FERNANDO SANTOS / FOLHA IMAGEM FERNANDO SANTOS Corinthians-Fans im Pacaembu-Stadion (in São Paulo): Wechselstube für schmutzige Dollars?

FUSSBALL Wolke von Geheimnissen Für 52 Millionen Dollar kaufte der brasilianische Traditionsclub SC Corinthians Topspieler aus Europa und Argentinien. Woher der Geldsegen kommt, mögen die Investoren jedoch nicht preisgeben. Die Staatsanwaltschaft tippt auf die russische Mafia – und ermittelt wegen Geldwäsche.

er junge Iraner mit dem offenen gekauft, mit deren Hilfe das „Timão“, das Nun registriert die Fußballbranche mit Seidenhemd wirkt fremd auf der Superteam, wie die Elf von Corinthians Staunen, dass der SC Corinthians Profis DEhrentribüne im Pacaembu-Stadi- bei ihren Fans heißt, Landesmeister wer- aus Europa zurückholt oder gar Stars aus on, der Spielstätte des SC Corinthians in den will: die Argentinier Argentinien importiert. Geld scheint kein São Paulo. Fußball ist nicht seine Welt, in (Boca Juniors) und Sebastián Domínguez Problem zu sein, denn Joorabchian ope- der Halbzeitpause gesellt sich Kia Joorab- (Newell’s Old Boys) sowie die Brasilianer riert mit dem Kapital der Firma Media chian, 33, lieber zu den Models und Neu- Carlos Alberto (FC Porto), Roger (Benfica Sport Investments (MSI), die als Geschäfts- reichen der Schickeria in der Zehn-Millio- Lissabon) und (Werder Bre- partner bei Corinthians eingestiegen ist. nen-Metropole. men). Zuletzt heuerte Joorabchian gar Merkwürdig nur, dass Das Publikum jubelt ihm trotzdem zu. Argentiniens ehemaligen Nationaltrainer partout nicht verraten will, woher die „Kia, Kia, Stadium, Stadium!“, skandie- Daniel Passarella an. MSI-Millionen stammen: „Die Investoren ren die Fans, wenn er sich während eines Die 52-Millionen-Dollar-Investition in möchten ihre Namen nicht in der Presse Spiels sehen lässt – auf Englisch, denn neues Personal – allein Stürmerstar Tevez sehen.“ Der plötzliche Geldsegen – bis Jah- Joorabchian spricht nur wenige Brocken soll 22,5 Millionen gekostet haben – kehrt resende will Joorabchian weitere 40 Mil- Portugiesisch. Sie fordern das neue Sta- einen Trend um, unter dem die Qualität der lionen Dollar in die „Globalisierung von dion ein, das er ihnen versprochen hat. nationalen Meisterschaft mit ihren chronisch Corinthians“ stecken – hat deshalb das Seit Ende vergangenen Jahres be- klammen Vereinen im letzten Jahrzehnt arg Interesse der Staatsanwaltschaft geweckt. herrscht der smarte Yuppie Brasiliens gelitten hat: Nach jeder Saison verließen Fahnder einer Spezialtruppe zur Bekämp- zweitbeliebtesten Fußballverein. Joorab- die besten Talente das Land, abgeworben fung Organisierter Kriminalität haben die chian hat eine Reihe von Topspielern ein- von den reichen europäischen Clubs. Spur des Geldes nach New York und in die

146 der spiegel 16/2005 Sport ROBSON FERNANDJES / AE ROBSON FERNANDJES AGLIBERTO LIMA / AE LIMA AGLIBERTO Millioneneinkauf Tevez (l.), MSI-Manager Joorabchian: Südamerikanische Variante der „Galácticos“ von Real Madrid

