SWR2 Musikstunde
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Zweiter Sieger ist erster Verlierer Felix Slatkin, Mister Hollywood (4) Von Jörg Lengersdorf Sendung: Donnerstag, 4. Dezember 2014 9.05 – 10.00 Uhr Redaktion: Ulla Zierau Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2 Zweiter Sieger ist erster Verlierer Stunde 4: Felix Slatkin, Mister Hollywood Sämtliche portraitierten Geiger in dieser SWR2 Musikstundenwoche hatten eins gemeinsam. Obwohl man sie in Sachen Prominenz vielleicht eher in die zweite Reihe einordnen kann, obwohl drei der vier bisher gefeierten Geiger bei wichtigen Wettbewerben nur Platz 2 belegt haben, finden sich sicher zu jedem Einzelnen dieser Geiger Stimmen in der weiten Welt der Violinfanatiker, die behaupten würden: alle bisher vorgestellten Geiger waren Kandidaten für den Violinolymp, allesamt Anwärter auf einen der raren Plätze an der ewigen Weltspitze der Virtuosenelite. Beim Musiker der heutigen Ausgabe stellt sich nun die Frage: wollte er genau dort vielleicht überhaupt nicht hin: ins Geschichtsbuch der Geigensolitäre? Wollte er vielleicht irgendwann viel mehr? Prominenz wie ein Popstar? Er hat jedenfalls für einen klassischen Musiker ein paar sehr bemerkenswerte Seitenwege genommen. Der Held des heutigen Tages bringt einen auf den tröstlichen Gedanken, dass für Geigengenies auch eine Menge anderer Karriereoptionen gibt, als immer nur den Geigensolisten zu spielen. Willkommen in der musikalischen Welt von Felix Slatkin. Musik 1, 2.21min Livingston/Evans Bonanza The Fantastic Strings of Felix Slatkin Felix Slatkin (Dir) HitParadeRecords 13503 EAN 730531350328 Die Titelmelodie zur amerikanischen Westernserie “Bonanza”, gespielt von einem Ensemble aus veritablen Spitzenmusikern, dass sich nach seinem Dirigenten benannt hat: The Fantastic Strings of Felix Slatkin. Zu Deutsch: Felix Slatkins fantastische Streicher. Dass dieses Orchester aus Streichern, ein paar Gastbläsern und Schlagzeugern tatsächlich aus fantastischen Musikern zusammengestellt war, dafür hatte der Dirigent persönlich gesorgt. Felix Slatkin kannte in den 50ern und 60ern tatsächlich die gesamte Musikerelite der amerikanischen Westküste persönlich, seine Leute waren handverlesene Virtuosen aus den besten 3 Ensembles, die für Hollywood arbeiteten. Man kann Maestro Slatkin nun vermutlich wirklich das Etikett anheften: Dirigent für Pophits. Wahrscheinlich hätte es Slatkin nicht gestört, denn man konnte Felix Slatkin noch eine ganze Menge anderer Etiketten anheften. Zunächst einmal war er Geiger, und was für einer. Sicher ist niemand jemals auf den Gedanken gekommen, Felix Slatkin als den größten Geiger seiner Generation zu bezeichnen, dafür gab es zu viele große Geiger in Slatkins Generation. Vielleicht hat Felix Slatkin für ein solches Prädikat auch einfach zu wenig geübt. Tatsache ist, die Musik, mit der Felix Slatkin zuerst Geld verdiente, brauchte er gar nicht zu üben. Ein begabter Geiger wie er konnte Violinstimmen wie die folgende einfach vom Blatt abspielen, ohne zu üben. Musik 2, 0.54min Irving Berlin Always Frank Sinatra (Gesang) Felix Slatkin (Violine) LC00162 COLUMBIA 4910282 EAN: 5099749102828 1947 nimmt Frank Sinatra den Irving Berlin Song “Always” auf, der Geiger an seiner Seite heißt Felix Slatkin, und erst das schluchzende Timbre seines Spiels macht den Song zu jenem Juwel als welcher er in die Popgeschichte eingeht. Nun hatte aber Geiger Felix Slatkin am Anfang seiner Karriere vermutlich nicht im Traum daran gedacht, solche Musik einzuspielen. Geboren wird Slatkin als Sohn des Barbiers Chaim Zlotkin 1915 in St. Louis. Seine Eltern sind russisch jüdische Emigranten, die in den Staaten ihr Glück machen wollen. Und der Vater mit dem kleinen Barbierladen hat eine echte Leidenschaft für Geigenmusik, die er dem kleinen Felix Zlotkin offenbar vererbt. Felix bringt es bis zum Jugendalter so weit, dass er bei Violinlegende Efrem Zimbalist Unterricht erhält. Am Curtis Institute in Philadelphia lässt er sich zudem von niemand geringerem als Fritz 4 Reiner im Dirigieren unterweisen. Und wie das bei einem Vollblutmusiker so ist: die Liebe seines Lebens trifft Felix Zlotkin, inzwischen amerikanisiert: Slatkin, durch die Musik. Der 22jährige Felix lernt die 2 Jahre jüngere Cellistin Eleanor Aller beim gemeinsamen Lesen von Kammermusik kennen. Eine Romanze, die in einem privaten Musizierzimmer beginnt, mit Musik von Brahms und jeder Menge Temperament. Musik 3, 8.59 Johannes Brahms Klavierquartett g-moll op. 25 Finale Aller, Victor {Klavier} Slatkin, Felix {Violine} Dinkin, Alvin {Bratsche} Aller, Eleanor {Cello} LC 03573 TESTAMENT SBT3063 EAN: 749677306328 Geiger Felix Slatkin in der vordergründig seriösesten aller Klaasikwelten, der deutschen Romantik. Mit der Ehefrau Eleanor am Cello machte er diese direkt in die Beine fahrende Aufnahme von Brahms g-moll Klavierquartett op. 25. Eleanors Bruder Victor Aller saß dabei am Klavier, Bratscher war Alvin Dinkin. Die Beziehung der beiden genialen Kammermusiker Eleanor und Felix Slatkin scheint kompliziert zu beginnen. 