Analyse und Modellierung gravitativer Massenbewegungen in alpinen Sedimentkaskaden unter besonderer Berücksichtigung von Kriech- und Gleitbewegungen im Lockergestein (Lahnenwiesgraben, Garmisch-Partenkirchen)

Der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades

vorgelegt von Dirk Keller

aus Kronach

Erlangen, den 13.01.2009

Als Dissertation genehmigt von der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen- Nürnberg

Tag der mündlichen Prüfung: 18.06.2009

Vorsitzender der Promotionskomission: Prof. Dr. Eberhard Bänsch Erstberichterstatter: Prof. Dr. Michael Moser Zweitberichterstatter: Prof. Dr. Michael Becht

III

Danksagung

Während der Erstellung dieser Arbeit habe ich von vielen Menschen die unterschiedlichsten Arten von Hilfe erfahren, angefangen bei der helfenden Hand am Berg bis hin zum rettenden Tipp nach einem Computerabsturz oder vom anerkennenden Lob bis hin zur notwendigen Kritik. Dafür möchte ich allen von Herzen danken.

Besonderen Dank schulde ich jedoch

Meinem Doktorvater und langjährigen Lehrer Professor Michael Moser für so Vieles, das zur Rea- lisierung dieser Arbeit beigetragen hat: für die steten und wertvollen Tipps und Diskussionen am grünen Tisch und im Gelände, die fachliche, technische und tatkräftige Unterstützung sowie für die Geduld und das Vertrauen während der Endphase der Vollendung.

Meiner Frau Gabi für die Hilfe als Kartierassistent, Korrekturleser und Kritiker und ihr und unseren Kindern für ihre lange Geduld und die nötige Motivation während dieser Zeit.

Meinen Eltern, die mir diesen Lebensweg ermöglichten.

Den Professoren und Betreuern im SEDAG-Projekt Michael Becht, Karl-Heinz Schmidt, Lothar Schrott, Richard Dikau, Horst Strunk und Thomas Vetter.

Meinen Kollegen und Freunden im SEDAG-Projekt Florian Koch, Maik Unbenannt, David Morche, Gabi Hufschmidt und Florian Haas, besonders aber Volker Wichmann und Tobias Heck- mann.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Finanzierung meiner Forschungsstelle im Rahmen der Projekte Mo-248/14-1, 14-2 und 14-3.

Der Forstdirektion Garmisch-Partenkirchen, Herrn Gleißner und Herrn Kraus, für die großzügige Bereitschaft, das SEDAG-Team und damit auch mich in dieser wunderschönen Bergland- schaft arbeiten zu lassen.

Herrn Walcher, Forstdienststelle , für die großartige logistische Unterstützung im Lah- nenwiesgraben über fünf Jahre hinweg.

„Meinen“ Diplomanden Florian Büch, Jochen Poppel, Michael Krautblatter, Winfried Schädler, Gregor Rückamp und Andreas Ressle. Ich glaube, keiner wird die wilden Aktionen verges- sen, die wir im Dienst der Wissenschaft bewältigt haben. Allerdings wäre dies ohne unsere „Hiwis“, die vor allem Michael aus den entlegensten Winkeln der Uni für uns organisierte, nicht zu schaffen gewesen.

Allen wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern des Instituts für Geologie der Universität Erlangen-Nürnberg – unter ihnen Maik Hamberger, Harry Meier, Tobias Albrecht, Robert van Geldern, Stephan Breisig, Thomas Kuhn, Janette Zulauf, Sandra Romano, Stefan Rüttinger, Daniele Lutz und Konrad Kunz.

Ich widme diese Arbeit meiner Frau Gabi.

Bubenreuth, den 26. Dezember 2008 IV

Zusammenfassung

Die Systemvorstellung der Sedimentkaskade definiert den Transport von Masse (respektive Energie) durch eine Abfolge von Subsystemen. Diese können soweit untergliedert werden, bis jedes Subsys- tem die räumliche und zeitliche Verteilung des Masseninputs und Outputs durch einen definierten Prozess darstellt. Die Übergabe von Subsystem zu Subsystem wird durch das Bild der Kaskade ver- anschaulicht (CHORLEY & KENNEDY 1971). In Anlehnung an dieses Modell untersucht das DFG- Projekt SEDAG (SEDimentkaskaden in Alpinen Geosystemen) die Abfolge der Sedimentverlagerung in zwei alpinen Wildbacheinzugsgebieten bei Garmisch-Partenkirchen. Dabei finden Felduntersu- chungen parallel zur Modellierung in Geographischen Informationssystemen (GIS) statt. Die vorliegende Arbeit behandelt drei Schwerpunktfragen der SEDAG-Themenstellung. Der erste Punkt betrifft die Erhebung, Klassifizierung und Verwaltung von flächendeckenden Geoda- ten - in diesem Fall die geologischen und geotechnischen Kategorien der Fest- und Lockergesteine. Die Bestimmung der Klassen wird anhand weniger Merkmale, die vorwiegend durch die Kartierung erfassbar sind, durchgeführt. Daraus resultiert jeweils eine Unterscheidung nach den genetisch- stratographischen sowie den geotechnischen Eigenschaften der Gesteine. Dies führt bei den Festge- steinen nur bei den veränderlich festen Gesteinen (Kössener Schichten, Lias Fleckenmergel) zu einer differenzierteren Unterscheidung. Die Lockergesteine variieren dabei in ihren genetischen zu geo- technischen Kategorien stärker. Letztere werden vor allem nach ihrer bindigen, nicht bindigen bzw. fehlenden Feinkornmatrix beurteilt. Konkrete Parameter wurden z. T. im Labor ermittelt bzw. mit Wer- ten aus der Literatur ergänzt und den einzelnen Klassen zugewiesen. Der zweite Punkt der Arbeit umfasst die Untersuchung der gravitativen Massenbewegungen Kriechen und Fließen von Lockergestein sowie Gleiten. Speziell der Prozess des Lockergesteinsfließens/ - kriechens in Form von flachgründigen Kriech- und Schuttströmen wird intensiv besprochen. Die aufge- fundenen Kriechströme gehören zu den typischen, kleinförmigen Typen in den bayerischen Alpen mit Längenerstreckung zwischen wenigen 10er und über 300 Metern und einer Tiefenlage der Bewegung von 2 bis 10 m. Aus der Kartierung ist die Abhängigkeit mit der Hangneigung (10° bis 20°) und fein- körnigen Lockergesteinsdecken mit hoher Wassersättigung ersichtlich. Die durchgeführten Geschwin- digkeitsmessungen zeigen einen saisonalen Bewegungsrhythmus mit Maxima in der Frühsommer und Sommerphase, und Minima im Herbst und Winter. Der Vergleich mit den Niederschlagskurven zeigt einen Zusammenhang mit der Intensität der Bewegung, ohne jedoch Schwellenwerte festhalten zu können. Die Jahresniederschlagssumme als korrespondierender Wert für den Bewegungstrend ist bedingt für drei von vier Jahren verwendbar. Bessere Korrelationen bietet die saisonale Betrachtung sowohl der Wetterentwicklung als auch der Bewegungsraten. Die pro Schuttstrom berechneten Durchschnittsgeschwindigkeiten bewegen sich zwischen wenigen Millimetern bis hin zu 3 m/a, wobei die höchste Einzelgeschwindigkeit im Sommer 2002 mit umgerechnet 8 m/a gemessen wurde. Die aus diesen Daten geschätzte horizontale Transportleistung beträgt bezogen auf das gesamte Unter- suchungsgebiet 20480 t*m*km-² *a-1 im Vergleich zu 5300 t*m*km-² *a-1 in vertikaler Richtung. Im Gegensatz dazu werden die Daten für Lockergesteingleitungen stark gekürzt und auf die Ergebnis- se beschränkt dargestellt. Es handelt sich auch hier um vergleichsweise kleine Erosionsprozesse mit durchschnittlichen Längen von knapp 10 m, knapp 100 m² Fläche und mittleren Volumina von 175 m³. Trotz der guten Datenlage von über 500 aufgenommen Gleitungen in einem Zeitraum von 9 Jahren konnten keine Beziehungen zu meteorologischen Ereignissen gefunden werden, da eine entspre- chend zeitnahe Datierung so gut wie nie möglich war. Die Feststellung des stattgefundenen Massen- transfers bzw. der geleisteten morphologischen Arbeit wurde daher mit einem auf den Zeitabschnitt 1996 bis 2004 reduziert und auf entsprechende Jahreswerte transformiert. Diese ergeben eine spezi- V fische Transportleistung in horizontaler Richtung von ca. 5000 t*m*km-² *a-1 und in vertikaler von ca. 3340 t*m*km-² *a-1. Der Steinschlagprozess wird nur kurz angesprochen, da der Einfluss im Lahnenwiesgraben im Ver- gleich zum Reintal von geringem Einfluss ist. Es wird daher nur ein Abriss der Methodik gegeben, die im Lahnenwiesgraben z. T. zum Einsatz kam. Ergebnisse, die in dieser Arbeit entstanden sind, wur- den in einem größeren Rahmen von KRAUTBLATTER et al. veröffentlicht. Der dritte Aspekt der Arbeit war die Umsetzung zumindest eines Massenprozesses in ein Modell zur Darstellung der Disposition im Gebiet. Dies wurde für die Schuttströme in Form der certainty factor- Methode nach CHEN (2003) vollständig umgesetzt, die zur Gruppe der statistischen Modelle gehört. Übernommen wurde das Modul von HECKMANN (2005), der es für die Modellierung der Anrissberei- che von Bodenlawinen in GIS umgesetzt hat. Die problemlose Eingabe unterschiedlicher Datentypen, die schnelle Berechnung und die Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses machen es zu einem wertvol- len Werkzeug zur Ausweisung potentieller Prozessräume. Bereits mit einer Trainingsfläche von nur 20% des Untersuchungsgebiets können weit über 80% der kartierten Schuttströme dargestellt wer- den. Voraussetzung ist allerdings, dass die Rasterzellen des Trainingsgebiets gleichmäßig über das Gebiet gestreut sein müssen. Der Übertrag eines Trainingsergebnisses aus einem räumlich völlig getrennten Abschnitt in das übrige Gebiet führte – nun auch abhängig von der Vorauswahl der ver- wendeten Geofaktoren – zu einem bestenfalls 10 bis 40% schlechteren Ergebnis, bzw. zu einer rein zufälligen Trefferquote.

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Abstract

The system concept of a sediment cascade defines transport of mass (respectively of energy) through a progression of subsystems. Those subsystems may be subdivided to a scale, where it describes spatial and chronologic distribution of mass (as input or output) of a single sediment transport process. “Cascading” describes the transfer between subsystems (CHORLEY & KENNEDY 1971). Following this model the SEDAG-project of the DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft / German Research Foundation) examines the succession of sediment transfer in two alpine catchment areas next to Garmisch-Partenkirchen, Upper Bavaria. Field investigations are conducted parallel to modelling in a geographic information system (GIS). This paper presents the work conducted between 1999 and 2004 in the Lahnenwiesgraben watershed with focus on the following topics: The first topic concerns evaluation, classification and management of area-wide geo data, where the geological categories of rock and soil were dealt with. Class building was primarily based on mapped characteristics. Parameters were divided between stratigraphical and geotechnical properties. In prac- tice, only two stratigraphical rock units (Kössener Schichten, Lias Fleckenmergel) had to be differenti- ated by applying both classifications. However, soils are more variable in their formational and geo- technical appearance. In the end, soils were classified primarily by their proportion of fine grain and the following cohesive qualities. Physical parameters were partly determined by laboratory investiga- tions and supplemented by literature data afterwards. The second topic comprises specific investigations on gravitational mass movements, such as rock fall, soil slips and soil creep / soil flow. Special focus is set on the process creep/flow. It occurs in the working area as shallow earth flows of minor dimensions between several 10 to 300 m length and depths between 2 to 10 m, which is typical for most of the earth flows in the . Distinct dependencies on slope angles from 10° to 20° in fine grained and highly saturated soils could already been discerned by mapping. Velocity meas- urements determined seasonal motion patterns, with maximum movement during early and mid sum- mer and a decrease of mobility in autumn and winter. Comparison of precipitation and flow intensity indicates a clear correlation, though precipitation thresholds for distinct velocities or activities were not determinable. The annual sum of rainfall can be used as a rough indicator on motion trends, working well for three out of four years. A more plausible correlation is achieved regarding seasonal weather conditions against seasonal rates of motion. The calculated average velocities of the examined earth flows range between a few millimetres and 3 meters per year. Maximum speed was measured in summer 2002 at 8 m/a. All data were projected as horizontal respectively as vertical transport in [t*m*km-2*a-1]. Referring to the entire watershed, horizontally transferred mass is estimated at 20,480 [t*m*km-2*a-1] compared to a vertical amount of 5,300 [t*m*km-2*a-1]. The work on soil slips is briefly summarized particularly presenting end results. The average size of soil slips reach dimensions in length of about 10 m, in expanse of 100 m2 and in volume of 175 m3. At this size they pose comparatively minor erosion processes. Though more than 500 single slips could be mapped over a period of 9 years, less than five events could be assigned to an exact date. There- fore, no correlation between meteorological events and formation of slips could be built. The estimate of sediment transfer rates and geomorphologic work is based on the bulk sum of slips dated roughly between 1996 and 2004. The corresponding annual values result in 5,000 [t*m*km-2*a-1] in horizontal compared to 3,340 [t*m*km-2*a-1] in vertical direction.

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Rock fall is mentioned shortly because this process is of minor impact in the investigated area. A short methodological summary is given. Results partially based on field work conducted in this project are published by KRAUTBLATTER et al. Finally, one disposition model could be adapted for one of the investigated processes. To model the potential occurrence (disposition) of creep/flow in soil, a statistically based model was created using the “certainty-factor”-method from CHEN (2003). The model was programmed as a GIS application by HECKMANN (2005) to determine the disposition of full-depth snow avalanches. This tool is able to process different input data types, takes little computing time and provides comprehensible results. Therefore it poses a valuable tool to detect potential process areas. Model validation showed, that more than 80% of cells with mapped earth flows could be found, even when using less than 20% of the watershed area as a training area. However, this result is only true, when training cells are distri- uted evenly in the whole watershed. By dividing the watershed in independent training and test areas, the performance was reduced by 10% to 40%. A transfer of a trained model matrix into an indepenent, though comparable test area, yielded only in a stochastic recall ratio.

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Verwendete Abkürzungen b bindiges Lockergestein bk Doggerkalk

CF Certainty Factor

DHM Digitales Höhenmodell

DWD Deutscher Wetterdienst f feinkörnig, Grobanteil in Feinkornmatrix des Lockergesteins <30%

FG Festgestein g grobkörnig, Grobanteil in Feinkornmatrix des Lockergesteins > 30%

GAP Garmisch-Partenkirchen

GIS Geographisches Informationssystem hd Hauptdolomit k Kössener Schichten lf Lias Fleckenmergel, Allgäuschichten

LG Lockergestein

LVA Landesvermessungsamt

LWG Lahnenwiesgraben m NN Höhenmeter über Normal Null mo Moräne

MP Messpunkt nb nicht bindiges Lockergestein pk Plattenkalk

POK Pegeloberkante

SEDAG „Sedimentkaskaden in alpinen Geosystemen“

TEZG Teileinzugsgebiet w Aptychenschichten wh Bunte Hornsteinschichten

ZSP Zugspitze IX

Inhaltsverzeichnis

DANKSAGUNG ...... III ZUSAMMENFASSUNG ...... IV ABSTRACT...... VI VERWENDETE ABKÜRZUNGEN...... VIII INHALTSVERZEICHNIS...... IX ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...... XI TABELLENVERZEICHNIS ...... XVI

1 EINLEITUNG...... 1

1.1 DAS SYSTEM UND DAS PROJEKT „SEDIMENTKASKADE“...... 2 1.2 ZIEL UND AUFBAU DER ARBEIT ...... 3 1.3 VERWENDETE UNTERLAGEN ...... 4

2 RAHMENBEDINGUNGEN IM UNTERSUCHUNGSGEBIET LAHNENWIESGRABEN...... 7

2.1 GEOGRAPHISCHE LAGE ...... 7 2.2 GEOLOGIE UND TEKTONIK...... 8 2.3 BÖDEN...... 11 2.4 MORPHOLOGIE UND TOPOGRAPHIE ...... 12 2.5 HYDROGEOLOGIE ...... 14 2.6 VEGETATION ...... 15 2.7 KLIMA UND WETTER ...... 16 2.7.1 Regionale und langjährige Wettersituation...... 17 2.7.2 Lokale Wettersituation im Projektzeitraum ...... 19 3 STRATIGRAPHIE, LITHOLOGIE UND GEOTECHNISCHE EIGENSCHAFTEN DER FEST- UND LOCKERGESTEINE...... 23

3.1 FESTGESTEINE...... 24 3.1.1 Hauptdolomit (hd) ...... 25 3.1.2 Plattenkalk (pk) ...... 26 3.1.3 Kössener Schichten (k)...... 28 3.1.4 Lias Fleckenmergel (lf) ...... 29 3.1.5 Doggerkalk (bk) ...... 30 3.1.6 Bunte Hornsteinschichten (wh)...... 30 3.1.7 Aptychenschichten (w)...... 30 3.1.8 Zusammenfassung: Geotechnische Karte der Festgesteine ...... 30 3.2 LOCKERGESTEIN ...... 32 3.2.1 Pleistozäne und glazigene Sedimente (Moräne)...... 34 3.2.2 Pleistozäne spät- und postglaziale, fluvioglaziale Schotter...... 36 3.2.3 Rezente Schuttbildung...... 37 3.2.4 Lockergesteinskörper als Produkt der Sedimentkaskade ...... 42 3.2.5 Lockergesteinsmächtigkeiten ...... 45 3.2.6 Zusammenfassung und Diskussion...... 46 X

4 GRAVITATIVE MASSENBEWEGUNGEN IN DER SEDIMENTKASKADE ...... 51

4.1 KRIECH- UND SCHUTTSTRÖME (EARTH FLOW) - LOCKERGESTEINSKRIECHEN ...... 52 4.1.1 Untersuchungsmethoden...... 53 4.1.1.1 Kartierung ...... 53 4.1.1.2 Kernbohrungen...... 53 4.1.1.3 Inklinometer und Extensometer ...... 55 4.1.1.4 Grundwasserpegel...... 56 4.1.1.5 Konvergenzmessungen ...... 57 4.1.1.6 Datierungen ...... 59 4.1.2 Verbreitung und Ausprägung der Kriech- und Schuttströme...... 59 4.1.2.1 Enningalm...... 61 4.1.2.2 Sulzgraben...... 66 4.1.2.3 Staudenlahner ...... 79 4.1.2.4 Brünstgraben ...... 80 4.1.2.5 Herrentischgraben ...... 86 4.1.2.6 Reschberg ...... 86 4.1.3 Auswertung der Bewegungsmessungen ...... 87 4.1.3.1 Auswertung pro Jahr...... 87 4.1.3.2 Auswertung pro Messintervall (saisonal) ...... 89 4.1.4 Massenbilanz der Kriechströme und ihre Bedeutung in der Sedimentkaskade...... 92 4.1.5 Dispositionsmodellierung...... 95 4.1.5.1 Methodik und Berechnung...... 96 4.1.5.2 Eingangsdaten...... 97 4.1.5.3 Ergebnis ...... 98 4.1.5.4 Validierung...... 101 4.1.6 Ergebnisse und Diskussion ...... 103 4.2 FLACHGRÜNDIGE LOCKERGESTEINSGLEITUNGEN (SOIL SLIPS) - GLEITEN...... 105 4.2.1 Untersuchungsmethoden...... 106 4.2.2 Verbreitung, Typen und Entstehung der Gleitungen ...... 107 4.2.3 Massenumsatz und morphologische Arbeit...... 113 4.3 STEINSCHLAG (ROCK FALL) - STÜRZEN ...... 116

5 LITERATURVERZEICHNIS...... 118 6 ANHANG...... 125

6.1 KARTENTEIL ...... 127 6.2 KLIMADATEN ...... 143 6.3 BOHRUNGEN, SONDIERUNGEN ...... 149 6.4 PROBENAHMEN UND ANALYSEN ...... 165 6.5 KRIECHSTRÖME – ERGÄNZENDE KARTIERUNTERLAGEN UND ZWISCHENERGEBNISSE DER MODELLIERUNG ...... 171 6.6 LOCKERGESTEINSGLEITUNGEN ...... 177

XI

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Flussdiagramm eines Kaskadensystems nach CHORLEY & KENNEDY (1971), Fig. 1.4...... 2 Abb. 2: Lage der Arbeitsgebiete Lahnenwiesgraben und Reintal (rot markiert) und der verwendeten Wetterstationen des Deutschen Wetterdienstes (verändert nach HECKMANN 2005)...... 7 Abb. 3: Geologische Querprofile über den westlichen Lahnenwiesgraben mit Stepberg- und Enningteilmulde und das östliche Tal mit Kramerüberschiebung (aus KUHNERT 1967)...... 9 Abb. 4: Amtliche Geologische Karte des Lahnenwiesgraben nach KUHNERT (1967), Ausschnitt Blatt 8432 Oberammergau, digitalisiert V. Wichmann (2002)...... 10 Abb. 5: Bodenkarte des Lahnenwiesgrabens, KOCH (2006)...... 11 Abb. 6: Vergleich der im Bereich von Lockergesteinsgleitungen berechneten bzw. gemessenen Hangneigungen (blau = Uferbereich, rot = Hangbereich). Die Verteilung der Messpunkte kann anhand der Anbruchskarte in Anhang 6.6-2 verfolgt werden. Besonders der Uferbereich wird durch das DHM zu flach abgebildet...... 13 Abb. 7: Hydrogeologische Karte mit Quellen, Karstquellen, Versickerungen, Gerinnen und Vernässungszonen. Quelle: Kartierungen BÜCH (2003), FLEISCHER (1999), KELLER (diese Arbeit), SCHÄDLER (2004)...... 14 Abb. 8: Vegetationskarte mit sieben Bedeckungstypen. Quelle: Luftbilder der Befliegung von 1993 und 1999, Bay. LVA, Wichmann (2005)...... 16 Abb. 9: Jahresdurchschnittstemperaturen und Jahresniederschlagssummen der DWD-Wetterstationen Garmisch- Partenkirchen (GAP) und Zugspitze (ZSP) von 1951 bis 2004 inklusive der langjährigen Mittelwerte (Bezugszeitraum 1951 bis 1980, MÜLLER-WESTERMEIER 1990)...... 17 Abb. 10: Monatliche Temperaturmittelwerte und Niederschlagssummen der DWD-Stationen Garmisch- Partenkirchen und Zugspitze (Bezugszeitraum 1951 bis 1980, MÜLLER-WESTERMEIER 1990), sowie die interpolierten Temperaturen für die Kramerspitze (1985 m NN) im Lahnenwiesgraben...... 18 Abb. 11: Charakterisierung des meteorologischen Verlaufs der hydrologischen Jahre 2000 bis 2004 jeweils für die Höhen 720 m NN (Station GAP entsprechend Talausgang LWG) und 1600 m (Station Garmisch- Kreuzeckhaus entsprechend Enningalm LWG). Ablesbar sind die relative Dauer der Schneesaison, die Schneerücklage als Regenäquivalent und die Dauer der Schmelzphasen. Jeweils in [mm/d] sind die Durchschnittssummen der mehrtägigen Niederschläge sowie einzelner Starkregenereignisse aufgetragen.20 Abb. 12: Kartiergebiete der einzelnen Bearbeiter der Universität Erlangen zwischen 1996 und 2004. Die Karteninhalte zum Kramermassiv beruhen zum größten Teil auf Luftbildkartierungen...... 24 Abb. 13: Stark gestörte und gefaltete Lagerung des Plattenkalks entlang der steil stehenden Kramerüberschiebung im Stepberggraben (Übersicht und Detail)...... 27 Abb. 14: Geotechnische Karte der Festgesteine...... 31 Abb. 15: Tektonische Karte mit Streichen und Fallen. Eingetragene Störungen nach LINKE (1963)...... 32 Abb. 16: Lage der Probenentnahmepunkte aus Schürfen und den Bohrungen IM1 und IM2...... 33 Abb. 17: Kornverteilungskurven der Moränenproben (die Lage der Entnahmepunkte ist in Abb. 16 bzw. Anhang 6.4-1 dargestellt)...... 35 Abb. 18: Freigelegtes Bett des Herrentischgrabens nach dem Starkregenereignis am 21. Juni 2002. Angeschnitten ist der starke Kontrast der fein- und grobkörnigen Horizonte zu erkennen, die eine abwechselnde Stillwasserfazies (Stauseen) und Hochenergiefazies (Sander und Schotterterrassen) belegen. Foto: V. Wichmann 2002...... 37 Abb. 19: Kornverteilungskurven der Hangschuttproben (vgl. Karte Abb. 16)...... 38 Abb. 20: Karte der jüngsten Sedimentspeicher, aufgeschlüsselt nach dem schaffenden Erosionsprozess...... 42 Abb. 21: Karte der Lockergesteinsmächtigkeiten im Lahnenwiesgraben...... 45 Abb. 22: Gliederung der Lockergesteine nach holozäner (fluvial, am Hang) und pleistozäner (glazial, postglazial) Schuttbildung ...... 46 Abb. 23: Darstellung der Bodenart im CASAGRANDE-Diagramm der Moränen- und Hangschuttproben...... 47 XII

Abb. 24: Gliederung der Lockergesteinsdecken nach der Kornverteilung (geotechnische Gliederung)...... 47 Abb. 25: Beispiele der drei Lockergesteinsgruppen „bindig fein“ und „bindig grob“ sowie „nicht bindig“: A) bf, Kössener Mergel W’ Enningalm; B) bg, Hangschutt aus Kössener Kalken und Tonen, Reschberg (Anbruch 13); C) nb, Bachschotterterrasse Hauptdolomit, Stepberggraben; D) nb, Sturzschutt Plattenkalk, Wand W’ Langlahner...... 48 Abb. 26: Bohrprofile der Bohrung IM1 und IM2. Außer der im Inklinometerdiagramm IM1 (Abb. 28) nachgewiesenen Bewegungsbahn sind in den Profilen vermutete Bewegungshorizonte, auffällige Nässehorizonte und der Entnahmepunkt des fossilen Bodens, der zur 14C-Analyse (vgl. Kap. 4.1.1.6) herangezogen wurde, markiert...... 54 Abb. 27: Steilstehende Lagerung der Kössener Kalke und Tonsteine in Bohrung IM 1 bei 11,6 m Tiefe...... 55 Abb. 28: A) Verlauf der Inklinometermessungen von Dezember 2000 bis Mai 2001 (Deformation in N-S-Richtung). Zwischen 3,5 und 4,5 m ist eine einzelne Bewegungsbahn zu erkennen. Bereits im Juni 2001 blieb die Messsonde an diesem Punkt stecken. B) Die Extensometermessungen in Bohrung IM1 zeigen kontinuierliche Bewegungen, die mit dem ebenfalls eingezeichneten Verlauf der Oberflächenmessungen an den benachbarten Messpunkten KV 13-04 und 13-05 korrelieren (vgl. auch Abb. 37, S. 68). Die positiven Werte von EXT 2 sind als Setzungserscheinungen im Bohrloch oder im Straßenbankett zu interpretieren.. 56 Abb. 29: Anschluss des Konvergenzmessgeräts an Baustahlstangen (A) oder Holzpflöcken (B). Diese werden beim Fehlen geeigneter natürlicher Anschlagspunkte (Bäume, Felsen) in den Boden geschlagen. Deren Einsatz führt jedoch automatisch zu einer Reduktion der Messgenauigkeit vom Zehntel-Millimeter-Bereich in den Zentimeter-Bereich...... 58 Abb. 30: Gliederung des nordwestlichen Lahnenwiesgrabens in die Teileinzugsgebiete Enningalm, Sulzgraben und Staudenlahner. Eingetragen sind die Verbreitung der Kriechströme und die Lage der Konvergenzmesszüge 12, 13, 14, 01 bis 03, 04 und 06 (von Westen nach Osten) sowie der Bohrungen IM1 (westlich) und IM2 (östlich)...... 61 Abb. 31: Uferbereiche am Fleckgraben: A) linke Uferschulter (Zone I) mit flachem Hangverlauf jedoch unruhigem Kleinrelief auf mächtigeren Hangschuttdecken (Foto W. Schädler 2004). B) der rechte Uferbereich ist steiler und häufig von der Schuttdecke entblößt. Die Stabilität entsteht durch die hangeinwärts fallenden Kössener Schichten, die dennoch aufgrund des hohen Mergel- und Tonsteinanteils und dem hohen Verwitterungsgrad verstärkt zu Uferanbrüchen neigen (Foto D. Keller 2002)...... 62 Abb. 32 Geotechnischer Längsschnitt durch die Kriechströme im Bereich von KVM 12. Anhand der eingezeichneten Messpunkte und dem Geschwindigkeitsdiagramm in Abb. 33 kann das Bewegungsverhalten und die Zonengliederung abgeleitet werden. Zur Bezeichnung der Lockergesteine siehe Kap. 3.2 bzw. Abkürzungstabelle S. VIII...... 64 Abb. 33: Geschwindigkeitsdiagramm KV 12. Dargestellt ist die Geschwindigkeit jedes Messpunkts in [mm/a] für die Messjahre 2001, 2002, 2003 und 2004. Die Berechnung erfolgt vom hangseitigen Fixpunkt 12-20 aus. Die Intervalle beginnen mit der Wintermessung des Vorjahrs. Markiert sind zudem die beiden Kriechströme am Ufer und am Hang sowie die darin erkannten Aktivitätszonen entsprechend dem Profil Abb. 32...... 65 Abb. 34: Bewegungszeiger entlang der Enningstraße bei Querung des Kriechstroms KV 13. Besonders deutlich der scharf begrenzte Randbereich, an dem die Straße zwischen wenigen cm im Osten und mehreren 10er cm im Westen absinkt. Zudem werden die Entwässerungsrohre unter der Straße auseinander gezogen. Absatzstufen und Kriechbuckel beiderseits des Wegs markieren den weiteren Verlauf des instabilen Bereichs (Foto W. Schädler 2005)...... 67 Abb. 35: Geomorphologische Übersichtskarte des Schuttstroms KVM 13 (A) und Luftbildansicht mit Lage des Messzugs und Längsprofils...... 67 Abb. 36: Geotechnischer Längsschnitt durch den Kriechstrom im Bereich KVM 13...... 68 Abb. 37: Geschwindigkeitsdiagramm von KVM 13 für jeden Messpunkt für die Jahre 2001 bis 2004 mit Markierung der drei Aktivitätszonen. Die Berechnung erfolgt vom talseitigen Fixpunkt 13-00 aus. Daraus folgen die negativen Werte aufgrund der gemessenen Verkürzungen der MP zum Fixpunkt...... 68 XIII

Abb. 38: Mögliche Entstehungsweise des begrabenen, fossilen Ah-Horizonts aus Bohrung IM1 im Kriechstrom KVM 13 nach LANG et al. (1999): a) Überschüttung durch ein einzelnes Ereignis (Gleitung, Mure); b) sukzessive oder kontinuierliche Überschiebung durch den Kriechstrom...... 69 Abb. 39: Geschwindigkeitsdiagramm KVM 14 für jeden Messpunkt für die Jahre 2000 bis 2003. Das Jahr 2004 fehlt, da im Sommer der Anschlussbaum MP 14-06 gefällt wurde. Die Berechnung erfolgt vom talseitigen Fixpunkt 14-00 aus. *) Der auffällige Ausreißer an MP 14-03 im Jahr 2003 resultiert aus der Verstellung des Anschlagbaumes durch einen Lawinentreffer im Winter 02/03...... 71 Abb. 40: Geotechnischer Längsschnitt durch den Kriechstrom im Bereich von KVM 14...... 72 Abb. 41: Geotechnischer Längsschnitt des Hangmoors und der anschließenden Uferanbrüche im Bereich KVM 03. Die Konvergenzmessstrecken 01 und 02 liegen ca. 50 m bachaufwärts in einer ähnlichen geotechnischen Position...... 74 Abb. 42: Geschwindigkeitsdiagramme der KVM-Züge 01, 02 und 03. Alle drei bestehen aus einer einzelnen Strecke, deren jeweiliger Fixpunkt am rechtsseitigen Bachufer verankert ist. Entgegen der Annahme aus der Kartierung sind die Uferbewegungen sehr schwach ausgeprägt...... 74 Abb. 43: Geotechnischer Längsschnitt des Kriechstroms im Bereich von KVM 04. Die Kopplung des Kriechstroms mit den Uferanbrüchen ist im Gelände von einem sehr unruhigen Kleinrelief verborgen...... 76 Abb. 44: Geschwindigkeitsdiagramm KVM 04. Für die Berechnung wird MP 04-00 als Fixpunkt verwendet. KV 05 überwacht den Anrissbereich des östlich benachbarten Uferanbruchs, der ebenfalls im Stirnbereich eines Kriechstroms liegt...... 76 Abb. 45: Geotechnischer Längsschnitt des Kriechstroms im Bereich von KVM 06. Aktuell ist nur der Uferbereich als staffelförmiger Anbruch und die flachgründige Hangbewegung im oberen Hangbereich aktiv. Eine postulierte, tiefer liegende Bewegungsbahn ist stabilisiert...... 78 Abb. 46: Geschwindigkeitsdiagramm KVM 06. Für die Berechnung sind zwei Fixpunkte gewählt worden. Dabei dient MP 06-03 als zweiter Stützpunkt, da der Geländebefund einen stabilen Standort ergibt. Zum Vergleich ist die Messkurve für 2002 mit MP 06-00 als einzigem Fixpunkt aufgetragen. Letztere Kurve steht für die Annahme, dass 2002 eine tiefer liegende Bewegungsbahn aktiviert wurde, die auch die Messpunkte 03 bis 10 involvierte. Dagegen steht die Erfahrung, dass Rotationsgleitungen mit hohen Bewegungsraten innerhalb der Messkette bei der verwendeten Methodik zu deutlichen Messfehlern führen können...... 79 Abb. 47: Gliederung des nordöstlichen Lahnenwiesgrabens in die Teileinzugsgebiete Brünstgraben, Herrentischgraben und Blattgraben (Nordseite der Reschbergwiesen). Eingetragen ist die Verbreitung der Kriechströme und die Lage der Konvergenzmesszüge 07, 08, 09, 10 und 11 im Brünstgraben...... 80 Abb. 48: Geomorphologische Karte des großen Schuttstroms im oberen Einzugsgebiet des Brünstgrabens. Der Graben ist in stark tonig-mergelige Kössener Schichten eingetieft, die beidseitig von Plattenkalken eingerahmt sind. Orange Linie: Verlauf des Profils aus Abb. 49...... 82 Abb. 49: Geotechnischer Längsschnitt des Schuttstroms im Bereich der Konvergenzmesszüge 07 bis 09. Neuaufnahme 2005 von W. Schädler, bearbeitet 2007 von D. Keller...... 83 Abb. 50: Die Stirn des Schuttstroms: A) linke Frontseite nach längeren Niederschlägen im September 2000. Eindrucksvoll ist der hohe Anteil an durchbewegten Kössener Tonsteinen. Die Holzbalken am Fuß sollen die Verstopfung des Straßendurchlasses verhindern. B) Situation im Dezember 2003: nach dem Murereignis 2002 ist der Brünstgraben (linke Bildhälfte) durch zwei Kastensperren verbaut worden. Der Schuttstrom wird zwischen den beiden Sperren durch einen 3 m tiefen Graben entwässert; die Sicherung der aktuellen Stirngleitung ist provisorisch. Bereits im Herbst 2002 wurde im Zuge der Straßensanierung ein Doppelrohr eingesetzt, um den Abfluss von Hochwasserereignissen fassen zu können...... 84 Abb. 51: Geschwindigkeitsdiagramm KV 07 bis 11. Die Geschwindigkeit ist logarithmisch aufgetragen. Gut zu sehen sind die Aktivierung der Stirn 2001 und das Nachrücken der folgenden Messpunkte 2002. Zone III und IV liegen außerhalb des Schuttstroms und geben die Größenordnung der aktuellen Schuttnachlieferung durch angrenzende Gleitschollen und Kriechkörper wieder...... 85 Abb. 52: Vergleich der jährlichen Aktivitätsentwicklung aller Messpunkte [%] mit den Sommerniederschlagssummen GAP und LWG und dem Jahresniederschlag GAP. Die Jahre werden von höchster zu niedrigster Aktivität sortiert. A) die Verteilung der absoluten Geschwindigkeit (analog Tab. 27B) XIV

korreliert 2002 und 2003 gut und 2004 bedingt mit den Niederschlägen; 2001 korreliert nur im Bereich der höchsten Geschwindigkeiten, verhält sich aber generell gegenläufig; B) die Verteilung der normierten Geschwindigkeit (analog Tab. 27C) zeigt, das 2001 besonders stark vom erwarteten Trend abweicht...... 89 Abb. 53: Vergleich der Geschwindigkeitsentwicklung der einzelnen Messungen mit dem Niederschlagsverlauf in GAP und im Lahnenwiesgraben. Die Geschwindigkeiten sind bezogen auf die vierjährigen Gesamtgeschwindigkeit (analog Tab. 27C) normiert und pro Messung als Mittelwert dargestellt. Beschleunigungen im Jahresverlauf sind relativ gut mit entsprechenden Niederschlagsmaxima parallelisierbar, jedoch nicht der Betrag der erreichten Geschwindigkeit...... 90 Abb. 54: Aktivitätsgrade „ruhend“, „extrem langsam“ und „sehr langsam“ der Kriechstromkörper nach CRUDEN & VARNES (1996)...... 93 Abb. 55: Aufteilung des Lahnenwiesgrabens in drei Einheiten: NW+NE kombiniert, NW und NE. Aus jedem der drei Gebiete werden 20% zufällig gewählte Rasterzellen als Trainingsgebiet verwendet (farbige Flächen). Die Validierung bzw. der Testlauf erfolgt in den übrigen 80% der Rasterzellen (weiße Flächen), bzw. in den jeweils benachbarten Gebieten NE und NW...... 98 Abb. 56: Karte der kombinierten CF+-Werte (vgl. Zwischenergebnisse in Tab. 32 und Validierung in Abb. 57)...100 Abb. 57: Validierungsdiagramm nach CHUNG & FABBRI (2003): A) random partition. Sowohl die Trefferquote als auch die Vorhersagequote im Trainings- und Testgebiet liegen bei knapp 90%. Die Verwendung von weniger Geofaktoren verändert die Quote nur um wenige Prozentpunkte. Kürzel Geofaktoren siehe Tab. 32...... 101 Abb. 58: B-E) Modellläufe mit random und space partition. Die komplementären Trainings- und Testgebiete, die durch random partition getrennt sind, sind mit der Kennung 20 (=20% Training) und 80 (=80% Test) versehen. Das durch space partition getrennte Testgebiet ist mit 100 (100% Test) markiert. Auffällig ist die bessere Performance des östlich trainierten Modells im Nordwestgebiet (C und E), vor allem bei der Verwendung weniger Geofaktoren (Definition der verwendeten Abkürzungen in Tab. 31 und Abb. 57)...... 102 Abb. 59: (A) translationsförmige Lockergesteinsgleitungen auf anstehenden Aptychenschichten als Gleitbahn. In diesem Fall wurden die Anbrüche tlw. durch Schneedruck und Schneebretter vorbereitet. (B) vorwiegend rotationsförmige Gleitung am Hang...... 105 Abb. 60: (A) Typische Lockergesteinsgleitung im übersteilten Uferbereich mit tlw. erhaltenen Gleitschollen in der Hohlform. Links davon eine bereits verheilte Anbruchnarbe (Linkes Ufer Sulzgraben, unterhalb der Querverbauungen). (B) Im Gegensatz dazu ein Uferanriss durch Hochwassererosion (Linkes Ufer Mittellauf Sulzgraben)...... 105 Abb. 61: Schemadarstellung eines rotationsförmigen Hanganbruchs in Lockergestein (A) sowie einer Hangmure mit initialer Gleitphase (B) nach CRUDEN & VARNES (1996)...... 106 Abb. 62: Darstellung des Verhältnisses Tiefe zu Länge (D/L) der kartierten Hohlformen. Nach SKEMPTON & HUTCHINSON (1969) ergeben translationsförmige Gleitungen Werte unter 0,15 und rotationsförmige Gleitungen zwischen 0.15 und 0.33. Das Diagramm zeigt, dass die im Lahnenwiesgraben angewandte Zuweisung nach vorhandener, bzw. nicht vorhandener präformierter Gleitbahn nicht mit der D/L- Nomenklatur vereinbar ist...... 108 Abb. 63: Anrissbahnen großer Ufergleitungen am Lahnenwiesgraben. (A) zeigt einen als Nackental erhaltenen Anriss, der nach dendrochronologischen Untersuchungen Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist. (B) 30 m breiter und knapp 80 cm tiefer Anriss im Uferbereich nach einer dreijährigen aktiven Bewegungsphase...... 109 Abb. 64: Oberlauf des Sulzgrabens vor und nach Errichtung der Verbauungen (Luftbildaufnahmen 1960 und 1999, Bay. Landesvermessungsamt, München)...... 109 Abb. 65: Größenordnung der Anbrüche im Lahnenwiesgraben anhand der Parameter Länge und Tiefe (Querstrich = Median, * = arithmetisches Mittel, Box = die mittleren 50% der Verteilung, Strich = Reichweite Minimum bis Maximum)...... 110 Abb. 66: Blick von der Anrisskante in die Hohlform des „Maibruchs“ vom 01.05.1997 mit randlichen Nachbrüchen und der in ein Schollenmosaik zerlegten Gleitscholle. Im Hintergrund mittig ist die östliche Abrisskante der älteren Gleitung und ihre bereits mit Erlen bewachsene Gleitscholle zu sehen. Abb. 67 zeigt eine Zeitreihe zur Entwicklung der beiden Anbrüche...... 111 XV

Abb. 67: Maibruch: Erster (östlicher) Anbruch in den Jahren 1960, 1977 und 1993 (Luftbildauswertung) mit ca. 3500 m³ / 7350 t, zweiter Anbruch in der Nacht zum 1. Mai 1997 mit 10376 m³ / 21790 t. (Luftbilder: Bay. Landesvermessungsamt München)...... 112 Abb. 68: Verteilung der Größenordnung der Lockergesteinsgleitungen anhand ihres Volumens. Zum Vergleich wird die Verteilung anhand aller erhobener Anbrüche sowie anhand der Teildatensätze aus den Zeiträumen 1996 bis 2004 bzw. vor 1996, gegliedert nach translations- und vorwiegend rotationsförmigen Gleitungen am Hang und am Ufer dargestellt. (Querstrich = Median, Kreuz = arith. Mittel, Box = die mittleren 50% der Werte, senkrechter Strich = Reichweite Minimum bzw. Maximum). Mit Ausnahme der Translationsgleitungen am Hang scheinen Anbrüche älteren Datums größer zu sein als jüngere...... 114 Abb. 69: Unterschiedene Ablagerungsarten aus Lockergesteinsgleitungen...... 115 Abb. 70: Schematische Darstellung der Steinschlagmessmethode (aus KELLER & MOSER 2002)...... 117

XVI

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Darstellung der im SEDAG-Projekt berücksichtigten Teilprozesse der Sedimentkaskade und die Arbeitsteilung zwischen den Projektpartnern...... 3 Tab. 2: Verwendete Klimadaten des Deutschen Wetterdienstes: Wetterstationen / Zeitraum / Datenkollektiv...... 5 Tab. 3: Stratigraphische Tabelle zusammengestellt nach KOCKEL et al. (1931) und SCHWERD (1996) für das Ammer- und das Wettersteingebirge...... 8 Tab. 4: Verteilung der Böden nach KOCH (2006) im gesamten Lahnenwiesgraben sowie der Fläche nördlich der Linie Stepberggraben und Lahnenwiesgraben. Sortierung nach der Häufigkeit im gesamten Gebiet...... 12 Tab. 5: Kartierte Vernässungsklassen und typische damit verbundene Geländemerkmale. In der letzten Spalte sind die entsprechenden Flächenanteile im kartierten Bereich des Lahnenwiesgrabens aufgeführt (siehe Abb. 7)...... 15 Tab. 6: Vereinfachtes Klassifikationsschema der Festgesteine nach Verwitterungsbeständigkeit. Erläuterung der Kürzel Tab. 3, S. 8...... 25 Tab. 7: Geotechnische Klassifikation der Festgesteine im Lahnenwiesgraben...... 31 Tab. 8: Beschreibung der dominanten Korngrößenverteilung und Bodeneigenschaften der Moränen...... 36 Tab. 9: Eigenschaften des Hangschutts aus Hauptdolomit. Kennwerte abgeleitet aus DIN 1055 T2 (1976)...... 39 Tab. 10: Eigenschaften des Hangschutts aus Plattenkalk. Kennwerte abgeleitet aus DIN 1055 T2 (1976)...... 40 Tab. 11: Eigenschaften des Hangschutts aus Kössener Schichten. Kennwerte abgeleitet aus DIN 1055 T2 (1976)...... 40 Tab. 12: Verwendete Quellen mit Angaben und Aussagen zur Lockergesteinsmächtigkeit...... 45 Tab. 13: Flächenhafter (horizontale Projektion) und volumetrischer (konservative Schätzung) Anteil der drei Lockergesteinshauptgruppen...... 49 Tab. 14: Flächenanteile [%] einiger Geofaktoren im nördlichen Lahnenwiesgraben und auf den Kriechstromflächen...... 60 Tab. 15: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Enningalm und auf den Kriechstromflächen. Ist das Vorkommen eines Faktors auf Kriechströmen größer als im TEZG, so korreliert er signifikant mit dem Prozess. Bei den Faktoren Hangneigung und Mächtigkeit sind zwei bzw. drei aufeinander folgende signifikante Klassen zusammengefasst worden. Im Vergleich zum gesamten nördlichen Lahnenwiesgraben ist in diesem TEZG ein erhöhter Flächenanteil flacher Hänge, Kössener Schichten und Hangschuttsedimenten vorhanden...... 62 Tab. 16: Kennwerte der Kriechströme im Messzug 12. *) Berechnet über Fixpunkt 12-00...... 65 Tab. 17: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Sulzgraben und auf den Kriechstromflächen. Die Verteilung der signifikanten Faktoren entspricht hier großteils der Verteilung im gesamten nördlichen Lahnenwiesgraben...... 66 Tab. 18: Zusammenfassung der Größe, der Neigung und der Geschwindigkeitsverteilung der einzelnen Zonen und des gesamten Kriechstroms. Nach CRUDEN & VARNES (1996) liegt die Geschwindigkeit der Zonen im very slow-Bereich. Die negativen Werte ergeben sich aus der Messung von Konvergenzen bezogen auf den Fixpunkt 13-00 im Tal...... 69 Tab. 19: Eigenschaften der Zonen in KVM 14. Ein Gesamtüberblick fasst Zonen I bis V zusammen. In Zone Ia und V befinden sich zusätzliche Gleitbewegungen, Zone VI erfasst das allgemeine Kriechen einer Bodendecke. Die hohen Bewegungsraten in Zone VI gehen primär auf akkumulierte Messfehler zurück, die primär in den Zonen Ia und V entstanden sind...... 73 Tab. 20: Eigenschaften der Zonen in KVM 04 und 05. Interessant ist der aktuell stabile Zustand der extrem vernarbten Ufereinhänge, während wenige hundert Meter bachabwärts großflächige Gleitungen in Bewegung sind...... 77 XVII

Tab. 21: Größenordnung, Durchschnittsneigung und Durchschnittsgeschwindigkeiten des Kriechstroms KVM 06 und seiner Zonen. Die negativen Werte ergeben sich aus den Verkürzungen der Messstrecken bezogen auf den Fixpunkt auf der Talseite...... 78 Tab. 22: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Staudenlahner und auf den Kriechstromflächen. Ist das Vorkommen eines Faktors auf Kriechströmen größer als im TEZG, so korreliert er signifikant mit dem Prozess. Fast alle Klassen liegen außerhalb des Erwartungshorizontes (vgl. Tab. 14, S. 61). Dies ist auf die spezielle Aufschlusssituation wie auch auf den im Text beschriebenen, jungen Schuttstrom zurückzuführen...... 80 Tab. 23: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Brünstgraben und auf den Schuttstromflächen. Ist das Vorkommen eines Faktors auf Schuttströmen größer als im TEZG, so korreliert er signifikant mit dem Prozess. Die Konzentration des Prozesses auf veränderlich festen Gesteinen sowie auf die wenigen flachen Hanganteile wird in diesem TEZG durch die tektonische Position der Kössener Schichten und ihrer morphologischen Vorgaben erzwungen...... 81 Tab. 24: Zusammenfassung der Größe, der Neigung und der Geschwindigkeitsverteilung der einzelnen Zonen und des gesamten Schuttstroms (Zone I und II). Dazu im Vergleich das Bewegungsverhalten einer Gleitscholle (Zone III) und einem Kriechgebiet (Zone IV) oberhalb des Schuttstroms, die Material für diesen bereitstellen...... 85 Tab. 25: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Herrentischgraben und auf den Kriechstromflächen. Ist das Vorkommen eines Faktors auf Kriechströmen größer als im TEZG, so korreliert er signifikant mit dem Prozess...... 86 Tab. 26: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Reschberg und auf den Kriechstromflächen. Hinzuweisen ist auf die Bedeutung der lithologischen Festgesteinsklasse „kompetent“, die den Übergangsbereich der kalkigen Kössener Schichten zu den noch mergeligen, liegenden Plattenkalken umfasst. Trotz der größeren Stabilität im Vergleich zur tonig-mergeligen Fazies enthält das Verwitterungsprodukt genug Feinkornmaterial, um in Kriech- und Fließbewegungen übergehen zu können...... 87 Tab. 27: Zusammenfassung der Geschwindigkeitsauswertung aller relevanten Messpunkte inklusive der Niederschlagsdaten der DWD-Station Garmisch-Partenkirchen und der SEDAG-Station Pflegerhütte. Für jedes Jahr ist pro Klasse der entsprechende Prozentanteil der Messpunkte aufgetragen...... 88 Tab. 28: Auswahl der Messtage, die für die saisonale Auswertung des Bewegungsverhaltens der Kriechströme verwendet wurden. Die Erstmessungen fanden im Oktober 2000 statt. Der zeitliche Versatz bei der 3. und 4. Messung um drei Monate beeinträchtigt die Interpretation...... 90 Tab. 29: Schätzergebnisse an drei Kriechströmen auf der Grundlage der Detailkartierungen und der flächendeckenden Gesamtkartierung...... 93 Tab. 30: Massenbilanz der Kriechströme. c, d: Aktivitätsklassen und Geschwindigkeiten nach CRUDEN & VARNES (1996); *) gemessener Mittelwert im Lahnenwiesgraben, laut Definition CRUDEN & VARNES (1996) liegt die Obergrenze bei 1600 mm/a; f: Massenberechnung mit Feuchtwichte = 2,1 t/m3 für ungleichförmige, mittelplastische Tone (VON SOOS 1990, S. 112f). g: Berechnung der horizontalen Massenverlagerung pro Jahr nach JÄCKLI (1957); h: Berechnung der geomorphologischen Arbeit nach CAINE & SWANSON (1989) als potentielle Energie (~ vertikale Massenverlagerung); i, j: Berechnung der spezifischen horizontalen bzw. vertikalen Transferraten im Untersuchungsgebiet (HECKMANN 2005). Angefügt sind die entsprechenden Werte (Min – Max) aus vier Jahren Lawinenbeobachtung im Lahnenwiesgraben (HECKMANN 2005)...... 94 Tab. 31: Auflistung der zur Verfügung stehenden Eingangsdatensätze. Die Daten liegen in Grids (Rasterkarten) vor. Die Inhalte sind nominale und kategoriale Werte. Die kontinuierlich berechnete Hangneigungskarte wurde nachträglich klassifiziert...... 98 Tab. 32: Teil der Ergebnistabelle für das CF-Modell im Trainingsgebiet 20% Nord mit allen zur Verfügung stehenden Geofaktoren. Gelistet sind einige der 65 Klassen, sortiert nach absteigendem CF+-Wert...... 99 XVIII

Tab. 33: Eckdaten der im Lahnenwiesgraben auftretenden Gleitungen ohne Unterscheidung zwischen Ufer- und Hanglage. Die extrem erscheinenden Minimalwerte wurden an angerissenen aber nicht vollständig stattgefundene Gleitungen gemessen...... 113 Tab. 34: Verteilung des abgeglittenen Materials des Zeitraums 1996 bis 2004 nach: Verbleib in der Anbruchsnische, dispers am Hang verteilt, Verbleib im folgenden Sedimentspeicher bzw. direkter Übergang in einen Folgeprozess (*) Am Ufer nicht unterschieden). Erläuterung der vier Kategorien in Abb. 69...... 114 Tab. 35: Massenumsatz durch Lockergesteinsgleitungen. c: Ablagerungsraum einer Gleitscholle; d: verwendeter Distanzfaktor; e: Bewegte Masse pro Jahr aus dem Datensatz 1996 bis 2004 (Umrechnung aus Volumen über eine Lockergesteinsdichte von 2,1 t/m³); f: Berechnung der horizontalen Massenverlagerung pro Jahr nach JÄCKLI (1957);. g: Berechnung der geomorphologischen Arbeit nach CAINE & SWANSON (1989) als potentielle Energie (~ vertikale Massenverlagerung); h und i: Berechnung der spezifischen horizontalen bzw. vertikalen Transferraten im Untersuchungsgebiet (HECKMANN 2005)...... 116

1 Einleitung 1

1 Einleitung

Felsstürze, Erdrutsche, Muren oder einfach zusammengefasst Massenbewegungen und Massen- transporte werden von der Öffentlichkeit oft nur als singuläre, zufällige und dann auch als katastropha- le Ereignisse in den Gebirgen wahrgenommen. Dabei sind sie als wichtige Prozesse im allgemeinen Erosionsgeschehen weit verbreitete und häufige Ereignisse im gesamten Gebirgsraum. Gleicherma- ßen zielen erste Reaktionen wie Aufräumarbeiten, Sicherungsmaßnahmen aber auch weiterführende Detailuntersuchungen und Modellierungen des Ereignisses nur auf diese eine Lokalität und diesen einen Prozess. Der viel zitierte Konflikt des steigenden Raumbedarfs in den von Massenbewegungen stark heimge- suchten Gebirgsregionen fordert dagegen weiter reichende Einblicke, die über größere Gebiete, län- gere Zeiträume eine breitere Vielfalt an möglichen Naturereignissen und deren Interaktion erfassen (KIENHOLZ 2004). Die zu diesem Zweck entwickelten Inventar-, Prozessraum- und Suszeptibili- tätskarten beinhalten Entstehungsorte aktueller und früherer Erosionsereignisse inklusive ihrer Bewe- gungsbahnen und Ablagerungspunkte sowie die Flächen, die in absehbarer Zukunft betroffen sein können (BICHLER et al. in press). Für den Wissenschaftler ergeben diese Karten bereits ein Teilbild der aktuellen Reliefentwicklung. Für das Ziel, ein vollständiges Erosions- und Transportsystem darzu- stellen, wird über die Kombination verschiedener Prozesse im Raum der Informationsgehalt deutlich erweitert. Die Implementierung der zeitlichen Abfolge und Häufigkeit, aber auch die Interaktion der Prozesse ist dagegen meist unzureichend darstellbar. Der dazu erforderliche Arbeitsaufwand ist beträchtlich, da die Untersuchung von Frequenz und Magnitude der Ereignisse ebenso wie die Eruierung bedingender und auslösender Faktoren lange Messperioden und flächendeckende Erhebungen verschiedenster Geodaten notwendig macht. Diese Forderungen sind bereits von JÄCKLI (1957) und RAPP (1960) als Resümee ihrer Arbeiten gestellt worden, die als erste das gesamte Prozessgeschehen eines definierten Einzugsgebiets inklu- sive der Massenbilanz und der damit erbrachten geomorphologischen Arbeit erfassen wollten. Doch auch die Arbeit mit deterministischen oder statistischen Modellen verlangen eine feste Datenbasis, um erfolgreich arbeiten zu können (BURTON et al. 1998). Das SEDAG-Projekt (Sedimentkaskaden in alpinen Geosystemen) der DFG greift diesen Arbeitsansatz auf. Ein besonderer Schwerpunkt ist ent- sprechend der oben genannten Forderung die Geländearbeit, die hier in zwei Wildbacheinzugsgebie- ten der Nördlichen Kalkalpen (Lahnenwiesgraben und Reintal bei Garmisch-Partenkirchen) stattfinden und von fünf Arbeitsgruppen verschiedener Universitäten durchgeführt werden (HECKMANN et al. 2002; KELLER & MOSER 2002; SCHROTT et al. 2002; UNBENANNT 2002). Die Darstellung der Interaktion von Prozessen über Raum und Zeit kann abhängig von der gewählten Perspektive verschieden gestaltet werden. Im SEDAG-Projekt wird das Modell der Sedimentkaskade verwendet.

