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W+W Special Paper B-21-3

Die Radiation der Silberschwert- Gruppe (Familie ) von Hawaii und die Rolle der Polyploidie

Nigel Crompton

Juli 2021

https://www.wort-und-wissen.org/wp-content/uploads/b-21-3_silberschwert.pdf Inhalt

Die Radiation der Silberschwert-Gruppe (Familie Asteraceae) von Hawaii und die Rolle der Polyploidie

kompakt ...... 3 Einführung ...... 3 Asteraceae, die Familie der Silberschwert-Gruppe ...... 5 Taxonomie der Asteraceae ...... 7 Phänotypische Merkmalsausprägungen der Silberschwert- Gruppe ...... 9 Artenvielfalt innerhalb der Silberschwert-Gruppe ...... 12 Hybridisierung in der Silberschwert-Gruppe ...... 13 Hybriden und der Ursprung der Arten ...... 15 Wie die Silberschwert-Gruppe begann ...... 18 Die Radiation der Silberschwert-Gruppe ...... 21 Allgemeine Aspekte der Radiation der Silberschwert-Gruppe ...... 23 Eine kurze Geschichte der Silberschwert-Gruppe ...... 24 Schlussfolgerungen ...... 26 Quellen ...... 28

Zum Titelbild:

Das Silberschwert oder Ahinahina ( sandwicense subsp. macrocephalum), in der Nähe des Besucherzentrums des Haleakala-Gipfels (Höhe: ca. 3.000 Meter) auf Maui. (Foto: Nigel Crompton)

2 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 Die Radiation der Silberschwert-Gruppe (Familie Asteraceae) von Hawaii und die Rolle der Polyploidie

Einführung Kompakt Hawaii ist ein wunderschöner Archipel, einer der isoliertesten Orte der Welt, verloren inmit- Die Silberschwert-Sippe* (engl. „“) ist ein spektakuläres Bei- ten des riesigen Pazifischen Ozeans, aber mit ei- spiel für eine adaptive Radiation* von Pflanzen auf dem Hawaii-Archipel. Zu ihren 33 Arten gehören Bäume, Lianen, Sträucher, Polsterpflanzen und Rosettenpflanzen. ner großen Fülle endemischer* Pflanzen- und Diese extreme phänotypische* Vielfalt ist jedoch mit einer minimalen genetischen Tierarten. Nur durch die noch abgelegenere Vielfalt und mit einer Fülle von Hybriden* verbunden. Die Radiation begann ver- Osterinsel in den Schatten gestellt, könnte die- mutlich, als die Samen von zwei kalifornischen „Tarweeds“1 (Gattung und ser Archipel als das Ende der Erde betrachtet nahe Verwandte).vom pazifischen Goldregenpfeifer nach Hawaii transportiert werden. Als sich die Menschheit über die ge- wurden. Dort hybridisierten die daraus hervorgegangenen Pflanzen, und in den samte Erdoberfläche zerstreute, waren die poly- Nachkommen wurden genetische Programme aktiviert, die verschiedene Abstam- nesischen Inseln die letzten, die besiedelt wur- mungslinien und eine Fülle von Nachkommenarten hervorbrachten. Verschiedene Eigenschaften und Merkmalsausprägungen* der Pflanzen werden untersucht, um den. Von diesen wurden der Hawaii-Archipel festzustellen, welches Modell überzeugendere Erklärungen für den Ursprung die- und die Osterinsel als letzte erreicht. Es waren ser Arten liefert: das traditionelle Evolutionsmodell, das auf Genduplikation bzw. die Polynesier mit ihrer Doppelrumpf-Platt- Polyploidisierung und dem Auftreten mehrerer vorteilhafter Mutationen beruht, form-Segelkanu-Technologie, die sich schließ- oder das Mendel‘sche Modell, das auf präexistenten genetischen Programmen lich der Herausforderung des großartigen, gründet. Die Vererbung von Merkmalsausprägungen, der Grad der Heterozygotie scheinbar endlosen Pazifiks stellten. Von ihrer und die Fähigkeit zur Hybridisierung werden im Rahmen der Stammesgeschichte Inselbasis der Südsee aus überquerten sie nach der Silberschwert-Gruppe untersucht. Die gut begründete Schlussfolgerung lautet, dass diese adaptive Radiation und die zu ihr gehörenden Arten auf den Inseln durch Norden den Äquator und erreichten schließlich genetische Mechanismen entstanden sind, die die Mendel‘sche Artbildung – Meio- um 1000–1100 n. Chr. die Hawaii-Inseln und se* und Fortpflanzungsisolation* – widerspiegeln, und dass Mutationen grundsätz- besiedelten sie (Wilmshurst et al., 2011; Athens lich eine unwesentliche und vor allem schädliche Rolle spielten. et al., 2014; Ioannidis et al., 2020). Zuerst kamen Pioniere von den Marquesas-Inseln. Einige wider. Sie behält die Streifen der US-Flagge bei, Mit einem Stern* ver­ Jahrhunderte später überwältigten und unter- aber in der linken oberen Ecke sind nicht die sehene Begriffe werden warfen die physisch größeren und aggressiven Sterne, sondern der Union Jack der britischen im Glossar erklärt. Tahitianer diese frühen Pioniere, die „Menehu- Flagge zu sehen. ne“, und eliminierten sie fast vollständig. Sie Die hawaiianische Inselkette ist vulkanischen wurden zum Stoff von Legenden. Wiederum ei- Ursprungs. Dies spürt man heute noch, und der nige Jahrhunderte danach kamen die ersten Eu- Vulkanismus wird oft in den Nachrichten er- Abb. 1 Kalalau-Tal, Kaua‘i, Nordwest-Hawai‘i. (Foto: ropäer, zuerst im Geheimen die Spanier. Diese wähnt (Abb. 2). In der südöstlichen Ecke der Nigel Crompton) nannten die Inseln „Isla de Mesa, de los Monjes y Desgraciada” (Die Tafel der Mönches und des Wichtes), aber schließlich fanden auch die Bri- ten diese Inseln. 1778 landete Kapitän Cook bei Oahu. Er nannte den Archipel nach seienem Patron die „Sandwich-Inseln“. Dort verlor er sein Leben. Seither aber ist ein endloser Strom von Einwanderern aus zahlreichen Ländern ge- kommen, um auf den herrlichen, immer som- merlichen, paradiesischen Inseln zu wohnen und sie ihre Heimat zu nennen (Abb. 1). Viel zu abgelegen, als dass die Briten um sie kämpfen wollten, waren sie für die aufstrebenden Verei- nigten Staaten von großer strategischer Bedeu- tung, und 1859 wurde der Hawaii-Archipel un- ter teilweise dubiosen politischen Umständen als 50. und letzter Bundesstaat den Vereinigten Staaten von Amerika einverleibt. Ihre Flagge spiegelt noch immer diese jüngere Geschichte

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 3 größten der acht Inseln kommt ständig neues Wasser ist für den Vulkanismus auf unserem Pla- Land hinzu. Es gibt viele geologische Debatten neten verantwortlich; für die einzigartige Bil- über die Quelle dieser Lava, und viele Einzel- dung von Kontinentalkruste, für die fortschrei- heiten sind erst kürzlich entdeckt worden. Die tende Entstehung von Gebirgsketten und Insel- Inseln sind Teil der kontinentalen Kruste, und bögen sowie für abgelegene Inseln wie Hawaii, diese ist einzigartig auf unserem Planeten. Man die Osterinsel und Island (Tarbuck et al., 2014; vermutet, dass alle erdähnlichen inneren Plane- Ni et al., 2017). Tief unter der Erdoberfläche in- ten eine so genannte „ozeanische“ Kruste ha- teragiert Wasser bei enormen Temperaturen ben, aber nur die Erde hat auch eine kontinen- und Drücken mit den Gesteinen, ähnlich wie tale Kruste. Sie ist weniger dicht als die ozeani- Salz mit Eis, und bringt diese zum Schmelzen. sche Kruste und schwimmt daher auf ihr. 1983 Da die Dichte dieser halbfesten Gesteine gerin- veröffentlichte die populärwissenschaftliche ger ist, werden diese zwangsläufig immer weiter Zeitschrift Scientific American eine Sonderausga- nach oben gedrückt, bis sie nahe der Oberfläche be über die Geologie der Erde. Der Artikel, in abkühlen und dort riesige Magmakammern dem die kontinentale Kruste thematisiert wur- und Gebirgsketten bilden oder bis sie an der de, endete mit der Klage, dass unser Mangel an Oberfläche auslaufen und dort Massen von La- Wissen „eine große Herausforderung für das vaströmen und ozeanischen Inseln bilden. Auf Verständnis der Entstehung der Kontinente“ diese Weise entsteht Land, und obwohl der Pro- darstelle (Burchfiel, 1983). zess dem Apostel Petrus unbekannt war, schrieb Im selben Jahr schlugen Campbell und Taylor er: „Die Erde hatte aus Wasser und durch Wasser (1983) die Lösung vor: „Wasser ist wesentlich Bestand“ (2. Petrus 3,5). für die Bildung von Graniten, und Granit wie- Nach dem plattentektonischen Konzept be- derum ist wesentlich für die Bildung stabiler ginnt der Tiefenwasserkreislauf der Erde typi- Kontinente.“ Die Erde hat eine große Menge scherweise, wenn tektonische Platten kollidie- an Wasser unter der Oberfläche im Mantel und ren und die schwerere ozeanische Kruste unter im Kern (Li et al., 2020). In Tiefen von 410–660 die leichtere kontinentale Kruste gedrückt wird. km durchläuft das Mantelgestein in der Über- Wenn eine tektonische Platte nach unten ge- gangszone mineralische „Phasenwechsel“ (Le- drückt wird (unter die Kruste subduziert wird), bedev et al., 2002; Fei et al., 2017; Taylor et al., setzt sie Wasser frei, so dass das umgebende Ge- 2019). Dadurch ist das Gestein in der Lage, so stein schmilzt und als Magma aufsteigt (Plum- viel Wasser zu halten wie die gesamte Hydro- mer et al., 2016; Coltice et al., 2019). Helle Ge- sphäre der Erde, d. h. alle ihre Ozeane, Seen und birgsketten mit granitischen Wurzelzonen bil- Flüsse zusammen (Bercovici & Karato, 2003; den sich im Landesinneren entlang der Keppler, 2014; Pearson et al., 2014; Schmandt et kontinentalen Küsten (z. B. die Kaskadenberge al., 2014; Tschauner et al., 2018). Auch wenn es und die Anden) oder Inselketten bilden sich gegen die Intuition geht: Der Überschuss an seewärts entlang der Kontinentalküsten (z. B. die Kleinen Antillen und japanische Archipel). Abgelegene ozeanische Inseln wie Hawaii bil- den jedoch eine Ausnahme. Sie liegen zu weit von den Rändern jeglicher tektonischer Platten entfernt. In diesen Fällen geht man davon aus, dass wasserbeladene ozeanische Kruste tief in den unteren Erdmantel subduziert wurde, bevor sie ihr Wasser freigesetzt hat, vielleicht sogar bis zum äußeren Kern (Townsend et al., 2016; Ha- san et al., 2016; Hirose et al., 2017). Das ge- schmolzene Gestein (Magma) bildete dann ei- nen aufsteigenden Diapir, der sich beim Errei- chen der festen Lithosphäre sammelte, bevor er an wenigen heißen Stellen (Hotspots) durch- schmolz. In diesem Fall stiegen nicht helle Gra- nite, sondern dunkle Basalte an die Oberfläche und bildeten abgelegene Inseln und Inselketten (French & Romanovicz, 2015; Romanovicz, 2017; Lau et al., 2017). Durch diesen Prozess entstanden in der Vergangenheit, als der Erd- Abb. 2 Frische Lava im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Vulkangrabens am Kilauea- Vulkan 2018, Südost-Hawaii, dem größten Ausbruch seit mindestens 200 Jahren. Nach einem mantel noch heißer war, andere, sogar noch mäßig starken Erdbeben stürzte der alte Gipfel ein, und an der Flanke kam es zu einem Spal- größere Inseln, z. B. Puhahonu (Garcia et al., tenausbruch. Fast ein Kubikkilometer Lava wurde schließlich entlang der östlichen Bruchzone 2020). Neuere Untersuchungen bestätigen, dass umverteilt und neues Land an der Südostküste Hawaiis hinzugefügt (Neal et al., 2019). (Foto: Nigel Crompton) es sich nicht um einen langsamen Prozess han-

4 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 delt. Magma, das ebenfalls durch einen Hotspot gebildet wurde, steigt 2,4 km pro Tag durch die Glossar Kruste unter Island auf (Mutch et al., 2019). Diese Geschwindigkeit ist noch bescheiden. In Adaptive Radiation: Entstehung vieler libriform: länglich und dickwandig, mit unterschiedlich angepasster Arten aus verschmälertem Ende. Kimberlite-Röhren steigt Magma sogar etwa einer Stammform. Mbp: Megabasenpaare (Millionen Ba- 100 km pro Tag auf (Russell et al., 2012; Brett et Antherenröhre: zu einer schmalen Röhre senpaare) al., 2015). Einmal an der Oberfläche angekom- verwachsenen Staubbeutel; die Staub- modal: Kombination von Merkmalsaus- men, kühlt die Lava schnell ab und die Pflan- fäden bleiben dabei jedoch frei. prägungen, die bei einer Gruppe am zenwelt fasst rasch Fuß. anzestral: einen stammesgeschichtli- häufigsten vorkommt. Lange vor der Ankunft des Menschen hatten chen Vorläufer betreffend Meiose: Reifeteilung, Bildung der Ge- Pflanzen und verschiedene Tiere ihren Weg in Allel: Zustandsform eines bestimmten schlechtszellen. Gens. Bei ➝ Heterozygotie liegen zwei Merkmal: Bestimmtes Kennzeichen des den Hawaii-Archipel gefunden und die kahle verschiedene Allele eines Gens vor. Phänotyps, entspricht einem Gen (oder Lava in ein wunderschönes Inselparadies ver- Apomorphie: abgeleitetes („höherent- mehreren). Beispiel: Das Merkmal „Blü- wandelt. Viele Pionierarten stellten sich als Ein- wickeltes“) Merkmal tenfarbe“ (nicht: die tatsächlich ausge- wanderer aus fernen kontinentalen Heimatlän- Braktee: Hochblatt, Blatt im Bereich des prägte Farbe selbst). dern heraus. Einige wenige haben außerge- Blütenstandes Merkmalsausprägung: spezifische phä- wöhnliche Veränderungen durchgemacht; dabei Dendrogramm: Ähnlichkeitsbaum mit notypische Ausprägung eines Merkmals, ➝ wurde das latente genetische Potenzial in ihren gabeliger Verzweigung oft entsprechend einem bestimmten : es kommen zwei gestaltliche Allel eines Gens. Beispiel: Verschiedene Chromosomen abgerufen und eine Fülle neuer dimorph Ausprägungen vor. Farben einer Blüte. Arten entstand (Crompton, 2019b; 2020a). Ha- Dysploidie: das Auftreten unterschied- monokarpisch: Pflanzen, die in ihrem waii ist eine Schatzkammer solcher adaptiver lich vervielfachter Einzel-Chromosomen Lebenszyklus nur einmal blühen und Radiationen, die sowohl Pflanzen als auch Tiere im haploiden einfachen Chromosomen- fruchten (= hapaxanth) einschließt. Eine der spektakulärsten Radiatio- satz der Individuen einer Art. monomorph: es kommt nur eine ge- nen ist die Silberschwert-Gruppe, die von ei- Einfang von Plastidengenen: hypothe- staltliche Ausprägung vor. nem Paar kalifornischer Tarweeds ausging, de- tischer evolutionärer Prozess, bei dem pädomorph: Auftreten eines Merkmals ren Samen die Inseln erreichten. Die Nach- durch Hybridisierung verschiedener Ar- eines frühen Entwicklungsstadiums ei- ten und anschließende Rückkreuzungen nes Vorfahren im Erwachsenenstadium kommen hybridisierten und brachten im Laufe eine Pflanze mit einer neuen geneti- eines Nachfahren. der Zeit eine Fülle phänotypisch außerordent- schen Kombination aus Kern- und Chlo- phänotypisch: äußere Erscheinungsform lich vielfältiger, aber genetisch alle sehr eng ver- roplasten-Erbgut entsteht. (Morphologie, Anatomie, Physiologie) wandter Nachkommen hervor. endemisch: in einem begrenzten Gebiet betreffend. vorkommend Polyploidie: Vervielfachung (meist Ver- epigäisch: oberirdisch dopplung) des gesamten Erbguts. Fortpflanzungsisolation: Trennung von Radiation: ➝ adaptive Radiation Asteraceae, die Familie der Silber- Populationen und Unterdrückung eines rRNA: ribosomale RNA schwert-Gruppe Genaustauschs. Spreublatt: stark reduziertes ➝ Trag- Gbp: Gigabasenpaare (Milliarden Ba- blatt, in dessen Achsel die Einzelblüten Die Silberschwert-Gruppe* (engl. „silversword senpaare) eines Blütenkörbchens sitzen (auch Pa- alliance“) ist eine Gruppe von etwa 33 Arten, Genom: Gesamtheit des Erbguts eines lea genannt) die sich auf die drei Gattungen, , Wil- Individuums. sympatrisch: Im gleichen geografischen kesia und Argyroxiphium verteilen. Es sind phä- Gesetz der exponentiellen Kombination Gebiet vorkommend notypisch* bemerkenswert vielfältige Pflanzen von Merkmalsausprägungen: Mit der Tragblatt: ein Blatt, das in seiner Blatt- linearen Zunahme der Anzahl der Merk- achsel einen Seitenspross trägt. innerhalb der Familie der Korbblütler (Astera- male steigt die Anzahl der Merkmals- Translokation: Verschiebung eines Gens ceae), die auf den Hawaii-Inseln endemisch* kombinationen exponentiell. an eine andere Stelle des Erbguts. sind (Abb. 3). Es ist ein auffälliges Beispiel für ei- heterozygot: mischerbig; zwei Allele Tribus: taxonomische Kategorie zwi- ne Gruppe von Pflanzen, die eine außerge- desselben Gens eines Individuums sind schen Gattung und Familie wöhnliche phänotypische Vielfalt aufweisen, verschieden Turgor: Druck der Zellflüssigkeit zugleich aber genetisch so nah beieinander lie- homöotisch: „gleichmachend“. zytogenetisch: betrifft das Teilgebiet gen, dass viele ihrer Arten Hybriden* bilden. Hybride: Mischling. der Genetik, das die Chromosomen Die Silberschwert-Gruppe gehört zu der größ- Kronenart: Eine am oberen Ende des untersucht. Stammbaums stehende (d. h. jüngste) Art ten bekannten Pflanzenfamilie, den Asteraceae, mit 32.913 benannten Arten in 1.911 Gattun- gen. Insgesamt umfassen die bedecktsamigen leicht, woher diese Fülle stammt. Eine Familie Blütenpflanzen (Angiospermen) etwa 369.000 von Organismen, die nur 16 bivalente (d. h. mit bekannte Arten, so dass die zweikeimblättrige jeweils zwei Merkmalsausprägungen) Merkma- Familie Asteraceae fast 9% davon umfasst. Die le* besitzt, hat das Potenzial, mehr als 65.000 einzige andere Familie mit vergleichbarer Grö- Arten hervorzubringen. Eine Familie mit 20 bi- ße, die Orchidaceae, umfasst 28.000 benannte valenten phänotypischen Merkmalen kann Arten, weist jedoch sehr viel mehr Hybriden mehr als eine Million Arten hervorbringen auf. Trotz der großen Anzahl von Arten erklärt (Crompton, 2019a; b). Mendels (1866) Gesetz der exponentiellen Die Familie Asteraceae (auch als Compositae Kombinationen der Merkmalsausprägungen* bezeichnet) war bisher in 13 Unterfamilien un-

