can. Melilotetum , in Urtica dioica-Convolvulus und S. gig. siehe OBERDÖRFER (1990). sepium-GzSeilschaften sowie Cirsium arven- Zur erfolgreichen sexuellen Vermehrung se-Cirsium vw/gare-Gesellschaften (siehe scheint offener, unbesiedelter Boden not Kapitel 5.1.3). wendig zu sein, da die Pflanzen allelopathi- sche Substanzen (Diterpenoide) produzieren, 2. UNTERSUCHUNGSGEBIET die auch auf die eigenen Früchte wirken (W er n er et al. 1980). Zudem benötigen die Die Stadt Göttingen hegt im Leinetal zwi Früchte zur Keimung Temperaturen von schen 140 und 300 m ü.NN und bedeckt die mind. 15°C (VOSER & HUBER 1983 zit. in geographischen Koordinaten 51.31N-51.34N Sc h u l d e s & K ü b l e r 1990). Die Rhizome und 9.53E-9.56E (Topographische Karte sind untereinander verbunden und können, 1:50 000, Blatt 4524). zumindest bei S. can., einen internen Stick In den Jahren 1991 und 1992 wurden ins stoffkreislauf aufrecht erhalten. Die in den gesamt 38 Standorte bearbeitet. Es handelt Rhizomen gespeicherten Nährstoffe können sich dabei um Ruderaistreifen entlang von so gleichmäßig auf die Blattsprosse verteilt Bahnanlagen und Kleingärten am südhchen werden und kleine Unterschiede