2 1 Einleitung

1.1 Das System und das Projekt „Sedimentkaskade“

Das Modell eines Kaskadensystems (cascading system) wird sehr detailliert von CHORLEY & KENNEDY (1971) und für die speziellere geomorphologische Fragestellung von SLAYMAKER (1991) definiert. Ein Kaskadensystem beschreibt einen Energiefluss (oder auch Massenfluss) durch eine Reihe aufeinander folgender Subsysteme. Dabei ist der Output aus einem Subsystem direkt der Input in das folgende Subsystem. Der Output ist einem dem Subsystem eigenen Regulator unterworfen, der Menge, Zeitpunkt und Ort des Transfers bestimmt. Dieses Modell kann prinzipiell auf alle Maßstäbe angewendet werden, z. B. mit dem gesamten Globus als Systemrahmen mit den Ozeanen und Kontinenten als Subsystemen, oder in einem größeren Maßstab wie in dieser vorliegenden Arbeit: mit dem Einzugsgebiet des Lahnenwiesgrabens als Rah- men und den Hängen und den Gewässern als den zwei nächsten Subsystemen. Der Energie- bzw. Massenfluss in und zwischen den Subsystemen wird dabei durch verschiedene Prozesse gesteuert, die die Systeme beliefern und/oder entleeren. Dementsprechend ist auch das System „Hang“ in Sub- systeme gegliedert, die z. B. als Teileinzugsgebiete kleinerer Gerinne oder als einzelne Steilwände oder Hangmulden definierbar sind. Die in den Systemen stattfindenden Prozesse können einzeln (z. B. eine einzelne Gleitung an der Pflegeralm, Kap. 4.2, Abb. 67, S. 112) oder als Summe aller ein- heitlichen Prozesse (Lockergesteinsgleitungen der linken Talseite) aufgefasst werden.

Abb. 1: Flussdiagramm eines Kaskadensystems nach CHORLEY & KENNEDY (1971), Fig. 1.4.

Abb. 1 zeigt einen vereinfachten Ausschnitt einer Sedimentkaskade, darstellbar durch das Subsystem

Steinschlag und einem Folgesystem. Der Materialinput I1 in das Steinschlagsystem wird durch die Bereitstellung von Sturzmaterial aus der Verwitterung gesteuert. Im Subsystem steuert der Sturzpro- zess als Regulator R die Bewegungsbahn, die Reichweite und die Ablagerung der Steinschlagmasse. Diese kann dabei direkt in einen Folgeprozess gelangen, indem sie z. B. auf einem Schuttstromkörper zu liegen kommt (Output O11), oder auf der Halde am Wandfuß (Speicher S1) abgelagert werden. In diesem Fall wird das Material nach einer Zeitverzögerung weitergeben (O12) und wird z. B. durch den Anbruch einer Hangmure reaktiviert (neues Subsystem) und z. B. auch auf den Schuttstrom verfrach- tet. Allerdings muss der Output nicht komplett in das Folgesystem geleitet werden, sondern kann auch auf verschiedene andere (weitere Subsysteme) verteilt werden. Inspiriert von dieser Vorstellung ist die Sedimentkaskade im SEDAG-Projekt in Subprozesse geglie- dert worden, die je nach Spezialisierung von einer der fünf beteiligten Arbeitsgruppen bearbeitet wur- den (Tab. 1). Das Hauptziel des Projekts, das definierte Gesamtsystem zu bilanzieren und möglicher- weise zu modellieren, soll durch die Synthese aller Teilmodule vollzogen werden. Einen ersten Schritt 1 Einleitung 3 in dieser Richtung – die Kombination der Modelle von Steinschlag, Hang- und Talmuren – ist von WICHMANN (2005) in seiner Dissertation erarbeitet worden.

Tab. 1: Darstellung der im SEDAG-Projekt berücksichtigten Teilprozesse der Sedimentkaskade und die Arbeits- teilung zwischen den Projektpartnern.

Lage Subsystem Teilprozess Bearbeiter Stürzen gravitative Massenbewegun- Angewandte Geologie, Universi- Gleiten gen tät Erlangen-Nürnberg Kriechen-Fließen Physische Geographie der Lawinen Universität Eichstätt Hang Massenschurf Physische Geographie der Muren Universitäten Eichstätt und Regensburg

linearer Abtrag Physische Geographie der hangaquatische Prozesse flächiger Abtrag Universität Eichstätt Lösung Physische Geographie, Univer- Hauptgerinne Fluviale Prozesse Suspension sität Halle Geschiebe

Zwischenspeicher Physische Geographie, Univer- gesamtes Einzugsgebiet Speicher Endspeicher sität Bonn

1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

Das Kernthema der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung von drei Massenbewegungsprozessen - Kriechen-Fließen und Gleiten von Lockergesteinen und Stürzen von Festgesteinen im Lahnen- wiesgraben (LWG) bei Garmisch-Partenkirchen (GAP) in den Nördlichen Kalkalpen. In Anlehnung an das übergeordnete Forschungsprojekt bestanden die besonderen Herausforderungen in der flächen- deckenden Erhebung aller Daten aufgrund der späteren Auswertung und Modellierung in GIS (MANI 1991), sowie die spezielle Berücksichtigung aller Aspekte im Rahmen des Kaskadenmodells, d. h. der Unterscheidung des Entstehungs-, Transfers- und Akkumulationsbereichs inklusive der entsprechen- den Massenanteile. Des Weiteren konnten einzelne Modelle zur Disposition der Prozesse angewen- det und diskutiert werden. Die Präsentation der Ergebnisse wird folgendermaßen gegliedert. Im anschließenden Kapitel 2 wird das Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben vorgestellt, wobei alle nötigen verfügbaren Daten, die später auch in die Modellierung eingehen werden, entsprechend ihrer Erhebung und ihrer Verwaltung in GIS aufgeschlüsselt werden. Ebenso wird auf die Urheber, speziell der SEDAG-Partner hingewie- sen. Kapitel 3 vervollständigt inhaltlich Kapitel 2, enthält jedoch die selbst erhobenen Daten zur Geologie und Geotechnik der Fest- und Lockergesteine. Entsprechend wird auf die Methodik der Kartierung und der Regionalisierung eingegangen. Kapitel 4 richtet sich auf die untersuchten Massenbewegungen. Neben der Vorstellung des aktuellen Forschungsstandes widmet sich ein Großteil des Kapitels den Ergebnissen der Kartierungen und der Vermessungen, wobei dem Prozess des Lockergesteinskriechens die größte Aufmerksamkeit zu Teil wird. Nur für diesen Prozess wird das Vorgehen der Massenbilanzierung und der Dispositionsmodel- 4 1 Einleitung lierung erschöpfend beschrieben. Die Prozesse Gleiten und Stürzen werden in kurzen Zusammenfas- sungen vorgestellt. Die im Reintal (RT) und Lahnenwiesgraben erhobenen Daten zu Sturzprozessen werden in dieser Arbeit komplett ausgeklammert, da es zum einen den Rahmen einer Dissertation sprengen würde, zum anderen in wichtigen Aspekten von weiteren Mitstreitern vorangetrieben worden sind (KRAUTBLATTER 2003; POPPEL 2003; KRAUTBLATTER & MOSER 2005)

1.3 Verwendete Unterlagen

Digitales Höhenmodell (DHM)

Ein wichtiges Instrument zur Darstellung und Modellierung ist das Digitale Höhenmodell (DHM). Die für die Interpolation des DHMs des Lahnenwiesgrabens verwendeten Höheninformationen entstam- men der fotogrammetrischen Gebirgsauswertung des Bayerischen Landesvermessungsamtes (Maß- stab 1:10000, amtliche Geodaten des Bay. LVA, Nutzungserlaubnis vom 09.03.2001, Az.: VM 1-DLZ- LB-0628). Die Genauigkeit liegt damit unter dem bei der Kartierung erzieltem Maßstab von 1:5000. Unterschiede machen sich primär durch die Verwischung morphologischer Strukturen besonders unter Wald bemerkbar sowie in der häufig beschriebenen Reduzierung der berechneten Hangneigung im Vergleich zu den Feldmessungen (Verflachungseffekt nach JÄGER 1997, S. 37). Besonders am Ufer liegt die Abweichung > 5° bei über 80% (n = 257; am Hang bei 50% mit n = 281; Messpunkte entsprechend der Erhebung der Lockergesteinsrutschungen Kap. 4.2). Da diverse Datensätze aus anderen Quellen wie z. B. die Vegetation ebenfalls in kleineren Maßstäben vorliegen, ist der Effekt bei der späteren Modellierung zu verkraften. Weitere Effekte auf die Modellierung werden in Kap. Dispositionsmodellierung, S. 102 diskutiert. Die Größe des Arbeitsgebiets wurde auf der Grundlage dieses Höhenmodells abgeleitet. Sämtliche Karten der Geofaktoren sind auf das so ermittelte Einzugsgebiet zugeschnitten worden (vgl. WICHMANN 2005, Kap. 3.2 Geodaten).

Topographische Karten

Zusätzlich zu den aus dem DHM generierten Karten stehen die offiziellen Topographischen Karten 1:25000 Blatt 8432 Oberammergau und 1:50000 Karwendelgebirge, Werdenfelser Land des Bayeri- schen Landesvermessungsamts zur Verfügung. Lokalnamen und detaillierte Informationen zu Wald- wegen und Waldgrenzen stellte das Forstamt Garmisch-Partenkirchen im Maßstab 1:10000 zur Ver- fügung, basierend auf der fotogrammetrischen Gebirgsauswertung von 1966 des Bayerischen Lan- desvermessungsamts.

Luftbilder und Orthofotos

Für das SEDAG-Projekt wurden zentral Bilder der Befliegungen von 1960 und 1999 beschafft. Diese lagen sowohl als stereographische Luftbilder als auch als Orthofotos vor (Nutzungserlaubnis vom 09.03.2001, Az.: VM 1-DLZ-LB-0628).

Daten des Deutschen Wetterdiensts

Für das SEDAG-Projekt standen mehrere Messstationen mit ihren Daten zur Verfügung. Diese wur- den als Exceltabellen geliefert und enthalten Tageswerte des Niederschlags (fest und flüssig), der Temperatur und der Schneehöhen (Schneedecke gesamt und Neuschneehöhe). Weitere Daten wur- 1 Einleitung 5 den in dieser Arbeit nicht verwertet, auch wenn sie zugänglich waren. Tab. 2 fasst die verwendeten Klimadaten des Deutschen Wetterdiensts zusammen. Die Lage der Messstationen ist aus Abb. 2 zu ersehen.

Tab. 2: Verwendete Klimadaten des Deutschen Wetterdienstes: Wetterstationen / Zeitraum / Datenkollektiv.

Station von bis Stationsnr. Höhe [m NN] Temperatur Niederschlag Schneehöhe Neuschnee Garmisch-Partenkirchen (WST) 4156 719 01.01.1951 31.12.2004 X X X X Garmisch-P., Kreuzeckhaus 92032 1652 01.11.1984 30.11.1987 X X Garmisch-P., Eckbauer 92035 1236 01.11.1984 30.11.1987 X X Grainau, Eibsee 92026 1010 01.11.1984 31.12.2004 X X Zugspitze (WST) 4155 2960 01.08.1900 31.12.2004 X X X X 6 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben 7

2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnen- wiesgraben

Der Lahnenwiesgraben bietet verschiedene Aspekte, die ihn für die Untersuchung einer Sedimentkas- kade bzw. von Teilen davon prädestinieren. Die geschlossene Gratlinie der umgebenden Berge um- rahmt quasi ein geschlossenes System, in dem der Stofftransport fast vollständig innerhalb der Ein- zugsgebietsgrenzen stattfindet und über das Hauptgewässer das System verlässt. Einzig der Ein- und Austrag von Wasser und gelösten Stoffen über Karstsysteme sind als größere Leckagen zu beachten.

2.1 Geographische Lage

Das Tal selbst ist reich an morphologischen Strukturen, die deutlich von der Lithologie und der Tekto- nik geprägt sind. Diese wurden während der Eiszeit durch die Vergletscherung verstärkt. Die holozä- nen Erosionsformen bestimmen verstärkt an Gerinnen das neue Landschaftsbild.

Abb. 2: Lage der Arbeitsgebiete Lahnenwiesgraben und Reintal (rot markiert) und der verwendeten Wetterstatio- nen des Deutschen Wetterdienstes (verändert nach HECKMANN 2005).

Die folgenden Kapitel beschreiben das aktuelle Bild, d. h. die primären Vorgaben durch die Geologie (Kap. 2.2), die Bodenbildung (Kap. 2.3) und die Morphologie (Kap. 2.4) sowie die sich daraus erge-

8 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben bende Hydrogeologie (Kap. 2.5) und Vegetation (Kap. 2.6). Das Klima als Energie- und Wasserliefe- rant wird als Motor der Sedimentkaskade in Kap. 2.7 detailliert besprochen. Da das südliche Kramermassiv sehr unzugänglich ist und das dort vorhandene Prozessgeschehen deutliche Unterschiede zum restlichen Lahnenwiesgraben zeigt, sind in diesem Talabschnitt nicht alle Daten in der gleichen Güte erhoben worden. Dies ist an den entsprechenden Stellen vermerkt. Der Lahnenwiesgraben liegt nordwestlich von Garmisch-Partenkirchen (Oberbayern) an der Südost- ecke des Ammergebirges. Begrenzt durch das Loisachtal befindet er sich in direkter Nachbarschaft zum südlichen Wettersteingebirge und dem östlich gelegenen Estergebirge. Burgrain als die nächste Ortschaft befindet sich direkt östlich am Ausgang des Tales (Abb. 2). Südlich davon, zu Füßen des Kramermassivs, liegt Garmisch-Partenkirchen, das auch Sitz der kommunalen Verwaltung und der zuständigen Forstdirektion ist. Das Einzugsgebiet des Lahnenwiesgrabens bis zum Pegel Burgrain (Anhang 6.1-1) liegt zwischen den Längskoordinaten (Gauß-Krüger) 4425100 und 4432100 sowie den Hochwerten 5263500 und 5267700 und umfasst eine Fläche von ca. 16,5 km². Das Tal ist in Längsrichtung West-Ost orientiert und ca. 7 km lang und misst in Nord-Süd-Richtung zwischen 2 und 3 km.

2.2 Geologie und Tektonik

Im Rahmen der alpinen Geologie ist der Lahnenwiesgraben den Nördlichen Kalkalpen zuzurechnen, die zugleich die Front der Ostalpinen Decke bilden. Das Alter der Gesteine reicht von der unteren Trias (Anis) bis zur unteren Oberkreide (Turon). Im Lahnenwiesgraben sind Gesteine der Obertrias bis zur Jura-Kreide-Grenze aufgeschlossen (Tab. 3, Abb. 4, Anhang 6.1-4), die ohne Lücken von einer Riff- und Lagunenfazies (Dolomite und Kalksteine) in eine pelagische Beckenfazies (Kalk-, Kiesel- kalk-, Mergel- und Tonsteine) übergehen (KOCKEL et al. 1931). Aus diesem Grund gibt es keine scharfen Faziesgrenzen, die einen eindeutigen Wechsel zwischen aufeinander folgenden Einheiten angeben. Eine tiefer gehende Beschreibung der Stratigraphie ist in Kap. 3.1 zu finden.

Tab. 3: Stratigraphische Tabelle zusammengestellt nach KOCKEL et al. (1931) und SCHWERD (1996) für das Ammer- und das Wettersteingebirge.

System Stufe Schicht (Kürzel der Geologischen Karte) Dominierender Gesteinstyp Kreide Neokom Neokom (bunte) Aptychenschichten dichte, reine Kalksteine

Weiße und bunte Aptychenschichten (w) dichte, reine Kalksteine, z. T. kieselig Malm

Radiolaritserie (Bunte Hornsteinschichten) (wh) stark kieselige Kalk- und Hornsteine

Jura Dogger Doggerkalk (bk) Kalkstein, z. T. stark verkieselt Wechselfolge von Kalksteinen und Kiesel- Fleckenmergel (Allgäuschichten) (lf) kalksteinen mit Mergel- und Tonsteinein- Lias schaltungen Wechselfolge von Kalk-, Mergel- und Rät Kössener Schichten / Oberrätkalk (k) Tonsteinen Plattenkalk (pk) Kalkstein, z. T. Dolomit im Liegenden Nor Trias Hauptdolomit (hd) Dolomit Wechselfolge Sandstein, Dolomit, Kalk-, Karn Raibler Schichten Mergelstein und Rauwacke Ladin Wettersteinkalk / Partnachschichten Kalksteine und Dolomite 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben 9

Die Kreidezeit bedeutet für den Ablagerungsraum des Oberostalpins insbesondere Hebungen und Bruchbewegungen, an deren Rändern sich Flysch- und Molassebecken des sich erhebenden Alpeno- rogens bilden. Den Höhepunkt der Bewegung erreicht die Einheit im Eozän bis mittleren Oligozän, der mit dem Transport des Sedimentpakets über die Zentralalpen und die Überschiebung des nördlichen Molassebeckens endet. Die Folge sind Brüche, Auf- und Abschiebungen und Faltung der Gesteinsse- rien. Die Nördlichen Kalkalpen werden dadurch in tektonische Teileinheiten (MILLER 1963; "gebunde- ne Tektonik" nach GWINNER 1971) zerlegt. Der Lahnenwiesgraben wird in diesem Zusammenhang zur Lechtal-Einheit gerechnet (LINKE 1963; KUHNERT 1967). Die heutige Situation zeigt eine Muldenstruktur entlang des Lahnenwiesgrabens mit einer nach Osten tauchenden und W-E streichenden Muldenachse, die im Osten jenseits der Loisach ihre Fortsetzung in der Krottenkopfmulde findet. Im Süden liegt der Sattel der Kramer-Ofenberg-Masse (Fortsetzung des Wamberger Sattels) entlang einer Überschiebungsbahn auf dem Muldenschenkel, während der nördliche Oberauer Sattel entlang einer steil nach Süden fallenden Störung anschließt Die jüngsten Schichten im Kern der Lahnenwiesmulde stammen aus dem Oberen Jura. Schon außer- halb des Arbeitsgebiets sind im Westen noch die untersten Schichten der Unterkreide von der Erosion verschont geblieben. Der nördliche Muldenschenkel ist senkrecht zum Streichen leicht gewellt. Etwa in der Mitte des Tals auf Höhe des Herrentischs ist die Mulde senkrecht zum Streichen nach oben gewölbt, sodass dieser Bereich zudem von weiteren Störungen und abweichenden Streichwerten begleitet wird. Der Kontakt zu den angrenzenden Sätteln ist jeweils durch nach Süd fallende Überschiebungsbahnen abgeschnit- ten. Während dies im Norden zum Oberauer Sattel durch eine einfache, steile Aufschiebung ge- schieht, ist die Situation im Süden etwas komplizierter. Die Osthälfte des Kontakts zur Kramer- Ofenberg-Masse, die als südlicher, allerdings liegender Sattel betrachtet wird (KUHNERT 1967), fällt flach bis eben nach Süden ein. Nach Westen hin versteilt sich die Störungsbahn auf ungefähr 70° (LINKE 1963). Als Ursache wird das Auftauchen der Muldenachse - und damit verbunden der nori- schen Dolomite und Kalksteine - angesehen, die als kompetentes Widerlager eine Überschiebung der

Abb. 3: Geologische Querprofile über den westlichen Lahnenwiesgraben mit Stepberg- und Enningteilmulde und das östliche Tal mit Kramerüberschiebung (aus KUHNERT 1967).

10 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben

Mulde verhindern. Als Ausgleich dazu ist der südliche Muldenschenkel zuerst in zwei Teilmulden zerlegt (Stepberg- und Enningteilmulde) und anschließend entlang des Zwischensattels aufgeschuppt worden (Abb. 3, Tektonische Karte Anhang 6.1-6 und Anhang 6.1-7). Dieser tektonische Bau spiegelt sich in der Morphologie des Lahnenwiesgrabens wider (Kap. 2.4). Mit den Fernmoränen der Würmeiszeit beginnt im Pleistozän die jüngste nachzuweisende Sedimen- tation. Der Gletscherstrom von Leermoos umschließt den Lahnenwiesgraben von Süden und Osten im Loisachtal und von Westen her über den Gletscherfluss im Elmautal. Das Eis drückte dabei primär von Osten über Burgrain in den Lahnenwiesgraben. Es wird jedoch auch von Transfluenzen über die Stepberg- und Enningalm ausgegangen (KLEBELSBERG 1913/1914). Reste der Fernmoränen sind im Lahnenwiesgraben als Schuttschleier bis über 1580 m nachzuweisen (LINKE 1963, S. 102 und diese Arbeit) und sind mit größeren Mächtigkeiten zumeist in der Talsohle vorhanden. Nach den Ma- ximalstadien der Würmvereisung entwickeln sich an der Kramernordseite Lokalvergletscherungen, deren Reste als Hauptdolomitmoränen an den Karschwellen und den darunter liegenden Hängen zu finden sind. Beim Abschmelzen der Gletscher versperrt der Hauptstrom des Loisachgletschers einen direkten Ausfluss aus dem Lahnenwiesgraben, sodass spätglaziale Schotterterrassen und Stausedi- mente den Kessel der Reschbergwiesen füllen. Die postglaziale Sedimentation mit der Bildung von fluvialen Terrassen, Hangschuttdecken, Bachkegeln und Sturzschutthalden setzt spätestens mit dem Holozän ein (LINKE 1963). Die dazugehörigen Karten sowie ausführliche Beschreibungen zur Litholo- gie und Fazies der Fest- und Lockergesteine werden in Kap. 3 dargestellt.

Abb. 4: Amtliche Geologische Karte des Lahnenwiesgraben nach KUHNERT (1967), Ausschnitt Blatt 8432 Ober- ammergau, digitalisiert V. Wichmann (2002). 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben 11

2.3 Böden

Für das SEDAG Projekt wurde eine detaillierte Bodenkarte sowohl für den Lahnenwiesgraben als auch das Reintal erstellt (KOCH 2006). Im Lahnenwiesgraben sind 12 Bodentypen unterschieden worden, die in ihrer Variabilität, Art und Entwicklung von der anstehenden Geologie und dem Relief abhängen. Weitflächig einheitliche Bodendecken bilden sich besonders auf steilen Hängen direkt über anstehendem Fels. Hier sind auch die am wenigsten entwickelten Böden vorhanden. Je flacher das Terrain wird und je häufiger mächtige Moränen und glaziale Schotter den Boden unterlagern, desto reifer werden die Böden und desto heterogener wird die Typenverteilung. Parallel dazu wird der Grund- und Stauwassereinfluss bedeutsamer (Abb. 5, Anhang 6.1-8).

Abb. 5: Bodenkarte des Lahnenwiesgrabens, KOCH (2006).

Aufgrund der Häufigkeit sind die Rohböden und Rendzinen auf den steilen Hauptdolomit- und Platten- kalkhängen hervorzuheben (jeweils über 35%, vgl. Tab. 4). Mit jeweils über 5% Flächenanteil folgen die Rendzina-Braunerden und Braunerden, gekoppelt an flache und feuchte Hänge, häufig über glazi- alen Schottern und Kössener Schichten entwickelt. Weitere Bodentypen spiegeln das unruhige Relief, den Einfluss der Erosion und Ablagerung (Kolluvien) und der weit verbreiteten Nässezonen wieder (Gleyböden). In Anlehnung an diese Karte sowie mit Hilfe des DHM und den von ihr durchgeführten Infiltrationsver- suchen wurden von HENSOLD (2002) in GIS die Durchlässigkeitsbeiwerte der Böden interpoliert. Damit sind bereits erste Ableitungen und Aussagen zu den Eigenschaften der vorhandenen Locker- gesteine des Lahnenwiesgrabens möglich (Kap. 3.2).

12 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben

Tab. 4: Verteilung der Böden nach KOCH (2006) im gesamten Lahnenwiesgraben sowie der Fläche nördlich der Linie Stepberggraben und Lahnenwiesgraben. Sortierung nach der Häufigkeit im gesamten Gebiet.

BODEN Häufigkeit [%] LWG gesamt Häufigkeit [%] LWG nördlicher Teil Rohboden 39.52 26.96 Rendzina 35.26 40.35 Rendzina-Braunerde 7.92 9.40 Braunerde 5.61 7.51 Braunerde-Kolluvium 2.77 3.64 Gley 2.73 3.50 Gley-Kolluvium 2.67 3.63 KVL-Kolluvium 1.79 2.45 Braunerde-Pseudogley 0.88 1.21 Rendzina-Gley 0.63 0.82 Pseudogley 0.12 0.11 Parabraunerde 0.08 0.01

2.4 Morphologie und Topographie

Die großräumige Morphologie des Lahnenwiesgrabens folgt dem geologischen Streichen und der tektonischen Muldenform (siehe auch Kap. 2.2) in W-E-Richtung und weniger auffällig den vorhande- nen Störungszonen (vergleiche Anhang 6.1-1 und Anhang 6.1-6). Im Süden beherrscht das Kramermassiv als schroff und steil aufragender Bergstock das Tal. Er be- ginnt im Osten mit der senkrecht aufragenden Seleswand und steigt nach Westen zum Hauptgipfel der Kramerspitze mit 1985 m NN an und fällt langsam entlang eines scharfen Grats zur Stepbergalm (1590 m NN) ab und endet im Tal der Elmau. Die Zerlegung des westlichen Massivs in zwei Teil- schuppen äußert sich durch die Gabelung des Tals in den südlichen Stepberggraben (Stepbergteil- mulde) und den nördlichen Sulzgraben (Enningteilmulde), der die direkte Verlängerung der Lahnen- wieshauptmulde darstellt. (vgl. Abb. 3, bzw. Anhang 6.1-7). Der Sporn des Hirschbühels (1934 m) ist als reliktischer Faltensattel dazwischen erhalten. Obwohl er vorwiegend aus jurassischen Gesteinen aufgebaut ist, erscheint er ähnlich steil, wenn auch weniger schroff als der Kramer selbst. Über den Sattel der Enningalm bei 1551 m NN steigt das Gelände nach Norden zum Gipfel des Windstierlkopfs (1824 m) an. Von hier aus bildet die Gratlinie über die Gipfelkette Vorderer Felderkopf (1928 m), Gro- ßer Zunderkopf (1895 m) und Brünstelskopf (1814 m) und Schafkopf im Osten (1380 m) die Nord- grenze des Tals. Dabei folgt der Südhang des Tals mit seinen sanft steiler werdenden Hängen dem geologischen Streichen und Fallen. Steile und schroffe Hauptdolomithänge und -türme am mittleren Nordgrat markieren im Relief den Störungsverlauf, mit dem der Hauptdolomit und Plattenkalk des Oberauer Sattels an die Lahnenwiesmulde stößt. Zum Loisachtal im Osten verläuft die Grenze über die Erhebungen des Schafkopfs, des Grubenkopfs (960 m), der Klamm des Lahnenwiesgrabens zur Anhöhe des Schlosswalds bei 880 m ü. NN. Den tiefsten Punkt des Arbeitsgebiets und gleichzeitig den Auslass der betrachteten Sedimentkaskade bildet der Pegel Burgrain auf 705 m. Die beschriebe- ne Situation kann in der Karte Anhang 6.1-1 nachvollzogen werden. Prinzipiell hat der eiszeitliche Gletscherschurf die tektonischen Vorgaben weiter herauspräpariert, indem er Kanten und Höckern zu weichen und runden Formen verholfen hat. Oberhalb der ange- nommenen Eishöhe am Brünstelskopf und Kramer (ca. 1500 m NN) sind die Gipfelregionen und 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben 13

Wände deutlich schroffer und gegliederter erhalten. Die Kare an der Kramernordseite (u. a. Kuhkar und Roßkar) und die Buckelwiesen der Reschbergwiesen sind weitere glaziale Formen. Die jüngste morphologische Entwicklung zeigt der Lahnenwiesgraben im Mittel- und Unterlauf, wo er bereits bis zu 40 m tiefe Klammen geschaffen hat. Die weitere holozäne Reliefentwicklung durch Erosion und Akkumulation ist dagegen sehr kleinräumig und heterogen angelegt. Häufigere Formen sind Rinnen und Runsen im Hauptdolomit sowie größere Sturzschutthalden unter Hauptdolomitwän- den. Viele Hänge sind zusätzlich durch Murgänge eingeschnitten worden, an deren Fuß entsprechend Mur- und Schwemmkegel liegen. Der Schwemmkegel des Lahnenwiesgrabens, der bereits außerhalb des Arbeitsgebiets liegt, ist einer der größten im Loisachtal. Die Dynamik bei seiner Entstehung durch Hochwässer und Muren war entscheidend für die intensive Verbauung des Wildbachs. Kleinreliefformen sind im Zuge der Prozesskartierungen erhoben worden und werden vor allem durch die rezenten Abtragungs- und Ablagerungsprozesse geschaffen. Nähere Beschreibungen dazu sind in den Kapiteln Kap. 3.2.4 und Kap. 4 zu finden, sowie ein Beispiel aus der erstellten geomorphologi- schen Karte in Abb. 48, S. 82 aufgeführt. Für das Projekt wurde ein digitales Höhenmodell (DHM) aus der fotogrammetrischen Gebirgsauswer- tung, Maßstab 1:10000, hergestellt. Grundlage dafür war ein vektorisierter Punktdatensatz der digitali- sierten Höhenlinien. Die daraus berechnete Rasterweite von 5x5 m wurde gewählt, um einen Raster- bezug zu den höher aufgelösten Daten der Luftbildinterpretation und der Kartierung herzustellen. Diese Auflösung entspricht nicht der realen Genauigkeit des Höhenmodells (vgl. WICHMANN 2005). Abweichungen des Höhenmodells sind bei starken Reliefwechseln bzw. in Waldgebieten und abge- schatteten Zonen vorhanden. Allgemein machen sich Abweichungen zwischen Modell und Gelände durch die Verwischung morphologischer Strukturen besonders unter Wald bemerkbar sowie in der häufig beschriebenen Reduzierung der berechneten Hangneigung im Vergleich zu den Feldmessun- gen (Verflachungseffekt, siehe JÄGER 1997, S. 37). Anhand des Vergleichs gemessener zu berech- neter Hangneigungen in Abb. 6 ergeben sich am Ufer Abweichungen > 5° in 80% der Fälle (bei n = 257) sowie am Hang bei 50% (bei n = 281). Dennoch wird die Qualität des Höhenmodells als völlig ausreichend angesehen, da in Anbetracht der Vielfalt der Datenquellen, der Datenarten und der häufig

100 100 DHM Kartierung DHM Kartierung 80 80

60 60

40 40

20 20 Anzahl Messpunkte (n = 221) = (n Messpunkte Anzahl Anzahl Messpunkte (n = 261) (n = Messpunkte Anzahl

0 0

5 10152025303540455055606570 5 10152025303540455055606570

Hangneigungsbereich Hangneigungsbereich

Abb. 6: Vergleich der im Bereich von Lockergesteinsgleitungen berechneten bzw. gemessenen Hangneigungen (blau = Uferbereich, rot = Hangbereich). Die Verteilung der Messpunkte kann anhand der Anbruchskarte in Anhang 6.6-2 verfolgt werden. Besonders der Uferbereich wird durch das DHM zu flach abgebildet. durchgeführten Regionalisierungen keine durchgehende, hochauflösende Datenqualität erhalten bleiben kann. Das Höhenmodell sowie die daraus abgeleitete Hangneigung (slope) sind im Anhang 6.1-2 und Anhang 6.1-3 abgebildet.

14 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben

2.5 Hydrogeologie

Der Lahnenwiesgraben gehört zum Gewässernetz der Donau, zu der er über die Loisach und die Isar entwässert. Der Hauptbach selbst entsteht am Zusammenfluss des Sulzgrabens und des Step- berggrabens im oberen Drittel des Einzugsgebiets. Weitere größere und permanent Wasser führende Bäche sind an der linken Talseite der Fleckgraben, der Brünstgraben, der Herrentischgraben und der Blattgraben, sowie an der rechten Seite der Rote Graben, der Hirschbichlgraben und die Neuweidlah- ne (Abb. 7, Anhang 6.1-12).

Abb. 7: Hydrogeologische Karte mit Quellen, Karstquellen, Versickerungen, Gerinnen und Vernässungszonen. Quelle: Kartierungen BÜCH (2003), FLEISCHER (1999), KELLER (diese Arbeit), SCHÄDLER (2004).

Aufgrund Gefälle, Querschnitt und Erosionspotential sind sie als Wildbäche einzustufen (KARL & MANGELSDORF 1976). Das Abflussverhalten im Einzugsgebiet hängt deutlich von der Verbreitung der geologischen Einheiten ab. Flächen auf Plattenkalk (entlang der Nordflanke des Tals und am Südhang des Hirschbühels) entwässern primär über Karsthohlräume (FISCHER 2002, S. 671) und sind daher meist trocken und selten von Gerinnen durchzogen, die dann nur episodisch Wasser füh- ren (Kap. 3.1.2). Weniger karstfähig ist der Hauptdolomit, auf dem sich durch seine engständige Klüf- tung ein dichtes Netz periodische Wasser führender Runsen eingetieft hat. Diese können auf dem steilen Gefälle sehr schnell zu murfähigen Wildbächen anschwellen (Kap. 3.1.1), wie es z. B. am Herrentisch und in den Karen des Kramers zu beobachten ist. Im Gegensatz zu den Kalken und Dolomiten verhindern die kieseligen Kalke der Jurafolgen einen schnellen unterirdischen Abfluss der Niederschläge. Deren Vorkommen in Talnähe, die Bedeckung mit bis zu 1 m mächtigen Verwitterungsschuttdecken in Kombination mit dichtem Waldbestand haben ganzjährig feuchte Böden und Wasserführung in den Gerinnen zur Folge (Kap. 3.1.4). 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben 15

Die Kössener Schichten sind hydrogeologisch sehr schlecht bis nicht Wasser leitend (Kalk-Mergel- Tonstein-Wechselfolgen). Aufgrund des hohen Anteils an Ton und Schluff in den Mergeln und Ton- steinen, treten über dieser Einheit charakteristische Vernässungszonen, Feuchtwiesen und Moore auf. Diese Situation wird durch die tektonische und morphologisch bedingte Lage der Kössener in Mulden- zonen begünstigt, die ganzjährig mit Wasser aus den Schicht- und Karstquellen der gipfelbildenden Plattenkalke gespeist werden. Entsprechend sind die Wasserläufe auf Kössener Schichten stets Was- ser führend (Kap. 3.1.3). Ähnliche Auswirkung auf den Oberflächenabfluss hat das Vorkommen mäch- tiger Moränendecken (Kap. 3.2.1). Entsprechend dieser Eigenschaften ergeben sich Zonen, die sich im gesamten Jahresverlauf deutlich in ihrem Vernässungsgrad unterscheiden. Diese wurden in An- lehnung an die Vernässungsklassen von VARNES (1978) in vier Kategorien eingeordnet und kartiert und stellen gleichsam den potentiellen Wassergehalt bzw. die Verteilung der Vernässungsgrade in Zeiträumen normaler Witterung dar. In Tab. 5 sind die Unterschiede zwischen den Vernässungsstufen mit den verwendeten Nässezeigern aufgeführt, die die Grundlage der Karte in Abb. 7 bilden.

Tab. 5: Kartierte Vernässungsklassen und typische damit verbundene Geländemerkmale. In der letzten Spalte sind die entsprechenden Flächenanteile im kartierten Bereich des Lahnenwiesgrabens aufgeführt (siehe Abb. 7). trocken - bodenfeucht Wechselhaft trocken bis bodenfeucht; Gräser, Krummholz, Fichten; Bodendecke gering 20% (dry) mächtig; steile Hanglagen; häufig unterlagert von Plattenkalk (Karst!) Ganzjährig bodenfeucht; saftige Wiesen, Mischwälder; mächtigere Lockergesteinsdecke feucht (moist) 39% über kompetentem Festgestein Ganzjährig nass; Lockergesteinskonsistenz ist weich; Auftreten von Nässezeigern wie nass (wet) Binsen, Seggen; höhere Bioproduktion; mächtigere Lockergesteinsdecken über Moräne 31% und tonig-mergeligen Festgesteinen Ganzjährig wassergesättigt; Oberflächenwasser, Sickerwasser; Nässezeiger stark vertreten vernässt (very wet) wie Binsen, Seggen, Pestwurz, Schachtelhalme; Tonstein-Mergel-Folgen und Moräne 10% immer im Untergrund

2.6 Vegetation

Da die Vegetation in unterschiedlicher Weise auf die Stabilität der Lockergesteinsdecke und die hyd- rologische Wasserbilanz einwirkt, wurde sie im Projekt aus Luftbildern und Orthofotos (Befliegung 1993 und 1999) digitalisiert (WICHMANN 2005). Insgesamt sind sechs Bedeckungstypen unterschie- den worden (Abb. 8, Anhang 6.1-13). Dabei entspricht die Klasse „Mischwald“ der Stufe der submon- tanen bis montanen Buchenwälder inklusive der montanen Mischwälder aus Tannen, Fichten und Buchen (bis ca. 1500 m). Die subalpinen und montanen Fichtenwälder (bis ca. 1800 m) werden durch die Kategorie „Nadelwald“ vertreten, während „Krummholz“ das subalpine Bergkiefern-Krummholz (nach KLINK & SLOBODDA 2002, S. 187) bezeichnet. Unregelmäßigkeiten im Verlauf der Vegetati- onsstufen sind abhängig von der Exposition der Hänge (Mikroklimate) und der Verbreitung der geolo- gischen Einheiten und Böden, die z. B. an der Kramernordseite zur talwärtigen Verschiebung der Grenzlinien führen. Zusätzliche Störungen verursachen natürliche Ereignisse (z. B. Lawinen, Muren, Schuttströme, Kriechbewegungen) oder anthropogene Eingriffe (Forst- und Weidewirtschaft). In die- sen Fällen ersetzen Pioniergesellschaften oder Wiesen und Sträucher den potentiellen Waldbewuchs.

16 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben

Abb. 8: Vegetationskarte mit sieben Bedeckungstypen. Quelle: Luftbilder der Befliegung von 1993 und 1999, Bay. LVA, Wichmann (2005).

Die Vegetationskarte wird in dieser Arbeit bei der stochastischen Modellierung Verwendung finden, indem eine Korrelation der Massenbewegungen mit der Vegetation gesucht wird. Als Manko hat sich dabei die vergleichsweise schlechte Qualität der Orthofotos von 1993 herausgestellt, die als Digitali- siergrundlage verwendet wurde. Auf diese Weise sind Lichtungen und Wiesen, die nur spärlichen Baumbestand aufzeigen, als Wald kartiert worden. In deterministischen Modellen kann die Vegetation über die verschieden wirksamen Wurzelkräfte als stabilisierender Faktor zu den haltenden Kräften addiert werden oder als ein weiterer steuernder Parameter zur Berechnung hydraulischer Effekte eingeführt werden.

2.7 Klima und Wetter

Die Betrachtung des Klimas ist für das Verständnis der Sedimentkaskade unumgänglich. Langfristig gesehen kann die Verlagerung einer Klimazone ein völlig neues Kaskadenregime verursachen (BRUNSDEN & THORNES 1979). Mittelfristig sind aus den Klimadaten, speziell aus den Komponen- ten Temperatur und Niederschlag, die Größenordnung des durchschnittlichen Inputs an Energie und Wasser in ein System abzulesen. Jährlich bis täglich aufgelöste Daten können direkt mit einzelnen Kaskadenvorgängen verknüpft und als Schwellenwerte verwendet werden. Für diesen Zweck ist je- doch neben den Wetterdaten ein gleichermaßen dichtes Messnetz für Kaskadenprozesse notwendig. Vom Deutschen Wetterdienst stehen die Daten mehrerer Stationen zur Verfügung, wobei die Statio- nen Nr. 4156 Garmisch-Partenkirchen und Nr. 4155 Zugspitze aufgrund der Nähe zum Arbeitsgebiet und wegen der langjährigen, meist lückenlosen Messreihen vorzugsweise verwendet werden. Für 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben 17 weitere Analysen (siehe Anhang 7.2) wurden zudem die Stationen Grainau-Eibsee (1010 m NN), GAP-Kreuzeckhaus (1652 m NN) und GAP-Eckbauer (1236 m NN) verwendet (Abb. 2). Für die Erfas- sung der lokalen Variationen in den Arbeitsgebieten betreibt die SEDAG-Arbeitsgruppe Eichstätt im Lahnenwiesgraben fünf weitere Schreiber und Niederschlagswippen sowie zwei Temperaturlogger. Für Korrekturen und konkrete Informationen zu einzelnen Events dient die am längsten im Einsatz befindliche Station an der Pflegerhütte auf 1240 m NN und seit Juli 2003 die benachbarte Station an der Pflegerrutschung (Maibruch) (Abb. 47, S. 80).

2.7.1 Regionale und langjährige Wettersituation

Das Wetter am deutschen Alpenrand ist zum einen von den jahreszeitlich unterschiedlich dominanten Großwetterlagen abhängig, zum anderen verursacht der topographische Einfluss des Gebirges deutli- che Unterschiede im Vergleich zum Alpenvorland. Mit dem ansteigenden Relief nimmt parallel dazu die Temperatur ab (vgl. Abb. 9), wobei der Gradient im Winter aufgrund der häufigen Inversionswetter- lagen kleiner ist als im Sommer. Ein weiterer, allerdings nicht linearer Effekt sind ansteigende Nieder- schlagsmengen mit zunehmender Höhe. Diese treten einerseits in Form von Steigungsregen im Sommer und Winter (atlantische Großwettertypen) auf, andererseits als Stauregen bei dem besonders im Frühsommer häufiger vorkommenden Großwettertyp Nord (HENDL 2002).

Temperatur

10 2 T Garmisch-P. T Zugspitze 8 0 langjähriges Mittel GAP langjähriges Mittel ZSP 6 -2

4 -4

2 -6 Temperatur Zugspitze [°C] Temperatur Garmisch-P. [°C]

0 -8 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 3.000 3.000 NS Garmisch-P. NS Zugspitze 2.500 2.500 langjähriges Mittel GAP langjähriges Mittel ZSP 2.000 2.000

1.500 1.500 Jahresniederschlag [mm]

1.000 1.000

Abb. 9: Jahresdurchschnittstemperaturen und Jahresniederschlagssummen der DWD-Wetterstationen Garmisch- Partenkirchen (GAP) und Zugspitze (ZSP) von 1951 bis 2004 inklusive der langjährigen Mittelwerte (Bezugs- zeitraum 1951 bis 1980, MÜLLER-WESTERMEIER 1990).

Im Vergleich der Jahre 2000 bis 2004 (Projektrahmen) mit den langjährigen Temperaturmittelwerten von 1951 bis 1980 Garmisch-Partenkirchen (GAP) und Zugspitze (ZSP) (Abb. 9) (MÜLLER- WESTERMEIER 1990) war 2004 ein überdurchschnittlich kaltes Jahr, während die anderen (beson- ders 2003) über dem Mittelwert lagen.

18 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben

Der Verlauf der gemittelten Monatstemperaturen (Abb. 10) zeigt für Garmisch-Partenkirchen mit -2,4°C ein Temperaturminimum im Januar und mit 15,9°C ein Maximum im Juli, während diese für die Zugspitze jeweils um einen Monat verschoben im Februar (-11,5°C) und August (2,1°C) liegen. Im Vergleich der Station Garmisch-Partenkirchen (in gleicher Höhenlage wie der Talausgang Lahnen- wiesgraben) mit den interpolierten Werten für den Gipfel der Kramerspitze (1985 m NN) verkürzt sich die Winterzeit (entspricht dem Zeitraum mit Monatsdurchschnittswerten unter 0°C) um drei Monate von neun auf sechs. Dabei liegt die Temperaturdifferenz zwischen Garmisch-Partenkirchen und der Kramerspitze zwischen 5°C im Winter und 8°C im Sommer. Der Temperaturanstieg im Frühjahr erfolgt langsamer, als der Abfall im Herbst.

20 250 Garmisch-P. 200 Kramerspitz 10 Zugspitze 150 0 100

Temperatur [°C] -10 Niederschlag [mm] 50

-20 0 Jan Mär Mai Jul Sep Nov Jan Mär Mai Jul Sep Nov

Abb. 10: Monatliche Temperaturmittelwerte und Niederschlagssummen der DWD-Stationen Garmisch- Partenkirchen und Zugspitze (Bezugszeitraum 1951 bis 1980, MÜLLER-WESTERMEIER 1990), sowie die interpolierten Temperaturen für die Kramerspitze (1985 m NN) im Lahnenwiesgraben.

Niederschlag

Generell verläuft der Trend der Jahressummen in Garmisch-Partenkirchen und auf der Zugspitze parallel, doch weisen einige gegenläufige Ausreißer auch hier auf topographisch und jahreszeitlich bedingte Unterschiede hin (Abb. 9, Anhang 6.2-2). Zusammengefasst liegen die Jahre 2000 bis 2002 über dem langjährigen Durchschnitt von 1390 mm. Die Jahre 2003 und 2004 waren hingegen sehr trocken. Auffällig ist das Jahr 1999 mit dem katastrophalen Pfingsthochwasser und das Jahr 2002 mit häufigen Murereignissen im Lahnenwiesgraben. Das Niederschlagsmaximum auf der Zugspitze mar- kiert den Lawinenwinter 2000/2001. Die Gegenüberstellung der mittleren Monatsniederschläge (HENDL 2002) zeigt über lange Zeiträume des Jahres getrennte Niederschlagsverläufe. Die Gipfelstation bei 2960 m erhält erheblich stärkere Winterniederschläge als die Talstation und zeigt nur im Herbst einen annähernd parallelen Nieder- schlagstrend. Die Maxima im Tal siedeln sich ohne große Schwankungen (170 bis 180 mm) zwischen Juni und August an, während sich die Minima von Oktober bis März gleichmäßig niedrig (80 bis 85 mm) verhalten. Auf knapp 3000 m (Zugspitze) befindet sich ein eindeutiges Maximum im April (250 mm), das in der niederschlagsreichen Phase von Dezember bis Juli liegt. Das Minimum konzent- riert sich mit 100 mm auf den September (Abb. 10).

2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben 19

2.7.2 Lokale Wettersituation im Projektzeitraum

Zur Beschreibung der lokalen Wettersituation werden hier für die Winter- und Sommerhalbjahre meh- rere Aspekte herangezogen, um einen Überblick über den Verlauf der Witterung zu erhalten. Dabei werden die Zeitintervalle und diejenigen Wettererscheinungen betrachtet, die für die untersuchten Prozesse Gleiten und Lockergesteinskriechen relevant sind. In diesem Zusammenhang werden die Klimadaten speziell als Indikator für die Wassersättigung des Bodens verwendet. Zur Charakterisierung der Winter- und Sommerperioden werden sieben gemessene und abgeleitete Kenngrößen der Station Garmisch-Partenkirchen verwendet. Um die Auswirkung des Höhenunter- schieds im Lahnenwiesgraben abschätzen zu können, ist ein Teil dieser Daten auf die Höhenstufe 1600 m umgerechnet worden. Diese entspricht in etwa der Höhenlage der Enning- bzw. der Stepberg- alm sowie der Vergleichsstation des DWD „Garmisch-Kreuzeckhaus“ (Nr. 92032, 1652 m; siehe auch Anhang 6.2-1). Zeitraum: Verglichen werden die hydrologischen Jahre (im Gegensatz zum vorherigen Kapitel), die von November bis Oktober des folgenden Jahres gerechnet werden. Dauer: Für die Abschätzung der Winterperiode werden die Tage mit konstanten mittleren Tagestempera- turen unter 0°C verwendet. Temperatur: Für die Temperatur werden die Tageswerte der Station Garmisch-Partenkirchen (DWD) he- rangezogen. Die Umrechnung auf die Bezugshöhe 1600 m geschieht mittels Interpolation mit den DWD Daten der Station Zugspitze (Korrelation der Stationen siehe Anhang 6.2-1). Die Temperatur geht in die Abschätzung der „Winterperiode“ und der Abschätzung der „Schneedecke“ ein. Niederschlag: Trotz der schwächeren Korrelation wird auch der Niederschlag für den Lahnenwiesgraben über die Daten Garmisch-Partenkirchen und Zugspitze interpoliert (Korrelation der Stationen siehe Anhang 6.2-1 und Anhang 6.2-2) um daraus den Winterniederschlag und die Schneedecke zu modellie- ren. Für den Zeitraum 21.05. bis 27.10. stehen in allen vier Jahren vollständige Niederschlagsmessreihen aus dem Lahnenwiesgraben (s.o.) zur Verfügung. Niederschlag Landregen: Ausgewertet werden mindestens drei zusammenhängende Regentage (Da- tengrundlage DWD Garmisch-Partenkirchen und SEDAG-Station Pflegerhütte), die jeweils eine durch- schnittliche Niederschlagssumme von ca. 5 mm/d erreichen. Es sind keine Landregen im engeren Sinne. Für die Interpretation des Wettereinflusses werden Häufigkeit von Landregenereignissen und die absolute Anzahl der Regentage sowie die Kombination mit Schneeschmelzen und Starkregen ausgewertet. Zur Kontrolle werden soweit vorhanden die Niederschlagsdaten der SEDAG Station „Pflegerhütte“ mit den in- terpolierten Werten abgeglichen. Die Ergebnisse sind im Anhang 6.2-3 dargestellt. Sie belegen, dass An- zahl und Intensität der dort gemessenen Regen mit denen des DWD vergleichbar sind. Niederschlag Starkregen: Als Starkregen (meist bei Gewitterstürmen) werden Tagesniederschläge grö- ßer 50 mm/d betrachtet. Schneerücklage und Schmelze: Die Größenordnung der Schneeschmelze ist insbesondere im Zu- sammenhang mit den Frühjahrsniederschlägen für die Hangstabilität entscheidend. Da gerade für den Projektzeitraum nur lückenhafte Daten zur Verfügung stehen, muss der Schneerückhalt und die Schnee- schmelze anhand des Temperaturverlaufs und des Niederschlags berechnet werden. Dies ist unter Ver- wendung des DDF-Modell (degree-day factor) von HOCK (2003) bestimmt worden (Methodik siehe Anhang 6.2-4). Dass diese Daten nur den Vergleich zwischen den Jahren erleichtern, jedoch nicht den re- alen Verlauf für jede mikroklimatische Zone wiedergeben, ist für 2003/2004 gut dokumentiert. Laut Modell endet die Schneephase Mitte April. Alle Geländetätigkeiten (Konvergenzmessungen, Niederschlagssamm- ler) beginnen aber einen Monat später, nachdem die (z. T. im Schatten liegende) Forststraße wieder schneefrei und durchgängig befahrbar war.

20 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben

60 360 [mm] Wasseräquivalent als Schneedecke 720 m NN Station Garmisch-P. 40 240

20 120 1999/2000 0 0 NS Σ 1713 mm 57 mm 69 mm 78 mm Ø Temp. 7,3° 40 14.06. 06.08. 21.09. 240

Niederschlag [mm] Niederschlag Datum

20 120 1600 m NN Lahnenwiesgraben 0 0 Nov Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov 60 360 Datum

40 240

20 120 2000/2001 0 0 NS Σ 1424 mm 50 mm Ø Temp. 8,1° 40 240 Datum 10.06.

20 120

0 0 Nov Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov 60 360 Datum 73 mm 40 19.03. 240

20 120 2001/2002 0 0 NS Σ 1520 mm 124 mm 53 mm 59 mm Ø Temp. 7.4° 40 21.06. 11.08. 12.08. 240 Spalte 1

20 120

0 0 Nov Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov 60 Spalte 1 360

40 240

20 120 2002/2003 0 0 NS Σ 1213 mm Ø Temp. 8.2° 40 240 Datum

20 120

0 0 Nov Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov 60 Datum 360

40 240

20 120 2003/2004 0 0 NS Σ 1179 mm Ø Temp. 6,7° 40 240 Spalte 1 51 mm 20 120 03.06.

0 0

Abb. 11: Charakterisierung des meteorologischen Verlaufs der hydrologischen Jahre 2000 bis 2004 jeweils für die Höhen 720 m NN (Station GAP entsprechend Talausgang LWG) und 1600 m (Station Garmisch- Kreuzeckhaus entsprechend Enningalm LWG). Ablesbar sind die relative Dauer der Schneesaison, die Schneerücklage als Regenäquivalent und die Dauer der Schmelzphasen. Jeweils in [mm/d] sind die Durchschnittssummen der mehrtägigen Niederschläge sowie einzelner Starkregenereignisse aufgetragen. 2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet Lahnenwiesgraben 21

In Abb. 11 sind die oben genannten Parameter für jedes Jahr grafisch aufgezeichnet. Unter diesen Voraussetzungen können die hydrologischen Jahre im Projektzeitraum wie folgt beschrieben werden:

1999/2000: Bezogen auf Garmisch-Partenkirchen ist das Jahr wärmer als das langjährige Mittel, hat jedoch mit den meisten Tagen unter 0°C und der mächtigsten und dauerhaftesten Schneedecke im Projektzeitraum einen vergleichsweise „harten“ Winter zu verzeichnen. Zwei starke Tauphasen Mitte Februar und März werden von keinen nennenswerten Niederschlä- gen im Frühjahr begleitet bzw. abgelöst. Die Jahresniederschlagssumme in Garmisch- Partenkirchen ist die höchste, im Lahnenwiesgraben ist es der zweithöchste Sommerwert. Dieser ergibt sich aus wenigen, dafür langen und intensiven Landregen, besonders im Hoch- sommer, die zum Herbst seltener werden. Zwei Starkregen im Sommer und einer im Herbst treiben die Regenbilanz im Lahnenwiesgraben in die Höhe.

2000/2001: Bezogen auf Garmisch-Partenkirchen ist es das zweitwärmste Jahr mit dem kürzesten Winter und dem wenigsten Schnee. Der Jahresniederschlag rangiert an dritter Stelle und liegt über dem langjährigen Wert. Ebenfalls an dritter Stelle liegt die Sommerniederschlagssumme im Lahnenwiesgraben, wobei hier die meisten Regentage gezählt werden, die innerhalb kür- zerer und häufigerer Landregen zwischen Mitte Juni und Ende September zusammenkom- men. Diese setzen nach einem trockenen Frühjahr ein und gehen in einen regenarmen Herbst über.

2001/2002: Das etwas überdurchschnittlich warme Jahr ergibt sich aus dem kurzen und auch schneearmen Winter, der jedoch noch während der Tauphasen von regelmäßigen und auch intensiven Niederschlägen abgelöst wird. Kurze und intensive Niederschläge treten regelmä- ßig und in häufiger Folge das ganze Jahr bis in den Spätherbst auf und akkumulieren in Garmisch-Partenkirchen zum zweithöchsten, im Lahnenwiesgraben zum höchsten Nieder- schlagswert. (Die Geländesaison bleibt wegen der extremen Starkregen im Juni und August gut in Erinnerung.)

2002/2003: Es ist das wärmste Jahr und der heißeste Sommer. Der Winter selbst ist noch durch die seit dem Vorjahr andauernden Niederschläge feucht und mit einer kurzfristig mächtigen Schneedecke ausgestattet. Ab Mitte Februar setzen ergiebige Niederschläge allerdings aus und erst Mitte Mai wird der Sommer in Garmisch-Partenkirchen durch kurze und selten inten- sive Niederschläge unterbrochen. Im Lahnenwiesgraben bleiben Niederschläge während des Sommers fast ganz aus (Niederschlagsminimum).

2003/2004: Das kühlste Jahr liegt unterhalb der langjährigen Durchschnittstemperatur. Dennoch ist der Winter weder ungewöhnlich lang noch zeigt er ausgesprochene Schneemengen im Tal. Über 1600 m hält sich jedoch eine mächtige und häufig aufgefrischte Schneedecke. Die Tauphasen im Tal und am Berg werden stets von kleineren Niederschlägen begleitet, die sich ohne Pause durch das ganze Jahr ziehen. Entsprechend hoch ist die Anzahl der Regen- tage in Garmisch-Partenkirchen, die allerdings nur geringfügig mehr in der Jahressumme er- geben als im Jahr 2003. Trotz weniger Sommerregentage im Lahnenwiesgraben übertrifft die Gesamtsumme die des Vorjahres, bedingt durch einen Gewittersturm im Juni und intensive- ren Landregen als im Tal.

Weitere detaillierte Diskussionen der Wetterdaten werden in Bezug auf die beobachteten gravitativen Prozesse in Kap. 4.1.2 und 4.2.2 geführt. Ergänzende Klimawerte sind in Anhang 7.2 dargestellt.

