Plenarprotokoll 16 / 61

16. Wahlperiode

61. Sitzung

Berlin, Donnerstag, 25. März 2010

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Beschlussempfehlung: Resettlement – sagt ja! Nachruf Drs 16/3027 ...... 5918 ehemalige Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Beschlussempfehlung: Für ein größeres Engagement Berlin Dr. Hanna-Renate Laurien ...... 5816 Deutschlands bei der Aufnahme von Flüchtlingen gemäß den UNHCR-Kriterien Geschäftliches Drs 16/3028 ...... 5918 Aufnahme in die SPD-Fraktion Beschluss ...... 5920 Rainer-Michael Lehmann ...... 5817 Beschlussempfehlung: Chancen zur Neuordnung Anträge auf Durchführung einer der Wirtschaftsförderung in Berlin jetzt nutzen! Aktuellen Stunde Drs 16/3029 ...... 5918 Ülker Radziwill (SPD) ...... 5817 Nicolas Zimmer (CDU) ...... 5818 Beschlussempfehlung: Passgenaue und individuelle Ramona Pop (Grüne) ...... 5818 Hilfen für erwerbslose Menschen absichern! Christoph Meyer (FDP) ...... 5820 Drs 16/3036 ...... 5918 Liste der Dringlichkeiten ...... 5917 Beschlussempfehlung: Klare Mehrheitsverhältnisse in den Trägerversammlungen und Arbeitsgemeinschaften schaffen! Konsensliste Drs 16/3037 ...... 5918 I. Lesung: Gesetz zum Staatsvertrag über die Beschlussempfehlungen: Elektronische Zeiterfassung Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und in der Berliner Hauptverwaltung länderübergreifenden Dienstherrenwechseln Drs 16/3043 ...... 5918 (Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag) Beschlussempfehlungen: Welche öffentlichen Drs 16/3051 ...... 5918 Infrastrukturprojekte eignen sich für Beschlussempfehlung: Mieterbeiräte stärken Öffentlich-Private-Partnerschaften – ÖPP –? Drs 16/3021 ...... 5918 Drs 16/3045 ...... 5918 Beschluss ...... 5920 Beschlussempfehlung: Ballungsräume stärken – Beschlussempfehlung: Energetische Transparenz bei EU-Entwicklungsziele anpassen landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften verbessern Drs 16/3046 ...... 5918 Drs 16/3022 ...... 5918 Beschluss ...... 5920

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Beschlussempfehlung: Rechtsextremismus nachhaltig Schülerclubs werden geschlossen – ist der Ganztag bekämpfen – Präventionsprogramm für Kinder und an den Sekundarschulen überhaupt finanziert? Jugendliche Sascha Steuer (CDU) ...... 5824 Drs 16/3048 ...... 5919 Senator Dr. Jürgen Zöllner ...... 5824, 5825 Beschluss [mit neuer Überschrift: Özcan Mutlu (Grüne) ...... 5825 Berliner Landeskonzeption gegen Rechtsextremismus, Schafft der Senat mit der Kündigung von Rassismus und Antisemitismus im Handlungsfeld Kleingärten rechtswidrig vollendete Tatsachen „Bildung und Jugend für Demokratie“ weiter zum Bau der A 100? entwickeln und verstetigen] ...... 5921 Stefan Ziller (Grüne) ...... 5825, 5826 Beschlussempfehlung: Bodenverunreinigungen auf Staatssekretärin Hella Dunger-Löper ...... 5825, 5826 dem Olympiagelände untersuchen! Daniel Buchholz (SPD) ...... 5826 Drs 16/3055 ...... 5919 Künstlerische Erinnerung an den 8. Mai 1945 Beschlussempfehlung: Verantwortung ohne staatliches Interesse? für Ressourcenschonung, Emissionsminderung Wolfgang Brauer (Linksfraktion) ...... 5826, 5827 und Klimaschutz wahrnehmen, Belastungen für Staatssekretär André Schmitz ...... 5826, 5827 Bürgerinnen und Bürger minimieren Michael Braun (CDU) ...... 5827 Drs 16/3056 ...... 5919 Neues vom Ankündigungssenator: Antrag: Baustellenverkehr beim Ausbau der diesmal Besetzung von Aufsichtratsposten? Bundesautobahn A10 anliegerverträglich gestalten! Christoph Meyer (FDP) ...... 5827, 5828 Senator Dr. Ulrich Nußbaum ...... 5827, 5828, 5829 Drs 16/3059 ...... 5919 Florian Graf (CDU) ...... 5828 Antrag: Praktische Schritte zur besseren sonderpädagogischen Förderung gehen: Kürzungen im Bundeshaushalt im Bereich Förderzentren zu sonderpädagogischen „Soziale Stadt“ Kompetenzzentren entwickeln Ellen Haußdörfer (SPD) ...... 5829, 5830 Staatssekretärin Hella Dunger-Löper ...... 5829, 5830 Drs 16/3061 ...... 5919 Oliver Schruoffeneger (Grüne) ...... 5830 Antrag: Wohnortnahe hausärztliche Versorgung in allen Berliner Bezirken sicherstellen! Immer wieder Kunsthalle – was plant der Senat von Berlin? Drs 16/3062 ...... 5919 Michael Braun (CDU) ...... 5831 Antrag: Den Behindertensport fördern – Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ...... 5831 die paralympischen Winterspiele nutzen! Alice Ströver (Grüne) ...... 5831 Drs 16/3067 ...... 5919 Studentischer Streik in der Deutschen Film- und Antrag: Videoüberwachung bei den Fernsehakademie GmbH wegen intransparenter Verkehrsbetrieben und im öffentlichen Raum Besetzung der Direktorenstelle endlich wissenschaftlich evaluieren! Alice Ströver (Grüne) ...... 5832 Drs 16/3069 ...... 5919 Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ...... 5832 Antrag: Mehr Qualität und Kundenzufriedenheit Fischsterben in Berliner Gewässern durch Wettbewerb im Berliner ÖPNV: Marion Platta (Linksfraktion) ...... 5833 Vergabeverfahren für das Gesamtnetz der Senatorin Katrin Lompscher ...... 5833 Berliner S-Bahn konsequent vorbereiten! Was bleibt vom Kehrmonopol? Drs 16/3071 ...... 5919 Sebastian Czaja (FDP) ...... 5834 Staatssekretärin Hella Dunger-Löper ...... 5834

Fragestunde – Mündliche Anfragen Equal Pay Day: Was unternimmt der Senat gegen Fragestunde – Spontane Fragestunde ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern? A 100 Ulrike Neumann (SPD) ...... 5821, 5823 Christian Gaebler (SPD) ...... 5835 Bürgermeister Harald Wolf ...... 5822, 5823 Senatorin Katrin Lompscher ...... 5835 Anja Kofbinger (Grüne) ...... 5823

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Drs 16/3087 ...... 5841 Flugreise des Regierenden Bürgermeisters Michael Braun (CDU) ...... 5835 Ülker Radziwill (SPD) ...... 5841, 5853 Gregor Hoffmann (CDU) ...... 5843, 5846, 5854 Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ...... 5835 ...... 5836 Elke Breitenbach (Linksfraktion) ... 5844, 5847, 5854 Jasenka Villbrandt (Grüne) ...... 5847 Nebentätigkeit des Staatssekretärs Hasso Lieber Mieke Senftleben (FDP) ...... 5848, 5851, 5856 Canan Bayram (Grüne) ...... 5836 Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion) ...... 5850 Senatorin Gisela von der Aue ...... 5836 Senatorin Carola Bluhm ...... 5851, 5852 Björn Jotzo (FDP) ...... 5852 Neugestaltung des ZDF-Staatsvertrags Oliver Schruoffeneger (Grüne) ...... 5855 Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) ...... 5836 Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ...... 5836 Prioritäten gem. § 59 der Geschäftsordnung Flugreise des Regierenden Bürgermeisters nach Paris Christoph Meyer (FDP) ...... 5837 Antrag Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ...... 5837 Kein Zwei-Klassen-Abitur in Berlin ...... 5839 Drs 16/3058 ...... 5856 Flüge von und nach BBI Sascha Steuer (CDU) ...... 5857, 5859 Oliver Friederici (CDU) ...... 5838, 5839 Dr. Felicitas Tesch (SPD) ...... 5857 Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ...... 5839 Özcan Mutlu (Grüne) ...... 5858, 5859 Berliner Klimaschutzgesetz Steffen Zillich (Linksfraktion) ...... 5859 Michael Schäfer (Grüne) ...... 5839, 5840 Mieke Senftleben (FDP) ...... 5860 Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ...... 5839 ...... 5840 Beschlussempfehlung Frauenförderung durch den Senat Neuvermietungsmieten bei landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften steuern Mieke Senftleben (FDP) ...... 5840, 5841 Bürgermeister Harald Wolf ...... 5840, 5841 Drs 16/3023 ...... 5861

Anträge Aktuelle Stunde Erwerb von Sozialwohnungen Transparenz und Kontrolle der Arbeit sozialer Drs 16/3049 ...... 5861 Unternehmen und Einrichtungen Andreas Otto (Grüne) ...... 5861, 5863 Anträge Dr. Michael Arndt (SPD) ...... 5862 Dr. Manuel Heide (CDU) ...... 5863 Senat muss mehr Transparenz schaffen! Uwe Doering (Linksfraktion) ...... 5864 Drs 16/3064 ...... 5841 Albert Weingartner (FDP) ...... 5865 Ralf Hillenberg (fraktionslos) ...... 5866 Schlussfolgerungen aus dem Skandal um die Treberhilfe Solarenergie ist Arbeitsplatzmotor in Berlin – Kürzung der Einspeisevergütung moderat Drs 16/3065 ...... 5841 gestalten! Mehr Transparenz und Wirksamkeit bei Drs 16/3060 ...... 5867 der Vergabe öffentlicher Mittel (I) – soziale Maßnahmen und Projekte öffentlich Kürzung der Solarförderung bedroht ausschreiben! Arbeitsplätze in Berlin und Brandenburg Drs 16/3072 ...... 5841 Drs 16/3066 ...... 5867 Mehr Transparenz und Wirksamkeit bei der Mit klarem Klimaziel in die Green Economy – Vergabe öffentlicher Mittel (II) – erster Träger- Investitionssicherheit für eine innovative Wirtschaft und Projekteatlas für Berlin, jetzt! Wer, wie viel, Drs 16/3050 ...... 5867 von wem, wofür? Drs 16/3070 ...... 5841 Entschließungsantrag Kürzung der Einspeisevergütung moderat halten Dringlicher Antrag Drs 16/3104 ...... 5867 Erste Konsequenzen aus dem Treberhilfeskandal: Marion Platta (Linksfraktion) ...... 5867 rechtliche Änderungen sind notwendig

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Heiko Melzer (CDU) ...... 5868 Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion) ...... 5891, 5895 Daniel Buchholz (SPD) ...... 5869 Volker Ratzmann (Grüne) ...... 5893, 5896 Michael Schäfer (Grüne) ...... 5870, 5873 Henner Schmidt (FDP) ...... 5871, 5873 Abstimmungsliste ...... 5915, 5916 Beschlussempfehlungen Beschluss ...... 5920 Eine Zukunft für das Tempelhofer Feld Drs 16/2955 ...... 5896 Antrag Tempelhofareal für die Stadt öffnen und Für ein tolerantes Berlin, gegen politischen bürgernah und zukunftsfähig entwickeln Extremismus (I) – linke Gewalt endlich wirksam Drs 16/3005 ...... 5896 bekämpfen Klaus-Peter von Lüdeke (FDP) ...... 5896 Drs 16/3068 ...... 5874 Petra Hildebrandt (SPD) ...... 5897 Stefanie Bung (CDU) ...... 5898 Entschließungsantrag Dr. Thomas Flierl (Linksfraktion) ...... 5899 Linksextremistische Gewalt und Brandanschläge Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) ...... 5900 müssen geächtet und dürfen nicht politisch gerechtfertigt werden Bundesratsinitiative zur verbraucherfreundlichen Drs 16/3105 ...... 5874 Lebensmittelkennzeichnung Björn Jotzo (FDP) ...... 5874, 5876 Drs 16/2998 ...... 5901 Thomas Kleineidam (SPD) ...... 5875, 5877 Astrid Schneider (Grüne) ...... 5901, 5903 Dr. Robbin Juhnke (CDU) ...... 5877 Birgit Monteiro (SPD) ...... 5902 Marion Seelig (Linksfraktion) ...... 5878 Cornelia Seibeld (CDU) ...... 5903 Benedikt Lux (Grüne) ...... 5879, 5881 Bärbel Holzheuer-Rothensteiner (Linksfraktion) Dr. Sebastian Kluckert (FDP) ...... 5880 ...... 5904 Kai Gersch (FDP) ...... 5905

II. Lesung Geburtsstunde der deutschen Demokratie vor Zweites Gesetz zur Änderung des 90 Jahren im Preußischen Landtag angemessen Berliner Betriebe-Gesetzes würdigen Drs 16/3044 ...... 5882 Drs 16/3020 ...... 5906 Dr. Uwe Lehmann-Brauns (CDU) ...... 5906 Brigitte Lange (SPD) ...... 5906 Wahlen Klaus-Peter von Lüdeke (FDP) ...... 5907 Mitglieder des Richterwahlausschusses Drs 16/2963 ...... 5882 Auftragserteilung nach dem Prinzip „Man kennt sich eben“ endlich beenden, Vergabepraxis Ergebnis ...... 5920 der landeseigenen Unternehmen konsequent überprüfen! Drei Personen des öffentlichen Lebens für Drs 16/3038 ...... 5908 den Beirat der Einstein Stiftung Berlin

Ergebnis ...... 5920 Mehr Berlin in Europa – mehr Europa in Berlin (V): Intensivierung der Zusammenarbeit Große Anfrage Berlins mit der Republik Serbien Neue Landesbeteiligungen und Drs 16/3047 ...... 5908 Rekommunalisierungen in Berlin? Mirco Dragowski (FDP) ...... 5908 Was plant der Senat? Beschluss [mit neuer Überschrift: Drs 16/3054 ...... 5882 Intensivierung der Beziehungen zur Volker Thiel (FDP) ...... 5882 Republik Serbien] ...... 5920 Bürgermeister Harald Wolf ...... 5883 Henner Schmidt (FDP) ...... 5886 Frank Jahnke (SPD) ...... 5887 Heiko Melzer (CDU) ...... 5889

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Schülerwohl gewährleisten – Dringliche Beschlussempfehlungen Ombudsstelle für Schulkonflikte schaffen! Bildende Künstler und Hartz IV Drs 16/3019 ...... 5913 Drs 16/3082 ...... 5909 Beschluss [mit neuer Überschrift: Berücksichtigung des Datenschutzes und Künstlerinnen und Künstler und Hartz IV] ...... 5921 Verhinderung von marktbeherrschenden Standards bei der Umsetzung des IT-Staatsvertrags Freie Fahrt für den Busverkehr – Drs 16/3057 ...... 5914 Vorrangschaltungen für Busse planmäßig umrüsten und in Betrieb nehmen Beschluss ...... 5922

Drs 16/3083 ...... 5909 Um unserer Geschichte und Identität wegen: Beschluss [mit neuer Überschrift: Berlin braucht eine Festveranstaltung zum Freie Fahrt für den ÖPNV – Vorrangschaltungen für 20. Jahrestag der Wiedervereinigung Busse und Straßenbahnen planmäßig umrüsten und in Betrieb nehmen] ...... 5922 Drs 16/3063 ...... 5914

Entlastung wegen der Einnahmen und Mehr Qualität und Kundenzufriedenheit Ausgaben des Rechnungshofs von Berlin durch Wettbewerb im Berliner ÖPNV: im Haushaltsjahr 2008 Vergabeverfahren für das Gesamtnetz der Drs 16/3084 ...... 5910 Berliner S-Bahn konsequent vorbereiten! Beschluss ...... 5922 Drs 16/3071 ...... 5914