Karibik, nach England und in den Kaukasus brasilianische Delegation an seinen geor- pol-Chef in São Paulo, setzte den Ge- verfolgt. Sie hegen den Verdacht, dass die gischen Freund und Geschäftspartner: heimdienst auf die mysteriöse Firma an. Millionen von der russischen Mafia kommen. Badri Patarkatsischwili, einen fußballbegeis- Der Staatsanwaltschaft legte er ein Dos- „Der Transfer von Fußballstars eignet terten Milliardär, dem halb Georgien ge- sier mit 3000 Dokumenten über die mut- sich ideal zur Geldwäsche“, sagt Staatsan- hört, darunter auch der Rekordmeister Dy- maßlichen Investoren vor. „Alle haben walt José Reinaldo Guimarães Carneiro, namo Tiflis. Mit Beresowskis Privatjet flog Kontakte zur Mafia“, meint er. „bei dem Spieler-Monopoly lässt sich die die Funktionärsriege von London in den Inzwischen haben sich die Staatsanwäl- Herkunft der Millionen leicht verwischen.“ Kaukasus. Mehrmals trafen sich die Co- te ein eigenes Bild über den Geschäfts- Ist Brasiliens Traditionsverein Corinthians, rinthians-Manager mit Patarkatsischwili in zweck von MSI gemacht. Sie glauben, dass der Lieblingsclub von Staatspräsident Lula dessen luxuriöser Residenz, dem soge- die Firma mit heißem Geld aus Osteuropa, da Silva und Millionen Brasilianern, zu ei- nannten Hochzeitspalast. Als ersten Schritt Russland oder dem Kaukasus Fußball- ner Wechselstube für schmutzige Dollars schlossen sie ein Abkommen mit Dynamo profis für Corinthians kauft, die dort nur aus der ehemaligen Sowjetunion verkom- Tiflis über den Austausch von Spielern. einige Monate spielen, um dann wieder men? Indizien deuten darauf hin. Denn auch Patarkatsischwili sei an einer veräußert zu werden. Selbst wenn MSI Brasilien und Argentinien bieten sich für „zukünftigen Investition“ in den südame- beim Weiterverkauf einen geringeren dunkle Deals an: Die meisten Clubs sind rikanischen Traditionsclub interessiert, be- Wert erzielen würde, wäre das immer in finanziellen Schwierigkeiten, die Ver- tont Joorabchian. noch ein gutes Geschäft: Beim Transfer bandsfunktionäre anfällig für undurch- Alberto Dualib, der Corinthians-Präsi- verwandelt sich das schmutzige Geld in sichtige Geschäfte. Die Justiz funktioniert dent, war begeistert von den neuen Freun- saubere Dollar oder Euro. Der eigentliche nur langsam und schwerfällig, die Gesetze den. „Die schwimmen im Geld“ , schwärm- Bestimmungsort der Corinthians-Spieler zum Schutz vor Geldwäsche reichen oft sei Europa, so Staatsanwalt Guimarães nicht aus. „Für reiche Russen, die ihre Mil- 109 Brasilianer Carneiro. lionen reinwaschen wollen und an Fußball Ziel könnte der FC Chelsea sein, der interessiert sind, ist der Schritt nach Süd- in den europäischen Top-Ligen einem weiteren russischen Mogul gehört: amerika nur logisch“, sagt der angesehene SpSpanien...... anien PrimePrimerara DivisiónDivisión... 28 Roman Abramowitsch, ein ehemaliger Sportjournalist Juca Kfouri. Wie „Frei- DDeutschland...... eutschland BundBundesligaesliga ...... 26 Geschäftspartner von Boris Beresowski. beuter“ seien die neuen Investoren über Superstürmer „Carlitos“ Tevez, so berich- Corinthians hergefallen, klagt Vizepräsi- Frankreich...... Frankreich Ligue 1 ...... 25 tet die Zeitung „O Estado de São Paulo“, dent Antonio Roque Citadini, der Anfüh- ItItalien...... alien SeSerierie A ...... 24 soll spätestens im nächsten Jahr nach rer der vereinsinternen Opposition. EnEnglandgland ...... PremierPremier LLeague...... eague 6 Chelsea wechseln. Die Staatsanwälte interessieren sich vor Als so gut wie abgemacht bezeichnet allem für eine Reise der Corinthians-Spit- Joorabchian die Rückkehr des brasiliani- ze im August vergangenen Jahres. Joorab- te er nach seiner Rückkehr. Joorabchian schen Stürmers Vágner Love von ZSKA chian hatte den Trip organisiert, der grei- stellte ihm eine Millionenspritze für den Moskau nach São Paulo. Abramowitsch, se Vereinspatriarch Alberto Dualib, 80, hat- hochverschuldeten Club in Aussicht, wenn der Ende 2004 tagelang mit seiner Yacht te die Teilnehmer handverlesen. In London er MSI als Partner akzeptiere. Er werde „Le Grand Bleu“ in der Bucht von Rio de speisten sie fürstlich mit dem russischen den Verein in eine südamerikanische Va- Janeiro lag und sich bei Landausflügen Milliardär Boris Beresowski, der eine fi- riante der „Galácticos“ von Real Madrid von einer Riege früherer KGB-Leute eskor- nanzielle Beteiligung vorerst jedoch ab- verwandeln, versprach der Iraner. Gegen tieren ließ, ist Großsponsor des ehemaligen lehnte, so Joorabchian: „Er ist interessiert, Widerstand in der Vereinsführung boxte Armeesportklubs ZSKA. vielleicht steigt er später ein.“ Zugesagt Dualib den Vertrag durch. Seither ist der Die Staatsanwaltschaft vermutet des- habe Beresowski immerhin, den Corin- Club in zwei unversöhnliche Fraktionen halb, Corinthians diene als Verschiebe- thians ein neues Stadion zu bauen. gespalten. bahnhof innerhalb des Abramowitsch-Im- Zudem vermittelte der Oligarch, gegen Corinthians-Berater Romeu Tuma, Par- periums. Joorabchian behauptet hingegen, den in Moskau ein Haftbefehl vorliegt, die lamentsabgeordneter und ehemals Inter- „keine Kontakte zu Abramowitsch“ zu ha-