22 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 23

3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaf- ten der Fest- und Lockergesteine

Dieses Kapitel befasst sich eingehend mit der geologisch-geotechnischen Grundausstattung im Lah- nenwiesgraben, dessen geologischer Rahmen bereits in Kapitel 2.2 ausgeführt wurde. Neben der detaillierten Auflistung der vorkommenden Fest- und insbesondere Lockergesteine, wie sie auch in der amtlichen geologischen Karte festgehalten sind, sollen zusätzlich gesteinsmechanische Eigenschaften den Einheiten zugeordnet werden. Ziel ist es, für die späteren Modellierungen The- menkarten zur Verfügung zu stellen, die die vollständige Verbreitung von Fest- und Lockergesteinen in getrennten Datensätzen inklusive deskriptiver und numerischer Attribute beinhalten, die das Zu- sammenfassen geotechnischer Homogenbereiche erlauben. Dieser letzte Schritt ist auf der Grundlage geologischer Karten bisher nicht möglich, da die rein stratigraphischen Kategorien fazielle und petrog- raphisch-geotechnisch heterogene Einheiten zusammenfassen können (JÄGER 1997; CARRARA et al. 1999). Die Erstellung dieser geotechnischen Karten stützt sich in umfangreichen Maße auf die vorliegende geologische Karte (KUHNERT 1967) sowie die Vorgängerkartierungen der Arbeitsgruppe KOCKEL, RICHTER & STEINMANN (1931) und von LINKE (1963), die durch die eigenen Kartierungen in weite- re geotechnische Untergruppen gegliedert werden. Diese Unterscheidung wird vor allem aufgrund morphologischer und petrographischer Gesichtspunkte getroffen. Später werden diesen Flächen gesteinsphysikalische Kennwerte aus eigenen Laborarbeiten oder Literaturangaben zugewiesen (JÄGER 1997). Allerdings ist die lückenlose Erhebung bzw. flächenhafte Zuweisung vieler Parameter, z. B. Verwitte- rungsgrad, aufgrund ihrer hohen räumlichen Variabilität unmöglich oder nur mit einem entsprechen- den Grad der Vereinfachung durchzuführen (DUAN & GRANT 2000). Um wenige verifizierte Gelände- daten größeren Flächen zuzuweisen, werden verschiedene Wege begangen. Eine (scheinbar) hoch auflösende Methode ist die Interpolation von Messwerten, die als Raster erhoben wurden (BURTON et al. 1998). In häufiger begangenen Lösungen werden die Parameter axiomatisch dem gesamten Untersuchungsgebiet oder vorher ausgewiesenen Homogenbereichen zugewiesen (MONTGOMERY & DIETRICH 1994), wobei die Werte aus exemplarischen Versuchen oder Literaturwerten gewonnen werden. Verfeinerungen dieser Methode bestehen darin, eine Bandbreite möglicher Parameter anzu- wenden, indem entweder mit den Minimum- und Maximumwerten gemeinsam gearbeitet wird oder indem verschiedene Kombinationen aus den Wertebereichen der verwendeten Parameter in Simulati- onen durchgespielt werden (GUIMARAES et al. 2003). Die hier gewählte Möglichkeit klassifiziert das Gebirge oder das Lockergestein mit plausiblen und im Gelände verifizierbaren Eigenschaften als Ersatz zu den physikalischen Kennwerten (z. B. JÄGER 1997; CLERICI et al. 2002). Aufgrund der bereits vorhandenen Geländekenntnis fiel die Wahl der Kriterien bei den Festgesteinen auf die Merkmale, die den starken Kontrast der Festgesteine (Kap. 3.1) zwischen standfesten und veränderlich festen Gesteinen wiedergeben. Bei den Lockerge- steinen (Kap. 3.2) werden die Korngrößenverteilung, die Bodenart und die Bindigkeit verwendet, um ihre Stabilität und Resistenz gegen wechselnde Wassergehalte zu umschreiben (nach DIN 18196; DIN 4022 T2). Die Definition der Klassen stützt sich dabei auf die Kartierungen und Laboranalysen, die im Zuge von mehreren Diplomarbeiten (FLEISCHER 1999; BÜCH 2003; SCHÄDLER 2004) und im Zuge dieser Arbeit gewonnen wurden (Kap. 3.2).

24 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine

Abb. 12: Kartiergebiete der einzelnen Bearbeiter der Universität Erlangen zwischen 1996 und 2004. Die Kartenin- halte zum Kramermassiv beruhen zum größten Teil auf Luftbildkartierungen.

Die Kartierungen wurden im Maßstab 1:2500 bis 1:5000 durchgeführt und später mit ArcGIS digitali- siert. Für die Verwaltung und Analyse der Daten wurden die kartographischen Informationen der ein- zelnen Polygone in Attributtabellen hinterlegt und können zudem über eine Access-Datenbank mit Labor- und Gefügewerten verknüpft werden.

3.1 Festgesteine

Unter diesem Begriff werden in SEDAG alle anstehenden, nicht durch Verwitterung völlig zersetzten und sich noch im Verband befindlichen Gesteine zusammengefasst. In der Sedimentkaskade stellen sie den primären Speicher dar, aus dem direkt durch einzelne Massenbewegungen (speziell Sturzpro- zesse) Material entnommen wird oder durch Verwitterung in situ ein sekundärer Lockergesteinspei- cher entsteht. Durch ihren direkten Einfluss auf die Geländeentwicklung und somit auf die Reliefener- gie wirken sie gleichfalls auf Pfade und Magnituden der Kaskadenprozesse ein. Ihre Eigenschaften werden in drei Kartenebenen gespeichert, die somit einzeln verwendet aber auch miteinander verschnitten werden können. Die erste Ebene enthält die Informationen der geologischen Karte, an die das Alter und bestimmte faziell-petrographische Merkmale geknüpft sind. Die zweite Ebene umschreibt die geotechnischen Eigenschaften der Festgesteine, unabhängig von der stratigraphischen Zugehörigkeit (nach CARRARA et al. 1999). Diese betrifft die Standfestigkeit des Gesteins, direkt ausgedrückt durch den Gesteinstyp, seiner Verwitterungsresistenz und Neigung zur Verkarstung bzw. indirekt aus der daraus entstandenen Hangmorphologie und Hydrogeologie und der Vegetationsbedeckung (Tab. 6). Dieses relativ einfache System erlaubt eine flächenhaft schnell 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 25 durchführbare Beurteilung des Festgesteins, das im Arbeitsgebiet zu über 70% von Schuttdecken verborgen wird. Eine Überprüfung dieser indirekten Methode ist anhand der vielen, wenngleich un- gleichmäßig verteilten Aufschlüsse möglich. Zuletzt enthält eine dritte Informationsebene das Trennflächengefüge und seine räumliche Stellung zur Hangböschung, die Aussagen über die Teilbeweglichkeit und mechanisch möglichen Bewe- gungsmodelle erlaubt.

Tab. 6: Vereinfachtes Klassifikationsschema der Festgesteine nach Verwitterungsbeständigkeit. Erläuterung der Kürzel Tab. 3, S. 8.

Kompetent Inkompetent

(verwitterungsbeständig) (veränderlich fest, verwitterungsunbeständig)

Stratigraphie hd, pk, k, lf, bk, wh, w k, lf

häufig steile Hänge über 30° flache Hänge zwischen 5° und 20° stabile, homogene Hangflächen instabile Hangflächen mit unruhigem Kleinrelief am Morphologie Boden, Säbelwuchs an Bäumen, gespannte Wurzeln über Spalten Auflockerung, Anbrüche im Fels „weiche“ Anbruchsformen im Boden

trockene Hänge (hd, pk) vernässte Hänge, Lockergestein in weicher bis breiiger Hydrologie feuchte Hänge (k, lf, bk, wh, w) Konsistenz

Trockenzeiger Binsen, Seggen auf Freiflächen; Schachtelhalme und Vegetation lichter Wald krautiger Unterwuchs im Wald; Erlen

3.1.1 Hauptdolomit (hd)

Im direkten Übergang aus den Abfolgen des Karns lagern sich mit dem Hauptdolomit im Nor (Obertri- as) weiterhin Flachwasserkalke ab, die wahrscheinlich bereits synsedimentär dolomitisierten. Er er- scheint heute als hell- bis dunkelgraues Gestein und zeigt im Bruch den typisch zuckerkörnigen Auf- bau aus Dolomitkristallen. Die Grenze zum Liegenden ist im Lahnenwiesgraben nicht aufgeschlossen. Zum Hangenden besteht ein fließender Faziesübergang, der sich durch Zunahme von Kalksteinbän- ken gegenüber dem Dolomit bemerkbar macht. Im Arbeitsgebiet ist weiterhin bedeutsam, dass über weite Strecken die beiden Hauptstörungen zwi- schen Kramermassiv und Lahnenwiesmulde sowie zwischen Lahnenwiesmulde und Oberauer Sattel den Hauptdolomit abgrenzen (Abb. 4). Als ältestes Gestein ist der Hauptdolomit nur in den Sattelstruk- turen im Norden und Süden aufgeschlossen (Abb. 15). Im Bereich der Störungen ist primär eine starke Bruchtektonik im Hauptdolomit zu beobachten, unter- geordnet auch Verbiegungen und Faltungen der Schichtung. Diese starke Beanspruchung führt lokal zum sandigen Abgrusen und Zerfall des Hauptdolomits. Üblicherweise zerlegt er sich jedoch entlang seiner orthogonalen Kluftsysteme in scharfkantige Bruchstücke mit Kantenlängen von 5 bis 40 cm. Die Klüftigkeit in ungestörten Bereichen wechselt zwischen klüftig bzw. schwach klüftig. Als dritte Lage- rungsform sind grob bankig bis massig erscheinende Abschnitte zu nennen. Die Bankung im Hauptdolomit ist meist plattig bis bankig ausgeprägt, kann aber gelegentlich wie am Kramer (Roßkar, Seleswand) als massiger Fels auftreten. Neben dem Wettersteinkalk ist er der Hauptwandbildner in den Bayerischen Alpen und zählt somit zu den kompetenten Gesteinen im Ar-

26 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine beitsgebiet (Abb. 14). Sowohl am Kramermassiv, das fast vollständig von Hauptdolomit aufgebaut wird, als auch am gegenüberliegenden Grat um den Brünstelskopf sind lotrechte Wände und Türme ausgebildet. Aufgrund der ausgeprägten Klüftigkeit ist der Hauptdolomit von vielen Rinnen durchzo- gen, die meist periodisch Wasser führend sind. Insgesamt sind Flächen über Hauptdolomit spärlicher bewachsen als auf anderen Gesteinen. Physikalische Kennwerte aus dem Gestein stammen aus zwei Gutachten aus dem Raum Farchant bzw. Mittenwald. Anhand von Bohrkernproben wurde eine Wichte des Hauptdolomits von 27 kN/m3 ermittelt sowie ein effektiver Reibungswinkel von 45° im geklüfteten, unverwitterten Fels bzw. von 40° in tektonisch stark beanspruchten Zonen (Archivdaten Bay. Geologisches Landesamt, schriftl. Nut- zungserlaubnis vom 23.04.2004). Proben aus einem als Hauptdolomithangschutt angesprochen Ge- stein wurden mit Wichten von 2,7 bis 2,8 t/m3 und einem Reibungswinkel zwischen 31° und 36° ange- geben und entsprechen den von POPPEL (2003) festgestellten Durchschnittsneigungen der Sturz- schutthalden am Kramer.

3.1.2 Plattenkalk (pk)

Die norischen Plattenkalke (obere Trias) sind wie der Wettersteinkalk und der Hauptdolomit ehemalige Ablagerungen im Riff- und Lagunenmilieu. Es handelt sich um reine, dichte, mikritische Kalke, die besonders zum Liegenden hin dolomitisiert sein können. Ihre Farbe ist im frischen Zustand dunkel- grau bis hellgrau und verwittert in gelbgrauen bis blaugrauen Tönungen. Zum Hangenden hin häufen sich Einschaltungen von Kalkmergel- und Mergelbänken, die auf ein Absinken des Ablagerungsraums hindeuten. Sowohl zum liegenden Hauptdolomit als auch zu den hangenden Kössener Schichten besteht ein fließender, diachroner Übergang ohne scharfe Faziesgrenze. Aufgeschlossen ist der Plat- tenkalk im nördlichen Schenkel der Lahnenwiesmulde und zum Teil an der Basis der Kramerüber- schiebung, entlang der er stark verfaltet und invers gelagert auftritt. Die Mächtigkeit der Bänke variiert zwischen 5 cm bis 2 m. Die Schichtflächen sind makroskopisch eben oder wellig (Wellenrippeln und loadcasts) ausgebildet, im mm-Maßstab sind sie rau ausgeprägt. Die Querklüftung ist weitständiger als die Längsklüftung. Entlang dieser Trennflächen lösen sich die Namen gebenden quaderförmigen Platten aus dem Verband. Diagonalklüfte sind selten vorhanden. Viele Klüfte sind bereits kalzitisch verheilt. Bestehende Kluftflächen sind glatt bis gestuft und weisen des Öfteren Harnische, Striemen und Bruchkanten auf. Durch die einengende Tektonik ist der Plat- tenkalk parallel zum Streichen in weite Falten gebogen worden. Entlang von Störungszonen treten dagegen intensive Faltungen und Brüche auf. Der Kalkstein selbst ist sehr stabil und lässt morphologisch steile Hänge zwischen 30° und 60° zu und wird somit zur geotechnischen Gruppe der kompetenten Gesteine gerechnet (Abb. 14). Hervorzuhe- ben ist allerdings die intensive Verkarstung der Plattenkalke (FISCHER 2002), die zu einem hohen unterirdischen Abfluss führt. Hänge über Plattenkalk sind daher meist ganzjährig trocken und eher selten und dann von periodisch Wasser führenden Abflussrinnen durchzogen. An der Südflanke des Hirschbühels weisen oberhalb der Stepbergalm zudem dolinenartige Einbrüche im Plattenkalk auf die intensive Kalklösung hin. Aufgrund der Muldenstruktur des Lahnenwiesgrabens ist allerdings damit zu rechnen, dass die Karstsysteme primär zur Tiefenlinie hinführen und somit ein Stoffaustausch mit benachbarten Einzugsgebieten nicht stattfindet. Eine Reihe von Quellen am Fuß von Plattenkalkhän- gen untermauern diese Annahme (Abb. 7, S. 14). Der Plattenkalk ist im Lahnenwiesgraben weit verbreitet (Abb. 4). So nimmt er fast das gesamte östli- che Taldrittel ein, aus dem die Gletscher sämtliche jüngere Gesteine entfernt und dafür mächtige 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 27 fluvioglaziale Decken hinterlassen haben. Nach Westen ist der Plattenkalk an der Nordflanke des Lahnenwiesgrabens (Enningteilmulde und Lahnenwieshauptmulde) und im Gipfelbereich und an der Südflanke des Hirschbühels (Stepbergteilmulde) aufgeschlossen. Generell streicht der Plattenkalk dabei in WNW-ESE Richtung, von der er im Bereich von Störungen, besonders im mittleren Talbe- reich, ab- und in südlicherer Richtung ausweicht. Die Schichten fallen mittelsteil in südliche Richtun- gen ein, wobei entsprechend der Muldenstruktur die Winkel von den Graten zur Tiefenlinie hin ab- nehmen. Faltungen und Biegungen im Meter- bis Dekameterbereich sind in Fallrichtung und im Hek- tometerbereich in Streichrichtung festzustellen (Abb. 15, S. 32). Stark verfaltet, gestört und z. T. invers gelagert tritt der Plattenkalk im Störungskontakt zum Kramermassiv am rechten Ufer des Lahnen- wiesgrabens und Stepberggrabens auf (Abb. 13). Die regelmäßigen Mergel- und Tonsteineinlagerun- gen weisen auf die Hangendlage der Bänke im Übergang zu den Kössener Schichten hin.

Abb. 13: Stark gestörte und gefaltete Lagerung des Plattenkalks entlang der steil stehenden Kramerüberschie- bung im Stepberggraben (Übersicht und Detail).

Während der Kartierung und der Auswertung kam es nur in seltenen Fällen zu Unstimmigkeiten zwi- schen den eigenen Kartierungen und denen von KOCKEL et al. (1931), LINKE (1963) oder KUHNERT (1967). Eine Ausnahme stellt jedoch die Grenzziehung Plattenkalk-Kössener Schichten im westlichen Lahnenwiesgraben östlich der Enningalm dar. Im Gegensatz zu den jüngeren Arbeiten verbinden KOCKEL et al. (1931) die Kössener Vorkommen am Hang nicht miteinander, sondern stellen sie als zwei voneinander isolierte Mulden dar. Da der entsprechende Hangabschnitt tatsächlich sehr steil (über 45°) ausgebildet ist, spricht auch die Morphologie für diese Interpretation. Es wurden allerdings mehrere Faktoren erkannt, die eine Zuordnung zu den Kössener Schichten rechtfertigen:

• Zwischen den Kalkbänken wurden regelmäßig, wenn auch nicht mächtig, Mergelstein- und Mergelkalkeinschaltungen festgestellt.

• Damit zusammenhängend ist dieser Hang deutlich feuchter und wasserreicher als üblicher- weise über Plattenkalk.

• Der gesamte Abschnitt ist von Instabilitätszonen und Massenbewegungen in Form von Turmablösungen, Bankkippen und nachfolgenden Gleitungen geprägt, die ebenfalls unty- pisch für die Plattenkalkhänge des Arbeitsgebiets sind.

• Ohne eine eindeutige Zuordnung durch Fossilien kann aufgrund der petrographischen Zu- sammensetzung und deren Auswirkungen auf das Standfestigkeitsverhalten der Hang da- her den jüngeren Kössener Schichten bzw. der Übergangsfazies zugeordnet werden.

Dieses Beispiel soll nochmals die eingangs erwähnte Problematik der Zuordnung von Gesteinen nach stratigraphischen oder geotechnischen Kriterien belegen.

28 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine

3.1.3 Kössener Schichten (k)

Ein Absinken der Karbonatplattform zum Ende der Trias (Rät) überführt kontinuierlich die bisherigen Lagunenkalke in eine Wechsellagerung von hell- bis gelbgrauen Kalk-, hell- blaugrauen Mergel- und schwarzen Tonsteinen einer tiefer marinen Fazies: den Kössener Schichten. Die lithologischen Wech- sel sind teilweise durch den schwankenden Meeresspiegel zu erklären, teilweise durch morphologi- sche Senken und Schwellen im Becken selbst. Der hohe Gehalt an Pyrit und die schwarzen Tonsteine weisen auf Zeiten mit anoxischem Milieu hin. Im Gelände ist das Auftreten der Kössener Schichten erst bei regelmäßigen und mehr als 50 cm mächtigen Mergelsteineinschaltungen festzustellen, da die liegenden Kössener Kalke den Plattenkal- ken gleichen. Weitere Hinweise sind im angewitterten Zustand deutliche Gelbfärbungen aufgrund des hohen Pyritgehalts sowie freigelegte Muschelschillbänke, die im frischen Zustand nicht sichtbar sind. In ungestörter Lagerung erreichen die Kalkbänke durchaus Dicken von 1 m, sind in der Regel aber dünner als 20 cm. Mergelbänke erscheinen als festere Bänder um die 10 cm. Die Tonsteine mit ho- hem Mergelanteil sind splittrig ausgebildet und zwischen wenigen cm bis über 1 m mächtig. Diese Mächtigkeiten sind jedoch selten zu finden, da die Kössener Schichten als tektonisches Schmiermittel oft stark beansprucht sind. Die Kalke sind häufig gebrochen, zerschert und die Klüfte bereits kalzitisch verheilt. Die Mergel und insbesondere die Tonsteine reagieren dagegen plastisch und sind entweder ausgedünnt oder in den häufigen Falten und entlang von Störungen wieder angereichert (vgl. Abb. 13 mit Mergelsteinbänkchen im Plattenkalk). Die aus den Plattenkalken hervorgehenden Kössener Kalke sind ähnlich stabil wie diese und werden den kompetenten Gesteinen zugeordnet. Dennoch sind Instabilitäten in Form von Auflockerungen der Schichten häufiger zu finden Dagegen sinkt die Standfestigkeit und Verwitterungsbeständigkeit der Kössener Schichten erheblich, sobald sie in der an Mergel- und Tonsteinen reichen Fazies auftreten. Deshalb wird diese Einheit in der geotechnischen Klassifikation den veränderlich festen Gesteinen zugerechnet (Abb. 14). Die Verteilung der kompetenten bzw. veränderlich festen Abfolgen drückt sich im Gelände primär im Kontrast der Hangneigung aus. Auffallend flache Hangpartien mit Winkeln zwischen 10° und 20° verlaufen auf den tonig-mergeligen Einheiten. Ebenso ist in vielen Fällen die Verbreitung von Vernäs- sungszonen und entsprechenden pflanzlichen Nässezeigern (Schachtelhalme, Pestwurz, Binsen, u. a.) an die Kössener Tonsteine und Mergel sowie ihrer Verwitterungsprodukte gebunden, in diesem

Fall als Ausdruck ihrer niedrigen kf-Werte (Tab. 11, S. 40). Auf die möglichen Interpretationsunterschiede aufgrund dieser Kriterien wurde bereits im vorausge- henden Kapitel hingewiesen. Die Kössener Schichten treten in der mergelig-tonigen Fazies vor allem im Talboden der Enningalm und des westlichen Lahnenwiesgrabens auf, sowie in schmalen Bändern am Feldernkopf, der Süd- flanke des Hirschbühels (hier als beidseitig von Störungen umgebener Scherspan) und an der Basis des Kramermassivs. Vorkommen der kompetenten Kössener befinden sich nördlich des kleinen Moors am mittleren Sulzgraben und östlich des Herrentischgrabens auf der Höhe der Forststraßenserpenti- nen (Abb. 4 und Abb. 14).

3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 29

3.1.4 Lias Fleckenmergel (lf)

Im Jura setzt sich die Beckenfazies fort, die allerdings je nach regionaler Gliederung in Schwellen und Senken mergelig, kalkig oder kieselig ausgebildet sein kann (KOCKEL et al. 1931). Die Verbreitung der gesamten Jurafolge ist im Arbeitsgebiet an den Muldenkern der Enningteilmulde gebunden, der von West nach Ost als ein von 500 m auf 70 m Breite abnehmender Streifen an der Nordflanke des Hirschbühelrückens entlang zieht. An einigen vermuteten Störungen sind auch Fleckenmergel und Hornsteine auf die nördliche Seite des Sulzgrabens versetzt (Abb. 4). Der bekannteste Aufschluss der Jurafolge befindet sich im Unterlauf des Brünstgrabens (KOCKEL et al. 1931; LINKE 1963). Der Lias Fleckenmergel ist die älteste Juraeinheit und tritt in zwei Varietäten auf. In der ersten handelt es sich dabei um Wechselfolgen von dunkelgrauen bis dunkelrotgrauen, zwischen 2 und 20 cm mäch- tigen Kalksteinbänken mit dunkel- bis blaugrauen und gelegentlich schwärzlichen, bis zu 10 cm dicken Kalkmergel- und Mergelsteinschichten. Klüfte in den kompakten Bänken treten im Dezimeterabstand auf, wogegen verheilte Brüche und Klüfte bereichsweise engständig vorhanden sind. In der kieseligen Fazies verschwinden die mergeligen Anteile und reduzieren sich auf dünne Ton- und Mergelhäutchen, die zwischen den Kieselkalkbänken liegen. Diese bilden gleichförmige Bänke im cm- Bereich und sind meist dunkelgrau bis grau, mit gelegentlichen Rottönen gefärbt. Entsprechend der Kluftabstände zwischen 5 und 15 cm entstehen kleinwürfelige bis klein plattige Kluftkörper. Da es jedoch selten zu ungünstigen Konstellationen zwischen Böschung und Trennflächenrichtungen kommt, bilden die kieseligen Fleckenmergel steile Hänge aus (Abb. 14). Im Westen des Einzugsgebiets ist die mergelige Fazies auf einer Breite von ca. 180 m aufgeschlos- sen, die östlich des Zuflusses des Hirschbichlgrabens in den Lahnenwiesgraben schnell auf 20 m abnimmt. LINKE erkennt darin eine starke morphologische Gliederung des Ablagerungsraums. In diesem Abschnitt findet auch der Wechsel zur kieseligen Fazies statt. Die Aufschlüsse werden nach Osten weiterhin immer seltener und sind zuletzt im Unterlauf des Brünstgrabens zu sehen. Das Streichen entspricht generell dem West-Ost gerichteten regionalen Verlauf. Allerdings treten häufig intensive Faltungen im Meter- bis Dekameterbereich auf, die durch die Einschaltung von Mer- gelsteinbänken und Tonhäutchen zwischen den Kalkbänken ermöglicht wurden. Das Fallen ist meist steil bis mittelsteil, mit häufigeren südlicheren als nördlicheren Fallrichtungen. Die mergelige Fazies wird zu den veränderlich festen Gesteinen gezählt und in der Klassifikation zu den tonig-mergeligen Kössener Schichten gestellt. Die Verflachung der Topographie ist nicht so stark wie unter Kössener Ton- und Mergelsteinen ausgeprägt. Die Vernässungstendenz an der Oberfläche, mächtigere Hangschuttdecken und die Häufung fossiler und rezenter Instabilitätsformen ist jedoch vergleichbar (Abb. 14). Dagegen zeigen die stark verkieselten Fleckenmergel eine stärkere Resistenz gegenüber der chemi- schen Verwitterung und können durchaus steile Uferböschungen ausbilden. Aufgrund der starken tektonischen Beanspruchung (Brüche, enge Faltung) können die einzelnen Kluftkörper mechanisch leicht aus dem Verband gelöst werden, insbesondere bei entsprechend ungünstiger Lagerung in Bezug zur Böschung. In dieser Eigenschaft ähneln sie wiederum den übrigen stratigraphischen Ein- heiten des Jura und werden geotechnisch mit diesen zusammengefasst.

30 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine

3.1.5 Doggerkalk (bk)

Mit einer Gesamtmächtigkeit zwischen 3 bis 30 m folgt der äußerlich rötliche, gelbliche oder grünliche Doggerkalk, der im Bruch eine hellgraue Farbe besitzt. Die Bankung von wenigen cm ist entweder deutlich ausgeprägt und orthogonal von Klüften durchzogen oder flaserförmig zu Linsen zerschert. Der Doggerkalk ist nur in einzelnen Runsen an der Nordflanke des Hirschbichlrücken aufgeschlossen, an dem er in schmalen Streifen im zerschuppten Sattel zwischen Enning- und Stepbergteilmulde vorhanden ist (Abb. 4). Aufgrund seiner Ähnlichkeit zu den benachbarten Abfolgen ist er sehr schwer von diesen zu unterscheiden. Er wird zu den kompetenten Festgesteinen gestellt (Abb. 14).

3.1.6 Bunte Hornsteinschichten (wh)

Die Bunten Hornsteinschichten (Malm) besitzen den höchsten Grad an Verkieselung in der lokalen Jurafolge. Besonders auffallend ist ihre leuchtend feuerrote bis schwarze Farbe. Die Brüche sind eben mit muscheligen Strukturen ausgebildet und schließen mit scharfen Kanten ab. Die Klüfte sind meist orthogonal zur Schichtung ausgebildet und führen zu quader- bis würfelförmigen Kluftkörpern mit Kantenlängen zwischen 5 und 15 cm. In vielen Fällen sind die Klüfte kalzitisch oder quarzitisch ver- heilt. Zwischen den Bänken befinden sich schmale Mergelhäutchen, die (ähnlich den anderen Jurage- steinen) ausgeprägte Faltungen des Hornsteins ermöglichten. Die Serie ist besonders gut im Sulzgra- ben aufgeschlossen, wo sie über weite Strecken das komplette Bachbett auskleiden (Abb. 4). Sie fallen dort sehr steil mit wechselnden Richtungen nach Süd und Nord ein und zeigen Faltungen und Brüche im Meter- bis Dekameterbereich. Diese geometrische Situation bedingt in den meisten Fällen stabile Hanggeometrien, in denen die Schichtflächen stets in den Hang bzw. steiler als der Hang einfallen. In stark gescherten und beanspruchten Bereichen kommt es in eng begrenzten Arealen zu Ausbrüchen der mechanisch beanspruchten Gesteine.

3.1.7 Aptychenschichten (w)

Die jüngste im Arbeitsgebiet vorhandene Einheit sind die Aptychenschichten des Malms. Ihre größte Verbreitung ist im Westen an der Nordflanke des Krottenköpfel zu finden (Abb. 4). Die Unterschei- dungsmerkmale sind die leuchtend rote Färbung im Liegenden, die nach oben in graue und weißliche Töne wechselt. Der muschelige Bruch zeigt einen reinen, mikritischen Kalk, dessen Bänke flaserig zerschert und an der Oberfläche runzelig verwittert sind. Die chemische Verwitterung scheint in dieser Folge eine größere Rolle zu spielen, da auf Aptychenschichten mächtigere feinkörnige und bindige Verwitterungsschuttdecken entstehen können, als aus den Doggerkalken oder Hornsteinserien.

3.1.8 Zusammenfassung: Geotechnische Karte der Festgesteine

Anhand der sieben beschriebenen stratigraphischen Einheiten wurden vier geotechnische Klassen gebildet. Sie beinhalten den Gesteinstyp, die Klüftigkeit, die Durchlässigkeit, die Verwitterungsresis- tenz und die Standfestigkeit. Tab. 7 listet die entsprechenden Kategorien auf und verweist auf die 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 31

Zugehörigkeit der betreffenden geologischen Einheiten hin. In Abb. 14 (Anhang 6.1-5) ist die dazuge- hörige Karte dargestellt.

Tab. 7: Geotechnische Klassifikation der Festgesteine im Lahnenwiesgraben.

Gesteinstyp Standfestigkeit Verwitterungsresistenz Durchlässigkeit Stratigraphische Einheiten 1 Dolomit sehr gut gut hoch hd, (pk) 2 Kalkstein sehr gut gut hoch pk, bk, (k) 3 Kalkstein-Mergelstein- gering sehr gering gering k, (pk), lf Wechselfolge 4 Kieselkalk gut gut gering - mäßig lf, wh, w

Abb. 14: Geotechnische Karte der Festgesteine.

Eine wünschenswerte Erweiterung dieser Karte besteht in der Verschneidung der Informationen mit gesteinsphysikalischen Eigenschaften mit der Geometrie des Gebirges, das aus dem Trennflächenge- füge und den tektonischen Strukturen abzuleiten ist. Verschiedene Vorgehensweisen zur Darstellung, Auswertung und Klassifizierung solcher Daten sind getestet und auch in GIS umgesetzt worden (TURRINI & VISINTAINER 1998; MOON et al. 2001; CLERICI et al. 2002).

32 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine

Trennflächengefüge

Die bestimmenden tektonischen Einheiten im Lahnenwiesgraben wurden bereits in Kap. 2.2 beschrie- ben und sind gemeinsam mit dem gemessenen Schichtstreichen und -fallen in Abb. 15 dargestellt. Im Lauf der Projektentwicklung wurden die Gefügemessungen zugunsten der Prozesserhebung zurück- gestellt. Daten aus dem östlichen und südlichen Gebiet sind daher nur lückenhaft vorhanden. Den- noch können aus den Daten gut die generellen Streichrichtungen abgelesen werden sowie eine Ver- drehung und Versteilung im der nördlichen Muldenschenkel im Gebiet des Brünst- und Herrentisch- grabens.

Abb. 15: Tektonische Karte mit Streichen und Fallen. Eingetragene Störungen nach LINKE (1963).

3.2 Lockergestein

Als einer der wichtigsten Aspekte im Kaskadenmodell ist die Verteilung der Lockergesteine und ihrer physikalischen Eigenschaften anzusehen. Mit dieser Information, die sowohl bei der Geländearbeit als auch bei der Validierung der späteren Modelle herangezogen werden kann, wird bereits das Muster der Ablagerungsräume und indirekt der Prozessräume mitgeliefert. Andererseits ist die Vielzahl an Parametern, die an den Begriff „Lockergestein“ geknüpft sind, entscheidend für die Modellierung. Aus diesem Grund wurde die Verbreitung der Lockergesteine und ihrer geotechnischen Eigenschaften komplett neu aufgenommen, da die amtliche geologische Karte diese Information prinzipiell nicht anbietet (in diesem Kapitel werden die Begriffe Lockergestein und Boden nach DIN 1055 T2 synonym verwendet und nicht im Sinne der Bodenkunde). Die Lockergesteinsdecke - die inklusive der gering mächtigen Schuttschleier 91 % der Gesamtfläche im Lahnenwiesgraben bedeckt - ist äußerst heterogen aufgebaut. Dies liegt zum einen natürlich an der Vielfalt der Ausgangsgesteine (Dolomite, Kalk-, Kieselkalk-, Mergel- und Tonsteine) und zum anderen an den größeren Vorkommen der naturgemäß inhomogenen glazialen und fluvioglazialen 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 33

Sedimente. Infolge der intensiven Durch- und Entmischung der Schuttdecken durch Erosions- und Sedimentationsprozesse ist zudem von einer Multiplikation der Variationsmöglichkeiten auszugehen. Gemeinsamkeiten sind daher erst wieder bei der Verwendung einfacher Raster zu erkennen. Für die Fragestellung wurden die Lockergesteine aus drei Perspektiven betrachtet und kategorisiert:

• Genese (Alter, Prozess) [flächendeckende Information]

• Geotechnische Eigenschaften (mit Ableitung physikalischer Kennwerte und Klassifikation nach DIN 1055 T2, DIN 4022 T1, DIN 18123 und DIN 18196) [flächendeckend kartiert, punktuell an Proben analysiert; Probenahmepunkte Abb. 16 und Anhang 6.4-1]

• Produkt der aktuellen Sedimentkaskade (Sedimentspeicher) [Information in isolierten Poly- gonen]

• Als vierte Informationsebene wurde zudem die Mächtigkeit der Lockergesteinsdecke aus al- len zur Verfügung stehenden Daten und Aufschlüssen interpoliert [flächendeckend, Kap. 3.2.5]

Eine Annäherung an die reale Verteilung und Vielfalt der Lockergesteine ist durch die Kombination dieser Klassen mit der geologischen Karte in GIS möglich, die dort als Polygon-Shapes verwaltet werden.

Abb. 16: Lage der Probenentnahmepunkte aus Schürfen und den Bohrungen IM1 und IM2.

In der genetischen Ansprache werden die Entstehungsart und die Entstehungszeit der Lockergestei- ne berücksichtigt und entsprechen daher den in der geologischen Karte ausgehaltenen Einheiten. Generell können drei Hauptgruppen unterschieden werden:

• die glazialen, pleistozänen Moränen

• die fluvioglazialen, spät- und postglazialen Schotter

• die holozänen Verwitterungs- und Hangschuttdecken

34 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine

Dabei können innerhalb der Einheiten weitere Untergliederungen durchgeführt werden. Die Beschreibung von Lockergesteinen nach Korngröße und bodenmechanischen Eigenschaften ist ein klassisches geotechnisches Verfahren und ist für das Bauwesen in DIN-Normen standardisiert worden. Nach diesen Vorgaben sind 33 Proben nach Korngröße und Konsistenzgrenzen (DIN 18123) bestimmt worden (Abb. 17 und Abb. 23, bzw. Anhang 6.4-2). Anhand der Analysen- und der Kartier- ergebnisse wurden drei geotechnische Hauptgruppen für den Lahnenwiesgraben zusammengefasst, die in sich noch weiter gegliedert werden können, wie in den folgenden Kapiteln 3.2.1 bis 3.2.4 an einigen Beispielen ausgeführt wird. Für die flächenhafte Gesamtausgabe gelten:

• nicht bindige, grobkörnige Böden, vorwiegend Kiese (GI bis GE)

• bindige, gemischtkörnige Böden, vorwiegend Kiese mit hohem Ton- und Schluffkornanteil (GU/GT bzw. GU*/GT*)

• bindige, feinkörnige Böden, vorwiegend Schluff mit wechselnd hohen Anteilen Tonkorn und geringen Anteilen an Sand und Kies (häufig UM)

Lockergesteinsvorkommen aus den aktuellen Kaskadenprozessen treten punktuell in geringer flächenhafter Verbreitung auf. Meistens sind sie noch mit dem Herkunftsort in Form einer Erosions- hohlform und dem Transportweg verknüpfbar. Dagegen ist eine Identifizierung älterer Vorkommen ohne aufwändigere Aufschlussarbeiten nicht zu sichern, da die Oberflächenformen sehr schnell auf- gearbeitet und durch Vegetation verdeckt werden. Sie stellen sozusagen den letzten Fingerabdruck der Sedimentkaskade auf der obersten Schicht der Sedimentspeicher dar. Insgesamt mussten für die Geländearbeit und die Darstellung der Daten weitere Kompromisse einge- gangen werden. So werden Mehrschichtkomplexe in der Karte nicht dargestellt. Die ausgewiesenen Lockergesteinsarten sind diejenigen, die die Morphologie oder die aktuelle Kaskade am stärksten beeinflussen. D. h. dünne Schuttschleier auf mächtiger Moräne werden zugunsten der Moräne igno- riert, wogegen mächtige Hangschuttdecken in der Karte über darunter liegender Moräne dominieren. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die scharfen Grenzlinien interpretiert sind und in der Realität als Übergangszonen bestehen.

3.2.1 Pleistozäne und glazigene Sedimente (Moräne)

Gut zu unterscheiden sind die Fernmoränen der Würmeiszeit von den jüngeren Lokalmoränen des Kramermassivs. Die Fernmoränenreste im Arbeitsgebiet stammen aus dem Zustrom des Loisachgletschers, der als Seitenarm des Inngletschers zentralalpine Gesteine in die Nördlichen Kalkalpen verfrachtete (Kap. 2.2). Die Zusammensetzung der Moränen im Arbeitsgebiet wird dennoch im Wesentlichen von den lokalen, kalkalpinen Einheiten geprägt, die nur in geringen Anteilen von 5 bis maximal 30 % kri- stalline Geschiebe (Amphibolit, Gneis) führen. Die Verbreitung der Fernmoräne ist deutlich größer als aus den Karten abzulesen, da fein verteilte Schleier von nur wenigen cm Mächtigkeit und einzelne Handstücke im Rahmen der Fragestellung nicht in die Karten eingegangen sind. Es ist jedoch anzu- nehmen, dass selbst mächtigere Moränentaschen über 1 m Dicke unbemerkt geblieben sind, wie einige unerwartete Aufschlüsse durch Lockergesteinsgleitungen gezeigt haben. Entsprechend der Einteilung nach Bodenarten DIN 4022 gehört die Moräne zu den bindigen Böden mit hohem Grobkornanteil. Die Auswertungen im CASAGRANDE-Diagramm (DIN 18196) stellen die Feinkornmatrix vorwiegend zu den mittelplastischen Tonen (TM, z. T. auch TA und TL, vgl. Abb. 23). 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 35

Anhand der Kornverteilung besteht die Moräne aus schluffigem Kies bzw. kiesigem Schluff mit wech- selhaften Anteilen von Kies (22 bis 80%) und Schluffkorn (10 bis 45%) und geringeren Beimengungen von Ton- (2 bis 26%) und Sandkorn (5 bis 15%) und ist demnach als GU/GT bzw. GU*/GT* zu klassi- fizieren (Abb. 17). Das Grobkorn ist meist ellipsoid gerundet und gelegentlich nur kantengerundet und zeigt an der Ober- fläche häufig Kritzungen. Eingelagert sind die Kiese in einer blaugrauen Feinkornmatrix, die das Mo- ränenmaterial zu einem schlechten Wasserleiter machen. Auf flachen Hangbereichen und in Mulden bilden sich daher über Moränen Vernässungszonen mit einem stark ausgeprägten, oberirdischen Abflusssystem. Das Kieskorn ist dagegen meist splittrig zerbrochen und kaum gerundet. Bei ausreichender und dauerhafter Wasserverfügbarkeit, wie sie im Lahnenwiesgraben in vielen Ge- bieten besteht, befindet sich die Moräne bis in drei Meter Tiefe in weicher Konsistenz (Anhang 6.3-6), und kann nach der Schneeschmelze oder nach langen Regenfällen auch breiig angetroffen werden. Dieser geotechnisch ungünstige Zustand wird dauerhaft oder periodisch erreicht und führt in der Folge zu Hanginstabilitäten, die sowohl durch frische als auch fossile Bewegungszeiger belegt sind. Im trockenen Zustand verbackt die Moräne dagegen betonartig und bildet stabile Hangflanken mit Nei- gungen bis 45°. Diese Situation ist häufig an Böschungen zu finden, die zu normalen Zeiten sehr gut entwässern können, z. B. entlang der Forststraße oder an Uferböschungen mit wasserdurchlässigem Gebirge im Liegenden. Veränderungen im hydrologischen Regime wie sie z. B. der Gleitung vom 1. Mai 1997 vorangingen (FLEISCHER 1999, S. 68ff), können daher zu unerwarteten und - für den Lahnenwiesgraben - zu ungewöhnlich großen Sedimentverlagerungen führen (Abb. 66, S. 111).

TU S G 100

90

80

T

70

60

50

40

Siebdurchgang [%] 30

20

10

0.01 0.1 1 10 100 Korndurchmesser [mm] Proben Moräne:

1: IM1-2 8: P 02 15: P 09a 2: IM1-3 9: P04 16: P 10 3: K1 10:P 05a 17: P 11 4: K4 11: P 05b 18: P 12b 5: K6 12: P 06 19: PL 01 6: P 01a 13: P 07a 20: PL 04

7: P 01b 21: PL 06

Abb. 17: Kornverteilungskurven der Moränenproben (die Lage der Entnahmepunkte ist in Abb. 16 bzw. Anhang 6.4-1 dargestellt).

36 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine

Die Verbreitung der Moräne ist der Karte in Abb. 22 zu entnehmen. Von Bedeutung sind die Vorkom- men an den Ufern des Sulzgrabens, die durch aktive und verheilende Uferanbrüche sehr gut aufge- schlossen sind. Sowohl die Kornzusammensetzung als auch die Eigenschaften des Materials in unterschiedlichen Plastizitätszuständen sind hier gut zu studieren (beruhigter rechter Uferbereich am oberen Sperren- system, aktive linksseitige Uferanbrüche in der Verlängerung der Langlahnerschneise).

Tab. 8: Beschreibung der dominanten Korngrößenverteilung und Bodeneigenschaften der Moränen.

Bodenart: Kiese, stark schluffig, tonig bis stark tonig, schwach sandig bis sandig Hauptkornanteil Matrix: Schluff Bodengruppe nach DIN 18196: GU*/GT*, Matrix TM, seltener TL

Die Kare am Kramer gehören zu den wenigen Zeugen der Lokalvergletscherung im Ammergebirge, die nach dem Rückzug der Gletscher der Würmvereisung wieder an Bedeutung gewann. Die verblie- benen Lokalmoränen im Arbeitsgebiet sind jetzt nur noch in den Karböden und Karschwellen am Kramer und z. T. an den darunter liegenden Hängen aufgeschlossen. Im Gegensatz zu den Fernmo- ränen bestehen sie aus fein zerriebenem Hauptdolomitgrus mit dominantem Kornanteil im Grobsand bis Feinkies (Bodengruppe: SI – SE/GI - GE, intermittierend bis eng gestufte Sande/Kiese). Im Abflussgerinne des Kuhkars steht das Ufer mit Neigungen bis 45° sehr stabil in der Lokalmoräne. Die hohe Standfestigkeit rührt dabei von der Verkittung der Körner durch Kalkstaub und eventuell auch Versinterung her, und weniger von einem außergewöhnlich hohen Reibungswinkel. Die Verbreitung der Lokalmoräne ist aufgrund des dichten Bewuchses mit Gras und Latschen und dem unruhigen Felsrelief im Hauptdolomit schwer abzuschätzen.

3.2.2 Pleistozäne spät- und postglaziale, fluvioglaziale Schotter

Spätglaziale Schotterterrassen, die durch die fluviale Umlagerung der Moränendecken talwärts trans- portiert wurden, sind im mittleren und unteren Talverlauf aufgeschüttet worden und erreichen unter den Reschbergwiesen ihre größte Mächtigkeit. Da keine Moränenablagerungen auf den Schottern zu finden sind, geht STEINMANN (KOCKEL et al. 1931, S. 126) von einer Bildung noch im Pleistozän, direkt im Anschluss an die Vergletscherung aus. Ein nennenswerter Aufschluss ist der bis zu 10 m tiefe Einschnitt des unteren Herrentischgrabens in diese Einheit (Abb. 18). Das Uferprofil durch die Schotter zeigt teilweise deutliche Schichtung, die sich entlang grobkörniger Lagen am besten verfolgen lässt. Zum Teil sind Schrägschichtungskörper, verfüllte Rinnen und Linsen mit deutlich feinkörnigeren Sedimenten oder gar Stausedimenten zu sehen. Insgesamt deckt der Sedimentkörper fast das gesamte Spektrum der grobkörnigen, gemischtkörnigen und feinkörnigen Bodenarten ab (Abb. 18), wobei die grob klastischen Schichten von weniger mächtigen feinkörnigen Lagen getrennt werden. Generell ist der Schotter als ein an Feinkorn reicher Kies GU/GT bzw. GU*/GT* zu bezeichnen. Die Farbe rangiert zwischen dunkel- bis schwarzgrau über blaugrau zu bei- gegrau. Das Kieskorn entstammt den lokalen Kalk- und Dolomitserien und zeigt vorwiegend die hellen Farben des Hauptdolomits und Plattenkalks.

3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 37

Abb. 18: Freigelegtes Bett des Herrentischgrabens nach dem Starkregenereignis am 21. Juni 2002. Ange- schnitten ist der starke Kontrast der fein- und grob- körnigen Horizonte zu erkennen, die eine abwech- selnde Stillwasserfazies (Stauseen) und Hoche- nergiefazies (Sander und Schotterterrassen) bele- gen. Foto: V. Wichmann 2002.

Die Wasserleitfähigkeit in den Schottern ist höher als in der Moräne einzustufen. Aufgrund der hetero- genen Ausprägung streuen die Werte von Reibung und Kohäsion breiter als im Moränenmaterial. Tendenziell sind Böschungen in den Schottern stabiler und seltener durch Gleitungen oder Kriechbe- wegungen geprägt. Trotz der relativ weiten Verbreitung sind die Schotter im Gelände wenig in die Sedimentkaskade ein- gebunden. Als alte Endspeicher im System haben sie die Tiefenlinien des Tals aufgefüllt und bilden zumeist flache, feuchte Hänge aus. Umlagerungen finden primär durch fluviale Erosion am Hauptge- rinne (Terrassenbildungen) und Murschurf (Herrentischgraben) statt.

3.2.3 Rezente Schuttbildung

Die rezente Lockergesteinsbildung ist hochkomplex und letztendlich der Spiegel der holozänen Ver- witterungs-, Erosions- und Ablagerungsgeschichte. Stark vereinfacht können drei Phasen der Schutt- bildung unterschieden werden. Als zeitlich erste Gruppe sind die Verwitterungsprodukte aus dem Festgestein zu verstehen, der so- genannte Verwitterungsschutt. Dieser wird in einer zweiten Phase durch verschiedenste Erosionspro- zesse aufgenommen und umgelagert und ist ab diesem Zeitpunkt als Hangschutt zu verstehen. Die- ser kann nach seiner Entstehungsart z. B. in Murschutt, Sturzschutt, Kriechmaterial, Gleitschollen, etc gegliedert werden. Als dritte Phase ist die Bodenbildung zu verstehen. Nachdem die Verbreitung der Böden bereits erhoben wurde (KOCH 2006), befasst sich dieser Ab- schnitt mit der Hangschuttphase. Der Verwitterungsschutt wird hier nicht gesondert unterschieden, da angenommen wird, dass er in der Hochgebirgsumgebung sehr schnell in den Hangschutt integriert wird. Bei der Kartierung wurde weiterhin nur Hangschutt berücksichtigt, der direkt auf dem Anstehen- den vorhanden ist bzw. in bedeutenderer Mächtigkeit auf Moränen und postglazialen Schottern auf- liegt (vgl. Einführung Kap. 3.2). Unter diesen Voraussetzungen ist der Hangschutt mit einem Bede-

38 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine ckungsgrad von 75 % (inklusive Kramergebiet) im Lahnenwiesgraben vertreten und stellt somit in der Fläche die dominante Lockergesteinsform. Bei der Bearbeitung wurde der Hangschutt nach drei Eigenschaften unterschieden: • Herkunftsmaterial nach stratigraphischer Einheit • Geotechnische Eigenschaften in Abhängigkeit von der Korngrößenzusammensetzung • Prozess der Kaskade, der den Hangschuttkörper primär akkumulierte. Nach dieser Gliederung werden im Folgenden die einzelnen Hangschutttypen abgehandelt.

Hangschutt aus Hauptdolomit (hd)

Die Hauptmasse des aus Hauptdolomit entstehenden Hangschutts stammt aus der physikalischen Verwitterung z. B. durch Frostsprengung, bei der die Zerlegung des Gesteins entlang der Kluftflächen erfolgt. Entsprechend der vorherrschenden Kluftabstände entstehen so Halden, die ein Spektrum von sandigem Kies (Störungszonen) über reinen Kies (vorherrschende Zusammensetzung) bis hin zu Blockschutt (z. B. im Roßkar unter der dick bankig bis massig ausgebildeten Gipfelwand) aufzeigen können. Begünstigt wird der Verwitterungsprozess an steilen Hängen, an denen der oberflächennah aufgelockerte Schutt schnell abtransportiert werden kann und somit schnell frisches Gestein der Witte- rung ausgesetzt wird. Hangschutt aus Hauptdolomit ist daher in den meisten Fällen eng mit Sturzpro- zessen verknüpft (vgl. Kap. 4.3). Das Material zeigt vorherrschend kubische Formen und ist scharf- kantig ausgebildet und erlaubt somit steile Halden zwischen 35° und fast 45°. Feinkornanteile (T, U) sind nur in sehr geringen Mengen enthalten, die z. T. aus den nichtlöslichen Bestandteilen des sehr reinen Kalzits und Dolomits des Gesteins bzw. durch äolischen bzw. hangaquatischen Eintrag akku- mulieren (vgl. Abb. 19). Das nicht bindige Lockergestein ist als schwach sandiger, z. T. steinig– blockiger Kies (GE) anzusprechen. Durch die helle Farbe des Ausgangsgesteins fallen die gelblich weißen bis hellgrauen Halden deutlich ins Auge. Weitere Angaben zu den Eigenschaften sind Tab. 9 zu entnehmen.

T U S G X

100 Kössener Hangschutt P 03b P 03a IM1-1 90 PL 03 EMe PL 09 80 P 03a P 03b 70 P 08 P 12c 60 PL 09 IM1-1 PL 10 50 P 12a PL 10 EMe Plattenkalk Hangschutt 40 P 08

Siebdurchgang [%] P 12c 30 P 12a PL 02 PL 02 20 PL 03 10 P 13C Hauptdolomit Sturzschutt P 13B 0 P 13B 0.01 0.10 1.00 10.00 P 13C

Korndurchmesser [mm]

Abb. 19: Kornverteilungskurven der Hangschuttproben (vgl. Karte Abb. 16). 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 39

Auf flacheren Hangbereichen liegt der anstehende Fels unter einer nur wenige cm starken Schicht aus Rohboden, der sich aus den nichtlöslichen Bestandteilen und Gesteinsfragmenten des Hauptdolomits zusammensetzt (Abb. 5, S. 11).

Tab. 9: Eigenschaften des Hangschutts aus Hauptdolomit. Kennwerte abgeleitet aus DIN 1055 T2 (1976).

Bodenart: Kies, z. T. sandig, z. T. steinig bis blockig Hauptkornanteil Matrix: - Bodengruppe nach DIN 18196: GE, GI, selten GW Reibungswinkel [°] 35 bis 45 Kohäsion [kN/m2] 0 Durchlässigkeit [m/s] 10-2 bis 100

Hangschutt aus Plattenkalk (pk)

Prinzipiell entstehen aus dem Plattenkalk aus der physikalischen Verwitterung nicht bindige, kiesig- blockige Lockergesteine und aus der chemischen Verwitterung bindige, feinkörnige Böden aus Tonen und Schluffen, die vor allem aus den Ton- und Mergeleinschaltungen hervorgehen. Im Lahnen- wiesgraben treten aufgrund von Durchmischungsvorgängen bzw. durch das gemeinsame Wirken beider Verwitterungsvorgänge sämtliche Mischformen auf. Die reinen feinkörnigen Lockergesteine bedecken als gering mächtiger Schleier die steilen Hangflan- ken der nördlichen Talseite, an denen sie sich besser halten können, als die auswitternden Kies- und Blockkörper, die sich an Hangstufen und zuletzt am Hangfuß ansammeln. Sie sind hellocker bis rötlich ocker gefärbt. Auffällig ist der hohe Anteil an Ton, der bei über 30% liegt und selbst bei höheren Kies- gehalten noch 15% erreicht, ebenso wie das Schluffkorn, das zwischen 10% und knapp 30% schwankt (Abb. 19). Anhand der drei Konsistenzbestimmungen ist keine eindeutige Zuordnung im CASAGRANDE-Diagramm möglich (UL, TM, UA/OT). Das Diagramm in Abb. 23 zeigt die Lage von zwei Proben unter der A-Linie sowie einen sehr hohen Fließgrenzenwert wL der Probe P08. Beides Indikatoren für die Anwesenheit organischer Bestandteile, die der Umbildung des Hangschutts zu Boden (Rendzinen nach KOCH 2006) und der teilweisen Nutzung als Viehweide zuzuschreiben sind. Aufgrund der steilen Hanglage und der unterlagernden verkarsteten Plattenkalke wird die Lockerge- steinsdecke gut entwässert und befindet sich meist in steifen bis halbfesten Zustand. Die reinen grobkörnigen und nicht bindigen Halden aus Plattenkalkschutt entstehen wie im Hauptdo- lomit unter steilen Felswänden, die aufgrund des hangparallelen Streichens der Schichten selten auftreten (vgl. Abb. 15 und die Karte der Sedimentspeicher Abb. 20). Aufgrund des Trennflächengefü- ges sind die Kluftkörper plattig mit Kantenlängen von wenigen cm bis 50 cm ausgebildet. Als Aus- nahme ist die Felssturzhalde unter der Blauen Wand im oberen Einzugsgebiet des Herrentischgra- bens zu nennen, die Blockschutt mit Durchmessern von mehr als 3 m enthält (SCHÄDLER 2004; RÜCKAMP 2005). Das Material ist scharfkantig und von einer stumpfen, blaugrauen bis ockergrauen Farbe. Die Übergangsform der feinkornreichen Kiese findet sich an Hangstufen und in Hangmulden, in denen sich sowohl Fein- als auch Grobkorn durch verschiedene Transportprozesse wie Abspülung, Murgän- ge, Gleiten, Stürzen und Rollen aus dem Oberhangbereiche anreichert. Ein erheblicher Anteil des Feinkorns stammt aus den im Plattenkalk vorhandenen Ton- und Mergelsteinen, die besonders im Übergang zu den Kössener Schichten im Liegenden der Serie auftreten. Das Material ist aufgrund seiner Verbreitung in Mulden und am Hangfuß meist von weicher bis steifer Konsistenz.