Vermögensgeschäft Nr. 3/2010 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Dringlicher Antrag Drs 16/3085 ...... 5910 Planfeststellungsbeschluss zum vierspurigen Ausbau der Invalidenstraße aufheben – mehr Tram wagen Beschluss ...... 5922 Drs 16/3074 ...... 5914 Vermögensgeschäft Nr. 6/2010 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Drs 16/3086 ...... 5910 Beschluss ...... 5922

Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB Drs 16/3052 ...... 5910

Anträge Endlich eine dauerhafte Heimat für Türkiyemspor! Drs 16/3010 ...... 5910 Andreas Statzkowski (CDU) ...... 5910 Markus Pauzenberger (SPD) ...... 5911, 5912 Felicitas Kubala (Grüne) ...... 5912 Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) ...... 5913 Sebastian Czaja (FDP) ...... 5913

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Präsident Walter Momper eröffnet die Sitzung um 1975 wurde Hanna-Renate Laurien in den rheinland- 13.02 Uhr. pfälzischen Landtag gewählt, und als Bernhard Vogel Präsident Walter Momper: neuer Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz wurde, berief er Hanna-Renate Laurien im Dezember 1976 als Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 61. Sitzung des Kultusministerin in sein Kabinett. Dieses Ressort behielt Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie alle, sie auch nach den Landtagswahlen vom März 1979. Als unsere Gäste, Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr Kultusministerin setzte sich Hanna-Renate Laurien be- herzlich! sonders für einen qualifizierten Ausbau der beruflichen Bildung ein. Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, bitte ich Sie, sich zu erheben, denn ich habe eine traurige Pflicht zu 1981 berief Richard von Weizsäcker Hanna-Renate Lau- erfüllen! rien als Senatorin für Schule, Jugend und Sport in den [Die Anwesenden erheben sich.] Berliner Senat. Aufsehen erregte ihre Auseinandersetzung mit der Lehrergewerkschaft GEW, die Lehrer und Schüler Wir trauern um unsere ehemalige Präsidentin, Bürger- zu Aktionen für die Friedensbewegung in den Schulen meisterin, Senatorin und Stadtälteste von Berlin, Frau aufgerufen hatte. Dr. Hanna-Renate Laurien, die am 12. März 2010 im Alter von 81 Jahren gestorben ist. Mit Hanna-Renate 1983 war Frau Laurien Kandidatin für das Amt des Re- Laurien verliert Berlin eine herausragende Persönlichkeit gierenden Bürgermeisters innerhalb der CDU. Der CDU- und Politikerin, die dem Abgeordnetenhaus von 1985 bis Landesausschuss nominierte allerdings nach einer span- 1995 angehört hat. Über viele Jahre hat sie mit großem nenden Kandidatenrunde Eberhard Diepgen für dieses Mut, mit Entschlossenheit, mit Klugheit und mit Kompe- Amt. Frau Laurien kandidierte für das Abgeordnetenhaus tenz maßgeblich das politische Leben in Berlin mitbe- erfolgreich im Wahlkreis . Sie wurde 1985 als stimmt. Schulsenatorin bestätigt. 1986 wurde Frau Laurien auch Bürgermeisterin von Berlin. Nach der Wahl von 1989 Hanna-Renate Laurien wurde als Tochter eines Chemi- wurde Frau Laurien Vorsitzende des Petitionsausschusses kers und einer Lehrerin am 15. April 1928 in Danzig des Abgeordnetenhauses. geboren. Sie stammte aus einer wohlhabenden protestan- tischen Familie. Als 23-jährige Frau konvertierte sie zum Bei der ersten Gesamtberliner Wahl am 2. Dezember Katholizismus und fühlte sich der Botschaft des Evange- 1990 gewann Frau Laurien wieder ihren Wahlkreis in liums und ihrer Kirche lebenslang verpflichtet. Schöneberg. Am 11. Januar 1991 wurde sie als erste Frau zur Parlamentspräsidentin dieses Hauses gewählt. Sie Hanna-Renate Laurien besuchte das Gymnasium in selbst empfand ihr Amt, wie sie sagte, im vereinigten Spremberg und in Berlin. 1944 meldete sie sich zum Berlin mit fünf Fraktionen als einen krönenden Schluss- Arbeitsdienst. Nach dem Abitur im Jahr 1946 studierte sie stein ihrer politischen Laufbahn. an der Humboldt-Universität Germanistik, Anglistik und Philosophie. 1948 wechselte sie zur Freien Universität Hanna-Renate Laurien war 1966 Mitglied der CDU ge- Berlin, die sie selbst mit begründet hatte, und legte 1951 worden. 1967 bis 1970 war sie stellvertretende Kreisvor- ihr Staatsexamen ab. Anschließend promovierte sie zum sitzende in Köln, und seit 1977 war sie im CDU Bundes- Doktor der Philosophie. vorstand bis 1996 vertreten.

Hanna-Renate Laurien war 1951 bis 1970 im höheren Für ihre Verdienste in Politik, Kirche und Bildungswesen Schuldienst in Nordrhein-Westfalen tätig. Sie arbeitete wurde Hanna-Renate Laurien mit unzähligen Auszeich- 1957 bis 1963 im Kultusministerium in Düsseldorf und nungen geehrt. Ich kann nur einige davon nennen: 1979 war von 1963 bis 1965 als Fachleiterin für Deutsch am mit dem Hermann-Voß-Kulturpreis der Deutschen Or- Studienseminar tätig. Sie leitete von 1965 bis 1970 die chester, 1981 erhielt sie das Große Bundesverdienstkreuz Königin-Luise-Schule in Köln. Schon damals setzte sie und die Leibniz-Medaille der Akademie der Wissenschaf- sich dafür ein, dass schwangere Schülerinnen Abitur ten und der Literatur in Mainz, 1988 wurde sie mit der machen konnten. Das war damals in den Augen vieler Leo-Kestenberg-Medaille für Verdienste um die Musiker- Menschen ein unerhörter Vorgang, aber es nutzte den ziehung ausgezeichnet. 1994 folgte der Theodor-Heuss- betroffenen Frauen. Frau Laurien hat es durchgesetzt, und Preis, 1995 die Kardinal-Döpfner-Medaille und das Große das ausgerechnet in Köln. Bundesverdienstkreuz mit Stern, der Werner-Scherer- Preis und die Auszeichnung „Frau des Jahres“ vom Ver- Seit 1970 arbeitete Frau Laurien als Hauptabteilungsleite- band deutscher Staatsbürgerinnen. 1996 wurde Frau Lau- rin und seit 1971 als Staatssekretärin im Kultusministeri- rien für ihre Verdienste um die deutsch-polnische Ver- um von Rheinland-Pfalz unter dem damaligen Kultusmi- ständigung mit dem Kommandeurskreuz des Verdienstor- nister Bernhard Vogel. Ihre nachhaltige Kritik an den dens der Republik Polen geehrt. Die Ehrendoktorwürde damaligen hessischen Rahmenrichtlinien für den Schulun- der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität terricht machte sie einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Münster wurde ihr 1996 zugesprochen. 1999 erhielt sie die Louise-Schroeder-Medaille für ihr Engagement in der

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Präsident Walter Momper Berliner Politik und für Frauen, die sie später allerdings wicklungsperspektive für das ICC, keine Vision, kein zurückgegeben hat. Konzept“.

Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem Hanna-Renate Laurien war von 1991 bis 2000 Vorsitzen- Mitglied der Koalitionsfraktionen das Wort. Frau Radzi- de des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Berlin. will spricht zur Begründung der Aktuellen Stunde. – Bitte 2000 wurde sie in das Zentralkomitee der Deutschen schön, Frau Radziwill! Katholiken gewählt. Gerade innerhalb ihrer Kirche mach- te sie oft genug mit lebensnahen, aber für die Kirche un- gewöhnlichen Forderungen und Hinweisen auf Unzuläng- Ülker Radziwill (SPD): lichkeiten und Fehler aufmerksam. Sie forderte das Pries- Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Her- teramt auch für Frauen und setzte sich für die Anerken- ren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wer in bekannten nung der Homosexualität und homosexueller Partner- Suchmaschinen im Internet nach dem Begriff „Treberhil- schaften durch die Katholische Kirche ein. fe“ sucht, findet rund 220 000 Artikel in dem Zeitraum von einem Monat. Wenn man nach „Treberhilfe gGmbH“ Am 8. März 1996 wurde Frau Laurien zur Stadtältesten sucht, findet man immerhin über 400 Artikel im gleichen von Berlin ernannt. Zeitraum. Kaum ein anderes Thema hat die Öffentlichkeit so bewegt wie die Missstände bei der Treberhilfe e. V. Frau Laurien war eine ungewöhnlich couragierte Frau und und insbesondere bei der Treberhilfe gGmbH. Wir verur- eine unkonventionelle Denkerin. Mit großem Einsatz, mit teilen die Machenschaften der Herren dort auf das Mut, mit Kompetenz und Beharrlichkeit hat sich Hanna- Schärfste. Diese dreiste, teils auch persönliche Bereiche- Renate Laurien in ihren Ämtern für den demokratischen rung auf Kosten des Steuerzahlers ist nicht hinnehmbar Staat, für unser Gemeinwesen eingesetzt. Weit über alle und ein zutiefst unsoziales Verhalten. parteipolitischen Grenzen hinweg hat sie hohes Ansehen erworben. Hanna-Renate Laurien war eine engagierte [Beifall bei der SPD, den Grünen und Christin und streitbare Demokratin, für die das Wohl ihrer der Linksfraktion] Mitmenschen immer im Vordergrund stand. Was mit einem unverhältnismäßig teuren Maserati- Dienstwagen und unverhältnismäßig hohen Gehältern der Das Abgeordnetenhaus trauert um seine ehemalige Präsi- Geschäftsführer beim gemeinnützigen Sozialunternehmen dentin und verneigt sich mit Dankbarkeit und Hochach- begann, stellt nun die gesamte Sozialwirtschaft unter tung vor einer großen Persönlichkeit. Generalverdacht. Der gesamte soziale Sektor fällt unter diesen Verdacht. Tausende Träger, Vereine und Verbände Hanna-Renate Laurien hat sich um Berlin verdient ge- leisten in diesem sozialen Sektor gute Arbeit. Rund macht. 100 000 Menschen sind hier beschäftigt. Sie leisten für [Gedenkminute] das wichtige soziale Netz in unserer Millionenmetropole gute Arbeit, und an dieser Stelle sollten wir ihnen für Der bisher fraktionslose Abgeordnete Rainer Michael ihren Einsatz danken. Lehmann ist nunmehr Mitglied der SPD-Fraktion gewor- den. [Beifall] Darauf sollten wir insbesondere in unseren Debatten ach- Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich wieder Ge- ten, und das ist auch der Grund für die Koalition, das schäftliches mitzuteilen. Am Montag sind vier Anträge Haus in der Aktuellen Stunde heute mit dem Thema auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen: „Transparenz und Kontrolle der sozialen Einrichtungen und Unternehmen“ zu befassen. Dort, wo Missbrauch ist, 1. Antrag der Linksfraktion und der Fraktion der SPD muss effektiv aufgedeckt werden. Dort, wo Kontrollen zum Thema: „Transparenz und Kontrolle der Arbeit nötig sind, müssen sie effektiv sein. Transparenz ist uns sozialer Unternehmen und Einrichtungen“, wichtig und muss sichergestellt werden. Doch Achtung! 2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Die Cha- Wir dürfen dabei keine Kehrtwende in ein herkömmli- rité in der Notaufnahme: die Berliner Universitätsme- ches, fürsorgestaatliches Denken machen und dürfen dizin braucht jetzt endlich einmal ein Machtwort von unser Verständnis von moderner Sozialwirtschaft mit Wowereit für längst überfällige Investitionen statt ihren Zielen der Problemlösungen für viele Menschen und endlose Streitereien zwischen Zöllner, Nußbaum und zum Nutzen der Gesellschaft nicht aufgeben. Lompscher“, Darüber wollen wir mit Ihnen heute debattieren. Ich gehe 3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Konse- davon aus, dass Sie, meine Herren und Damen von der quenz statt Zögerlichkeit: gute Sozialpolitik braucht Opposition, es genauso sehen wie wir und unser Thema Transparenz und Kontrolle“, für die Aktuelle Stunde unterstützen. Vielen Dank! 4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Rot-Rot [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] im politischen Stillstand: keine Entscheidung zur A 100, keine Perspektive für das Klimaschutzgesetz, Streit um Ladenöffnung im Hauptbahnhof, keine Ent-

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Präsident Walter Momper: schätzen, und diese Rufschädigung kann auch negative Danke schön, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion Auswirkungen auf die jetzt anstehende nächste Runde der begründet nunmehr der Kollege Zimmer das Thema der Exzellenz-Initiative haben, denn die Charité ist derzeit an Aktuellen Stunde. – Bitte schön, Herr Zimmer! vier Exzellenzprojekten beteiligt. Deswegen wollen wir heute eine klare Aussage des Regierenden Bürgermeisters Wowereit zur Zukunft der Charité. Herr Wowereit - der- Nicolas Zimmer (CDU): zeit nicht anwesend –: Warum lassen Sie es zu, dass Ihr Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Her- Finanzsenator die Charité öffentlich demontiert? Warum ren! Vor gut vier Wochen haben wir hier in diesem Saal hört man eigentlich nie etwas von Ihnen, wenn es wirklich schon einmal über die Zukunft der Charité diskutiert. Die wichtig wird? Man braucht wahrlich keine Kietz- Politik ist bekanntlich schnelllebig, und deswegen möchte Spaziergänge, Herr Wowereit, um zu wissen, was in die- ich Ihnen erst einmal in Erinnerung rufen, dass Senator ser Stadt Priorität haben sollte. Aber wer eben einmal für Zöllner sagte: 50 000 Euro nach Paris jettet, um eine Party bis zum Schluss feiern zu können, der verliert beim Abheben Die Charité braucht eine sichere Perspektive, und schnell den Bezug zur Realität. sie braucht nach meiner festen Überzeugung eine sichere Perspektive noch in der ersten Hälfte die- [Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP] ses Jahres. Die Charité benötigt jährlich 100 Millionen Euro für Dann kam Frau Winde von der SPD-Fraktion und sagte: Investitionen. Allein die Instandhaltungskosten summie- ren sich dabei auf 70 Millionen Euro. Der gesamte bauli- Entscheidungen müssen zeitnah getroffen und In- che Investitionsbedarf der Charité beträgt 636 Millionen vestitionsmittel freigegeben werden. Euro. Herr Wowereit! Sind Sie bereit, die notwendigen Nun, richtig ist: Berlin braucht die Charité – und zwar an Investitionen in die Charité zu finanzieren, und wenn dem allen vier Standorten –, und die Charité braucht verbindli- nicht so ist, wie soll es dann Ihrer Meinung nach weiter- che Zusagen des Landes Berlin. Doch in der Zwischenzeit gehen mit der Charité? Sie müssen endlich den 10 000 stellt sich heraus: nichts als Placebos und weiße Salbe, Beschäftigten an der Charité und den Berlinerinnen und ausgeteilt von Prof. Zöllner und Kollegin Winde, um den Berlinern reinen Wein einschenken, denn diese Debatte Patienten Charité und die Öffentlichkeit ruhigzustellen. und vor allem ihr Abschluss dulden keinen weiteren Auf- Mindestens ein Senator, nämlich Herr Dr. Nußbaum, schub. marschiert mit der Knochensäge durch die Stadt und will Teile der Charité amputieren. Deswegen haben wir heute unsere Aktuelle Stunde zur Charité beantragt und bitten Sie um Ihre Zustimmung. – [Beifall bei der CDU] Vielen Dank! Die Charité werde von ihren Professoren in Geiselhaft [Beifall bei der CDU und der FDP] genommen, so Nußbaum; nicht Qualität, sondern schiere Masse regiere die Uniklinik; die Charité solle einen ihrer drei Klinikstandorte aufgeben, am besten das Klinikum Präsident Walter Momper: Benjamin Franklin in Steglitz. Solche Angriffe bleiben natürlich nicht ohne Folgen. Die zurecht aufgebrachten Danke schön, Herr Kollege Zimmer! – Für die Fraktion Professoren an der Charité schreiben an Wowereit. Der Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr die Fraktionsvorsit- Vorstandsvorsitzende der Charité, Prof. Einhäupl, wehrt zende, Frau Pop, das Wort. – Bitte schön, Frau Pop! sich öffentlich, und der Aufsichtsrat beschwert sich schriftlich über Senator Nußbaums Attacken. Die Zeitun- Ramona Pop (Grüne): gen der letzten Tage sind voll mit Artikeln über die Zu- kunft der Charité. So kann es nicht weitergehen! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen heute ebenfalls über die Konsequenzen aus dem Skandal [Beifall bei der CDU] um die Treberhilfe und über mehr Transparenz und Kon- Jeder Tag, der weiter durch Streitereien der Senatoren und trolle bei der Vergabe von sozialen Dienstleistungen in ohne Entscheidung ins Land geht, leistet dem Verfall der dieser Stadt diskutieren. Infrastruktur an der Charité Vorschub und ruiniert die Reputation dieser Institution, die seit nunmehr 300 Jahren Nachdem wir in den letzten Wochen über mangelnde besteht, zwei Weltkriege und die DDR überlebt hat und Kontrolle beim DIW und über die Vergabepraxis bei der nun ein Opfer des rot-roten Senats zu werden droht. HOWOGE zugunsten eines SPD-Abgeordneten diskutiert haben, ist heute die Treberhilfe an der Reihe. Wenn es [Beifall bei der CDU] allerdings so weitergeht, reden wir in der nächsten Plenar- Um den Ernst der Lage deutlich zu machen: Prof. Ein- sitzung, nach den Ferien, über mangelnde Kontrolle bei häupl von der Charité berichtet von katastrophalen Zu- der landeseigenen Berliner Immobilien Holding, wo die ständen. Mal explodiere dort ein Trafo, dann platze ein Staatsanwaltschaft bereits gegen Untreue ermittelt. Und Heizkörper, und OP-Sälen drohe die Schließung. Die heute war zu lesen, dass gegen Herrn Sarrazin und Frau abschreckende Wirkung, die solche Zustände auf Spit- Knake-Werner ebenfalls ermittelt wird. Ich glaube, wir zenmediziner und –forscher hat, ist nicht zu gering einzu-