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 5 Abb. 3 Das Ahinahina, Mauna-Kea-Silberschwert (Argyroxiphium sandwi- cense subsp. sandwicense) in der Nähe des Mauna- Kea-Besucherzentrums, Big Island (auf ca. 2800 Metern Höhe). Zwei Pflanzen haben ein Wachstum mit einem Blütenstand begonnen und stehen kurz vor der Blüte. Rechts von ihnen sind getrocknete Reste einer der letztjährigen blühenden Pflanzen zu sehen. Richtung Süden zeichnet sich die Sil- huette des etwas weniger hohen Mauna Loa in 20 km Entfernung im Hintergrund ab, einer Entfernung, die etwa dem halben Durch- messer von Big Island entspricht, der größten der Inseln, die mehr Land um- fasst als alle anderen Inseln zusammen. (Foto Eve Keren MacLean, mit freundlicher Genehmigung) terteilt. Ein neuerer „Supertree“, der auf mole- zige Phylogenie (Mandel et al., 2019). Aller- kularen Sequenzierungsdaten basiert, ist in 43 dings sind die auf der Morphologie oder mole- Kladen unterteilt (Funk et al., 2009). Sind eini- kularen Sequenzierung beruhenden Daten oft ge dieser taxonomischen Gruppen Grundtypen kontinuierlich (d. h. ohne klare Grenzen), so oder genetische Familien? Viele Gattungen und dass sie für die schlüssige Definition diskreter Tribus* der Asteraceae können aufgrund der taxonomischer Gruppen (d. h. Gruppen mit Hybridisierungsfähigkeit ihrer Arten eindeuti- klaren Grenzen) ungeeignet sind. Solche faszi- gen Grundtypen zugeordnet werden. Repro- nierenden Fragen sprengen den Rahmen der duktive Isolationsmechanismen sind jedoch viel vorliegenden Arbeit, die sich nur mit einem Teil zu zahlreich und wirksam, als dass sich diese se- des -Tribus innerhalb der Familie der paraten Grundtypen zu einem übergreifenden, Asteraceae befasst. Er konzentriert sich auf die erweiterten Grundtyp verbinden könnten. Untertribus der Madiinae und untersucht eini- Morphologisch gesehen ist es nicht unvernünf- ge Merkmale der kalifornischen Tarweeds, vor tig, alle Asteraceae als zu einer einzigen Familie allem aber die außergewöhnliche Gruppe der gehörend zu behandeln. Molekulare Sequen- Silberschwerter und ihre bemerkenswerte ad- zierungsdaten unterstützen sicherlich eine ein- aptive Radiation.

6 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 Obwohl es sich nicht um ein exklusives Merkmal handelt, kann man Asteraceen gut an ihrem Blütenstand erkennen, der als Körbchen oder Kopf bezeichnet wird. Entsprechend wird die Familie ja auch Korbblütler genannt. Das Körbchen ist keine einzelne Blüte, sondern ein Blütenstand aus vielen winzigen Blüten, den Einzelblütchen (vgl. Abb. 4). Weil es sich nicht um eine echte Blüte handelt, wird es auch als Pseudanthium (= Scheinblüte) bezeichnet. Die Körbchen können ihrerseits wieder zu zusam- mengesetzten Blütenständen (Köpfchenstän- den) vereinigt sein. In der Unterfamilie Aste- roideae, zu der die Silberschwert-Verwandt- schaft gehört, befinden sich in der Mitte des Körbchens mehrere bis viele Röhrenblüten und bilden dort eine zentrale Scheibe (Beispiel in Abb. 4). In den meisten Fällen werden die Röhrenblüten aber noch von einem periphe- Taxonomie der Asteraceae Abb. 4 Körbchen von ren Ring von Zungenblüten umgeben, wie Dubautia arborea. Die violetten Antherenröhren man es von Gänseblümchen, Margerite oder Wie unterscheiden Spezialisten in einer riesigen sind sehr gut zu erken- Sonnenblume kennt. Bei den Zungenblüten ist Familie wie den Asteraceae oder ihrer Unterfa- nen. Sie umschließen den der freie Teil der Krone stark vergrößert und milie die einzelnen Linien? Studien gelben Griffel, dessen zwei Narbenäste an der Spitze bildet die Zunge. Bei den Madiinae sind die zu DNA-Sequenzen – nicht aber zu den Blü- aus der Röhre herausragen. Zungenblüten – soweit vorhanden – dreizipf- tenmerkmalen – deuten darauf hin, dass die As- Während des Wachstums der Narbe wird der Blüten- lig. Bei vielen Gattungen sind viele Einzelblüt- teroideae in drei Supertribus aufgeteilt werden staub an der Innenseite der chen als „Röhrenblüten“ zu einer zentralen sollten: Helianthodae, Asterodae und Senecio- Antherenröhre von kleinen „Scheibe“ zusammengefügt, die von einem nodae (Robinson, 2004). Trotz dieser eindeuti- Seitenhärchen des Griffels aufgenommen und hoch- peripheren Ring von „Zungenblüten“ umge- gen DNA-Trichotomie sind charakteristische transportiert und dadurch ben ist. Pflanzen mit einer zentralen Scheibe morphologische Merkmale (Apomorphien*), langsam und dosiert der Umwelt präsentiert. Zun- von Röhrenblüten, mit oder ohne Ring von die diese Aufspaltung unterstützen, schwer zu genblüten fehlen bei dieser Zungenblüten (wie Abb. 4), bilden die Unter- finden. Beispielsweise produzieren viele Heli- Art. (Foto: Gerald D. Carr, familie der Asteroideae (oder Tubuliflorae). anthodae-Arten Phytomelanin in ihren Achä- mit freundlicher Genehmi- gung). Pflanzen ohne die zentrale Scheibe, sondern nenzellwänden (wodurch sie sowohl gegen In- mit Körbchen, die nur aus Zungenblüten (auch sekten als auch gegen Austrocknung resistent Strahlenblüten bezeichnet) bestehen, bilden sind), aber bei weitem nicht alle Arten. Dies die Unterfamilie Cichorioideae (oder Liguli­ weist auf ein verbreitetes Problem der verglei- florae). chenden DNA-Sequenzierung hin, das mit ei- Die Blüten der Asteraceae sind auch deshalb nem unangemessenen Glauben an Zahlen zu ungewöhnlich, weil sie keinen Kelch mit Kelch- tun hat. Das Problem liegt hier in der modellba- blättern haben, stattdessen können sie einen sierten, algorithmischen Zwangsläufigkeit. Die Pappus (eine Gruppe von Haaren, Schuppen, Algorithmen führen immer zu irgendeiner Phy- Grannen oder Borsten) besitzen, der gewöhn- logenie, aber diese wird oft nur schwach durch lich als Flugorgan dient. Darüber hinaus ver- gemeinsame phänotypische Merkmale gestützt. schmelzen die Staubbeutel (aber nicht ihre Fä- Das ist ein besonders schwer lösbares Problem. den) zu einem engen Schlauch (Antherenröhre, Die vergleichende Sequenzierung spaltet die oder „Synanther“ im Englischen), der den Grif- Helianthodae in Gattungsgruppen (Tribus) auf, fel umhüllt, durch den der Pollen nach oben be- darunter die Madieae, aber es handelt sich um fördert wird (vgl. Abb. 4). Diese Antherenröh- eine sehr komplexe taxonomische Gruppe. For- ren sind für die ganze Familie der Asteraceae so scher streiten darüber, ob die Madieae nur als charakteristisch, dass die wissenschaftlichen Stu- eine Untertribus der Tribus be- dien der Korbblüter „Synantherologie“ ge- trachtet werden sollten, oder ob die Helianthe- nannt werden. Röhren- und Zungenblüten ae und die Untertribus Madiinae innerhalb der können zu einsamigen Früchten reifen, die als Tribus Helenieae zusammengefasst werden soll- Achänen bezeichnet werden. Die Pusteblume ten. Unabhängig von anatomischen Feinheiten des Löwenzahns besteht aus kugelförmig ange- und verwirrenden Kombinationen sich über- ordneten Achänen, jede mit einem markanten lappender Merkmale liefern DNA-Sequenzie- Pappus, der eine Art „Fallschirm“ bildet. (Stras- rungsalgorithmen zwangsläufig eine Phyloge- burger, 2014). nie, und wie immer harte Zahlen beenden die Diskussion. Die netzartige Natur der Artbil-

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 7 dung aufgrund von Hybridbildung kann jedoch kannt, sondern nur ein anerkannter Satz von von solchen Algorithmen oft nicht erfasst wer- gemeinsamen Merkmalen. Dazu gehören ge- den, da sie darauf ausgelegt sind, gabelig ver- meinsame chemische Sekrete und gemeinsame zweigte Phylogenien zu erstellen. Wenn eine Blütenkopfstrukturen, wie z. B. das Vorhanden- Pflanze aus einem nicht verwandten Taxon sein oder Fehlen von Spreublättern (= schup- stammen würde, würden solche Algorithmen penförmige Tragblätter der Einzelblütchen). sie dennoch (vermutlich peripher) in der Phy- Der Begriff „Teer“ („tar“) stammt von einer logenie lokalisieren, weil irgendeine Platzierung klebrigen, drüsigen, chemisch vielseitigen Flüs- unvermeidlich ist. Ob diese modellbasierten Al- sigkeit, die aus kleinen Drüsen freigesetzt wird gorithmen die tatsächlichen Details der Radia- (Carlquist, 2003; Kap. 5). Diese Drüsen sind mo- tion enthüllen oder nur modellbasierte, statisti- difizierte Trichome (Haare). Die Madiinae ha- sche Näherungen sind, ist eine wichtige Frage. ben besonders ausgeprägte „Teer“-Sekrete. Alle Idealerweise sollten Sequenzdaten vieler Gene ihre Röhrenblüten haben Spreublätter, und sie akribisch verglichen werden. Wenn DNA-Se- haben ausgeprägte Trichome sowie andere mi- quenzdaten darauf hinweisen, dass eine Gruppe kroskopische Merkmale. Es gibt zwei Trichom- zwar existiert, es aber unmöglich ist, ihren Arten formen: uniserat – eine einzige Zellsäule, meist gemeinsame (auslesbare) Merkmale (Apomor- zur Gewährleistung eines UV-Schutzes –, und phien) zuzuordnen, gibt es keinen Grund zur biserat-drüsig – zwei oder mehr Zellsäulen, die Annahme, dass die natürliche Selektion der Me- meist die teerartige Sekrete aussondern, um chanismus ist, der hinter der Existenz der be- Pflanzenfresser abzuwehren. treffenden Gruppe steht. Der Verlust der Hete- Die Madiinae bestehen aus zwei Kladen rozygotie (Mendel‘sche Artbildung) ist der (Tarweeds und die Silberschwert-Gruppe), die wahrscheinlichere Mechanismus, der für den sich durch ihre geographische Lage – Kaliforni- Ursprung der Gruppe verantwortlich ist, gerade en versus Hawaii – und auch beim Blick durch weil sie zu abgrenzbaren Gruppen führt, dabei eine Lupe unterscheiden. Die kalifornischen aber keine natürliche Selektion erfordert. Tarweeds haben beide Arten von Trichomen Die Tribus der Madieae umfasst fünf Unter- und bei den Röhrenblüten spitz zulaufende tribus (Madiinae, Arnicinae, Baeriinae, Hulsei- Griffel. Dagegen haben die Mitglieder der Sil- nae, Venegasiinae), von denen die größte, die berschwert-Gruppe nur uniserate Trichomen Madiinae, zwei Kladen (Zweige) umfasst, die (auf den Hawaii-Inseln gibt es relativ wenige kontinentalen Tarweeds von Kalifornien und Pflanzenfresser, sodass die biserat-drüsigen Tri- die Silberschwert-Gruppe von Hawaii. Gibt es chome nicht benötigt werden) und bei den neben der DNA-Sequenz auch phänotypische Röhrenblüten spatelförmige Griffel (Carlquist, Merkmale, die anzeigen, ob eine Art der Madie- 1959; Baldwin, 2003b). Ein Merkmal, das die ae zu den Madiinae gehört? Gegenwärtig sind Kladen unterscheidet, aber im Feld zur Unter- keine eindeutigen derartigen Merkmale be- scheidung nicht praktikabel ist, sind Unter-

Tab. 1 Merkmal und ihre alternativen Merkmalsaus- prägungen (Abkürzungen 1. Geografisches Gebiet [Gebiet]: Kaua‘i (K), O‘ahu (O), Maui (M), Big Island (H, Hawa); Maui Nui (MN), sind in Klammern ange- Mauna Kea (Kea), Mauna Loa (Loa), Ost (E), West (W) geben). 2. Karyotyp/Ökozone [Kar/Öko]: Chromosomenzahl / trocken (Dry), nass (Wet), Moor (Bog), alpin (Lava) 3. Pflanzenhabitus [Habit]: Rosettenpflanze (RosPlt), Strauch (Shrub), Liane (Liana), Baum (Tree), ­Polsterpflanze (MatPlt) 4. Verzweigungstyp [ÄstTyp]: (kaudal (Caud), basal, Kriechend (Creep), terminal (Term) 5. Form der Äste [ÄstFm] rar, spärlich (Spa), dicht (Den); kurz (Sh), mittel (Md), lang (Lg) 6. Blattform [BltFm]: schwertformig (Swo), lanzettlich (Lan), Breit (Brd); sukkulent (Suc), nicht succu- lent (NS), gezackt (Ser) 7. Blattzustand [BltZs]: spärlich (Spa), dicht (Den); winzig (Ti) kurz (Sh), mittel (Md), lang (Lg) 8. Pflanzenhaare [BltHr]: kahl (Glab), flaumhaaring (Hairy), stark behaart (Torm) 9. Blühverhalten [Blüte]: monokarp (Mo), polykarp (Po) / Einzelblütchen je Körbchen: <5 (Fe), 5-10 (So), 10-20 (Ma), >20 (Ab) 10. Körbchen Farbe [Farbe]: gelb (Y), grün (G), violet (P), weiß (W), blasse Farbe (kleine Buchstabe); die Farbe-Vierergruppe der Reihe nach zeigt: Hüllblätter, Blütenkrone, Antherenröhre und Griffel an 11. Köpfchenstand-Typ [KS-Typ]: Scheinquirl (Vertici), Rispe (Panicle), Doldentraube (Corymb), polychasiale­ Zyme (PolCym), Dolde (Umbel), Doppeltraube (BiRac), Dreifachtraube (TriRac), Dichasium (Dichas) 12. Köpfchenstand-Status [KS-Stat]: einfach (Sin), spärlich (Spa), dicht (Den) / klein (Sml), mittel (Md), groß (Lrg)