40 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine

Tab. 10: Eigenschaften des Hangschutts aus Plattenkalk. Kennwerte abgeleitet aus DIN 1055 T2 (1976)

Bodenart: Schluff, tonig, schwach Kies, stark schluffig bis Kies, steinig, z. T. blockig kiesig schluffig, stark tonig bis tonig Bodengruppe nach DIN 18196: UL, TM, UA/OT GU/GT, GU*/GT* GE, GI Wichte [kN/m3] 18 bis 20 20 bis 22 17 bis 19 Reibungswinkel [°] 18 bis 30 27,5 bis 37,5 30 bis 37,5 Kohäsion [kN/m2] 10 bis 30 0 bis 5 0 Durchlässigkeit [m/s] 10-8 bis 10-10 10-6 bis 10-9 10-1 bis 100

Schutt aus Kössener Schichten (k)

Bereits in Kapitel 3.1.3 wurden die zwei unterschiedlichen Festgesteintypen innerhalb der Kössener Schichten beschrieben, die auf der einen Seite durch einen hohen Anteil an Ton- und Mergelsteinbän- ken und auf der anderen Seite durch Kalksteinbänke dominiert werden. Das Spektrum der daraus hervorgehenden Schuttarten wird gut durch die Proben P03a und P03b bzw. EMe (Abb. 23 und Abb. 19) umrissen. Aus den Mergel- und Tonsteinen geht ein blaugrauer, schwarz- bis braungrauer tonreicher Schluff hervor (U 40 bis 65%, T 22 bis 32%) mit 5 bis 30 % Sandkorn (tlw. in Form von Muschelschill) und Kieskorn zwischen 0 und 20% (Abb. 25A). Im CASAGRANDE-Diagramm plotten die feinkörnigen Proben vor allem in den Bereich der mittelplastischen Tone TM bzw. der ausgeprägt plastischen Schluffe bzw. der Tone mit organischen Beimengungen UA/OT. Aufgrund der ständigen Wasserverfügbarkeit im Bereich der Kössener Schichten (vgl. Kap. 3.1.3) liegt das Material in steifer bzw. weicher Konsistenz vor und befindet sich lokal nach der Schneeschmelze bzw. nach langen Regen im Grenzbereich zu breiig. Da die Ton-Mergelsteine leicht verwittern und nicht sehr standfest sind, entstehen mächtigere Schuttdecken meist in-situ auf flachen Hangabschnitten. Dagegen zeigen sich die kalksteinreichen Abfolgen der Kössener Schichten als resistenter. Der Hangschutt auf den steileren Hängen erreicht selten mehr als 1 m Mächtigkeit und ist stark kiesig und steinig. In Abb. 25B (S. 47) ist der Aufschluss der Proben EMe und EMw dargestellt, die an einem Muranbruch östlich der Enningalm genommen wurden. In der dunkelbraunen Feinkornmatrix schwim- men ausgebleichte, weißliche Kalksteintrümmer, die allerdings auch rostfarben bis rötliche graue Färbung zeigen können. Trotz des an der Körnungslinie (Abb. 19) ablesbaren hohen Kieskornanteils ist der Feinkornanteil für die Eigenschaften des Hangschutts bestimmend. Im CASAGRANDE- Diagramm (Abb. 23) fallen sie in das Feld der ausgeprägt plastischen Tone TA, während andere Kössener Proben ähnlicher Kornzusammensetzung mit den Ergebnissen der feinkörnigen Typen übereinstimmen. Über die Kalkbänke und durch die höhere Hangneigung wird die Matrix besser ent- wässert als in den Hangmulden und liegt daher meist in steifer Konsistenz vor. Während hoher

Tab. 11: Eigenschaften des Hangschutts aus Kössener Schichten. Kennwerte abgeleitet aus DIN 1055 T2 (1976).

Bodenart: Schluff, tonig, schwach kiesig Kies, stark schluffig, stark tonig bis tonig, z. T. steinig Bodengruppe nach DIN 18196: UM, UA (TL, TM, TA) GU/GT, GU*/GT* Wichte [kN/m3] 18 bis 21 20 bis 22 Reibungswinkel [°] 17,5 bis 27,5 22,5 bis 27,5 Kohäsion [kN/m2] 0 bis 10 0 bis 10 Durchlässigkeit [m/s] 10-8 bis 10-10 10-7 bis 10-10

3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 41

Wasserdargebote ist jedoch ein schneller Übergang zu weicher bzw. breiiger Konsistenz möglich, ebenfalls durch den oben erwähnten Muranbruch belegt. Insgesamt sind alle Lockergesteine aus dem Material der Kössener Schichten anfällig gegenüber der Erosion, sowohl durch exogene Schurfprozesse (Wasser, Muren, Lawinen) als auch durch intern entstandene Massenbewegungen (Gleitungen, Stürze) und haben damit sowohl in der Masse als auch in der Häufigkeit einen bedeutenden Anteil im Sedimenthaushalt des Einzugsgebietes.

Schutt aus Lias Fleckenmergel (lf)

Der anstehende Lias Fleckenmergel wird durch eine mergelige Fazies im Westen und eine kieselige Fazies im Osten des oberen Lahnenwiesgrabens vertreten. Ebenso kann zwischen mächtigeren Hangschuttdecken aus kiesigem, tonigen Schluff über dem mergeligen Fleckenmergel und den gering mächtigeren schluffigen Kiesen über der kieseligen Fazies unterschieden werden. Der erste Typ ist vor allem westlich des Sulzgrabens zwischen Hirschbichlgraben und Fleckgraben vorhanden. Nässe- zeiger und ein verzweigtes Rinnensystem sind aufgrund des hohen Wasserangebots entstanden und lassen den Schluss auf eine weiche, maximal steife Konsistenz des Hangschutts zu. Insgesamt er- scheint das Material dunkler als der vergleichbare Kössener Schutt und ist vor allem durch die dunkle- ren Lias Kalksteinbruchstücke erkennbar. Geotechnisch wird er dem feinkörnigen Hangschutt der Kössener Schichten gleichgesetzt. Der Hangschutt auf der kieseligen Fazies kommt kaum zum Vorschein, da seine Bildung durch die Überdeckung von Moräne bzw. den Aufschlüssen im Bachbett unterdrückt wird. Das Grobkorn ist hauptsächlich durch die Kiesfraktion abgedeckt, da die dünnen Bänke des spröden Kieselkalks unter der starken tektonischen Beanspruchung stark zerbrochen sind. Der Feinkornanteil, soweit er nicht allochthon eingetragen wurde, stammt aus den feinen Mergelhäutchen zwischen den Bänken. Auf- grund fehlender Beobachtungen wird der Reibungswinkel ähnlich wie beim Hauptdolomit angesetzt.

Schutt aus Doggerkalk (bk)

Hangschutt auf Doggerkalkstein ist schwer von den ihn umgebenden geologischen Einheiten zu tren- nen. Zum einen tritt er in einem vergleichsweise schmalen Band zutage, zum anderen ist eine bedeu- tende Akkumulation des Hangschutts auf den steilen Hängen des Hirschbühelrückens und des Hirschbühels so gut wie ausgeschlossen. Im Ergebnis entwickelt sich so ein wenige cm mächtiger, feinkörniger Lockergesteinsschleier, wie er auf den steilen Plattenkalkhängen entsteht. Aufgrund der schattseitigen Lage der Vorkommen und dem gering durchlässigen Untergrund ist das bindige Lo- ckergestein meist von weicher bis steifer Konsistenz.

Schutt aus den Bunten Hornsteinschichten (wh)

Reiner Hangschutt aus den stark kieseligen Hornsteinschichten ist selten vorzufinden. Da die Serie, die zudem relativ kleinräumig verbreitet ist, vor allem an steilen Hängen (Krottenkopf, Roter Graben, Hirschbühelrücken) oder im Bachbett des Sulzgrabens aufgeschlossen ist, wird ihr Verwitterungsma- terial sehr schnell durch gravitative Erosionsprozesse oder durch die fluviale Erosion entfernt. An anderen Stellen wird der Hangschutt von anderen Lockergesteinen, vor allem Moräne, überdeckt oder ist von dichter Vegetation bewachsen. Anhand einzelner Anbrüche am Ufer entsteht das Lockermate- rial in erster Linie durch physikalische Verwitterung, wobei die dünnen Kieselkalkbänke und -flasern in nicht bindige, scharfkantige, meist würfelige Kiese zerfallen. Durch weiteres Zerbrechen und durch Kalklösung erhöht sich der Feinkornanteil, bis als Endprodukt ein sandig kiesiger Schluff entsteht. In der Kartierung wird er den bindigen, grobkörnigen Lockergesteinen zugerechnet.

42 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine

Schutt aus Aptychenschichten (w)

Dieser Hangschutt ist an der Nordseite des Hirschbühels vorhanden. Er besteht grundsätzlich aus einer rötlichen bis rötlich grauen, feinkörnigen Matrix, in der Splitter aus Aptychenkalksteinen eingear- beitet sind. Im Gegensatz zu den restlichen aus Juragesteinen hervorgegangenen Lockergesteinen entstehen hier Mächtigkeiten von mehr als einem Meter. Neben den häufigen Schurfwunden durch Lawinen treten des Öfteren Gleitungen auf, die unter anderem auf eine kontinuierliche Wasserverfüg- barkeit und entsprechend weicher bis steifer Konsistenz des Feinkorns zurückzuführen sind. Im Ver- gleich zum Auftreten von Hangbewegungen im feinkörnigen Hangschutt ist dieses Material stabiler als die Produkte aus Kössener Schichten und anfälliger als jenes aus Plattenkalk. In der Karte wird es unter den bindigen Lockergesteinen mit hohem Kiesgehalt ausgehalten.

3.2.4 Lockergesteinskörper als Produkt der Sedimentkaskade

Wie bereits ausgeführt definiert sich der Hangschutt als Umlagerungsprodukt. Entsprechend müsste die Hangschuttdecke nicht nur nach stratigraphischen, sondern auch nach prozessualen Gesichts- punkten zu gliedern sein. Allein bei einer Oberflächenkartierung können nur die jüngsten Ablagerun- gen entsprechend angesprochen und zugeordnet werden. In der Karte sind daher definierbare Sedi- mentkörper inselartig und nach ihrer morphologischer Erscheinung und Ablagerungsart eingetragen. Diese sind und in Abb. 20 dargestellt und werden in den folgenden Abschnitten detailliert beschrieben.

Abb. 20: Karte der jüngsten Sedimentspeicher, aufgeschlüsselt nach dem schaffenden Erosionsprozess.

3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 43

Sturzschutthalden und Felssturzmaterial

Steilhänge und Felswände, aus denen sich Steinschlag, Blockschlag und Felssturz lösen können, bilden sich im Lahnenwiesgraben vor allem im Hauptdolomit und Plattenkalk. Häufig sind Schutthal- den aus Grus (Grobsand bis Grobkies) anzutreffen, die sich unter den stark verwitterten Hauptdolo- mitwänden, z. T. im Einflussbereich von tektonischen Störungen ergeben. Block- und Felssturzhalden (hd und pk) bauen typisch gradierte Schutthalden auf, die von Blockdurchmessern > 50 cm am Hang- fuß bis zum Sandkorn > 2 mm an der Haldenspitze reichen können. Die Sturzhalde unter der Blauen Wand im Einzugsbereich des oberen Herrentischgrabens stellt mit Felstrümmern von mehr als 5 m Durchmessern eine Ausnahme dar. Dass die Halde bereits von über 20 m hohen Fichten bestanden ist und frischer Schutt selten ist, weist auf ein einmaliges oder sehr seltenes Toppling aus dem Schichtverband der Blauen Wand dar (SCHÄDLER 2004, S. 18 u. 70). Rezent aktive Halden befinden sich unter der Nordwand des Roßkars im Kramer, den Plattenkalk- wänden am Westfuß des Hinteren Schneckens und einzelnen, lokalen Plattenkalkwänden an der Nordseite des Lahnenwiesgrabens (Abb. 20). Einzelne Felssturzwälle bezeugen zwischen der Enningalm und dem großen Holzumschlagsplatz an der Enningstraße (bei 1500 m NN) diesen Sturzprozess. Es handelt sich um wenige, bis 15 m lange, tlw. sichelförmige Wälle von 0,5 – 2 m Höhe. Die Komponenten sind zumeist 0,5 – 1 m im Durchmes- ser, es sind aber auch bis 5 m große Felsen zu finden. Der Bewuchs mit Moos und Bäumen lässt einen Rückgang oder eine sehr geringe Frequenz bei Felsstürzen vermuten. Frisches Material ist äußerst selten und eher dispers verteilt. Ähnliche Ablagerungen befinden unter Steilwänden im Plat- tenkalk, wie auf der Nord- und Südseite des Stepbergecks, unter der Pflegeralm und im Mittellauf des Lahnenwiesgrabens. Am Kramer treten Felsstürze häufiger im Roßkar auf. Einzelne Anbruchnischen wurden in der Seleswand und der westlich anschließenden Steilstufe beobachtet. (Weitere Arbeiten zu diesem Thema im Lahnenwiesgraben von FLEISCHER 1999; KELLER & MOSER 2002; KRAUTBLATTER 2003; POPPEL 2003; KRAUTBLATTER & MOSER 2005; RÜCKAMP 2005; WICHMANN 2005)

Murschutt

Murprozesse treten im Lahnenwiesgraben in mehreren Erscheinungsformen auf. In vielen Fällen handelt es sich um murartigen Weitertransport von Schutt aus Lockergesteinsrutschungen (Kap. 4.2), z. T. sind es flächenhafte Übersarungen durch Hauptdolomitschutt nach heftigen Regenfällen. Selten werden dadurch bis auf wenige Ausnahmen große Materialmengen umgelagert und auffällige Sedi- mentspeicher gebildet. Mächtige Murschuttkörper bauen sich am Ende von Gerinnen und Bachläufen auf, die ihren Ursprung in steilen Hängen auf Hauptdolomit und Plattenkalk haben. Abflusswellen bei Starkregen können den dort abgelagerten Grobschutt aufnehmen und in Murschüben zu Tal bringen, wo sie unter Umständen aus den mächtigen Hangschutt- und Moränendecken zusätzlich Material aufnehmen. Murrinnen dieser Art befinden sich am Kramer in den Karen und unterhalb des Kö- nigstands, sowie in der Steilstufe östlich der Enningalm und in den oberen Einzugsgebieten des Brünstgrabens und des Herrentischgrabens (Abb. 20). Entsprechend können Muren unterschieden werden, die primär aus Kalkschottern (hd und pk) zusammengesetzt sind (GE und GI), und solche, die zusätzlich einen erheblichen Anteil von Schluff, Ton, Humus und Pflanzenteilen inklusive ganzen Bäumen aufweisen (GU, GT, bzw. TM). Häufig werden diese als Murzungen und Murkegel in Auslauf- strecken abgelagert, seltener als Murwälle entlang der Bewegungsbahn. Kegel im Hauptgerinne wer- den sehr schnell durch die fluviale Erosion aufgearbeitet. (Weitere Informationen und Bearbeitungen bei BÜCH 2003; SCHÄDLER 2004; WICHMANN 2005; KOCH 2006).

44 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine

Fluviale Geschiebe und Bachschotterterrassen

Die fluviale Hauptarbeit leisten die Hauptbäche, die entsprechend große Geschiebeterrassen und -bänke ablagern. In den natürlichen Vorgang wird allerdings schon seit über 100 Jahren durch unter- schiedlich intensive Verbauungsmaßnahmen eingegriffen, der durch den Bau der drei Sperrenstaffeln in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts im Ober-, Mittel und Unterlauf des Lahnenwiesgra- bens endgültig verändert wurde. Der Vergleich von Luftbildaufnahmen von 1960 und 1999 (Bayeri- sches Landesvermessungsamt) zeigt deutliche Veränderung in Lage und Größe der Sedimentspei- cher im Gerinne sowie der Geschiebequellen im Uferbereich (Abb. 64, S. 109). Davon abgesehen variiert vor allem das Volumen dieser Sedimentspeicher über die Zeit, während die Lage im Bachlauf eher konstant ist. Die Zusammensetzung der Schotter reicht von sandigen bis blockigen Kiesen, zwi- schen 2 mm und mehreren Metern Durchmessern. Der schluffig-tonige Feinanteil ist meist ausgewa- schen oder nur in sehr flachen Strecken zu finden. Frische fluviale Ablagerungen entlang tributärer Wasserläufe sind selten bedeutend. Aufgrund der Verlagerung von Bachläufen sind mehr Flächen fluvial überprägt, als die rezenten Aufschlüsse zeigen (Abb. 20).

Lawinenkegel

Obwohl Lawinen Namen gebend für den Lahnenwiesgraben sind und sie fast jährlich in den selben Schneisen abgehen, hinterlassen sie äußerst unauffällige Kegel. Sie sind kaum gewölbt und weit gestreckt. Der Anteil an organischen Materialien kann sehr hoch sein. Je nach Ursprungsgebiet steigt der Anteil an Kies und Steinen. Noch gut erkennbare Lawinenkegel sind unter dem Krottenköpfel (Nordflanke), in der Langlahnerschneise sowie über der ehemaligen Pflegeralm zu finden (Abb. 20). (Detailliert beschrieben und ausgewertet in HECKMANN 2005)

Gleitschollen, Kriechkörper und Schuttströme

Genaue Definitionen und Beschreibungen zur Entstehung dieser Sedimentspeicher sind in den Kapi- teln 4.1 und 4.2 zu finden. Gleitschollen selbst sind selten als ganze Scholle erhalten. Grundsätzlich sind sie jedoch für weitere Bewegungen anfälliger, da durch Risse und Auflockerung das Bodengefüge gestört ist. Da selten große Anbruchsformen im Lahnenwiesgraben auftreten, sind die Gleitschollen innerhalb weniger Jahre bereits so durch Abtragung und Bewuchs überprägt, dass sie kaum noch zu erkennen oder zu zuordnen sind. Betroffen sind stets die bindigen Lockergesteine, vor allem von Moräne und Kössener Schichten. Kriechkörper und Schuttströme beschreiben in der Karte nicht nur die bewegte Masse, sondern auch den Prozessraum, da sie meistens Quellgebiet, Prozessweg und Endspeicher gemeinsam darstellen, der sich durch unterschiedliche Aktivitäten und morphologische Merkmale feststellen lässt. Sie sind schwer zu fassende, mehrschichtige Komplexe, bei denen die Grenze zum unbewegten Bereich auf dem Anstehenden, zwischen zwei Lockergesteinsschichten oder zu auflagerndem Schutt liegen kann, bzw. diese Grenzen auch schneidet. Als Gemeinsamkeiten dieser Lockergesteine ist die Fähigkeit, plastisch-viskose Konsistenzen annehmen zu können, hervorzuheben. Diese Eigenschaft kann sich allerdings auf geringmächtige Bereiche beschränken, die eine größere Sedimentfracht darüber in Bewegung halten können. Im Lahnenwiesgraben sind grundsätzlich Kössener Tonsteine und Mergel und/oder Moräne beteiligt. Die Verbreitung der vergleichsweise kleinen Gleitkörper ist auf einer Karte nicht darstellbar. Das Vorkommen von Gleitungen ist in Anhang 6.6-2 zusammengefasst, wogegen große Gleitkörper ebenfalls in Abb. 20 eingetragen sind. 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 45

3.2.5 Lockergesteinsmächtigkeiten

Die Karte der Mächtigkeit der Lockergesteine im Lahnenwiesgraben entstand als Synthese aller Ge- ländedaten im gesamten SEDAG-Projekt und wurde mit Hilfe der Geländeerfahrung der kartierenden Geologen und Geographen zusammengestellt. Sie ist kein Produkt einer gezielten Messkampagne zur Feststellung der Bodenmächtigkeit. Nach vier Jahren Geländearbeit war es jedoch offensichtlich, das das vorhandene Datenmaterial, das besonders durch die Menge und Dichte von Aufschlüssen im Gelände gekennzeichnet ist, in Kombination mit der Kenntnis über die topographischen Beschaffen- heiten und Entwicklung des Lahnenwiesgrabens zur Interpolation dieser Karte ausreichte.

Tab. 12: Verwendete Quellen mit Angaben und Aussagen zur Lockergesteinsmächtigkeit.

Aufschlussart Anzahl (Quelle, Beispiele)

Rammkernbohrung/ Seilkernbohrung 2 (IM1 und IM2, Kap. 4.1.1.1) Rammkernsondierungen 8 (Bonn)

Bohrstockkartierung / Sondierungen Raster / > 40 (Regensburg, (KOCH 2006))

Geoelektrik 47 (Bonn)

Aufschlusspunkte > 800 (SEDAG: Anbrüche, Ufererosion, Murgänge, Lawi- nenschurf, Wegböschungen) Topographische Merkmale „unzählige“ (SEDAG-Kartierungen von Felsrippen, Klippen und Zwischenspeicher aktueller Prozesse)

Abb. 21: Karte der Lockergesteinsmächtigkeiten im Lahnenwiesgraben.

Auch wenn in diesem Fall GIS-Software bei der Erstellung der Karte hilfreich war, so handelt es sich hierbei um eine sogenannte „Expertenkarte“, die nicht auf der Grundlage von Interpolationsalgorith- men oder Modellen (z. B. DELMONACO et al. 2003) entstanden ist. Das Ergebnis ist in Abb. 21 dar-

46 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine gestellt, in dem die Mächtigkeit in fünf Kategorien erfasst wurde. Die wichtigsten Aussagen umfassen zum einen die Bereiche ohne bzw. sehr geringer Lockergesteinsbedeckung, die bei der Modellierung von Lockergesteinsbewegungen sehr hilfreich ist, sowie der Überblick über die allgemeine Verteilung und Lage der Hauptspeicher an Hangmulden, der Tiefenlinie des Tals sowie im Kessel des Resch- berg-Schafkopf-Zugs, der vor allem die spätglazialen Schotter des Gletscherrückzugs enthält.

3.2.6 Zusammenfassung und Diskussion

Im Lahnenwiesgraben treten heterogene Lockergesteinsdecken auf, die generell in pleistozäne und holozäne Gruppen unterschieden werden (Abb. 22). Aufgrund ihrer Genese durch z. T. hochenergetische Prozesse wie Gletscherschurf, Schmelzwasser- transport im Wechsel zu Stauseesedimentation im Pleistozän, sowie ihrer z. T. sehr kleinräumigen Entstehung in der holozänen Sedimentkaskade, weisen diese Lockergesteine eine hohe Variabilität in den geotechnischen Eigenschaften auf. Für eine schnelle und im Gelände nachvollziehbare Gliede- rung wurde daher die Kornverteilung als Unterscheidungsmerkmal herangezogen, über die weitere Parameter ableitbar sind. Analysen wurden an repräsentativen Proben der einzelnen Gruppen durch- geführt. Die Ergebnisse sind in Anhang 6.4-2 zusammengefasst und in den Abbildungen Abb. 17, Abb. 19 und Abb. 23 graphisch dargestellt.

Abb. 22: Gliederung der Lockergesteine nach holozäner (fluvial, am Hang) und pleistozäner (glazial, postglazial) Schuttbildung . 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 47

Das Resultat ist eine Gliederung der Lockergesteine nach der Bodenart (nach DIN 4022 T1; DIN 18196), die für die kartographische Darstellung und für die weitere Bearbeitung die Bodenarten in drei Hauptkategorien zusammenfasst (Abb. 24).

50 Schutt aus Kössener Schichten (n = 10)

Schutt aus Plattenkalk (n = 3) 40 Moräne (n = 20) TA EM-e P 08 K4 P 12-b 30 P 01-a EM-w K6 PL 05 P 09-a PL 06 1-3 IM P 06 P 02 TMP 10 PL 04 P 05-b P 11 P 04 Ip [%]

P 03-b PL 08 20 PL 10 UA P 07-b PL 11 P 05-a P 12-a P 01-b TL IM 1-1OT 10 P 03-a PL 09 ST PL 01 UMP 12-c Zwischenbereich PL 07 SU ULPL 02 OU 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 w [%] l

Abb. 23: Darstellung der Bodenart im CASAGRANDE-Diagramm der Moränen- und Hangschuttproben.

Abb. 24: Gliederung der Lockergesteinsdecken nach der Kornverteilung (geotechnische Gliederung).

48 3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine

Die erste Gruppe besteht aus eng- bis intermittierend gestuften Kiesen und Kies-Sand-Gemischen z. T. mit geringen Anteilen an Schluff- und Tonkorn (GE, GI, SE, SI und z. T. GW, SW), die auch als nicht bindige oder rollige Böden zu bezeichnen sind. Sie machen knapp 12 % der gesamten Locker- gesteinsdecke aus. In der Karte wird die Einheit unter der Bezeichnung “nb, nicht bindig“ aufgeführt. Sie ist besonders typisch für Hangschutt aus Hauptdolomit, für Sturzschutthalden unter Steinschlag- wänden und Felssturznischen sowie für Bachschotterablagerungen in den Hauptgerinnen (Abb. 25 C und D).

A B C D

Abb. 25: Beispiele der drei Lockergesteinsgruppen „bindig fein“ und „bindig grob“ sowie „nicht bindig“: A) bf, Kössener Mergel W’ Enningalm; B) bg, Hangschutt aus Kössener Kalken und Tonen, Reschberg (Anbruch 13); C) nb, Bachschotterterrasse Hauptdolomit, Stepberggraben; D) nb, Sturzschutt Plattenkalk, Wand W’ Langlahner.

Die zweite und häufigste Lockergesteinsgruppe enthält signifikante Anteile der Schluff- und Tonfrakti- on (15 bis 75 Gewichtsprozent), die trotz hoher Grobkornanteile das bodenmechanische Verhalten bestimmen (DIN 4022 T1). Die entsprechenden Untersuchungen verweisen die Feinkornmatrix vor allem in die Felder der mittelplastischen Tone und Schluffe (TA, TL, TM, UM, OT; Abb. 23). Nach DIN 18196 wird diese in die Gruppen mit Kieskornanteilen unter 40% (Tone und Schluffe bzw. Kategorie „bf, bindig fein“, ca. 42 % Flächenanteil) und über 40 % (GU/GT und. GU*/GT* bzw. Kategorie „bg, bindig grob“, ca. 22 % Flächenanteil) unterteilt. Ein Zusammenhang der genetischen Entstehung und der geotechnischen Gruppen ist nicht zwingend vorhanden, jedoch kann in erster Annäherung als Faustregel gelten, dass Kössener Tonsteine und Mergel (Abb. 25 A), mergeliger Lias Fleckenmergel und Aptychenschichten feinkörnigen Schutt produzieren. Alle anderen Einheiten, insbesondere die Kössener Kalke (Abb. 25 B) und Moräne, steuern mehr Grobkomponenten bei. Dieser Effekt kann allerdings durch Umlagerungsprozesse schnell aufgehoben oder gar umgekehrt werden. Z. B. werden Grobkomponenten auf sehr steilen Hängen schneller durch die Gravitation abgeführt als das Feinkorn, sodass sich dort primär feinkörnige Böden halten, während am Hangfuß das Grobkorn entsprechend akkumuliert. Physikalische Kennwerte zu dieser Klassifikation umfassen große Wertebereiche, da jede Klasse mehrere Bodenarten und Kornspektren umfasst. Die entsprechenden Daten wurden als abgeleitete Parameter der Literatur entnommen und in den jeweiligen Kapiteln der Lockergesteinsarten aufgelis- tet. Tab. 13 zeigt die Auswertung zur Flächenverteilung und Massenbilanz bezüglich der drei geologi- schen Hauptgruppen des Lockergesteins. Demnach dominiert der holozäne Hangschutt erwartungs- gemäß in der flächenhaften Verbreitung (ca. 76% im Lahnenwiesgraben). Die Dominanz wird weniger deutlich im Vergleich des geschätzten Volumens, bei dem sich holozäne zu pleistozäne Sedimente in einem Verhältnis von etwa 2:1 gegenüberstehen.

3 Stratigraphie, Lithologie und geotechnische Eigenschaften der Fest- und Lockergesteine 49

Tab. 13: Flächenhafter (horizontale Projektion) und volumetrischer (konservative Schätzung) Anteil der drei Lockergesteinshauptgruppen.

Lockergesteinsgruppe Fläche [km²] Bedeckungsgrad [%] Volumen [m³] Prozentanteil [%] Glazial (Moräne) 1,25 7,6 88835,0 12,1 Postglazial (Schotter) 1,19 7,2 157508,9 21,5 Holozän (Hangschutt) 12,49 75,9 484823,6 66,3 ohne Bedeckung 1,53 9,3 - -

50

4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 51

4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Als gravitative Massenbewegungen oder Massenselbstbewegungen werden die Prozesse bezeichnet, die Material allein durch die Schwerkraft transportieren (CROZIER 1986). Die entsprechenden Me- chanismen sind Kriechen (creep), Fließen (flow), Gleiten (slip) und Stürzen (fall) und betreffen sowohl Locker- als auch Festgesteine. Im Gegensatz dazu stehen Massentransporte, die durch ein Medium zumeist Wasser, aber auch Eis, Schnee oder Luft fortbewegt werden (BRUNSDEN 1979, S. 130). Bei der Bearbeitung im Gelände und auch beim Modellieren ist stets zu beachten, dass Massen- selbstbewegungen und Massentransporte eng miteinander verzahnt sind und schnell ineinander übergehen können. Gleiches gilt für die Untergruppen der gravitativen Prozesse. Um die Bearbeitung dieser Phänomene durch Fachleute unterschiedlicher Fachrichtungen und auch um eine internationale Verständigung zu erleichtern, wurden mehrfach Klassifikationen vorgeschla- gen, die zur Beschreibung der Form, des Mechanismus, der Frequenz und der Magnitude der Mas- senbewegungen dienen (u. a. LAATSCH & GROTTENTHALER 1972; BRUNSDEN 1979; HUTCHINSON 1988; BUNZA 1996; DIKAU et al. 1996). Unter diesen wird aktuell die Klassifikation von CRUDEN & VARNES (1996), die vornehmlich auf dem landslide report von VARNES (1978) beruht, international am häufigsten verwendet. Nach dieser Vorgabe werden die Prozesse nach dem Bewegungstyp und dem betroffenen Substrat gruppiert und benannt. Untergruppen werden nach Aktivitätskriterien und zuletzt nach der räumlichen Gliederung des Prozesses gebildet. Dabei kann ein Bewegungskörper mehrere Bewegungsmechanismen und Aktivitätszonen beinhalten. Diese Klassifi- kation dient dabei als Rahmen, der bei der Arbeit vor Ort den lokalen Dimensionen und Eigenheiten angepasst werden muss (vgl. Kap. 4.1.3, Tab. 27, Abschnitt B). In der Sedimentkaskade des Lahnenwiesgrabens treten gravitative Massenbewegungen flächende- ckend und mit hoher Frequenz auf, jedoch selten in großen Magnituden. Es dominieren langsame Fließprozesse, flachgründige Gleitprozesse im Lockergestein gegenüber diversen Sturzprozessen, Gleitungen im Festgestein und Kriechbewegungen (FLEISCHER 1999; HECKMANN et al. 2002; KELLER & MOSER 2002). Um ihr Auftreten verstehen und modellieren zu können, sind alle Prozesse in drei Schritten untersucht worden.

(1) Flächendeckende Kartierungen, um die räumliche Verbreitung und die Intensität der Prozes- se abzugrenzen ("inventory map" nach BICHLER et al. in press).

(2) Erhebung der Standortfaktoren Lockergestein, Festgestein, Vegetation, Hydrologie, Morpho- logie (siehe auch Kap. 2 und Kap. 3), um die unmittelbaren Einflussfaktoren (TERZAGHI 1950; MOSER & HOHENSINN 1983; POPESCU 1994) zu erfassen.

(3) Regelmäßige Aufnahmen und Vermessungen neuer und kontinuierlich ablaufender Prozesse zur Feststellung der zeitlichen Abläufe und meteorologischen Einflüsse (mittelbare Faktoren).

Die Auswertung aller Fakten soll die Zusammenhänge einzelner Parameter klären, über die der Ent- stehungsort, die Reichweite und die Größe eines Kaskadenprozesses gesteuert werden. Die entspre- chenden Modelle, die darauf aufbauen, dienen der Berechnung der Disposition, des Prozesswegs und der Reichweite. Die Ergebnisse dieser Arbeit finden Eingang in die Dispositionsmodellierung. In den folgenden Kapiteln werden die Untersuchungen und Modellierungen an dem Prozess Fließen (Kriech- und Schuttströme; earth flows) sehr ausführlich besprochen. Kap. 4.2 widmet sich in stark gekürzter Forme dem Prozess Gleiten (flachgründige Gleitungen im Lockergestein, slides). Die Unter- suchungen zum Prozess Stürzen (Steinschlag, rock fall) wurden im Rahmen der Dissertation tech- nisch und logistisch vorbereitet und begleitet, jedoch nicht ausgewertet oder Modellen zugeführt

52 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

(Kap. 4.3). Weitere Ergebnisse dazu finden sich in KELLER & MOSER 2002; KRAUTBLATTER 2003; POPPEL 2003; KRAUTBLATTER & MOSER 2005; RÜCKAMP 2005.

4.1 Kriech- und Schuttströme (earth flow) - Lockergesteinskriechen

Earth flows sind komplexe Massenbewegungen, die in ihrer Erscheinung ein breites Spektrum bezüg- lich der Größe, der Aktivitätsphasen, der Geschwindigkeiten, der beteiligten Prozesse und externen Faktoren aufweisen. Je nach Kombination zeigen sich dem Betrachter unterschiedliche Vorgänge, die eine entsprechende Vielzahl von Benennungen und Klassifikationen hervorgebracht hat:

Langsame, lang andauernde Kriechbewegungen im Schutt JÄCKLI (1957)

Erd- und Schuttstromkriechen (-fließen) am freien Hang und in LAATSCH & GROTTENTHALER Hangfurchen (1972)

Erd- und Schuttstromkriechen BUNZA et al. (1976) debris and earth flow, Untergruppe soil creep VARNES (1978)

Lockergesteinskriechen MOSER & ÜBLAGGER (1984) debris movement of flow like form, Untergruppe mudslide HUTCHINSON (1988) debris and earth flow CRUDEN & VARNES (1996)

Bei den im Lahnenwiesgraben vorgefundenen Fällen handelt es sich um eine Kombination aus plasti- schen Fließbewegungen (AHNERT 2003) in feinkörnigen Lockergesteinen (earth flow) und Gleitbe- wegungen auf einer oder mehreren Bewegungsbahnen. Der Prozess findet kontinuierlich über lange Zeiträume statt, wobei Beschleunigungen und Beruhigungen in Abhängigkeit von externen Faktoren periodisch und/ oder sporadisch auftreten (FLAGEOLLET 1996; KIENHOLZ 1999). Als Grenzfall sind aktuell ruhende Schuttströme zu betrachten. Die vorgefundenen Objekte sind zumeist aktiv, in einzel- nen Fällen inaktiv, wobei diese Zustände als ruhend oder als stabilisiert beurteilt werden. Die Bewe- gungsraten liegen nach CRUDEN & VARNES (1996) zwischen extremely slow (Obergrenze bei 16 mm/a) und very slow (bis 1,6 m/a). Zwei bzw. sechs Messpunkte waren in den Jahren 2001 und 2002 mit 2 bis 3 m/a in der Klasse slow vertreten (Tab. 27, S. 88). Das deutsche Synonym zu earth flow - Erdstrom – entspricht nicht der umfassenden Bedeutung des englischen Begriffs. Ebenso erweckt der Begriff Fließen (flow) Assoziationen mit schnellen und extrem wasserhaltigen Massenbewegungen wie Muren und Schlammströmen. Daher werden die vorliegen- den Massenbewegungen in Abhängigkeit von ihrer morphologischen Ausformung und ihrem Aktivi- tätszustand als Kriechströme oder Schuttströme bezeichnet, die eine Gruppe der earth flows sind. Der Prozess wird hier nach MOSER & ÜBLAGGER (1984) und BUNZA et al. (1976; 1982) als Lockerge- steinskriechen übersetzt, indem „Kriechen“ die kleinen Geschwindigkeiten des Fließprozesses im Sinne von CRUDEN & VARNES betont. Der wesentliche Unterschied der hier definierten Kriechströ- me zu den Schuttströmen besteht in den sehr schwach ausgeprägten morphologischen Strukturen, die sie z. T. kaum vom stabilen Hangbereich unterscheiden. Weitere Beschreibungen der Schuttströme, insbesondere zu ihrer Morphologie, der Lockermaterials- charakteristik und ihrer Aktivität werden nach dem Methodikteil in Kap. 4.1.2 detailliert aufgeführt. 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 53

4.1.1 Untersuchungsmethoden

Die Feldarbeit gliedert sich, wie zuvor unter Kap. 4 beschrieben, in flächenhafte Übersichtskartierun- gen, in Installation und Betreuung von Dauermessstellen sowie in Detailaufnahmen des Prozesses sowie der Umwelteinflüsse der direkten Umgebung. Unter den zweiten Punkt fallen hierbei die Errichtung von zwei Kernbohrungen und der messtechni- sche Ausbau der Bohrlöcher, die Besetzung von 14 Schuttströmen mit Bewegungsmesspunkten inklusive regelmäßiger Wartung und Ablesung. Für die Auswertung der meteorologischen Einflüsse wurden die Wetterdaten des Deutschen Wetter- diensts (DWD 2004) und der SEDAG-Stationen (Abb. 30, Abb. 47 und Anhang 6.2) verwendet.

4.1.1.1 Kartierung

Um möglichst früh und über den gesamten Projektzeitraum Bewegungsdaten sammeln zu können, wurden die von FLEISCHER (1999) erfassten Kriech- und Schuttströme nachkartiert und bereits im Herbst 2000 für die Bewegungsmessungen vorbereitet (Kap. 4.1.1.5). Die Übersichts- und Detailkar- tierungen erfolgten in den Jahren 2000 bis 2003 im Maßstab 1:10000 bzw. 1:5000. Kerndaten der Aufnahmen sind Länge und Breite der Kriech- und Schuttströme und die umgebenden Geofaktoren (z. T. auch über GIS ableitbar). Den in GIS gespeicherten Schuttstrompolygonen werden Mittelwerte der Tiefenlage, der Aktivitätsstatus bzw. die Geschwindigkeitsrate als Schätzwert zugewiesen. Diese lehnen sich an die Erkenntnisse der detailliert kartierten und überwachten Schuttströme an (Abb. 30, Abb. 47 und Kap. 4.1.2). Diese Arbeiten sind nicht durch Luftbildanalysen zu ersetzen, da der Prozess - wie noch später be- schrieben wird - vergleichsweise kleinförmig im Untersuchungsgebiet auftritt und in Luftbildern weder am Relief noch an der Vegetation abzugrenzen ist.

4.1.1.2 Kernbohrungen

Im Rahmen der DFG-Förderung waren zwei Kernbohrungen mit zusätzlicher Ausstattung für Bewe- gungsmessungen bewilligt worden. Das Auftragsvolumen war für die Anmietung einer Firma mit Spe- zialausstattung für schweres, gebirgiges Gelände nicht ausreichend. Die Bohrpunkte mussten daher mit normalem LKW erreichbar sein. Aus diesem Grund wurden die Kriechbereiche entlang der Mess- zugkette KVM 13 (Bohrung IM1) und 14 (Bohrung IM2) (Kap. 4.1.1.5 und Abb. 30) am Ende der En- ningstraße gewählt. Der Auftrag wurde durch das Ingenieurbüro AHUTEC, Seehausen, bearbeitet. Die Bohrungen im Lockergestein erfolgten durch Rammkernbohrungen mit ∅ 180 mm. Im Festgestein wurde die Seil- kernbohrung mit ∅ 140 mm angewendet. Die Aufnahme des Bohrverlaufs und der Bohrkerne erfolgte nach DIN 4022 T1 (Bohrprotokolle in Anhang 7.4.9 ). Nach Einbringung der Messvorrichtungen wurde das Bohrloch mit Filterkies und Tonpellets verfüllt, um einen engen Kontakt zwischen den Installatio- nen und dem umgebenden Gestein zu erhalten (ZIEMER 1977). Das Ziel der Kernbohrung galt primär der detaillierten Aufnahme des Lockergesteinskörpers in geolo- gischer und geotechnischer Hinsicht. Weiterhin sind die Kerne auf Anzeichen von Hangwasser, Be- wegungshorizonte und Spuren weiterer Prozesse überprüft worden (Abb. 26).

54 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Details zum Bohrlochverbau sind den Bohrprotokollen in Anhang 6.3-1 und Anhang 6.3-3 zu entneh- men. Die Interpretation im Zusammenhang mit den betroffenen Schuttströmen ist in Kap. 4.1.2.2 erläutert.

IM1 IM2 Ah Ah 0 m Aufschüttung Aufschüttung fAh Hangschutt

Hangschutt ? ? Verwitterungs- schutt fAh ?

Moräne 5 m Lias-Flecken- mergel Verwitterungs- ? schutt Wechselfolge Kalk - Tonstein, Verlust beide kieselig Kössener Schichten

Kalk- Mergel- 10 m To nste in - Hangwasser W echselfolge Probennahme

Gleitbahn/inaktiv

Abb. 26: Bohrprofile der Bohrung IM1 und IM2. Außer der im Inklinometerdiagramm IM1 (Abb. 28) nachgewie- senen Bewegungsbahn sind in den Profilen vermutete Bewegungshorizonte, auffällige Nässehorizonte und der Entnahmepunkt des fossilen Bodens, der zur 14C-Analyse (vgl. Kap. 4.1.1.6) herangezogen wurde, markiert.

Bohrung IM1

Die Bohrung liegt im oberen Lahnenwiesgraben, ca. 200 m vor dem Ende der Enningstraße am berg- seitigen Straßenrand (Abb. 30, S. 61). Mehrere morphologische Strukturen weisen auf eine intensive Kriech- und Fließbewegung hin, die zu einem Absetzen des Forstwegs um mehr als einen Meter geführt und die Kanalrohre unter dem Weg auseinander gezogen haben. Aufgrund des weichen bis plastischen Zustands des Lockermaterials konnte die Bohrung bis ~ 7 m gerammt werden. Die Endteufe liegt bei 12 m. Das Profil trifft nach einer dichteren Humus-Bodenlage und einer 1 m mächtigen Mischung aus Hangschutt und Straßenschotter auf eine ~ 2 m mächtige Hangschuttdecke, die bei 2,8 m von einer auffälligen breiigen und als Bewegungsbahn interpretierten Zone zerschnitten wird. Danach folgt ein wenige cm-breiter fossiler Bodenhorizont, der für eine C14- Datierung beprobt wurde. Es schließt sich eine 3 m mächtige, z. T. umgelagerte Moräne an, die so- wohl im oberen Drittel (bei 4,1 m) als auch an der Basis einen erhöhten Wassergehalt und plastische 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 55

Konsistenz zeigt, die als weitere Bewegungsbahnen gedeutet werden könnten (die Beobachtungen unterscheiden sich deutlich von denen, die das Spülwasser der Bohrung verursachte). Nach einer schmalen Übergangszone durch Verwitterungsschutt werden anstehende Kössener Schichten mit mehreren Tonstein-Kalkstein-Wechseln durchörtert. Die meisten Kalksteinbänke sind zerbrochen oder zeigen mechanische Spuren des Bohrvorgangs. Erst ab 10 m werden längere Teilkerne mit Original- lagerung gezogen. Diese zeigen einen knapp 70° steilen Kontakt zwischen einer schwarzen Tonstein- lage und einer hellgrauen Kalkbank (Abb. 27), der auch als Bewegungsbahn des aufgeschuppten Südschenkels der Enningteilmulde interpretiert werden kann.

Abb. 27: Steilstehende Lagerung der Kössener Kalke und Tonsteine in Bohrung IM 1 bei 11,6 m Tiefe.

Bohrung IM2

Diese Bohrung wurde talseitig am Ende der Enningstraße angelegt (Abb. 30, S. 61). In der talseitig gelegenen Lichtung deuten Buckel und Loben sowie verstellte Bäume im westlich anschließenden Wäldchen einen instabilen Hangbereich an. Bergseitig untermauern vor allem Vernässungszonen die Vermutung. Das geotechnische Profil (Abb. 40, S. 72) zeigt, dass die Straße in diesem Bereich direkt auf der alten Geländeoberfläche aufgebracht wurde. Unter der Straßenaufschüttung folgen der ehemalige Boden- horizont und eine knapp 3,5 m mächtige Hangschuttdecke, die zur Basis hin immer stärkeren Verwit- terungsschuttcharakter aufzeigt. Zwei durchnässte und sehr feinkörnige Horizonte deuten bei 2,8 und bei 3,7 m Teufe Bewegungsbahnen an. Ab 4,3 m wird bis zur Endteufe anstehender Lias Flecken- mergel erreicht, der primär kalkig bzw. kieselig-kalkig ausgebildet ist und splittrig zerbrochen geborgen wird. Die Kluftflächen sind z. T. sehr intensiv braun bis rot-braun angewittert. Damit wechselnde Mer- gel- und Tonsteinlagen besitzen steife bis feste Konsistenz, scheinen aber aufgrund des fehlenden Gefüges bereits tektonisch oder hangtektonisch als Bewegungsbahn beansprucht worden zu sein. Ab 8,8 m muss auf Seilkernbohrung umgestellt werden, die Endteufe wird bei 9,6 m erreicht.

4.1.1.3 Inklinometer und Extensometer

Der Ausbau der Bohrlöcher erfolgte jeweils mit Inklinometerrohren ∅ 65 mm zur Aufnahme einer Inklinometersonde (NMG30 Fa. GLÖTZL). Mit dieser wurden die Bewegungsgeschwindigkeit und das Bewegungsverhalten im Profil sowie die Richtung der Bewegung festgestellt (ROHN 1991; ANGELI et al. 1996; GIUSTI et al. 1996; WASOWSKI 1998). In Erwartung hoher Geschwindigkeiten, die zu einem Verkeilen der Sonde in den Führungsrohren oder zu einem Abscheren führen können, wurden jeweils ein Stangenextensometer (Hersteller Fa. GLÖTZL) in- stalliert, welcher die Intensität der Deformation weiterhin verfolgen kann (Abb. 28). Die Erstmessung erfolgte ca. 2 Monate nach der Installation am 15.12.2000, um keine Bewegungen durch Setzungserscheinungen im Bohrloch mit zu messen (ZIEMER 1977). Bereits die nächste Messung im Ap-

56 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

ril 2001 ließ einen eindeutigen Bewegungshorizont in 4 m Tiefe erkennen (vgl. auch das Bohrprofil in Abb. 26), das den Fall der diskontinuierlichen Schuttstrombewegung beschreibt (GIUSTI et al. 1996; PELLEGRINO et al. 2000). Die Folgemessung Ende Mai zeigte den Fortbestand dieser Situation, wobei die Sonde beim Durchgang der Scherbahn bereits hakte. Einen Monat später war das Führungsrohr so- weit verbogen, dass der Einsatz des Inklinometers nicht mehr möglich war. Die Lagegenauigkeit der Scherbahn im Inklinometerdiagramm wird durch zwei Faktoren beeinflusst. Zum einen durch die Messung in 0,5 m Abständen, zum anderen durch die Steife der Inklinometerrohre (VAN ASCH & BOGAARD 1998). Dieser Effekt führt zum Ausschlag der Kurve in entgegen gesetzter Richtung unterhalb des Gleithorizonts (Abb. 28). Aufgrund von Justierarbeiten musste der Extensometer zweimal neu eingestellt werden, weshalb die Erstmessung erst im Juni 2001 stattfand und daher keine Vergleichswerte zwischen Inklinometer und Ex- tensometer vorliegen. Im vorhandenen Messzeitraum zieht sich die Extensometerstange deutlich zurück und zeigt dabei den gleichen Bewegungstrend, dem der Oberflächenpunkt KV 13-04 im selben Zeitraum folgt.

A Deformation [cm] B 2001 2002 2003 2004 2005 Nord 0 2 Süd4 1 10 0 0 0

-1 -10 2 -2 -20

-3 -30 4 -4 -40

-5 -50 6 EXT 1

Extensometer [cm] -6 EXT 2 -60 Tiefe [m] 8 -7 KV 13-04 -70 -8 KV 13-05 -80

10 Messbeginn 15.12.2000 -9 -90 06.04.2001 12 29.05.2001

Abb. 28: A) Verlauf der Inklinometermessungen von Dezember 2000 bis Mai 2001 (Deformation in N-S-Richtung). Zwischen 3,5 und 4,5 m ist eine einzelne Bewegungsbahn zu erkennen. Bereits im Juni 2001 blieb die Messsonde an diesem Punkt stecken. B) Die Extensometermessungen in Bohrung IM1 zeigen kontinuierli- che Bewegungen, die mit dem ebenfalls eingezeichneten Verlauf der Oberflächenmessungen an den be- nachbarten Messpunkten KV 13-04 und 13-05 korrelieren (vgl. auch Abb. 37, S. 68). Die positiven Werte von EXT 2 sind als Setzungserscheinungen im Bohrloch oder im Straßenbankett zu interpretieren.

Im Gegensatz dazu sind in der Bohrung IM2 keine Bewegungen durch das Inklinometer messbar. Allerdings schiebt sich die Stange des Extensometers langsam aus dem Führungsschlauch heraus (2,35 mm/a). Eine Erklärung für dieses Verhalten ist schwer zu finden. Möglicherweise handelt es sich um Setzungserscheinungen im Bohrloch oder in der Straßenaufschüttung. Detailliertere Interpretationen sind Kap. 4.1.2.2 zu entnehmen, in denen die betroffenen Kriech- und Schuttströme inklusive der dort installierten Konvergenzmesszüge (KVM 13 über IM1, KVM 14 über IM2) besprochen werden.

4.1.1.4 Grundwasserpegel

Zur Erfassung der Berg- und Grundwasserstockwerke wurden zusätzlich zum Inklinometerrohr, das die gleiche Funktion erfüllen kann, je ein bzw. zwei Wasserpegel in die Bohrlöcher eingebaut. Die Abdichtung der Aquifere wurde durch Einbringung von Tonpellets auf der Höhe der Aquicluden gesi- chert. Die Ablesung wird mit einem Lichtlot durchgeführt. Die Pegel sollten regelmäßig im Rahmen der 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 57

Konvergenzmessungen kontrolliert werden, was aber im Lauf der Untersuchungen auf 1-2 Messungen pro Jahr reduziert wurde. Der Auswertung der Pegel in IM1 ergab, dass entgegen der Bohrkernaussagen keine unterschiedli- chen Hangwasserstockwerke vorliegen. Der Grundwasserspiegel liegt ca. 2,5 m unter POK (Pegel- oberkante). Bohrung IM2 ist dagegen immer trocken. Auffüllversuche von 10 l pro Versuch versickerten so rasch, dass kein messbarer Wasserspiegel angetroffen wurde. Offensichtlich führt der klüftige Fleckenmergel unter der Hangschuttdecke das Wasser direkt zum Vorfluter ab. Eine ausreichende Sättigung der Lockergesteinsdecke, die an dieser Stelle in Bewegung geraten kann, ist daher nur bei intensiven und lang andauernden Niederschlägen oder Schneeschmelzen möglich, da keine nennenswerte Vorspei- cherung erfolgen kann.

4.1.1.5 Konvergenzmessungen

Für die Geschwindigkeitsmessungen des Lockergesteinkriechens an der Oberfläche wurden 18 Kon- vergenzmesszüge mit 1 bis 24 Teilstrecken (insgesamt 106) angelegt (Abb. 30 und Abb. 47), die sechs Kriechströme, vier Uferbereiche und eine Sackungsmasse im Festgestein überwachen. Die Vermessung erfolgte in regelmäßigen zeitlichen Abständen mit einem Konvergenzmessgerät der Firma Soil Instruments (Typ Mk II, 30 m Länge). Die Benennung der Messzüge und ihrer Teilstücke entspricht folgendem Muster: KVM 12 Konvergenzmesszug 12 (bestehend aus einer bis mehreren Teilstrecken)

KV 12-03 Konvergenzmessstrecke 03 im Messzug 12 (Nummerierung erfolgt von der Talseite aus nach oben)

MP 12-03 Messpunkt 03 im Messzug 12; ein Messpunkt benennt stets den bergseitigen End- punkt der gleichnamigen Strecke

Üblicherweise wird eine Messstrecke zwischen einem festen und einem beweglichen Messpunkt ange- bracht. Als Ergebnis erhält man die Längenänderung zwischen den Punkten zwischen zwei Messungen. Stimmen Messrichtung und Messneigung mit der Bewegungsrichtung überein, entsprechen diese Werte außerdem dem räumlichen Bewegungsvektor. Da die zu überwachenden Gebiete sehr lang sind, wurden selten einzelne Messstrecken, sondern zumeist Messzüge (ROHN 1991) mit bis zu 24 Teilstrecken angelegt. Dabei sind im Idealfall der erste und der letz- te Messpunkt in stabilen Bereichen verankert. Um die Bewegung der einzelnen Messpunkte zu erhalten, müssen die relativen Bewegungsänderungen der Messstrecken vom Fixpunkt bis zum betrachteten Mess- punkt addiert werden. Von der Talseite aus sind logischerweise nur Verkürzungen (Konvergenzen) zu er- warten, von der Bergseite aus nur Verlängerungen (Divergenzen). Endet der Messzug wiederum an einem Fixpunkt, addieren sich die Längenänderungen idealer Weise zu Null. Als fixe Messpunkte dienen anstehende Felswände, sowie Fundamente von Sperren und Gebäuden oder große Felsblöcke und Findlinge, sofern sie auf stabilen Bereichen stehen. Anschlusspunkte im mobilen Bereichen müssen mit der Kriechbewegung transportiert werden, aber durch keine anderen Kräfte bewegt werden, wie z. B. durch Wind schwankende Bäume (während der Messung) oder durch Fließwässer oder Muren verschobene Felsblöcke. Fehlten passende Anschlussstellen entlang der Messkette, wurden er- satzweise 1 m lange Holzpflöcke in feinkörniges, bzw. Baustahlstangen mit Anschlussgewinden in grob- körniges Substrat getrieben (Abb. 29). Die Ablesegenauigkeit des Messgeräts liegt theoretisch bei einem 1/100 mm. Bei idealen Bedingungen mit erfahrenen Bearbeitern ist im Gelände allerdings von einer Genauigkeit im 1/10 mm Bereich auszugehen. Weitere Informationen zur Verwendung des Geräts und zu Fehlerquellen bei seiner Anwendung sind de- tailliert bei WEIDNER (2000) und LOTTER (2001) beschrieben.

58 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Bei der hier vorliegenden speziellen Anordnung der langen Messzüge sind drei zusätzliche Einflüsse weit- aus stärker zu berücksichtigen. Die ersten beiden Fälle betreffen die eingeschlagenen Eisenstangen und Pflöcke. Durch das Einbringen der künstlichen Anschlusspunkte ist von einer Störung des bewegten Systems auszugehen. Besonders in passiven Bereichen stellt sich erst nach sechs oder mehr Monaten (z. B. FLAVELL 1987) ein Zusammen- schluss zwischen Kriechkörper und eingetriebenen Messpunkt ein. Zum Zweiten ist festzustellen, dass sich die Holzpfosten und Stahlstangen in weichem Lockergestein beim Anspannen des Messgeräts neigen. Die beobachtete Amplitude an der Anschlussschraube liegt bei 2 mm, z. T. 5 mm, d. h. es werden zu kurze Längen aufgenommen. Befinden sich mehrere Pfosten im Messzug, kann sich der Fehler auf mehrere cm aufaddieren. Allerdings hängt die Beweglichkeit saisonal von der Konsistenz des Bodens und vom jeweiligen Standort ab, weshalb eine automatische Korrektur bei jeder Messung und jeder Teilstrecke keine Verbesserung des Ergebnisses bringt.

A B

Abb. 29: Anschluss des Konvergenzmessgeräts an Baustahlstangen (A) oder Holzpflöcken (B). Diese werden beim Fehlen geeigneter natürlicher Anschlagspunkte (Bäume, Felsen) in den Boden geschlagen. Deren Einsatz führt jedoch automatisch zu einer Reduktion der Messgenauigkeit vom Zehntel-Millimeter-Bereich in den Zentimeter-Bereich.

Der dritte Fall ist zu berücksichtigen, wenn die Bewegungsrichtung nicht mit der Messrichtung überein- stimmt. So genügt bei einer 20 m langen Messstrecke bereits eine Abweichung von etwas mehr als 4° von der Bewegungsrichtung, um eine Differenz von 3 cm zwischen gemessener und realer Bewegung zu er- halten. Schwer zu kompensieren und nachzuvollziehen sind Bewegungen, die stumpfwinklig zur Messrich- tung verlaufen, da diese Bewegungen von aufeinander folgenden Teilstrecken nicht gleichmäßig erfasst werden. Speziell die vertikalen Vektoranteile in Stauch- und Dehnungsbereichen sowie internen Translati- ons- und Rotationsbewegungen bedingen diese Situation ebenso wie vom Hangfallen unabhängige Kriechvorgänge (FINLAYSON 1981; CULLING 1983). Die Größe des aufsummierten Fehlers ist an den Messzügen abzulesen, deren Start- und Endpunkte in stabilen oder zumindest ruhigen Zonen liegen (sie- he dazu auch die Kurvendiskussion der Messstrecke KVM 14, S. 71). Je nach Konstellation des gesamten Messzugs ist hier mit einer Genauigkeit zwischen 0,5 und 5 cm aus- zugehen. In den entsprechenden Diskussionen unter Kapitel 4.1.2 wird für jeden Messzug dazu Stellung genommen. Die Aussage der gewonnenen Ergebnisse gibt letztendlich die Größenordnung der Bewegungen auf ei- nem Kriechbereich wieder. In Kombination mit Karten und Profilen sind Aktivitätszonen und ihre umge- benden Geofaktoren ermittelbar, die somit Informationen über Disposition und Auslösung von Bewe- gungszonen, Massen- und Geschwindigkeitsänderungen liefern.