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Ramona Pop haben Stoff genug, um in den nächsten Sitzungen zu Wir müssen die Finanzierung sozialer Leistungen in Ber- diskutieren. lin neu ordnen. Über 2,2 Milliarden Euro werden offen- [Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP] sichtlich bar jeder Finanzkontrolle vergeben, und wenn die zuständige Senatorin von einer „Blackbox der Mittel“ Die ganze Stadt schaut inzwischen fassungslos zu, wie spricht, ist das eine reine Bankrotterklärung von Ihnen, jede Woche immer neue Skandale publik werden. Dieser Frau Bluhm! Senat hat die Lage schon lange nicht mehr im Griff. Die ganze Stadt ist fassungslos darüber, wie landeseigene [Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP] Unternehmen mit öffentlichen Mitteln umgehen und mit Wir brauchen eine klare Steuerung, eine klare Kontrolle welcher Dreistigkeit sich so mancher aus den öffentlichen der Mittel. Auch wenn diese nicht gesetzlich vorgeschrie- Töpfen bedient. ben sind – eine bessere Kontrolle wird an dieser Stelle ja [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ach ja! – wohl nicht verboten sein! Zuruf von Christian Gaebler (SPD)] [Beifall bei den Grünen] Besonders krass sticht der Fall der Treberhilfe hervor. Wir brauchen Gehaltsobergrenzen für gemeinnützige Das ist besonders schamlos, weil der Sozialbereich betrof- Unternehmen, und wir brauchen einen Transparenzkodex, fen ist, also ein Bereich, von dem man gemeinhin an- der die Gehälter der Geschäftsführungen und Vorstände nimmt, dort geschehe nur Sinnvolles, und das Geld sei offen legt. Es ist ja richtig, dass veröffentlicht wird, was grundsätzlich zu knapp bemessen. Und nun reden wir der BVG-Chef oder der Chef der Investitionsbank Berlin über astronomische Gewinne eines selbst ernannten Sozi- verdienen. Jetzt müssen wir bei den Sozialunternehmen alunternehmers, gespeist aus den öffentlichen Mitteln nachziehen. Das sollten wir auch bald tun – eines Haushaltsnotlagelandes. – Da gibt es gar nichts zu [Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] lachen, Herr Gaebler, die Sozialpolitik ist Ihnen und der selbst ernannten Kümmerpartei Die Linke in Berlin offen- und nicht nur bei der Treberhilfe – ja, Einflussnahme von sichtlich aus den Händen geglitten. Abgeordneten, Herr Brauer, dazu komme ich jetzt! –, auch in den anderen Fällen; bei der HOWOGE oder beim [Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP] DIW fehlten klare gesetzliche Regelungen. Das müssen Wir funktionierte das System Ehlert? – Herr Ehlert kannte wir nachholen. Doch meistens wurden die bestehenden sich aus. Als SPD-Abgeordneter war er bestens vernetzt. Reglungen kreativ ausgelegt nach dem Motto „Man kennt Er war Mitglied im Hauptausschuss, was man daran sieht, sich und bedient sich gegenseitig auf Kosten des Landes- dass der Treberhilfe erst nach seinem Ausscheiden als haushalts“. – Es sind nicht die fehlenden Regelungen, Abgeordneter ein Durchmarsch durch die Sozialetats der sondern die handelnden Personen, die diese Mentalität Bezirke gelungen ist und üppige Überschüsse erst dann verkörpern. Sie bilden seit Jahrzehnten eine gewachsene erwirtschaftet worden sind. Diese reichten für einen Ma- Struktur der Selbstbedienung auf Kosten der Allgemein- serati, sie reichten für ein ordentliches Gehalt von heit. Im Allgemeinen nennt man das Filz. 35 000 Euro monatlich und sie reichten für eine Sauna am [Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – See in der Dienstvilla. Ich frage den Senat, wie es so weit Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)] kommen konnte. In diesen Strukturen scheint sich die Linkspartei ganz [Michael Müller (SPD): Sprechen Sie mal gemütlich eingerichtet zu haben, zumindest hört man von mit Frau Klotz! – Ihnen wenig Kritik. Ich sage Ihnen, die Menschen in Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)] dieser Stadt wollen sich nicht länger von denjenigen, die „Hol schon mal den Maserati!“, titelte der „Tagesspie- seit Jahrzehnten nach dem Motto „Man kennt sich …“ gel“, und zwar am 22. Dezember 2008. Warum ist im regieren, an der Nase herumführen lassen. Sie stellen zu Senat eigentlich niemand auf die Idee gekommen, sich die Recht die Frage: Wem gehört die Stadt eigentlich? Vorgänge mal genau anzuschauen? [Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] [Zurufe von der SPD] Meinen Damen und Herren von der SPD! Diese Stadt Sie hätten einfach nur ins Handelsregister schauen sollen! gehört Ihnen nicht, sie gehört keiner Partei und auch kei- Dort ist bis heute alles öffentlich einsehbar, aber Sie ha- nem Senat. Spätestens bei der nächsten Wahl werden Sie ben die Augen davor verschlossen! deutlich zu spüren bekommen, dass diese Stadt niemand [Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP] anderem gehört als den Bürgerinnen und Bürgern! Regelmäßig wurden von Herrn Ehlert die Überschüsse in [Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP] Stammkapital umgewandelt. Mit dem Jahresabschluss 2008, Frau Bluhm, sind weitere 500 000 Euro auf die Präsident Walter Momper: Gesellschafter verteilt worden. Hätte man das nicht ver- hindern können? Warum haben Sie Ehlert weiter gewäh- Danke schön, Frau Pop! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt ren lassen, frage ich Sie. der Vorsitzende, Herr Meyer, das Wort. – Bitte schön, Herr Meyer!

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Christoph Meyer (FDP): geht ansonsten vom Weiterbestehen des Senatsbeschlus- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben ses aus. Finanzsenator Nußbaum spricht seit Oktober dieser Tage einen urplötzlich volksnah auftretenden Re- 2009 vom der gnadenlosen Möglichkeit des Abrisses. gierenden Bürgermeister. Wie man staunend der Presse Was macht der Senat? Er muss endlich ein tragfähiges entnimmt, ist der Regierende Bürgermeister tatsächlich Sanierungs- und Nutzungskonzept vorlegen. Das wäre die U-Bahn gefahren. Er besucht Frauenläden, Volkshoch- Aufgabe von Herrn Wowereit und nicht der Besuch eines schulen und sogar einen Backshop. Backshops am Leopoldplatz. [Heiterkeit bei der FDP und der CDU] [Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Das ist vielleicht ganz nett. Bestimmt ist es auch volks- Zurufe von der SPD] nah. Aber vor allem bedeutet es etwas anderes: Es ist Arbeitsverweigerung. Streitpunkt Klimaschutzgesetz – die Frage ist doch mitt- lerweile: Wann schützt dieser Senat endlich das Stadtkli- [Beifall bei der FDP und der CDU] ma, die Bürger, die Wirtschaft und die Verbraucher vor Der Job eines Regierenden Bürgermeisters ist, Politik zu der beratungsresistenten Senatorin Lompscher und ihren machen, erkannte Probleme zu lösen und mit seiner Gesetzentwürfen? Richtlinienkompetenz den Rahmen des Senatshandelns zu [Beifall bei der FDP und der CDU – setzen, und nicht, in der Stadt herumzureisen. Vereinzelter Beifall bei den Grünen] [Zurufe von der SPD] Das haben mittlerweile sogar Teile der SPD-Fraktion Wir erleben in Wahrheit derzeit eben leider nicht den erkannt – ich zitiere den Abgeordneten Buchholz aus der Regierenden Bürgermeister, sondern einen SPD- letzten Plenardebatte –: Spitzenkandidatenanwärter auf Roadshow. [Oh! von der SPD] [Beifall bei der FDP – Ich habe die inständige Bitte an die Umweltsenato- Vereinzelter Beifall bei der CDU] rin, dass sich ein Einstieg in ein Stufenmodell auch Wir alle wissen, was Herrn Wowereit antreibt: Es sind die in einem Entwurf für ein Klimaschutzgesetz finden eigenen Umfragewerte, das eigene Karriereziel im Jahr soll, denn wir glauben, dass es der richtige Weg 2013, ist. [Zurufe von der SPD und der Linksfraktion] Frau Lompscher reagiert darauf: nicht die Probleme der Berlinerinnen und Berliner. Er hat Das Stufenmodell ist ein theoretisches Modell und kein Anliegen für diese Stadt, er ist inhaltlich und konzep- überhaupt nicht geeignet, als Rechtsinstrument tionell ausgelaugt, und dieses Problem zieht sich quer eins zu eins umgesetzt zu werden. durch alle landespolitischen Themen. [Aha! von der FDP]

Streit um den Weiterbau der A 100 – im Koalitionsvertrag – Aha! – Nach über einem Jahr hin und her wäre es auch haben SPD und Linke eindeutig geregelt: Der Stadtring hier nötig, dass Herr Wowereit endlich einmal klar sagt, A 100 wird verlängert, finanziert durch den Bund. Die wo es im Bereich des Klimaschutzgesetzes hingehen soll. zuständige Senatorin will den Weiterbau ebenfalls. Die Auch hier schweigt er. Linken und ein SPD-Parteitag lehnen das Projekt ab. Wir [Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen – erleben hier den Versuch der aktiven Schwächung des Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)] Wirtschaftsstandortes aus ideologischen und parteipoliti- Streitpunkt Sonntagsverkauf an Fernbahnhöfen – hier schen Gründen. zumindest hat sich Herr Wowereit aktiv eingesetzt [Beifall bei der FDP – [Vereinzelter Beifall bei der SPD] Vereinzelter Beifall bei der CDU] und an der Seite der FDP betont – wie offensichtlich auch Wo ist hier die deutliche Positionierung von Herrn Wo- einige andere aus der SPD –, dass man die Sonntagsöff- wereit? Warum setzt er sich nicht für die Entsperrung der nung an Fernbahnhöfen wieder erlauben sollte. Planungs- und Baudurchführungsmittel ein? Oder hängt die Entscheidung für ein 400-Millionen-Euro-Projekt an [Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)] einem SPD-Parteitag? Die Frage ist nur: Wie setzen Sie sich gegen Ihren Koali- tionspartner durch? Wann erklärt endlich jemand der Streit um die Sanierung des ICC – seit dem Jahr 2005 Linken und vor allem Frau Lompscher, dass das Öffnen plant dieser Senat die Sanierung. Es gibt einen Senatsbe- der Läden an Fernbahnhöfen an Sonntagen gerade für schluss zur Sanierung im laufenden Betrieb aus dem Jahr eine Weltstadt wie Berlin notwendig ist, um ein Zeichen 2008. Bis heute fehlt aber jegliches belastbare Konzept, zu setzen, dass Touristen und Reisende in dieser Stadt jegliche belastbare Kostenschätzung und Zeitplanung. Der willkommen sind? Was tut Herr Wowereit, um seinen SPD-Wirtschaftsexperte Stroedter spricht von Skandal Worten Taten folgen zu lassen? – Gar nichts! und Krieg. Senator Wolf, ursprünglich für die Linksfrak- tion für den Abriss, sagt im Moment gar nichts mehr und [Beifall bei der FDP]

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Christoph Meyer Wir haben heute schon weitere Themen gehört: Der SPD- Vorbesprechung. Gestern ist mir eine weitere Entschuldi- Sozialsumpf, die Charité, es gibt eine ganze Latte unerle- gung mitgeteilt worden: Senator Prof. Zöllner wird ab digter Punkte, die der Senat vor sich herschiebt. Das liegt circa 18.45 Uhr abwesend sein, um ein Grußwort für die daran, dass Herr Wowereit keine Lust mehr hat, sich um Ausstellung „Charité. 300 Jahre Wissenschaft in Berlin“ die Aufgaben und Probleme dieser Stadt zu kümmern. zu sprechen. [Zurufe von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion), Dr. Andreas Köhler (SPD) und Lars Oberg (SPD)] Meine Damen und Herren! Ich habe die Freude, auf der Tribüne die Klasse der Schätzelberg-Grundschule unter Auf Berliner Landespolitik hat er soviel Lust wie auf Leitung der Lehrerin Frau Rößler zu begrüßen! Wo ist sie einen Linienflug. denn? – Herzlich willkommen! [Beifall bei der FDP – [Allgemeiner Beifall] Vereinzelter Beifall bei der CDU] Schön, dass ihr alle da seid! – Ich begrüße natürlich auch Diese Visionslosigkeit der Berliner SPD und ihres Spit- alle anderen, vor allen Dingen die Kolleginnen und Kol- zenkandidaten Wowereit erlaubt es der Linkspartei, im- legen von der Polizeischule sind – nicht Sie als Personen mer mehr wichtige Hebel – hier Dauergäste. Darüber freuen wir uns auch sehr, dass [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Herr Meyer! die Polizei am demokratischen Geschehen Anteil nimmt. Nicht die Rede vom Landesparteitag!] Herzlich willkommen! auf Stillstand in dieser Stadt zu stellen. Es steht zu be- [Beifall bei der SPD, der CDU, fürchten, dass dies die nächsten 18 Monate so weitergeht. der Linkspartei und der FDP] [Stefanie Winde (SPD): Das liegt dann an Ihnen!] Es geht weiter mit der Deshalb wollen wir heute mit Ihnen darüber reden. lfd. Nr. 1: [Beifall bei der FDP – Fragestunde – Mündliche Anfragen Vereinzelter Beifall bei der CDU] Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage über Equal Pay Day: Was unternimmt der Senat gegen Präsident Walter Momper: ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern? Danke schön, Herr Kollege Meyer! – Ich lasse abstim- [Oliver Friederici (CDU): Wie immer nichts!] men, und zwar zuerst über den Antrag der Koalitionsfrak- hat Frau Abgeordnete Neumann von der Fraktion der tionen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben SPD. – Bitte schön, Frau Neumann! wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind [Mieke Senftleben (FDP): Eine ehrliche die Koalitionsfraktionen und Bündnis 90. Danke! Die Antwort will ich hören!] Gegenprobe! – Das sind CDU und FDP. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das angenommen. Enthaltungen sehe ich nicht. Ulrike Neumann (SPD):