1937 haben sich beide beim Kammermusik probieren kennen gelernt, und schon zur zweiten vereinbarten Probe erscheint Felix nicht, weil er offenbar den Termin verbummelt hat. Eleanor hält Felix nach eigener Aussage sofort für selbstgefällig und arrogant, lässt sich aber dennoch überreden, Felix anzurufen. „Du hast Probe und bist nicht da“ – mit dem Telefonat beginnt eine wunderbare Freundschaft, denn statt gemeinsam zu proben, gehen die beiden anschließend ins Kino. Zwei Jahre später heiraten Felix Slatkin und Eleanor Aller, Kammermusik wird für die Beziehung konstitutiv, jeden Abend werden ins gemeinsame Wohnzimmer Freunde zum Lesen von Trios, Quartetten und größeren Besetzungen geladen. 5 Beim ersten Kind Leonard, jenem Leonard Slatkin, der später selbst ein weltberühmter Dirigent werden soll, entdecken die beiden verdutzten Eltern schon in den ersten Lebensjahren, dass er ein absolutes Gehör hat. Warum? Weil er bereits im Kindergartenalter Kammermusikstimmen der Eltern in den richtigen Tonarten summt. Wen wunderts? Aber es sind unruhige Zeiten für ein ungestörtes Familienleben, Während des 2. Weltkriegs wird Vater Felix in die Armee eingezogen, und profitiert hier erstmals von seiner phänomenalen Fähigkeit, sich für wirklich jede Art von Musik zu begeistern. Felix Slatkin, zunächst Geiger in einem Militärorchester, wird später zum Dirigenten der Kapelle der Air Force. Musik 4, 1.11 Felix Slatkin Charge The Light Brigade Military Band/Percussion Band Felix Slatkin (Dir.) Capitol CDP 7-92090-2 Eine Original Aufnahme mit Felix Slatkin. Der begnadete Geiger und Kammermusiker hat noch nach dem Krieg zwei Platten mit Musik für Militärkapelle aufgenommen, vielleicht gefiel er sich auch in der Rolle des Tambourmajors, es war bei weitem nicht seine einzige exzentrische Passion. Bis zum Kriegsende 1945 spielt Felix Slatkins Militärorchester jedenfalls die damals astronomische Summe von 100 Millionen Dollar an Kriegsanleihen ein. Wie man den Publikumsgeschmack trifft, hat Felix Slatkin früh gelernt. Schon vor dem Krieg war er Konzertmeister bei der Twentieth Century Fox, spielte als Geiger mit einem Filmorchester die Soundtracks für große Hollywoodschinken ein. Nach Kriegsende geht er nach Hollywood in die Traumfabrik zurück, wo auch Frau Eleanor inzwischen als Cellistin einen Spitzenposten in der Filmmusikbranche bekleidet. In Hollywood werden Hits und Schmachtfetzen am Fließband produziert, die Arbeit wird extrem gut bezahlt, auch weil viele Partituren und Stimmen erst kurz vor der ersten und oft auch einzigen Probe fertig werden. Um 9 stehen die druckfrischen Noten auf den Orchesterpulten, um kurz vor 10 trudeln die hochspezialisierten Spitzenmusiker der 6 Hollywood Klangmaschine ein, um die oft mittelmäßige Musik direkt beim ersten Lesen perfekt vom Blatt zu geigen. Live Konzerte gibt es nicht, alles geht direkt in die Konserve. An den ersten Pulten der Streichergruppen sitzen die Stimmführer wie Felix Slatkin und Eleanor Aller, und fühlen sich vermutlich oft etwas unterfordert. Musik 5, 1.06 Alfred Newman Angharad and the Minister aus “How Green Was My Valley” 20th Century Fox Orchestra Alfred Newman Felix Slatkin, Konzertmeister Membran International 221807-207 EAN 4011222218070 Heutzutage werden Filmmusiken für Hollywood allzu oft mit digitalisierten Orchesterklängen zusammengepuzzelt, will heißen: was in modernen Filmen manchmal klingt wie ein unterkühltes Orchester, ist eine digitale Simulation aus dem Computer. In den Vierzigern des letzten Jahrhunderts ist das selbstverständlich noch anders. Die Orchester der Filmstudios Hollywoods bezahlen die besten Musiker der Westküste, auch weil die häufig als Solisten ausgebildeten Profis in kürzester Zeit, und damit preiswertestens, in der Lage sind, dem Film den richtigen akustischen Schmelz