4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 59

4.1.1.6 Datierungen

Trotz des Schwerpunkts auf rezente Vorgänge ist bei dem kontinuierlichen Prozess des Lockerge- steinskriechens versucht worden, Erkenntnisse über frühere Aktivierungsphasen und deren Intensität bzw. Verbreitung zu ermitteln. Methodisch standen dafür 14C-Datierungen sowie die ausführlichen dendrochronologischen und dendrogeomorphologischen Untersuchungen von KOCH (2006, SEDAG Regensburg) zur Verfügung. Für die radiometrischen Untersuchungen bot sich dabei der fossile Bodenhorizont an, der in Bohrung IM1 bei 3,3 m Tiefe erbohrt wurde. Die Probe wurde zur Datierung an die „Abteilung für radiometri- sche Altersbestimmung von Wasser und Sedimenten“ am Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg weitergeleitet. Die Altersangaben schwanken je nach Kalibrierungsmethode zwischen 410 bis 400, bzw. 540 bis 390 Jahren vor Christus. Von den sechs dendrogeomorphologisch untersuchten Flächen sind fünf von Lockergesteinskriechen bzw. -fließen betroffen. Zudem sind für vier dieser Testflächen ebenfalls Konvergenzmessungen vor- handen. Entsprechende Interpretationen sind bei den Erläuterungen der Konvergenzmesszüge in Kap. 4.1.2.1, 4.1.2.2 und 4.1.2.4 ausgeführt. Zusammengefasst liefern die Untersuchungen an leben- den und toten Fichten einen guten Rückblick bis zum Jahr 1850. Mit Hilfe der Ausbildung der Jahres- ringe gestörter Bäume im Vergleich zu einem Skeleton-Plot (standardisierter Verlauf des Wachstums in ungestörten Bäumen vergleichbarer klimatischer Standorte) sind Aussagen zu Beginn und Dauer stabiler und instabiler Phasen möglich. Zudem gelang die Unterscheidung verschiedener Prozesse, die auf die Bäume einwirkten, wie Lockergesteinskriechen, Lockergesteinsgleitungen, Muren und Lawinen (KOCH 2006). Weitere Ausführungen zur Methodik der Baumringanalysen sind z. B. bei FRITTS (1976), COOK & KAIRIUKSTIS (1990) und SCHWEINGRUBER (1996) zu finden.

4.1.2 Verbreitung und Ausprägung der Kriech- und Schuttströme

Wie sich in den folgenden Detailbeschreibungen zeigt, ist die Verbreitung des Prozesses an mehrere wiederkehrende Faktoren geknüpft, die allerdings in verschiedenen Kombinationen auftreten können. Besonders hervorzuheben sind z. B. die Kössener Schichten, deren tonige Fazies vor allem im West- teil des Tals vorhanden ist (Kap. 2.2). Mit dem ostwärtigen Abtauchen der Muldenachse dominiert zunehmend die kalkige Fazies. Entsprechend zu diesem Muster variieren die Kriech- und Schuttströ- me in Häufigkeit, Größe und Aktivität. Weitere typische Merkmale im Prozessbereich sind Vernässungszonen, geringe Hangneigungen von 7° bis 19° (insgesamt zwischen 5° bis 35° an überflossenen Kanten) und mächtigere (> 2 m) feinkör- nige Schuttdecken aus Kössener Verwitterungsschutt und Moräne (TL, TM; siehe Abb. 23 in Kap. 3.2.1). Lockere Waldbestände, Lichtungen und Feuchtwiesen sind die pflanzlichen Indikatoren für die Existenz von Kriech- und Schuttströmen. Die Kriechkörper selbst erscheinen als leichte oder deutliche Depressionen im Hangverlauf und glei- chen diesen im Gesamtprofil aus, indem Hangkanten und Stufen unterdrückt werden. Dagegen kann das Mikrorelief durch Wülste und Buckel gegliederter erscheinen. Schnelle und größere Schuttströme erzeugen im Randbereich Levees und Scherbahnen. Interne Merkmale sind gespannte Wurzeln, Hohlräume unter der Pflanzendecke, sowie in vielen Fällen verkippte Bäume mit auffälligem Sichel- wuchs. Die Grenzen zu benachbarten Strömen bzw. stabilen Hangbereichen sind häufig sehr undeut- lich ausgeprägt.

60 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Die Kriechkörper orientieren sich am Hangfallen, können aber davon durch Hangrippen und Hangstu- fen um mehr als 30° abgedrängt werden. Die lang gestreckten Gebiete sind zwischen 10 m und 350 m lang und zwischen 5 m und 70 m breit. Sie sind in sich in verschiedene Aktivitätszonen gegliedert. Daneben existieren earth flows, die ursprünglich als Gleitschollen oder Kolluvien entstanden und sekundär in Fließprozesse übergegangen sind. Diese sind oft nur wenige Meter bis Zehnermeter lang und entsprechend schmal. Die Tiefe des Vorgangs ist stets sehr schwer zu bestimmen, da die Bewe- gung nicht den gesamten Schuttkörper erfassen muss. Die beiden Bohrungen IM1 und IM2 am Ende der Enning-Forststraße (Abb. 30) ergaben Tiefen der Bewegung von 3 und 6 m. Insgesamt liegen die Schätzungen zwischen 1 m und maximal 10 m. Es handelt sich somit um mitteltiefe Bewegungen (KIENHOLZ 1999). Der ganzjährige hohe Wassergehalt in der Schuttdecke wird durch die wasserstauenden Eigenschaf- ten der Tonsteine und Mergel bedingt, die entweder autochthon in tektonischen oder alluvial in mor- phologischen Mulden die Kriechströme unterlagern. Dieser wasserspeichernde „Badewanneneffekt“ durch feinkörnige Sedimentlagen ist nach BAUM et al. (2000; 2003) bereits an mehreren Lokalitäten beschrieben worden, wenn auch in unterschiedlich geologischen und geometrischen Ausbildungen. Der Effekt wird als eine der Voraussetzung zur Entstehung von earth flows angenommen. Obwohl die Objekte im Lahnenwiesgraben im Vergleich zu den bekannten Schuttströmen aus der Literatur klein sind (z. B. Handlova, Slowakei (ZARUBA & MENCL 1982), Stambach, Bad Goisern, Österreich (ROHN 1991), Slumgullion, Colorado, USA (VARNES & SAVAGE 1996), Süd-Apenninen, Italien (GIUSTI et al. 1996), Acquara-Vadoncello, Süd-Apenninen, Italien (WASOWSKI 1998; WASOWSKI & MAZZEO 1998), ist ihr Aufbau und ihre Mechanik in vielen Punkten miteinander ver- gleichbar. Um die Variationen des Prozesses in Abhängigkeit von der Ausprägung der Entstehungsor- te darzustellen, werden die Kriech- und Schuttströme aus sechs Teileinzugsgebieten (TEZG) am Nordhang des Lahnenwiesgraben (Abb. 30 und Abb. 47) detailliert beschrieben. Tab. 14 zeigt die Verteilung der am häufigsten auftretenden Geofaktoren ("internal causes" nach TERZAGHI 1950; "unmittelbare Faktoren" nach MOSER & HOHENSINN 1983; "ground condition" nach POPESCU 1994) im gesamten Einzugsgebiet. Zum Vergleich ist für jedes TEZG eine entsprechende Tabelle vorhanden (Tab. 15, Tab. 17, Tab. 22, Tab. 23, Tab. 25, Tab. 26). Die Erläuterungen in den folgenden Kapiteln zielen darauf, die ursächlichen Bedingungen in den einzelnen Teileinzugsgebieten (TEZG) aufzuschlüsseln, um die gemeinsamen und die individuellen

Tab. 14: Flächenanteile [%] einiger Geofaktoren im nördlichen Lahnenwiesgraben und auf den Kriechstromflä- chen.

Geofaktor Klasse Anteil am EZG [%] Anteil am Kriechstrom [%] Hangneigung 10° - 25° 36 76 veränderlich fest 16 44 Festgestein kompetent 18 35 Hangschutt 76 74 Lockergestein Fazies Moräne 10 22 bindig, Grobanteil < 30% 47 68 Lockergestein geotechnisch bindig, Grobanteil > 30% 44 30 Lockergestein Mächtigkeit 1 – 5 m 44 92 Mischwald 35 42 Vegetation Sträucher 6 14 Rasen 17 23

4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 61

Faktoren der TEZG und ihrer Kriech- und Schuttströme herauszuarbeiten. Darunter fallen sowohl die Geofaktoren (z. B. unterlagerndes Festgestein), wie auch die morphologischen, meteorologischen und anthropogenen Prozesse, die zur Destabilisierung beitragen. Diese werden in Relation zum Bewe- gungsverhalten sowohl an einzelnen Messpunkten, an Teilzonen als auch am gesamten Objekt ge- stellt. Obwohl die Schuttströme innerhalb der Geschwindigkeitsklassen nach CRUDEN & VARNES nur ein kleines Spektrum abdecken, wird deren Nomenklatur beibehalten. Die Teileinzugsgebiete wurden so gewählt, dass möglichst alle vorkommenden Schuttströme darin enthalten sind. Auf die Beschreibung der außerhalb liegenden Flächen wurde verzichtet. Ähnlichkeiten bzw. deutliche Unterschiede können anhand der Karten in Kap. 2 und 3 sowie aus den Anhängen 6.1 nachvollzogen werden.

4.1.2.1 Enningalm

Abb. 30: Gliederung des nordwestlichen Lahnenwiesgrabens in die Teileinzugsgebiete Enningalm, Sulzgraben und Staudenlahner. Eingetragen sind die Verbreitung der Kriechströme und die Lage der Konvergenz- messzüge 12, 13, 14, 01 bis 03, 04 und 06 (von Westen nach Osten) sowie der Bohrungen IM1 (westlich) und IM2 (östlich).

Das Tal im Bereich der Enningalm (ca. 1,2 km2 groß, Fläche kartierter Kriechströme 0.06 km2; Abb. 30) ist durch einen weiten und flachen Talboden geprägt, der in der Regel von mächtigen Hang- schuttdecken der Kössener Schichten gefüllt wird. Der Anteil der für Kriechströme typischen Hangnei- gungen zwischen 5° und 20° liegt bei über 40%. Aufgrund der Weidewirtschaft ist der Wald zugunsten von Rasenflächen zurückgedrängt. Kriechströme sind hier weit verbreitet, häufen sich jedoch besonders an der nördlichen Talseite. Dabei liegen einzelne earth flows so dicht aneinander, dass eine Trennung allein auf der Grundlage morpho- logischer Merkmale sehr schwer fällt. Diese Situation und ihre Interpretation ist in Profil KV 12, Abb. 32 (S. 64) zwischen den Messpunkten 12-07 bis 12-05 dargestellt. Hier endet ein Kriechstrom auf einem zweiten, wobei beide unabhängig voneinander existieren. Davon sind verschiedene Aktivi- tätszonen innerhalb eines zusammenhängenden Bewegungskörpers abzugrenzen, die durch Ge- schwindigkeit und Bewegungstypus definiert werden. In Tab. 15 sind die dominanten Klassen der Geofaktoren Hangneigung, Lockergesteinsart und -mächtigkeit, der geologische Untergrund und die Vegetation aufgeführt. Von größerer Bedeutung für die Ausscheidung kriechstromfördernder Faktoren sind diejenigen, die im Vergleich zur Verbreitung im gesamten Teileinzugsgebiet auf Kriechstromflä- chen gehäuft vorkommen. So ist der Anteil von Kössener Schichten unter Kriechströmen größer als

62 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade am gesamten Gebiet, dagegen tritt der Lias Fleckenmergel im TEZG häufiger auf als im Prozessbe- reich. Gut zwei Drittel der Kriechströme entstehen direkt im Verwitterungs- und Hangschutt. Die übrigen sind Sedimentkörper, die zuvor durch andere Prozesse abgelagert wurden (z. B. Gleitschollen, Murschutt). Neben mehreren kurzen und schmalen Kriechkörpern hat sich östlich der Enningalm mit bis zu 70 m Breite und 370 m Länge der größte Kriechstrom im gesamten Gebiet ausgebildet.

Tab. 15: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Enningalm und auf den Kriechstromflächen. Ist das Vorkommen eines Faktors auf Kriechströmen größer als im TEZG, so korreliert er signifikant mit dem Prozess. Bei den Faktoren Hangneigung und Mächtigkeit sind zwei bzw. drei aufeinander folgende signifikante Klassen zusammengefasst worden. Im Vergleich zum gesamten nördlichen Lahnen- wiesgraben ist in diesem TEZG ein erhöhter Flächenanteil flacher Hänge, Kössener Schichten und Hangschuttsedimente vorhanden.

Geofaktor Klasse Anteil am TEZG [%] Anteil auf Kriechstrom [%] Hangneigung 5° – 20° 41 77 Lithologie Kössener Schichten 55 93 Lockergestein Fazies Hangschutt 95 99 Lockergestein geotechnisch bindig, Grobkorn < 30% 87 97 Lockergestein Mächtigkeit 1 – 5 m 48 96 Vegetation Rasen, Weide 37 57

KVM 12

Der gesamte Konvergenzmesszug 12 ist ca. 300 m lang und überspannt zwei Kriechströme. Die Darstellung der geotechnischen Situation inklusive der angesprochenen Zonen und Messpunkte sind aus Abb. 32 zu entnehmen. Der talseitige Kriechstrom (Messpunkte MP 12-00 bis MP 12-06 entspre- chen Zonen I und II) spiegelt die typische Ufersituation im Fleckgraben wieder. Das rechte Ufer ist bis auf die anstehenden, allerdings tief verwitterten Kössener Schichten erodiert. Die steilen Einhänge brechen in flachschaligen Gleitungen nach, deren Gleitschollen z. T. sekundäre Kriechzonen bilden. Dagegen ist am linken, flacheren Ufer (durchschnittlich 14° Neigung im Messzug) fast die vollständige

A B

Abb. 31: Uferbereiche am Fleckgraben: A) linke Uferschulter (Zone I) mit flachem Hangverlauf jedoch unruhigem Kleinrelief auf mächtigeren Hangschuttdecken (Foto W. Schädler 2004). B) der rechte Uferbereich ist stei- ler und häufig von der Schuttdecke entblößt. Die Stabilität entsteht durch die hangeinwärts fallenden Kös- sener Schichten, die dennoch aufgrund des hohen Mergel- und Tonsteinanteils und dem hohen Verwitte- rungsgrad verstärkt zu Uferanbrüchen neigen (Foto D. Keller 2002). 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 63

Hangschuttdecke in Bewegung, die sich kontinuierlich in das Bachbett schiebt. Das Lockergestein ist über 2 m mächtig und stark vernässt. Bäume stehen nur vereinzelt und sind durch die Vernässung und Bewegungen stark in ihrer Entwicklung gehemmt. Nässezeiger (Binsen, Seggen, Pestwurz) wachsen dagegen prächtig und folgen deutlich der Verbreitung von periodischen Tümpeln und Ab- flussrinnen. Die Bewegungen haben ausgeprägte Stirnloben, Kriechbuckel und Stufen im Hang ge- schaffen (Abb. 31). Da der Fixpunkt 12-00 bereits im Frühjahr 2002 fortgespült wurde und nicht ersetzt werden konnte, sind keine vollständigen Ergebnisse über die Aktivität in Ufernähe vorhanden. Die Messung des ersten Jahres (von 2000 bis 2001) weist allerdings für Zone I (MP 12-01 bis 12-07) die sehr hohe Durchschnittsgeschwindigkeit von 68 mm/a für den Uferbereich aus. Für die Folgejahre sind für die verbliebenen, auswertbaren Messpunkte 12-05 bis 07 (Zone II) im Vergleich zum Hangbe- reich gleichfalls höhere Geschwindigkeiten festzustellen (Abb. 33). Insgesamt ist die Zone der Ge- schwindigkeitskategorie very slow zuzuordnen. Im Anschluss an MP 12-05 wechselt der Messzug die Messrichtung (Abb. 32) und folgt ab MP 12-07 über ca. 200 m einem zweiten Kriechstrom bis MP 12-15. Ein knapp 50 cm tiefer Riss oberhalb MP 12-06 markiert diese Übergangszone. Dieser Kriechstrom befindet sich in steilerem, z. T. stufigem Terrain. Zudem ist eine Abnahme der Vernässung und der Lockergesteinsmächtigkeit (nur noch bis max. 2 m) festzustellen. Die Startzone ist durch ältere und jüngere Murschuttfächer aus den oberen Hanglagen verborgen. Der abrupte Geschwindigkeitswechsel zwischen den Messpunkten MP 12-15 und 16 markiert die Grenze (Abb. 33). Unterschiede im Aufbau und der Aktivität lassen eine Gliederung dieses Kriechstroms in zwei Zonen zu (12-III bis 12-IV, Abb. 32 und Abb. 33). Interne Strukturen sind weniger deutlich als am Ufer. Die untere, schmalere Zone III (12-07 bis 12-12) ist ca. 90 m lang und wird seitlich von trockeneren Erhebungen begrenzt. Über den Kriechstrom wird der obere Hang entwässert, der von einem ganzjährig Wasser führenden Bachlauf durchzogen wird. Trotz der hohen Durchfeuchtung des Bodens ist der Kriechstrom relativ dicht mit Fichten bestanden, die jedoch alle verkippt und säbelförmig gewachsen sind. Die mittlere Hangneigung steigt auf 17°, die mittlere Geschwindigkeit liegt im cm-Bereich pro Jahr (37 mm/a in vier Jahren). Die anschließende Zone IV ist mit 15° etwas flacher und im Vierjahresschnitt gleich schnell, zeigt jedoch intern stärkere Variationen bezüglich der Aktivphasen und Einzelgeschwindigkeiten. Zone IV liegt auf einer Feucht- wiese mit sanften Kriechbuckeln und Loben. Der letzte Messabschnitt (Zone V, mittlere Neigung 20°) liegt bereits außerhalb des Kriechstroms im Übergangsbereich zu einer 80 m hohen Steilstufe. Muren aus dieser Zone schütten regelmäßig Schuttkegel auf (zuletzt am 06.08.2000 und 21.06.2002). Die hier gemessenen Bewegungen liegen unterhalb der Messgenauigkeit, so dass dieser Bereich generell als stabil zu betrachten ist. Gründe hierfür sind das Ausdünnen der tonig mergeligen Anteile im Lo- ckergestein aufgrund der veränderten Lithologie im Untergrund und dem Eintrag von grobkörnigem Murschutt. Die Schäden am Almweg zwischen MP 12-17 und 12-18 sind weniger Folge einer Kriech- bewegung sondern der lokalen Neuauflast und der kurzzeitigen Durchnässung der Wegtrasse nach Murgängen. Im Diagramm der Abb. 33 sind die Geschwindigkeiten der einzelnen Messpunkte pro Jahr aufgetra- gen. Zudem sind die entsprechenden Grenzen zwischen unabhängigen Kriechströmen und internen Zonen markiert, wie sie auch im Profil (Abb. 32) vermerkt sind. Die Geschwindigkeiten sind vom Fix- punkt 12-20 aus gerechnet. Aufgrund des zerstörten Fixpunkts 12-00 belegen die Werte von 12-04 bis 12-01 des ufernahen Stroms nur noch die Größenordnung seiner Bewegung. Abb. 33 zeigt für jeden Messpunkt (aufgetragen auf der x-Achse) die Geschwindigkeit in [mm/a]. Jede Kurve steht für ein Messjahr (gerechnet von Dezember bis Dezember). Gut zu erkennen sind die verschiedenen Aktivitätszonen, die sich durch Sprünge in der Geschwindigkeit bemerkbar machen und in den meisten Fällen mit morphologischen Wechseln im Gelände übereinstimmen. Dabei nimmt

64 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

- 3.2 bzw. Abkürzungs Geschwindigkeitsdiagramm geleitet werden. Zur Bezeichnung der Lockergesteine siehe Kap. reich von KVM 12. Anhand der eingezeichneten Messpunkte und dem VIII. Abb. 33 kann das Bewegungsverhalten und dieAbb. Zonengliederung ab in tabelle S.

32 Geotechnischerbb. Längsschnitt durch die Kriechströme im Be A

4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 65 die Geschwindigkeit an den Messpunkten von der bergseite her zu und erreicht etwa in der Mitte der jeweiligen Aktivitätszone ihr Maximum. Zur Talseite nimmt die Geschwindigkeit z. T. bis zum Stillstand

Kriechhang Schuttstrom Hang Schuttstrom Ufer

Zone V IV III II I ∅ v 2000 - 2004 200 ∅ v 2001 [mm/a]

150 ∅ v 2002 [mm/a] ∅ v 2003 [mm/a] 100 ∅ v 2004 [mm/a]

50

0

-50 Geschwindigkeit Messpunkt [mm/a] Geschwindigkeit Messpunkt 12-20 12-19 12-18 12-17 12-16 12-15 12-14 12-13 12-12 12-11 12-10 12-09 12-08 12-07 12-06 12-05 12-04 12-03 12-02 12-01 12-00

Abb. 33: Geschwindigkeitsdiagramm KV 12. Dargestellt ist die Geschwindigkeit jedes Messpunkts in [mm/a] für die Messjahre 2001, 2002, 2003 und 2004. Die Berechnung erfolgt vom hangseitigen Fixpunkt 12-20 aus. Die Intervalle beginnen mit der Wintermessung des Vorjahrs. Markiert sind zudem die beiden Kriechströme am Ufer und am Hang sowie die darin erkannten Aktivitätszonen entsprechend dem Profil Abb. 32. ab und markiert einen Akkumulationsraum im Kriechstrom. Tab. 16 fasst noch einmal die Geschwin- digkeitsverteilung der einzelnen Zonen insgesamt und pro Jahr zusammen, sowie deren Größe und die durchschnittliche Hangneigung. Wie auch im gesamten Gebiet immer wieder festzustellen sein wird, zeigt der Graph für das Jahr 2002 maximale Geschwindigkeiten bei fast allen Messpunkten, wogegen das Minimum zumeist 2003 er- reicht wird. Beide Jahre sind durch markante Niederschlagsverteilungen und -intensitäten gekenn- zeichnet (vgl. Kap. 2.7.1). Der Einfluss des Niederschlags in den Jahren 2001 und 2004 ist nicht so offensichtlich und muss unter Berücksichtigung von Niederschlagspausen mit hohen Verdunstungsra- ten betrachtet werden. Dabei ist zu betonen, dass die Reaktionszeit der Bewegung innerhalb einer Sommer- bzw. Wintersaison, also weniger Wochen liegt.

Tab. 16: Kennwerte der Kriechströme im Messzug 12. *) Berechnet über Fixpunkt 12-00.

Kriechstrom Ufer Kriechstrom Hang Zone (Fixpunkt 12-20) Zone I Zone II Zone III Zone IV Zone III -IV Zone V Länge [m] 60 25 90 60 150 80 Breite [m] 30 30 10-15 35 10-35 - Tiefe [m] >5 >5 2 2-3 2-3 1 Volumen [m³] 9000 3750 2160 2700 4900 -

∅ Neigung [°] 14 16 17 15 15 20

∅ v '00-'04 [mm/a] 45 37 34 36 2

∅ v '01 [mm/a] 68*) 7 14 23 18 1

∅ v '02 [mm/a] 109 65 91 77 6

∅ v '03 [mm/a] 12 16 3 10 1

∅ v '04 [mm/a] 68 63 31 49 1

66 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

4.1.2.2 Sulzgraben

Dieses Teileinzugsgebiet (ca. 1,5 km2, Fläche Kriechströme ca. 0,08 km2, Abb. 30) wird nicht von einem einzelnen Gerinne definiert, sondern umfasst die nördliche Talseite entlang des Sulzgrabens zwischen den Zuflüssen Hirschbichlgraben und Stepberggraben und den Gipfeln des Felderkopfs und Großen Zunderkopfs. Während im Westen noch der einheitlich weite Talboden ausgeprägt ist, entwi- ckelt sich nach Osten ein stufenförmiger Hangverlauf mit zwei flachen Absätzen. Eine Stufe folgt - mehrfach von steilen Abschnitten unterbrochen - dem Ufer des Sulzgrabens, die andere zieht sich fast kontinuierlich durch das ganze Tal (beginnend bei 1500 m NN im Westen, endend im Osten bei 1100 m NN oberhalb der Reschbergwiesen). Das Teileinzugsgebiet ist entsprechend steiler als das Gebiet der Enningalm und wird durch die Zunahme kompetenter geologischer Einheiten gegenüber den veränderlich festen sowie des Waldanteils geprägt. Neben der weit verbreiteten feinkörnigen Hangschuttdecke treten nun insbesondere am Ufer Reste mächtiger Moränen hinzu.

Tab. 17: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Sulzgraben und auf den Kriechstromflächen. Die Verteilung der signifikanten Faktoren entspricht hier großteils der Verteilung im gesamten nördlichen Lahnenwiesgraben.

Geofaktor Klasse Anteil im TEZG [%] Anteil am Kriechstrom [%] Hangneigung 10° – 25° 36 87 Lithologie veränderlich fest 27 55 Moräne 11 45 Lockergestein Fazies Hangschutt 85 52 Lockergestein geotechnisch bindig, Grobkornanteil > 30% 37 58 Lockergestein Mächtigkeit > 2 m 25 83 Mischwald 29 55 Vegetation Sträucher 5 10 Rasen 11 29

Insgesamt ist die Zahl der Kriechströme am Sulzgraben geringer als an der Enningalm und auf vier Abschnitte beschränkt. Trotzdem ist der Flächenanteil am Einzugsgebiet sogar höher, da die kartier- ten Kriechströme deutlich größer ausfallen. Signifikant konzentriert sich der Prozess auf die wenigen flachen Abschnitte des Einzugsgebiets, ebenso wie auf die Verbreitung der Moräne und der Kössener Schichten. Als Besonderheit in diesem Talabschnitt ist die Kombination der Kriechstromstirn mit Ufer- anbrüchen an der im Schnitt 30° steilen und bis zu 10 m hohen Böschung zu betonen (z. B. KVM 04 und 06).

KVM 13 über Bohrung IM1

Der von Konvergenzmesszug 13 überwachte Kriechstrom ist ca. 200 m lang und zwischen 10 und 30 m breit und verläuft in Nord-Süd-Richtung. Er liegt innerhalb des Bogens, den die Enningstraße am Ende ihres Verlaufs beschreibt (Abb. 30). Aufgrund der Geschwindigkeitsauswertung kann er in drei Aktivitätszonen gegliedert werden. Dabei gehört Zone I (Hangneigung 14°, Länge 70 m) mit einer mittleren Geschwindigkeit von 192 mm/a in vier Jahren zu den schnellsten Abschnitten, die überhaupt gemessen wurden. Die Auswirkungen sind auch im Gelände sowie im geotechnischen Profil gut zu erkennen (Abb. 36). Offensichtliche Schäden sind die Überschiebung des unteren Zufahrtswegs zum Bach bzw. das Absacken der Enningstraße und das Zerreißen der Entwässerungsrohre. Besonders im Frühjahr und Herbst sind Risse, Stufen und Loben sowie eine intensive Vernässung mit Oberflä- chenabfluss zu beobachten. Oberhalb der Straße endet Zone I in einer Depression, die durch einen alten Muschelanbruch entstanden ist. Diese Merkmale und die gute Erreichbarkeit des Objekts führten 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 67 zu der Entscheidung, an dieser Stelle eine Inklinometerbohrung anzulegen. Die wichtigsten daraus gewonnenen Erkenntnisse sind • ein 2400 Jahre alter Bodenhorizont in 2,8 m Tiefe zwischen zwei Hangschuttlagen (Kap. 4.1.1.1) • eine einzelne aktive Bewegungsbahn in 4 m Tiefe in Moränenmaterial (Kap. 4.1.1.3) • ein steter Hangwasserspiegel in 2,3 bis 2,5 m Tiefe (Kap. 4.1.1.4)

Abb. 34: Bewegungszeiger entlang der Enningstraße bei Querung des Kriechstroms KV 13. Besonders deutlich der scharf begrenzte Randbereich, an dem die Straße zwischen wenigen cm im Osten und mehreren 10er cm im Westen absinkt. Zudem werden die Entwässerungs- rohre unter der Straße auseinander gezogen. Absatz- stufen und Kriechbuckel beiderseits des Wegs markie- ren den weiteren Verlauf des instabilen Bereichs (Foto W. Schädler 2005).

Abb. 35: Geomorphologische Übersichtskarte des Schuttstroms KVM 13 (A) und Luftbildansicht mit Lage des Messzugs und Längsprofils.

68 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

An diese Zone schließt ein gut 45 m langer, mit 7° sehr flacher Hangabschnitt an (Zone II), der extrem vernässt, z. T. sogar sumpfig ist. Das Wasser stammt aus Quellen, die am Fuß der folgenden Steilstu- fe austreten und periodisch gefüllte Tümpel speisen. Obwohl auch hier Bewegungsraten von 70 bis 130 mm/a erreicht werden, sind die vorhandenen Fichten nicht verstellt, weshalb hier von einer Bewe- gungstiefen unterhalb des Wurzelhorizonts ausgegangen wird. Zone III ist mit einer Gesamtgeschwindigkeit von ~30 mm/a vergleichsweise ruhig. Sie umspannt eine Steilstufe (23°), in der 1999 eine 260 m2 große Translationsgleitung abrutschte, und einen 15° flachen Hangbereich, in dem die Startzone des Kriechstroms liegt. Die freigelegte Gleitbahn der Rutschung liegt in einer Tiefe von maximal 80 cm und besteht aus stark verwitterten Ton-, Mergel- und Kalkstei- nen der Kössener Schichten. Die Aktivierung des Anbruchs geschieht regelmäßig, wie eine bereits 1996 kartierte Anbruchsnarbe zeigt (FLEISCHER 1999), und steht dabei in engem Zusammenhang mit den Kriechbewegungen über die Hangkante hinweg.

Abb. 36: Geotechnischer Längsschnitt durch den Kriechstrom im Bereich KVM 13.

Zone III II I ∅ v 2000 - 2004 0 ∅ v 2001 [mm/a]

-50 ∅ v 2002 [mm/a] ∅ v 2003 [mm/a] -100 ∅ v 2004 [mm/a]

-150

-200

-250 Geschwindigkeit[mm/a] Messpunkt

13-11 13-10 13-09 13-08 13-07 13-06 13-05 13-04 13-03 13-02 13-01 13-00

Abb. 37: Geschwindigkeitsdiagramm von KVM 13 für jeden Messpunkt für die Jahre 2001 bis 2004 mit Markierung der drei Aktivitätszonen. Die Berechnung erfolgt vom talseitigen Fixpunkt 13-00 aus. Daraus folgen die ne- gativen Werte aufgrund der gemessenen Verkürzungen der Messstrecken zum Fixpunkt. 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 69

Die Auswertung der Geschwindigkeiten (Abb. 37) pro Messpunkt als auch pro Zone zeigt wiederum eine Korrelation mit den Jahresniederschlagssummen (Kap. 2.7.2). Diesmal macht sich allerdings der extrem trockene Sommer 2003 stärker durch eine Verlangsamung bemerkbar als das regenreiche Jahr 2002 in der Beschleunigung. Zu beachten ist zudem der beschleunigende Trend in Zone III, der eine Reaktion des Hangs auf die Gleitung von 1999 ist.

Tab. 18: Zusammenfassung der Größe, der Neigung und der Geschwindigkeitsverteilung der einzelnen Zonen und des gesamten Kriechstroms. Nach CRUDEN & VARNES (1996) liegt die Geschwindigkeit der Zonen im very slow-Bereich. Die negativen Werte ergeben sich aus der Messung von Konvergenzen bezogen auf den Fix- punkt 13-00 im Tal.

Zonen (Fixpkt. 13-00) KV 13 gesamt Zone I Zone II Zone III Länge [m] 180 70 45 60 Breite [m] 10-30 15 25 20 Tiefe [m] 1-5 5 3 1 Volumen [m³] 9825 5250 3375 1200

∅ Neigung [°] 15 14 7 21

∅ v [mm/a] -12 -192 -95 -33

∅ v '01 [mm/a] -103 -185 -70 -2

∅ v '02 [mm/a] -154 -240 -131 -33

∅ v '03 [mm/a] -83 -129 -58 -30

∅ v '04 [mm/a] -149 -210 -119 -76

Einen interessanten historischen Einblick in Zone II und III ergeben die dendrogeomorphologischen Analysen von KOCH (2006), die eine gesicherte Rückschau bis ca. 1850 erlauben. Seit dieser Zeit sind vier aktive Phasen festgestellt worden, die insgesamt einen längeren Zeitraum einnehmen als die Ruhezeiten. Die beprobten Bäume zeigen Abfolgen von Wachstumsstörungen, die sowohl Gleitungen nach Kriechstromaktivitäten im Oberhang, als auch staffelförmig rückschreitende Gleitungen doku- mentieren (siehe Zone III). Weiter ist zu bemerken, dass Aktivitätsphasen, die auf Kriechbewegungen schließen lassen, auch außerhalb des Bereichs liegen, der in dieser Arbeit als Kriechstrom erkannt wurde, und dass aktive und inaktive Zonen nicht zeitgleich auf der gesamten Fläche auftreten. Insge- samt ist das Muster der Bewegungen und des Prozessgeflechts viel komplexer, als die kartierbaren Bewegungszeiger dokumentieren.

Abb. 38: Mögliche Entstehungsweise des begrabenen, fossilen Ah-Horizonts aus Bohrung IM1 im Kriechstrom KVM 13 nach LANG et al. (1999): a) Überschüttung durch ein einzelnes Ereignis (Gleitung, Mure); b) sukzessive oder kontinuierliche Überschiebung durch den Kriechstrom.

70 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Daraus lassen sich für die Überdeckung des fossilen Bodenhorizonts aus Bohrung IM1 in Zone I zwei mögliche Vorgänge rekonstruieren, wie sie schematisch auch bei LANG et al. (1999, S. 43) dargestellt sind. Entweder wurde der Horizont einmalig durch eine Gleitung oder einen Murgang verschüttet (Abb. 38d) oder er wurde sukzessiv durch Kriech- und Fließvorgänge überfahren.

KVM 14 über Bohrung IM2

Mit ca. 360 m Länge und 24 Messstrecken ist dies der längste Messzug. Er liegt etwa 100 m weiter östlich von KVM 13 und verläuft parallel dazu. Bereits bei den Arbeiten 1996 bis 1998 waren in die- sem Hang mehrere Zonen mit alten Bewegungszeigern aufgefallen und als inaktive Kriechströme interpretiert worden (FLEISCHER 1999). Bei der Festlegung der Bohrpunkte im Jahr 2000 wurden weitere Merkmale, wie Schäden an der Straßenböschung, Rutschungsnarben und Vernässungszonen erkannt. Im Lauf der Messkampagnen mehrten sich die Hinweise, dass ein viel größerer Hangbereich von Kriechvorgängen betroffen ist und der Messzug eventuell dreimal den Kriechstrom wechselt. Auch die Ergebnisse der Messungen können die Grenzen und Bewegungsrichtungen der Kriechströme nicht eindeutig lösen. Sie zeigen jedoch wechselnde Aktivitätszonen im Längsprofil, die mit geomor- phologischen Strukturen parallelisierbar sind. Um die Gliederung des Hangs besser zu verstehen, ist die Zusammenfassung des geotechnischen Profils in Abb. 40 und die Geschwindigkeitsauswertung der Messpunkte in Abb. 39 hilfreich. Zone I (ca. 110 m lang, mittlere Neigung 19°) reicht vom mit Quer- und Längswerken gesicherten Bachufer über die Böschung der Enningstraße hinaus und ist vergleichsweise steil. Der Hang ist unter der Stra- ße dicht mit jungen Fichten bestanden und liegt im Einzugsgebiet der alljährlich wiederkehrenden Lawine vom Gegenhang (im Winter 2002/2003 erreichte die Lawine den Abschnitt bis MP 14-03 und bewirkte den deutlichen Ausschlag der Messkurve in Abb. 39). Die Konvergenzmessungen ergeben geringe Bewegungsraten, die im Schnitt bei 20 mm/a liegen. Unterhalb der Straße ist intern eine 20 m lange Scholle entwickelt, die zu erhöhten Bewegungsraten (~ 40 mm/a) führt (Zone Ia). Der knapp 15 m weiter östlich installierte Inklinometer zeigt dagegen keine Bewegungen an. Dieses Ergebnis überrascht, denn die Morphologie zu beiden Seiten des Messzugs und der extreme Sichelwuchs von Jungerlen westlich davon lassen auf einen aktiven Bereich schließen. Die wahrscheinlichste Erklärung ist eine extrem schnelle Entwässerung der Hangschuttdecke über die anstehenden, eng geklüfteten, kieseligen Lias Fleckenmergel, die in der Bohrung IM2 ab 4 m Tiefe durchteuft werden (vgl. Kap. 4.1.1.1). Der ständig leere Pegel beweist den Wasserentzug. Zudem wurde in der Lichtung un- terhalb der Bohrung ein alter Uferanbruch erkannt, der einen Großteil der Hangschuttdecke entfernte und somit den einzigen Wasserspeicher reduzierte. Nach Westen hin steigt die Lockergesteinsmäch- tigkeit wieder an und es ist ein Wechsel der Lithologie zu Kössener Schichten zu erwarten (vgl. Bohr- profil IM1, Abb. 26, S. 54), weshalb in dieser Richtung die Aktivitäten wieder zunehmen. Zone II ist eine 15° flache Feuchtwiese mit reduziertem Baumbestand und ganzjährig wassergesättig- ten Mulden, die selbst 2003 nicht austrockneten. Die Jahresdurchschnittsgeschwindigkeiten betragen 2001, 2003 und 2004 (letzte Messung im Juli) um die 20 mm/a, während 2002 die mittlere Bewegung mit 100 mm/a gut fünfmal so schnell ausfiel. Ein großer Teil davon ist wiederum auf den hohen Was- sereintrag in diesem Jahr zurückzuführen. Im Anschluss an die Feuchtwiese erhebt sich nach einer kleinen Stufe ein relativ stabiler, flacher (12°) und trockener Absatz mit alten und unverstellten Fichten. Die Vernässungszone und auch der Kriech- strom umfließen diesen in einem Bogen weiter westlich. Das Ende von Zone III liegt wieder in einem sumpfigen Abschnitt, in dem verstärkt Wasser aus dem Oberhang austritt. Zone IV ist mit 17° wieder deutlich steiler, doch ist sie saisonal stark vernässt und nur von wenigen, z. T. gestört gewachsenen Bäumen bestanden. Kriechloben und kleine Absätze sind nur außerhalb der Vegetationsperioden zu erkennen, wenn sie nicht von den hohen Gräsern verdeckt werden. Etwa 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 71 in der Mitte und am oberen östlichen Abschnitt vereinigen sich drei kleinere Kriechkörper mit dem Hauptstrang. Trotz dieser morphologischen Hinweise ist der Bereich mit durchschnittlich 30 mm/a nur mäßig aktiv. Der Ausgangspunkt des Kriechstroms liegt in Zone V. Hier zerlegt sich die aufgeschüttete Trasse der Enningstraße in drei rotationsförmige Gleitschollen. Die Bewegung der Gleitung kann anhand der abgesenkten Fahrbahn und der Anbrüche an der talseitigen Böschung nachvollzogen werden. Beider- seits dieser Stelle existieren mindestens drei weitere, staffelförmige Anbrüche in der Böschung. Bei zwei dieser Anbrüche ist ebenfalls der Kontakt zu einer Anrissmulde eines Kriechstroms festgestellt worden. Die Bewegung, die anfänglich um die 60 mm/a betragen hat, ist seit 2003 auf die Hälfte ge- sunken. Die zwei letzten Messpunkte liegen in Zone VI und sind laut Geländebefund stabil. Dem widerspricht vor allem die Messung von 2002, die hier noch 66 mm/a ergibt. Wie im Methodikteil Kap. 4.1.1.5 aus- geführt wird, handelt es sich hierbei mit hoher Wahrscheinlichkeit um akkumulierte Messfehler, die in erster Linie an den beiden Gleitungen (MP 06-MP 07, MP 21-MP 22) entstanden sind. Zusätzlich fallen die hohen Bewegungsraten 2002 ins Gewicht, die erhebliche Stauchungen und Dehnungen innerhalb des Kriechstroms verursachten und von der eindimensional angelegten Messmethode nicht mehr erfasst wurden. Bei der Berechnung der Bewegungsraten von der Hangseite aus (MP 14-24) zeigt die Strecke KV 14-24 keine Divergenzen. Wie bereits angesprochen ist die Methode, Geschwindigkeiten mittels Konvergenzmessungen in langen Messzügen zu bestimmen, von immer größer werdenden Fehlern begleitet. Die Diskussion der Geschwindigkeit soll hier nur Relationen zwischen den einzelnen Zonen herstellen. Für die Massenbi- lanz wurde die Geschwindigkeit probehalber mit dem bergseitigen Fixpunkt 14-24 durchgerechnet, um die Maxima der Bewegungsraten zu mildern. Wiederum bestätigt sich 2002 als das schnellste Jahr. Diesmal geben die Diskrepanzen der Bewe- gung am Ende des Messzugs einen deutlichen Hinweis darauf, dass innerhalb der Kriechströme weitere Bewegungen vorhanden sind, die nicht parallel zur primären Fließrichtung im Hangfallen liegen. Dies geschieht vor allem an den beiden internen Rotationsgleitungen. Daneben müssen verti- kale Hebungen und Senkungen sowie seitlich ausweichende Vektoranteile angenommen werden.

VIV Zone IV IIIII I Ia I ∅ v 2000 - 2003 0 ∅ v 2001 [mm/a]

-20 ∅ v 2002 [mm/a]

-40 ∅ v 2003 [mm/a]

-60 * -80

-100

Geschwindigkeit[mm/a] Messpunkt -120 14-24 14-23 14-22 14-21 14-20 14-19 14-18 14-17 14-16 14-15 14-14 14-13 14-12 14-11 14-10 14-09 14-08 14-07 14-06 14-05 14-04 14-03 14-02 14-01 14-00

Abb. 39: Geschwindigkeitsdiagramm KVM 14 für jeden Messpunkt für die Jahre 2000 bis 2003. Das Jahr 2004 fehlt, da im Sommer der Anschlussbaum MP 14-06 gefällt wurde. Die Berechnung erfolgt vom talseitigen Fixpunkt 14-00 aus. *) Der auffällige Ausreißer an MP 14-03 im Jahr 2003 resultiert aus der Verstellung des Anschlagbaumes durch einen Lawinentreffer im Winter 02/03.

72 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade den Kriechstrom im Bereich von KVM 14.

Abb. 40: Geotechnischer Längsschnitt durch 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 73

Tab. 19: Eigenschaften der Zonen in KVM 14. Ein Gesamtüberblick fasst Zonen I bis V zusammen. In Zone Ia und V befinden sich zusätzliche Gleitbewegungen, Zone VI erfasst das allgemeine Kriechen einer Bodendecke. Die hohen Bewegungsraten in Zone VI gehen primär auf akkumulierte Messfehler zurück, die primär in den Zonen Ia und V entstanden sind.

Zone Zone Zone I Zone Ia Zone II Zone III Zone IV Zone V Zone VI I bis V Gleitung Gleitung Bodenkriechen Länge [m] 320 110 20 45 50 95 20 35 Breite [m] 10-30 25 20 15 15 12 10 Tiefe [m] 1-5 2-5 >2 2-5 2 2-5 5 1 Volumen [m³] 1600 8250 800 2025 1500 3420 800

∅ Neigung [°] 15 19 24 10 12 17 14 25

∅ v [mm/a] -34 -23 -42 -52 -23 -31 -83 -35

∅ v '01 [mm/a] -11 -6 -16 -24 -5 -2 -58 -6

∅ v '02 [mm/a] -59 -32 -59 -100 -49 -64 -123 -66

∅ v '03 [mm/a] -28 -31 -49 -20 -20 -20 -58 -26

Der Vergleich der Bewegungszonen zeigt, dass der Kriechstrom über weite Strecken wenig aktiv ist. Nur bei zusätzlichem Auftreten von Gleitvorgängen, gebunden an Hangkanten und Straßenböschun- gen, treten merkliche Beschleunigungen auf. Trotz des wechselhaften Verlaufs des Graphen im Längsprofil verhalten sich alle Messpunkte zueinander in jedem Jahr gleich, d. h. die Maxima und Minima sind ortsfest. Nach der Geschwindigkeitsklassifikation befinden sich alle als Kriechstrom defi- nierte Zonen im Jahr 2001 in der Klasse extremely slow, um ab 2002 in very slow zu wechseln.

KVM 01 bis 03 - Hangmoor

Knapp 300 m östlich vom Ende der Enningstraße liegt eine knapp 130 x 70 m große Verflachung (5° bis 15°) über dem Ufer des Sulzgrabens, auf der sich ein Hangmoor von den sonst bewaldeten und steilen Hängen abhebt. Die Uferböschung unter dem Hangmoor ist 15 bis 20 m hoch, über 30° steil und mit einer Vielzahl von flachgründigen Uferanbrüchen verschiedener Alter und Größen übersät. Da ein direkter Zusammenhang mit dem aktiven Ufer und dem darüber liegenden Hangmoor vermutet wurde, das extrem vernässt und zudem mit Kriechloben und –buckeln bedeckt ist, sind am Ufer drei Konvergenzmessstrecken eingerichtet worden. Die Ergebnisse aus den Kartierungen, den Konvergenzmessungen und nicht zuletzt den dendrogeo- morphologischen Analysen an diesem Standort widerlegen die Vermutung, dass ein Zusammenhang zwischen dem Kriechbereich des Hangmoors und den Uferanbrüchen besteht. Zum einen fallen die Geschwindigkeiten an der Uferböschung deutlich geringer aus, als in den Fällen kombinierter Uferglei- tungen und Schuttströme, wie z. B. bei KVM 12. Zum anderen ist die Bewegungsrichtung eher in der bachparallelen Neigung des Hangmoors gen Osten zu suchen. Dies stützen auch die Erkenntnisse aus den Arbeiten von KOCH (2006). Über die Baumringanalysen sind die Gleitungsbewegungen am Ufer anhand der zeitlichen Anordnung als rückschreitende, progressive Prozesse zu beschreiben, die nicht bergseitig durch einen drückenden Schuttsrom initiiert werden. Aus einer Catena im Hangprofil ist zudem zu ersehen, dass die Entwässerung des Moores nicht senkrecht zum Ufer verläuft, da die ufernahen Bohrungen keinen Hangwassereinfluss zeigen. Des Weiteren sind im Hangmoorbereich mehrere überschüttete Bodenhorizonte zu finden, die jedoch in Ufernähe fehlen und somit eine schar- fe Grenze von Ablagerungs- und Transportprozessen angeben.

74 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Ein kleines Gerinne entwässert das Hangmoor an seinem östlichen Ende und führt von dort das Hang- und Oberflächenwasser in den Sulzgraben ab. Sein beachtlicher Schwemm- und Murfächer am Ufer des Sulzgrabens zeigt, dass es durchaus in der Lage ist, periodisch große Sedimentmengen aus dem Kriechstrom aufzunehmen und abzutransportieren. Aktuell wird der Schwemmfächer nicht belie- fert, sondern vom Hauptbach abgetragen.

Abb. 41: Geotechnischer Längsschnitt des Hangmoors und der anschließenden Uferanbrüche im Bereich KVM 03. Die Konvergenzmessstrecken 01 und 02 liegen ca. 50 m bachaufwärts in einer ähnlichen geo- technischen Position.

01-01 0,0 02-01 -2,5 03-01

-5,0

-7,5

-10,0

-12,5 Geschwindigkeit [mm/a] -15,0

-17,5

∅ 2001 ∅ 2002 ∅ 2003 ∅ 2004 ∅ 2000-2004

Abb. 42: Geschwindigkeitsdiagramme der KVM-Züge 01, 02 und 03. Alle drei bestehen aus einer einzelnen Strecke, deren jeweiliger Fixpunkt am rechtsseitigen Bachufer verankert ist. Entgegen der Annahme aus der Kartierung sind die Uferbewegungen sehr schwach ausgeprägt.

4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 75

KVM 04 und 05 – Testfläche Nackentälchen (TNT)

Etwa 650 m östlich des Hangmoors breitet sich die letzte ebene Stufe am Sulzgraben aus. Auf einer ehemaligen Almfläche liegen stark vernässte und fast baumlose Wiesen, die typische Bewegungszei- ger wie Kriechloben, stufige Absätze und verstellte Bäume aufweisen. Die im Schnitt 10° flache Stufe fällt über eine ca. 20 m hohe und über 20° steile Böschung zur Tiefenlinie ab. Der Ufereinhang ist intensiv durch Uferanbrüche in Form von Absätzen, Steilstufen und Anrisskanten gegliedert. Die Rota- tion der westlichsten Scholle scheint sogar ein Nackentälchen geschaffen zu haben (Abb. 43). Im SEDAG-Projekt wurden intensive Arbeiten zur Dendrochronologie, Bodenkartierung und Geomorpho- logie (sehr detailliert bei KOCH 2006), fluvialem Abtrag (HAAS in prep.), Bodeninfiltration (HENSOLD 2002), Lockergesteinsmächtigkeiten mittels Seismik (SEDAG BONN) und Ufererosion (SEDAG HALLE) durchgeführt. Die aufgefundenen Kriechströme (Abb. 30) bewegen sich in zwei Richtungen. Die nordöstlichen Kriechströme bewegen sich gen Osten, überwinden dabei eine schmale und steile Engstelle, um auf einer tieferen Stufe zum Ufer zu streben (siehe KVM 06 im folgenden Abschnitt). Ein 200 m langer Moränenwall grenzt davon die westlichen und ufernahen Ströme ab, die nach Süden senkrecht auf die Tiefenlinie zufließen. Hier sind KVM 04 und 05 (Abb. 30) installiert. Die Lockergesteinsdecke ist sehr heterogen aufgebaut, wie auch die Bohrungen von KOCH (2005) zeigen. Die Geologie ist aus weni- gen Aufschlüssen der weiteren Umgebung zu interpolieren. So schließt die Straßenböschung im Steilhang über dem Testgebiet Plattenkalke auf, die den Steilhang über der Flachstufe einnehmen. Vereinzelte Aufschlüsse von Kössener Schichten im Bachbett legen nahe, dass sie primär für die Verflachung verantwortlich sind. Der Kontakt der beiden Einheiten kann an der Grenze trocken zu vernässt gezogen werden. Die Uferanbrüche liegen in über 5 m mächtigen Moränenresten, die an- hand von Lesesteinen mindestens bis zum Wanderweg, der die Testfläche in der Mitte quert, verfolgt werden können. Die Feuchtwiese selbst liegt auf Wechselfolgen von feinkörnigen Sediment-, Boden- und Torfhorizonten (KOCH 2006). Das klastische Material stammt je nach Lage aus dem Verwitte- rungsmaterial der unterlagernden Kössener Schichten und Moräne, sowie von hangaquatisch einge- tragenem Feinmaterial aus Gleitschollen und Muren im Oberhang. Die Mächtigkeit der Lockerge- steinsdecke liegt insgesamt bei etwa 10 m am Ufer und nimmt bis zur Steilstufe auf 2 m ab. Die dendrochronologischen Arbeiten, die in diesem Testgebiet sehr intensiv durchgeführt wurden, erfassen einen gesicherten Zeitraum seit 1850, der in drei Phasen gegliedert werden kann:

• 1850 bis 1875: ruhige Phase

• 1875 und 1970: aktive Phase; Höhepunkt zwischen 1928 und 1957

• 1970 bis 2000 (Ende der Beprobung): ruhige Phase

Die Ruhephasen werden von kleinräumig verbreiteten und kurzfristig auftretenden Bewegungen ge- kennzeichnet. Dagegen treten in der Aktivphase Störungen im Baumwachstum auf, die großflächig miteinander zusammenhängen und über die Zeit ein Fortschreiten der Hangdestabilisierung und der involvierten Prozesse belegen. So beginnen Kriech- und Fließbewegungen im oberen Hangbereich, die in der Hochphase zwischen 1928 und 1957 in mehreren rotationsförmigen Uferanbrüchen im mittleren Hangbereich kulminieren. Der Uferbereich ist dagegen von rückschreitender Erosion ge- kennzeichnet, indem nachzuweisende Gleitvorgänge von unten in den mittleren Hang wandern. Spu- ren dieser aktiven Phase sind noch deutlich anhand der verkippten und sichelförmig gewachsenen Bäume und der z. T. über 5 m hohen Anrisskanten unterhalb des Wanderwegs zu erkennen, die auf den Orthofotos von 1960 noch als vegetationslose Narben zu sehen sind.

76 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Abb. 43: Geotechnischer Längsschnitt des Kriechstroms im Bereich von KVM 04. Die Kopplung des Kriechstroms mit den Uferanbrüchen ist im Gelände von einem sehr unruhigen Kleinrelief verborgen.

Die seit den 70er Jahren andauernde Ruhephase besteht aktuell immer noch, wie die Daten der Kon- vergenzmessungen belegen. Demnach finden im unteren Hangbereich keine bzw. extrem langsame (extremely slow) Kriechbewegungen statt (KV 04 Zone I und KV 05; Abb. 44). Auch das Alter der Anbruchsnarben zeigt, dass aktuell nur der Böschungsfuß erodiert wird.

Zone II I ∅ v gesamt [mm/a] ∅ v 2001 [mm/a] 0 ∅ v 2002 [mm/a]

∅ v 2003 [mm/a]

-10 ∅ v 2004 [mm/a]

-20 Geschwindigkeit Messpunkt [mm/a] Geschwindigkeit Messpunkt

05-01 04-08 04-07 04-06 04-05 04-04 04-03 04-02 04-01 04-00

Abb. 44: Geschwindigkeitsdiagramm KVM 04. Für die Berechnung wird MP 04-00 als Fixpunkt verwendet. KV 05 überwacht den Anrissbereich des östlich benachbarten Uferanbruchs, der ebenfalls im Stirnbereich eines Kriechstroms liegt.

Die Rolle der earth flows ist hier sehr eng mit weiteren Prozessen der Kaskade verwoben. Sie selbst stellen einen langsamen aber dafür beständigen Prozess dar, der von fluvialen und ereignisgesteuer- ten Prozessen überlagert wird. Diese führen primär zu einem Materialeintrag, in geringerem Maße auch zu Austrägen. Ein direkter Zusammenhang mit der Beschleunigung der Kriechströme durch diese Vorgänge ist nicht zu erkennen. Dagegen sind die Kriechströme in der Lage, Uferanbrüche zu initiieren. 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 77

Tab. 20: Eigenschaften der Zonen in KVM 04 und 05. Interessant ist der aktuell stabile Zustand der extrem ver- narbten Ufereinhänge, während wenige hundert Meter bachabwärts großflächige Gleitungen in Bewegung sind.

Zone (Fixpunkt bei 04-00 KV 04 gesamt Zone 04-I Zone 04-II KV 05 (Gleitung) bzw. 05-00) Länge [m] 165 75 90 - Breite [m] 20-40 40 30 - Tiefe [m] 2-10 >5 2-5 > 5 Volumen [m³] 25800 15000 10800 -

∅ Neigung [°] 17 20 11 22

∅ v [mm/a] -7 -4 -10 -6

∅ v '01 [mm/a] -2 0 -4 -4

∅ v '02 [mm/a] -17 -9 -26 -12

∅ v '03 [mm/a] -5 -4 -6 0

∅ v '04 [mm/a] -8 -6 -11 -9

KVM 06 - Quellwiese

Dieser Kriechstrom ist Teil des geologischen und geotechnischen Systems, zu dem der soeben be- schriebene Bereich der KVM 04 und 05 gehört (Abb. 30, S. 61). Über eine Steilstufe besteht eine aktuell kaum aktive Verbindung zum nordwestlichen Kriechgebiet. Am Fuß der Steilstufe (MP 06-10, Beginn Zone III; Abb. 45) treten Sickerwässer aus, sowie eine Quelle am Nordostrand. Die Folge ist eine ganzjährige Vernässung der anschließenden Senke, die ganzjährig wassergesättigt ist und auch oberflächlich entwässert wird. Am Ende der Feuchtwiese stehen auf einer trockenen und aktuell stabi- len Rippe alte und ungestörte Bäume (Zone II). Die ursprünglich östlich gelegene Entwässerung zum Sulzgraben hat sich an den westlichen Rand verlegt. Die Uferböschung (Zone I) ist zwischen 15 und 20 m hoch und besonders in der östlichen Hälfte von mächtigen fossilen Gleitschollen gegliedert. Seit Beginn der Untersuchungen ist eine Reaktivierung der Uferanbrüche von Westen nach Osten zu beobachten, die sich jeweils sukzessive bis zum Kamm der Böschung erweiterten. Der bisherige Höhepunkt der Entwicklung war nach der Schneeschmelze 2002 zu verzeichnen. Zu diesem Zeitpunkt brach der gesamte westliche Fußbereich an und es entwickelte sich ein über 40 m langer Riss 15 m über dem Bachbett. Dies umfasst das Volumen von zwei fossilen Gleitschollen! Ende 2003 klaffte der Riss bereits 50 cm auseinander, mit einer maximalen Versatzhöhe von einem Meter. 2004 trat entge- gen des allgemeinen Trends eine Konsolidierung der Bewegung ein. Leider stehen für diesen Bereich keine Baumringanalysen zur Verfügung, die die Verkettung der drei Zonen belegen können. Im Gelände erscheint das kleine Wäldchen zwischen Kriechstrom und Ufer- böschung ungestört. Die Bäume sind alt und gerade gewachsen, der Boden ist trocken und fest, ob- wohl von unruhiger buckliger Oberfläche. Die Aussage der Konvergenzmessstrecke ist überraschend. Bei der Verwendung von MP 00 im Bachbett als Fixpunkt spiegeln die Messungen der Jahre 2001, 2003 und 2004 die kartierte Situation einer hochaktiven Uferzone und eines mäßig aktiven Kriech- stroms wider, die durch eine inaktive Zone getrennt sind. Im Jahr 2002 gerät diese Rippe schlagartig in Bewegung und beschleunigt gemeinsam mit Zone III auf das fünf- bis sechsfache (200 mm/a; Abb. 46). Eine logische Konsequenz ist die Destabilisierung des kompletten Systems und die Reakti- vierung einer tiefer liegenden Bahn, die unterhalb der Wurzelhorizonte alle drei Zonen miteinander verbindet. In Anbetracht der Ausmaße des neu entstandenen Uferanbruchs erscheint die Erklärung plausibel. Aus der vierjährigen Messerfahrung muss aber auch in Betracht gezogen werden, dass die

78 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Abb. 45: Geotechnischer Längsschnitt des Kriechstroms im Bereich von KVM 06. Aktuell ist nur der Uferbereich als staffelförmiger Anbruch und die flachgründige Hangbewegung im oberen Hangbereich aktiv. Eine pos- tulierte, tiefer liegende Bewegungsbahn ist stabilisiert. komplexen Gleitungen im staffelförmigen Uferanbruch eben nicht parallel zur Messrichtung stattfinden und es in diesem Fall zum Verlust von divergenten Vektoranteilen in den bergseitigen Strecken kam (siehe auch KVM 14, S. 71). Ein Indiz dafür ist, dass bei der Auswertung der Einzelmessungen nur dann Bewegungen in MP 03 festgestellt werden, wenn die Punkte 01 und 02 große Konvergenzen erreichen. Ein zweites ist das Fehlen von Geländebefunden, die die 20 cm-Bewegung des 100 m langen Abschnitts innerhalb von sechs Monaten belegen müssten. Aus diesem Grund wird MP 03 zusätzlich als Fixpunkt definiert. Man erkennt, dass die drei Punkte im stabilen Bereich zueinander

Tab. 21: Größenordnung, Durchschnittsneigung und Durchschnittsgeschwindigkeiten des Kriechstroms KVM 06 und seiner Zonen. Die negativen Werte ergeben sich aus den Verkürzungen der Messstrecken bezogen auf den Fixpunkt auf der Talseite.