der spiegel 16/2005 147 Sport ben. Corinthians-Präsident Dualib be- Der wichtigste Deal der MSI, der stritt zwar bei seiner Vernehmung Kauf des auch von Bayern München durch den Staatsanwalt, dass sich Oli- umworbenen Argentiniers Tevez, sei garchen der ehemaligen Sowjetunion von einer „Wolke von Geheimnissen“ hinter der dubiosen MSI verbergen. umgeben, so der Staatsanwalt. Laut Das „Missverständnis“ – nach seinem Joorabchian erwarb die Firma den Spie- Trip nach Tiflis hatte er Beresowski und ler für 22,5 Millionen Dollar, doch im Patarkatsischwili als Partner genannt – Vertrag sind nur 16 Millionen ausge- sei auf einen Dolmetscherfehler zurück- wiesen. Das Geld kam von mehreren zuführen. Doch die Anzeichen, dass es Offshore-Firmen und wurde auf ein anders sein könnte, sind beträchtlich. Konto von Boca Juniors bei einer ka- Der Iraner Joorabchian hat schon nadischen Bank in New York eingezahlt. einmal als Strohmann für einen russi- Ein iranischer Geschäftsfreund von schen Großinvestor agiert: Vor sechs Kia gab das Geld per E-Mail frei – so Jahren kaufte er im Auftrag von Boris lässt sich der Ursprung der Millionen Beresowski die russische Zeitung am einfachsten verwischen. Allerdings „Kommersant“ . Seither preist Bere- verstößt der teuerste Transfer in der sowski seinen Vertrauten als großes Geschichte des brasilianischen Fußballs Geschäftstalent. wahrscheinlich gegen das Geldwäsche- Der Sohn einer Exilantenfamilie, die gesetz: Der Transfer hätte von der Zen- nach dem Sturz des Schahs nach Eng- tralbank registriert werden müssen. land geflohen war, besitzt einen briti- Bei der Vereinsführung wächst jetzt schen Pass; in London ist er als Teilha- das Misstrauen gegen MSI und den ge- ber von neun Firmen registriert. Sicher schmeidigen Iraner. Denn die angeblich ist zudem, dass er Chemie und Ökono- so reichen Investoren, berichten Club- mie studierte und in der Firma seines Va- angestellte, hätten bislang nur bei ters mit Mercedes-Limousinen handelte. Spielerkäufen prompt bezahlt, auf die Den Kontakt zu Corinthians stellte versprochene Begleichung der laufen- eine schillernde Figur aus dem brasilia- den Kosten warte der Verein bislang