8 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 schiede in den Holzfasern. Tarweeds haben mo- nige genetische Programme tragen zu mehr als nomorphe* libriforme Holzfasern, während einer Ausprägung bei, was manchmal zu uner- Mitglieder der Silberschwert-Gruppe dimor- warteten Kombinationen von Ausprägungen phe* libriforme* Fasern besitzen (d. h. zwei Ty- führen kann. „Geografisches Gebiet“ bezieht pen: eine kurz, breit und mehrschichtig, die an- sich auf die Insel, auf der die Arten vorkommen, deren länger, schmal und weniger organisiert; gelegentlich zwei oder mehr. Beim „Karyotyp“ Carlquist, 2003). Gray (1852) fügte die beiden geht es um die Chromosomenzahl, bei Kladen zusammen, Keck trennte sie (1936), und „Ökozone“ um die vorherrschende Lebensge- Carlquist (1952) fügte sie wieder zusammen. meinschaft, in dem die Physiologie einer Spezi- Nach molekularen Daten gehören die Tarweeds es ihr Gedeihen ermöglicht. „Pflanzenhabitus“ und die Silberschwert-Gruppe zusammen, und bezieht sich auf die Wuchsform einer Pflanze, z. obwohl DNA-Sequenzierungsdaten kein abso- B. Baum, Strauch, Rosettenpflanze, Liane (ver- luter Beweis sind, scheinen sie hier doch brauch- holzte Kletterpflanze). „Verzweigungstyp“ be- bar zu sein. zieht sich auf die Position entlang des Haupt- Taxonomen legen großen Wert auf manch- stammes, wobei sich „kaudal“ auf den Haupt- mal scheinbar obskure phänotypische Merkma- stamm im Allgemeinen bezieht. „Form der le, die sie zur Gruppierung von Arten in ge- Äste“ bezieht sich sowohl auf die Dichte als meinsame Taxa verwenden. Das kann überra- auch auf die Länge der Äste. Bei der „Blatt- schend sein. Schwesterarten können die gleiche form“ geht es sowohl um die Form des Blattes obskure Form des Griffels aufweisen, aber an- als auch um weitere Details wie z. B. Blattdicke sonsten können die beiden Pflanzen außeror- oder Ausbildung des Blattrandes. Der „Blattzu- dentlich unterschiedlich sein. Schwesterarten stand“ bezieht sich sowohl auf die Blattdichte können unterschiedliche Blütenfarben haben, als auch auf die Blattgröße. „Pflanzenhaare“ be- z. B. gelb gegenüber weiß; oder sie haben unter- zieht sich auf die Trichom-Dichte; kahl (ohne schiedliche Pflanzenformen, z. B. kleine, krauti- Haare), flaumhaarig oder dicht behaart. „Blüh- ge einjährige (einjährige, nicht verholzte) Pflan- verhalten“ bezieht sich darauf, wie oft eine Art zen gegenüber großen, mehrjährigen Bäumen während ihres Lebens Blüten produziert und (mehrjährige, verholzte). Botaniker halten eini- Achänen bildet; monokarpisch bedeutet ein- ge Merkmale für grundlegend und wichtig für mal, polykarpisch bedeutet mehr als einmal. die Klassifikation (Blütentyp, Vorhandensein Die Kopfgröße spiegelt die Anzahl der Einzel- oder Fehlen von spezialisierten Brakteen*, ver- blütchen je Körbchen wider. Die „Farbe des schiedene Pflanzensekrete). Andere Merkmale Körbchens“ bezieht sich auf die Farbe der halten sie für sekundär und weniger wichtig Strukturen des Körbchens: Involucrum (Hüll- (Blütenfarbe, sekundärer Wuchs oder „Verhol- blätter), Corolla (Blütenkrone), Antherenröhre zung“, Pflanzenform oder „Habitus“). Diese se- und Griffel. Der „Köpfchenstand-Typ“ bezieht kundären Merkmale beeinflussen das Aussehen sich auf den Köpfchenstand, also die Anord- einer Art erheblich, sind aber für die Frage, zu nung der Körbchen im gesamten Blütenstand. welcher Gattung oder zu welcher Tribus die Art Der grundlegende Köpfchenstandstyp ist trau- gehört, von geringer oder keiner Bedeutung. big, d. h. es gibt einen zentralen Stängel mit Diese sekundären Merkmale sind unter den seitlich angeordneten Köpfchen. Wenn sich die Mitgliedern ihrer Gattung oder ihrer Tribus un- Blüten einer Traube von oben gesehen in einer terschiedlich kombiniert und führen zu einer Ebene ausrichten, handelt es sich um eine Dol- umfangreichen phänotypischen Vielfalt, aber dentraube. Wenn einzelne Körbchen paarweise die Pflanzen selbst bleiben alle eng miteinander entlang des zentralen Stängels positioniert sind, verwandt. handelt es sich um eine zweizählige Traube. Wenn ein Paar Einzelblüten unterhalb der End- blüte positioniert ist, handelt es sich um ein Di- Phänotypische Merkmalsausprä- chasium, und wenn kurzstielige Dichasien (kei- ne Einzelblüten) paarweise entlang des zentra- gungen der Silberschwert-Gruppe len Stängels positioniert sind, handelt es sich Die Mitglieder der Silberschwert-Gruppe zei- um einen Scheinquirl (Scheinquirl) – wie bei gen eine Vielzahl von alternativen Eigenschaf- der Minze. Wenn Einzelblüten zu dritt ange- ten. Eine Auswahl davon ist in Tab. 1 (und ordnet sind, handelt es sich um eine dreiteilige Tab. 2) aufgelistet. Die erste Eigenschaft, der Traube. Wenn Trauben (keine Einzelblüten) Standort, ergibt sich aus der geographischen entlang des zentralen Stängels positioniert sind, Herkunft innerhalb der Gruppe. Die anderen handelt es sich um eine Rispe – wie bei einem Eigenschaften resultieren direkt aus den Chro- Baum, und wenn Rispen (keine Einzelblüten) mosomen und Genen. Wenn präexistente gene- ansetzen, handelt es sich um ein polychasiales tische Programme aktiviert werden, tauchen Zyme. Wenn viele Einzelblüten allesamt end- Ausprägungen plötzlich in den Linien auf. Ei- ständig positioniert und ihre Blüten halbkugel-

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 9 Name Gebiet Kar/Öko Habit ÄstTyp ÄstFm BltFm BltZs BltHr Blüte Farbe KS-Typ KS-Stat Gruppe 1 (Klade ) W. gym Kauai 14/Dry RosPlt Caud RarMd SwoSuc DenLg Glab Mo/Ab GWWp Vertici SinLrg W. hob Kauai 14/Dry RosPlt Caud SpaSh SwoSuc SpaMd Glab Po/Ab Ggpg Vertici SinSml D. pal Kauai 14/Bog Shrub Basal DenMd LanNS SpaMd Glab Po/Ma PWPW Panicle SpaSml D. rai Kauai 14/Wet Shrub Creep SpaMd LanNS SpaMd Glab Po/Ma PWPW Corym SpaSml D. lat Kauai 14/Wet Liana Term SpaLg BrdNS SpaMd Glab Po/Fe GYPY PolCym SpaMd Gruppe 2 (Klade Dubautia K+) D. pau Kauai 14/Wet Shrub Basal SpaMd LanNS SpaMd Glab Po/Fe pYYY PolCym SpaMd D. knuK Kauai 14/Wet Tree Basal DenLg BrdNS SpaMd Glab Po/Ma PpPP Umbel SpaMd D. knuF Kauai 14/Wet Shrub Basal DenLg BrdNS SpaMd Glab Po/Ma PpPP Panicle SpaMd D. knuN Kauai 14/Wet Shrub Basal DenLg BrdNS SpaMd Glab Po/Ma PpPP ? SpaMd D. laxL OM 14/Wet Shrub Caud SpaMd LanNS SpaMd Glab Po/Fe PYPY PolCym SpaMd D. laxN KO 14/Bog Shrub Basal DenMd LanNS SpaMd Hairy Po/Ma GYPY PolCym SpaMd Gruppe 3 (Klade Dubautia K+) D. mic Kauai 14/Wet Shrub Term SpaLg LanNS SpaMd Glab Po/So MYPY Panicle SpaMd D. plnP KOMH 14/Wet Tree Caud SpaMd BrdNS SpaMd Glab Po/Ma GYPY PolCym DenMd D. plnH KOMH 14/Wet Shrub Basal SpaMd BrdNS SpaMd Hairy Po/Ma GYPY Panicle SpaMd D. plnM KOMH 14/Wet Shrub Basal SpaMd BrdNS SpaMd Glab Po/Ab MYPP PolCym SpaLrg Gruppe 4 (Klade Dubautia K+) D. imb Kauai 14/Wet Shrub Basal DenSh LanNS SpaMd Glab Po/Fe GPPY PolCym SpaSml D. laeT Kauai 14/Wet Shrub Caud SpaMd BrdSer DenMd Glab Po/So GYYY PolCym SpaMd D. laeP Kauai 14/Wet Shrub Caud SpaMd BrdSer DenSh Glab Po/So GYYY PolCym SpaMd D. wai* Kauai 14/Bog MatPlt Basal DenSh BrdSer DenSh Glab Po/So GYPY PolCym DenMd Gruppe 5 (Klade Dubautia OMH) D. her Oahu 13/Dry Shrub Caud SpaSh LanNS DenSh Glab Po/Ma GYPY PolCym SpaMd D. she Oahu 13/Wet Shrub Term SpaSh LanNS DenSh Glab Po/Fe GYYY Panicle DenMd Gruppe 6 (Klade Dubautia OMH) D. men Maui 13/Dry Shrub Basal DenMd LanSuc DenSh Glab Po/Ma GYPY PolCym SpaSml D. pla Maui 13/Dry Shrub Basal DenMd LanNS DenSh Glab Po/Ma GYPY BiRac SpaMd D. ret Maui 13/Wet Tree Term DenLg LanNS DenSh Glab Po/So GYPY BiRac SpaMd Gruppe 7 (Klade Dubautia OMH) D. arb Hawa 13/Dry Tree Basal DenMd LanNS DenMd Glab Po/Ab GYPY TriRac SpaMd D. cilC Hawa 13/Dry Shrub Caud DenSh LanSuc DenSh Glab Po/So GYPY BiRac SpaMd D. cilG H. Kea 13/Dry Shrub Caud DenSh LanSuc DenSh Glab Po/Fe GYPY Dichas SpaMd D. scaS MN H 14/Wet MatPlt Creep DenSh LanNS DenTi Glab Po/So GWPW Corym DenSml D. scaL MN H 14/Lava Shrub Creep DenSh LanNS DenNa Glab Po/So GWPW Corym DenSml D. linH Hawa 13/Dry Shrub Basal DenMd LanNS DenSh Glab Po/Fe GYPY Panicle DenMd D. linL Maui 13/Dry Shrub Basal DenMd LanNS DenSh Glab Po/Fe GYPY Panicle DenMd Gruppe 8 (Klade Argyroxiphium) A. sanM Maui 14/Dry RosPlt Basal RarSh SwoSuc DenLg Torm Mo/Ab GpPP Panicle DenLrg A. sanS H. Kea 14/Dry RosPlt Basal RarSh SwoSuc DenNa Torm Mo/Ab GpPP Panicle DenLrg A. graE M, E. 14/Bog RosPlt Basal RarSh SwoNS DenMd Torm Mo/Ab GgPg Panicle DenMd A. graW M, W. 14/Bog RosPlt Basal RarSh SwoNS DenMd Torm Mo/Ab GgPg Panicle DenMd A. cal M, W. 14/Bog RosPlt Basal RarSh SwoSuc DenLg Torm Mo/Ab GPPP Panicle DenMd A. kau H. Loa 14/Bog RosPlt Basal RarSh SwoSuc DenLg Torm Mo/Ab GpPp Panicle DenLrg

*Incertae sedis. Heterozygotie-Werte der Kladen = Anzahl der Abweichungen von der normalen Ausprägung der Merkmale in einer Gruppe im Verhältnis zur Gesamtzahl der Arten der Gruppe: Wilkesia, 8.2 (= 41/5); Dubautia K+, 4.2 (= 59/14); Dubautia OMH, 4.2 (= 50/12); Argyroxiphium, 2.7 (= 16/6)

Tab. 2 Merkmale der förmig angeordnet sind, handelt es sich um eine einzigartigen Kombinationen von Merkmals- einzelnen Arten der Silber- Dolde. Der „Köpfchenstand-Status“ bezieht ausprägungen definiert. Sie haben alle die glei- schwert-Gruppe. Abkürzun- chen Eigenschaften, die in Tab. 1 aufgelistet sind. gen der Merkmale siehe sich sowohl auf die Dichte der Köpfchenstände Tab. 1; Abkürzungen der als auch auf ihre Größe. Obwohl diese Anzahl begrenzt ist, ist die Kom- Artnamen siehe Tab. 3. Tab. 2 ist eine Merkmalstabelle, in der die bination von Merkmalsausprägungen dennoch meisten Arten und einige Unterarten der Sil- einzigartig für jede Art. Wären noch mehr Ei- berschwert-Gruppe aufgeführt sind. Die Grup- genschaften aufgelistet worden, könnten alle pe ist darin in acht Gruppen und vier Kladen Arten und Unterarten auf der Grundlage ihrer untergliedert (die Abkürzungen der Arten wer- Merkmalssausprägungen leicht identifiziert den in Tabelle 3 erläutert) und es sind Einzel- werden. Merkmalsausprägungen helfen jedoch heiten zu den zwanzig Eigenschaften (19 sind nicht nur bei der Unterscheidung von Arten, phänotypisch) angegeben, die in Tab. 1 be- sondern verleihen den Arten ihre Einzigartig- schrieben sind. Verrät Tab. 2 etwas über den Ur- keit. Eine Pflanze ist (wie jeder Organismus) sprung dieser Arten? Arten werden durch ihre die Summe ihrer Eigenschaften. Eigenschaften,

10 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 die sich von Art zu Art unterscheiden, werden Merkmale genannt. Jedes Merkmal hat eine Reihe von alternativen Ausprägungen, die als Merkmalausprägungen bezeichnet werden. Wie in Tab. 2 zu sehen ist, werden Arten innerhalb einer Familie durch die einzigartige Kombina- tion von Merkmalsausprägungen definiert, die sie besitzen. Cis-Evolution unter Verwendung präexistenter genetischer Programme bedeutet, dass Merkmalsausprägungen bei der Meiose aufgespalten werden und einige davon verloren gehen, aber durch Hybridisierung wiederher- gestellt werden können. Die resultierenden Nachkommen weisen deshalb eine gesunde Vi- talität und eine beträchtliche Vielfalt auf. Trans- Evolution unter Verwendung mehrerer vorteil- hafter Mutationen bedeutet, dass Merkmalsaus- prägungen oft von nachteiligen Mutationen begleitet werden (die durch Selektion schließ- lich eliminiert werden). Daraus folgt die Vorher- sage, dass die Nachkommen Defekte und eine verminderte Vitalität aufweisen. Die in der Silberschwert-Gruppe beobachte- te Artenvielfalt erfüllt die Vorhersagen der cis- Evolution und der Mendel‘schen Artbildung trotz gelegentlichen Auftretens von Missbildun- gen weit besser als die Vorhersagen der trans- Wenn die adaptive Radiation in der Silber- Abb. 5 Die Rosettenpflanze schwert-Gruppe aus Mendel‘scher Artbildung Ahinahina, Mauna-Kea- Sil- Evolution, die auf mehreren vorteilhaften Muta- berschwert (Argyroxiphium tionen basiert. Eine Fülle von vitalen Arten, die resultiert, wird die Heterozygotie mit der Zeit sandwicense subsp. sand- machmal gemeinsame Merkmale aufweisen, ist abnehmen (Crompton, 2019b, 2020a). Alte, ba- wicense), Mauna Kea, Big Island (auf ca. 2800 Meter ein allgemeines Kennzeichen adaptiver Radiati- sale Arten werden höhere Werte haben, rezente Höhe). (Foto Eve Keren onen (Crompton, 2019b; 2020b). Besonders be- Arten (Kronenarten) dagegen niedrigere. Tab. 2 MacLean, mit freundlicher kannt ist diese Situation bei den Buntbarschen zeigt, dass Gruppe 1 auf Kauai die größte Hete- Genehmigung) der großen Seen Afrikas (Joyce et al., 2005), und rozygotie (Wert 8,2) und Gruppe 8 auf Maui sie wurde ausführlich an karibischen Anolis-Ei- und Hawaii (Big Island) die geringste Hetero- dechsen untersucht, wo die Merkmalsverteilun- zygotie (Wert 2.7) aufweist. Dies bestätigt, dass gen einem gleichförmigen Muster folgen, das die adaptive Radiation auf Kaua‘i (der ältesten auf allen vier großen Karibik-Inseln beobachtet Insel) mit Arten begann, die ein signifikantes wurde (Berner und Salzburger, 2015). Potenzial für phänotypische Variation hatten Eine weitere wertvolle Einsicht, die aus Ta- (hochgradig heterozygot). Seither ist die Radia- belle 2 gewonnen werden kann, bezieht sich da- tion bis nach Maui und Hawaii (die jüngsten rauf, wie sich Arten im Laufe der Zeit in Bezug Inseln) fortgeschritten, und neuere Arten zeigen auf ihr Potenzial für phänotypische Variation ein vermindertes Potenzial für phänotypische verändern können. Dieses Potenzial wird als Variation (wenig heterozygot). Dieser Rück- Heterozygotie*-Wert abgeschätzt. Er ist ein in- gang der Heterozygotie ist zu erwarten, wenn direktes Maß für die genetische Vielfalt und der genetische Mechanismus, der die Artbil- wird durch das Ausmaß alternativer Merkmals- dung verursacht, in der von Mendel beschrie- ausprägungen bei den Arten innerhalb einer benen Form als Folge der Meiose erfolgt Gruppe bestimmt. Jede Gruppe hat eine „typi- (Crompton, 2019b; 2020a). Wenn Arten dage- sche“ oder modale* Kombination von Merk- gen durch mehrere vorteilhafte Mutationen malsausprägungen, die ihre Mitglieder norma- entstanden sind, würden im Laufe der Zeit im- lerweise aufweisen. Wenn eine Gruppe eine ge- mer mehr Arten durch immer mehr Mutations- ringe Heterozygotie aufweist, weisen die ereignisse entstehen. Je größer die Zahl der Mu- betreffenden Arten eine minimale Abweichung tationsereignisse ist, eine desto größere Hetero- von dieser modalen Kombination der Merk- zygotie wäre dann zu erwarten. Es ist klar zu malsausprägungen auf. Wenn eine Gruppe je- sehen, dass die Beobachtungen zur Diversität doch eine große Heterozygotie aufweist, wer- diejenige Form der Artbildung unterstützt, die den die betreffenden Arten eine signifikante sich aus den Mendel‘schen Mechanismen er- Abweichung von dieser Kombination der gibt, und nicht die andere Form, die aus mehre- Merkmalsausprägungen aufweisen. ren vorteilhaften Mutationen resultiert.