Zonen im Kriechstrom KV 06 gesamt Zone 06-I Zone 06-II Zone 06-III Fixpunkte bei 06-00 und 06-03

Länge [m] 175 50 50 75

Breite [m] 30-40 40 30

Tiefe ~ [m] >5 >5 2-5

∅ Neigung [°] 15 22 5 18

∅ v [mm/a] -52 -241 -2 -17

∅ v '01 [mm/a] -33 -184 1 0

∅ v '02 [mm/a] -96 -486 -4 -16

∅ v '03 [mm/a] -44 -217 -3 -10

∅ v '04 [mm/a] -26 -29 1 -46 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 79 keine Bewegungen zeigen, dass aber danach die Geschwindigkeit in dem Maße zunimmt, die eine Denudation im Hangbereich und eine Akkumulation vor der stabilen Rippe anzeigt. Die Ergebnisse bei der Verwendung von zwei Fixpunkten sind in Abb. 46 dargestellt, wobei die Messkurve für 2002 bei Verwendung eines einzelnen Fixpunkts zum Vergleich eingefügt ist. Anzumerken ist weiterhin, dass der ufernahe Anteil des Kriechstroms seit 2003 immer langsamer wird und fast die Grenze zur Klasse extremely slow erreicht, während der obere Kriechstrom 2003 aus dieser Klasse in die höhere - very slow - wechselt.

Zone III II I ∅ v 2000 - 2004 0 ∅ v 2001 [mm/a]

-100 ∅ v 2002 [mm/a] ∅ v 2003 [mm/a] -200 ∅ v 2004 [mm/a]

∅ v 2002*) [mm/a] -300

Fixpunkte bei MP 06-00 -400 und MP 06-03

-500 *)

Geschwindigkeit [mm/a] Messpunkt Fixpunkt nur bei 06-00

06-10 06-09 06-08 06-07 06-06 06-05 06-04 06-03 06-02 06-01 06-00

Abb. 46: Geschwindigkeitsdiagramm KVM 06. Für die Berechnung sind zwei Fixpunkte gewählt worden. Dabei dient MP 06-03 als zweiter Stützpunkt, da der Geländebefund einen stabilen Standort ergibt. Zum Ver- gleich ist die Messkurve für 2002 mit MP 06-00 als einzigem Fixpunkt aufgetragen. Letztere Kurve steht für die Annahme, dass 2002 eine tiefer liegende Bewegungsbahn aktiviert wurde, die auch die Messpunk- te 03 bis 10 involvierte. Dagegen steht die Erfahrung, dass Rotationsgleitungen mit hohen Bewegungsra- ten innerhalb der Messkette bei der verwendeten Methodik zu deutlichen Messfehlern führen können.

4.1.2.3 Staudenlahner

Das 0,6 km2 (Anteil Kriechströme 0,005 km2) große Gebiet (Abb. 30, S. 61) scheint vollständig auf Plattenkalk zu liegen und ist entsprechend steil und trocken. Nur 15% der Fläche sind flacher als 25° und zudem vernässt (Tab. 22). Dieser Abschnitt ist Teil der prominenten Hangstufe, die zwischen 1500 m und 1100 m NN den Nordhang quert (s. o.) und hier als Almfläche genutzt wird. Allerdings bestätigt kein Aufschluss den Verdacht auf unterlagernde Kössener Schichten. Dagegen schließen zwei große Hanggleitungen („Maibruch“ in Kap. 4.2.2 „Gleitungen am Hangbereich“, S. 110ff sowie Abb. 66) mächtige Moränenreste auf. Auf diesen lagern mit 0,5 m bis 3 m Mächtigkeit diverse Murkör- per vermischt mit Lawinenschutt und Kriechstrommaterial. Der direkt auf der Almfläche gelegene Kriechstrom (Abb. 30) ist über weite Abschnitte des Jahres durch die kräftige Kraut- und Rasenvegetation verdeckt und äußert sich in angedeuteten internen Gleitschollen, Absätzen und Kriechloben. Die Größe dieser Strukturen lässt auf eine Bewegungstiefe von maximal drei Metern schließen. Eine aktuelle Dynamik ist ohne eine Messüberwachung nicht erkennbar. Mehrere frische Zugrisse in der Nähe der großen Gleitung sind auf das Rückschreiten der Anrisskante und nicht auf die Bewegung des Kriechstroms zurückzuführen. Die Bewegung beginnt im Verwitterungsschutt, der zusätzlich von Hangschutt aus den steilen Oberhängen bedeckt ist, und zieht sich in einer Hangmulde von West nach Ost. Der Kriechstrom scheint noch auf der Almfläche, die bergseitig der Forststraße in einer leichten Depression endete, auszulaufen. Der Hanganbruch von 1997 hat diesen Hangabschnitt allerdings zerstört. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass der Kriechstrom einen Beitrag zu dem Anbruch geleistet hat.

80 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Tab. 22: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Staudenlahner und auf den Kriechstromflächen. Ist das Vorkommen eines Faktors auf Kriechströmen größer als im TEZG, so korreliert er signifikant mit dem Prozess. Fast alle Klassen liegen außerhalb des Erwartungshorizontes (vgl. Tab. 14, S. 60). Dies ist auf die spezielle Aufschlusssituation wie auch auf den im Text beschriebenen, jungen Schuttstrom zurückzu- führen.

Geofaktor Klasse Anteil am TEZG [%] Anteil auf Kriechstrom [%] 0° - 25° 15 48 Hangneigung 25° - 35° 60 51 Lithologie kompetent 92 100 Moräne 3 14 Lockergestein Fazies Hangschutt 94 86 Lockergestein geotechnisch bindig, Grobkornanteil > 30% 39 58 Lockergestein Mächtigkeit 2 – 5 m 6 96 vegetationsfrei 2 23 Vegetation Rasen 10 13 Sträucher 4 27

4.1.2.4 Brünstgraben

Abb. 47: Gliederung des nordöstlichen Lahnenwiesgrabens in die Teileinzugsgebiete Brünstgraben, Herrentisch- graben und Blattgraben (Nordseite der Reschbergwiesen). Eingetragen ist die Verbreitung der Kriech- ströme und die Lage der Konvergenzmesszüge 07, 08, 09, 10 und 11 im Brünstgraben.

Das 1,3 km2 große Einzugsgebiet des Brünstgrabens wird an der Oberkante von den Gipfeln des Großen Zunderkopfs und dem Brünstelskopf begrenzt und endet am Zusammenfluss Brünstgraben mit dem Lahnenwiesgraben (Abb. 30, S. 61). Über 80% der Fläche wird von Hauptdolomit und kompe- tenten Kalken (Plattenkalk, Kössener Kalke, Jura-Kieselkalke) eingenommen, was zu einem über- durchschnittlich steilen Relief führt. Die vorhandenen Schuttströme (insgesamt 0,03 km2) konzentrie- ren sich daher auf die wenigen flachen Bereiche über Kössener Schichten, die hier allerdings immer noch steiler ausfallen als im Westen. Die Lithologie der Kössener besteht aus reinen Ton- und Mer- gelsteinen, die in engen Falten oder Schuppen zwischen Plattenkalken eingezwängt sind. Die mächti- ge Verwitterungsschuttdecke wird teilweise von Moräne überlagert. Gleichzeitig entwässern bergseitig die verkarsteten Plattenkalke am Kontakt zu den Kössener Schichten. In dieser Kombination entste- hen Schuttströme, die in ihrem äußeren Erscheinungsbild beispielhaft ausgeprägt sind: Die Anrissbe- 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 81 reiche werden durch einzelne oder mehrere Rotationsgleitungen mit Material versorgt. Die Schutt- ströme zeigen ausgeprägte Seitenlevees mit z. T. gut erkennbaren Bewegungsstriemen. Intern sind deutliche Kriechloben mit übersteilten Stirnböschungen zu finden, ebenso wie offene Querrisse, die z. T. ganzjährig wassergefüllt sind. Kleinere Kriechkörper laufen in Hangmulden aus und zeigen ge- ringe Aktivität. Die zwei größten Ströme queren die Forststraße und enden direkt im Brünstgraben. Die stete Unterschneidung hat dabei ihren Anteil an der im Vergleich zum restlichen Tal erhöhten Aktivität.

Tab. 23: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Brünstgraben und auf den Schuttstromflächen. Ist das Vorkommen eines Faktors auf Schuttströmen größer als im TEZG, so korreliert er signifikant mit dem Prozess. Die Konzentration des Prozesses auf veränderlich festen Gesteinen sowie auf die weni- gen flachen Hanganteile wird in diesem TEZG durch die tektonische Position der Kössener Schichten und ihrer morphologischen Vorgaben erzwungen.

Geofaktor Klasse Anteil am TEZG [%] Anteil auf Schuttstrom [%] 15 ° - 25° 17 63 Hangneigung 25° - 30° 25 19 >30° 65 16 Lithologie veränderlich fest 17 50 Moräne 14 39 Lockergestein Fazies Hangschutt 76 58 Lockergestein geotechnisch bindig, Grobkornanteil < 30% 39 58 Lockergestein Mächtigkeit > 2 m 9 96 Sträucher 5 28 Vegetation Mischwald 21 54

Das Fehlen weiterer Schuttströme außerhalb der Kössener Schichten unterstreicht die Bedeutung dieser lithologischen Einheit aus Ton- und Mergelsteinen und ist die wichtigste Aussage in diesem Abschnitt. Aus der Stirn des im folgenden Abschnitt beschriebenen Schuttstroms wurden Proben der durchbewegten Tonsteine entnommen (PL 07 und PL 09: mittelplastische bis ausgeprägt plastische Tone; PL 08 aus Moräne: ausgeprägt plastische Tone; vgl. Abb. 17 und Abb. 23)

KVM 07 bis 11 „Brünstmure“

Bei einem Gewittersturm im August 2000 wurde das erste Mal die murartige Überschüttung der Forst- straße beobachtet. Die danach durchgeführten Kartierungen (BÜCH 2003) fanden einen komplexen und deutlich aktiven Schuttstrom vor. Er liegt in einem 5 bis 20 m tiefen und 50 bis 150 m breiten Graben, der durch Erosion in der nördlichen Kössener Schuppe des TEZG entstanden ist. Das obere Ende dieses Grabens beginnt am Grat zum Einzugsgebiet des Herrentischgrabens und läuft nach Südwesten zur Rinne des Brünstgrabens, mit der er sich 140 m tiefer an der Forststraße vereinigt. Im oberen Abschnitt des Grabens finden verschiedene Abtragungsprozesse statt, die letztendlich Material für den darunter folgenden Schuttstrom liefern. So finden in den ersten 200 m des Grabens der Zone IV, die in zwei flache, durch eine Steilstufe getrennte Absätze gegliedert sind, Kriechbewe- gungen im cm-Bereich pro Jahr statt (Messpunkte 11-00 und 11-01, Abb. 51 und Anhang 6.5-2, S. 175). Die nächstfolgenden Steilstufen (Zone III), die in reinem Kössener Tonstein und stellenweise in bis zu 1 m mächtigen Moränenresten liegen, werden durch mehrere Rotationsgleitungen unter- schiedlichen Alters sowie durch Rinnenerosion abgetragen (Messpunkte 10-00 bis 10-03, Anhang 6.5-2, S. 175). Höhepunkte der Gleit- und Kriechbewegungen sind durch die dendrochronolo- gischen Untersuchungen (KOCH 2006) anhand intensiver Reduktions- und Druckholzphasen in den Zeiträumen von 1861-1865, 1890-1894, 1920-1924, 1939-1941 und 1954-1959 belegt.

82 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Abb. 48: Geomorphologische Karte des großen Schuttstroms im oberen Einzugsgebiet des Brünstgrabens. Der Graben ist in stark tonig-mergelige Kössener Schichten eingetieft, die beidseitig von Plattenkalken einge- rahmt sind. Orange Linie: Verlauf des Profils aus Abb. 49.

Der Schuttstrom beginnt darunter in einer Engstelle des nun knapp 10° steilen Grabens (Abb. 49). Sowohl die Geschwindigkeiten (Messpunkte 09-00 und 09-01, Abb. 51) im cm-Bereich pro Jahr als auch die Morphologie lassen geringe Bewegungen erkennen. Ältere Hochphasen sind anhand ver- wachsener Loben und Absätze sowie alter Baumstämme, die in das aufgeweichte Sediment einge- schlossen sind, nachvollziehbar (Zone II). Unterhalb des Messpunktes 09-00 (vgl. Abb. 48 und Abb. 49) öffnet sich der Graben und der Schutt- strom wird breiter (Zone I). Nach einem kurzen, steileren Absatz knickt er nach Süden um und erreicht die Straße. Absätze, Risse und gespannte Wurzeln in dieser Zone sind die jüngsten Entwicklungen. Daneben konnten seit Beginn der Vermessung Verkippungen von Bäumen und das Öffnen von Spal- ten beobachtet werden. An den beispielhaft ausgeprägten Seitenwällen sind noch die Striemen der Scherbewegung zu erkennen.

4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 83 dler, bearbeitet 2007 von D. Keller. der Konvergenzmesszüge 07 bis 09. Neuaufnahme 2005 von W.Schä

Abb. 49: Geotechnischer Längsschnitt des Schuttstroms im Bereich

84 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Die Stirn des Schuttstroms entwickelt seit Beginn 2000 eine starke Eigendynamik, die sich in einer sukzessiven, rückschreitenden Zerlegung in Gleitschollen, die in Teilen oder als Ganzes auf die Stra- ße gleiten, ausdrückt. Die aktuelle Destabilisierung begann im Winter 1999/2000, als der Bewuchs von jungen Laubbäumen durch mehrere Lawinen und davon mitgerissenen Fichten und Latschenstö- cken zerstört wurde. Im Zuge der Aufräumarbeiten wurden nochmals Bäume gefällt. Diese hatten jedoch einen maßgeblichen Anteil an der oberflächlichen Stabilisierung und Entwässerung der Schutt- stromfront. Die darauf folgenden regenreichen Sommer (2000 bis 2002) inklusive sechs starker Gewit- terstürme initialisierten z. T. beachtliche Bewegungsschübe, die sich mittlerweile über 100 m weit in den Körper fortgesetzt haben. Seit dem Trockensommer 2003 sind die Bewegungen um ein bis zwei Zehnerpotenzen abgeflaut (vgl. Abb. 51 und Tab. 24). Im Hinblick auf die Modellierung stellt sich die Frage, ob die Bewegungsdynamik, die in den nächsten Abschnitten dargestellt wird, ohne diese Fak- torenkombination und allein durch das Niederschlagsregime ausgelöst worden wäre. Im Herbst 2003 wurden auf Veranlassung des Forstes die Schuttstromstirn zusammen mit dem mur- fähigen Brünstgraben durch einen 2 m tiefen und 4 m breiten Graben entwässert und mit Quersperren gesichert (Abb. 50 B).

A B

Abb. 50: Die Stirn des Schuttstroms: A) linke Frontseite nach längeren Niederschlägen im September 2000. Eindrucksvoll ist der hohe Anteil an durchbewegten Kössener Tonsteinen. Die Holzbalken am Fuß sollen die Verstopfung des Straßendurchlasses verhindern. B) Situation im Dezember 2003: nach dem Murer- eignis 2002 ist der Brünstgraben (linke Bildhälfte) durch zwei Kastensperren verbaut worden. Der Schuttstrom wird zwischen den beiden Sperren durch einen 3 m tiefen Graben entwässert; die Sicherung der aktuellen Stirngleitung ist provisorisch. Bereits im Herbst 2002 wurde im Zuge der Straßensanierung ein Doppelrohr eingesetzt, um den Abfluss von Hochwasserereignissen fassen zu können.

Im Gegensatz zu allen anderen Schuttströmen konnte hier der Wechsel aus einem Gleichgewichtszu- stand zu einem hochaktiven reaktivierten Schuttstrom (von Stufe C nach B nach IACCARINO et al. 1995) mit einem Maximum (Juni – Oktober 2002) von umgerechnet 8 m/a beobachtet werden. Im Diagramm Abb. 51 ist sehr schön die Aktivierung der Schuttstromstirn 2001 zu sehen, die entgegen dem allgemeinen Geschwindigkeitstrend im Lahnenwiesgraben einsetzt. Die Aktivierung der anschlie- ßenden Bereiche folgt zeitlich versetzt 2002. Seit 2003 scheint ein stabiler Bewegungszustand er- reicht worden zu sein, der aber im Vergleich zum Restgebiet immer noch hoch ist. Der Massentransfer des Schuttstroms ist sehr gut nachzuvollziehen. Liefergebiete und -prozesse sind vor allem die Kriechgebiete und Gleitungen über dem eigentlichen Anrissgebiet des Schuttstroms. Aus den Wundhängen kommt es auch regelmäßig zu fluvialen und hangaquatischen Auswaschungen. 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 85

Kriechen Gleitscholle Schuttstrom 10.000 I II III Zone IV ∅ v 2000-2003

∅ v 2001 [mm/a]

1.000 ∅ v 2002 [mm/a]

∅ v 2003 [mm/a]

∅ v 2004 [mm/a] 100

10 Geschwindigkeit Messpunkt [mm/a] Geschwindigkeit Messpunkt

1 07-02 07-03 07-04 07-05 07-06 07-07 08-00 09-00 09-01 10-00 10-01 10-02 11-00 11-01

Abb. 51: Geschwindigkeitsdiagramm KV 07 bis 11. Die Geschwindigkeit ist logarithmisch aufgetragen. Gut zu sehen sind die Aktivierung der Stirn 2001 und das Nachrücken der folgenden Messpunkte 2002. Zone III und IV liegen außerhalb des Schuttstroms und geben die Größenordnung der aktuellen Schuttnachliefe- rung durch angrenzende Gleitschollen und Kriechkörper wieder.

Momentan akkumuliert dieser Eintrag auf dem ruhenden Bereich der Schuttstromzone II. Während der stabilen Phase mit geringen Bewegungsraten findet ein kontinuierlicher Massentransfer im mittleren Bereich durch Lockergesteinskriechen und -fließen statt. Der kontinuierliche fluviale Austrag ist nur nach längeren und stärkeren Niederschlägen zu erkennen. Durch die Aktivierung der Stirn 2001 wur- den erhebliche Mengen aus dem eigentlichen Akkumulationsbereich in den Brünstgraben durch Stra- ßenräumungsarbeiten, aber auch durch Gleitschollen und Schlammströme abgeführt (ca. 600 m3 allein aus der Stirn, abgeglittenes Straßenbett nicht mitgerechnet).

Tab. 24: Zusammenfassung der Größe, der Neigung und der Geschwindigkeitsverteilung der einzelnen Zonen und des gesamten Schuttstroms (Zone I und II). Dazu im Vergleich das Bewegungsverhalten einer Gleitscholle (Zone III) und eines Kriechgebiets (Zone IV) oberhalb des Schuttstroms, die Material für diesen bereitstel- len.

Fixpunkte: 07-08, 08-01, Schuttstrom Zone I Zone II Zone III Zone IV 09-02, 10-03, 11-02 gesamt Schuttstrom aktiv kaum aktiv Gleitscholle Kriechzone Länge [m] 250 170 80 40 40 Breite [m] 10-30 15-30 10-15 10 8 Tiefe [m] 2-7 4-7 2-4 3 2-3 Volumen [m³] 25000 22440 2560 600 640

∅ Neigung [°] 18 21 14 34 12

∅ [mm/a] 00-04 272 470 42 19 5

∅ v '01 [mm/a] 560 815 18 37 4

∅ v '02 [mm/a] 1417 2040 95 9 10

∅ v '03 [mm/a] 15 17 15 15 7

∅ v '04 [mm/a] 42 60 28 17 6

86 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

4.1.2.5 Herrentischgraben

Das obere Einzugsgebiet des Herrentischgrabens (1,2 km2) ist ein abgeschlossener Kessel zwischen den Gipfelpunkten Brünstelskopf (1814 m) und Herrentisch (1667 m), der trichterförmig am Kreu- zungspunkt mit der Enningstraße auf ca. 1100 m zusammenläuft (Abb. 47, S. 80). Die Seitenwände umschließen dabei eine langgestreckte, NW-SE verlaufende Senke (1360 m bis 1090 m), die zum größten Teil von mächtigen Murablagerungen gefüllt ist. Weitere Schutttypen sind Verwitterungspro- dukte der Kössener Schichten, die in diesem Bereich anstehen, und einige Moränenreste. Bewe- gungszeiger wie verstellte Bäume, buckliges und stufiges Relief und Stirnwülste weisen auf mehrere Kriechkörper hin (insgesamt 0,06 km2), doch deuten sie keine aktuellen oder nur sehr geringe Bewe- gungen an. Die Aktivität der Kriechströme wird als ruhend bis extrem langsam eingestuft (SCHÄDLER 2004). Das Einzugsgebiet im Unterlauf des Herrentischgrabens ist dagegen stabil und zeigt nur sehr klein- räumige Instabilitäten durch Lockergesteinsfließen. Das Besondere an diesem Einzugsgebiet ist der Einfluss von ereignisbezogenen Prozessen wie Hochwasser und Murgängen, die im restlichen Gebiet die Kriechströme eher nur streifen. Hier wird der Kriechstromkörper primär durch deren Ablagerungen aufgebaut, weniger durch den quasi autochtho- nen Verwitterungsschutt. Allerdings stammt in beiden Fällen der Feinkornanteil aus den Ton- und Mergelsteinen der Kössener Schichten. Eine Bestimmung der Aktivität ist durch die Überprägung mit Schwemm- und Murschutt kaum noch möglich. Der Vergleich mit den Kriechströmen der Reschberg- wiesen (siehe Kap. 4.1.2.6), die ebenfalls aus allochthonen Schuttkörpern bestehen, weist jedoch auf eine geringere Mobilisierbarkeit des Materials hin.

Tab. 25: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Herrentischgraben und auf den Kriechstrom- flächen. Ist das Vorkommen eines Faktors auf Kriechströmen größer als im TEZG, so korreliert er signi- fikant mit dem Prozess.

Geofaktor Klasse Anteil am TEZG Anteil auf Kriechstrom Hangneigung 10° - 30° 47 87 veränderlich fest 24 55 Lithologie kompetent 29 41 Lockergestein Fazies Hangschutt 76 90 Lockergestein geotechnisch bindig, Grobkornanteil < 30% 49 90 Lockergestein Mächtigkeit 1 - 5 m 51 90 Sträucher 3 31 Vegetation Mischwald 48 56

4.1.2.6 Reschberg

Die Kriechströme im Nordwesten der Reschbergwiesen (W’ des Blattgrabens, zwischen 1020 m und 860 m; Fläche von 0,03 km2) sind ruhend bis extrem langsam. Sie sind vergleichsweise kurz und nehmen sehr häufig flache Depressionen in Fallrichtung des Hanges ein. Das bewegte Material stammt aus dem umgelagerten Verwitterungsschutt der Kössener Schichten, die hier in ihrer kalkigen Fazies vorliegen. Erst der Transport durch fluviale Prozesse, Muren und Gleitungen führt zu einer Konzentration der feinkörnigen Komponenten, die den Kriechvorgang begünstigen. Dieser Typ des Kriechstroms ist bisher nur vereinzelt und häufiger im Herrentischgraben aufgetreten. Das Relief des TEZG folgt grob der Lithologie, wobei die Kriechströme am flachen bis mittelsteilen Mittelhang liegen. Die niedrige Lage des Einzugsgebiets begünstigt die Vegetation, so dass dichter 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 87

Waldbestand auch auf den Kriechströmen vorherrscht. Im Gelände sind die Kriechströme sehr schwer einzugrenzen, da die langsamen Bewegungen nur schwach ausgeprägte morphologische Strukturen verursachen. Diese sind nur vor und nach der Vegetationsperiode sichtbar. Dafür indiziert der intensi- ve, krautige Bewuchs im Sommer alternativ vernässte und von Kriechbewegungen betroffene Flä- chen.

Tab. 26: Flächenanteile in [%] einiger Geofaktoren im TEZG Reschberg und auf den Kriechstromflächen. Hinzuweisen ist auf die Bedeutung der lithologischen Festgesteinsklasse „kompetent“, die den Über- gangsbereich der kalkigen Kössener Schichten zu den noch mergeligen, liegenden Plattenkalken um- fasst. Trotz der größeren Stabilität im Vergleich zur tonig-mergeligen Fazies enthält das Verwitterungs- produkt genug Feinkornmaterial, um in Kriech- und Fließbewegungen übergehen zu können.

Geofaktor Klasse Anteil am TEZG Anteil auf Kriechstrom Hangneigung 5° - 25° 41 95 Plattenkalk 41 44 Lithologie Kössener Kalke 18 52 Hangschutt 73 75 Lockergestein Fazies fluvioglazialer Schotter 15 24 bindig, Grobkornanteil < 30% 47 73 Lockergestein geotechnisch bindig, Grobkornanteil > 30% 44 27 Lockergestein Mächtigkeit 1 - 5 m 50 98 Rasen 5 9 Vegetation Mischwald 60 44 Nadelwald 18 42

4.1.3 Auswertung der Bewegungsmessungen

Auch wenn die Fülle der Detailbetrachtungen einen Überblick erschwert, ist doch erkennbar, dass jeder Kriechstrom Trends im Bewegungsverhalten aufweist. Wenn diese Trends bei allen Kriechströ- men Parallelen zeigen, können Korrelationen externer Faktoren (in diesem Fall der Niederschlag) geprüft werden. Zudem ist es für die Abschätzung der Massenbilanz unerlässlich, die Größenordnun- gen der Bewegungen durch feste Daten abzusichern, um diese für das Gesamtgebiet veranschlagen zu können (DIETRICH & DUNNE 1978). Die zur Verfügung stehenden Daten stammen aus 14 Messzügen mit insgesamt 100 Messpunkten. Davon liegen letztendlich 68 Messpunkte (2004 auf 44 reduziert) auf Kriech- und Schuttstromflächen, entsprechend der hier verwendeten Definition. Diese Punkte verteilen sich wiederum auf 10 Kriech- und Schuttströme, die nochmals in 16 individuelle Zonen gegliedert werden können. Die Auswertung der Daten erfolgt zuerst im jährlichen und anschließend im saisonalen Turnus. Die Daten werden auf den Niederschlagsverlauf der Station Garmisch-Partenkirchen des DWD und soweit möglich der SEDAG-Station „Pflegerhütte“ bezogen. Die Lücken in den Niederschlagsdaten sowie der Übertrag der Garmischer Daten auf den Lahnenwiesgraben sind detailliert in Kapitel 2.7.2 erläutert worden.

4.1.3.1 Auswertung pro Jahr

Die zeitliche Auflösung nach Jahren ist sowohl für die Geschwindigkeitsmessung aller Kriechströme als auch für die Niederschlagsmessung gegeben. Unabhängig von der Lage im Gebiet sind in der folgenden Tabelle alle Messergebnisse zusammengefasst. Um einen Vergleich zu ermöglichen, wer- den die Bewegungsraten auf drei Bezugsebenen dargestellt (Tab. 27):

88 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

• absolute Geschwindigkeit, gruppiert nach CRUDEN & VARNES (1996) [mm/a]

• absolute Geschwindigkeit, gruppiert nach einer logarithmischen Skala (10, 100, 1000, > 1000) [mm/a]

• normierte Geschwindigkeit = (Geschwindigkeit Messintervall) / (Geschwindigkeit 2000-2004) * 100 [%]

• relative Geschwindigkeit bezogen auf die vorherige Messung (schneller, langsamer; das

Jahr 2001 bezieht sich auf die Geschwindigkeit 2000-2004)

Als Bezugsgröße werden die Jahresniederschlagssummen der DWD-Wetterstation Garmisch- Partenkirchen und die Summe der Sommerniederschläge (jeweils 21. Mai. bis 27. Oktober) der SEDAG-Station „Pflegerhütte“ und der DWD-Station GAP aufgeführt.

Tab. 27: Zusammenfassung der Geschwindigkeitsauswertung aller relevanten Messpunkte inklusive der Nieder- schlagsdaten der DWD-Station Garmisch-Partenkirchen und der SEDAG-Station Pflegerhütte. Für jedes Jahr ist pro Klasse der entsprechende Prozentanteil der Messpunkte aufgetragen.

Messjahr 2000/2001 2001/2002 2002/2003 2003/2004 Anzahl ausgewerteter Messpunkte 68 68 66 44 = 100% A) Absolute Geschwindigkeit (klassifiziert nach CRUDEN & VARNES (1996)) inactive - extremely slow 0 - 16 mm/a 58 14 59 43 [%] very slow 16 mm/a - 1,6 m/a 42 80 41 57 [%] slow 1,6 - 160 m/a 0 6 0 0 [%] B) Absolute Geschwindigkeit (angepasst an die örtliche Situation) extrem langsam 0 - 10 mm/a 55 10 32 34 [%] langsam 10 - 100 mm/a 32 55 59 49 [%] moderat 100 - 1000 mm/a 12 28 9 17 [%] schnell > 1000 mm/a 1 7 0 0 [%]

C) Normierte Jahresgeschwindigkeit (in Relation zur vierjährigen Geschwindigkeit 2000 – 2004) ≤ (langsamer) 94 20 84 62 [%] > (schneller) 6 80 16 38 [%] D) Relative Geschwindigkeit (in Relation zum Vorjahr) ≤ 91 1 93 32 [%] > 9 99 7 68 [%] E) Niederschlagssummen (*) hydrographisches Jahr Nov-Okt; **) Sommersaison 21.05. bis 27.10.) DWD Station Garmisch-Partenkirchen *) 1424 1520 1213 1179 [mm] DWD Station Garmisch-Partenkirchen **) 814 886 702 715 [mm] LWG Station Pflegerhütte **) 974 1051 476 648 [mm]

In Abb. 52 ist die Information aus Tab. 27 B und C zusammengestellt und jeweils mit den jährlichen bzw. sommerlichen Niederschlagssummen ausgeplottet. Die Jahre sind dabei nach abnehmenden aktiven Messpunkten sortiert. So überrascht es nicht, dass die heftigsten im Lahnenwiesgraben registrierten Regenfällen im Jahr 2002 mit den größten Bewegungsraten korrelieren (80% der Messpunkte sind schneller als die in vier Jahren erreichte Durchschnittsgeschwindigkeit, 44% bzw. 46% der Messpunkte wechseln in eine höhere Geschwindigkeitsklasse nach Tab. 27 A und B). Warum 2001 mit ähnlichem Niederschlags- muster sogar das langsamste Jahr darstellt, ist auf dieser Betrachtungsebene nicht erklärbar. Beson- 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 89 ders auffällig ist die hohe Anzahl an quasi ruhenden Messpunkten (55% der Messpunkte in der Klasse < 10 mm/a). Eventuell können hier noch Störungseffekte durch die Installation der Messstrecken in Betracht gezogen werden. Leichter verständlich zeigt sich das Jahr 2003, das besonders im Lahnenwiesgraben trocken und heiß ausfiel. Die Beruhigung aller Strecken und die extreme Abnahme der Geschwindigkeit nach dem schnellsten Jahr erscheinen daraufhin logisch (94% der Messpunkte bremsen ab, 84% sinken unter die in vier Jahren erreichte Geschwindigkeit). Interessant ist die Entwicklung im Folgejahr 2004, das in Garmisch-Partenkirchen ähnliche niedrige und im Lahnenwiesgraben nur leicht erhöhte Niederschläge erhält, aber deutlich kälter ausfällt. So ist zwar ein deutlicher Zuwachs an beschleunigten (68 %) Messpunkten festzuhalten. Die Betrachtung der absoluten Geschwindigkeiten zeigt allerdings, dass diese Umverteilung zu Ungunsten der mittleren Klasse zwischen 10 und 100 mm/a geht, während die Zahl der langsamsten Messpunkte zu 2003 fast konstant bleibt. Entsprechend hoch bleibt die Zahl der Messpunkte (62%), die nicht die vierjährige Geschwindigkeit überschreiten.

A 100 2000 B 100 2000

75 1500 75 1500

50 1000 50 1000 Niederschlag [mm] 25 500 Niederschlag [mm] 25 500 Σ Σ Anteil Messpunkte [%] Messpunkte Anteil Anteil Messpunkte[%]

0 0 0 0 2002 2004 2003 2001 2002 2004 2003 2001

A > 1000 mm/a NS LWG Sommer B Beschleunigung 100 - 1000 mm/a NS GAP Sommer Beruhigung 10 - 100 mm/a NS GAP 0 - 10 mm/a

Abb. 52: Vergleich der jährlichen Aktivitätsentwicklung aller Messpunkte [%] mit den Sommerniederschlagssum- men GAP und LWG und dem Jahresniederschlag GAP. Die Jahre werden von höchster zu niedrigster Ak- tivität sortiert. A) die Verteilung der absoluten Geschwindigkeit (analog Tab. 27B) korreliert 2002 und 2003 gut, 2004 bedingt mit den Niederschlägen; 2001 korreliert nur im Bereich der höchsten Geschwindigkeiten, verhält sich aber generell gegenläufig; B) die Verteilung der normierten Geschwindigkeit (analog Tab. 27C) zeigt, das 2001 besonders stark vom erwarteten Trend abweicht.

Aus diesen Zahlen kann nach vier Messjahren keine eindeutige bzw. singuläre Beziehung zwischen der Jahresniederschlagsmenge und der erzielten Jahresbewegung hergestellt werden. Wie die Dis- kussion der Jahre 2003 und 2004 aber zeigt, müssen verschiedene Bezugssysteme (absolute oder in Relation gesetzte Geschwindigkeiten) betrachtet werden, um bei der Interpretation keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Deshalb werden im Folgekapitel zusätzlich die meteorologischen Unterschiede im Messzeitraum genauer aufgeschlüsselt und auf die Bewegungsmuster bezogen.

4.1.3.2 Auswertung pro Messintervall (saisonal)

Bei der zeitlich höher aufgelösten Betrachtung ist jedoch die Verwendung ortsferner Klimadaten noch kritischer als im Jahresüberblick zu bewerten, da Abweichungen zwischen Arbeitsgebiet und Wetter- station GAP bei kürzeren Intervallen größer werden (Kap. 2.7.2; Abb. 11, S. 20 oder Abb. 53, S: 90). Zudem sind keine einheitlichen Messintervalle für jedes Jahr und für alle Messstrecken vorhanden, da die Messtermine je nach Wettersituation und logistischen Möglichkeiten gelegt werden mussten. Die in Tab. 28 zusammengestellten Messtermine ergeben den dichtesten gemeinsamen Messrhythmus.

90 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Mit Hilfe dieser Datengrundlage ist es dennoch möglich, Niederschlagstrends eines Jahres auf das entsprechende Bewegungsverhalten zu projizieren.

Tab. 28: Auswahl der Messtage, die für die saisonale Auswertung des Bewegungsverhaltens der Kriechströme verwendet wurden. Die Erstmessungen fanden im Oktober 2000 statt. Der zeitliche Versatz bei der 3. und 4. Messung um drei Monate beeinträchtigt die Interpretation.

1. Messung 2. Messung 3. Messung 4. Messung 2001 07. Apr 20. Juni 15. Sep 22. Nov 2002 27. Apr 27. Juni 20. Aug 16. Okt bzw. 20. Dez 2003 24. Apr 17. Juni bzw. 18. Aug 02. Okt 13. Dez 2004 11. Mai 17. Juli 01. Sep 25. Okt

Abb. 53 zeigt eine Gegenüberstellung der Niederschläge (überhöht durch die Umrechnung in gleiten- de 7-Tage-Summen) und der auf die Jahresgeschwindigkeit normierten Geschwindigkeiten (vgl. Tab. 27 C) von 44 Messpunkten (ohne KVM 14). Diese sind als Mittelwert pro Messung zusammenge- fasst und auf einer log-Skala aufgetragen.

180 10.00 2 3 160 4 3 1 4 140 2 1 2 4 2 3 120 1 1 3 1.00 100 4 80

60 0.10

40 1 Normierte Geschwindigkeit

20 Mittelwert aus allen Messpunkten 0 0.01 gleitende [mm] 7-Tages Niederschlagssumme NS Lahnenwiesgraben

1.1.2001 1.1.2002 1.1.2003 1.1.2004 1.1.2005 NS Garmisch-P.

Abb. 53: Vergleich der Geschwindigkeitsentwicklung der einzelnen Messungen (1. bis 4. Messung pro Jahr) mit dem Niederschlagsverlauf in GAP und im Lahnenwiesgraben. Die Geschwindigkeiten sind bezogen auf die vierjährige Gesamtgeschwindigkeit (analog Tab. 27C) normiert und pro Messung als Mittelwert dargestellt. Beschleunigungen im Jahresverlauf sind relativ gut mit entsprechenden Niederschlagsmaxima paralleli- sierbar, jedoch nicht der Betrag der erreichten Geschwindigkeit.

Im Vergleich der jeweiligen vier Jahresmessungen mit der Gesamtgeschwindigkeit liegen 2001 drei der vier Messungen darunter, 2002 und 2004 deutlich darüber, während 2003 die Werte um den Durchschnitt pendeln. Dieser Vergleich ist noch einfach mit der Jahresauswertung zu korrelieren. Die Amplitude und Störungen im saisonalen Rhythmus der Bewegungen müssen aber im Kontext der Wetterentwicklung betrachtet werden. Der Vergleich mit den Klimadiagrammen in Abb. 11 (S. 20) unterstützt die Interpretation: Der Kurvenverlauf pro Jahr beginnt meist mit einem Bewegungsminima zur ersten Messung im April. Erfasst wird damit die Winterphase ab Oktober/Dezember. Über diesen Zeitraum besteht für die Kriechstromkörper eine Trockenzeit, die durch die zugefrorenen Bodendecke und die Bindung des Wassers als Schnee und Eis bedingt wird, und eine Beruhigung der Bewegungen verursacht. 2004 ist dieser Trend nicht vorhanden. Jedoch muss hier der sehr späte Messzeitpunkt (11.Mai) berücksichtigt werden, der bereits die Mobilisierung verschiedener Tauphasen mit gleichzeitigen Frühjahrsregen erfasst (Abb. 11, S. 7). Die Erstmessung 2002, die zwar das Jahresminimum darstellt, im gesamten 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 91

Zeitraum aber überdurchschnittliche Bewegungsraten festhält, erfasst ebenfalls einen frühzeitigen Bewegungsschub durch die Schmelze in Kombination hoher Frühlingsniederschläge zum Zeitpunkt der Erstmessung Anfang April. Die Beschleunigungen 2002 beziehen besonders die flachgründigen und tendenziell langsameren Kriechstrombereiche ein. In die zweite Messung gehen stets die Schmelzphasen der schattig gelegenen Schneedecken (die in weiten Bereichen die Kriechstromzonen betreffen) und das erste Maximum der Sommerregen ein. Nur in den Jahren 2002 (parallel verstärkte Ufererosion im Hauptgerinne festgestellt) und 2004 überlappen diese beiden Vorgänge. Dafür entfallen auf diesen Zeitraum mehr als 50% der Sommerniederschläge, sowie alle aufgezeichneten Gewitterstürme mit Murabgängen der Jahre 2001 und 2002. In der Folge ist das jährliche Bewegungsmaximum bis auf 2004 mit der zweiten Messung erfasst. Hier bricht die Kurve sogar auf das Jahresminimum ein, gefolgt vom Maximum in der dritten Messung (s. u.). Die dritte und vierte Messung im Hochsommer und Herbst/Spätherbst zeichnen meist einen Beruhi- gungstrend bezüglich des Frühsommermaximums zum Winter hin auf (2001, 2002, ~2004), der mit dem meist regenarmen bis trockenen Spätsommer und Frühherbst zusammenhängt. 2003 endet dagegen mit einer Beschleunigung, resultierend aus den schlagartig einsetzenden Herbstregen nach der dritten Messung. Die folgenden Niederschläge im Frühwinter verstärken diesen Trend bis zum Wintereinbruch derartig, dass ihn noch die Erstmessung 2004 erfasst. Erst die Zweitmessung 2004 zeigt das niedrige Bewegungsniveau an, das wahrscheinlich bereits vor der Messperiode einsetzte. Aus der Diskussion ist ersichtlich, dass das Bewegungsverhalten durchaus mit dem Wetterverlauf in Einklang gebracht werden kann. Allerdings werden für die Analyse Kombinationen von Wetterereig- nissen zusammengefasst (z. B. [Herbstniederschlag] + [komplette Winterentwicklung]). Die vorliegen- den Daten eignen sich daher nicht dazu, Formeln zur Beziehung zwischen Kriechgeschwindigkeit und Witterung abzuleiten. Vor allem sind die Abstände zwischen den Konvergenzmessungen zu groß, um z. B. Reaktionszeiten und -intensitäten mit einzelnen Wetterereignissen zu korrelieren.

Der Einfluss der unmittelbaren Geofaktoren auf das Bewegungsverhalten der Kriechströme kann anhand der sieben vorgestellten Kriechströme näher betrachtet werden. Dabei werden die Zusam- menhänge auf die Geschwindigkeitsklassen und nicht auf die einzelnen Kriechströme bezogen: Absolute Geschwindigkeit (2000-2004) < 1 cm/a Diese durchgehend geringen Geschwindigkeiten treten nur in Zone I von Kriechstrom 04 und in Zo- ne II von Kriechstrom 06 auf. Wären nicht im Juni 2002 und z. T. 2004 kurzfristig Bewegungsraten über 10 cm aufgetreten, müssten diese Bereiche als ruhend gelten. Die Ursachen können aufgrund der Datengrundlage weder in der Hangneigung, noch in der Mächtigkeit oder der Position innerhalb des Kriechstroms gefunden werden. Nur das Auftreten von Moräne ist als gemeinsamer Faktor zu nennen. Eine Erklärung für diesen Zusammenhang ist, dass sich diese Hangbereiche in einem (vorü- bergehend) stabilen Gleichgewicht befinden, der sich nach der letzten instabilen Phase Mitte des letzten Jahrhunderts einstellte (siehe Kap. 4.1.2.2). Absolute Geschwindigkeit (2000-2004) 1 - 10 cm/a 67% der Messpunkte liegen in dieser Geschwindigkeitsklasse. Betroffen sind fast die kompletten Kriechströme 12 und 14, sowie die Zonen 04-II, 06-II, und 13-III. Gemeinsam ist allen die Verbreitung im Verwitterungsschutt der Kössener Schichten. Zum Herbst und Winter sinken die Werte in die Ein- zentimeter-Klasse ab und beschleunigen im Frühling und Sommer öfters in den Bereich bis 100 cm/a. Dabei sind Beginn, Ende und Dauer der Phasen sehr unterschiedlich. Der saisonale Einfluss scheint hier am beständigsten zu sein.

92 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Absolute Geschwindigkeit (2000-2004) 10 - 100 cm/a Konstante höhere Geschwindigkeiten treten in Kriechstromzonen mit Bewegungsbahnen tiefer als 2 m auf. Dies sind die Uferbereiche der Kriechströme 06 und 13 sowie die Zone I im Schuttstrom am Brünstgraben (KVM 07 bis 08). Bewegungsänderungen sind hier nicht nur an saisonale Niederschläge gebunden, hier müssen bereits merkliche Regenmengen den Porenwasserdruck verändern. Dies wird durch ein gelegentliches Absinken einzelner Messpunkte auf 1 cm/a und noch deutlicher durch die Ausreißer in den Meterbereich 2001 und 2002 (Zone 06-I und Zone I im Schuttstrom Brünstgraben) belegt. Ebenfalls finden 2003 absolut keine Beschleunigungen statt. Eine Sonderstellung nimmt Kriechstrom 13-I ein, der mit Ausnahme der Wintermessung erhöhte Geschwindigkeiten zeigt. Dies deutet auf eine hohe Wasserverfügbarkeit hin, die noch vom Vorjahr her rührt.

Zusammenfassend bestätigen die Zahlen die Aussagen zu Schuttströmen (z. B. ROHN 1991; ANGELI et al. 1996), nach der der saisonale Rhythmus durch die Intensität und Art des Wassereintrags über- lagert werden kann, der diesen verstärkt oder sogar auslöscht. Sicher gilt für die sehr flachgründigen Kriechströme im Lahnenwiesgraben eine beschleunigende Wirkung durch die Sommerniederschläge, während der Einfluss der Schneeschmelze aufgrund der Messtermine nicht befriedigend aufgelöst werden kann. Ein wichtiges Vorhaben, die gemessenen jährlichen Geschwindigkeiten auf andere Kriechströme zu übertragen, wird aufgrund der Erkenntnisse dieser Arbeit nicht angeraten. Da selbst Bewegungen im 10er-cm-Bereich nach vier Jahren nicht mit dem Auge nachvollziehbar sind, können letztendlich nur Geschwindigkeitsklassen zugewiesen werden. Diese entsprechen einem langjährigen Mittel das für jedes Jahr gleich angewendet wird. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit an die Polygone der einzelnen Kriechströme in GIS die Attribute „aktiv“ und „ruhend“ sowie ergänzend die entsprechenden Bewegungsraten nach CRUDEN & VARNES (1996) „extremely slow“ (kleiner 16 mm/a), „very slow“ (kleiner 1,6 m/a) und „nicht bewegt“ angefügt. Sollte der Bewegungstrend der Jahre sicher mit einzel- nen Faktoren verknüpft werden können, wird auch die Einführung von Beschleunigungsfaktoren ihre Berechtigung finden.

4.1.4 Massenbilanz der Kriechströme und ihre Bedeutung in der Sedi- mentkaskade

Die Massenbilanz der Kriechströme stützt sich auf die Kartierung sämtlicher Kriechkörper im Arbeits- gebiet, da die Aussagen der Modellierungen für diesen Zweck zu vage ausfallen (Kap. 4.1.5.3). Neben der Bestimmung der Größenordnung der geleisteten Transportarbeit zielt die Berechnung auf den Vergleich der Arbeitsleistung der Kriechkörper mit der der anderen aktiven Prozesse. Die Unsicherhei- ten liegen primär in der Angabe der Kriechstrommächtigkeiten und sekundär in der Bestimmung der Breite ruhender und extrem langsamer Körper. Die ermittelten durchschnittlichen Geschwindigkeiten aufgrund des vierjährigen Messzeitraums müssen bei weiterlaufenden Untersuchungen womöglich korrigiert werden. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass dabei die aktuelle Zuweisung der Geschwin- digkeitsklassen völlig umgestaltet werden muss. Die gewählte Schätzmethode geht vom Gesamtvolumen aller aktiven Kriechströme aus und weist diesen Volumina entsprechend den Kategorien „extremely slow“ und „very slow“ Bewegungsraten zu. Eine ähnliche Vorgehensweise verwendet GLADE (2005, S. 199ff), um die Auffüllung von Zwischen- speichern durch Solifluktion auf regionaler Ebene zu berechnen. 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 93

Abb. 54: Aktivitätsgrade „ruhend“, „extrem langsam“ und „sehr langsam“ der Kriechstromkörper nach CRUDEN & VARNES (1996).

Das Gesamtvolumen der kartierten Kriechströme wird aus den in GIS digitalisierten Polygonen und der geschätzten durchschnittlichen Tiefe berechnet. Die Abweichung zu den kalkulierten Volumen aus den Detailkartierungen der Kriechströme im Bereich KVM 12, 13 und 14 liegt zwischen 10% und 30% (Tab. 29). Die Summe des gesamten Kriechstromvolumens von 1.396.900 m3 wird daher als realis- tisch betrachtet.

Tab. 29: Schätzergebnisse an drei Kriechströmen auf der Grundlage der Detailkartierungen und der flächende- ckenden Gesamtkartierung.

Volumen Kriechstrom Vermessung 1:5000 GIS Daten 1:10000

KV 12 (Enningalm) 21.210 m³ 23.430 m³

KV 13 (Sulzgraben) 9.825 m³ 9.620 m³

KV 14 (Sulzgraben) 15.995 m³ 20.760 m³

Das Gesamtvolumen teilt sich entsprechend Tab. 30 auf ruhende, extrem langsame und sehr langsa- me Kriechströme auf. Zur besseren Darstellung und Vergleichbarkeit sind die Werte in Bezugsgrößen nach Vorschlägen verschiedener Autoren umgerechnet worden. Die Angabe des horizontalen Mas- sentransports wird nach dem Vorschlag von JÄCKLI (1957), als „Masse x Strecke pro Zeit“ angege- ben (Spalte 5, Tab. 30), die er als einheitliche Dimension zum Vergleich verschiedener Transportpro- zesse einführt. Einen ähnlichen Weg gehen CAINE & SWANSON (1989) indem sie die gesamte be- wegte Sedimentmenge pro Jahr mit der geleisteten vertikalen Arbeit vergleichen (Spalten 4 und 6, Tab. 30). Die Bedeutung des Prozesses innerhalb der Kaskade wird durch die Umrechnung nach RAPP (1960, S.184) in die spezifischen horizontalen und vertikalen Transferraten pro km2 verdeutlicht (Spalten 7 und 8, Tab. 30). Im Gegensatz zu RAPP werden die Werte auf die Fläche des gesamten Einzugsgebietes bezogen, obwohl in Teilen (z. B. Kramermassiv) keine Kriechbewegungen beobach- tet oder modelliert (s. u.) werden.

94 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Tab. 30: Massenbilanz der Kriechströme. c, d: Aktivitätsklassen und Geschwindigkeiten nach CRUDEN & VARNES (1996); *) gemessener Mittelwert im Lahnenwiesgraben, laut Definition CRUDEN & VARNES (1996) liegt die Obergrenze bei 1600 mm/a; f: Massenberechnung mit Feuchtwichte = 2,1 t/m3 für un- gleichförmige, mittelplastische Tone (VON SOOS 1990, S. 112f). g: Berechnung der horizontalen Mas- senverlagerung pro Jahr nach JÄCKLI (1957); h: Berechnung der geomorphologischen Arbeit nach CAINE & SWANSON (1989) als potentielle Energie (~ vertikale Massenverlagerung); i, j: Berechnung der spezifischen horizontalen bzw. vertikalen Transferraten im Untersuchungsgebiet (HECKMANN 2005). Angefügt sind die entsprechenden Werte (Min – Max) aus vier Jahren Lawinenbeobachtung im Lahnen- wiesgraben (HECKMANN 2005). c d e f g h i j

State/ Rate Geschwin- Volumen Bewegliche horizontale Geomorph. Arbeit Spezifische Spezifische digkeit Masse Massenverlage- (vertikale Mas- Transferrate Transferrate rung senverlagerung horizontal vertikal [m/a] [m³] [t] [t*m*a-1] [MJ/a]) [(t*m)/(km²*a)] [(t*m)/(km²*a)] dormant 0 81700 171570 0 0 0 0 (ruhend)/- active/ extremely 0,016 310000 651000 10415 26 610 160 slow active/ 0,16 *) 1005200 2110920 337745 858 19870 5140 very slow

Summe 1396900 2933490 348160 884 20480 5300

Lawinen 1 - 310 440 - 64030 30 - 3830 20 – 2700

Momentan liegen aus dem Lahnenwiesgraben nur die Lawinendaten von HECKMANN (mdl. Mitteilung 2005) vor. Da es sich um ereignisbezogene Prozesse handelt, ist in Tab. 30 das in vier Jahren ge- messene Minimum und Maximum zum Vergleich dargestellt. Die Massenbilanz der Kriechströme liegt deutlich über der der Lawinen. Die Differenz zwischen den bewegten Massen ist dabei um den Faktor 104 bis 106 größer. Unter Einbeziehung des Transportwegs zur Berechnung der geomorphologischen Arbeit nimmt der Abstand um ein bis zwei Zehnerpotenzen ab. Es ist zu erwarten, dass auch im Ver- gleich mit anderen untersuchten Prozessen (Gleitungen, Steinschlag, Muren, hangaquatische und fluviale Prozesse) Kriechströme (und auch Bodenkriechen) die größten Materialmengen im Lahnen- wiesgraben bewegen. Allerdings werden auch diese durch die größeren Reichweiten ähnliche oder sogar höhere geomorphologische Arbeit verrichten. Die Kopplung von Kriechströmen mit anderen Prozessen kann nur selten direkt beobachtet werden, wobei eine direkte Abhängigkeit der Prozesse voneinander noch weniger ersichtlich ist. Mit den Muren von 2000 und 2002 im Bereich der Enningalm, im Herrentischgraben und am Reschberg und einigen Gleitungen z. B. im Einzugsgebiet Brünstgraben liegen aktuelle Beweise für eine sekundäre Befüllung der Kriech- und Schuttströme vor. Eine auffällige Reaktion eines Kriechstroms auf solche Ereignisse war jedoch nicht nachweisbar. Sicher anzunehmen ist eine enge Verknüpfung der Kriechströme mit angrenzenden von Bodenkriechen betroffenen Zonen. In Fällen ohne Mur- oder Gleitkörper im Startbereich eines Kriechstroms stammt das Material direkt aus dem anstehenden Verwitterungs- und Hangschutt. Die Übergabe von Kriechstrommaterial an die Sedimentkaskade findet im Lahnenwiesgraben auf den Körpern durch flächenhafte und lineare Erosion von Niederschlägen und Kleinbächen statt. Auffälliger und effektiver gestaltet sich der Transfer an Kriechstromstirnen, die direkt in größere, perennierende Gerinne münden. Momentan sind davon Uferabschnitte von einer Gesamtlänge von über 1,2 km 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 95 betroffen, entlang derer pro Jahr ungefähr 1870 t Sediment in die Tiefenlinien gelangen. Für die Kopp- lung des Ergebnisses mit den übrigen Prozessen kann bei einer Gesamtlänge des Flusssystems 1. und 2. Ordnung von 17,5 km mit einem jährlichen Eintrag von ca. 0,107 t, bzw. 0.05 m3 pro laufen- den Meter gerechnet werden.