Ich rufe dann später das Thema für die Aktuelle Stunde Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Her- auf und verbinde den Punkt 3 der Tagesordnung mit den ren! Ich frage den Senat: Punkten 40, 41 und 43 sowie mit dem Dringlichkeitsan- trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Druck- 1. Wie stellt sich die Lage der Frauen auf dem Arbeits- sachennummer 16/3087. Die anderen Themen haben markt in Berlin im Vergleich zu anderen Bundeslän- damit ihre Erledigung gefunden. dern dar, insbesondere in Bezug auf Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern, und worauf sind diese Dann möchte ich Sie auf die Ihnen vorliegende Konsens- Unterschiede zurückzuführen? liste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hin- 2. Mit welchen Maßnahmen und Instrumenten will der weisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Senat die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Männern verringern? Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung. [Beifall von Burgunde Grosse (SPD)]

Dann sind zwei Entschuldigungen von Senatsmitgliedern für den 25. März 2010 im Ältestenrat mitgeteilt worden. Präsident Walter Momper: Frau Senatorin Junge-Reyer wird bis circa 18.00 Uhr Danke schön, Frau Kollegin! – Der Frauen- und Wirt- abwesend sein, weil sie am 10. Stiftungsrat der Stiftung schaftssenator hat das Wort. – Bitte sehr! „Lebendige Stadt“ in Hamburg teilnimmt. Der Regieren- [Oliver Friederici (CDU): Sie regieren de Bürgermeister wird ab 14.00 Uhr bis 19.45 Uhr anwe- doch schon seit acht Jahren!] send sein. Noch ist er abwesend. Grund sind die Minister- präsidentenkonferenz der Länder sowie die A-Länder-

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Bürgermeister Harald Wolf (Senatsverwaltung für Zweitens wirkt sich hier die unterschiedliche Bewertung Wirtschaft, Technologie und Frauen): von Tätigkeiten aus. Typische Frauenberufe werden Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Neu- schlechter bezahlt als Berufe, die traditionell von Män- mann! Im Jahr 2008 verdienten Frauen in Deutschland nern ausgeübt werden. Wir haben eine Unterbewertung mit durchschnittlich 14,51 Euro pro Stunde 4,39 Euro von frauendominierten Tätigkeiten sowohl in tariflichen weniger als Männer. Damit betrug die Lohnlücke zwi- wie in betrieblichen Regelungen und Praktiken. Hier schen Frauen und Männern was den durchschnittlichen wirkt sich im Übrigen auch noch das Steuersystem aus, Bruttostundenlohn angeht 23 Prozent. In Berlin ist die das mit dem Ehegattensplitting das Zuverdienermodell Lücke etwas enger, sie liegt bei 18 Prozent. begünstigt, was sich auch bei der Frage der Lohnfindung auswirkt. Die dritte Ursache ist die Unterrepräsentanz von Wenn man sich den Gender Datenreport 2009 ansieht, Frauen in bestimmten Berufen, der wir unter anderem stellt sich die Situation wie folgt dar: 41 Prozent der er- durch den Girls’ Day, der in diesem Jahr zum zehnten werbstätigen Frauen erzielen nur ein monatliches Netto- Mal stattfindet, versuchen entgegenzuwirken. einkommen von bis zu 1 100 Euro, bei den Männern sind es knapp ein Drittel. Höhere Einkommen von über Nun zu der Frage, was das Land Berlin dagegen unter- 2 000 Euro erzielten 27 Prozent der Männer, aber nur nimmt. Ich glaube, aus dem, was ich bislang ausgeführt 15 Prozent der Frauen. Auch was die durchschnittlichen habe, wird deutlich, dass es sich um kein landesspezifi- Bruttoverdienste der sozialversicherungspflichtig Be- sches Thema handelt. Wir haben es mit Problemen zu tun, schäftigten angeht, sind die Unterschiede deutlich. Insge- die grundsätzlich angegangen werden, für deren Beseiti- samt verdienten sozialversicherungspflichtig beschäftigte gung Rahmenbedingungen verändert werden müssen. Das Frauen durchschnittlich 2 237 Euro im Monat, bei den ist zum einen das Zurückdrängen prekärer Beschäftigung Männern waren es 3 002 Euro. Hier wirkt sich vor allem und die Verhinderung der Ausweitung des Niedriglohn- aus, dass Frauen häufiger in Branchen mit unterdurch- sektors. schnittlichem Lohnniveau und geringer Tarifbindung tätig sind. Wir sehen hier auch die Auswirkung der Tatsache, Ich sage an dieser Stelle: Das Thema Mindestlohn ist dass bei Frauen Teilzeitarbeit weit verbreitet ist. Das ist in auch eine typisch frauenpolitische Forderung, weil sich Berlin ein großes Problem. Die Teilzeitquote beträgt Frauen zu einem hohen Prozentsatz im Niedriglohnsektor insgesamt 36 Prozent, ein Drittel davon ist unfreiwillig. aufhalten. Deshalb haben wir auch landespolitisch mit Tätigkeiten beziehungsweise Berufe, in denen viel Teil- dem Vergabegesetz, das gegenwärtig in der parlamentari- zeitarbeit geleistet wird, werden meist schlechter bezahlt schen Beratung ist, versucht, hier ein Stoppzeichen zu als Vollzeitarbeitsplätze. Das wirkt sich auch auf die setzen, allerdings nur in dem Bereich der öffentlichen Karrierechancen und damit auf die Entlohnung aus. Wir Aufträge, aber immerhin in einem Volumen von 4 bis 5 können auch feststellen, dass es große geschlechtsspezifi- Millionen Euro. sche Unterschiede bei den Sonderzahlungen gibt. Diese sind für Männer im Durchschnitt doppelt so hoch wie für Auch das Zuverdienermodell, das in der Steuergesetzge- Frauen. bung immer noch dominant ist, ist ein Thema, das auf Bundesebene geregelt werden muss. Wir thematisieren Die durchschnittliche Höhe der Verdienste unterscheidet das immer wieder auch über die Gleichstellungs- und sich auch erheblich je nach Branche und Wirtschaftsbe- Frauenministerinnenkonferenz. reich. Im verarbeitenden und produzierenden Gewerbe, im Kredit- und Versicherungswesen sowie in der Energie- Ansonsten unterstützen wir, was konkrete Aktivitäten be- und Wasserversorgung verdienten die sozialversiche- trifft, in Berlin gegenwärtig das bundesweite Aktions- rungspflichtig Beschäftigten bis zu 47 000 Euro jährlich, bündnis zum Equal Pay Day. in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Erziehung und [Mieke Senftleben (FDP): Wer nicht?] Unterricht sowie Dienstleistung und Handel lagen die – Das ist ja erfreulich, dass es eine sehr breite Unterstüt- Verdienste hingegen im Durchschnitt zwischen 25 000 zung gibt. Aber wir sind gefragt worden, was wir tun, und und 34 000 Euro, Schlusslicht ist das Gastgewerbe mit das tun wir unter anderem. Wir machen nicht nur dieses, lediglich knapp 17 000 Euro. Gerade in den letztgenann- sondern unterstützen auch und fördern Maßnahmen zur ten Bereichen ist die Frauenerwerbstätigkeit besonders Unterstützung von Frauen bei der Lohn- und Gehaltsfin- hoch. dung durch Coaching und Mentoring, sowohl was indivi-

duelle Frauen angeht, was sie bei ihren Vertragsverhand- Es gibt vor allen Dingen drei Ursachen für die Entgeltun- lungen durchsetzen können, als auch die Stärkung und gleichheit. Das ist einmal die familienbedingte Erwerbs- Unterstützung von Personalverantwortlichen und Be- unterbrechung und Arbeitszeitreduzierung bei Frauen triebsräten. Wir haben gegenwärtig die Nominierung des sowie die ungleiche Verteilung der familien- und kinder- Landesgleichstellungsgesetzes, was den öffentlichen Be- bedingten Erwerbspausen auf Frauen und Männer, sowie reich angeht, in der Befassung im Senat. die bereits erwähnten Unterschiede bei der Arbeitszeit –

Vollzeit, Teilzeit, Minijobs –, die ihre Ursache darin ha- Es gibt ein neues Instrument, das von der Hans-Böckler- ben, dass die Familienarbeit zwischen Männern und Frau- Stiftung entwickelt worden ist, ein Entgeltgleichheits- en immer noch ungleich verteilt wird. check, mit dem Unternehmen ihre Lohnfindung und

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Bürgermeister Harald Wolf Lohnstruktur und auch Betriebsräte die Lohnstruktur auf Grundlage gibt, um das hier verbindlicher zu machen oder geschlechtsspezifische Ungleichheiten überprüfen kön- ob wir hier noch eine längere Testphase brauchen, kann nen. Ich kann nur empfehlen und darum bitten – und wir ich gegenwärtig noch nicht beurteilen. Vom Grundsatz regen dazu an –, dieses Instrument zu nutzen, um auch her halte ich das für sinnvoll. hier auf Lohnungerechtigkeiten und Entgeltungleichheit hinweisen zu können. Präsident Walter Momper:

Zu den Landesmaßnahmen gehört natürlich auch das Danke schön! – Eine Nachfrage von Frau Kollegin Kof- Thema Kinderbetreuung. Ich glaube, das brauche ich an binger – bitte schön, Frau Kofbinger! dieser Stelle nicht weiter auszuführen. Wichtig ist aber angesichts der Flexibilisierung der Arbeitszeiten, dass wir Anja Kofbinger (Grüne): auch hier eine zunehmende Flexibilisierung der Kinder- betreuung brauchen. Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Wolf! Sie haben es gerade angesprochen. Es geht um den Entgeltgleichheits- Last but not least, werden wir auf der nächsten Gleichstel- check, wie er so schön genannt wird, kurz Logib-D. Das lungs- und Frauenminister- und -ministerinnenkonferenz hat die Bundesregierung auch irgendwann einmal in ihre das Thema Entgeltungleichheit im öffentlichen Dienst Koalitionsvereinbarung geschrieben. Sie haben gesagt, thematisieren, weil auch hier die Frage der Bewertung Sie befürworteten das. Meine Frage dazu ist: Ist Ihnen die von Tätigkeiten natürlich ein wichtiger Punkt ist, Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes vom 9. März 2010 bekannt, wo er das Fazit zieht, ich zitiere: [Gregor Hoffmann (CDU): Ist das die Aktuelle Stunde?] Das Selbsttestinstrument Logib-D liefert den Un- ternehmen Informationen, die zur Aufdeckung von wo auch im Landesdienst bzw. im öffentlichen Dienst bei Geschlechtsdiskriminierung beim Entgelt nicht ge- Bund, Ländern und Kommunen noch einiges zu tun ist. eignet sind. Es kann deshalb die Ziele, die es an- strebt, nicht erreichen. Präsident Walter Momper: Danke schön, Herr Senator! – Gibt es eine Nachfrage von Präsident Walter Momper: Frau Kollegin Neumann? – Dann hat sie das Wort. Herr Senator Wolf – bitte!

Ulrike Neumann (SPD): Bürgermeister Harald Wolf (Senatsverwaltung für Schönen Dank, Herr Senator! Ich hätte noch eine Frage, Wirtschaft, Technologie und Frauen): und zwar gibt es das Instrument „Lohngleichheit im Be- trieb – Deutschland“, das Logib-D, das in der Schweiz Frau Kofbinger! Diese Stellungnahme ist mir nicht be- entwickelt wurde. Dort ist es auch nicht auf freiwilliger kannt. Aber wenn Sie eben meiner Antwort auf Frau Basis, sondern dort müssen zumindest Firmen, die sich Neumanns Fragen zugehört haben, da habe ich gesagt, ich um öffentliche Aufträge bewerben, Entgeltgleichheit halte einen solchen Check grundsätzlich für sinnvoll. Ob zwischen Frauen und Männern nachweisen. das, was jetzt als Testversion eingestellt ist, die Grundlage dafür abgeben kann, dass man hier einen höheren Grad [Zurufe von den Grünen und von der CDU: Frage!] der Verpflichtung schafft, oder welche Erfahrungen damit Sehen Sie dieses Instrument aus Ihrer Sicht auch als not- gemacht worden sind, das muss man erst einmal abwar- wendig an? ten. Aber vom Grundsatz her halte ich es für sinnvoll.

Der Juristinnenbund, den Sie eben zitiert haben, zweifelt Präsident Walter Momper: offensichtlich die Tauglichkeit des Instruments im Detail Herr Senator Wolf – bitte! an. Das, habe ich gesagt, muss man überprüfen. Damit muss man Erfahrungen machen. Da es erst seit Kurzem in Bürgermeister Harald Wolf (Senatsverwaltung für dieser Version existiert, scheinen mir die Erfahrungen Wirtschaft, Technologie und Frauen): noch nicht umfangreich zu sein. Das ändert nichts daran, dass wir versuchen sollten, bei der Lohnungleichheit die Ich habe dieses neue Instrument, das Entgeltgleichheit Instrumente der Überprüfung zu etablieren, damit hier checkt, schon angesprochen. Das halte ich für sinnvoll überprüft werden kann, ob die geltende Rechts- und Ge- und, finde ich, sollte auch möglichst breit angewandt setzeslage auch eingehalten worden ist. Dann haben wir werden. Das gibt es im Moment in einer Testversion. Wir immer noch unterhalb der geltenden Rechts- und Geset- sind in der Anfangsphase. Ich kann mir durchaus vorstel- zeslage Tatbestände von Diskriminierung und unter- len, dass man versucht, hier eine größere Verbindlichkeit schiedlicher Bewertung von Arbeit, die man wahrschein- zu schaffen. Das sollten wir gemeinsam in parlamentari- lich mit einem internetbasierten System oder mit einer schen Rahmen diskutieren und gucken, welche Erfahrun- Software noch nicht aufdecken kann, sondern das ist dann gen dabei bisher mit der jetzt hier vor Kurzem eingestell- auch eine Frage der Änderung der Unternehmenskultur ten Testversion gemacht worden sind. Ob das schon die und der Bewertung von Tätigkeiten in der Gesellschaft.

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[Beifall bei der Linksfraktion – Träger der Jugendhilfe, z. B. Sportvereine, aber auch Vereinzelter Beifall bei der SPD – Volkshochschulen oder Musikschulen. Andreas Otto (Grüne): War ein schönes Referat!] Zu Ihrer zweiten Frage: Der Ganztagsbetrieb an der integ- rierten Sekundarschule ist finanziert und im Doppelhaus- Präsident Walter Momper: halt 2010/2011 abgebildet. Daran ändern auch häufige Danke schön, Herr Senator! Nachfragen nichts. Ein Zusammenhang mit der Weiterfi- nanzierung der Schülerclubs besteht nicht. Die Erfahrun- Dann geht es weiter mit der Frage Nr. 2 des Kollegen gen aus der Modellphase der Schülerclubs sind vor dem Steuer von der CDU-Fraktion zum Thema Hintergrund der Weiterentwicklung von Jugendhilfe an Schulen zu betrachten. Hierbei handelt es sich um zusätz- Schülerclubs werden geschlossen – ist der Ganztag liche Angebote nach § 11 Sozialgesetzbuch VIII in Form an den Sekundarschulen überhaupt finanziert? von schulbezogener Jugendarbeit, die bisher durch die – Bitte schön, Herr Steuer! Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und For- schung. Den Bezirken im Rahmen der Auftragswirtschaft bereitgestellten zusätzlichen Mittel werden auch zukünf- Sascha Steuer (CDU): tig für zusätzliche – ich betone: zusätzliche – Angebote Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den der Jugendarbeit, die den offenen Ganztagsbetrieb in den Senat: Schulen ergänzen – ich betone: ergänzen – eingesetzt.