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 11 weiß blühende Pflanzen wie Madia (Madia), Spikeweed (), Tidy-tips () und Eyelash-weed (). Sie sind gut ge- eignet, um an den saisonal trockenen Standor- ten der Florenprovinz Kalifornien zu überleben, wo die Trockenheit 4-8 Monate lang anhalten kann. Studien zur Phylogenie innerhalb der Madiinae wurden von Babcock & Hall (1924) initiiert und später nach einer größeren zeitli- chen Lücke vom fast schon legendären Botani- ker-Team Clausen, Keck und Hiesey fortgesetzt (zusammengefasst in Clausen, 1951). Viele Ab- stammungslinien und Hybriden wurden unter- sucht, und die allgemeine Botschaft war, dass die Evolution innerhalb der Untertribus weniger gabelig als vielmehr vernetzt ist (siehe Abb. 6). Wie ist es möglich, dass eine solche Fülle an phänotypisch vielfältigen Inselarten aus derart bescheidenen kontinentalen Vorfahren entstan- den ist? Das ist eine Frage, die Pflanzenbiologen fasziniert hat. Sie hat Anlass zu einer Fülle von Abb. 6 Vernetzte Evolution Artenvielfalt innerhalb der Spekulationen und Untersuchungen gegeben innerhalb der Madiinae. (Carlquist et al., 2003 geben einen ausgezeich- (Aus Clausen 1951) ­Silberschwert-Gruppe neten Überblick). Die Ergebnisse unterstützen Die Silberschwert-Gruppe ist eine bekannte nachdrücklich ein Verständnis der Evolution auf und intensiv untersuchte adaptive Radiation der Grundlage der Mendel‘schen Artenbildung. von Korbblütlern auf einer abgelegenen Insel- Integraler Bestandteil dieses Verständnisses ist gruppe. Es handelt sich um eine junge spekta- die Idee, dass die für die Artbildung erforderli- kuläre Radiation von Bäumen, Sträuchern, che genetische Information bereits als präexis- Zwergsträuchern, Polster-, Matten- und Lia- tente genetische Programme im Genom eines nenpflanzen, die in der Lage sind, reichlich Organismus kodiert ist. Alternative genetische fruchtbare Hybriden zu bilden. Die Mitglieds- Programme führen zu alternativen Merkmals- arten sind auf den gesamten hawaiianischen In- ausprägungen. Diese Programme werden in ei- seln zu finden und gedeihen in einem breiten nem latenten (rezessiven, unterdrückten) Zu- Spektrum von Lebensräumen, einige in relativ stand gehalten, so dass nur eine bestimmte trockenen Lebensräumen, andere in sehr feuch- Kombination von Merkmalsausprägungen in ten (das ganze Jahr über) und wieder andere in einer bestimmten Art ausgeprägt wird. Die hochgelegenen, kargen Lavafeldern (siehe Titel- Meiose kann zur Aktivierung dieser latenten bild). Diese umfangreiche Gruppe phänoty- Merkmalsausprägungen führen. Kombinationen pisch differenzierter Arten ging offenbar aus ei- von alternativen Merkmalsausprägungen erklä- ner anzestralen* Hybride hervor. Auf der ren ohne weiteres die enorme Artenvielfalt in- Grundlage morphologischer Kriterien und in nerhalb der verschiedenen Organismenfami- jüngerer Zeit auf der Grundlage von DNA-Se- lien. Evolution, die auf der alternativen Ausprä- quenzierungsstudien war es möglich, Vorfahren gung präexistenter genetischer Programme der Silberschwert-Gruppe sicher unter den ka- beruht, wird als cis-Evolution bezeichnet, um sie lifornischen Tarweed-Kräutern zu identifizie- von der trans-Evolution zu unterscheiden, bei ren. Die Untertribus Madiinae umfasst die an- der angenommen wird, dass durch Mutationen zestralen Tarweed-Arten, 89 Arten in 21 Gat- zuvor nicht existierende Programme entstehen, tungen, und die davon abstammende die neuartige Merkmale und schließlich neue Silberschwert Gruppe, 33 Arten in 3 Gattungen. Arten codieren (Crompton 2020b). Cis-Evolu- Die Tarweed-Arten sind die älteste Gruppe un- tion findet innerhalb grundlegend verschiede- tereinander ähnlicher, weniger auffälliger und ner genetischer Familien statt, die auf gemeinsa- kleinwüchsiger, sonnenblumen-ähnlicher men, präexistenten genetischen Programmen Pflanzen, die immer noch, wenn auch selten, in beruhen und deren Arten auf Meiose und Fort- der Lage sind, Hybriden zu bilden. Man findet pflanzungsisolation zurückgehen. Trans-Evolu- sie in der Florenprovinz Kalifornien, einem tion würde grundsätzlich verschiedene Fami- „mediterranen“ Lebensraum, mit trockenen lien (z. B. Pferde und Nashörner oder Men- Sommern und feuchtkühleren Wintern, und sie schen und Affen) aus gemeinsamen Vorfahren neigen dazu, einjährige, kurzlebige Pflanzen zu hervorbringen, die auf Genduplikationen und sein. Zu den Tarweed-Arten gehören gelb und vielfachen nützlichen Mutationen beruhen.

12 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 Natürliche Selektion ist in beiden Fällen am vor, und das wiederholte Auftreten derselben Werk. Morphotypen in der Schildkrötenameisen- Wie sind innerhalb der Madiinae die einzel- Phylogenie resultiert (höchstwahrscheinlich) nen Arten entstanden? Die Madiinae sind Teil aus der wiederkehrenden Aktivierung kompli- einer genetischen Familie, und man kann davon zierter genetischer Programme. ausgehen, dass ihre Arten durch cis-Evolution Dies bringt uns zu einer wichtigen Neben- entstanden sind, auch wenn unvorteilhafte oder bemerkung. Das Erscheinen von Rosettenblät- modifizierte Merkmalsausprägungen infolge tern in der Silberschwert-Gruppe ist wahr- von Mutationen auftreten können. Eine Reihe scheinlich auf die Aktivierung eines komplizier- von Merkmalsausprägungen, die als latente, be- ten genetischen Programms zurückzuführen. reits existierende genetische Programme im Das Erscheinen weißer Körbchen ist jedoch ein Genom der Madiinae-Ahnen codiert sind und Beweis für das Fehlen von Pflanzenpigmenten, durch die Prozesse der Meiose, der Fortpflan- wahrscheinlich das Ergebnis einer Mutation. zungsisolation und der gelegentlichen Hybridi- Sind Mutationen also doch auch vorteilhaft? sierung reguliert werden, erklären sowohl die Die hauptsächliche Folge von Mutationen ist verschiedenen kontinentalen Tarweed-Arten als der Verlust oder die Schädigung von geneti- auch die adaptive Radiation der Silberschwert- schen Programmen, d. h. die Erosion von Merk- Gruppe, die auf den Hawaii-Inseln stattfand. malsinformationen (Behe, 2019). Jeder Fach- Werden in der Silberschwert-Gruppe neue mann auf dem Gebiet der Mutationsforschung Merkmalsausprägungen beobachtet? Neue wird bestätigen, dass Mutationen genau das be- Merkmalsausprägungen aufgrund von cis-Evo- wirken. Diese hauptsächliche Folge von Muta- lution entstehen, wenn eine zuvor latente oder tionen sollte nicht mit seltenen vorteilhaften rezessive Merkmalsausprägung in einem Indivi- Mutationen verwechselt werden. Die Behe- duum ausgeprägt und dann in allen seinen bung von Verlusten oder Schäden an geneti- Nachkommen fixiert wird. Eine solche Merk- schen Programmen durch Mutationen erfordert malsausprägung wird als Synapomorphie be- höchst unwahrscheinliche Rückmutationen, zeichnet. Ein klassisches Beispiel dafür ist das die immer noch um Größenordnungen wahr- Auftreten von epigäischem (oberirdischem) scheinlicher sind als Mutationen zur Entste- Holz bei allen Arten der Silberschwert-Gruppe, hung neuartiger Merkmale oder neuartiger als krautige Tarweed-Vorfahren miteinander (nicht-trivialer) Arten. Mutationen werden von hybridisierten und die Hawaii-Inseln besiedel- den meisten Evolutionstheoretikern als Quelle ten. Wenn die Merkmalsausprägung nur in einer phänotypischer Komplexität und Schönheit in einzigen Linie beobachtet wird, spricht man der Natur betrachtet. Es wird jedoch beobach- von einer Autapomorphie. Beispiele hierfür tet, dass Mutationen in überwältigender Mehr- sind parallele Blattnerven in der Gattung Wilke- heit schädlich und nur als Nebeneffekt, und sia und die Zungenblüten in der Gattung Argy- auch dann nur selten, vorteilhaft sein können. roxiphium. Nicht-triviale Merkmale resultieren dagegen Mutation, Transposition und meiotische Fi- aus komplizierten genetischen Programmen. xierung können zum Verlust von Merkmalsaus- prägungen führen. Hybridisierungsereignisse können einer Abstammungslinie solche verloren Hybridisierung in der Silberschwert- gegangenen Merkmalsausprägungen wieder- herstellen (das wird als Reversion bezeichnet). Gruppe Wenn eine Merkmalsausprägung in mehr als ei- Eine der bekannteren Artdefinitionen ist die ner unabhängigen Abstammungslinie aufgrund von Mayr (1942): „Arten sind Gruppen von der wiederkehrenden, aber unabhängigen Akti- sich tatsächlich oder potentiell kreuzenden Po- vierung eines latenten genetischen Programms pulationen, die reproduktiv von anderen sol- auftritt, wie es in der Silberschwert-Gruppe be- chen Gruppen isoliert sind.“ Sie basierte auf der obachtet wurde, wird dies als Homoplasie be- Annahme, dass sich neue Arten durch die An- zeichnet. Zwei Beispiele sind das unabhängige häufung neuartiger Merkmalsausprägungen Auftreten von Rosettenblättern in der Wilkesia- entwickeln, die durch mehrere vorteilhafte Mu- und Argyroxiphium-Gruppe (siehe Abb. 5 und tationen entstehen. Man geht davon aus, dass 16) und das unabhängige Auftreten von weißen dies in geographisch getrennten Gruppen zu ei- Körbchen in der Wilkesia-Gruppe und bei Du- ner immer deutlicheren Trennung neuer (auf- bautia scabra (siehe Abb. 14). gespaltener) Arten in einem baumartigen Mus- Ein bemerkenswertes aktuelles Beispiel für ter führt, wie dies in der einzigen (ikonischen) Homoplasie, wenn auch etwas tangiential, über Abbildung von Darwins Buch „On the Origin das Powell et al. (2020) berichtet, wird bei of Species“ (1859) illustriert wird. Adaptive Ra- Schildkrötenameisen beobachtet. Ihr Kopf- diationen gelten als die bei weitem bedeutends- schild-Merkmal kommt in vier Ausprägungen ten Beispiele für Evolution, und sie sollten

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 13 Flaggschiffe dieser Theorie sein. Sie sollten die (1866) und sein Gesetz der exponentiellen Vorhersagen der Evolutionstheorie nachdrück- Kombinationen von Merkmalsausprägungen lich unterstützen. (die mit der Anzahl der zugrundeliegenden Dagegen würde man aufgrund dieser Vorstel- Merkmale exponentiell zunehmen) bieten je- lung von Evolution keine Beobachtungen er- doch ein alternatives Modell zur Evolution. warten, die auf eine umfangreiche anfängliche Hier entwickeln sich neue Arten durch die Ak- phänotypische Vielfalt hinweisen, die im We- tivierung alternativer Kombinationen von (oft) sentlichen ohne oder nur mit minimaler gene- binären Merkmalen, die im Erbgut in Form von tischer Veränderung entsteht. Mendels Studien präexistenten genetischen Programmen codiert sind und die an immer vielfältiger werdende Tab. 3 Artenliste nach Nachkommen weitergegeben werden (Cromp- Baldwin (2003c) und Klade Wilkesia, Gruppe 1 [Kaua’i] (3) ton, 2019b; 2020a). Nur wenn diese neuen Ar- aktualisiert (nach G. D. Carr, Wilkesia gymnoxiphium (0) W. gym Abteilung Botanik, Univer- (0) W. hob ten geographisch, ökologisch oder genetisch sität von Hawai‘i, Manoa). Dubautia paleata (3) D. pal isoliert werden, und auch mit zunehmender Gegenwärtig werden 33 Dubautia raillardioides (0) D. rai Arten unterschieden, die Anzahl von Generationen, sinkt die Wahr- Dubautia latifolia (0) D. lat in acht Gruppen und vier scheinlichkeit, dass anfangs noch kreuzbare Ar- Kladen eingeteilt sind, zu- Klade Dubautia K+, Gruppe 2 [Kaua’i] (8) ten immer noch hybridisieren. züglich einer zusätzlichen Dubautia pauciflorula (1) D. pau Was kann man nun von Hybriden unter den Gruppe mit drei kürzlich Dubautia knudsenii knudsenii (1) D. knuK anerkannten Arten. Die Dubautia knudsenii filiformis D. knuF Mitgliedern der Silberschwert-Gruppe lernen? wichtigsten Inselstandorte Liefern sie Hinweise darauf, dass mehrere vor- sind in eckigen Klammern Dubautia knudsenii nagatae D. knuN angegeben (weitere Einzel- Dubautia laxa laxa (6) D. laxL teilhafte Mutationen oder präexistente geneti- heiten in Tab. 2). Die Anzahl Dubautia laxa hirsuta D. laxH sche Programme die Grundlage für diese exzes- der natürlichen Hybriden ist Klade Dubautia K+, Gruppe 3 [Kaua’i] (6) in runden Klammern ange- sive adaptive Radiation sind? geben (eine Anzahl pro Art Dubautia microcephala (1) D. mic Innerhalb der Madiinae gibt es viele natürli- sowie eine Gesamtanzahl Dubautia plantaginea plantaginea (5) D. plaP che und künstliche Hybriden. Tabelle 3 zeigt ei- je Gruppe). Verschiedene Dubautia plantaginea humilis D. plaH Unterarten sind ebenfalls Dubautia plantaginea magnifolia “Blue Hole” D. plaM ne Liste aller 33 Arten in der Silberschwert- aufgeführt. Klade Dubautia K+, Gruppe 4 [Kaua’i] (8) Gruppe zusammen mit der Anzahl bekannter Dubautia imbricate (3) D. imb Hybriden. Von den 51 natürlichen interspezifi- Dubautia laevigata var. typica (3) D. laeT schen und intergenerischen Madiinae-Hybri- Dubautia laevigata var. parvifolia D. laeP den, über die Carr (2003b) berichtet, stammen Dubautia waialealae* (2) D. wai 41 aus der Silberschwert-Gruppe. Dies ent- Klade Dubautia OMH, Gruppe 5 [O’ahu] (1) spricht durchschnittlich 1,24 Hybriden je Art Dubautia herbstobatae (0) D. her der Silberschwert-Gruppe (41/33), aber nur Dubautia sherffiana (1) D. she 0,11 Hybriden je Tarweed-Art (10/89). In der Klade Dubautia OMH, Gruppe 6 [Maui] (18) Dubautia menziesii (6) D. men Silberschwert-Gruppe wurden keine natürli- Dubautia platyphylla (3) D. plt chen Hybriden mit Wilkesia beobachtet (ob- Dubautia reticulata (4) D. ret wohl über eine Reihe von künstlichen Hybri- Dubautia waianapanapaensis* (5) D. wan den berichtet wurde). Es ist aufschlussreich, Un- Klade Dubautia OMH, Gruppe 7 [Maui] (22) terschiede im Verhältnis von natürlichen Dubautia arborea (3) D. arb Hybriden und Arten (Hybriden/Arten) zwi- Dubautia ciliolata ciliolata (5) D. cilC schen den vier von Landis et al. (2018) aner- Dubautia ciliolata glutinosa D. cilG Dubautia scabra scabra (10) D. scaS kannten Kladen der Silberschwert-Gruppe zu Dubautia scabra leiophylla D. scaL beachten. Die Wilkesia-Gruppe hatte 0,6 Hyb- Dubautia linearis hillebrandi (4) D. linH riden/Arten (3/5), die Dubautia Kaua‘i+-Grup- Dubautia linearis linearis D. linL pe 2,8 Hybriden/Arten (22/8), die Dubautia Klade Argyroxiphium, Gruppe 8 [Hawai’i] (16) OMH-Gruppe 4,1 Hybriden/Arten (41/10) Argyroxiphium sandwicense macrocephalum (4) A. sanM und die Argyroxiphium-Gruppe 3,2 Hybriden/ Argyroxiphium sandwicense sandwicense A. sanS Arten (16/5). Obwohl die Zahlen klein sind East Maui (6) A. graE Argyroxiphium grayanum West Maui A. graW und ihre Bedeutung mit der gebotenen Vorsicht (2) A. cal zu betrachten ist, zeigt sich, dass die Arten älte- Argyroxiphium kauense (2) A. kau ren Ursprungs (Kladen 1 und 2) nur halb so vie- Argyroxiphium virescens† (2) A. vir le Hybriden/Arten aufweisen wie die Arten Arten, die nicht in den Kladen, Gruppen oder im jüngeren Ursprungs (Kladen 3 und 4): 1,9 ge- Kreuzungspolygon oben eingeschlossen sind genüber 3,8. Dies spiegelt einen allgemeinen Dubautia carrii ‡ [East Molokai] Dubautia hanaulaensis ‡ [West Maui] Trend wider: Je älter eine Art ist, desto größer ist Dubautia kalalauensis ‡ [Kaua’i] ihre Fortpflanzungsisolation. Ein Befund, der Dubautia kenwoodii [Kaua’i] sich auch in der etwa zehnfachen Differenz der Dubautia syndetica [Kaua’i] gemeldeten Hybridisierungsraten zwischen der *Incertae sedis; † vermutlich ausgestorben, gefunden Silberschwert-Gruppe und ihren kontinentalen in Koolau Gap, East Maui; ‡ kürzlich entdeckte Art. Tarweed-Vorfahren widerspiegelt.