4.1.5 Dispositionsmodellierung

Die grundsätzliche Bereitschaft von Lockergestein, Fels, Eis etc. in eine Massenbewegung überzuge- hen wird als Disposition bezeichnet. Die aktuell vorliegende Bereitschaft setzt sich aus zwei Kompo- nenten zusammen. Die Grunddisposition eines Prozesses wird z. B. durch die Hangneigung, die Geologie und das aufliegende Lockergestein bestimmt. Dazu addiert sich die variable Disposition, wie z. B. die Wassersättigung, die Witterung oder der Vegetationszustand, die periodisch (saisonal, täg- lich) oder sporadisch (Niederschlag) schwanken kann (KIENHOLZ et al. 1993; KIENHOLZ 1999). Die Modellierung der Disposition ist durch deterministische Methoden möglich, die physikalische Grundgesetze zur Stabilitätsberechnung verwenden. Ihr Vorteil liegt in der Allgemeingültigkeit der Gesetze, die überall eingesetzt werden können. Fehlt jedoch das physikalische Verständnis oder ist die Datengrundlage physikalischer Parameter ungenügend, werden empirische Modelle bevorzugt (KIENHOLZ et al. 1993; LINEBACK GRITZNER et al. 2001). Dies ist häufig der Fall, wenn es sich um größere Untersuchungsgebiete handelt. Das Ersetzen der Physik durch indirekte Zusammenhänge zwischen Geofaktoren und Prozess (Black box) wird durch die Annahme begründet, dass die Anfällig- keit für Massenbewegungen durch die Geofaktorenkombination an bekannten Massenbewegungen festgemacht werden kann (KIENHOLZ et al. 1993; MONTGOMERY & DIETRICH 1994; VAN WESTEN 1994; MEIßL 1998; VAN WESTEN 2000). Die Anwendung einer Dispositionsmodellierung für Kriechströme ist eher untypisch, da in den meisten Fällen einzelne earth flows untersucht werden, die aufgrund ihrer Größe und Wirkung bereits bekannt sind (Falli Hölli/Schweiz, Handlova/Slowakei, Slumgullion/USA, etc.). Im Gegensatz dazu handelt es sich im Lahnenwiesgraben um sehr kleine und fast unscheinbare Kriechströme, die z. B. durch Fern- erkundung übersehen werden können. Eine Dispositionsmodellierung ist daher auch im Hinblick auf die Kopplung mit anderen Prozessen der Sedimentkaskade wichtig. Die Aussage des Modells ist an die Eigenschaften der Kriechströme gekoppelt, die als Vorgabe verwendet wurden. Da es sich um aktive, kontinuierliche Massenbewegungen handelt, gibt das Modell Flächen wieder, die für den Pro- zess geeignet sind und in diesem Fall ebenfalls als generell aktiv gelten müssen (MILLER & SIAS 2000). Eine Interpretation bezüglich einer Frequenz des Prozesses ist daher nicht möglich. Die hier verwendeten empirischen Modelle berechnen statistisch den Bezug einzelner Faktoren oder Faktorenkombinationen mit dem Prozess. Auf diese Weise wird ein direkter Vergleich der statistischen Ergebnisse mit den Geländeerkenntnissen möglich. Die Modellierung der variablen Disposition und des auslösenden Ereignisses soll auf der Basis einer Finiten-Element-Modellierung (W. Schädler, SEDAG Erlangen, in Arbeit) stattfinden, die anhand meh- rerer Beispiele den Bewegungsmechanismus und seine Abhängigkeit von Porenwasserdrücken be- rechnen soll. Über die Rückrechnung der Schwellenwerte auf Niederschlagsgrößen wird damit ver- sucht, für verschiedene Lockergesteine im Einzugsgebiet Größenordnungen für die variable Dispositi- on bezüglich der Witterung zu finden.

96 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

4.1.5.1 Methodik und Berechnung

Die certainty factor (CF) Methode von CHEN (2003) gehört zur Gruppe der statistischen Modelle, die über die Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten potentielle Dispositionen berechnet. Die CF- Methode geht dabei einen Schritt weiter und gewinnt aus dem Vergleich der generellen und der be- dingten Wahrscheinlichkeit eine Aussage über die Glaubwürdigkeit der Wahrscheinlichkeitsaussagen. Ein wichtiger Aspekt dieser Vorgehensweise ist die Verwendbarkeit heterogener Eingangsdatensätze und die Abschätzung der damit verbundenen Unsicherheiten (BINAGHI et al. 1998). Unter heteroge- nen Datensätzen ist die Verwendung nominaler und kategorialer Daten gemeint. Kontinuierliche Werte wie z. B. bei der Hangneigung müssen vor der Verwendung klassifiziert werden. Die zur Verfügung stehenden Eingangskarten sind in Tab. 31 aufgelistet. Das Modell ist von Tobias Heckmann in SAGA umgesetzt worden (HECKMANN 2005; HECKMANN et al. 2005) (SAGA - System für Automatisierte Geowissenschaftliche Analysen; http://www.saga-gis.uni- i i goettingen.de). Anhand von n Eingangsdatensätzen (Grids) g (i = 1...n) mit m Klassen c k (k = 1...m) und einer binären Karte mit der Verbreitung der earth flows E wird in vier Schritten der certainty factor berechnet.

Berechnung der a-priori-Wahrscheinlichkeit p(E), mit der das gesuchte Element (Fläche FE mit earth flow E) im Einzugsgebiet (Fläche F des Eingangsgrids g) auftritt (Notation der Formeln nach HECKMANN (2005), verändert nach BINAGHI (1998) und CHEN (2003)). F ∈ g p(E) = E (1) Fg

i Berechnung der bedingten Wahrscheinlichkeit p(E|c k) (CLERICI et al. 2002), mit der das gesuchte k Element E unter einer bestimmten Bedingung ci auftritt. Dieser Wert wird für jede Klasse jedes Ein- gangsdatensatzes erstellt.

F ∈ F i i E c k p(E | ck ) = (2) F k ci

Berechnung des certainty factor CF+ und CF- für jede Klasse jedes Eingangsdatensatzes. Hier erfolgt die Prüfung, ob die Annahme, dass die gerade betrachtete Bedingung (Klasse) einen Zusammenhang mit dem gesuchten Prozess zeigt, wahr ist oder nicht. Ist die bedingte Wahrscheinlichkeit größer, als die a-priori-Wahrscheinlichkeit, ergibt sich ein positiver CF-Wert, der eine hohe Sicherheit der Annah- me wiedergibt. Im umgekehrten Fall ergeben sich negative Werte, die eine hohe Sicherheit gegen die Annahme bedeuten. Die Werte liegen zwischen [-1; 1], wobei CF um 0 keinen Zusammenhang zwi- schen Annahme und Prozess bedeuten. CF+ bezieht sich auf den Zusammenhang einer Klasse mit dem gesuchten Prozess, CF- auf den Zusammenhang des nicht-Auftretens der Annahme mit dem Prozess (BINAGHI et al. 1998). p(E | c i ) − p(E) k i i wenn p(E | ck ) ≥ p(E) p(E | ck ) ⋅ (1− p(E)) CF+ = (3) p(E | ci ) − p(E) k i i wenn p(E | ck ) < p(E) p(E) ⋅ (1− p(E | ck )) 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 97

Berechnung des Kontrasts, d. h. der Differenz von CF+ und CF-. Dieser Wert gilt als Maß für die Ge- wichtung, mit der die Annahme positiv bzw. negativ mit dem gesuchten Element korreliert (CHEN 2003). Die Ergebnisse bis zu diesem Punkt werden in dem SAGA-Modul als Zwischenergebnis ausgegeben, dass zur Interpretation der einzelnen Klassen und der CF-Werte herangezogen werden kann (vgl. Tab. 32). Im letzten Schritt werden sämtliche CF-Werte jeder Rasterzelle kombiniert, um daraus die endgültige CF-Karte (vgl. Abb. 56) zu erstellen CHEN (2003).

+ + + + + + CF1 + CF2 − CF1 ⋅CF2 wenn CF1 ≥ 0 und CF2 ≥ 0

+ + + CF + CF CF = 1 2 + + (4) 1,2 + + wenn CF1 ⋅ CF2 < 0 1 −min(| CF1 |,| CF2 |)

+ + + + + + CF1 + CF2 + CF1 ⋅CF2 wenn CF1 < 0 und CF2 < 0

4.1.5.2 Eingangsdaten

Für die Modellierung stehen Karten zu Geofaktoren zur Verfügung, die in Tab. 31 aufgelistet sind. Inhalt, Erstellung bzw. Herkunft der Datensätze oder Karten sind in Kap. 2 und 3 erläutert worden. Zur Verwendung im Modell sind die als Polygon-Shapes gespeicherten Karten in Grids konvertiert wor- den. Verschiedene Geofaktorkombinationen sind in verschiedenen Modellläufen verwendet worden. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich im nachfolgenden Kapitel. Um eine Validierung des Modells zu ermöglichen, dürfen keine Rasterzellen, die zur Kalibrierung des Modells dienten, für die Validierung herangezogen werden. Zu diesem Zweck sind drei verschiedene Trainings- und Testgridkombinationen erstellt worden (Abb. 55). Dabei ist das Kramermassiv ausge- schlossen worden, da hier die Datendichte der Eingangskarten nicht der Güte des übrigen Gebietes entspricht. Die weitere Trennung in Trainings- und Testgebiet, bzw. Trainings- und Testzellen erfolgt durch ein random partition und ein space partition (CHUNG & FABBRI 2003). Bei der random partition werden aus dem zu modellierenden Gebiet eine zufällige Anzahl von Raster- zellen (hier 20%) als Trainingsgebiet ausgewählt, um auf den restlichen Rasterzellen (hier 80%) das Modell zu testen. Dieser Vorgang ist auf die Flächen (NE+NW), NE und NW angewendet worden (vgl. Abb. 55). Unter Nutzung des nordwestlichen bzw. nordöstlichen Trainingsgebiets besteht jetzt noch die Mög- lichkeit, das Ergebnis in den davon räumlich getrennten (space partition) Nachbargebieten Nordost respektive Nordwest zu überprüfen. Diese Anwendung im Lahnenwiesgraben ist insoweit gerechtfer- tigt, da sich der westliche und östliche Talabschnitt in einigen Punkten leicht, in anderen dagegen stark unterscheidet (z. B. das Fehlen der Allgäuschichten im Osten). Um einen möglichst großen Kontrast zwischen den Gebieten zu erreichen, wird aufgrund der Kartierergebnisse die westliche Wasserscheide des Brünstgrabens als Trennlinie verwendet. In den Grids, die die Lage der Zellen des Trainings- und des Zielgebiets enthalten, ist auch die Infor- mation „Kriechstrom vorhanden“, „kein Kriechstrom“ eingebettet.

98 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Tab. 31: Auflistung der zur Verfügung stehenden Eingangsdatensätze. Die Daten liegen in Grids (Rasterkarten) vor. Die Inhalte sind nominale und kategoriale Werte. Die kontinuierlich berechnete Hangneigungskarte wurde nachträglich klassifiziert.

Karte, Geofaktor Datentyp / Herkunft / Maßstab Anzahl Klassen Lithologie (FG) Nominal / 9 Kartierung / 1:10000 Lockergesteinsfazies (LG Faz) Nominal / 5 Kartierung / 1:10000 Lockergesteinstypen (LG geot.) Nominal / 6 Kartierung / 1:10000 Lockergesteinsmächtigkeit (LG Mä) Kategorial / 5 Kartierung / 1:10000 Böden (B) Nominal / 12 Kartierung KOCH (2005) / 1:10000 Regionalisierung von Punktproben HENSOLD (2002) / Durchlässigkeitsbeiwerte (kf) Kategorial / 8 1:10000 Kategorisiert (konti- Hangneigung (SLP) Ableitung aus DGM / 1:10000 nuierlich) / 9 Vegetation (VEG) Nominal / 7 Luftbildkartierung, WICHMANN (2005) / 1:10000 Vernässungszonen (HYD) Nominal / 4 Kartierung / 1:10000

Abb. 55: Aufteilung des Lahnenwiesgrabens in drei Einheiten: NW+NE kombiniert, NW und NE. Aus jedem der drei Gebiete werden 20% zufällig gewählte Rasterzellen als Trainingsgebiet verwendet (farbige Flächen). Die Validierung bzw. der Testlauf erfolgt in den übrigen 80% der Rasterzellen (weiße Flächen), bzw. in den jeweils benachbarten Gebieten NE und NW.

4.1.5.3 Ergebnis

Da das CF-Modell als Zwischenergebnis eine komplette CF-Wertetabelle jeder Klasse jeden Daten- satzes liefert, kann daraus der Zusammenhang jeder Klasse mit Kriechströmen abgelesen werden. 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 99

Der dazu angesetzte Modelllauf beruht auf 20% aller Zellen des N-Gebiets unter Verwendung aller 9 Eingangsdatensätze (insgesamt 65 Klassen). Zur Interpretation werden die CF+ und die Kontrastwerte CC herangezogen.

Tab. 32: Teil der Ergebnistabelle für das CF-Modell im Trainingsgebiet 20% Nord mit allen zur Verfügung ste- henden Geofaktoren. Gelistet sind einige der 65 Klassen, sortiert nach absteigendem CF+-Wert.

Geofaktor Kürzel Wertebereich CF+ CF- CC 1 Durchlässigkeit 0 - 5,5 * 10-8 [m/s] 0.92 0.16 1.08 2 Boden B Gley-Kolluvium 0.91 0.30 1.20 3 Durchlässigkeit 2,7 * 10-7 - 5,5 * 10-6 [m/s] 0.90 0.06 0.96 4 Lithologie FG Festgest., veränderlich fest 0.89 0.10 0.99 5 Vernässungszonen HYD vernässt 0.87 0.65 1.52 6 Boden B Rendzina-Gley 0.77 0.02 0.79 7 Boden B Gley 0.75 0.10 0.86 8 LG Mächtigkeit LG Mä 2.1 - 5.0 [m] 0.74 0.45 1.19 9 Lithologie FG Kössener Schichten 0.66 0.35 1.01 10 Hangneigung SLP 15° - 20° 0.59 0.20 0.79 11 Hangneigung SLP 10° - 15° 0.58 0.14 0.72 12 LG Fazies LG Faz Moräne 0.57 0.14 0.71 13 Durchlässigkeit 5,5 * 10-6 - 2,5 * 10-5 [m/s] 0.56 0.16 0.72 14 Vegetation VEG Sträucher, Büsche 0.50 0.06 0.57 ...... 57 Hangneigung SLP 0° - 5° -0.98 0.02 -1.00 58 Lithologie FG Hauptdolomit -0.98 0.21 -1.19 nicht bindig; sandig-kiesig; 59 LG geotechnisch LG geot -0.99 0.04 -1.03 steinig-blockig 60 Vernässungszonen HYD Karst -0.99 0.21 -1.20 ......

26 Klassen erhalten positive CF+-Werte, wobei nur 14 davon Werte > 0,5 anzeigen (Auszüge in Tab. 32, vollständig in Anhang 6.5-1), die zudem mit hohen Kontrastwerten von > 0,7 zu CF- eine große Zuverlässigkeit aussagen. Die höchsten Werte erhalten dabei Lockergesteine mit den gerings- ten kf-Werten m/s, was mit den gleichfalls hoch bewerteten, stauwasserbeeinflussten Gleyböden und den stark vernässten Zonen parallelisiert werden kann. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Kombination von Kriechströmen mit Kössener Schichten, bzw. veränderlich festen Gesteinen (CF+ von 0,66 bzw. 0,89) bei gleichfalls hohen CC. Hangneigungen zwischen 10° und 20° und Lockergesteinsmächtigkeiten zwischen 2 und 5 m fallen ebenfalls stark ins Gewicht. Dagegen erhält die Fazies der Lockergesteine (nur Moräne wird positiv erfasst) und deren geotechni- sche Ausprägung (bindig mit geringem Grobkornanteil) einen unerwartet kleinen CF+-Wert (0,56 und 0,32), der aber durch eine erhöhten Kontrast von 0,72 aufgewertet wird. Da die Berechnung des CF-Werts von der a-priori und der bedingten Wahrscheinlichkeit abhängt, kommt es bei der Verwendung der NW- bzw. NE-Trainingszone zu Verschiebungen der wichtigsten Faktoren, da das Flächenverhältnis der Klassen und der darauf liegenden Kriechströme anders ist, als in der gesamten N-Zone. Trotzdem sind es die gleichen Klassen aus den gleichen Karten, die beson- ders deutlich mit Kriechströmen zusammenhängen. Beispiele hierfür sind die Klassen „Braunerde“,

100 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

„Hangneigung 5-10°“ und „feuchte Zonen“, die noch signifikant im NW auftreten, jedoch nicht im NE. Dort tritt dagegen die Hangneigungsklasse 20-35° hinzu. Die Bedeutung dieses Zusammenhangs wird bei der Validierung deutlicher (Abb. 58). Die Kombination aller CF+-Werte wird als Karte ausgegeben. Abb. 56 zeigt die zugehörige Karte zu den einzeln aufgelisteten Klassen in Tab. 32. Die Lage der kartierten Kriechströme ist darüber gelegt.

Abb. 56: Karte der kombinierten CF+-Werte (vgl. Zwischenergebnisse in Tab. 32 und Validierung in Abb. 57).

Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass die Lage der meisten Kriechströme direkt mit modellierten Zellen zusammenfällt, vorzugsweise sogar mit hohen CF+-Werten. Allerdings ist zu bemerken, dass die Trefferquote im Westen besser ausfällt als im Osten, wo einzelne Kriechströme sogar im nicht modellierten Bereich liegen und vor allem die Anrisszonen schlecht wiedergegeben werden. Unab- hängig von der Auswertung von Tab. 32 ergibt sich der Eindruck, dass die modellierten Zonen die flachen Hangbereiche und die Verbreitung der veränderlich festen Gesteine nachzeichnen. Obwohl die Modellkarte ein differenziertes und gegliedertes Bild ergibt, ist die modellierte Fläche deutlich größer, als die kartierte Verbreitung der Kriechströme. Sicher stammen einige Defizite aus den vorliegenden Karten der Geofaktoren, die vor allem aus dem kleinen Maßstab von 1:10000 resul- tieren (KELLER et al. 2005). Ein verbessertes Ergebnis ist zu erwarten, wenn Informationen zum Kleinrelief, wie Rippen im Hangfallen und Hangkanten in Form einer entsprechenden Karte oder ei- nem höher auflösenden DHM zur Verfügung gestellt werden könnten. Diese Erhebung wäre jedoch mit einem deutlichen Mehraufwand an Arbeitszeit bzw. Kosten verbunden. Ein Prozess immanenter Einfluss liegt in der Verbreitung der Kriechströme, die sich aufgrund ihrer Masse und kontinuierlichen Bewegung auch über Bereiche hinwegsetzen können, die den Prozess selber nicht begünstigen. Im Modell werden diese Faktoren daher zu stark berücksichtigt. Das Modellergebnis ist jedoch völlig neu zu interpretieren, wenn man sich über den Inhalt der Kriech- stromkarte Gedanken macht. Wie mehrfach bei der Beschreibung der einzelnen Kriechströme ange- sprochen wurde, stellen sie häufig kleine, flachgründige earth flow-Typen dar, die in ihrer Entstehung, 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 101

Erscheinung und Geschwindigkeit in die Nähe des Bodenkriechens (soil creep) gestellt werden kön- nen. Somit kann die Karte als potentielles Verbreitungsgebiet des Bodenkriechens verstanden wer- den, in dem es unter bestimmten Voraussetzungen zur Bildung von Kriechströmen kommt.

4.1.5.4 Validierung

Die Validierung soll beweisen, dass das Modell auch auf Zellen Kriechströme findet, die nicht für die Kalibrierung verwendet wurden. Bei der Auswertung werden die modellierten Rasterzellen absteigend nach ihrem CF+ Wert sortiert und gezählt. Parallel dazu wird jede modellierte Zelle mit der Kriechstromkarte verglichen und alle angetroffenen Kriechstromzellen aufaddiert. Das Ergebnis zeigt, mit welchem Prozentanteil der mo- dellierten Zellen welcher Prozentanteil der kartierten Kriechströme getroffen wird. Ein Modell gilt als validiert, wenn ein Großteil der kartierten Kriechströme bereits durch die Zellen mit sehr hohen CF+- Werten erfasst wurde (CHUNG & FABBRI 2003; HECKMANN 2005). Aufgetragen in einem Dia- gramm, in dem die abwärts sortierten Zellen des Modells auf der x-Achse und die Zellen mit kartierten Kriechströmen auf der y-Achse aufgetragen werden, stellt ein steiler Beginn der Kurve eine gute Per- formance des Modells dar, wohingegen ein Verlauf entlang der Hauptdiagonalen eine völlig zufällige Trefferquote und damit kein Vorhersagepotential angibt.

100 A Benennung der Modellläufe N, NW, NE: Teilgebiete Nordzone, Nordwest und Nordost 80 20, 80: Prozentanteil Rasterzellen für Training und Test all: alle Geofaktoren: FG, SLP, LG Mä, LG Faz, LG geot, 60 teil: Auswahl Geofaktoren: FG, LG Mä, B, HYD

40 train N 20 all test N 80 all train N 20 teil 20 Anteil kartierte Schuttstromzellen Test N 80 teil Hauptdiagonale 0 0 20 40 60 Anteil modellierte Zellen

Abb. 57: Validierungsdiagramm nach CHUNG & FABBRI (2003): A) random partition. Sowohl die Trefferquote als auch die Vorhersagequote im Trainings- und Testgebiet liegen bei knapp 90%. Die Verwendung von weniger Geofaktoren verändert die Quote nur um wenige Prozentpunkte. Kürzel Geofaktoren siehe Tab. 32.

Die Validierung des bisher vorgestellten Modelllaufs geschieht durch eine Trennung mittels random partition. Da durch diese Methode die Rasterzellen im Trainings- und Testgebiet relativ gleich verteilt sind, erhält man in beiden Zonen etwa gleiche a priori und bedingte Wahrscheinlichkeiten. Entspre- chend gut decken sich im Diagramm die Kurve der Trefferquote im Trainingsgebiet und die Kurve der Vorhersagequote im Testgebiet. Die Quoten beider Kurven liegen nach 20% der modellierten Zellen (noch positiver CF+-Bereich) bei 89% bzw. 88%. Im Rückschluss eignet sich diese Validierungs- methode, um die Kalibrierung des Modells (in diesem Fall durch die Auswahl der Geofaktoren) zu optimieren. Abb. 58 zeigt die Kurven des random partition im NW- und NE-Gebiet, ebenfalls mit allen Geofaktoren (B und C) und mit einer kleineren Auswahl (D und E). Bis auf den Modelllauf E (NE 20) mit einer Quote von 78% erreichen die Modelle eine Genauigkeit zwischen 85% und 92%. Deutliche

102 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Unterschiede ergeben sich, bei der Anwendung des Modellergebnisses auf das jeweils benachbarte Gebiet. Hier sinken die Quoten auf 20% bis 44%. Die Ausnahme bildet wieder Modelllauf E, der im Testgebiet sogar eine bessere Quote erreicht als im Trainingsgebiet.

100 100 BC

80 80

60 60

40 40 train NW 20 all train NE 20 all test NW 80 all test NE 80 all 20 test NE 100 all 20 test NW 100 all Hauptdiagonale Hauptdiagonale 0 0 0 20 40 60 80 100 0 20 40 60 80 100

100 100 DE

80 80

60 60

40 40 train NW 20 teil train NE 20 teil test NW 80 teil test NE 80 teil 20 test NE 100 teil 20 test NW 100 teil Hauptdiagonale Hauptdiagonale 0 0 0 20 40 60 80 100 0 20 40 60 80 100

Abb. 58: B-E) Modellläufe mit random und space partition. Die komplementären Trainings- und Testgebiete, die durch random partition getrennt sind, sind mit der Kennung 20 (=20% Training) und 80 (=80% Test) ver- sehen. Das durch space partition getrennte Testgebiet ist mit 100 (100% Test) markiert. Auffällig ist die bessere Performance des östlich trainierten Modells im Nordwestgebiet (C und E), vor allem bei der Ver- wendung weniger Geofaktoren (Definition der verwendeten Abkürzungen in Tab. 31 und Abb. 57).

An dieser Stelle machen sich die Unterschiede in den beiden Talabschnitten bemerkbar, die von allen Geofaktorenkarten mehr oder weniger stark wiedergegeben werden. D. h. die im Trainingsgebiet gefundenen Zusammenhänge sind im Nachbargebiet weniger deutlich ausgeprägt. Dabei zeigt der Übertrag der im Westen entwickelten Gebiete (Abb. 58 B und D) stets eine schlechtere Quote im Nachbargebiet, als die im Osten entwickelten. Bildliche gesprochen besitzt das Westgebiet also ein weniger breit gefächertes Inventar an Geofaktoren als sein Pendant oder aber es existieren im Ostteil zwei Kriechstromarten, die an unterschiedliche Faktorenkombinationen gebunden sind. Ein Typ davon ähnelt dabei den Kriechströmen im Westen, weshalb das osttrainierte Gebiet eine bessere Trefferquo- te erreicht als das westtrainierte. Dieses findet den zweiten Kriechstromtyp so gut wie gar nicht. Inte- ressant ist, dass Modelllauf E (Abb. 58) keinen ausgeprägt stufigen Kurvenverlauf zeigt, wie alle ande- 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 103 ren Diagramme. Durch die Verwendung weniger Geofaktoren ist das Modell weniger genau an das Gebiet angepasst worden. So ergibt sich zwar eine vergleichsweise schlechtere Trefferquote im NE, dafür aber ein deutlich besseres Ergebnis im Nachbargebiet. Daraus ist zu folgern, dass eine zu gute Anpassung eines statistischen Modells an sein Trainingsge- biet einen erfolgreichen Transfer des Modellergebnisses auf benachbarte bzw. gleichartige Untersu- chungsgebiete mindert. Die Aussage des Modells ist wie folgt zu bewerten. Bei Verwendung allein der random partition ergibt sich eine hervorragende Treffer- und Vorhersagequote, die anzeigt, dass außerhalb der Zellen mit hohen CF+-Werten mit hoher Sicherheit keine weiteren Kriechströme anzutreffen sind. Im Gegensatz dazu umfasst das modellierte Prozessgebiet eine 8-fach größere Fläche, als der kartierte Prozessbe- reich. Aufgrund des mehrfach beschriebenen Übergangs der kartierten Schuttströme zu Kriechhängen sollte daher das modellierte Prozessgebiet auch auf Kriechvorgänge ausgeweitet werden. Das Ergebnis des Modells auf ein unbekanntes, wenn auch ähnliches Gebiet ist aufgrund der Erfah- rung mit dem space partition schwieriger zu interpretieren. Auch hier gibt es keine Widersprüche zur Verbreitung potentieller Kriechgebiete auf positiven CF+-Zellen. Allerdings zeigt die vergleichsweise schlechte Trefferquote, dass der Ausschlussbereich zu groß ist. Die Überprüfung dieser Fläche ist im Gelände aufwändiger, als die Kontrolle der Verdachtsflächen im obigen Fall.

4.1.6 Ergebnisse und Diskussion

Folgende Aussagen können für den untersuchten Prozess des Lockergesteinsfließens und –kriechens in Form von Schutt- und Kriechströmen zusammengefasst werden: Die vorgefundenen Kriech- und Schuttströme in dieser Arbeit stellen die Kleinformen dieses Prozes- ses dar. Die Erstreckung bewegt sich zwischen wenigen 10er Metern bis zu über 300 m und erreicht selten Breiten bis 40 m. Die Tiefe der Bewegungsbahnen ist zwischen 2 und 5 m, vereinzelt bis 10 m anzusetzen. In der Folge ist das Ausmaß ihrer geomorphologischen Arbeit weniger ausgeprägt und intensiv, wie in der Literatur für Schuttströme beschrieben wird. Ihre Verbreitung konzentriert sich vorwiegend auf flache Hänge zwischen 10° und 20°, die unterlagert von feinkörnigem Verwitterungs- schutt der Kössener Schichten oder Moränen häufig mit Vernässungszonen einhergehen. Wichtige erkennbare Kriterien sind Anrisssenken, Akkumulationsloben und Stauchungsfronten. Auch der Nach- weis einer einzelnen Bewegungsbahn zählt dazu. Das Fehlen der seitlichen Randstrukturen zeigt dagegen die nahe Verwandtschaft zum Bodenkriechen (soil creep), der häufig in der Umgebung der Kriechströme zu finden ist. Die Eigenschaften dieses Prozesses - geringe Tiefe, Geschwindigkeiten bis zu 10er Zentimeter pro Jahr und ein kontinuierliches Kriechprofil (KIRKBY 1967), Bewegungen auch parallel und entgegen der Hangneigung (FINLAYSON 1981) – führen zu vergleichbaren Gelän- deformen. Das Ergebnis der Kartierung hängt daher sehr stark vom Prozessverständnis und der Ge- ländekenntnis des Bearbeiters ab (VAN WESTEN et al. 1999). Im vorliegenden Fall ist daher das Auftreten von Kriechströmen als Extrementwicklung des Bodenkriechens zu interpretieren. Alle erkannten Kriechströme sind als aktiv eingestuft worden, da kein Kriechstrom als dauerhaft stabi- lisiert und damit als inaktiv bezeichnet werden kann (CRUDEN & VARNES 1996; FLAGEOLLET 1996). Diese Aussage gilt für den rezenten und den junghistorischen Zeitraum, der durch die dend- rochronologischen Aufnahmen erfasst wurde (KOCH 2006). Nach einer Klassifizierung der Entwick- lungsstadien von Schuttströmen von GUIDA & IACCARINO (1991) (z. B. zitiert in IACCARINO et al. 1995; GIUSTI et al. 1996) entsprechen Morphologie, Bewegungsmechanik und Bewegungsraten der hier untersuchten Kriechströme einer Beruhigungsphase (Stufe C, bzw. D). Aufgrund der geringen

104 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Größe und der schwachen morphologischen Formgebung ist auch bei Reaktivierung der Kriechströme nicht mit Bewegungsraten von mehreren Metern pro Tag zu rechnen. Die schnellsten Bewegungen finden zumeist im unteren Drittel oder in der Mitte einer Schuttstromzone statt (vgl. COE et al. 2003). Die gemessenen Bewegungsraten erreichen maximal 8 m/a, rangieren aber meist zwischen 16 mm/a (extremely slow) und 160 mm/a (very slow). Die schnelle Reaktion auf Niederschlags- und Schmelzperioden ist auf die geringe Tiefe der Bewegungsbahnen zurückzuführen. Entsprechend der jährlichen Wasserverfügbarkeit folgen die Beschleunigungen (Frühsommer, Som- mer) und Beruhigungen (Herbst, Winter) einem deutlichen Rhythmus, der abhängig von der Gesamt- regenmenge und der Dauer und Intensität der Niederschlagsfolgen stark (im Jahr 2002) oder sehr schwach (im Jahr 2003) ausgeprägt ist (KELLER et al. 2005). Aufgrund der geschätzten Kriechstrommasse von fast 3*106 t stellt das kontinuierliche Lockerge- steinskriechen in Form von Kriechströme den dominanten Prozess im Lahnenwiesgraben dar. Jedoch zeigt bereits der Vergleich mit den Lawinendaten (HECKMANN 2005), dass die geringe Transferrate die geomorphologische Effektivität stark relativiert. Der größte Materialinput durch Kriech- und Schuttströme in die Kaskade findet an den Ufern des Fleck- und Brünstgraben statt, die aktiv in die Bachläufe vorgeschoben werden (aktuell ca. 1900 t/a). Die nächst kleinere Kopplung mit der Kaskade ist die flächenhafte und lineare Abspülung auf stark vernässten und flachen Abschnitten (besonders Enningalm, Sulzgraben, Reschberg). Das Gros des involvierten Materials ist allerdings an den internen Materialtransfer und die Auffüllung von Zwischen- speichern (Hangstufen, Mulden) innerhalb und am Ende der Kriechströme gebunden.

Zur Modellierung der Grunddisposition (prinzipiell invariable räumliche und zeitliche Voraussetzung für potentielle Kriechstromgebiete, KIENHOLZ 1999) wird das statistische Modell zur Berechnung des certainty factor (Angabe der Zuverlässigkeit, mit der ein Wertebereich eines Geofaktors, bzw. die Kombination mehrerer Geofaktoren auf einer Rasterzelle, mit dem gesuchten Prozess zusammen- hängt) nach CHEN (2003) verwendet. Im SEDAG Projekt ist es zuerst zur Modellierung von Lawinen- anrissen umgesetzt worden (HECKMANN et al. 2005) und wird außer für Kriechströme noch für Lo- ckergesteinsgleitungen getestet. Das Modell besticht durch seine leichte Handhabung (Eingabe sämtlicher Datentypen ohne aufwändi- ges Preprocessing, kurze Rechenzeit) und die Interpretationsmöglichkeit des Ergebnisses durch einen Experten, indem der Rechenweg und der CF-Wert für jede Geofaktorklasse in einer Tabelle verfügbar ist. Zudem zeigt die Validierung eine hervorragende Vorhersagequote, sofern das Modell mit Stich- proben „Kriechstrom/Nicht-Kriechstrom“ aus dem gesamten Zielgebiet trainieren kann. Allerdings ist der Übertrag auf ein vom Trainingsraum unabhängiges Gebiet nur anzuraten, wenn das Ergebnis durch dort bekannte Kriechströme kontrolliert werden kann. Die Zuverlässigkeit des Modells kann durch ein höher auflösendes Geländemodell bzw. eine Karte linearer, geomorphologischer Elemente (Hangrippen, Hangkanten, Hangmulden) erhöht werden. Dabei ist jedoch der finanzielle bzw. zeitliche Aufwand bei der Beschaffung einer solchen Datengrund- lage zu berücksichtigen. Das in der Folge sehr großflächige und z. T. morphologisch undifferenziert modellierte Prozessgebiet beinhaltet daher zwar die meisten kartierten Kriechströme, aber zu unguns- ten der Aussage „kein Kriechstromgebiet“. Aufgrund der Nähe des Prozesses zum Bodenkriechen (Größenordnung, Intensität, Abhängigkeit von Geofaktoren) sollte bei der Interpretation des Modeller- gebnisses dieser Prozess eingeschlossen werden. 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 105

4.2 Flachgründige Lockergesteinsgleitungen (soil slips) - Gleiten

Eine Lockergesteinsgleitung wird als spontan auftretender Scherbruch im Lockergestein definiert, der entlang einer oder mehrerer Gleitbahnen stattfindet (VARNES 1978; HUTCHINSON 1988). Der An- bruch ist dabei durch scharfe Anbruchsnarben sowohl im Anriss als auch an den Seiten abgegrenzt (z. B. Abb. 59 und Abb. 60). Die dadurch entstandene Gleitscholle kann in einem Zug oder sukzessive aus der Anbruchshohlform gleiten und dabei gänzlich erhalten bleiben oder sich gänzlich in Teilschol- len oder Lockerschutt auflösen. Die Reichweite beträgt wenige cm (Gleitscholle verbleibt im Anbruch, vgl. Abb. 60) oder das Mehrfache der eigenen Länge. Im letzteren Fall ist häufig ein Übergang des reinen Gleitvorgangs zu mur- oder schlammstromartigen Fließen zu beobachten, der in dieser Kombi- nation als Hangmure oder soil slip bezeichnet wird (HAMBERGER 2007). Weitere Unterscheidungen betreffen die Form der Gleitbahn, die entweder auf präformierten Flächen entlang von Diskontinuitäten (Schichtgrenzen, anstehender Fels, Wurzelgrenze etc.) angelegt ist oder erst beim Scherbruch spontan in homogenen Lockergesteinspaketen entsteht. Im ersten Fall entsteht

A B

Abb. 59: (A) translationsförmige Lockergesteinsgleitungen auf anstehenden Aptychenschichten als Gleitbahn. In diesem Fall wurden die Anbrüche tlw. durch Schneedruck und Schneebretter vorbereitet. (B) vorwiegend rotationsförmige Gleitung am Hang.

A B

Abb. 60: (A) Typische Lockergesteinsgleitung im übersteilten Uferbereich mit tlw. erhaltenen Gleitschollen in der Hohlform. Links davon eine bereits verheilte Anbruchsnarbe (Linkes Ufer Sulzgraben, unterhalb der Quer- verbauungen). (B) Im Gegensatz dazu ein Uferanriss durch Hochwassererosion (Linkes Ufer, Mittellauf Sulzgraben). eine ebene, translationsförmige Gleitbahn (Blattanbruch), im zweiten Fall eine vorwiegend rotati- onsförmige, muschelartige Bahn (Muschelanbruch) (Abb. 59 und Abb. 61). Rotationsgleitungen in heterogenem Lockergestein bilden selten die idealtypische Gleitbahn um eine Rotationsachse aus.

106 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Bei einer kombinierten Gleitung geht die Bewegung von einer ursprünglich spontan gebildeten Gleit- bahn auf eine präformierte Ebene über. Von verschiedenen Autoren wurden weitere Unterscheidungen dieser Massenbewegungen bezüglich der Grunddisposition getroffen, die einen Anbruch begünstigen können, sowie zwischen den häufigs- ten bzw. wichtigsten externen bzw. auslösenden Faktoren (u. a. MOSER 1978). Im Lahnenwiesgra- ben wird in Anlehnung an diese Beispiele zusätzlich zwischen Lockergesteinsgleitungen im engeren und im weiteren Sinn unterschieden. Als „im engeren Sinn“ werden alle Anbrüche bezeichnet, die auf reines Gleiten- „slides“ - zurückzuführen sind. Im Falle der Hangmuren wird daher der Prozess in dem Punkt als beendet definiert, in dem der Murgang beginnt. Bei der Datenerhebung wird dies als „Über- gang in einen anderen Prozess“ vermerkt (vgl. Abb. 61, weitere Erläuterungen unter Kap. 4.2.3). Als Gleitungen „im weiteren Sinn“ werden neben den Hangmuren vor allem die Anrisse in Folge von La- winenschurf verstanden. Durch diese Einengung des Prozessbegriffs soll somit die Grundlage ge- schaffen werden, für die spätere Modellierung nur Datensätze zum eigentlichen Gleitvorgang vorzu- halten. In der Konsequenz sollten die Modelle „Lawine“ und „Mure“ die hier ausgeblendeten Formen nachbilden. Die detaillierte Beschreibung der erhobenen Anbrüche sowie deren Auswertung erfolgt nach einer kurzen Zusammenfassung der angewendeten Untersuchungsmethoden in Abschnitt 4.2.2.

(A)

Abb. 61: Schemadarstellung eines rotationsförmigen Hanganbruchs im Lockergestein (A) sowie einer Hangmure mit initialer Gleitphase (B) nach CRUDEN & VARNES (1996).

4.2.1 Untersuchungsmethoden

Der Schwerpunkt der Untersuchungen lag auf der Kartierung und detaillierten Erfassung der Locker- gesteinsgleitungen im gesamten Einzugsgebiet. Neben der kartographischen Aufnahme im Maßstab 1:5000 wurden in einem Erhebungsbogen standardisiert Informationen aufgenommen, soweit diese am Vorgang beteiligt waren: • Geofaktoren der näheren Umgebung (Hangmorphologie, Vegetation, Hydrologie, stumme Zeugen) • Dimension des Anbruchs (nicht projizierte Länge, Breite, Tiefe = Höhe der Anrisskante oder Mächtigkeit der Gleitscholle) • Angaben zum Verbleib der Gleitscholle bzw. des transportierten Materials (vgl. Abb. 69 und Kap. 4.2.3) 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 107

• auslösende Faktoren (Niederschlag, Schneedruck, vorausgehender Sedimenttransport, anthropogener Einfluss, etc.) • Eigenschaften und Herkunft des unterlagernden Locker- und Festgesteins (geotechnische und genetische Eigenschaften nach Kap. 3) Der Erhebungsbogen wurde basierend auf den Vorlagen von MOSER (1978) und FLEISCHER (1999) erstellt und ist als Anhang 6.6-1 dem Text beigelegt. Mit dessen Hilfe konnten bis Ende 2004 insge- samt 616 Anbrüche erfasst werden, von denen 519 Lockergesteinsgleitungen im engeren Sinn betref- fen, die übrigen jedoch anderen Prozesstypen zuzuschreiben sind (vgl. Kap. 4.2.2). Aufgrund der Standardisierung konnten gleich bleibend gute und lückenlose Datensätze durch verschiedene Mitar- beiter (FLEISCHER 1999; BÜCH 2003; SCHÄDLER 2004 und diese Arbeit) im gesamten Gebiet (Abb. 12, S. 24) zusammengefasst werden. Sämtliche Bögen wurden in einer Access-Datenbank eingegeben und über die Anbruchsnummer mit der GIS-Karte verknüpft, in der die Anbrüche als Punkte verankert wurden. Für diverse Analysen und Modellierungen konnte mit Hilfe der Länge, Breite und Exposition der Anbruchsnische sowie der Hangneigung auch eine Flächendarstellung erzeugt werden. Mit Hilfe dieser Daten sind sowohl Auswertungen über Zusammenhänge von Anbruchsgebie- ten und Geofaktoren möglich als auch die Berechnung von Massenbilanzen. Als größte Herausforderung muss die Datierung eines einzelnen Anbruchs gelten. Bis auf zwei Aus- nahmen, die auf den Tag genau festzuhalten waren und von Augenzeugen beobachtet wurden, kön- nen den jüngsten Anbrüchen gerade noch Jahreszahlen zugewiesen werden. Die Datierung beruht dabei auf der Auswertung relativer Zeitanzeiger. Wichtigste Anhaltspunkte sind der Grad der Verwitte- rung, der Auswaschung, des Neubewuchses der Anbruchsnarbe bzw. der Gleitscholle sowie die Ab- folge verschiedener Prozesse an einem Ort. Die Geschwindigkeit, mit der sich diese Spuren entwi- ckeln, ist stark standortabhängig und ihre Interpretation daher extrem von der Erfahrung des Kartie- renden abhängig. Als zuverlässig können daher Datierungen gelten, die zwischen 1996 und 2004 im Arbeitsgebiet „Fleischer 1999“ (Abb. 12, S. 24) vorgenommen wurden, da die mehrfachen Begehun- gen die entsprechenden Zeitfenster deutlich einengen konnten. Eine gewisse Absicherung konnte weiterhin durch die Auswertung der verschiedenen Luftbildflüge erfolgen, die auf baumfreie Flächen angewendet wurde. Es ist daher deutlich darauf hinzuweisen, dass, mit Ausnahme einzelner Starkregen (Pfingsthochwas- ser 1996 und Sommer 2002), auf der Grundlage dieser Datierungen keine zeitliche Korrelation zwi- schen meteorologischen und erosiven Ereignissen möglich ist. Dagegen ist eine jährliche Massenbi- lanzierung ab 1996 im Betrachtungsmaßstab des SEDAG-Projekts zulässig. Für die weiteren Auswertungen waren zudem die Datenerhebungen zum Klima (Kap. 2.7.2), zu den Lockergesteinen (Kap. 3.2) sowie die dendrochronologischen Arbeiten (KOCH 2006) und die Durch- lässigkeitsuntersuchungen (HENSOLD 2002) von Bedeutung.

4.2.2 Verbreitung, Typen und Entstehung der Gleitungen

Im Folgenden werden Gleitungen nach ihrer Lage am Ufer bzw. am Hang sowie nach der Ausbildung der Bewegungsbahn als translations- (blatt-) und vorwiegend rotationsförmig (muschelförmig) unter- schieden. Bei der Benennung im Lahnenwiesgraben wird das Vorhandensein einer präformierten Bewegungsbahn als Hauptargument bei der Zuweisung zu translationsförmigen Anbrüchen angewen- det, wogegen spontane Bewegungsbahnen im Lockergestein aufgrund ihrer gebogenen Fläche als vorwiegend rotationsförmig bezeichnet werden. Wie aus Abb. 62 ersichtlich wird, ist diese Benennung nicht mit der von SKEMPTON & HUTCHINSON (1969) und später auch von CRUDEN & VARNES

108 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

(1996) vorgeschlagenen Klassifizierung nach dem Tiefen-Längen-Verhältnis D/L kompatibel. Danach gilt für Blattanbrüche ein D/L-Wert kleiner 0,15 und für Muschelanbrüche zwischen 0,15 und 0,33 gelten. Für den Großteil der kartierten Anbrüche würde diese Grenzziehung zur Zuweisung in die translationsförmige Klasse führen. Es ist anzunehmen, dass aufgrund der vorwiegend kleinförmigen Gleitungen im Lahnenwiesgraben keine idealtypischen Hohlformen mit den entsprechenden Längen- Tiefen-Verhältnissen entstehen. Aus diesem Grund sind geometrische Anbruchsdaten für spätere Modellierung nur mit Einschränkung verwendbar. Ebenso ist es in Hinblick auf die Modellierung und Massenbilanzierung sinnvoll, Gleitungen im Uferbe- reich der Wildbäche von Gleitungen am Hang zu trennen. Sie zeigen in fast sämtlichen Bereichen wie Disposition, auslösende Faktoren, Magnitude und Frequenz deutliche Unterschiede. Die Verteilung der Gleitungstypen ist in einer Karte in Anhang 6.6-2 zusammengefasst.

100 kartiert als 80 translationsförmig rotationsförmig 60

40 Häufigkeit [%] Häufigkeit 20

0

< 0.15 0.15 - 0.33 > 0.33

D/L

Abb. 62: Darstellung des Verhältnisses Tiefe zu Länge (D/L) der kartierten Hohlformen. Nach SKEMPTON & HUTCHINSON (1969) ergeben translationsförmige Gleitungen Werte unter 0,15 und rotationsförmige Glei- tungen zwischen 0.15 und 0.33. Das Diagramm zeigt, dass die im Lahnenwiesgraben angewandte Zuwei- sung nach vorhandener, bzw. nicht vorhandener präformierter Gleitbahn nicht mit der D/L-Nomenklatur vereinbar ist.

Gleitungen an Ufereinhängen

Insgesamt wurden 257 Gleitungen an den Ufereinhängen der Hauptgewässer (Sulz- und Lahnen- wiesgraben) und ihrer größeren Tributärgerinne (Fleckgraben, Roter Graben, Hirschbichlgraben, Herrentischgraben, Blattgraben) aufgenommen (Anhang 6.6-2). Ihr Auftreten entspricht der Verbreitung der mächtigeren Moränen und Hangschuttdecken, weshalb am Mittellauf und über weite Strecken des Unterlaufs des Lahnenwiesgrabens keine Gleitungen auf- treten. Dafür sind die Uferbereiche am Fleck- und Sulzgraben sowie am Herrentischgraben fast durchwegs durch Gleitungen unterschiedlichen Alters und Aktivität gekennzeichnet. Die hohe Dichte des Prozesses hängt eng mit der noch stattfindenden Umformung der glazialen Morphologie und Sedimente durch die intensive fluviale Eintiefung des Tales statt. Die Folge sind übersteilte Uferein- hänge (im Mittel 33,5°; siehe auch Hangneigungsauswertung Abb. 6, S. 13), die regelmäßig nach der Schneeschmelze und nach Regenereignissen durchnässt und/oder durch Hochwässer unterschnitten werden (Abb. 60). Viele Uferabschnitte befinden sich deshalb kontinuierlich im Grenzbereich der Standfestigkeit. Im Zeitraum 2000 bis 2004 kollabierten mehrere Abschnitte am linken Ufer des Sulz- grabens, so unterhalb der Langlahnerschneise und unter der Konvergenzmessstrecke 6. Das ent- sprechende Profil in Abb. 45 (S. 78) zeigt hier das staffelförmige Nachbrechen entlang mehrerer Gleit- bahnen. Abb. 63 B zeigt den Ausstrich der obersten Bewegungsbahn, entlang der in den Jahren 2001 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 109 bis 2003 knapp 80 cm Versatz stattfand (Zone I, Tab. 21). Das Nackentälchen unter Konvergenz- messstrecke 4 (Zone I im Profil Abb. 43 und Abb. 63 A) ist als stummer Zeuge einer sehr großen Ufergleitung erhalten, die nach den dendrochronologischen Aufnahmen (KOCH 2006) in Kombination mit einem Kriechstrom zu Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist.

A B

Abb. 63: Anrissbahnen großer Ufergleitungen am Lahnenwiesgraben. (A) zeigt einen als Nackental erhaltenen Anriss, der nach dendrochronologischen Untersuchungen Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist. (B) 30 m breiter und knapp 80 cm tiefer Anriss im Uferbereich nach einer dreijährigen aktiven Bewegungs- phase.

Der Nachweis der fluvialen Erosion als Motor der Gleitungen sowie die technischen Möglichkeiten, diese Vorgänge zu bremsen, belegen die Luftbildaufnahmen von 1960 und 1999/2003 am Oberlauf des Sulzgrabens östlich des Zuflusses des Hirschbichlgrabens. Vor der Verbauung durch Querwerke zeigen beide Ufer durchgehende Anbruchsnarben auf einer Länge von gut 500 m. Auf den jüngeren Bildern 20 Jahre nach Fertigstellung der Betonsperren sind die Anbrüche am linken Ufer so gut wie vollständig, die am rechten Ufer zu über 70% bewachsen und beruhigt (Abb. 64).

1960 1999

Abb. 64: Oberlauf des Sulzgrabens vor und nach Errichtung der Verbauungen (Luftbildaufnahmen 1960 und 1999, Bay. Landesvermessungsamt, München).

Neben diesen Hauptcharakteristika treten folgende Merkmale und Faktoren häufig an instabilen Ufer- einhängen auf:

110 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

Knapp zwei Drittel der erfassten Anbrüche bildeten nicht vorgezeichnete Gleitbahnen aus, während jeweils ca. 20% der restlichen Scherflächen unter dem Wurzelhorizont der Grasnarbe oder auf anste- hendem Fels entstanden. Betroffen waren vor allem Moränen und Hangschutt der Kössener Schichten, seltener die postglazia- len Schotter im östlichen Talabschnitt. Knapp 28 Gleitungen konnten als Nachbrüche in bereits bestehenden Hohlformen identifiziert werden, während ca. 80 Anbrüche in progressiv abgleitenden Uferabschnitten liegen. Progressiv beschreibt das zeitlich versetzte, staffelförmige Aufeinanderfolgen von Gleitungen parallel oder senkrecht zum Ufer. Häufig folgt dabei auf eine initiale Kriechphase das Aufreißen einer Spalte an der Uferböschung, aus der sich eine voll ausgebildete Gleitscholle einer Rotationsgleitung entwi- ckelt. Das finale Abgleiten in das Bachbett kann sehr langsam, stufenweise oder in einem Ereignis vor sich gehen. GleitscholIen, die bis in das Bachbett gelangen, bleiben in den wenigsten Fällen länger als ein Jahr dort liegen. Auch aus diesem Grund wurden mit nur 27% Anteil Uferanbrüche auf den Zeitraum vor 1996 datiert. Größenordnungsmäßig wurden Gleitungen zwischen 5 und 1000 m² Fläche bzw. zwischen 2 und 50000 m³ Volumen kartiert. Im Schnitt betrug das Volumen zwischen 33 m³ (translationsförmig) und 144 m³ (rotationsförmig). Eine genauere Auflistung zeigen die Diagramme Abb. 65 (Verteilung Länge und Tiefe der Hohlformen) und Abb. 68 (Volumenverteilung) mit zusätzlicher Angabe des Medians und der beobachteten Minimal- und Maximalwerte.

Anbrüche gesamt 1996 bis 2004 Anbrüche gesamt 1996 bis 2004 100,00 10,00

10,00 1,00 Tiefe [m] Länge [m] 1,00 0,10

n=104 n=156 n=102 n=155 n=74 n=71 n=81 n=104 n=104 n=156 n=102 n=155 n=74 n=71 n=81 n=104 0,10 0,01 s s s t s s t t s ns n ta n ta n ra o a ta o a rotat t tran r o r rotat g r tra r r g r t r r g r tr ng tran fer tran fer rotat n n a U ang Ufe a a H Han U H Hang rotat Ufe H Hang rotat Ufe Ufe Hang transH Ufe Ufer

Abb. 65: Größenordnung der Anbrüche im Lahnenwiesgraben anhand der Parameter Länge und Tiefe (Quer- strich = Median, * = arithmetisches Mittel, Box = die mittleren 50% der Verteilung, Strich = Reichweite Mi- nimum bis Maximum).

Gleitungen am Hangbereich

Am Hang wurden 300 Anbruchsnarben Gleitungen zugeordnet. 155 davon entsprachen den Kriterien rotationförmiger Gleitungen (Muschelanbrüche), 104 besaßen präformierte Gleitbahnen entlang der Felsoberfläche, von Schichtgrenzen oder dem Durchwurzelungshorizont (Abb. 59). 52 Ereignisse entstanden durch den Schurf von Lawinen, die auf den ersten Blick identische Narben reißen, jedoch keine Gleitschollen oder Schuttmaterial in der näheren Umgebung der Hohlform zurücklassen. Über- haupt spielt der Schneedruck bei der Vorbereitung von Translationsgleitungen am Hang eine bedeu- tende Rolle (LAATSCH & GROTTENTHALER; SCHAUER 1975). 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 111

In der Größenordnung sind die Blattanbrüche am Hang mit durchschnittlich 50 m² bzw. 20 m³ kleiner als die am Ufer, während die Muschelanbrüche am Hang mit durchschnittlich 103 m² bzw. 197 m³ größer sind. Eine genauere Aufschlüsselung mit zusätzlichen Werten zur Länge und dem Tiefgang aller Anbrüche sowie einer Aufstellung der jüngeren Gleitungen zwischen 1996 und 2004 zeigen die Diagramme der Abb. 65 und Abb. 68. Darüber hinaus konnten deutlich weniger Anbrüche bestimmten Auslösern zugewiesen werden, wie im Uferbereich (101 der Fälle). Neben dem Einfluss von Schneedruck und Lawinen (26 „echte“ Glei- tungen) spielten Regenereignisse (91 mal) eine große Rolle. Instabile Hangbereiche, die eine pro- gressive Anbruchsentwicklung zeigen, belegen 21 Fälle. Immerhin 15 Anbrüche konnten anthropoge- nen Einflüssen zugeordnet werden. Mit einer durchschnittlichen Größe von 284 m³ liegen sie über dem Gesamtschnitt (213 m³) aller aufgenommen Gleitungen. Aus der Kartierung ergeben sich folgende Verteilungsmuster: Translationsgleitungen entstehen kaum in mächtigeren Hangschuttdecken und sind deshalb meist in den geringmächtigen Böden auf steilen Hängen (∅ 36°, dagegen ∅ 32° bei rotationsförmigen) und dort auf Freiflächen zu finden (67% auf Weide- und Latschenflächen, dagegen 63% Muschelanbrüche unter Wald). Betroffen sind vor allem die Nordflanke des Hirschbühels sowie die steilen Hangbereiche am Nordrand des Einzugsgebietes. Zudem treten sie häufig auf trockenen Standorten (59%) im Gegensatz zu rotationsförmigen Gleitun- gen auf, die zu 76% auf feuchten bzw. vernässten Flächen vorkommen. Die konzentrierte Verbreitung von vorwiegend rotationsförmigen Gleitungen auf Nässezonen und vergleichsweise flacheren Hängen

Abb. 66: Blick von der Anrisskante in die Hohlform des „Maibruchs“ vom 01.05.1997 mit randlichen Nachbrüchen und der in ein Schollenmosaik zerlegten Gleitscholle. Im Hintergrund mittig ist die östliche Abrisskante der älteren Gleitung und ihre bereits mit Erlen bewachsene Gleitscholle zu sehen. Abb. 67 zeigt eine Zeitreihe zur Entwicklung der beiden Anbrüche. in bindigen Hangschuttdecken steht im direkten Zusammenhang mit dem Vorkommen von Kössener Schichten im anstehenden Gebirge als auch im Hangschuttmaterial. Deshalb können diese drei Fak-

112 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade toren nicht mehr als unabhängig gelten, was bei Regressionsanalysen berücksichtigt werden muss (JÄGER 1997). Ebenso wie die Kössener Hangschuttdecken müssen die Moränenreste als anfälliges Ausgangsmate- rial gelten. Sie sind häufig für die vergleichsweise großen Muschelanbrüche von 1000 bis 5000 m³ am südwestlichen Herrentisch bzw. zwischen Enningalm und Pflegeralm verantwortlich, wo sie in z. T. durch den Gletscherschurf geschaffenen Mulden und Rinnen in Mächtigkeiten von bis zu 5 m oder mehr vorliegen können. Der größte Anbruch im Lahnenwiesgraben, der „Maibruch“ (angebrochen in der Nacht zum 01. Mai 1997) an der Pflegeralm, liegt in einer solchen Moränentasche (Abb. 66). Als Auslöser kann mit hoher Wahrscheinlichkeit die Schneeschmelze in Kombination mit stärkeren Regenfällen angegeben wer- den. Es ist jedoch sicher und anhand des großen Anbruchtrichters auf der Ostseite der Gleitung und Verbauungsresten belegbar, dass der Bau der Forststraße die entscheidende Schwächung des Hangs verursacht hat (FLEISCHER 1999).

Abb. 67: Maibruch: Erster (östlicher) Anbruch in den Jahren 1960, 1977 und 1993 (Luftbildauswertung) mit ca. 3500 m³ / 7350 t, zweiter Anbruch in der Nacht zum 1. Mai 1997 mit 10376 m³ / 21790 t. (Luftbilder: Bay. Landesvermessungsamt Mün- chen)

1960: Vor dem Bau der Forstraße.

1977: Nach dem Bau der Forstraße; der östliche Anbruch ist angerissen, jedoch noch nicht völlig ausgeglitten.