1. Wie viele Stellen wird eine vierzügige Sekundarschule Präsident Walter Momper: ab dem Schuljahr 2010/11 für den Nachmittagsbereich im Rahmen der Ganztagsschule zusätzlich erhalten? Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage des Kolle- gen Steuer? – Bitte schön, Herr Steuer! 2. Ist der Ganztagsbetrieb so schlecht ausfinanziert, dass zur Gegenfinanzierung die erfolgreichen Schülerclubs geschlossen werden müssen? Sascha Steuer (CDU): Danke sehr! – Herr Senator! Habe ich Sie also richtig verstanden, dass die Folge Ihrer Ankündigung, dass alle Präsident Walter Momper: Sekundarschulen zu Ganztagsschulen werden und damit Danke schön! – Der Bildungssenator, Herr Prof. Zöllner – ein Mehr an Bildung stattfindet, lediglich ist, dass die bitte schön! Mehrzahl der Sekundarschulen, wenn sie im offenen Ganztagsbetrieb geführt werden, eine Zweidrittellehrer- stelle erhalten werden und die ggf. noch weniger wird, Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für wenn die Schülerarbeitsstunden verwendet werden, um Bildung, Wissenschaft und Forschung): die Profile der Schulen auszubauen? Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Zur ersten Frage: [Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)] Integrierte Sekundarschulen entscheiden über die Formen und den Umfang des Ganztagsangebots, das heißt, offener oder gebundener Ganztagsbetrieb, sowie über die Frage, Präsident Walter Momper: mit welchem Personal und welchen Partnern der Ganztag im Rahmen ihres Schulprogramms organisiert wird. Eine Herr Senator Prof. Zöllner – bitte! vierzügige integrierte Sekundarschule mit 400 Schülerin- nen und Schülern erhält folgende zusätzliche Ausstattung, Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für das wäre quasi ein Standardpaket: Bildung, Wissenschaft und Forschung):

Erstens wären das im gebundenen Ganztagsbetrieb für Sie haben mich richtig verstanden, wenn Sie mich so Schülerarbeitsstunden 52 Lehrerstunden, das entspricht verstanden haben sollten, dass selbstverständlich die Vor- zwei Vollzeitlehreräquivalenzstellen und Sozialpädago- aussetzungen, die in Berlin völlig unbestritten sind, um ginnen und Sozialpädagogen bzw. Erzieherinnen und Ganztagsbetrieb zu organisieren – einer der wenigen Erzieher im Umfang von 3,5 Stellen. Bereiche, die auch bei allen Schulen völlig unbestritten sind –, dass die Schulen, je nachdem, wie sie den Ganztag Im offenen Ganztagsbetrieb wären es zweitens für Schü- organisieren, eine völlig adäquate und wie die Tatsache, lerinnen und Schüler 16 Lehrerstunden, das entspricht dass es an den Gesamtschulen genauso praktiziert wird, etwa einer Zweidrittelvollzeitstelle, Sozialpädagoginnen ausreichende Ausstattung bekommen. Die kann variieren, und Sozialpädagogen bzw. Erzieherinnen und Erzieher im je nachdem, in welcher Kombination man es macht. Ge- Umfang von 1,5 Stellen. Die Stellen für die Pädagoginnen setzt den Fall, alle würden einen gebundenen Betrieb und Pädagogen bzw. Erzieherinnen und Erzieher erhalten machen, haben alle die höhere Ausstattung. Gesetzt den die Schulen auf Antrag, auch ganz oder teilweise als Bud- Fall, alle würden den offenen Betrieb machen, wo man ja get für Kooperationen mit außerschulischen Partnern. auch weniger braucht, auch nach Aussagen der Schulen, Mögliche Partner sind in diesem Zusammenhang freie bekommen sie entsprechend weniger. Wenn sie Mi-

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Senator Dr. Jürgen Zöllner schangebote etablieren, dann bekommen sie einen Mit- 1. Auf welcher rechtlichen Grundlage hat der Senat den telwert, der dem entsprechenden Mischungsverhältnis Pachtvertrag mit dem Bezirksverband der Garten- zwischen den Angeboten entspricht, zugewiesen. freunde für Kleingärten auf den Flächen der geplanten A 100 gekündigt? Präsident Walter Momper: 2. Warum schafft der Senat hiermit vollendete Tatsa- Danke schön, Herr Senator! – Nachfrage des Kollegen chen, wo doch neben der großen Mehrheit der Bür- Mutlu! – Bitte schön, Herr Mutlu! ger/-innen Berlins auch der Berliner Landesverband der SPD und der Berliner Landesverband der Links- partei den Bau der A 100 ablehnen und damit eine Re- Özcan Mutlu (Grüne): alisierung der klimafeindlichen Planungen des Senates Herr Senator! Was machen Sie denn, wenn jetzt dem- schwer vorstellbar ist? nächst mit der Einführung der neuen Schulstruktur, mehr Sekundarschulen als Sie erwarten, einen echten Ganz- tagsbetrieb haben wollen? Ist das personell und finanziell Präsident Walter Momper: gesichert? Danke schön, Herr Kollege! – Jetzt hat Frau Staatssekre- tärin Dunger-Löper das Wort zur Beantwortung. – Bitte schön! Präsident Walter Momper:

Herr Senator Prof. Zöllner – bitte! Staatssekretärin Hella Dunger-Löper (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung): Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Her- ren! Herr Abgeordneter Ziller! Der Pachtvertrag wurde Es ist unvermeidlich, wenn man Schulen so organisiert, nicht durch den Senat gekündigt. Die Kündigung erfolgte dass man nicht mehr alles dirigistisch von oben vor- durch das Bezirksamt Neukölln von Berlin. Zwischen der schreibt, sondern ihnen letzten Endes unterschiedliche Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und dem Be- Ausgestaltungsmöglichkeiten lässt, dass man bei Haus- zirksamt Neukölln wurde mit Datum vom 21. Januar 2010 haltsaufstellungen Schätzungen treffen muss. Das Parla- eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen, in der sich ment, dem Sie auch angehören, ist davon ausgegangen, der Bezirk zur Kündigung verpflichtet. Zwischen der [Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und dem Bezirks- verband der Kleingärtner wurde mit Datum vom 29. Ja- dass dieses in der ersten Phase in einem Verhältnis – das nuar 2010 eine Vereinbarung zur Inanspruchnahme und Parlament hat beschlossen, egal mit welchen Mehrhei- Entschädigung von Kleingärten geschlossen. ten – 50:50 erfolgt. Dafür ist eine entsprechende Vorsorge in Bezug auf Stellen und Mittel getroffen worden. Ich Zu 2: Der 16. Bauabschnitt der Bundesautobahn 100 ist gehe davon aus, dass dieses in der Anfangsphase der im Bedarfsplan der Bundesfernstraßen enthalten. Dies Realität entspricht. Gesetzt den Fall, das sollte nicht der bedeutet einen konkreten Planungsauftrag an die Auf- Fall sein, muss man nach Wegen und Mitteln suchen, um tragsverwaltung, die Planung aufzunehmen und durchzu- letzten Endes den Veränderungen gerecht zu werden. Ich führen. Dies schließt auch die Planungen zu den Ausfüh- rechne auf die rationale Unterstützung unter Einhaltung rungszeiträumen ein. Um wiederum diese Ausführungs- natürlich nur von zulässigen Vorschriften und Gesetzen termine einzuhalten, ist die rechtzeitige Freimachung der von allen, die damit befasst sind. Kleingärten notwendig. Mit der nun erfolgten Kündigung haben die betroffenen eine verlässliche Sicherheit. Die Präsident Walter Momper: Einstellung auf die veränderte Situation kann nun mit ausreichendem Vorlauf und damit möglichst sozialver- Danke schön, Herr Prof. Zöllner! träglich erfolgen. Diese Planbarkeit und Verlässlichkeit ist im Umgang mit den Betroffenen unerlässlich und Jetzt geht es weiter mit der Frage Nr. 3 des Kollegen wurde im Vorfeld mit dem Bezirksverband der Kleingärt- Ziller – Bündnis 90/Die Grünen – zum Thema ner ausführlich und auch einvernehmlich beschlossen. Schafft der Senat mit der Kündigung von Kleingärten rechtswidrig vollendete Tatsachen Präsident Walter Momper: zum Bau der A 100? Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Ziller? – Bitte schön, Herr Ziller!

Stefan Ziller (Grüne): Stefan Ziller (Grüne): Ja! – Ich habe eine Nachfrage vor dem Hintergrund der Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: schlechten Erfahrungen mit dieser frühzeitigen Kündi- gung z. B. in der Württembergischen Straße, wo die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner vertrieben wurden

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Stefan Ziller und dann quasi nichts passiert, weil die Planungen nicht Künstlerische Erinnerung an den 8. Mai 1945 fortgesetzt werden, und wie gesagt, die A 100 kommt ja ohne staatliches Interesse? nicht. Insofern: Sehen Sie nicht auch, dass es sinnvoll – Bitte schön! wäre, mit dem Bezirk zu vereinbaren, diese Kündigung zumindest so lange zurückzunehmen, bis in der Stadt erkennbar ein politischer Wille ist, dieses Projekt zu bau- Wolfgang Brauer (Linksfraktion): en, oder wenn es nicht gebaut werden soll, dann die Kün- Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Her- digung auch nicht durchzuführen? ren! Ich frage den Senat:

Präsident Walter Momper: 1. Aus welchen Gründen hat der Senat eine Unterstüt- zung des Konzertes des Moskauer Symphonie- Frau Staatssekretärin Dunger-Löper! Orchesters am 5. Mai 2010 im Konzerthaus Berlin

verweigert? Staatssekretärin Hella Dunger-Löper 2. Wenn der Senat in dieser Frage – wie zu erfahren war (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): – auf die Zuständigkeit des Kulturstaatsministers ver- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ziller! wies und dieser wiederum auf die Zuständigkeit der Die vorbereitenden Mittel für die A 100 stehen im Haus- Länder in Kulturfragen und somit ein argumentativer haltsplan des Landes Berlin. Sie sind qualifiziert gesperrt. Teufelskreis entstand, frage ich den Senat, ob er sich Es gibt aber seitens des Senats keine neue Haltung zu der Argumentation anschließt, dass ein künstlerisches diesem Thema. Gedenken an den Tag der Befreiung nicht von staatli- chem Interesse sei? Präsident Walter Momper: Danke schön! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Präsident Walter Momper: Buchholz von der SPD-Fraktion. – Bitte schön! Danke schön, Herr Kollege! – Herr Staatssekretär

Schmitz antwortet für den Regierenden Bürgermeister. – Daniel Buchholz (SPD): Bitte schön! Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Staatssekretärin! Da die Kündigungen ja endgültig sind, aber es noch kein Staatssekretär André Schmitz (Senatskanzlei – abgeschlossenes Planfeststellungsverfahren gibt, wäre es Kulturelle Angelegenheiten): nicht sinnvoller gewesen, z. B. nur eine einjährige Ver- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! längerung mit dem Kleingartenverband zu vereinbaren, Lieber Herr Brauer! Wir haben mit den Antragstellern anstatt endgültige Kündigungen auszusprechen? gesprochen und versucht, sie zu unterstützen. Allerdings [Beifall bei den Grünen] haben wir feststellen müssen, dass für ihr Konzert keine Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Wir haben ihnen geraten, bei der Lottostiftung einen Antrag zu stellen. Präsident Walter Momper: Nach meinem Wissen ist dieser Antrag nicht erfolgt, aber Frau Staatssekretärin Dunger-Löper – bitte! ich habe mir sagen lassen, dass die Veranstaltung trotz- dem gesichert ist und auch stattfinden wird.

Staatssekretärin Hella Dunger-Löper Zu Ihrer zweiten Frage: Natürlich bin ich nicht der Mei- (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): nung, dass sich an diesem bedeutenden Tag der Befreiung Herr Buchholz! Es hat hier seit dem Jahr 2007 Verhand- Kunst und Kultur nicht einmischen sollten, sondern ihren lungen mit dem Kleingartenverband gegeben, und die Beitrag leisten sollten. Das geschieht allerdings auch im Kleingärtner haben insbesondere darauf Wert gelegt, sehr Land Berlin. Viele unserer Kultureinrichtungen werden frühzeitig Klarheit zu schaffen. Das ist auch der Hinter- im April und im Mai aus diesem Anlass Veranstaltungen grund für diese Entscheidung. durchführen. Zum Beispiel weise ich auf eine große Aus- stellung hin, die das deutsch-russische Museum in Karls- [Gelächter bei den Grünen – Zurufe von den Grünen] horst machen wird. Zusammen mit dem Alliiertenmuse- um wird es dort auch ein Museumsfest geben. Es gibt Tagungen und Vorträge, insbesondere die neu eröffnete Präsident Walter Momper: „Topographie des Terrors“ wird sich an diesen Veranstal- Danke schön, Frau Staatssekretärin! tungen beteiligen.

Jetzt geht es weiter mit der Frage Nr. 4 des Kollegen Allerdings möchte ich bei dieser Gelegenheit auch darauf Brauer von der Linksfraktion zum Thema hinweisen, dass es sich beim 8. Mai, dem 65. Jahrestag der Befreiung, zwar auch um ein historisches Ereignis handelt, das die Stadt Berlin ganz unmittelbar betroffen

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Staatssekretär André Schmitz hat, dass es aber ein Ereignis von nationaler Bedeutung [Heiterkeit] war. Die Auffassung, die viele in diesem Land vertreten und auch die Bundesregierung häufig vertritt, dass allein die Stadt Berlin sich solchen nationalen Gedenktagen Präsident Walter Momper: widmen müsste – wie wir das am 20. Jahrestag des Mau- Bitte schön, Herr Staatssekretär! erfalls hatten –, da bin ich anderer Meinung. Ich denke, da ist auch die Bundesregierung gefordert. Nicht alles kann die Stadt Berlin finanziell und personell leisten. Staatssekretär André Schmitz (Senatskanzlei - Kulturelle Angelegenheiten): [Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)] Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber kultur- politischer Sprecher der Christdemokratischen Union! Ich würde mich nicht so weit sehen, dass ich mich in den Präsident Walter Momper: Engelskreisen wiedersehe.