14 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 Die fünf Arten der Silberschwert-Gruppe, die auf mehr als einer Insel vorkommen, weisen durchschnittlich sogar 5,8 natürliche Hybri- den/Arten auf. Dies ist ein hoher Wert, der auf eine rezente Herkunft hindeutet. Man könnte jedoch argumentieren, dass wenn eine Art auf mehr als einer Insel vorkommt, sie möglicher- weise mit einer größeren Anzahl von anderen Arten in Kontakt kommt, mit denen sie hybri- disieren könnte. Erklärt dies den höheren Wert? Obwohl das eine vernünftige Annahme zu sein scheint, deuten die Daten darauf hin, dass das Gegenteil zutrifft. D. plantaginea, die auf sechs Hauptinseln vorkommt, bildet nur fünf Hybri- den: 0,83 Hybriden pro Insel. D. scabra bildet zehn natürliche Hybriden, ist aber nur auf vier Inseln zu finden: 2,5 Hybriden pro Insel. Die anderen drei Arten, die auf mehreren Inseln vorkommen, weisen Werte auf, die dazwischen liegen. Wenn es um Hybriden geht, ist nicht der (geografische) Zugang zu den Arten, sondern das Alter der Arten entscheidend. Die Arten werden mit zunehmendem Alter immer mehr reproduktiv isoliert. Hybriden werden mit grö- Abb. 7 Kreuzungspolygon der Silberschwert-Gruppe. 28 Arten. Abkürzungen der Artnamen ßerer Wahrscheinlichkeit zwischen Arten jün- siehe Tab. 3. Durchgezogene Linien zeigen natürlich vorkommende Hybriden an, gestrichelte Linien künstliche Hybriden. Weiße Kreise stehen für Arten mit 14 Chromosomen, schattierte geren Ursprungs beobachtet. für Arten mit 13 Chromosomen. Unterstrichene Arten haben zwei Unterarten, gestrichelt Diese Beobachtung wirft Licht auf einen der unterstrichene Arten haben drei Unterarten. Die Häufigkeit wird durch die Darstellung der genetischen Mechanismen, die hinter der adap- Kreisperipherie angezeigt: durchgezogene Linie, selten; gestrichelte Linie, gefährdet; gepunk- tete Linie, sehr gefährdet; fehlende Linie, ausgestorben; Doppellinien, Arten, die nicht als tiven Radiation der Silberschwert-Gruppe ste- bedroht gemeldet werden (Nach Friar & Robichaux, 2003, und Wagner et al., 1999). hen. Die Mendel‘sche Artbildung beruht einer- seits auf der Meiose, durch die eine Fülle von hoehoe-Schlucht (bzw. -Tals), die sich auf der Phänotypen mit unterschiedlichen Kombinati- Kohala-Halbinsel im Nordwesten von Hawaii onen von Merkmalsausprägungen hervorge- (Big Island) befindet, wachsen D. arborea und D. bracht werden kann. Andererseits erfolgt sie cililata sympatrisch* und bilden natürliche Hy- durch Fortpflanzungsisolation, wodurch diese bridpflanzen. Beide elterlichen Arten haben 13 Phänotypen fixiert werden und dadurch neue Chromosomen, und die Hybriden sind voll Arten entstehen. Wenn die Mendel‘sche Artbil- fruchtbar und produzieren ein Spektrum oder dung der Mechanismus hinter der adaptiven einen „Schwarm“ von Hybriden (siehe Abb. 8). Radiation ist, dann ist zu erwarten, dass alte, ba- sale Arten weniger Hybridisierung zeigen, re- zente Kronen-Arten* dagegen mehr. Und ge- nau das wird beobachtet.

Hybriden und der Ursprung der Arten Hybriden weisen auf eine taxonomische Ver- wandtschaft hin und sind deutliche Belege für gemeinsame Abstammung. Abb. 7 zeigt ein Kreuzungspolygon von 28 Mitgliedsarten der Silberschwert-Gruppe. Sie bestätigt, dass alle Arten innerhalb der Gruppe trotz ihrer großen phänotypischen Divergenz genetisch sehr eng miteinander verwandt sind. Die Untersuchung Abb. 8 Schwarm natürlicher interspezifischer Hybriden bei Dubautia-Arten an einem Standort in der Waipahoehoe-Schlucht, Kohala-Halbinsel, Hawaii (Big Island), an dem die beiden betrof- dieser Hybriden hat Hinweise auf phylogeneti- fenen Arten vorkommen (also sympatrisch sind). Ein Trieb von D. arborea ist in der linken Ecke sche Abstammungslinien geliefert und deutet zu sehen, ein Trieb von D. ciliolata in der rechten Ecke. Triebe, die für jedes der 12 rekombinierten stark darauf hin, dass Hybriden in der Lage sind, Individuen repräsentativ sind, überbrücken die morphologische Lücke zwischen den Elternar- ten. Nummeriert man die Triebe von links nach rechts mit 1-14, so ist Trieb 5 bemerkenswert die Artbildung zu fördern. Entlang der Waipa- ähnlich wie D. menziesii. (Abbildung von Gerald D. Carr, mit freundlicher Genehmigung)

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 15 300 m unterhalb des Hybridisierungsortes ist Nationalpark, Ost-Maui. Sie werden speziell die vorherrschende Morphologie der etablier- gezüchtet und im Besucherzentrum des Parks ten Hybridpflanzen im Wesentlichen identisch ausgestellt, siehe Abb. 9. Wild wachsende Exem- mit einer separaten Art D. menziesii, die nur auf plare sind weiter oben auf dem Vulkangipfel zu Maui zu finden ist (siehe Abb. 11). Als Asa Gray finden. Die Kreuzung zwischen Argyroxiphium (der Vater der amerikanischen Botanik und ein sandwicense macrocephalum (das „Wahrzeichen“ enger Freund von Charles Darwin) dieser Art der Silberschwerter, siehe Titelbild und Abb. 10) formell den Namen D. menziesii gab, verwende- und Dubautia menziesii (siehe Abb. 11) ist des- te er Pflanzen sowohl aus Maui als auch aus der halb so außergewöhnlich, weil die Eltern mor- Waipahoehoe-Schlucht, Hawai’i, als repräsenta- phologisch so unterschiedlich sind. Beide Arten tives Material (Carr, 1985; Carr, 2003b). Landis sind jedoch endemisch in den hochalpinen, et al. (2018) platzierten jedoch beide Elternar- öden, erodierten Lavaböden auf dem Haleakala- ten phylogenetisch als Kronenarten und ihren Gipfel; natürliche Hybriden sind dort häufig Standort auf Hawai‘i, der jüngsten der acht In- anzutreffen. Überraschenderweise unterschei- seln, was darauf hinweist, dass es sich um sehr den sich auch die Karyotypen der Elternarten. junge Arten handelt. Dies macht den Hybrid- A. sandwicense hat 14 Chromosomen, D. menzie- Ursprung von D. menziesii auf Maui unwahr- sii jedoch nur 13. Trotzdem sind die Hybriden scheinlich. Aber das Gegenteil könnte der Fall teilweise fruchtbar (ca. 5% Samenansatz) und sein, und D. arborea und D. cililata könnte beide Rückkreuzungen bilden keineswegs selten ei- von D. menziesii abstammen. Offensichtlich be- nen Hybridschwarm. sitzt die Hybride die genetische Information Diese Hybriden erzählen eine faszinierende beider Elternarten. Wenn dies für eine ur- Geschichte. Einer der Hybriden wurde sogar sprüngliche heterozygote D. menziesii-Populati- ein eigener Artenname gegeben: D. dolosa. Eine on auf Maui zuträfe, könnte sie nach der Aus- weitere Hybride könnte zur Entstehung von D. breitung nach Hawai‘i sowohl D. arborea als auch waianapanapaensis geführt haben, einer separaten D. cililata hervorgebracht haben (über Meiose Art, die in Lebensräumen des Feuchtwaldes und Fortpflanzungsisolation, Crompton, 2019b; weiter östlich auf Maui zu finden ist. Dies wirft 2020b). Fragen über den Ursprung verschiedener Arten Die wohl bekannteste Hybride aus der Sil- auf, die auf der Insel Maui gefunden wurden. berschwert-Gruppe findet sich im Haleakala- Die Hybride besitzt offensichtlich die geneti- sche Information beider Elternarten, einen vollständigen Satz der beiden präexistenten ge- netischen Programme. Theoretisch könnte eine ähnlich heterozygote D. waianapanapaensis- Pflanze, die sich über Maui verbreitet hat, zu- mindest in früheren Zeiten die Vorfahren von A. sandwicense und D. menziesii hervorgebracht ha- ben. Bei noch anderen Nachkommen wären ih- re Allele fixiert worden und möglicherweise wären die heutigen D. waianapanapaensis-Arten hervorgebracht worden (über Meiose und Fort- pflanzungsisolation, Crompton, 2020b). Diese Arten, die Hybriden nachahmen, len- ken die Aufmerksamkeit auf einen wichtigen genetischen Prozess. Es ist wahrscheinlicher, dass Arten durch gemeinsame Nutzung, Re- kombination und Fixierung bereits existieren- der Allele entstehen und dass Arten in der Lage sind, Hybride zu erzeugen, die die Vorfahren nachahmen, als auf einem alternativen Weg, nämlich dem darwinistischen. Dieser weitge- hend akzeptierten Alternative liegt die Annah- me zugrunde, dass die Merkmale, die getrennte Spezies bilden, durch Zufallsmutationen neu entstehen, und dass manche ihrer Hybriden rein Abb. 9 Hybride aus Argyroxiphium sandwi- Abb. 10 Das Silberschwert oder Ahinahina zufällig wie andere Arten aussehen. Hybriden cense und Dubautia menziesii. Die Hybride (Argyroxiphium sandwicense subsp. macro- wird speziell gezüchtet und den Besuchern cephalum), in der Besucherstation des liefern jedoch eine starke Bestätigung dafür, dass in der Besucherstation des Hauptsitzes des Hauptsitzes des Haleakala-Nationalparks, die Mendel‘sche Artbildung ein höchst plausib- Parks (auf ca. 2.100 Metern Höhe), Haleaka- Maui (auf ca. 2100 Metern Höhe). ler Mechanismus für adaptive Radiationen ist la-Nationalpark, Maui, gezeigt. (Foto: Nigel Crompton) (Foto: Nigel Crompton) und dass sie für die zahlreichen, aber phänoty-

16 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 pisch unterschiedlichen Arten in der Phyloge- nie der Silberschwert-Gruppe verantwortlich ist. Einzelne Pflanzen mit großem Ausmaß an Heterozygotie führen zu Hybridschwärmen, die über die Meiose zu alternativen Allelkombi- nationen und über die Fortpflanzungsisolation zu allmählich fixierten Merkmalskombinatio- nen und neuen stabilen Arten führen (Cromp- ton, 2020a). Mendel‘sche Artbildung ist die wahrscheinlichste Erklärung für den Ursprung der Arten innerhalb genetischer Familien und für adaptive Radiationen. Das Kreuzungspolygon (Abb. 7) zeigt schlüs- sig, dass alle drei Gattungen der Hawaiianischen Silberschwert-Arten zum selben Grundtyp ge- hören. Die drei Gattungen sind aber auch in der Lage, mit acht Tarweed-Gattungen zu hybridi- sieren (Carr, 2003b). Sechs weitere Tarweed- Gattungen sind ebenfalls durch Hybridisierung Abb. 11 Dubautia menziesii, in der Besucherstation des Hauptsitzes des Parks (auf ca. 2.100 verbunden, jedoch nicht mit der Silberschwert- Meter Höhe), Haleakala-Nationalpark, Maui. (Foto: Nigel Crompton) Gruppe. Basierend auf morphologischen Merk- malen fasste Carlquist (1959) 24 Gattungen zur Art hybridisieren kann, umso geringer ist, je äl- Subtribus der Madiinae zusammen. 17 dieser ter sie ist. Die Untertribus Madiinae stellt mög- Gattungen sind durch Hybridisierung in drei licherweise nur eine kleine Insel innerhalb ei- Gruppen zusammengefasst (die also intern ner viel größeren Familie dar (die Spitze des durch Hybridisierung verbunden sind; Abb. 12). Eisbergs), deren Arten einst in der Lage waren, Es ist vernünftig anzunehmen, dass die gesamte sich frei miteinander zu kreuzen. Diese Familie Untertribus zu einer einzigen genetischen Fa- wäre aufgrund der Barrieren der Fortpflan- milie gehören könnte. zungsisolation längst zersplittert. Es ist möglich, Trotz Mayrs beständig wiederholter Defini- tion von Arten als „reproduktiv von anderen derartigen Gruppen isoliert“ erweisen die zahl- reichen Hybriden, die bei Eukaryonten beob- achtet werden – viele fruchtbar, einige nicht – diese Definition als sehr mangelhaft. Natürliche Hybridschwärme zwischen Arten der Silber- schwert-Gruppe legen die Unzulänglichkeiten von Mayrs Definition offen. Auch künstliche Hybriden widersprechen diesem fehlerhaften Konzept. Carr (2003b) beschreibt neun Drei- Arten-Hybriden. Sechs davon sind Kreuzungen mit den Hybriden aus Dubautia knudsenii × D. laxa: drei interspezifische Hybriden, darunter solche mit D. latifolia, D. paleata und D. pauciflo- rula, und drei intergenerische Hybriden, darun- ter solche mit Argyroxiphium caliginis, A. graya- num und A. sandwicense. Die übrigen Drei-Ar- ten-Hybriden umfassen D. knudsenii × (D. latifolia × D. sherffiana), D. laevigata × (D. latifolia × D. scabra) und (A. grayanum × A. sandwicense) × D. linearis. Es wurde auch über eine Vier-Arten- Hybride berichtet (Carr, 2003b), (D. knudsenii × D. laxa) × (D. microcephala × D. plantaginea). Sie erinnert an Vier-Arten-Hybriden, die unter den Abalonen-Meeresschnecken (Crompton, 2018) vorkommen, und die Mayrs Definition auch eindeutig als nicht praktikabel erweisen. Dieselben Untersuchungen an diesen Hyb- Abb. 12 Intergenerische Hybriden der Madiinae. Linien, die Gattungen verbinden, zeigen an, riden weisen jedoch darauf hin, dass die Wahr- dass erfolgreiche künstliche Hybriden erzeugt wurden. Die mit einem „N“ gekennzeichneten Linien zeigen an, dass auch natürliche Hybriden bekannt sind. Die dunklen Kreise umfassen scheinlichkeit, dass eine Art mit einer anderen die drei Gattungen der Silberschwert-Gruppe. (Nach Carr, 2003b)

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 17 Abb. 13 Pazifischer Goldregenpfeifer (Pluvialis fulva; von den Hawaiianern als Kolea bezeichnet), links in seinem Wintergefie- der zu einer Zeit, in der der Vogel nicht brütet (Manoa Science Park, Honolulu, O‘ahu), rechts im Brutkleid. Der pazifische Gold- regenpfeifer brütet in Alaska, ausgestattet mit seinem auffälligen Brutgefieder. Er überwintert jedoch auf Inseln im gesamten Pazifik und wandert sogar bis nach Neuseeland (die Maori bezeichnen ihn als Kuriri) sowie entlang der nordamerikanischen Pazifikküste, wo er das Potenzial hat, zufällig Tarweeds-Achänen zu sammeln. Es wird berichtet, dass die Kolea ihren 4800 km langen Non-Stop-Flug zwischen Hawaii und Alaska in 3-4 Tagen absolviert (bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 63 km/h) und viel weiter fliegen kann (Johnson et al., 2011). (Foto links: Nigel Crompton; rechts: © Alnus,CC BY-SA 3.0) dass die Großfamilie aus mehreren genetischen bildung verantwortlich sind, aber nicht ursäch- Familien einst die gesamten Asteraceae umfass- lich zu sein. Dennoch sind Mutationsereignisse te. Wenn die Artbildung in der Familie haupt- und Chromosomenaberrationen nützlich als sächlich auf Mendel‘sche Mechanismen zu- Marker, anhand derer Abfolgen wichtiger Er- rückzuführen wäre, hätte sie rein rechnerisch eignissen erschlossen werden können. lediglich 16 bivalente Merkmalen (216 = 65.536) Das erste Ereignis war die Besiedlung der In- benötigt, um ihre heutige Vielfalt von etwa seln durch ein Tarweed-Paar. Das wahrschein- 33.000 Arten zu erklären. Weitere bivalente lichste Szenario ist, dass die Achänen der Tar- Merkmale könnten exponentiell zu mehr Arten weeds auf Vogelfedern nach Hawaii transpor- führen. tiert wurden (Baldwin et al., 1991). Trichome der Tarweeds scheiden eine klebrige teerartige Substanz aus, die die Verbreitung der Früchte Wie die Silberschwert-Gruppe durch Tiere begünstigt. In diesem speziellen Fall ­begann ist ein wahrscheinlicher Überträger bekannt. Es könnte sehr gut der Pazifische Goldregenpfeifer Als die ersten Tarweeds die Hawaii-Inseln be- oder Kolea (Pluvialis fulva) gewesen sein (einst siedelten und die adaptive Radiation auslösten, als artgleich mit P. dominica als Kleiner Goldre- führte eine Kaskade genetischer Ereignisse zu genpfeifer angesehen), siehe Abb. 13. Das som- einer bemerkenswerten Folge von Artbildungs- merliche Brutgebiet von P. fulva befindet sich in ereignissen und trieb diese an. Studien zur mo- Alaska, aber die Vögel überwintern auf den pa- lekularen Phylogenie haben dazu beigetragen, zifischen Inseln und entlang der gesamten kali- diese faszinierende Geschichte von Insel zu In- fornischen Küste, wo Tarweeds gedeihen. Diese sel zurückzuverfolgen. Es handelt sich um ein ausgedehnten Vogelzüge (zwischen dem hawai- eindrucksvolles und lehrreiches Beispiel für ianischen Archipel und Alaska benötigen sie 3-4 Artbildung und die dahinter stehenden Mecha- Tage Flug) sind eine nachvollziehbare Ursache nismen. Dabei wurde eine ganze Reihe adapti- für die Ankunft der Achäne von Tarweeds in ver Radiationen auf Hawaii beobachtet und Hawaii. Nach der Ankunft sind die Achänen studiert, und es gibt keinen Grund zur Annah- ausgekeimt, die Pflanzen wuchsen auf und be- me, dass die genetischen Mechanismen, die die gannen zu blühen. Es gibt jedoch keine natür- Silberschwert-Gruppe vorangetrieben haben, lich vorkommenden Tarweed-Kräuter auf den für diese Radiation einzigartig sind. Was man Hawaii-Inseln, während die Arten der Silber- von diesen Pflanzen lernen kann, trifft wahr- schwert-Gruppe nur auf Hawaii vorkommen, scheinlich auch auf andere adaptive Radiatio- dort also endemisch sind (Baldwin, 2003a). Das nen auf Hawaii und anderswo zu. Überraschend derzeitige Fehlen von Tarweed-Kräutern auf ist vielleicht die Feststellung, dass Mutationser- Hawaii lässt vermuten, dass sie von den endemi- eignisse während der Radiation der Silber- schen Arten verdrängt wurden. Dies mag ur- schwert-Gruppe sich als unbedeutend erweisen. sprünglich die Anzahl der Pioniere niedrig ge- Mutationsereignisse scheinen die genetischen halten haben, und diese niedrigen Zahlen könn- Mechanismen nur zu begleiten, die für die Art- ten interspezifische Kreuzungen und das