1999: Die Gleitscholle des östlichen Anbruchs ist bereits von meterhohen Erlen bestanden. Im Wes- ten der zweite Anbruch vom Mai 1997.

4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 113

4.2.3 Massenumsatz und morphologische Arbeit

Die Berechnung des Volumen- bzw. Massenumsatzes durch Lockergesteinsgleitungen im Lahnen- wiesgraben geschieht durch die einfache Addition des Volumens der kartierten Anbrüche. Um diesen Wert jedoch in Bezug auf Zeit und Fläche verwenden zu können, muss der Grunddatensatz einge- schränkt werden, um Unsicherheiten durch die Ungenauigkeit der Kartierung (z. B. Interpolation einer nicht mehr vorhandenen Oberfläche zur Bestimmung einer Anbruchsmächtigkeit) bzw. der Datierung zu minimieren. Besonders der Umstand, dass Vegetation, Erosion und Nachbrüche die Spuren älterer Gleitungen völlig überprägen können, war Anlass, für die folgenden Berechnungen nur die Daten von Gleitungen zu verwenden, die sich innerhalb des Kartierzeitraums zwischen 1996 und 2004 ereignet hatten. Da bisher der anthropogene Einfluss auch auf die anderen Prozessarten nicht vertiefend ausgewertet wurde, werden hier die bedeutenden Anbrüche an der Forststraße westlich der Pflegeralm - der „Mai- bruch“ und sein Vorgänger (Abb. 67) - ausgenommen, die beide ursächlich durch die Anlage der Forststraße entstanden sind.

Erfasste Massen

Für die Umrechnung des Volumens in Masse wird eine Dichte des Lockergesteins von 2,1 t/m³ ange- nommen. Dies entspricht dem Zustand des Materials vor der Gleitung, da auch das Volumen anhand der Hohlform kartiert wurde. Bei der Betrachtung des abgelagerten Gleitmaterials wäre eine Auflocke- rung des Materials und damit eine Volumenzunahme bzw. eine Dichtenabnahme zu beachten. Nach CRUDEN & VARNES (1996) streut in den wenigen Arbeiten, die sich mit diesem „Schwellfaktor“ des umgelagerten Materials beschäftigt haben, die Auflockerungszunahme zwischen 33% und 67%. Insgesamt wurde im Lahnenwiesgraben ein durch Gleitungen umgesetztes Volumen von etwas mehr als 59000 m³ respektive 124.060 t erfasst. Dies entspricht gerade 4% der durch Kriechströme erfass- ten Menge. Davon bewegten sich mit 22.380 m³ bzw. 47.000 t knapp 40% des erfassten Materials zwischen den Jahren 1996 bis 2004 (jeweils ohne „Maibrüche“), im Jahresschnitt somit ca. 2490 m³ bzw. 5220 t. In Tab. 33 werden die Eckdaten der erfassten Werte übersichtliche zusammengefasst. Die weitere Untergliederung nach den Ereignissen am Hang bzw. am Ufer je nach translationsförmi- gen oder rotationsförmigen Gleiten ist in Abb. 65 dargestellt. Aus Abb. 68 kann auf die durchschnittli- che Ereignisgröße der jeweiligen Anbrüche geschlossen werden. Diese zeigt gleiche Größenordnun- gen der jeweilig translations- bzw. vorwiegend rotationsförmigen Gleitungen an Hang und Ufer der aktuellen Anbrüche. Dagegen unterscheiden sich die älteren Anbrüche zum einen stärker untereinan- der und erscheinen zum anderen größer als die aktuellen. Dieser Effekt ist sicher auf die bessere Erhaltung größerer Anbrüche gegenüber den kleineren zurückzuführen und nicht unbedingt auf eine sinkende Magnitude des Prozesses in jüngerer Zeit. Aufgrund der Durchschnittswerte kann ein Grö- ßenfaktor von ca. 1:4 bis 1:4,5 zwischen den jüngeren translationsförmigen zu rotationsförmigen Gleitungen im Lahnenwiesgraben berechnet werden.

Tab. 33: Eckdaten der im Lahnenwiesgraben auftretenden Gleitungen ohne Unterscheidung zwischen Ufer- und Hanglage. Die extrem erscheinenden Minimalwerte wurden an angerissenen, aber nicht vollständig statt- gefundenen Gleitungen gemessen.

Länge [m] Breite [m] Tiefe [m] Fläche [m²] Volumen [m³] Anbruchsform Min Max Min Max Min Max Min Max Min Max ∅ Median translationsfg. <1 27 <1 40 <1 3 1 875 <1 600 26 7 vorw. rotat.fg. <1 65 <1 50 <1 8 <1 1100 <1 5000 170 35

114 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade

10000.00

1000.00

100.00

10.00

Volumen [m³] 1.00

0.10

n=104 n=155 n=102 n=155 n=74 n=71 n=81 n=104 n=30 n=84 n=21 n=51 0.01 Ufer rotat Ufer Ufer rotat Ufer Ufer rotat Ufer Ufer trans Ufer Ufer trans Ufer Ufer trans Ufer Hang rotat Hang Hang rotat Hang Hang rotat Hang Hang transHang Hang transHang Hang transHang

alle Anbrüche 1996 bis 2004 vor 1996

Abb. 68: Verteilung der Größenordnung der Lockergesteinsgleitungen anhand ihres Volumens. Zum Vergleich wird die Verteilung anhand aller erhobener Anbrüche sowie anhand der Teildatensätze aus den Zeiträu- men 1996 bis 2004 bzw. vor 1996, gegliedert nach translations- und vorwiegend rotationsförmigen Glei- tungen am Hang und am Ufer dargestellt. (Querstrich = Median, Kreuz = arith. Mittel, Box = die mittleren 50% der Werte, senkrechter Strich = Reichweite Minimum bzw. Maximum). Mit Ausnahme der Translati- onsgleitungen am Hang scheinen Anbrüche älteren Datums größer zu sein als jüngere.

Für die spätere Berechnung der geleisteten geomorphologischen Arbeit bzw. die Kopplung der Glei- tungen mit der weiteren Sedimentkaskade, wurde bei der Kartierung die Verteilung der Gleitscholle in den Erhebungsbogen integriert. Unterschieden wurde entsprechend Abb. 69 zwischen dem Verbleib des bewegten Materials innerhalb der Anbruchsnische (a), auf der Hangfläche (b), in einem Zwischen- oder Endspeicher (c) oder der Übergabe des Materials in einen Folgeprozess (d). Unter Folgeprozess wurde bei der Kartierung eine Massenselbstbewegung verstanden, die direkt aus dem Impuls der Gleitung entsteht, z. B. ein Murgang (Stichwort Hangmure) oder einem Sturz. Im Uferbereich wurde deshalb auf eine Zuweisung zu Kategorie (d) verzichtet, da die fluviale Erosion kein Prozess ist, der aus der Gleitung heraus entsteht. Ebenso entfällt Kategorie (b), da Nische und Endspeicher im Ufer- bereich zu nah beieinander liegen, um eine zusätzliche Verteilung am Uferhang zu berücksichtigen. Mit dieser Unterscheidung ist es möglich, auch die Zerlegung einer Teilscholle zu erfassen. Tab. 34 gibt das Ergebnis der Kartierung wieder, das als Zwischenschritt bei der Berechnung der morphologi- schen Arbeit von großer Bedeutung ist.

Tab. 34: Verteilung des abgeglittenen Materials des Zeitraums 1996 bis 2004 nach: Verbleib in der Anbruchsni- sche, dispers am Hang verteilt, Verbleib im folgenden Sedimentspeicher bzw. direkter Übergang in einen Folgeprozess (*) Am Ufer nicht unterschieden). Erläuterung der vier Kategorien in Abb. 69.

Anbruchart Volumen [m³] Anbruchnische Am Hang*) Speicher Prozessübergang*) Gesamt Hang: transl. 531 260 741 117 1649 Hang: rotat. 1622 3118 2790 852 8382 Ufer: transl. 514 1314 1828 Ufer: rotat. 6293 4228 10521 gesamt 8960 3378 9073 969 22380 Prozentanteil 40 15 40 5

4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 115

a) b)

Verbleib in der Anbruchsnische (39,8%) Über den Hang verteilt (15,0%)

c) d)

Ablagerung in einem Zwischenspeicher (40,7%) Direkter Ü bergang in einen Folgeprozess (4,5%)

Abb. 69: Ausgewiesene Ablagerungsarten aus Lockergesteinsgleitungen.

Morphologische Arbeit:

Die geleistete geomorphologische Arbeit bei einer Massenbewegung wird durch die überwundene vertikale Strecke ausgedrückt (Arbeit im physikalischen Sinn) und durch die horizontale Transportwei- te (vgl. dazu auch Kap. 4.1.4 sowie CAINE & SWANSON (1989) bzw. HECKMANN (2005)). Für die zurückgelegte Distanz wurde nach den vier Kategorien in Abb. 69 folgende Formel verwendet:

Δl = kn * l * cos β (für die horizontale Distanz)

Δl = kn * l * sin β (für die vertikale Distanz)

Mit Δl zurückgelegte Distanz

kn Distanzfaktor mit n = (a), (b) oder (c+d) entsprechend der Kategorien in Abb. 69

k(a) = 0,5 (Verbleib in Nische) k(b) = 1,5 (Verteilung am Hang) k(c+d) = 1 (Ablagerung in Speicher bzw. Prozessübergang) l Anbruchslänge β Hangneigung

Zu beachten ist, dass im folgenden alle Zahlen auf die Einheit [t] über die Lockergesteinsdichte von 2,1 t/m³ und auf den Zeitraum „1 Jahr“ gerechnet werden. Bei der bisher verwendeten Datengrundlage von 1996 bis 2004 bedeutet dies den zusätzlichen Divisor von 9 Jahren. Die berechneten Werte zeigen, dass allein vom umgesetzten Volumen die Lockergesteinsgleitungen einen vergleichbar geringen Anteil an der gesamten Massenbilanz besitzen. Unter Einbeziehung der Transportstrecke, d. h. bei Berücksichtigung der umgesetzten Energie und geleisteten Arbeit errei- chen die Lockergesteinsgleitungen aufgrund ihrer Reichweite gleiche Größenordnungen (556 MJ/a Gleitungen und 884 MJ/a Kriechen) wie die an Masse 500-fach größeren Schuttströme. Dies bestätigt den ersten visuellen Eindruck im Lahnenwiesgraben, der aufgrund der Häufigkeit von Anbruchsnarben

116 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade den Lockergesteinsgleitungen eine besondere Stellung innerhalb der Sedimentkaskade zugewiesen hätte.

Tab. 35: Massenumsatz durch Lockergesteinsgleitungen. c: Ablagerungsraum einer Gleitscholle; d: verwende- ter Distanzfaktor; e: Bewegte Masse pro Jahr aus dem Datensatz 1996 bis 2004 (Umrechnung aus Volu- men über eine Lockergesteinsdichte von 2,1 t/m³); f: Berechnung der horizontalen Massenverlagerung pro Jahr nach JÄCKLI (1957);. g: Berechnung der geomorphologischen Arbeit nach CAINE & SWANSON (1989) als potentielle Energie (~ vertikale Massenverlagerung); h und i: Berechnung der spezifischen horizontalen bzw. vertikalen Transferraten im Untersuchungsgebiet (HECKMANN 2005). c d e f g h i 6 ] -1 ] *a -1 -2 *a

-2 n ] -1 Kategorie: Anbruchlage / Gleitscholle Verbleib Distanzfaktor k Bewegte Masse [t/a] 1996 - 2004 hor. Massenverlagerung [t*m*a Geomorph. Arbeit (vert. Massenverlagerung) [10 J/a] Spezifische Transferrate horizontal [t*m*km Spezifische Transferrate vertikal [t*m*km Hang / Nische 0.5 502 4470 25 263 150 Hang / Hang 1.5 788 33932 204 1996 1226 Hang / Speicher + 1 1050 24000 145 1412 868 Prozessübergabe Ufer / Nische 0.5 1588 9769 68 375 410 Ufer / Speicher 1 1293 15843 114 932 681

Summe 5221 88014 556 4978 3335

(vgl. Schuttströme) 2933490 348160 884 20480 5300

4.3 Steinschlag (rock fall) - Stürzen

Sturzprozesse stellten im Rahmen dieser Arbeit den dritten Arbeitsansatz dar. Dabei standen in der Startphase des Projekts vor allem die methodischen Überlegungen zur Überwachung und Messung des Steinschlags sowie die Implementierung des Messsystems im Vordergrund. Die Methoden richte- ten sich dabei an den Erfahrungen von BECHT (1995) und SASS (1998). Die Arbeiten wurden vorwiegend im Reintal - dem zweiten Untersuchungsgebiet im SEDAG-Projekt – von 2000 bis 2005 durchgeführt (KELLER & MOSER 2002). Die steilen und hohen Felswände im Wettersteinkalk stellten ideale Prozessräume dar. Ziel war es, auf definierten Flächen Steinschlagmaterial zu sammeln und in regelmäßigen Abständen zu wiegen und zu sieben. Die Sammelfläche bestand aus Staubschutznetzen aus dem Gerüstbau, die talseitig mit einem engmaschigen Drahtnetz abgeschlossen wurden, um rollendes Material zurückzu- halten (blaue Fläche in Abb. 70). Die Sammelfläche wiederum repräsentierte eine „Aufschlagfläche“ unter einer isolierten Steinschlagwand (grün umrandete Fläche in Abb. 70). Als isolierte Steinschlag- wand wurde das Einzugsgebiet der Aufschlagsfläche betrachtet (gelb umrandete Fläche). Mit Hilfe dieser Bezugsgrößen war die Berechnung einer Steinschlaggröße in Form einer Rückverwitterung bzw. Steinschlagintensität während eines Messzeitraums möglich. 4 Gravitative Massenbewegungen in der Sedimentkaskade 117

Abb. 70: Schematische Darstellung der Steinschlagmessmethode (aus KELLER & MOSER 2002).

Nach erfolgreicher Startphase wurde die Methode seit Ende 2000 ebenfalls im Lahnenwiesgraben angewandt. Die Messstellen im Hauptdolomit des Kramermassivs wurden unter je einer Steilwand im Kuhkar sowie im Roßkar angelegt, die ähnliche morphologische Merkmale aufwiesen wie die Mess- stellen im Reintal. Die Messreihe musste jedoch aus mehreren Gründen abgebrochen werden. Die Lage der Netze war so unzugänglich, dass der zeitliche und personelle Aufwand für die beiden Netzen fast dem gesamten Aufwand im Reintal entsprach. Zum anderen musste eine extrem lange Winter- pause in Kauf genommen werden, da bereits der erste Schnee die Netze bis zum Ende der Schnee- phase im Mai bedeckte. Die Steinschlagbeobachtungen wurden daher in eine Hauptdolomitwand im Sulzgraben und in einer Plattenkalkwand am Herrentisch verlegt und von Diplomanden weitergeführt und analysiert (KRAUTBLATTER 2003; POPPEL 2003; RÜCKAMP 2005). Die Auswertung der Messreihen von MOSER, KRAUTBLATTER & RÜCKAMP ist in Vorbereitung. Im Rahmen dieser Schrift wird auf weitere Ausführungen verzichtet.

118 5 Literaturverzeichnis

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Karten, Luftbilder, DHM

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124 6 Anhang 125

6 Anhang

6.1. Kartenteil 6.2. Klimadaten und Auswertungen 6.3. Bohrungen, Sondierungen 6.4. Probenahmen und Analysen 6.5. Kriechströme – Ergänzende Kartierunterlagen und Zwischenergeb- nisse der Modellierung 6.6. Lockergesteinsgleitungen – Unterlagen der Kartierung

126 6 Anhang

6.1 Kartenteil 127

6.1 Kartenteil

6.1.1: Topographische Übersichtskarte des Lahnenwiesgrabens 6.1.2: Digitales Geländemodell (DGM), Bay. LVA 6.1.3: Ableitung der Hangneigung (slope) aus dem DGM 6.1.4: Geologische Karte, verändert nach der GK 1:25.000 des Bay. GLA (1966) 6.1.5: Geotechnische Festgesteinskarte 6.1.6: Tektonische Karte nach G. LINKE (1963) und eigenen Messwerten 6.1.7: Geologische Profile, Geologische Karte von Bayern, Blatt 8432 Oberammergau 6.1.8: Bodenkarte nach F. KOCH (2006) 6.1.9: Karte der Lockergesteinsfazies 6.1.10: Geotechnische Lockergesteinskarte 6.1.11: Mächtigkeit der Lockergesteinsdecken 6.1.12: Hydrogeologische Karte 6.1.13: Vegetationskarte (V. WICHMANN)

128 6.1 Kartenteil 6.1 Kartenteil 129

Anhang 6.1-1: Topographische Übersichtskarte des Lahnenwiesgrabens.

6.1 Kartenteil 130

Anhang 6.1-2: Digitales Höhenmodell (DHM), berechnet aus der fotogrammetrischen Gebirgsauswertung des Bay. LVA.

6.1 Kartenteil 131

Anhang 6.1-3: Ableitung der Hangneigung (Slope) aus dem DGM.

6.1 Kartenteil 132

Anhang 6.1-4: Geologische Karte, verändert nach der GK 1:25.000 des Bay. Geol. Landesamts (1966).

6.1 Kartenteil 133

Anhang 6.1-5: Geotechnische Karte der Festgesteine.

6.1 Kartenteil 134

Anhang 6.1-6: Tektonische Karte nach G. LINKE (1963) und eigenen Messwerten.

6.1 Kartenteil 135

Anhang 6.1-7: Geologische Profile (Profile 6, 9, 11 aus dem Profilblatt der Geologischen Karte von Bayern, Blatt 8432 Oberammergau)

Reihenfolge der Profile von Ost nach West: Profil 7 oben, 9 mittig, 11 unten

Lage der Profile siehe Anhang 6.1-1.

6.1 Kartenteil 136

Anhang 6.1-8: Bodenkarte nach F. KOCH (2006).

6.1 Kartenteil 137

Anhang 6.1-9: Karte der Lockergesteinsfazies.

6.1 Kartenteil 138

Anhang 6.1-10: Geotechnische Karte der Lockergesteine.

6.1 Kartenteil 139

Anhang 6.1-11: Mächtigkeit der Lockergesteinsdecken

6.1 Kartenteil 140

Anhang 6.1-12: Hydrogeologische Karte

6.1 Kartenteil 141

Anhang 6.1-13: Vegetationskarte (WICHMANN 2005)

Diese Seite wurde absichtlich frei gehalten. 142

6.2 Klimadaten 143

6.2 Klimadaten

6.2-1: Korrelation der Niederschlagsdaten der DWD-Stationen Garmisch- Partenkirchen (4156) und Zugspitze (4155). 6.2-2: Korrelation der Niederschlagsdaten der DWD-Stationen Garmisch- Partenkirchen (4156) und Zugspitze (4155). 6.2-3: Vergleich der zwischen Station Garmisch-Partenkirchen (DWD) und Pflegerhütte (SEDAG). 6.2-4: Modellierung der Schneedecken und Schmelzphasen im Lahnenwiesgraben:

144 6.2 Klimadaten

6.2 Klimadaten 145

30 20 9,0 20 8,0 10 10

0 7,0 4156 4156 0 4156 -10 6,0 -20 -10 -30 5,0 -40 -20 0 20 -20 -10 0 10 -6 -5 -4 -3 -2 4155 4155 4155 Tageswerte: Monatswerte Jahreswerte Lineare Regression: (N = 19358) Lineare Regression: (N = 636) Lineare Regression: (N = 53) y=a+bx y=a+bx y=a+bx a=11,5522 a = 12,4984 a = 10,3504 b = 0,9995 b = 1,2061 b = 0,7354 Korrelationskoeffizient = 0.8632 Korrelationskoeffizient = 0.9444 Korrelationskoeffizient = 0.7042 R2 = 0.7451 R2 = 0.8919 R2 = 0.4959

Anhang 6.2-1: Korrelation der Temperaturdaten der DWD-Stationen Garmisch-Partenkirchen (4156) und Zugspit- ze (4155).

150 600 2.000

125 500 1.500 100 400

75 300 1.000 4156 4156 4156 50 200 500 25 100

0 0 0 0 50 100 150 0 200 400 600 1.000 2.000 3.000 4155 4155 4155

Tageswerte: Monatswerte Jahreswerte Lineare Regression: (N = 19355) Lineare Regression: (N = 636) Lineare Regression: (N = 53) y=a+bx y=a+bx y=a+bx a = 1,4672 a=33,7498 a = 476,998 b = 0,423 b = 0,4877 b = 0,452 Korrelationskoeffizient = 0.5494 Korrelationskoeffizient = 0.6607 Korrelationskoeffizient = 0.7462 R2 = 0.3018 R2 = 0.4365 R2 = 0.5568

Anhang 6.2-2: Korrelation der Niederschlagsdaten der DWD-Stationen Garmisch-Partenkirchen (4156) und Zugspitze (4155).

Die Korrelation sowohl der Temperatur als auch des Niederschlags verbessert sich, je gröber die zeitliche Auflösung wird. Nach dem gleichen Prinzip sind Korrelationen mit dem Lahnenwiesgraben zu bewerten.

146 6.2 Klimadaten

30 2003 20

LWG 10 0

20

GAP 10 0 Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan

30 2002 20

LWG 10 0

20

GAP 10 0 Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan

30 2001 20

LWG 10 0

20

GAP 10 0 Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan

30 2000 20

LWG 10 0

20

GAP 10 0 Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan

Anhang 6.2-3: Vergleich der zwischen Station Garmisch-Partenkirchen (DWD) und Pflegerhütte (SEDAG).

Im Gegensatz zum lokalen Auftreten von Starkregen treten die Dauerregen in gleichen Zeiträumen mit ähnlichen Intensitäten auf. Die Intervalle der Datenreihen LWG geben ebenfalls die Messzeiträume der SEDAG-Wetterstationen wieder (Dauerregen laut Definition Kap. 2.6.2 S. 28).

6.2 Klimadaten 147

Anhang 6.2-4: Modellierung der Schneedecken und Schmelzphasen im Lahnenwiesgraben:

Für die Bestimmung der Schneedecke auf 620 m NN und 1650 m NN im Lahnenwiesgraben ist das Schneeschmelzmodell von (HOCK 2003) verwendet worden (Kap. 2.7.2). Wichtigste Voraussetzung bei der Anwendung dieses Ansatzes für diese Arbeit ist, dass eine allgemeine Größenordnung des Schneerückhalts und der Verlauf seiner Schmelze dargestellt werden sollen, und keine quantitative Bestimmung von Wassermengen und vergleichbarer Schneehöhen erstrebt wird. Für den Lahnenwiesgraben stehen keine Schneehöhendaten zur Verfügung, ebenso wenig für Gar- misch in den Jahren 2001 und 2002. Deshalb werden aus den Temperatur- und Niederschlagsdaten für Garmisch-Partenkirchen die Schneehöhen im LWG als Niederschlagsäquivalente kalkuliert. Dazu werden alle Niederschläge bei Temperaturen unter dem Schwellenwert akkumuliert. Gleichzeitig werden bei Temperaturen über dem Schwellenwert Wassermengen entsprechend der Schmelzformel abgezogen. Unberücksichtigt bleibt dabei die Schmelzwirkung flüssigen Niederschlags und die Ablati- on bei hoher Einstrahlung. Als Schmelzformel gilt + + : M = MF • (Td – T ); wenn Td > T und Schneerückhalt > 0 M = potentielle tägliche Schmelze MF = Schmelzfaktor (melt factor, entspricht dem DDF degree-day factor)

Td = Tagesmitteltemperatur T+ = Schwellentemperatur für Schneeschmelze Zur Kontrolle werden die Schneerücklagen für vier DWD Stationen berechnet, für die Temperatur, Niederschlag und Höhe der Schneedecke bekannt sind (Anhang 6.2-4). Schneerücklage = Schneerücklage Vortag + Schneefall aktuell – Schmelze aktuell Temperatur und Niederschlag gehen in die Berechnung der Schneerücklage ein (als Niederschlags- äquivalent in [mm]), über die gemessene Schneehöhe in [cm] wird das Ergebnis kalibriert. Eine Be- dingung bei der Wahl des Schwellenwerts T+ ist, dass dieser innerhalb des Temperaturbereichs zu Beginn und zu Ende der Schneedeckentage der Bezugsstationen liegt. Die beiden Konstanten MF und T+ variieren dabei nach Lokalität und besonders nach der Höhenlage.

Die Diagramme auf der nächsten Seite zeigen die Kurvenverläufe der berechneten Schneerücklagen und der gemessenen Schneehöhe für vier DWD Stationen. Für GAP sind nur die letzten Jahre bei- spielhaft aufgeführt, für die Jahre 2001 und 2002 standen keine Schneehöhen zur Verfügung. Für jede Station ist die Höhe über NN, die verwendeten Konstanten MF und T+ zur Berechnung der Schnee- rücklage angegeben. Aus der Korrelation der gemessenen zu den berechneten Werten ist die Reg- ressionsgerade, das Bestimmtheitsmaß R2 und die Anzahl n der Werte beigefügt. Mit Ausnahme der Station Eibsee ist diese Methode zur Abschätzung der Größenordnung des Schneerückhalts somit zur Interpretation der Schneeverhältnisse der verschiedenen Winter geeignet.

148 6.2 Klimadaten

200 DWD Kreuzeckhaus 1652 m Berechnete Schneerücklage 150

100 Regression: MF = 8 y = 2,58x + 6,14 T+ = -4°C R² = 0,81 50 n=1125 Schneehöhe DWD [cm]

0 1985 1986 1987

DWD Eckbauer 1236 m 150 Berechnete Schneerücklage

100 Regression: MF = 7 y = 2,44 x + 3,22 50 T+ = -2°C R² = 0,82 n=1125 Schneehöhe DWD [cm] 0 1985 1986 1987

Regression: DWD Grainau-Eibsee 1010 m 150 MF = 7 y = 2,10 x + 0,89 Berechnete Schneerücklage T+ = -1°C R² = 0,61 100 n = 3161

50 Schneehöhe DWD [cm] 0 1985 1986 1987 1998 1999

Regression: DWD Garmisch-P. 719 m 150 MF = 6 y = 1,90 x - 0,60 Berechnete Schneerücklage T+ = +1°C R² = 0,73 100 n = 19359

50 Schneehöhe DWD [cm] 0 1996 1997 1998 1999 2000 2003

Diagramme der gemessenen und modellierten Schneerücklagen.

6.3 Bohrungen, Sondierungen 149

6.3 Bohrungen, Sondierungen

Anmerkung: Die Lage der Rammkernbohrungen („IM“) und der leichten Rammsondierungen sind in Anhang 6.4-1 aufgetragen.

6.4 1: Bohrprotokoll IM1 6.4 3. Kernfotos IM1 6.4 2: Bohrprotokoll IM2 6.4 4. Kernfotos IM2 6.4-5: Leichte Rammsondierungen LRS 1 – 3 im Kriechstrom KV14 (nach DIN 4094) 6.4-6: Leichte Rammsondierungen LRS 4 – 5 im Kriechstrom KV13 (nach DIN 4094)

150 6.3 Bohrungen, Sondierungen 6.3 Bohrungen, Sondierungen 151

Anhang 6.3-1: Bohrprotokoll IM1.

Projekt: SEDAG - Erlangen, Lahnenwiesgraben

IM1 1 11.09.2000

Bemerkungen

Kernverlust

Einbauten

Sonstiges

Pflanzen und Wurzeln mit Ton, schluffig, steinig (T,u,g) P 2 I e / n g 1 E k e P x li l t n l e o P Grassoden und torfähnlicher Boden, hoher e n m 1 g s /1 o e organischer Anteil e m t P e e r te IM 0,2 weich - breiig schwarz - r 1 leicht zu rammen E grau 1 Oberboden Piezometer und Thermometer Pi1

Lehm und Schotter, T,g

Mischung aus Hangschutt und Material des Schotter- wegs; durchwurzelt und Holzreste 1,3 schlammig - leicht zu rammen schwarz - breiig (Material gestaucht) grau Aufschüttung Hangschutt und Hangschutt

Schluffiger Ton, schwach sandig, schwach kiesig T,u,s’,g’ P1 Steine bis 5 cm Druchmesser 2,7 breiig leicht zu rammen grau (Material gestaucht)

Hangschutt

Schluffiger Ton, schwach sandig, schwach kiesig T,u,s’,g’ IM P1/1 2,8

3,1 weich - sehr leicht zu rammen grau weich (Material gestaucht)

Hangschutt

Kiesiger, schwach sandiger Ton, T,s’,g

enthält Rinde und Holzstücke 3,2 weich, tlw. leicht grau schlammig Hangschutt

152 6.3 Bohrungen, Sondierungen

Projekt: SEDAG - Erlangen, Lahnenwiesgraben

IM1 2 11.09.2000

Alter Bodenhorizont, Schluff, schwach feinsandig, U, fs’ alte, weiche Holzstücke eingearbeitet, torfig verwittert 3,3 weich leicht grau IM P1/2 3,3 umgelagerter fossiler Boden fAh Hangschutt Wasser- Schluffiger Ton, grobkiesig zutritt grobblockiger, dichter Kalk (Druchmesser bis 15 cm) vermuteter gekritzt; Matrix mit dunkelgrauen - schwarzen Schlieren erster 3,6 grau - Gleit- weich - breiig leicht dunkelgrau horizont Ende P1/2 Würmeiszeit (?) Moräne und Pi1

Lehm, T,u

vereinzelt Steine bis 7 cm Durchmesser 4,1 weich - steif leicht zu rammen grau

Moräne

Schluffig, feinkiesiger Ton, T,u,fg P1

zusätzlich stückiges Feinmaterial im Bereich 5 mm IM P1/3 4,2 4,7 weich - steif leicht grau

Moräne

Schluffig kiesiger Ton, T,u,g

gröbere Komponenten (cm-Bereich) 5,1 weich leicht grau

Moräne

Schluffig feinkiesiger Ton

Ocker - gelbbraune Oxidationsränder an gröberen Komponenten; Komponenten scharfkantig 6,0 grau, braune schwerer steif Bereiche Moräne (Grenze zu VS) 6.3 Bohrungen, Sondierungen 153

Projekt: SEDAG - Erlangen, Lahnenwiesgraben

IM1 3 11.09.2000

einzelner Kalkblock Wasser- im kompletten Querschnitt zutritt 6,2 dichter Kalk schwerer hellgrau Ende P1/1 Moränenblock

Schluffiger Ton, stark kiesig

Komponenten bis 1 cm, leicht gerundet, unverwittert 6,6 IM P1/4 6,4 steif leicht dunkelgrau

Moräne oder Verwitterungsschutt Kalk - Mergel Wechselfolge

feine weiße Calcitadern, Lumachelle im Mergel 7,0 dicht, fest schwerer hell- bis dunkelgrau

Kalke und Mergel Kössener

Ton, leicht schluffig P1

Lumachelle Linsen 7,6 IM P1/5 7,5 fest schwarz

Tonstein Kössener

Fels, dicht, mit Tonlagen

zertrümmert 7,8 splittrig, fest grau, schwarz

Kalk, Tonstein Kössener

Fels, splittrig, mergelig

zerfallen

8,3 grau - rollig schwarzgrau Kalk und Mergel Kössener

154 6.3 Bohrungen, Sondierungen

Projekt: SEDAG - Erlangen, Lahnenwiesgraben

IM1 4 12.09.2000

Ton

Nachsturz (?), Fortsetzung der Arbeit vom Vortag 8,35 weich schwarz

Tonstein Kössener

Steine, splittrig

durch Klüftung und Scherung bereits zerlegt, Harnisch- gestörter flächen, oxidierte Flächen Bereich 9,2 hellgrau, tlw. IM P1/6 8,8 splittrig gelblich

Kalkstein Kössener

Ton Schichtung IM P1/7 9,3 bei 9,3 m u.w. erkennbar. trocken, ohne Komponenten Fallen ca. 60° 9,6 fest schwarz

Tonstein Kössener

Kalk, zerlegt und wieder verheilt P1

9,7 dunkel- dicht mittelgrau Kalkstein Kössener

Ton und Mergel mit eingelagerten Kalkbändern

Kalk zerlegt

10,5 schwarz, steif - weich schwarzgrau Tonstein, Mergel, Kössener Kalk Kalk

am Boden 5 mm starkes Mergelhäutchen 10,7 dicht grau

Kalk Kössener 6.3 Bohrungen, Sondierungen 155

Projekt: SEDAG - Erlangen, Lahnenwiesgraben

IM1 5 12.09.2000

ausgespült Kernverlust 10,9

Kalk, fest, zum Ende splittrig, mergelig

11,0 dunkelgrau- dicht, splittrig schwarz Kalkstein Kössener

Kalkstein Kern durch eine ca. 80° laminiert, Calcitadern (verheilte Brüche), Stylolithen steile Fläche geteilt: Kalk 12,0 gegen Ton- dicht A grau stein. Vorliegende Kalkstein Kössener Lagerung?

Ton, Mergel P1

12,0 Ende IM1 B steif schwarz und EM1

Tonstein, Mergel Kössener

156 6.3 Bohrungen, Sondierungen

Anhang 6.3-2. Kernfotos IM1

6.3 Bohrungen, Sondierungen 157

Anhang 6.3-3: Bohrprotokoll IM2.

Projekt: SEDAG - Erlangen, Lahnenwiesgraben

IM2 1 08.09.2000

Bemerkungen

Kernverlust

Einbauten

Sonstiges

P Schluff, feinsandig, tonig I e n g E k e x li l t n e o P n m 2 Grassoden, durchwurzelt s o e m te e r I 0,1 te M weich leicht schwarz r E 2 2

Piezometer und Oberboden Mutterboden Thermometer Pi2

Kies, G,s’,u’

Aufschüttung Forstweg 0,6 rollig leicht ocker- grau

Schotterdecke Aufschüttung

Mittel- bis Grobkies, stark tonig, schwach schluffig P1

Planum Forstweg 0,7 bindig leicht ocker - beige

Planum Aufschüttung

Ton, schwach grobsandig IM P1/1 2,8 alter Bodenhorizont (von Weg überlagert), stark 0,8 durchwurzelt weich leicht schwarz

Boden fAh

Tonstein, Mergel

1,3 grau mit leicht weich Ockerschlieren Hangschutt, MO Quartär, und kö umgelagert Hangschutt

158 6.3 Bohrungen, Sondierungen

Projekt: SEDAG - Erlangen, Lahnenwiesgraben

IM2 2 08.09.2000

Ton, schluffig, von oben nach unten ‘schwach kiesig’ zu ‘kiesig’ naß bis breiig, Blöcke bis 20 cm, gerundet, Oxidations- 3,7 flächen, durchwurzelt (verschleppt?) breiig bis weich leicht grau

Mergel, Ton Hangschutt MO und Kö Ton, schluffig, grobkiesig

keine Ockerverfärbungen 4,1 Ende P2 und Pi2 weich - steif leicht dunkelgrau IM P2/1 3,9

Hangschutt Quartär

Schluff IM P2/2 4,3 trocken - leicht feucht 4,3 fest schwer besch-braun

Verwitterungs- schutt Lias Fleckenmergel Kalk und Mergel P1

tlw. verwittert IM P1/3 4,2 4,5 fest schwer grau - graublau bei 4,5 m Kalk und Mergel Fleckenmergel verwittertes Band Kalk, eng geklüftet, stückig

ockerfarben, verwittertert 4,7 schwer braun, ocker, fest rotbraun

Kalkstein Fleckenmergel

Kalk

unverwittert 4,9 fest schwer blaugrau bei 4,9 m Kalkstein Fleckenmergel verwittertes Band 6.3 Bohrungen, Sondierungen 159

Projekt: SEDAG - Erlangen, Lahnenwiesgraben

IM2 3 08.09.2000

Mergel

verwittert, feucht 5,1 steif schwer dunkelgrau

Schluffstein Fleckenmergel

Kalke und Mergel, stückig zerlegt, G,u

Kluftflächen braun und rostig belegt 5,7 IM P1/4 6,4 weich schwer dunkelgrau

Kalk, Mergel Fleckenmergel

Kalk, Mergel, bankig

unverwittert, flache Lagerung 6,0 plattig schwer hellgrau - grau

Kalkstein Fleckenmergel

Kalk und Mergel, stückig, Kalzitäderchen im Mergel P1

verwittert, feinschichtig 6,4 IM P2/3 6,3 rollig mittelschwer rostrot - ocker

Kalkstein Fleckenmergel

Kalk, unverwittert, Fels

0,5 - 3 cm plattig, Kalzitadern 6,5 dicht mittelschwer dunkelgrau

Kalkstein Fleckenmergel

Ton, schluffig, schwach feinsandig

verwittertes Material

7,0 rotbraun - steif mittelschwer dunkelbraun Mergel Fleckenmergel

160 6.3 Bohrungen, Sondierungen

Projekt: SEDAG - Erlangen, Lahnenwiesgraben

IM2 4 08.09.2000

Kalkfels durchzogen von dicken Calcitadern, bis 5 cm tiefe Ver- 7,2 witterung, Kluftflächen schwarz belegt klüftig schwer hellgrau´

Kalkstein Fleckenmergel

Kernverlust verschleppt und gestaucht durch Kalkblock aus oberer Lage 8,0

schluffiger Ton, kiesig

hellgraue Kalkbruchstücke 8,4 hellgrau - steif schwer gelbl.-bräunlich

Mergel Fleckenmergel

splittriger Tonstein, z.T. verkieselt P1

trocken 8,8 schwarz - danach Um- fest - rollig mittelschwer schwarzgrau stellen auf Seilkern- Tonstein Fleckenmergel bohrung

Kalke 09.09.2000

ab 9,1 m vollständig erhaltener Kern

9,6 hell-dunkelgrau dicht schwer - leicht gelblich Ende IM2 und EM2 Kalkstein Fleckenmergel

6.3 Bohrungen, Sondierungen 161

Anhang 6.3-4. Kernfotos IM2

162 6.3 Bohrungen, Sondierungen

Anhang 6.3-5: Leichte Rammsondierungen LRS 1 – 3 im Kriechstrom KV14 (nach DIN 4094).

6.3 Bohrungen, Sondierungen 163

Anhang 6.3-6: Leichte Rammsondierungen LRS 4 – 5 im Kriechstrom KV13 (nach DIN 4094).

164

6.4 Probenahmen und Analysen 165

6.4 Probenahmen und Analysen

6.4 1: Karte der Probenahmepunkte 6.4 2: Liste der Proben und Analysewerte

6.4 Probenahmen und Analysen 166

Anhang 6.4-1: Karte der Probenahmepunkte, Sondierungen und Bohrungen

6.4 Probenahmen und Analysen 167

Anhang 6.4-2: Liste der Proben und Analysewerte.

168 6.4 Probenahmen und Analysen

6.4 Probenahmen und Analysen 169

170

6.5 Kriechströme – Ergänzende Kartierunterlagen und Zwischenergebnisse der Modellierung 171

6.5 Kriechströme – Ergänzende Kartierunterlagen und Zwischen- ergebnisse der Modellierung

6.5-1: Zwischenergebnisse des Modelldurchlaufs A aus Abb. 51 6.5-2: Geotechnisches Profil im Bereich des Konvergenzmesszugs 10 und 11

172 6.5 Kriechströme – Ergänzende Kartierunterlagen und Zwischenergebnisse der Modellierung

6.5 Kriechströme – Ergänzende Kartierunterlagen und Zwischenergebnisse der Modellierung 173

Anhang 6.5-1: Zwischenergebnisse des Modelldurchlaufs A aus Abb. 51.

Layer = Geofaktor; Class = Wertebereich Geofaktor; Condition + = Anzahl Rasterzellen mit der Layer class; Condition - = alle Zellen ohne die Layer class; Fail+ Condition+ = Zellen mit Schuttstrom und Layerclass; P(fail) = a priori-Wahrscheinlichkeit; P(fail| conditi- on+/-) = bedingte Wahrscheinlichkeit mit/ohne Layerclass; CF+/- und CC siehe Kap. 4.1.5.1.

Fail+ Fail+ P(fail) P P Certainty Certainty Zeile Layer Nr. Class Layer Class Condition + Condition - Contrast CC Condition+ Condition- =a priori (fail|condition+) (fail|condition-) Factor CF'+ Factor CF'-

1 5 1 Durchlässigkeit 0 - 5,5*10-8 [m/s] 1683 94765 379 1864 0,02326 0,22519 0,01967 0,91808 -0,15731 1,07538 2 4 8 Boden Gley-Kolluvium 3579 92869 718 1525 0,02326 0,20061 0,01642 0,90513 -0,29881 1,20394 3 5 3 Durchlässigkeit 2,7*10-7 - 5,5*10-6 [m/s] 684 95764 136 2107 0,02326 0,19883 0,02200 0,90406 -0,05514 0,95920 4 0 5 Lithologie Festgestein, veränderlich fest 1313 95135 240 2003 0,02326 0,18279 0,02105 0,89355 -0,09671 0,99026 5 8 4 Vernässungsgrad vernässt 9549 86899 1521 722 0,02326 0,15928 0,00831 0,87433 -0,64812 1,52245 6 4 3 Boden Rendzina-Gley 759 95689 71 2172 0,02326 0,09354 0,02270 0,76928 -0,02453 0,79381 7 4 4 Boden Gley 3403 93045 298 1945 0,02326 0,08757 0,02090 0,75191 -0,10330 0,85522 8 3 4 Mächtigkeit 2.1 - 5.0 [m] 14221 82227 1189 1054 0,02326 0,08361 0,01282 0,73903 -0,45465 1,19369 9 0 4 Lithologie Kössener Schichten 15595 80853 1011 1232 0,02326 0,06483 0,01524 0,65654 -0,35013 1,00666 10 6 4 Hangneigung 15 - 20 [°] 12367 84081 673 1570 0,02326 0,05442 0,01867 0,58628 -0,20084 0,78713 11 6 3 Hangneigung 10 - 15 [°] 9034 87414 489 1754 0,02326 0,05413 0,02007 0,58394 -0,14000 0,72394 12 1 2 Lockergestein - Fazies Moräne 9525 86923 500 1743 0,02326 0,05249 0,02005 0,57023 -0,14058 0,71082 13 5 4 Durchlässigkeit 5,5*10-6 - 2,5*10-5 [m/s] 11376 85072 579 1664 0,02326 0,05090 0,01956 0,55600 -0,16210 0,71811 14 7 7 Vegetation Sträucher, Buesche 5851 90597 268 1975 0,02326 0,04580 0,02180 0,50399 -0,06401 0,56800 15 4 5 Boden Braunerde-Pseudogley 1180 95268 52 2191 0,02326 0,04407 0,02300 0,48351 -0,01135 0,49486 16 0 3 Lithologie Festgestein, kompetent 17766 78682 740 1503 0,02326 0,04165 0,01910 0,45218 -0,18209 0,63427 17 6 5 Hangneigung 20 - 25 [°] 13694 82754 534 1709 0,02326 0,03900 0,02065 0,41323 -0,11435 0,52758 18 7 2 Vegetation Rasen, Mähwiese, Weide 16225 80223 556 1687 0,02326 0,03427 0,02103 0,32900 -0,09782 0,42683 19 2 1 Lockergestein-geotechn. bindig; tonig-schluffig; Restanteil < 30% 45122 51326 1530 713 0,02326 0,03391 0,01389 0,32162 -0,40834 0,72996 20 3 3 Mächtigkeit 1.1 - 2.0 [m] 27610 68838 886 1357 0,02326 0,03209 0,01971 0,28184 -0,15542 0,43725 21 1 5 Lockergestein - Fazies Bachsedimente 780 95668 23 2220 0,02326 0,02949 0,02321 0,21635 -0,00224 0,21858 22 2 6 Lockergestein-geotechn. nicht bindig; sandig-blockig; - 781 95667 23 2220 0,02326 0,02945 0,02321 0,21531 -0,00223 0,21754 23 7 1 Vegetation Mischwald 33628 62820 922 1321 0,02326 0,02742 0,02103 0,15540 -0,09785 0,25325 24 4 9 Boden Braunerde-Kolluvium 3556 92892 91 2152 0,02326 0,02559 0,02317 0,09340 -0,00393 0,09733 25 5 2 Durchlässigkeit 5,5*10-8 - 2,8*10-7 [m/s] 7141 89307 177 2066 0,02326 0,02479 0,02313 0,06321 -0,00539 0,06860 26 5 7 Durchlässigkeit 2.5*10-4 - 2,8*10-4 [m/s] 16089 80359 378 1865 0,02326 0,02349 0,02321 0,01038 -0,00210 0,01248

27 0 6 Lithologie Allgäuschichten ("Fleckenmergel") 1293 95155 30 2213 0,02326 0,02320 0,02326 -0,00239 0,00003 -0,00242 28 8 3 Vernässungsgrad feucht 29531 66917 672 1571 0,02326 0,02276 0,02348 -0,02201 0,00963 -0,03164 29 1 4 Lockergestein - Fazies Hangschutt 73251 23197 1646 597 0,02326 0,02247 0,02574 -0,03455 0,09866 -0,13321 30 6 6 Hangneigung 25 - 30 [°] 14819 81629 296 1947 0,02326 0,01997 0,02385 -0,14399 0,02557 -0,16956 31 6 2 Hangneigung 5 - 10 [°] 5807 90641 114 2129 0,02326 0,01963 0,02349 -0,15898 0,01012 -0,16910 32 4 2 Boden Rendzina-Braunerde 9205 87243 162 2081 0,02326 0,01760 0,02385 -0,24760 0,02562 -0,27322 33 3 5 Mächtigkeit > 5.0 [m] 3349 93099 58 2185 0,02326 0,01732 0,02347 -0,25981 0,00932 -0,26912

6.5 Kriechströme – Ergänzende Kartierunterlagen und Zwischenergebnisse der Modellierung 174

Fail+ Fail+ P(fail)= P P Certainty Certainty Zeile Layer Nr Class Layer Class Condition + Condition - Contrast CC Condition+ Condition- a priori (fail|condition+) (fail|condition-) Factor CF'+ Factor CF'- 34 4 1 Boden Rendzina 38954 57494 667 1576 0,02326 0,01712 0,02741 -0,26832 0,15521 -0,42353 35 2 2 Lockergestein-geotechn. bindig; tonig-schluffig; sandig-blockig 42465 53983 684 1559 0,02326 0,01611 0,02888 -0,31242 0,19936 -0,51178 36 7 4 Vegetation Nadelwald 32719 63729 459 1784 0,02326 0,01403 0,02799 -0,40242 0,17326 -0,57569 37 4 6 Boden Braunerde 7067 89381 84 2159 0,02326 0,01189 0,02416 -0,49478 0,03810 -0,53288 38 5 8 Durchlässigkeit 2,8*10-4 - 15,0*10-4 [m/s] 49395 47053 534 1709 0,02326 0,01081 0,03632 -0,54099 0,36827 -0,90926 39 0 7 Lithologie Doggerkalk 106 96342 1 2242 0,02326 0,00943 0,02327 -0,60000 0,00067 -0,60067 40 7 3 Vegetation vegetationsfrei 3075 93373 27 2216 0,02326 0,00878 0,02373 -0,62796 0,02057 -0,64852 41 5 6 Durchlässigkeit 2,8*10-5 - 2,5*10-4 [m/s] 838 95610 7 2236 0,02326 0,00835 0,02339 -0,64621 0,00572 -0,65193 42 1 3 Lockergestein - Fazies fluvioglaziale Sedimente 8588 87860 69 2174 0,02326 0,00803 0,02474 -0,65982 0,06156 -0,72138 43 6 7 Hangneigung 30 - 35 [°] 15587 80861 96 2147 0,02326 0,00616 0,02655 -0,73972 0,12708 -0,86680 44 5 5 Durchlässigkeit 2,5*10-5 - 2,8*10-5 [m/s] 8821 87627 53 2190 0,02326 0,00601 0,02499 -0,74612 0,07113 -0,81725 45 0 2 Lithologie Plattenkalk 39102 57346 212 2031 0,02326 0,00542 0,03542 -0,77105 0,35153 -1,12258 46 4 7 Boden Rohboden 25852 70596 92 2151 0,02326 0,00356 0,03047 -0,85000 0,24237 -1,09237 47 4 10 Boden KVL-Kolluvium 2343 94105 8 2235 0,02326 0,00341 0,02375 -0,85610 0,02130 -0,87740 48 3 2 Mächtigkeit 0.26 - 1.0 [m] 40187 56261 101 2142 0,02326 0,00251 0,03807 -0,89418 0,39843 -1,29261 49 7 6 Vegetation Krummholz 3768 92680 9 2234 0,02326 0,00239 0,02410 -0,89944 0,03603 -0,93548 50 6 8 Hangneigung 35 - 40 [°] 14206 82242 28 2215 0,02326 0,00197 0,02693 -0,91706 0,13976 -1,05682 51 7 5 Vegetation lueckenhafte (Pionier-) Vegetation 1115 95333 2 2241 0,02326 0,00179 0,02351 -0,92453 0,01093 -0,93546 52 6 9 Hangneigung 40 - 90 [°] 9047 87401 12 2231 0,02326 0,00133 0,02553 -0,94422 0,09104 -1,03526 53 8 2 Vernässungsgrad trocken 37709 58739 47 2196 0,02326 0,00125 0,03739 -0,94759 0,38694 -1,33453 54 2 3 Lockergestein-geotechn. Festgestein 4300 92148 5 2238 0,02326 0,00116 0,02429 -0,95111 0,04346 -0,99457 55 1 1 Lockergestein - Fazies Festgestein 4304 92144 5 2238 0,02326 0,00116 0,02429 -0,95115 0,04350 -0,99465 56 3 1 Mächtigkeit 0 - 0.25 [m] 11081 85367 9 2234 0,02326 0,00081 0,02617 -0,96586 0,11398 -1,07984 57 6 1 Hangneigung 0 - 5 [°] 1887 94561 1 2242 0,02326 0,00053 0,02371 -0,97773 0,01958 -0,99731 58 0 1 Lithologie Hauptdolomit 20286 76162 9 2234 0,02326 0,00044 0,02933 -0,98136 0,21208 -1,19344 59 2 4 Lockergestein-geotechn. nicht bindig; sandig-kiesig; steinig-blockig 3588 92860 1 2242 0,02326 0,00028 0,02414 -0,98829 0,03765 -1,02594 60 8 1 Vernässungsgrad Karst 19659 76789 3 2240 0,02326 0,00015 0,02917 -0,99359 0,20759 -1,20118 61 0 8 Lithologie Bunte Hornsteinschichten ("Radiolarit") 972 95476 0 2243 0,02326 0,00000 0,02349 -1,00000 0,01032 -1,01032 62 0 9 Lithologie Aptychenschichten 9 96439 0 2243 0,02326 0,00000 0,02326 -1,00000 0,00010 -1,00010 63 2 5 Lockergestein-geotechn. nicht bindig; steinig-blockig; - 192 96256 0 2243 0,02326 0,00000 0,02330 -1,00000 0,00204 -1,00204 64 4 11 Boden Parabraunerde 12 96436 0 2243 0,02326 0,00000 0,02326 -1,00000 0,00013 -1,00013 65 4 12 Boden Pseudogley 117 96331 0 2243 0,02326 0,00000 0,02328 -1,00000 0,00124 -1,00124 6.5 Kriechströme – Ergänzende Kartierunterlagen und Zwischenergebnisse der Modellierung 175

Anhang 6.5-2: Geotechnisches Profil im Bereich des Konvergenzmess- zugs 10 und 11.

Lage der Profile in Abb. 48, S. 82. Weitere Erläuterungen in Kap. 4.1.2.4, S. 81ff (verändert nach BÜCH 2003).

176 6.6 Lockergesteinsgleitungen 177

6.6 Lockergesteinsgleitungen

Anhang 6.6-1: Erhebungsbogen für Lockergesteinsgleitungen. Anhang 6.6-2: Lage der kartierten Lockergesteinsgleitungen

178 6.6 Lockergesteinsgleitungen

6.6 Lockergesteinsgleitungen 179

Anhang 6.6-1: Erhebungsbogen für Lockergesteinsgleitungen. M uschelanbruch Blattanbruch Rinnenanbruch Nischenanbruch Nr.: sonstige Aufnahmedatum : Bearbeiter: Lagebeschreibung:

Wetter: keine NS Schauer Dauerregen Gewitter / Stark-NS

HANGMORPHOLOGIE: Neigung: Exposition: Höhe NN: Längsprofil ge nerell: gestreckt konkav konvex Hangkante Detail: stufig buck lig gestreckt

Querprofil generell: ges treckt konkav konvex Hangrippe Detail: ges treckt Rippen

Vegetation: keine Pionierpflanzen Rasen subalpiner Rasen Feuchtwiese Unterholz

Mischwald Laubwald Nadelwald Latschen Nutzung: Beweidung Forstwirtschaft Landwirtschaft Wege Bebauung keine

Hydrologie: trocken feucht vernässt dauernd temporär flächig punktuell

Nässezeiger: keine Quellen Sickerwasser Stauwasser Versickerungen pflanzliche Zeiger

Bewegungsanzeichen in der Umgebung: keine Risse Kriecherscheinungen alte Anrisse / Ablagerungsflächen

Deformationen:

Anbrüche in Umgebung: ANBRUCH: Hanganbruch Uferanbruch rotationsfg translationsfg transl-rotationsfg nischenfg rinnenfg

Prozess: Gleiten Kriechen Fließen Kippen Fallen Schurf Anbruc hsjahr: Länge: Breite: Tiefe: Fläche: Volumen: . Auslöser: Regenereignis Unterschneidung progressiver Bruch Windbruch Anthropogen Neuauflast Schneedruck Schneeschmelze Lawine unbekannt

Umlag erung Sediment: % in der Hohlform % am Hang % im Speicher % weitertransportiert murartig (j/n) ID Zielspeicher:

LOCKERGEST EIN: (Boden, Verwitterungschutt VS, Hangschutt HS, Steinschl./Felssturz, fluvial/limnisch, Mure, Moräne/fluvioglazial.)

Horizont | Körnung (z. B. Tu’g) | Konsistenz (fest?halbfest?steif?we ich?breiig) | Mächtigkeit

Bewegungshorizont: Anstehendes Wurzelhorizont Lockergesteinsgrenze ohne vorgezeichnete Bahn Schicht Kluft Verschnittlinie

FESTGESTEIN: wk – hd – pk – kö – lf – bk – wh – w aufgeschlossen interpoliert nicht aufgeschlossen

Verwitterungsgrad: frisch angewittert tief verwittert Felsverband: original verstellt aufgelöst

Schichtverband: im Verband schwach aufgelockert stark aufgelockert Abstand Schichtflächen [cm]: <1 1 – 5 5 – 15 15 – 30 30 – 50 > 50 Öffnungsw eite [mm:] 0 0,5 – 1 1 – 5 5 – 10 10 – 50 > 50 Flächenausbildung: eben wellig rauh Abstand Kluftflächen [cm]: <1 1 - 5 5 - 15 15 – 30 30 – 50 > 50 Kluftöffnung [mm]: 0 0,5 – 1 1 – 5 5 – 10 10 – 50 > 50 Flächenausbildung: glatt rau h stufig Harnische Spaltfüllung: Lage Schichtung zu Böschung: hangparallel hangeinwärts hangauswärts geotechnisch neutral

Lage Klüftung zu Böschung: hangparallel hangeinwärts hangauswärts geotechnisch neutral BEMERKUNGEN:

Schäden, Beschreibung en, Ent wicklungsab schätzu ng, Ve rweise Fotos: Proben: Gefügemeßpunkte:

6.6 Lockergesteinsgleitungen 180

Anhang 6.6-2: Lage der kartierten Lockergesteinsgleitungen im Ufer und Hangbereich.

LEBENSLAUF

Name: Dirk Keller, geb. Fleischer Geburtstag: 13.03.1971 Geburtsort: Kronach

1977 – 1981: Grundschule Reitsch 1981 – 1990: Kaspar-Zeuß-Gymnasium Kronach 1990 – 1992: Wehrdienst

1992 – 1999: Studium der Geologie/Paläontologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg 1999 Diplom Diplomarbeit: Ingenieurgeologische Aufnahmen im oberen Lahnenwiesgraben (Garmisch-Partenkirchen, Oberbayern).

1999 Angestellter, AICON AG, Darmstadt; Ingenieurgeologe der Bauüberwachung im Tunnelbau, ICE-Neubaustrecke Köln-Rhein/Main, Los A und B 1999 – 2005: Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Angewandte Geologie, Institut für Geologie/Paläontologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnbeg; Kartie- rung, Modellierung 2005 – 2007: Angestellter, Geotechnisches Sachverständigenbüro Dr. Ing. habil. B. Müller, Leip- zig; Rohstofferkundung, Böschungssicherung, Erschütterungsmessungen, Bau- grund Seit 2007: Angestellter, HYDRODATA GmbH Oberursel; Altlastensanierung