Danke schön, Herr Staatssekretär! – Eine Nachfrage des Kollegen Brauer – bitte! Präsident Walter Momper: Es geht nun weiter mit einer Anfrage des Kollegen Meyer Wolfgang Brauer (Linksfraktion): von der FDP-Fraktion zum Thema Vielen Dank! – Danke schön für die Auskunft! Ich möch- Neues vom Ankündigungssenator: te nicht nach den Lottomitteln nachfragen. Ich glaube, da diesmal Besetzung von Aufsichtratsposten? gibt es unterschiedliche Erfahrungshorizonte bei Bewer- – Bitte schön, Herr Meyer! berinnen und Bewerbern. Ich möchte sozusagen Ihr An- gebot aufnehmen, weil zumindest der Bürgermeister un- serer Partnerstadt Moskau, Herr Luschkow, dieser Veran- Christoph Meyer (FDP): staltung eine erhebliche Bedeutung beimisst. Ein diesbe- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den zügliches Schreiben des Veranstalters müsste heute in der Senat: Senatskanzlei vorliegen. Ich möchte fragen, ob wir davon ausgehen können, dass seitens der Senatskanzlei respekti- 1. Bis wann plant der Senat, eine Neuregelung bei der ve des Regierenden Bürgermeister eine entsprechende Besetzung von Aufsichtsratsposten der landeseigenen Unterstützung dieser Veranstaltung – sicherlich nach dann Unternehmen vorzunehmen? zu erfolgenden Gesprächen mit dem Veranstalter selbst – erfolgen wird und wir die Sache nicht – lassen wir den 2. Welche Ziele sollen mit der Neuregelung der Beset- Bund beiseite – nur der Stadt Moskau überlassen. zung von Aufsichtratsposten bei landeseigenen Unter- nehmen erreicht werden? Präsident Walter Momper: Bitte, Herr Staatssekretär Schmitz! Präsident Walter Momper: Der Finanzsenator Herr Dr. Nußbaum hat das Wort zur Staatssekretär André Schmitz (Senatskanzlei - Beantwortung. – Bitte! Kulturelle Angelegenheiten): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Senator Dr. Ulrich Nußbaum (Senatsverwaltung für Brauer! Das Schreiben ist mir nicht bekannt. Aber wenn Finanzen): es eingehen sollte – da sind Sie offensichtlich gut infor- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter miert –, werden wir unsererseits auch die gewünschte Herr Abgeordneter Meyer! Ich gehe davon aus, dass Sie Unterstützung gewähren. Wir haben eine gute, partner- an einer ernsthaften Antwort interessiert sind, denn wir schaftliche Beziehung zu unserer Partnerstadt Moskau, wollen uns nicht auf das Niveau der FDP begeben, die und da gibt es ein gutes Einvernehmen. seit Jahren beispielsweise die grundlegende Vereinfa- chung des Steuerrechts nur ankündigt, aber die Umset- Präsident Walter Momper: zung schuldig bleibt. Danke schön! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen [Beifall bei der SPD – Braun. – Bitte schön, Herr Braun! Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) – Christoph Meyer (FDP): Kommt noch!] Michael Braun (CDU): Deshalb lassen Sie uns seriös über das Thema reden, wie wir die Steuerung der landeseigenen Unternehmen Herr Staatssekretär Schmitz! Könnten Sie mir erklären, verbessern können. was ein argumentativer Teufelskreis ist – Sie haben sich ja auf die Frage vorbereitet –, und ob es auch argumenta- Zu Ihrer ersten Frage: Die Aufsichtsräte sind grundsätz- tive Engelskreise gibt? lich fachlich kompetent besetzt und leisten eine gute Ar-

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Senator Dr. Ulrich Nußbaum beit. Aber auch Gutes kann man immer noch verbessern. Senator Dr. Ulrich Nußbaum (Senatsverwaltung für Soweit dazu Regeländerungen notwendig werden, bei- Finanzen): spielsweise im Unimed-Gesetz oder im Berliner Betriebe- Ich gehe davon aus, dass Sie den Artikel genau gelesen Gesetz, werden sie von meiner Verwaltung vorbereitet. haben. Da ist das Wort „Wettbewerb“ im Zusammenhang Zu gegebener Zeit werde ich dem Senat und dem Abge- damit gefallen, was wir den Aufsichtsräten abverlangen ordnetenhaus dann berichten. können und wie wir die Steuerung von Unternehmen

machen. Wenn Unternehmen im Wettbewerb stehen, dann Zur zweiten Frage: Unser Ziel ist es, die Steuerung der ist die klare Aussage, dass wir sie von der Professionalität landeseigenen Unternehmen kontinuierlich zu verbessern. der Aufsichtsräte her so ausgestalten müssen – darum Dazu brauchen wir klarere Zieldefinitionen, in denen das ging es in diesem Interview im Wesentlichen –, dass sie Spannungsverhältnis zwischen fachlichen, politischen und diesen Aufgaben nachkommen können, das heißt, eine wirtschaftlichen Fragestellungen ausgeglichen sein wird. Professionalisierung der Aufsichtsräte. Das ist Aufgabe des Senats als Eigentümer. Darüber ha- ben wir dem Abgeordnetenhaus die politische Rechen- Sie wissen, die Anforderungen an Aufsichtsräte, nicht schaft abzulegen. nur, was die fachliche Kompetenz anbelangt, sondern

auch, was die Haftungsverantwortung anbelangt, sind in Die Aufsichtsräte spielen in der Unternehmenssteuerung den letzten Jahren deutlich verschärft worden. Das hat eine andere Rolle. Aufsichtsratsmitglieder brauchen eine etwas mit der Finanz- und Wirtschaftskrise, mit dem sachliche und professionelle Distanz zu den ihnen anver- Versagen von Steuerungselementen in eben diese Krise, trauten Unternehmen. Für diese Aufgabe müsse sie hohe insbesondere im Bankenbereich zu tun. Das wird zuneh- persönliche und fachliche Qualifikationen mitbringen, mend weiterentwickelt. was auch mit den gestiegenen gesetzlichen Anforderun- gen im Hinblick auf die fachliche Kompetenz und die Wir haben Unternehmen, die enger an der Daseinsvorsor- Haftungsverantwortung beispielsweise durch das neue ge sind, aber welche, die stärker im Wettbewerb stehen, Bilanzrecht – das sogenannte BilMoG – zu tun hat. zum Beispiel Vivantes. Da müssen wir uns fragen, wie

wir als Eigentümer in der kommunalen Steuerung – wir Aufsichtsratsvergütungen müssen meines Erachtens die- wollen zum Beispiel bei Vivantes nicht von der kommu- sen gestiegenen Anforderungen angepasst werden, und nalen Trägerschaftsteuerung abrücken – diese Unterneh- Professionalisierung heißt auch, dass die Aufsichtsräte men so steuern, dass sie mit privaten Klinikkonzernen, die mehr Zeit für das Unternehmen aufwenden müssen. Als zunehmend in den Markt drängen, auch standhalten kön- Beteiligungssenator bin ich selbst – wie Sie wissen – nen. Dabei ist ein Thema die Frage des Aufsichtsrates, Mitglied und auch Vorsitzender in mehreren Aufsichtsrä- über die wir die Steuerung einer GmbH durchführen. In ten. Ich mache das gerne, aber das Zeitbudget eines Sena- dem Zusammenhang steht das Thema Professionalisie- tors beträgt 24 Stunden pro Tag. Deshalb müssen wir rung und Verbesserung der Steuerung von öffentlichen nach politischen Kriterien entscheiden, was wir tun. Das Unternehmen. heißt, wir können in Aufsichtsräten sitzen, können auch dort gegebenenfalls den Vorsitz führen, müssen das aber nicht tun. – Vielen Dank! Präsident Walter Momper: Danke schön, Herr Senator! – Jetzt gibt es eine Nachfrage Präsident Walter Momper: des Kollegen Graf von der CDU-Fraktion. – Bitte schön, Herr Graf! Danke schön! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen

Meyer. – Bitte! Florian Graf (CDU): Christoph Meyer (FDP): Danke schön, Herr Präsident! – Herr Finanzsenator Dr. Nußbaum! Sie haben in dem „Tagesspiegel“-Inter- Danke! – Herr Senator Nußbaum! Wenn ich Ihre Ausfüh- view auch eine Reform der Qualifizierung der Aufsichts- rungen richtig verstanden habe, planen Sie keine konkre- räte in den landeseigenen Unternehmen angemahnt. Ist ten Änderungen in den Beteiligungsrichtlinien, anders als das so zu verstehen, dass Sie Zweifel an der Qualifikation Sie das in der letzten Woche in der Medienöffentlichkeit der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder haben, oder anders angekündigt haben. Ich würde von Ihnen gern noch wis- gefragt: Was hat denn der Senat bislang getan, um die sen: Sie haben in einem sehr interessanten Interview im Aufsichtsratsmitglieder auf die Wahrnehmung ihrer Auf- „Tagesspiegel“ in der letzten Woche darauf hingewiesen, gaben, die mit inzwischen stärkeren Haftungsansprüchen dass Sie offensichtlich beabsichtigten, die Berliner Lan- einhergehen, vorzubereiten? desbeteiligungen in den Wettbewerb zu führen. Gilt das auch für die BVG, BSR und andere Anstalten öffentlichen Rechts, oder wollen Sie hier eine Einschränkung machen? Präsident Walter Momper: Herr Senator Dr. Nußbaum, bitte! Präsident Walter Momper: Herr Senator Dr. Nußbaum, bitte!

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Senator Dr. Ulrich Nußbaum (Senatsverwaltung für seiner 32. Sitzung am 19. März den von der Bundesregie- Finanzen): rung eingebrachten Entwurf des Gesetzes über die Fest- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich stellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr richtig gezählt habe, waren das zwei Fragen. – Die Auf- 2010 angenommen. Die Zustimmung des Bundesrates sichtsräte werden entsprechend fortgebildet. Wir bieten steht allerdings noch aus. Für die Programme der Städte- Fortbildungen an, die die Aufsichtsräte mit den neuen bauförderung sind Bundesfinanzhilfen an die Länder in Gesetzesregelungen vertraut und bekannt machen. Dar- Höhe von 591 Millionen Euro vorgesehen. Davon entfal- über hinaus hatte ich Ihnen bei der ersten Antwort zu len auf das Programm „Soziale Stadt“ 105 Millionen Ihrer Frage schon gesagt, dass wir der Auffassung sind, Euro. Dieser Betrag entspricht in der Höhe dem Ansatz dass die Aufsichtsräte fachlich kompetent besetzt sind, des Jahres 2009. Allerdings sah der erste Entwurf des aber dass man Gutes auch immer verbessern kann. Das ist Haushaltsgesetzes hier 125 Millionen Euro vor, und zwar ein permanenter Prozess, weil Aufsichtsräte auch aus- aufgrund der sehr großen Relevanz, die dieses Programm scheiden, Amtszeiten von Aufsichtsräten auslaufen, man- für alle Städte und benachteiligten Gebieten in den letzten che legen auch aus Alters- oder anderen Gründen ihr Amt Jahren bekommen hat. Im Rahmen der parlamentarischen nieder. Dann müssen Sie nicht die Frage stellen, Herr Beratungen wurde stattdessen das Programm „Aktive Graf, ob das einzelne Aufsichtsratsmitglied individuell Stadt und Ortsteilzentren“ um 20 Millionen von 75 Milli- erstklassig qualifiziert ist, sondern die Gesetze schreiben onen auf 95 Millionen Euro erhöht. vor, dass der Aufsichtsrat in einer solchen Zusammenset- zung zu sein hat, dass er als Ganzes eine ordentliche Kon- Neben dieser Veränderung der ursprünglichen Planung im trolle dieses Unternehmens gewährleisten kann. Rahmen der Haushaltsberatungen, die wir bedauern, tritt nunmehr allerdings eine weitere gravierende Verschlech- Deswegen ist sicherzustellen, dass – wie gesagt – ein Auf- terung im vorliegenden Entwurf des Haushaltsgesetzes sichtsratsmitglied durchaus unterschiedliche Kompeten- ein. In § 6 des Haushaltsgesetzes heißt es nämlich: Die zen, Schwerpunktsetzungen und Erfahrungshintergründe ausgebrachten Verpflichtungsermächtigungen dürfen nur mitbringen kann, aber in seiner Gesamtzusammensetzung bis zu einer Höhe von maximal 90 Prozent in Anspruch muss ein Aufsichtsrat – und darauf kommt es an – seiner genommen werden. – Das bedeutet, dass den Ländern für Kontrollfunktion nachkommen können. die Städtebauförderung ca. 60 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen werden. Damit entfallen auf das Pro- [Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] gramm „Soziale Stadt“ mit ca. 95 Millionen Euro dann noch einmal 10 Millionen Euro weniger. Das bedeutet, dass hier ein Einschnitt programmiert ist. Damit streicht Präsident Walter Momper: die Bundesregierung gegenüber ihrem ersten Entwurf Nun hat Kollegin Ellen Haußdörfer von der SPD-Fraktion nicht nur 20 Millionen, sondern 30 Millionen Euro, und das Wort zu ihrer Mündlichen Anfrage über sie veranlasst durch diese Kürzung des Programms „Sozi- ale Stadt“ sozusagen einen deutlichen Schlag in das Ge- Kürzungen im Bundeshaushalt im Bereich sicht derer, die mit diesem Programm in vielen Gebieten „Soziale Stadt“ der Bundesrepublik, die davon betroffen sind, Wesentli- ches geleistet haben.

Ellen Haußdörfer (SPD): Die Bundesregierung verabschiedet sich damit im Weite- Herzlichen Dank! – Ich frage den Senat: ren auch von einem Punkt ihres Koalitionsvertrages. Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren. In Punkt 1. Wie bewertet der Senat die von der schwarz-gelben 4.4.2 des Koalitionsvertrages heißt es unter der Über- Bundesregierung beschlossene Kürzung um 20 Milli- schrift „Städtebauförderung“: onen Euro im Bereich „Soziale Stadt“? Die Städtebauförderung leistet einen unverzichtba- 2. Mit welchen finanziellen und sozialen Auswirkungen ren Beitrag zur lebenswerten Gestaltung von Städ- muss das Land Berlin im Bereich Quartiersmanage- ten und Gemeinden. Wir werden die Städtebauför- ment und Städtebauförderung rechnen? derung als gemeinschaftliche Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen auf bisherigem Niveau, aber flexibler fortführen. Präsident Walter Momper: Wir können erkennen, dass die Flexibilität hier allerdings Es antwortet Frau Staatssekretärin Dunger-Löper. – Bitte nur nach unten geht. schön! Mit der Kürzung verdeutlicht die Bundesregierung die Staatssekretärin Hella Dunger-Löper Geringschätzung eines Erfolgsprogramms der Städtebau- (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): förderung, das in den letzten Jahren auch in Berlin in erheblichem Maße zur Stärkung des Zusammenhalts in Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau den Problemkiezen beigetragen hat. Wir wollen dieses Abgeordnete Haußdörfer! Ihre Mündliche Anfrage be- deutlich zurückweisen, zumal mit dieser Kürzung ins- antworte ich wie folgt: Der Deutsche Bundestag hat in

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Staatssekretärin Hella Dunger-Löper gesamt auch eine weitere Verschlechterung der Finanzla- Staatssekretärin Hella Dunger-Löper ge der Kommunen verbunden ist. (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung):

Frau Haußdörfer! Vor den Bundestagswahlen war eigent- Zur Frage 2: Die finanziellen Auswirkungen für das Pro- lich unisono aus allen Parteien bundesweit zu hören, dass gramm „Soziale Stadt“ in Berlin im Jahr 2010 stellen sich das Programm „Soziale Stadt“ außerordentlich wertvoll so dar, dass es statt 19 Millionen nur rund 14 Millionen für die benachteiligten Stadtgebiete ist. Da hat es auch bis Euro zur Verfügung hat, also 5 Millionen Euro Pro- dato sozusagen keine Aufsplittung gegeben. Das hat sich grammmittel – allerdings über mehrere Jahre – weniger offenbar inzwischen geändert. Insofern hätten wir es als geplant. Um das Programm stabil durchführen zu natürlich ganz besonders begrüßt, wenn sich die Vertreter können, wird Berlin durch Umschichtung von Mitteln aus aller Parteien beim Quartiersrätekongress über die dort anderen Programmen der Städtebauförderung den Verlust geleistete Arbeit und das bürgerschaftliche Engagement, beim Programm „Soziale Stadt“ reduzieren, wenn die was hier zum Ausdruck gekommen ist, informiert hätten. entsprechende Beschlussfassung auch tatsächlich vorliegt. Aber wir arbeiten auf diesem Gebiet weiter, und die Berlin wird versuchen, den Verlust auszugleichen, was nächste Einladung wird auch wieder allen Parteien zuge- allerdings in den anderen Programmen auch eine Einen- hen. gung der Möglichkeiten mit sich bringt.