18 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 Auftreten von Hybriden gefördert haben. Die Ursprungs der Silberschwert-Gruppe scheint Vitalität der Hybriden und die „Freischaltung“ entweder ein Hybrid zwischen diesen beiden der holzigen Merkmalsausprägung verschafften Arten oder sehr eng verwandte Pflanzen mit den Nachkommen vermutlich einen bedeuten- ähnlichen ASAP3- und ASAP1-Genen gewe- den Vorteil, und von da an breitete sich die Sil- sen zu sein. Heute weisen Arten in der Silber- berschwert-Gruppe aus. schwert-Gruppe, die in der Radiation als früh Welche Tarweed-Arten trugen zu diesen ers- oder „basal“ gelten, 14 Chromosomen auf. Die ten Hybriden bei? Karyotypstudien, die die ursprüngliche allopolyploide Hybride besaß je- doppelte Anzahl von Chromosomen bei den doch wahrscheinlich 15 (= 7 + 8) Chromoso- Mitgliedern der Silberschwert-Gruppe im Ver- men. Es muss sich ein Dysploidie*-Ereignis im gleich zu den Tarweed-Kräutern zeigen, dass Zusammenhang mit der Hybride oder ihren mit ziemlicher Sicherheit Tetraploidie, insbe- frühen Nachkommen ereignet haben, so dass sondere Allopolyploidie beteiligt war, also die die Anzahl der Chromosomen von 15 auf 14 re- Verschmelzung zweier Arten. Diese Hypothese duziert wurde. Zur Klärung des mit diesem wurde durch Proteinstudien von Witter (1988) Schritt verbundenen genetischen Mechanismus elegant bestätigt. Er belegte die polyploide Gen- stellten Barrier et al. (1999) fest: „Das Vorhan- expression der Silberschwert-Gruppe bei Iso- densein der A- und B-Kopien in der hawaiiani- enzymen von vier Genen ADH, PGI, PGM schen Art ist das Ergebnis einer evolutionären und TPI. Künstliche Hybridisierungsversuche Vernetzung (Hybridisierung) und nicht von von Carr et al. (1996) und Barrier et al. (1999) Duplikationen, die auf die Divergenz der nord- zeigten, dass das Dubautia-Genom in der Lage amerikanischen Tarweeds folgte; die A- und B- ist, erfolgreich mit polyploiden Hybriden zwi- Kopien werden nicht als Schwestergruppen schen bolanderi (n=6) und aufgelöst, sondern als Schwestergruppen von muirii (n=8) sowie zwischen madio- Genen aus verschiedenen Arten oder Arten- ides (n=7) und A. scabridus (n=7) zu hybridisie- gruppen der nordamerikanischen Tarweeds.“ ren, und dass kräftige polyploide Hybriden ent- Diese Forscher kommen zu dem Schluss, dass stehen. Die wahrscheinliche Allopolyploidie- die Rekombination bereits existierender Gene Abstammung der Silberschwert-Gruppe wurde und nicht die Mutation duplizierter Gene den auch durch Studien mit homöotischen* Genen Beginn und die anschließende Radiation der der Blüten bestätigt (Barrier et al., 1999; Purug- Silberschwert-Gruppe ermöglichte. ganan et al., 2003). Dabei handelt es sich um Nach der exzellenten Detektivarbeit zur Gene, die die Entwicklung der vier Blütenorga- Eingrenzung wahrscheinlicher elterlicher Spe- ne (Kelchblätter, Kronblätter, Staubblätter und zies war das nächste große Ziel der Versuch, die Fruchtblätter) initiieren. Bei der Blütenent- ursprüngliche Hybride wiederherzstellen. Ein wicklung der Madiinae werden verschiedene vielleicht zu optimistisches Ziel. Ein offensicht- homöotische Gene genutzt, darunter das licher erster Schritt war die Kreuzung von A. ASAP3-Gen. Diploide Tarweed-Kräuter haben scabridus mit C. muirii, um zu sehen, ob die Hy- nur eine Kopie des ASAP3-Gens, polyploide bride eine Radiation auslöste. Die Kreuzung Arten in der Silberschwert-Gruppe besitzen da- wurde durchgeführt, und die Hybride erwies gegen zwei leicht unterschiedliche Kopien des sich als kräftig, wenn auch mit verminderter ASAP3-Gens, die mit „A“ und „B“ bezeichnet Fruchtbarkeit. Sie war als vielversprechend für werden. Dass es zwei Kopien dieses Gens gibt, die Erzeugung einer allopolyploiden Linie an- wurde bei den Allopolyploiden erwartet, und gesehen worden und bestätigte die Plausibilität diese Ergebnisse bestätigen die früheren Studien eines allopolyploiden Ursprungs der Silber- von Witter. schwert-Gruppe. Die Studien wurden jedoch Sequenzinformationen aus den ASAP3- und nicht weiter verfolgt (Barrier et al., 1999). ASAP1-Genen der Tarweed-Pflanzen halfen, Eine kritische Eigenschaft der frühen Hybri- die Ursprungsart einzugrenzen. Homöotische den fehlte. Das Dysploidie-Ereignis, das die An- ASAP-Gene codieren für Transkriptionsfakto- zahl der Karyotypen auf 14 reduzierte, wurde ren, das sind Proteine, die für die Regulierung nicht beobachtet. Der Chromosomenverlust der Genexpression während der Entwicklung könnte ein plausibler Faktor gewesen sein, der der Blütenorgane wichtig sind. Die „A“- und die Aufhebung der Blockierung (bzw. die Akti- „B“-Formen beider Gene wurden sequenziert. vierung) des „Holzmoduls“ verursachte. Alle Es wurde festgestellt, dass die „A“-Form von Arten in der Silberschwert-Gruppe zeigen Ver- ASAP3 der Form von Anisocarpus scabridus (mit holzung. Der genetische Mechanismus, der die 7 Chromosomen) am ähnlichsten ist. Die „B“- Verholzung hemmt, könnte von der Hemmung Form von ASAP3 war der Form von Carlquistia einer Reihe zusätzlicher latenter morphogene- muirii (mit 8 Chromosomen) am ähnlichsten. tischer Programme begleitet worden sein. Bar- Ähnliche Ergebnisse wurden bei der Sequenzie- rier und seine Kollegen (1999) kommentieren: rung des ASAP1-Gens erzielt. Die allpolyploide „Das Vorhandensein zweier divergierender Ge-

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 19 ploiden mehr phänotypische Variation als von Autopolyploiden, weil Allopolyploide zusätzli- che präexistente genetische Programme mit sich bringen. Sie bringen auch zusätzliche la- tente Mutationen mit sich, aber dies ist unvor- teilhaft, weil ihre Expression in Hybridnach- kommen die Ausprägung schädlicher Phänoty- pen fördert. Eine kürzlich durchgeführte Studie über den Beitrag der Polyploidie zum Ursprung der Kar- nivorie bei Pflanzen (fleischfressende Pflanzen; Palfalvi et al., 2020) wirft Licht auf diese Diskus- sion. Die Karnivorie bei Pflanzen erfordert spektakuläre Eigenschaften, die eine umfangrei- che genetische Programmierung voraussetzt, die für Merkmale codiert, mit denen Beute ange- Abb. 14 Dubautia scabra am Kilauea Iki Kraterweg, Kilauea, Big Island. Verschiedene Pflanzen- lockt, gefangen und verdaut werden kann (He- arten fungieren als Pioniere, die auf frischer Lava wachsen. Die einheimischen Hawaiianer drich und Neher, 2018). Trotz eines hohen Auf- bezeichnen die Dubautia-Arten üblicherweise als Na‘ena‘e, gelegentlich aber auch als Ku- paoa. Die kleinen dunklen Flecken auf den weißen Blütenkörbchen sind die Antherenröhren. wandes für den Bau und die Physiologie karni- (Foto: Nigel Crompton) vorer Pflanzen scheint diese Fähigkeit mindestens nome beim kolonisierenden Vorfahren der ha- neun Mal in fünf verschiedenen Pflanzenord- waiianischen Gruppe könnte den Vorfahren mit nungen entstanden zu sein. Sie wird in 12 Gat- mehr genetischer Variation und größerer Fähig- tungen und mehr als 580 Arten beobachtet. keit ausgestattet haben, auf Selektion zu reagie- Darwin (1875) untersuchte die Karnivorie bei ren, als dies bei einem diploiden Vorfahren der Pflanzen und argumentierte, dass ihr wiederhol- Fall gewesen wäre.“ Die Autoren räumten ein, tes Auftreten eine Konvergenz* darstellt. In den dass Kombinationen von bereits vorhandenen vielen nachfolgenden Studien, einschließlich Merkmalsausprägungen für die Radiation ent- neuerer molekularer Studien, stimmen die For- scheidend waren und dass „die Auswirkungen scher dieser Schlussfolgerung zu. Wie entstand einer solch umfangreichen Rekombination auf die genetische Information, die die Karnivorie die Diversifizierung der Silberschwert-Gruppe ermöglicht? Ist sie auf mehrere vorteilhafte Mu- groß gewesen sein könnten.“ tationen oder auf bereits bestehende genetische Die Rolle der Verdopplung des Genoms* Programme zurückzuführen? Welche Rolle und der Polyploidie* ist für Botaniker seit lan- spielte dabei die erbliche Polyploidie? Palfalvi gem von Interesse. Einige haben ihr eine ent- und eine Gruppe von 26 Kollegen (Palfalvi et scheidende, wenn auch etwas rätselhafte Rolle al., 2020) machten sich daran, diese Frage zu be- bei der Artbildung zugestanden. Polyploidie ist antworten, indem sie die Genome von drei Ar- bei Tieren eher selten, bei Pflanzen jedoch recht ten fleischfressender Pflanzen, enge Verwandte häufig. Sie tritt typischerweise hauptsächlich in der Familie der Droseraceae (Sonnentau), se- durch zwei Mechanismen auf: Autopolyploidie quenzierten, die verschiedene Fallen besitzen: als Folge der Duplikation des Genoms einer be- den Sonnentau mit seinen klebrigen Haaren so- stimmten Art (intraspezifisch), Allopolyploidie wie die Venusfliegenfalle und die Wasserfalle (Al- als Folge der Fusion von Genomen verschiede- drovanda) mit ihren berührungsempfindlichen ner Arten (interspezifisch). Autopolyploidie Schnappfallen. Obwohl Hinweise für eine Ge- führt oft zu Organismen, die der Elterngenera- nomverdoppelung bei einem gemeinsamen tion sehr ähnlich sind, allerdings sind ihre Früch- Vorfahren der Familie gefunden wurden, liefer- te tendenziell größer. Bei ungeradzahligen Au- te diese Polyploidie keine Erklärung dafür, wie topolyploidien scheitert die Meiose oft, was zu die genetische Information für die Fallen ent- samenlosen Früchten führt, z. B. bei Banane, standen ist. Eine zusätzliche Polyploidie wurde Wassermelone oder Weintrauben. Es ist hier bei der Wasserfalle beobachtet, jedoch nicht bei nicht zu erwarten, dass die Polyploidie zu einer der Venusfliegenfalle, obwohl beide bereits ähn- umfassenden phänotypischen Neuheit führt; es liche Schnappfallen besitzen. Auch die Bestim- könnten jedoch latente genetische Programme mung der Genomgröße trug nichts zur Erklä- aktiviert werden. Die Allopolyploidie hat je- rung der Entstehung dieser fleischfressenden doch das Potenzial, signifikante phänotypische Pflanze bei. Die Genomgröße der Venusfliegen- Neuheiten zu erzeugen, da die Heterozygotie, falle beträgt 3,2 Gbp* (ähnlich wie beim Men- die in früheren Generationen durch Fixierung schen). Dagegen hatten sowohl die Wasserfalle, von Allelen* und durch Fortpflanzungsisolation trotz ihrer höheren Ploidie, als auch der Son- verloren gegangen war, wiederhergestellt wer- nentau etwa zehnmal weniger DNA; 509 bzw. den kann. Intuitiv erwartet man von Allopoly- 290 Mbp*. Auf der Grundlage detaillierterer

20 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 Studien des gemeinsamen genetischen Materials Baldwin und Sanderson, 1998). Dies ermög- dieser Pflanzen kamen Palfalvi und seine Kolle- lichte die Rekonstruktion einer wahrscheinli- gen zu der erhellenden Schlussfolgerung, dass chen Phylogenie für die Silberschwert-Gruppe „das genetische Material, das den fleischfressen- (Abb. 15). Acht „Gruppen“ wurden erkannt den Pflanzen zugrunde liegt, in den meisten und mit einer Entfaltung der adaptiven Radia- nicht fleischfressenden Pflanzen vorhanden ist“. tion entlang der vier großen Inselgruppen in Mit anderen Worten, die meisten Pflanzen ver- Verbindung gebracht (siehe Tab. 1). Die meisten fügen bereits über viele der notwendigen Gene, Arten in der Silberschwert-Gruppe beschrän- und „der Weg zur Karnivorie bei Pflanzen ken sich auf einzelne Inseln und viele auf be- scheint für alle Pflanzen offen zu sein“ (He- stimmte Orte auf diesen Inseln. Nur vier der 26 drich, 2020). Die Autoren kommen zu dem ein- Arten von Dubautia kommen auf mehreren In- deutigen Schluss, dass die phänotypischen Me- seln vor. Alleine D. plantaginea kommt auf allen chanismen der Karnivorie auf präexistente ge- sechs Hauptinseln vor: Kaua‘i, O‘ahu, Molokai, netische Programme zurückzuführen sind (vgl. Lanai, Maui und Hawai‘i. D. scabra kommt auf Kutzelnigg [2008] mit ähnlicher Schlussfolge- Molokai, Lanai, Maui und Hawai‘i vor, und D. rung über C4-Pflanzen). Die Polyploidie brach- linearis auf Lanai, Maui und Hawai‘i. D. scabra ist te keine neuen genetischen Programme hervor, eine häufige Art, die auf unfruchtbaren Lavabö- obwohl sie möglicherweise die Nutzung dieser den vorkommt (siehe Abb. 14). D. laxa kommt bereits bestehenden Programme unterstützt hat. auf Kaua‘i, O‘ahu und Maui vor. Seine vier Un- terarten sind jedoch geografisch noch begrenzt: D. l. bryanii wurde nur auf O‘ahu gefunden; D. l. Die Radiation der Silberschwert- hirsuta auf Kaua‘i, O‘ahu und Lanai; D. l. laxa auf O‘ahu, Molokai und Maui, und D. l. pseudoplan- Gruppe taginea auf O‘ahu. Nur eine der sieben Argyroxi- Die Untersuchung mutmaßlicher nachfolgen- phium-Arten kommt auf zwei Inseln vor und der Artbildungsereignisse und der Entwicklung bildet zwei Unterarten aus. A. s. macrocephalum der Abstammungslinien erforderte Sequenzie- (siehe Titelbild und Abb. 10) wird auf Haleaka- Abb. 15 Phylogenie der Sil- rungsstudien von rDNA*, intern transkribier- la, Maui, und A. s. sandwicense (siehe Abb. 3 und berschwert-Gruppe auf der ten Spacer-Regionen der ribosomalen DNA 5) auf Mauna Kea, Hawai‘i, gefunden. Diese In- Basis von rDNA-Sequenz- Daten. Für weitere Details des Zellkerns (Baldwin und Robishaux, 1995; selstandorte sind nicht ausgedehnt, oft handelt siehe Text.