nischen Fußballmilieu her: Renato Du- / GES KUBERSKI TOBIAS vergebens. prat. Der windige Unternehmer, ein Großinvestor Abramowitsch* Joorabchian hingegen behauptet, ehemaliger Geschäftspartner von Na- Verschiebebahnhof für Chelsea? seine Gesellschaft habe bisher rund tionalheld Pelé, soll Tausende Anleger sieben Millionen Dollar für Gehälter einer privaten Krankenversicherung um Euro. Die Eigentümer sind drei Briefkas- und Ähnliches aufgebracht. Umso erstaun- ihr Geld geprellt haben und hatte sich des- tenfirmen mit Sitz auf den britischen Jung- licher ist, dass Anfang des Jahres National- halb nach London abgesetzt, wo er Joorab- ferninseln und in London. Als Geschäfts- spieler Gustavo Nery nur auf Leihbasis chian kennen lernte. Zuvor hatte der führer wurde ein Brasilianer eingesetzt, der von Werder Bremen nach São Paulo heim- Iraner vergebens versucht, mit anderen vor der Staatsanwaltschaft bekannte, dass geholt wurde. Die Hanseaten verlang- Vereinen ins Geschäft zu kommen. er keine Ahnung habe, woher das Geld für ten an Ablöse rund 1,5 Millionen Dollar – Heute residiert Joorabchian im zehnten die Geschäfte von MSI komme. „Niemand eine Summe, die Corinthians nicht auf- Stock eines Hochhauses in einem der no- versteht die Buchhaltung dieser Firma“, bringen mochte. Jetzt soll im Sommer neu belsten Viertel von São Paulo. Die Firma sagt Staatsanwalt Guimarães Carneiro. verhandelt werden. MSI nimmt fast die gesamte Joorabchian baut offenbar Etage ein. Der Manager wirkt darauf, dass die riesige Co- ständig angespannt, vier Han- rinthians-Fangemeinde ihm sei- dys hat er vor sich auf dem ne undurchsichtigen Geschäfte Konferenztisch platziert. Er nachsieht, wenn die neuen fühlt sich von den Gegnern sei- Spieler für ihren Club nur or- nes Engagements bei Corinthi- dentlich Tore schießen und die ans verfolgt. „Das ist eine klei- brasilianische Meisterschaft ho- ne Gruppe, die eine politische len. Scheinbar unbekümmert Kampagne gegen mich führt.“ von den Anschuldigungen fä- Im Übrigen seien die staats- delt der Iraner jetzt einen neu- anwaltlichen Ermittlungen ge- en Coup ein: Vergangene Wo- gen ihn „vollkommen illegal“. che führte er in Rio de Janeiro Eigentlich, so glaubt er, sei Gespräche mit der Vereinsspit- die Bundespolizei zuständig: ze von Flamengo, dem belieb- „Aber gegen mich liegt nichts testen Fußballverein Brasiliens. vor.“ Wenn MSI auch bei den MSI do Brasil wurde eigens Schwarz-Roten einsteigt, die für den Deal mit Corinthians in einer schweren spielerischen gegründet, das Startkapital be- und finanziellen Krise stecken, trug nur 1000 Real, rund 300 hätten Joorabchian und seine Hintermänner die beiden wich- * Oben: vorigen Dienstag beim Cham- tigsten Vereine Brasiliens in pions-League-Viertelfinalspiel des FC Bay- ihrer Hand – und das Geschäft ern gegen Chelsea London (3:2) im Münch- mit den Spielertransfers könn- ner Olympiastadion; unten: im Copa-Ame- rica-Finale Brasilien gegen Argentinien GPG / PIXUNITED te sich verdoppeln. (4:2) am 25. Juli 2004 in Lima. Rückkehrer Nery (l.)*: Von Werder Bremen nur ausgeliehen Jens Glüsing

148 der spiegel 16/2005