Vor dem Hintergrund der vom Bund pauschal vorge- Präsident Walter Momper: nommenen Kürzung der Städtebauförderung schon im Nun hat der Abgeordnete Schruoffeneger das Wort zu Jahr 2010 erhält Berlin nur noch 30 Millionen Euro statt einer Nachfrage. – Bitte, Herr Schruoffeneger! bislang 33 Millionen Euro. Dieses Signal der Bundesre- gierung an die Kommunen und insbesondere auch an die sozial benachteiligten Stadtgebiete ist angesichts weiterer Oliver Schruoffeneger (Grüne): Steuergeschenke an eine bestimmte Klientel, die hier Frau Staatssekretärin! Es ist ein bisschen unübersichtlich avisiert worden sind, sicherlich als mehr als bedenklich zu in diesem Geflecht der verschiedenen Programme – „Ak- bewerten. tionsräume plus“, Quartiersmanagement, „Soziale Stadt“. Sie haben als Senat gestern die Aufstockung für „Aktions- Das Programm „Soziale Stadt“ hat in Berlin im Rahmen räume plus“ um 20 Millionen Euro verkündet. Können der Stadtentwicklung eine zentrale Bedeutung, denn die Sie meine Befürchtung ausräumen, dass es sich dabei Bewahrung und Wiederherstellung des sozialen Zusam- keineswegs um eine Aufstockung handelt, sondern dass menhangs ist eine vorrangige Zielsetzung der Berliner sie lediglich vorhandene Mittel aus den ähnlich gelagerten Stadtentwicklungspolitik. In Berlin gibt es derzeit Programmen umverteilt und umgeschichtet haben, indem 34 Gebiete der „Sozialen Stadt“. Wir werden die Mittel Sie uns sagen, aus welchen Haushaltsansätzen Sie diese der Städtebauförderung – aller Programme gemeinsam – 20 Millionen Euro genommen haben? schwerpunktmäßig und gebündelt in Räumen mit sozialen Problemen einsetzen und hier im Besonderen in den „Ak- tionsräumen plus“, die der Senat am letzten Dienstag Präsident Walter Momper: beschlossen hat. Frau Staatssekretärin Dunger-Löper – bitte schön!

Präsident Walter Momper: Staatssekretärin Hella Dunger-Löper Frau Haußdörfer hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bit- (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): te! Vielen Dank, Herr Schruoffeneger! – Das Land hatte in diesem Jahr eine Erhöhung dieser Ansätze vorgesehen, Ellen Haußdörfer (SPD): und insofern waren diese 20 Millionen Euro schon zusätz- liche Mittel. Wir werden nach Inkrafttreten des Bundes- Danke, Frau Staatssekretärin! – Sie bestätigen das, was haushaltsgesetzes sehen, wie wir auch eine entsprechende wir befürchtet haben. In diesem Licht frage ich: Wie Kontinuität in diesen Vorstellungen entwickeln können. bewertet der Senat die Tatsache, dass weder Vertreter von CDU noch FDP – trotz Lippenbekenntnissen – sich diese produktive Arbeit der „Sozialen Stadt“ ansehen, wie es Präsident Walter Momper: z. B. beim Quartiersrätekongress am vergangenen Sams- Nun hat Kollege Braun von der CDU-Fraktion das Wort tag möglich war, wo über 200 Teilnehmer aus den Kiezen zu seiner Mündlichen Anfrage über gezeigt haben, was die „Soziale Stadt“ vor Ort leistet? Immer wieder Kunsthalle –

was plant der Senat von Berlin? Präsident Walter Momper:

Frau Staatssekretärin Dunger-Löper – bitte! Michael Braun (CDU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

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Michael Braun 1. Was konkret plant der Senat von Berlin mit den im Michael Braun (CDU): Haushaltsplan unter dem Titel „Zuschüsse an Einrich- Herr Regierender Bürgermeister! Was muss ich mir kon- tungen der bildenden Kunst“ bereits eingestellten Gel- kret darunter vorstellen? Was heißt denn mobile Kunst- dern in Höhe von 200 000,00 Euro für 2010 und halle? Ist das so etwas wie die temporäre Kunsthalle, die 400 000,00 Euro für 2011? wir im Moment haben? Wie weit sind Ihre Planungen 2. Wie denkt der Senat über die Möglichkeit, mit diesen gediehen? Geldern bereits erfolgreich existierende Einrichtungen zur Förderung und Präsentation zeitgenössischer Präsident Walter Momper: Kunst, wie zum Beispiel das Haus am Waldsee, zu un- terstützen? Herr Regierender Bürgermeister – bitte!

Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Präsident Walter Momper: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Das heißt konkret, Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Regierende dass wir bis zur Etablierung einer festen Kunsthalle die Bürgermeister Wowereit. – Bitte! Arbeiten tatsächlich an mehreren Orten in der Stadt prä-

sentieren werden. Wir benötigen dazu den Rahmen. Nach Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: der jetzt vorgesehenen Konzeption ist dann geplant, die Herr Präsident! Herr Abgeordneter Braun! Zu 1: Im Zuge einzelnen Ausstellungen an wechselnden Orten zu präsen- der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 2010/2011 hat tieren. das Abgeordnetenhaus folgende verbindliche Erläuterung beschlossen: Präsident Walter Momper: Im Rahmen des Regierungsprogramms 2007 bis Danke schön! – Eine Nachfrage von Frau Kollegin Strö- 2011 ist beabsichtigt, eine neue Kunsthalle zu ver. – Bitte! schaffen, die ausschließlich zeitgenössischer, auch international ausgerichteter Gegenwartskunst in Alice Ströver (Grüne): Berlin dienen soll. Der möglichen Errichtung der Kunsthalle geht der Betrieb einer mobilen Kunst- Herr Regierender Bürgermeister! Macht es nicht Sinn, die halle zur Erprobung und weitere Konzeptentwick- Mittel zu benutzen, um – statt klandestin in der Kultur- lung voraus. Vor einer Entscheidung über die Rea- verwaltung – öffentlich darüber zu diskutieren, welches lisierung einer permanenten Kunsthalle ist eine Konzept man realisieren will, um in Berlin dauerhaft eine Evaluation vorzunehmen. Kunsthalle zu installieren, und das auch unter Einbezie- hung der von Herrn Braun genannten, bereits bestehenden Entsprechend diesem Auftrag eruiert der Senat derzeit in Institutionen? Gesprächen mit Expertinnen und Experten mögliche

Varianten eines solchen Probebetriebs. Dabei steht die Neukonzeptionierung einer Ausstellungshalle entspre- Präsident Walter Momper: chend den für den Betrieb einer Kunsthalle vom Mai des Herr Regierender Bürgermeister Wowereit – bitte! Jahres 2009 im Konzept niedergelegten Anforderungen im Zentrum. Für den Senat ist dabei entscheidend, dass die im Konzept beschriebenen enormen Potenziale künst- Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: lerischer Produktion in Berlin genutzt und die beschriebe- Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Diese Diskussion hat nen Defizite der institutionellen Verwertung behoben ja schon stattgefunden und wird auch weiter erfolgen. Der werden. Senat ist selbstverständlich verpflichtet, selbst sein Kon- zept vorzulegen. Das werden wir tun. Wir werden natür- Bei der Institutionalisierung ist der Zielsetzung Rechnung lich mit dem Kulturausschuss debattieren. Das wird eine zu tragen, dass ein entsprechender Ausstellungsbetrieb öffentliche Erörterung sein. Sie sehen ja, Sie haben sich unabhängig von einem musealen Bildungsauftrag Berlin selbst sehr stark für den Standort in Kreuzberg eingesetzt, als Metropole der Gegenwartskunst weltweit positionie- Herr Braun plädiert mehr für den Südwesten. Ich glaube, ren und die Stadt gesellschaftlich, kulturell und wirt- für das Haus am Waldsee? schaftlich nachhaltig stärken soll. [Michael Braun (CDU): Für die bestehenden Einrichtungen!] Präsident Walter Momper: – Ja, aber das Haus am Waldsee liegt immer noch ir- Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Braun. – gendwo bei Ihnen! – Beide Orte sind in einem mobilen Bitte! Konzept denkbar.

Bei der Fragestellung allerdings war intendiert, ob wir das Geld an eine Institution geben und die das dann macht.

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Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit Das ist nicht unsere Absicht und deckt sich nicht mit der schreibung deutlich ablesbar und für den möglichen Be- Beschlussfassung des Parlaments. werberkreis ohnehin klar.

Präsident Walter Momper: Zu 2: Dem Senat ist bekannt, dass eine Mehrheit der Stu- dierenden der seitens des Kuratoriums der dffb getroffe- Danke schön! nen Personalentscheidung ablehnend gegenüberstehen soll. Hinsichtlich der Positionierung der Lehrkräfte liegt Jetzt geht es weiter mit der Frage Nummer 8 von Frau keine Äußerung vor. Die Vorsitzende des Kuratoriums hat Kollegin Ströver von Bündnis 90/Die Grünen zu dem zuletzt am 24. März 2010 zusammen mit einem weiteren Thema Mitglied des Kuratoriums der dffb mit den Studierenden Studentischer Streik in der Deutschen Film- und der dffb ein Gespräch geführt. Darin wurden die ver- Fernsehakademie GmbH wegen intransparenter schiedenen Aspekte des Besetzungsverfahrens erörtert. Besetzung der Direktorenstelle Allerdings muss es dabei bleiben, dass die Studierenden eine maßgebliche GmbHEntscheidungskompetenz nicht – Bitte, Frau Ströver, Sie haben das Wort! aus dem Hochschulrecht und in keiner Hinsicht aus dem GmbH-Recht ableiten können. Die Verantwortung liegt Alice Ströver (Grüne): beim Kuratorium der dffb, das eine Entscheidung danach getroffen hat, die für die Leitung der dffb am besten ge- Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Her- eignete Persönlichkeit auszuwählen. Diese Entscheidung ren! Ich frage den Senat: ist im Übrigen einstimmig getroffen worden.

1. Warum ist das normalerweise von den Gremien der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin – dffb – Präsident Walter Momper: in Kooperation mit der Universität der Künste durch- Eine Nachfrage von Frau Ströver – bitte! geführte Verfahren bei der Besetzung der/s Direk- tor/innen-Postens in Verbindung mit einer Professur gescheitert, und warum hat das Kuratorium der dffb Alice Ströver (Grüne): dennoch eine Personalentscheidung für die Leitungs- Bedeutet das, dass diese Stelle, die ursprünglich auch als position getroffen, ohne die Stelle neu auszuschrei- Professur angedacht war – deswegen ja auch das Ando- ben? cken an die Universität der Künste –, nun ausschließlich 2. Wie beurteilt der Senat die Tatsache, dass die getrof- eine Direktoren- und Geschäftsführerfunktion umfasst? fene Personalentscheidung auf die Ablehnung der Können Sie uns sagen, was das Gespräch gestern Abend Studierenden gestoßen ist und fast alle Dozenten der mit den Studierenden in der dffb ergeben hat? dffb sich für eine Kandidatin ausgesprochen haben, und wie will der Senat den Konflikt in dieser landes- Präsident Walter Momper: eigenen GmbH lösen? Herr Regierender Bürgermeister Wowereit!

Präsident Walter Momper: Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Danke schön! – Herr Regierender Bürgermeister Wowe- Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Es ist richtig, dass es reit – bitte schön! eine Entkoppelung gegeben hat. Es ist also nicht mehr mit der Professur verbunden. Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Das Gespräch gestern Abend hat ergeben, dass man sich Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Zu 1: Der Präsident zwar über das Verfahren unterhalten hat, es aber keinen der Universität der Künste hat der Vorsitzenden des Kura- Konsens gegeben hat. Es wird weiterhin ein Dissens vor- toriums der Deutschen Film- und Fernsehakademie mit handen sein. Die Studentinnen und Studenten sehen den Datum vom 5. Februar 2010 schriftlich mitgeteilt, dass Sachverhalt offensichtlich anders. das Berufungsverfahren zur Besetzung der Nachfolge Professor Bitomsky in der dffb aus Sicht der UdK vorerst gescheitert sei. Der zuständige Fakultätsrat sei hinsicht- Präsident Walter Momper: lich der Chancen einer zeitnahen Besetzung skeptisch. In Bevor Frau Platta mit der Frage Nummer 9 an der Reihe Anbetracht der seit dem August 2009 bestehenden Va- ist, möchte ich auf der Tribüne die Klasse der Kronach- kanz an der Spitze der dffb hat sich dessen Kuratorium in Grundschule unter Leitung ihrer Lehrerin begrüßen. Herz- der Pflicht einer möglichst zeitnahen Entscheidung gese- lich willkommen! hen. Einer neuen Ausschreibung bedurfte es nicht, da die [Beifall von allen Seiten] Konstruktion der Verbindung mit der Professur an der UdK von vornherein ganz überwiegend auf die Leitung Es ist gut, dass ihr euch das anhört! der dffb ausgerichtet war. Das war aus der Stellenaus-

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Präsident Walter Momper Dann hat Frau Platta von der Linksfraktion das Wort zum führt worden, die auch einigen Fischen das Überleben Thema ermöglicht haben wird. Allerdings haben die Witterungs- Fischsterben in Berliner Gewässern verhältnisse keine flächendeckenden vorbeugenden Maß- nahmen zugelassen, zum einen aus Sicherheitsgründen, – Bitte! andererseits war es bei den Temperaturen schlicht nicht möglich, die Gewässer eisfrei zu halten. Das wird einsich- Marion Platta (Linksfraktion): tig sein. Flächendeckende Maßnahmen wie technische Belüftung oder eisfrei halten sind zudem nicht ausschließ- Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Ich frage den lich mit positiven Effekten verbunden. Eine zu starke Senat: Abkühlung des Wassers bei Frost ist problematisch. Der Sauerstoffeintrag durch das Offenhalten kann dazu füh- 1. Welche Gewässer in welchen Berliner Bezirken sind ren, dass einige Fischarten aufwachen, die sonst nicht am stärksten von dem Fischsterben während der lan- aufgewacht wären. In der Folge besteht verstärkter Sauer- gen Frostperiode betroffen, und wie unterstützt der stoffbedarf. Insofern muss man einfach sagen: Das, was Senat die Bezirke bei der Beseitigung der Folgen? wir im Winter 2009/2010 erlebt haben, ist einerseits na- 2. Welche Auswirkungen hat das Fischsterben auf die türlich nicht schön. Es handelt sich aber unter den gege- Qualität der betroffenen Gewässer, und welche Maß- benen Witterungsverhältnissen um einen natürlichen nahmen hätten ergriffen werden müssen, um ein sol- Prozess. ches Ausmaß des Fischsterbens rechtzeitig verhindern zu können? Präsident Walter Momper: Danke schön, Frau Senatorin Lompscher! – Es gibt eine Präsident Walter Momper: Nachfrage von Frau Platta. – Bitte schön!