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 21 mit den Daten über chromosomale Umorgani- sationen noch mit den rDNA-Sequenzdaten überein, wahrscheinlich weil die Chloroplas- ten-DNA von einem ungewöhnlichen geneti- schen Prozess betroffen ist, der mit Hybridisie- rungsereignissen verbunden ist, dem Einfang von Plastidengenen* Die Verwendung aus- schließlich von rDNA-Sequenzdaten beseitigte jeden potenziellen Konflikt. Trotz verschiedener Bedenken erscheint die Phylogenie vernünftig und stimmt weitgehend mit den Karyotypstu- dien überein. Es werden vier Gruppen (Kladen) erkannt, zwei die mehr „basal“ und zwei die mehr „apikal“ (an der Spitze) sind: der Wilkesia- Typ, der Dubautia K+-Typ, der Dubautia OMH- Typ und der Argyroxiphium-Typ. Diese spiegeln den Fortschritt der Radiation von den ältesten zu den jüngsten Inseln wider. Die Wilkesia-Gruppe umfasst sowohl Wilke- Abb. 16 Die Iliau, Wilkesia es sich nur um eine Seite oder eine kleine Re- sia-Arten (einschließlich dem „Iliau“, Wilkesia gymnoxiphium. Diese Pflanze ist an den roten gion eines Vulkans. Die Standorte sind nur klei- gymnoxiphium, Abb. 16) als auch drei Dubautia- Hängen des Waimea Can- ne Gebiete und bieten daher wenige Arten: D. paleata, D. raillardioides und D. latifolia. yon, Kaua‘i sehr auffällig. Möglichkeiten für die Ansammlung von vielfa- Tab. 2 zeigt sie als Gruppe 1. Alle fünf Arten Die Pflanzen sind nicht in Blüte und typischerweise chen, seltenen, vorteilhaften mutierten Formen kommen ausschließlich auf Kaua‘i, der ältesten monokarpisch. Oberhalb und für die anschließende Selektion von vor- Insel, vor. Sie weisen keine speziellen gemeinsa- der weit über dem Boden befindlichen Blattrosetten teilhaften Merkmalsaus­ ­prägungen (Abb. 3). Dies men Merkmale auf. Ihre gemeinsamen Merk- bilden sich hoch aufragen- spricht gegen Mutationen als Entstehungsme- male erscheinen willkürlich verteilt, was auf ei- de Gesamt-Blütenstände, chanismus. Präexistente genetische Programme ne signifikante Heterozygotie zu Beginn der wenn die Pflanzen die Blüh- zeit erreichen. (Foto: Nigel benötigen dagegen keine größeren Areale. Sie Radiation hindeutet. Diese Gruppe weist die Crompton) liefern eine schlüssige Erklärung für das Auftre- größte Heterozygotie auf, Tab. 2 zeigt einen ten dynamischer neuer Merkmalsausprägungen, Wert von 8,2. Die Wilkesia-Gruppe besiedelt Merkmale und Arten selbst in Situationen mit zudem die älteste Insel. Beide Tatsachen spre- begrenztem geographischem Gebiet. chen dafür, dass es sich bei dieser Gruppe um Aufgrund des Fehlens von Fossilien kann die die älteste oder basale handelt, wie in Abb. 15 Geschichte der Silberschwert-Gruppe nur indi- angedeutet. Obwohl Wilkesia-Pflanzen ober- rekt erforscht werden. rDNA-Sequenzierung flächlich Argyroxiphium-Pflanzen mit holzigem war ein logischer Weg, dieses Problem zu lösen. Stängel ähneln, fallen die beiden Gattungen in Die netzartige Natur der Radiation aufgrund recht getrennte Untergruppen (siehe Abb. 15). der umfangreichen Hybridisierung spricht je- Die Gattung Dubautia K+ umfasst acht Dubau- doch für Vorsicht bei diesem Ansatz. Hybriden tia-Arten (zwei Arten bilden Paare von Unter- kommen bei der Silberschwert-Gruppe ver- arten und zwei Arten bilden Drillinge von Un- breitet vor und führen zu einem Genaustausch terarten). Tab. 2 zeigt sie in den Gruppen 2, 3 zwischen Linien mit sowohl alten als auch neu- und 4. Die meisten Arten kommen ausschließ- en Sequenzen. Diese Situation kompromittiert lich auf Kaua‘i vor, was darauf hinweist, dass die Schlussfolgerungen, die aus den Sequenzdaten Gruppe alt und wahrscheinlich am basalsten ist. gezogen werden. Unter Berücksichtigung die- D. plantanginea und D. laxa kommen auch auf ses Vorbehalts aber bietet die rDNA-Phylogenie einigen der jüngeren Inseln vor. Es gibt Hin- auf der Grundlage von Baldwin & Sanderson weise darauf, dass D. laxa wesentlich zur adapti- (1998) und Landis et al. (2018) einen ausge- ven Radiation der Silberschwert-Gruppe auf zeichneten Rahmen, von dem aus man begin- dem gesamten Archipel beigetragen haben nen kann (siehe Abb. 15). Auf der Grundlage könnte. Insbesondere weisen die Arten dieser dieser Daten kann eine vernünftige Abfolge von Gruppe keine speziellen gemeinsamen Merk- Artbildungsereignissen postuliert werden. male auf. Sie teilen gemeinsame Merkmale re- Es wurden auch Chloroplasten-DNA-Se- lativ willkürlich. Tabelle 2 zeigt einen Heterozy- quenzen untersucht. Die rDNA-Daten wurden gotie-Wert von 4,2, der deutlich unter dem der den Chloroplasten-DNA-Daten vorgezogen, Wilkesia-Gruppe liegt. Mit Ausnahme des Feh- da sich später herausstellte, dass sie im Wider- lens von Rosettenpflanzen und des Fehlens spruch zu Studien über chromosomale Umor- weißer Körbchen gibt es kein eigentliches Al- ganisationen stehen (Carr, 2003). Die Chloro- leinstellungsmerkmal, das die beiden Gattungen plasten-DNA-Sequenzdaten stimmten weder spezifisch unterscheidet.

22 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 Die Dubautia OMH-Gruppe umfasst neun Arten (drei Arten umfassen Paare von Unterar- ten). Tabelle 2 zeigt sie in den Gruppen 5, 6 und 7. Alle sind Dubautia-Arten, alle kommen aus- schließlich auf den „jüngeren Inseln“ (d. h. nicht auf Kaua‘i) vor und fast alle besitzen 13 Chromosomen. Sie wurden früher als eigene Gattung behandelt und bilden die Sektion Railliardia. Gruppe 5 besteht aus zwei Arten; D. herbstobatae und D. sherffiana, die ausschließlich auf O‘ahu vorkommen. Gruppe 6 besteht aus drei Arten: D. platyphylla, D. menziesii und D. re- ticulata, die ausschließlich auf Maui vorkom- men. Gruppe 7 umfasst die übrigen vier Dubau- tia-Arten. Die Unterart D. linearis linearis ist auf Maui zu finden. Die Unterarten D. scabra scabra und D. s. leiophylla sind sowohl auf Maui als auch auf Hawai‘i (Big Island) anzutreffen. Die Unter- art D. l. hilderbrandii, die beiden Unterarten D. ciliolata ciliolata und D. c. glutinosa sowie die Art D. arborea kommen ausschließlich auf Hawai‘i Arten auf den verschiedenen Inseln allmählich Abb. 17 Das Grünschwert (Argyroxiphium grayanum); vor. Innerhalb dieser Gruppe sind die Arten zu anderen Arten mutiert sind. Die Arten sind Hosmer Grove, Haleakala- tendenziell relativ homogen, mit Ausnahme alle unabhängig voneinander, und sie sind im- Nationalpark, Maui. (Foto: von D. scabra mit ihren weißblütigen Körbchen mer recht unterschiedlich. Auf der Basis einer Nigel Crompton) und 14 Chromosomen. Tabelle 2 gibt einen trans-Evolution (also dem neodarwinistischen Heterozygotie-Wert von 4,2 an. Der Wert ist Standard) ist zu erwarten, dass neuartige Merk- aufgrund von D. scabra und der Vielfalt der Blü- male und Arten allmählich durch zahlreiche tenstände überhöht. Mutationen in Erscheinung kommen. Da Mu- Die Argyroxiphium-Gruppe umfasst die vier tationen jedoch typischerweise nachteilig sind, Argyroxiphium-Arten (zwei Arten haben Unter- würden wir vernünftigerweise erwarten, dass artenpaare). Tab. 2 zeigt sie in Gruppe 8. Drei die Arten beeinträchtigte oder benachteiligte Arten sind auf der Insel Maui zu finden. Dazu Phänotypen aufweisen. Tatsächlich wird jedoch gehören das „Wahrzeichen“ der Silberschwer- beobachtet, dass jede Insel vitale, gut unter- ter, A. sandwicense macrocephalum (das „Silvers- scheidbare Arten mit einzigartigen Kombinati- word“) mit den beiden Unterarten A. grayanum onen von Merkmalsausprägungen beherbergt. (das Grünschwert, Abb. 17), und A. caliginis so- Diese Beobachtung widerspricht dem wichti- wohl auf Ost-Maui als auch auf West-Maui. gen Grundsatz der Evolution durch Mutation, Zwei Arten, A. kauense und die Unterart A. s. der besagt, dass „sie nie einen Sprung machen sandwicense (siehe Abb. 3 und 5), kommen auf kann, sondern mit den kürzesten und langsams- Hawaii vor. Sie alle haben ein gemeinsames ten Schritten vorankommen muss“ (Darwin, Merkmal: Es handelt sich um Rosettenpflanzen. 1859). Beobachtet wird jedoch das, was für die Allerdings besitzt auch Wilkesia dieses Merkmal. cis-Evolution auf der Grundlage der Mendel‘- Der monokarpe Samenansatz ist innerhalb der schen Artbildung vorhergesagt wird. Es traten Gattung kein absolut eindeutiges Merkmal, neuartige Kombinationen von präexistenten denn A. grayanum ist nur fakultativ monokarp. genetischen Programmen auf, die zu zahlrei- Die Arten scheinen nur wenige spezielle Merk- chen unterschiedlichen und lebensfähigen Ar- male gemeinsam zu haben. Tabelle 2 gibt einen ten geführt haben (Crompton, 2019). Heterozygotie-Wert von 3 an. Dieser Wert ist Zytogenetische* Studien werfen ein zusätz- der kleinste, und die Gruppe besiedelt die jüngs- liches Licht auf die adaptive Radiation der Sil- ten Inseln. Beides spricht dafür, dass es sich um berschwert-Gruppe (Carr, 2003a). Dubautia- eine rezente Kronengruppe handelt. Pflanzen mit n=14 Chromosomen sind auf- grund von einer oder zwei Translokations- unterschieden* in vier Genomtypen aufgeteilt. Allgemeine Aspekte der Radiation Karyotyp 1 umfasst die gesamte Dubautia K+- Klade mit Ausnahme von D. laevigata und mög- der Silberschwert-Gruppe licherweise D. imbricata aus Gruppe 4. Karyotyp Was sagt diese umfangreiche und gut doku- 2 wird in D. paleata (Gruppe 1) und Karyotyp mentierte Phylogenie über die Evolution der 3 in D. laevigata (Gruppe 4) beobachtet. Der Ka- Silberschwert-Gruppe aus? Vor allem gibt es ryotyp 4 kommt bei D. scabra vor. Ein fünfter überraschend wenige Hinweise darauf, dass die Karyotyp wird im Rest der Dubautia OMH-

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 23 Gruppe auf O‘ahu, Maui und Hawai‘i (einer Mit Hilfe von nuklearen Mikrosatelliten- neueren Gruppe) beobachtet, die alle n=13 und Chloroplasten-DNA-Sequenzdaten wurde Chromosomen mit Ausnahme von D. scabra auf- die Phylogeographie der Ausbreitung auf viele weisen. Wichtig ist, dass D. scabra seinen Karyo- Inseln von D. laxa ermittelt. D. laxa hat vier typ (n=14, Karyotyp 4) mit D. latifolia teilt, das Subspezies. D. l. hirsuta hat ihren Ursprung auf molekular am nächsten an Wilkesia liegt und Kaua‘i und breitete sich von dort nach O‘ahu mit ziemlicher Sicherheit ein alter Genomtyp aus. Sie verbreitete sich über die ganze Insel ist. Aufgrund seiner Zytogenetik und geogra- und etablierte Populationen in den Bergketten phischen Verbreitung könnte D. scabra einen be- von Wai‘anae und Ko‘olau. Von O‘ahu aus er- züglich des Ursprungs strategisch relativ wich- reichte sie Lanai. Es scheint, dass ein einziges tigen Platz innerhalb der Dubautia-Phylogenie Ereignis der Ausbreitung durch Achäne für je- einnehmen. Außer in den oben genannten Ty- des dieser Kolonisationsereignisse ausreichend pen unterscheidet sich das Wilkesia-Genom von war. allen getesteten Dubautia-Genomen auch durch D. l. laxa scheint ihren Ursprung auf O‘ahu zwei Translokationen. Die Genome von Argyro- zu haben. Diese Unterart hat ihre Chloroplas- xiphium, A. sandwicense und A. grayanum, unter- ten-DNA auf O‘ahu von einer unbekannten scheiden sich von allen getesteten Dubautia-Ge- Quelle durch Einfang von Plastidengenen* auf- nomen ebenfalls durch mindestens zwei Trans- genommen. Sein Ursprung und der Einfang lokationen. A. grayanum und A. s. sandwicense von Plastidengenen könnten auf dasselbe Ereig- unterscheiden sich voneinander durch eine ein- nis zurückzuführen sein (Hybridisierung?). zige Translokation, und A. grayanum und W. hob- Nachdem es auf O‘ahu divergiert ist, breitete es dyi unterscheiden sich durch 2-3 Translokatio- sich auf Molokai und Maui aus. Es ist möglich, nen (Carr, 2003a). dass mehr als ein Ausbreitungsereignis mit die- Molekulare Studien zur Chloroplasten- sen Besiedlungen verbunden war. Das Ausbrei- DNA und Mikrosatelliten-DNA in den vier tungsszenario folgt der logischen „Progressi- Unterarten von Dubautia laxa, bei denen es spe- onsregel für die Insel-Biogeographie“ (Funk ziell um die Rolle der geographischen Isolation &Wagner, 1995), wobei die Arten allmählich bei der Produktion von Diversität ging, deuten von älteren Inseln zu jüngeren wandern. Aus- auf eine entscheidende Rolle dieser Art bei der breitung durch Achänen von Insel zu Insel er- adaptiven Radiation der Silberschwert-Gruppe wies sich als selten, wie bereits für die Silber- hin (McGlaughlin & Friar, 2011). Die Autoren schwert-Gruppe im Allgemeinen festgestellt erörtern zwei wichtige Erkenntnisse aus ihren wurde (Baldwin & Robichaux, 1995). Die Aus- molekularen Studien, die eindeutig die cis-Evo- breitung von D. laxa war besonders bedeutsam, lution und präexistente genetische Programme da sie bestätigte, dass bereits vorhandene DNA gegenüber der trans-Evolution und zahlreichen von einer Art an die nächste weitergegeben vorteilhaften Mutationen favorisieren. Der erste wird. Chloroplasten-DNA von D. l. laxa wurde Befund ist, dass der Grad der genetischen Diver- an alle Dubautia-Arten auf den jüngeren Inseln genz zwischen den Schwestertaxa gering ist, (auch als Railliardia-Klade bezeichnet) weiter- obwohl die sichtbare morphologische und öko- gegeben, darunter D. herbstobatae, D. sherffiana, D. logische Divergenz groß war. Dies ist nicht zu platyphylla, D. menziesii, D. reticulata, D. linearis, D. erwarten, wenn die Divergenz durch eine all- scabra, D. arborea, D. ciliolata (McGlaughlin & Fri- mähliche Anhäufung von zahlreichen nützli- ar, 2011). chen Mutationen bedingt ist, aber es ist eine na- türliche Folge der Mendel‘schen Artbildung. Das zweite Ergebnis sind Sequenzdaten aus mehreren Untersuchungen verschiedener Ge- Eine kurze Geschichte der Silber- ne, die besonders geeignet sein sollten, Bezie- schwert-Gruppe hungen innerhalb der Radiation aufzudecken, aber stattdessen zu einer Fülle von Konflikten Die hawaiianischen Ureinwohner unterschei- zwischen verschiedenen Sequenzbäumen führ- den in der Silberschwert-Gruppe drei Typen, ten. Welcher spezifische Sequenzbaum „wirk- die mit den drei in der heutigen Taxonomie an- lich repräsentativ für die jüngste Evolutionsge- erkannten Gattungen korrelieren: Na‘ena‘e = schichte“ ist, kann daher nur willkürlich festge- Dubautia, Iliau = Wilkesia und Ahinahina = Ar- legt werden. Dies wäre aber nicht zu erwarten, gyroxiphium. Wie war die evolutionäre Abfolge wenn die Divergenz aus der allmählichen An- dieser Gattungen (und ihrer Arten) und woher häufung mehrerer vorteilhafter Mutationen re- stammen sie? Aller Wahrscheinlichkeit nach sultiert. Vielmehr ergibt sich auch dieser Befun- brachte der pazifische Goldregenpfeifer (siehe de natürlich aus einem freien Austausch ge- Abb. 13) Achänen von Anisocarpus scabridus und meinsamer Allele, wie er bei der Mendel‘schen Carlquistia muirii (oder von nahen Verwandten) Artbildung auftritt. mit, die Hybriden bildeten, die ein bedeutendes

24 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 phänotypisches Potenzial in Form von latenten hen. Im Gegensatz zu einem einfach verzweig- genetischen Programmen besaßen. Bei einer ten oder sich gabelnden Baum ist jeder Knoten frühen Hybride wurde ein latentes genetisches anfänglichnetzförmig durch Segregations- und Programm für die Ausbildung von Holz in den Hybridisierungsereignisse mit anderen Knoten oberirdischen Teilen mit libriformen* Fasern in verbunden. Letztendlich führt die Fortpflan- zwei verschiedenen Ausprägungen aktiviert. zungsisolation zur Fixierung einer (oder meh- Dieser Vorgang war möglicherweise mit dem reren) Linien. Es wird erwartet, dass sich diese Verlust eines Chromosoms verbunden netzartigen Verbindungen im Laufe der Zeit (Carlquist, 2003). Dies führte zur Entstehung vereinfachen, wenn die genetische Heterozygo- von Pflanzen, die im Aussehen D. laxa ähneln tie abnimmt. Beginnend mit D. laxa mit großen und möglicherweise sogar eine Unterart von D. Exemplare wird der Ursprung der Iliau (Wilke- laxa darstellen. Auf diese Weise entstand die sia)-Gattung klar, wenn bei einer Pionierhybri- Gattung Na‘ena‘e (Dubautia). Studien zur Phy- de ein latentes genetisches Programm für Blatt- logenie von Landis et al. (2018) deuten darauf rosetten und monokarpisches* Blühverhalten hin, dass die Tarweed-Linie direkt von Nord- aktiviert wurde. Wurde anschließend auf Maui amerika aus Kaua‘i besiedelte und in der Folge dasselbe latente genetische Modul für Blattro- die adaptive Radiation der Silberschwert-Grup- setten und monokarpisches Blühverhalten akti- pe einleitete, die wir heute beobachten. viert und gleichzeitig ein latentes genetisches Kaua‘i ist die älteste Insel des Hawaii-Archi- Programm für die Ausbildung von Zungenblü- pels, und es wird vermutet, dass sich diese frü- ten aktiviert, wird auch der Ursprung der Gat- hen Ereignisse dort abgespielt haben (Landis et tung Ahinahina (Argyroxiphium) klar. al., 2018). Warum also geschahen die frühesten Die basalen Kladen Wilkesia- und Dubautia Ereignisse auf Kaua‘i, einer der heute existie- K+ befinden sich fast ausschließlich auf Kaua‘i, renden Inseln, und nicht auf einer der vielen der ältesten Insel des Archipels, die die größte schon früher existenten vulkanischen Inseln? Anzahl von Arten der Silberschwert-Gruppe Statische Modelle des radioaktiven Zerfalls, wo- beherbergt. Beides spricht dafür, dass hier die nach die Zerfallsrate konstant ist, deuten darauf Radiation ihren Ursprung hat. Nur zwei ihrer hin, dass die Hawaii-Emperor-Inselkette min- Arten kommen auch auf jüngeren Inseln vor: D. destens 16-Mal länger existiert hat als der Ha- laxa und D. plantaginea, die als Kronenart ange- waii-Archipel, der zuletzt entstand. Meiji Sea- sehen wird. D. laxa zeigt eine Fülle von Phäno- mount datiert auf ~82 Mry (ry = radiometri- typen. Diese Unterart zeigt grüne und violette sche Jahre). Vulkanische Inseln, von denen einige Körbchen, basale und kaudale Astansätze (kurze sogar noch größer als Hawai‘i sind, standen für und hohe Wuchsform) sowie kahle und behaar- adaptive Radiationen zur Verfügung (Garcia et te Blätter. Darüber hinaus scheint sie ihre Chlo- al., 2020). Warum also Kaua‘i? Nach nicht-stati- roplasten-DNA an alle Mitglieder der Dubautia schen radioaktiven Zerfallsmodellen (wonach OMH-Gruppe weitergegeben zu haben die Zerfallsrate nicht konstant ist) hat sich die (McGlaughlin & Friar, 2011). Es scheint mög- Inselkette jedoch schnell gebildet und die heu- lich, dass D. laxa eine basale Art für die gesamte tige Inselbewegung ist demnach ein übrigge- Radiation gewesen sein könnte. Als solche wäre bliebener Rest. Demzufolge war Kaua‘i die ers- sie Vorfahre aller vier Gruppen (siehe Abb. 15, te prominente Insel, die genügend Zeit bot, um Landis et al., 2018). den Beginn der adaptiven Radiation aufzuneh- Die Wilkesia-Gruppe ist ungewöhnlich, weil men. Eine Beobachtung, die das Modell des ihre Arten weiße Körbchen haben, eine Apo- nicht-statischen Zerfalls und ein junges Alter morphie. Die einzige Ausnahme ist D. latifolia der Hawaii-Inseln unterstützt, ist die geringe mit gelben Körbchen. Sie ist die einzige Liane Anzahl von Ausbreitungsereignissen zwischen in der Gruppe, hat gegenständige Blätter und den Inseln, die in der Silberschwert-Gruppe be- steht Wilkesia in der Abfolge im Dendrogramm* obachtet wurden. Die Ausbreitung von Insel zu am nächsten. Die beiden anderen Dubautia-Ar- Insel ging mit der Besiedlung und Radiation ten in der Gruppe sind D. paleata mit sowohl ge- von Arten auf den Hawaii-Inseln einher. Den- genständigen Blättern als auch Blättern in Drei- noch kommen nur fünf Arten auf mehr als einer er-Wirteln und D. raillardioides mit Blättern in Insel vor. Die geringe Zahl an Ausbreitungser- Dreier-Wirteln. Das abrupte Auftreten von eignissen von Insel zu Insel spricht dafür, dass zwei Merkmalen bei W. gymnoxiphium, die an die Inseln relativ jung sind. Es ist zu erwarten, anderer Stelle in der Gruppe auftreten – mono- dass es während Jahrmillionen eine Fülle von karpische Pflanzen und endständige Blattroset- Ausbreitungsereignissen zwischen den Inseln ten – spricht klar für die Aktivierung latent vor- gegeben hätte. handener genetischer Programme. Phylogenien, die auf der Mendel‘schen Art- Die verbleibende Art, W. hobdyi, wird als pä- bildung basieren, sind komplexer als solche, die domorphe* oder „Sämlings“-Form von W. auf Abfolgen von Mutationsereignissen beru- gymnoxiphium betrachtet (Carlquist, 2003). Die

B-21-3 STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER | 25 fangreichen Hybridisierungspotenzials sind zu- Silberschwert-Gruppe und Schöpfung sätzliche Kernsequenzdaten erforderlich, um dies zu bestätigen. Dennoch hat zumindest Steht die in der Silberschwert-Gruppe beobachtete Vielfalt notwendigerweise im Widerspruch zu irgendeiner relevanten Lehre aus der Heiligen Schrift? Wenn nach Gruppe 4 ein Genom, das sich von den beiden dem biblischen Verständnis der biologischen Vielfalt die Pflanzen und Tiere nach ih- anderen unterscheidet (Carr, 2003a). In ähnli- ren Arten geschaffen wurden, dann kann dies so verstanden werden, dass sie in ta- cher Weise weisen rDNA-Sequenzdaten darauf xonomischen Gruppen wie den Grundtypen, d. h. genetischen Familien, geschaffen hin, dass die Dubautia OMH-Gruppe drei Un- wurden. Diese mögen eine Fülle von Individuen umfasst haben, die möglicherweise tergruppen umfasst, einschließlich der auf jün- das Spektrum der Vielfalt, mit dem wir heute vertraut sind, übersteigt. Es scheint geren Inseln vorkommenden Arten, die D. laxa- sehr wahrscheinlich, dass Organismen, die zur gleichen Art oder genetischen Fa- Chloroplasten-DNA besitzen, nur 13 Chromo- milie gehörten, reproduktiv kompatibel gewesen wären und reichlich Hybriden entstanden wären. Einige Arten werden sich zu großen Familien entwickelt haben, somen haben und modale Dubautia-Köpfchen deren Mitglieder durch Bildung von Hybriden netzartig miteinander verbunden besitzen (außer D. scabra mit 14 Chromosomen waren. Die Hybridisierung wäre normal gewesen, bis Mechanismen der Fortpflan- und weißen Blütenkronen). Obwohl das Insel- zungsisolation, die Kreuzungen zwischen den Geschlechtern und zwischen den alter dafür spricht, dass sich diese drei Gruppen Arten einschränken, zur Bildung getrennter Gruppen und Arten innerhalb dieser in der Abfolge Gruppe 5 auf O‘ahu, Gruppe 6 Familien geführt hätten. Die natürliche Auslese hätte die Arten begünstigt, die auf Maui und Gruppe 7 auf Maui Nui und Ha- wir aus der Fossilüberlieferung kennen oder die heute noch existieren. Steht die in wai‘i entwickelt haben, deuten Untersuchun- der Silberschwert-Gruppe beobachtete adaptive Radiation also im Konflikt mit der gen der Genome und der Chromosomenpaa- Heiligen Schrift? Nein, im Gegenteil, sie stimmt mit einem biblischen Verständnis von der Vielfalt des Lebens überein. Die Silberschwert-Gruppe deutet darauf hin, rung darauf hin, dass die gesamte Gruppe von dass adaptive Radiationen innerhalb genetischer Familien nach den Mendel‘schen D. scabra oder einer ähnlichen Vorfahrenart ab- Prinzipien und durch sein allzuoft missachtetes Gesetz der exponentiellen Kombi- stammen könnte. Die Genome von D. scabra nation von Merkmalsausprägungen* vollständig verstanden werden kann (Mendel, und D. latifolia sind identisch (Carr, 2003a). Viel- 1866; Crompton, 2019a; b; 2020a). leicht gab es einmal eine D. scabra mit gelben Körbchen auf O‘ahu, die von einer D. latifolia- beiden Wilkesia-Arten weisen auch parallele Hybride abstammt und die Dubautia OMH- Blattnerven auf, was für Dikotyle sehr unge- Gruppe gezeugt hat. wöhnlich ist, vermutlich durch Aktivierung ei- Die Argyroxiphium-Gruppe mit ihren 14 nes latenten genetischen Programms. Die einzi- Chromosomen auf Maui und Hawai‘I könnte ge andere Art in der Gruppe der Silberschwert- von D. laxa abstammen. Warum es zu einer ab- Arten mit weißen Körbchen, D. scabra (siehe rupten Aktivierung latenter genetischer Pro- Abb. 14), ist sowohl geografisch abgelegen als gramme für epigäische* Blattrosetten, mono- auch entfernt verwandt in der Dubautia OMH- karpische Samenkörner und anzestrale* Zun- Gruppe. Das abrupte wiederholte Auftreten genblüten kam, ist unklar, aber eine für die und dienicht aufeinanderfolgende Kombinati- Gruppe einzigartige Chromosomentranslokati- on komplexer phänotypischer Merkmale inner- on (Carr, 2003a) könnte mit diesem Ereignis halb der verschiedenen Gattungen spricht stark zusammenhängen. rDNA-Sequenzdaten wei- für Artbildungsmechanismen, die auf Mendel‘- sen darauf hin, dass Argyroxiphium-Arten auf schen Prinzipien und präexistenten genetischen Maui enger untereinander verwandt sind als mit Programmen beruhen und nicht auf höchst un- den Arten auf Hawai‘i. Eine mögliche Phyloge- wahrscheinlichen Szeanrien phänotypisch wie- nie beginnt mit A. grayanum auf Maui, aus der derkehrender, mehrfach auftretender vorteilhaf- A. sandwicense macrocephalum, A. caliginis und A. ter Mutationen. virscens (heute ausgestorben) hervorgegangen D. laxa scheint auf Kaua‘i Spreublatt-Körb- sind. Obwohl derzeit nicht auf der Insel Hawai‘i chen (bei dem alle Blüten ein Spreublatt* ha- zu finden, könnte A. grayanum kurzzeitig einge- ben) an einige wenige verstreute Arten (D. pa- drungen sein und sowohl A. s. sandwicense als leata, D. laevigata und D. kalalauensis) weiterge- auch A. kauense hervorgebracht haben. Es wer- geben zu haben. Keine andere Art weist dieses den zusätzliche Daten zur Sequenzierung der Merkmal auf. Die Dubautia K+-Gruppe ist Kern-DNA benötigt, um genauere Einzelhei- wahrscheinlich aus D. laxa oder einer ähnlichen ten zu bestätigen. Vorfahrenart entstanden und hat sich dann auf die Insel Kaua‘i ausgebreitet. Alle Arten auf der Insel haben 14 Chromosomen. Man beobachtet eine Verschiebung von violetten zu grünen Schlussfolgerungen Hüllblättern und eine Verschiebung zu den mo- dalen* Köpfchen von Dubautia, d. h. grüne Die Silberschwert-Gruppe ist eine bemerkens- Hüllblätter, gelbe Kronröhre, violette Staubbeu- werte adaptive Radiation von 33 Arten von tel und gelbe Griffel (vgl. Abb. 4). Korbblütlern (Asteraceae) auf dem hawaiiani- rDNA-Sequenzdaten weisen darauf hin, dass schen Archipel. Die große Anzahl von Hybri- die Dubautia K+-Gruppe drei Untergruppen den innerhalb der Silberschwert-Gruppe und umfasst, die Gruppen 2-4. Aufgrund des um- auch Hybriden mit verschiedenen Tarweeds

26 | STUDIUM INTEGRALE SPECIAL PAPER B-21-3 zeigen, dass sie zu einem einzigen Grundtyp schätzen, dass sich die heutigen Kronenarten mit bzw. zu einer genetischer Familie gehört. Sie einer Rate von etwa einer Art je Million (radio- bietet eine reizvolle und natürliche Möglich- metrische) Jahre diversifiziert haben. Diese keit, verschiedene Modelle der Artbildung in- Schätzung ist basiert auf dem Auftreten mehre- nerhalb einer Familie zu vergleichen. Haupt- rer vorteilhafter Mutationen und auf weiteren sächlich zwei Modelle stehen sich einander ge- zusätzlichen Annahmen. Ein auf Mutationen genüber: das traditionelle Modell der Artbildung, basierendes Modell erfordert eine große Anzahl bei dem neue Merkmalsausprägungen und neue seltener zufälliger Ereignisse, um neuartige Merkmale durch Genduplikation bzw. Poly- Merkmale und Arten hervorzubringen. Diese ploidisierung und das Auftreten mehrerer vor- sind extrem unwahrscheinlich und erfordern teilhafter Mutation entstehen und sich dadurch daher logischerweise riesige Zeiträume. neue Arten und neue genetische Familien bil- Die umfangreichen Daten, die zur Verfügung den, und das Mendel‘sche Modell der Artbil- stehen und in diesem Aufsatz besprochen wer- dung, bei dem präexistente genetische Pro- den, deuten jedoch darauf hin, dass sich die gramme aktiviert werden und dadurch neue Phylogenie der Silberschwert-Gruppe am bes- Merkmalskombinationen und somit neue Arten ten durch ein anderes Modell erklären lässt: innerhalb genetischer Familien entstehen. Es nicht durch mehrere vorteilhafte Mutationen, hat sich gezeigt, dass komplexe Merkmale bei sondern durch präexistente genetische Pro- minimaler nachteiliger Funktionalität gut ange- gramme. Die Mendel‘sche Artbildung, die auf passt sind und dass hauptsächlich der Verlust von dem Verlust der Heterozygotie und dem Auftre- Funktionsmerkmalen aus Mutationen resultier- ten von Fortpflanzungsisolation beruht, führte te. Nicht Genduplikation, aber wohl Polyploi- demnach zu dieser adaptiven Radiation der As- disierung fördert die Artbildung, wenn sie zu- teraceae-Arten, die heute auf den hawaiiani- sätzliche präexistente genetische Programme schen Inseln beobachtet wird. Dieser wirkungs- aktivieren. Die Vielzahl der Arten war von An- volle Mechanismus der Artbildung ist demnach fang an trotz des abrupten Auftretens der ver- gleichzeitig bei verschiedenen Tochterlinien schiedenen Merkmalsausprägungen vital und aufgetreten. Das Mendel‘sche (1866) Gesetz der voll funktionsfähig. Die älteren Arten weisen ei- exponentiellen Kombination von Merkmals- ne größere Heterozygotie auf und die neueren ausprägungen besagt, dass dieser Artbildungs- Arten eine geringere Heterozygotie. Es wurde mechanismus in weniger als 10 Generationen eine Fülle von Hybriden beobachtet, was Mayrs zu einer umfangreichen Artenvielfalt führen Artdefinition in Frage stellt. Darüber hinaus kann. Allerdings müssen die alternativen Allele nahm die Fähigkeit zur Hybridisierung mit in den resultierenden Arten fixiert werden, was dem Alter der Art ab. Alle diese Beobachtungen eine Fortpflanzungsisolation erfordert, was, wie favorisieren das Mendel‘sche Modell gegenüber Laborstudien und Computermodelle zeigen, bis dem traditionellen Modell. zu zehn weitere Generationen erfordert Forscher vor Ort unterstützen diese Ergeb- (Crompton, 2019). Die durchschnittliche Ge- nisse und auch ihre Interpretation. Die Silber- nerationszeit dieser Pflanzen beträgt etwa fünf schwert-Gruppe bietet überwältigende Unter- Jahre, so dass zwanzig Generationen etwa 100 stützung für die Mendel‘sche Artbildung als ge- Jahre ausmachen. netischen Mechanismus hinter ihrer adaptiven Darüber hinaus ist die große Anzahl von Hy- Radiation und ist typisch für adaptive Radiati- briden, die innerhalb der Silberschwert-Gruppe on im Allgemeinen. Mutationen spielen dabei beobachtet werden, ein starkes Argument für ei- prinzipiell eine geringfügige und vor allem ne jüngere Radiation. Wären die Inseln Millio- schädliche Rolle (vgl. Crompton, 2019b). nen Jahre alt, würden die dort existierenden Ar- Die in der Silberschwert-Gruppe beobachte- ten Hunderttausende, ja sogar Millionen von te adaptive Radiation hat nach der Ankunft und Generationen hinter sich gebracht haben, und der erfolgreichen Hybridisierung der ersten Pio- eine Hybridisierung zwischen derart alten, von- nierarten eine gewisse Zeit benötigt, bis die vie- einander abweichenden Arten würde mit jeder len heutigen, über die verschiedenen Inseln ver- Generation immer unwahrscheinlicher. Den- teilten Arten entstanden sind. Das hätte zahlreiche noch bilden die Arten alle leicht Hybriden. Dies Pflanzengenerationen erfordert. Die Frage ist, unterstützt die Interpretation, dass die Radiati- wie viele Generationen? Wie viel Zeit muss on der Silberschwert-Gruppe und damit auch verstrichen sein, damit die gesamte heute beob- die Inseln relativ jung sind. Für die adaptive Ra- achtete Biodiversität der Silberschwert-Gruppe diation der Silberschwert-Gruppe werden kei- ausgebildet sein konnte? Landis und seine Kol- ne Millionen von Jahren benötigt. Sie brauchte legen (2018) bearbeiten diese Frage mit moder- höchstens Jahrhunderte. Die reizvolle, wenn nen statistischen Methoden und mit einem Mo- auch leider allzu zerbrechliche biologische Viel- dell, das auf der üblichen Datierung mittels des falt auf Hawaii ist ganz klar mit einem jungen statischen radioaktiven Zerfalls beruht (s. o.). Sie Alter des Archipels vereinbar.

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