Danke! – Dafür ist die Stadtentwicklungsverwaltung zuständig? – Nein? – Dann hat Frau Senatorin Lompscher Marion Platta (Linksfraktion): das Wort. – Bitte sehr! Vielen Dank für die Antwort! Mich interessiert dann noch: In anderen Ländern gibt es Vereinbarungen mit Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für Anglervereinen, die sich um das Offenhalten von Teilbe- Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): reichen von Gewässern kümmern. Wie sieht das in Berlin aus? Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Platta! Nach derzeit vorliegenden Erkenntnissen sind zwölf Gewässer in acht Bezirken betroffen. Das sind: Präsident Walter Momper: Lietzensee und Hundekehlesee in - Frau Senatorin Lompscher – bitte! Wilmersdorf; Waldsee in Steglitz-Zehlendorf; der Trep- tower Karpfenteich; der Teich im Volkspark Friedrichs- hain; der Malchower See und der Obersee in Lichtenberg; Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für der Springpfuhl in Marzahn-Hellersdorf; Mittelfeldbe- Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): cken, Ziegelsee und Waldsee in Reinickendorf sowie der Ich habe ja versucht, deutlich zu machen, dass gerade das Südparkteich in Spandau. Offenhalten aufgrund der langandauernden Frostperioden so oder so schwierig gewesen wäre, egal ob man solche Vom Fischsterben am stärksten betroffen war der Liet- Vereinbarungen hat oder nicht, und dass der Fischbestand zensee. Da haben wir bis jetzt schon über 5 Tonnen Fisch- sich innerhalb von zwei, drei Jahren wieder normalisieren kadaver geborgen. Bezirke werden unterstützt, indem wird. Sicherlich wird man aus dem Winter Schlussfolge- Arbeitsmaterial zum Bergen der Fischkadaver zur Verfü- rungen ziehen, um ggf. zu solchen Vereinbarungen zu gung gestellt wird. Im Spätsommer nach der Laichzeit kommen. wird eine Aufnahme des Fischbestands erfolgen. Das Fischereiamt wird dann gegebenenfalls für einen dem jeweiligen Gewässer angepassten Fischbesatz sorgen. Präsident Walter Momper: Danke, Frau Lompscher! Das winterliche Fischsterben wirkt sich entgegen anders- lautenden Annahmen nicht negativ auf die Wasserqualität Dann ist die Frage 10 des Kollegen Czaja von der FDP- der Gewässer aus. Allerdings wird die Fischartenvielfalt Fraktion dran zu dem Thema einzelner Gewässer beeinträchtigt. Die Verluste im Fisch- Was bleibt vom Kehrmonopol? bestand werden nach zwei bis drei Jahren auf natürliche Weise oder im akuten Fall durch Besatz ausgeglichen – Bitte schön, Herr Czaja! sein. Sebastian Czaja (FDP): Es hat durchaus vorbeugende Maßnahmen gegeben, zum Beispiel am Lietzensee. Dort ist eine Belüftung durchge- Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

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Sebastian Czaja 1. Wie bewertet der Senat die aktuelle Entscheidung des Zu 2: In Anpassung an die Forderungen der Europäischen Landgerichts, dass auch berlinfremde Schornstein- Kommission hat der Bund die Dienstleistungsfreiheit im feger ihre Leistungen in bestehenden Kehrbezirken Schornsteinfegerhandwerk, wie oben dargelegt, einge- anbieten dürfen? führt und das Kehr- und Überprüfungsmonopol der bishe- 2. Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Urteil rigen Prüfung an dieser Stelle sicherlich zurückgenom- für das Land Berlin und das bis Ende 2012 bestehende men. Konsequenz ist, dass die Bezirksschornsteinfeger- Kehrmonopol für die Bezirksschornsteinfeger? meister sich bereits jetzt in einem Wettbewerb mit Staats- angehörigen eines anderen Mitgliedsstaats befinden und damit rechnen müssen, wenn diese Entscheidung im Eil- Präsident Walter Momper: verfahren Bestand haben sollte, dass dieses sich bereits vor dem Jahr 2013 auf andere Anbieter aus anderen Bun- Wer ist zuständig? – Bitte, Frau Dunger-Löper! desländern erweitern wird.

Staatssekretärin Hella Dunger-Löper Präsident Walter Momper: (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Eine Nachfrage des Kollegen Czaja! Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Her- ren! Herr Czaja! Das Schornsteinfegerwesen, wie Sie es eben schon erwähnt haben, befindet sich in einer Über- Sebastian Czaja (FDP): gangsphase. Darauf hat der Bund mit einer Novellierung Recht herzlichen Dank! – Sie haben jetzt im Grunde völ- des entsprechenden Gesetzes im November 2008 reagiert. lig wertfrei die erste Frage beantwortet, die hieß: Wie Aufgrund der Änderungen in diesem Gesetz dürfen Ar- bewertet der Senat die aktuelle Entscheidung? – Ich gehe beiten, die bis zum 31. Dezember 2012 noch dem zustän- davon aus, dass Sie dazu eine Auffassung haben; viel- digen Bezirksschornsteinfegermeister vorbehalten sind, leicht können Sie die noch mal deutlich erkennbar ma- nach Maßgabe des § 13 Abs. 3 des Schornsteinfegerge- chen. setzes auch von Staatsangehörigen eines anderen Mit- gliedsstaates der Europäischen Union und eines Vertrags- staats des Abkommens über den europäischen Wirt- Präsident Walter Momper: schaftsraum oder der Schweiz durchgeführt werden. Inso- Frau Staatssekretärin Dunger-Löper, bitte! fern ist die Dienstleistungsfreiheit im Schornsteinfeger- handwerk den Vorgaben der Europäischen Kommission Staatssekretärin Hella Dunger-Löper entsprechend sofort, also mit diesem Gesetz, für Anbieter (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): aus anderen Ländern der Europäischen Union und der Schweiz eingeführt worden. Folglich dürfen im Wege der Herr Czaja! Ich habe hier ausgeführt, dass wir den end- Dienstleistungserbringung über die Grenzen alle Schorn- gültigen Wortlaut dieser Entscheidung noch nicht kennen. steinfegerarbeiten mit Ausnahme der Feuerstättenschau Bevor wir den nicht kennen, werden wir ihn auch nicht und der Ausstellung von Bescheinigungen zur Bauab- abschließend bewerten. Insofern werden Sie sich an dieser nahme nach Landesrecht ausgeübt werden, sofern die Stelle noch etwas gedulden müssen. Dienstleistungserbringer die handwerklichen Vorausset- zungen erfüllen. Weitere Voraussetzung ist allerdings Präsident Walter Momper: auch, dass die Tätigkeit nur vorübergehend und gelegent- lich durchgeführt wird und die Dienstleistungserbringer Danke schön! – Keine weiteren Nachfragen; die Frage- im Inland keine gewerbliche Niederlassung im Schorn- stunde hat nun auch wegen Zeitablaufs ihr Ende gefun- steinfegerhandwerk unterhalten. den. Die heute nicht beantworteten Anfragen werden mit einer von der Geschäftsordnung abweichenden Beantwor- Das im Eilverfahren ergangene Urteil des Landgerichts tungsfrist von bis zu drei Wochen schriftlich beantwortet. Berlin vom 18. März – also genau vor einer Woche – liegt uns schriftlich noch nicht vor. Wir kennen nur die ent- Ich rufe auf sprechenden Pressemitteilungen dazu. Deswegen ist eine lfd. Nr. 2: abschließende Wertung an dieser Stelle noch nicht mög- lich. Es ist aber nach unserer Kenntnis so, dass mit diesem Fragestunde – Spontane Fragestunde Urteil eine Ausweitung auf Anbieter aus anderen Bundes- Zuerst erfolgen die Wortmeldungen nach der Stärke der ländern und nicht nur aus dem Ausland vorgenommen Fraktionen mit je einer Frage. Das Wort hat der Kollege wird. Ob diese Entscheidung, die im vorläufigen Rechts- Gaebler von der SPD-Fraktion. – Bitte schön, Herr schutz ergangen ist, im Hauptsacheverfahren bestätigt Gaebler! werden wird, bleibt allerdings abzuwarten. Wir sind aktu- ell auch mit der Schornsteinfegerinnung in Gesprächen, Christian Gaebler (SPD): um auszuwerten, was das heißen könnte für die kommen- den zwei Jahre für das Schornsteinfegerhandwerk, das Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich aufgrund der bundesrechtlichen Regelungen durchaus in an die Umweltsenatorin, Frau Lompscher. – Frau Lomp- Schwierigkeiten gekommen ist. scher! Sie haben auf einer Verkehrskonferenz der Links-

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Christian Gaebler partei zur A 100 Stellung genommen. Sie werden unter [Beifall bei der Linksfraktion – anderem zitiert, dass die Senatsplanung schwere Mängel Vereinzelter Beifall bei den Grünen] habe,

[Beifall bei den Grünen] Präsident Walter Momper: dass Sie verabredet haben, die Verkehrsprognose einzuar- Danke schön, Frau Senatorin! beiten; daran habe sich der Senat nicht gehalten. Auch sonst habe der Senat Varianten nur unzureichend geprüft. Jetzt geht es mit einer Anfrage des Kollegen Melzer von – Haben Sie dies im Senat auch als Besprechungspunkt der CDU-Fraktion weiter. – Bitte schön! eingebracht? Wie ist das Ergebnis dieser Besprechung? [Zuruf von Michael Braun (CDU)] [Michael Schäfer (Grüne): Das sieht Ihr Parteitag genau so! ] – Nein, Herr Braun, es gibt hier keine Nachfragen!

Heiko Melzer (CDU): Präsident Walter Momper: Herr Präsident! Soweit ich informiert bin, hat die Fraktion Frau Senatorin Lompscher – bitte schön! der CDU eine andere Fragestellung in Person des Abge-

ordneten Braun angeregt. Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): Präsident Walter Momper: Sehr geehrter Herr Gaebler! Das, was Sie zitieren, ist Okay! Das wusste ich nicht. Dann ist jetzt Herr Braun an sicher wörtlich nicht so gesagt worden, sondern es ist auf der Reihe. – Bitte schön! der eintägigen Konferenz, die der Landesverband durch- geführt hat, von Referenten und Gutachtern und in der Diskussion geäußert worden. Ich selbst habe die Diskus- Michael Braun (CDU): sion moderiert und war bei dem abschließenden Fazit zu Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Regierender Bür- dem Ergebnis gekommen, dass es erforderlich sein wird, germeister! Fliegen Sie manchmal privat oder dienstlich zu den Planungen noch bestimmte Informationen einzu- mit der Fluglinie Easyjet? holen. Die Diskussion im Senat haben wir darüber bis heute nicht geführt. Präsident Walter Momper: Präsident Walter Momper: Bitte, Herr Regierender Bürgermeister!

Eine Nachfrage des Kollegen Gaebler – bitte! Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Christian Gaebler (SPD): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Braun! Ich weiß zwar nicht, was Sie das angeht, aber ja. Frau Lompscher! Die Hinweise auf mögliche Mängel sind ja nicht neu. Die Senatorin für Stadtentwicklung hat dazu mehrfach öffentlich Stellung genommen. Sie haben jetzt Präsident Walter Momper: öffentlich anders dazu Stellung genommen. Wie bewerten Der Kollege Braun hat eine Nachfrage. – Bitte! Sie Ihre Position im Senat und die Zukunft einer gemein- samen Position im Senat? Michael Braun (CDU): [Beifall bei der FDP] Warum habe Sie am 2. September 2009, wie wir heute in der „Bild“ lesen mussten, die recht teure Flugbereitschaft Präsident Walter Momper: in Anspruch genommen und sind nicht einfach mit Easy- jet nach Paris geflogen? Frau Senatorin Lompscher!

Präsident Walter Momper: Senatorin Katrin Lompscher (Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz): Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Gaebler! Vor diesem Hintergrund weise ich darauf hin, dass das Planungsverfahren nicht abgeschlossen ist. Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Auch meine Behörde ist im Rahmen der Beteiligung der Herr Präsident! Herr Abgeordneter Braun! Zur Korrektur, Träger öffentlicher Belange beteiligt. Wir haben unsere damit Sie sich nicht vergaloppieren: Es war der 2. No- Belange dort eingebracht. Ich gehe davon aus, dass es vember 2009. Zudem hat man als Beauftragter für die einen nächsten Schritt des Planungsträgers geben wird, zu deutsch-französischen Kulturbeziehungen einen Status dem man sich dann im Senat verhalten kann. wie ein Minister. Deshalb bin ich berechtigt, in dieser

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Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit Funktion die Flugbereitschaft zu nutzen, wenn die Vor- Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): aussetzungen erfüllt sind. Ich habe eine Frage an den Regierenden Bürgermeister! – [Zuruf von den Grünen: Es zwingt Herr Wowereit, Sie waren heute Morgen bei der Minis- Sie aber keiner dazu!] terpräsidentenkonferenz. Wie ist der aktuelle Stand zur Selbstverständlich werden in Zusammenarbeit mit dem Neugestaltung des ZDF-Staatsvertrags? Auswärtigen Amt – da es sich immer um gemeinsame Auftritte handelt – die Voraussetzungen geprüft. Die Präsident Walter Momper: Prüfung hat in diesem Fall ergeben, dass die Vorausset- Bitte, Herr Regierender Bürgermeister! zungen für die Nutzung der Flugbereitschaft erfüllt waren.

So ist sie erfolgt. Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Präsident Walter Momper: Herr Präsident! Verehrte Frau Abgeordnete! Es hat keine Einigung der Ministerpräsidenten gegeben. Es gibt eine Danke schön! Diskrepanz zwischen der A- und der B-Seite. Es gab

einen Entwurf, der von den Staatskanzleien von Rhein- Jetzt ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau land Pfalz und Hessen ausgearbeitet wurde. Es ging dabei Bayram an der Reihe. – Bitte! darum, wieweit man Veränderungen vornehmen sollte,

um den Anteil der direkt von den Ländern oder vom Bund Canan Bayram (Grüne): entsandten Vertreter im Fernsehrat und Verwaltungsrat zu Ich frage die Senatorin für Justiz: Haben Sie die Nebentä- reduzieren, inwieweit man Inkompatibilitäten verschärft tigkeit des Staatssekretärs Hasso Lieber als Beistand im usw. Ich halte die dort federführend vom Ministerpräsi- Parteiordnungsverfahren gegen den ehemaligen Berliner denten Beck gemachten Vorschläge für richtig und gut. Finanzsenator als entgeltliche Nebentätigkeit genehmigt? Sie waren aber nicht konsensfähig. Insofern wird Rhein- Sehen Sie nicht die Gefahr, dass dadurch der Eindruck land-Pfalz die Fragen sicherlich im Rahmen einer Verfas- entstehen könnte, der Senat halte seine schützende Hand sungsklage klären lassen. Es gab, wie gesagt, keine Initia- über Sarrazin? tive, die mehrheitlich oder einstimmig – das ist ja not- wendig bei den Ministerpräsidenten – eine Selbstverände- rung der staatsvertraglichen Regelungen vorsieht. Präsident Walter Momper: Bitte, Frau von der Aue! Präsident Walter Momper:

Danke schön! – Frau Kollegin Hiller, Ihre Nachfrage! Senatorin Gisela von der Aue (Senatsverwaltung für Justiz): Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bayram! Der Staatssekretär für Justiz hat keine Ne- Vielen Dank für die Antwort! Sie haben die Frage nach bentätigkeiten ausgeübt. Sie sprechen eine Tätigkeit des einer Normenkontrollklage schon beantwortet. Das Parteimitglieds Hasso Lieber an, der den ehemaligen scheint der Fall zu sein. Warum hat das nicht Berlin über- Senator Sarrazin vor der Landesschiedskommission der nommen, auch um das Thema aus dem Wahlkampf in SPD vertreten hat. Das ist eine unentgeltliche, parteiliche Rheinland-Pfalz herauszuhalten? Hilfe gewesen. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass sich das Parteimitglied Lieber, das Parteimitglied Präsident Walter Momper: von der Aue oder gar der Staatssekretär oder die Justizse- Bitte, Herr Regierender Bürgermeister! natorin mit den Äußerungen des Parteimitglieds Sarrazin gemein machen. Hintergrund ist vielmehr, dass auch innerhalb der SPD jemand Anspruch auf einen Rechtsbei- Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: stand hat. Herr Präsident! Frau Abgeordnete Hiller! Der Wahlkampf [Beifall bei der SPD] in Rheinland-Pfalz interessiert uns nur peripher. Ich wüss- te nicht, was wir damit zu tun haben. Ich weiß auch nicht,

was das Thema insgesamt mit dem Wahlkampf zu tun hat Präsident Walter Momper: und ob die Parteien in Rheinland-Pfalz dazu unterschied- Danke schön! – Frau Bayram hat keine Nachfrage. licher Auffassung sind. Rheinland-Pfalz muss für sich eine Entscheidung treffen und wir eine für uns. Dann ist jetzt Frau Dr. Hiller von der Linksfraktion an der Reihe. – Bitte schön! Eine Normenkontrollklage vorzunehmen, ist nicht ganz ohne Risiko, denn diese bezieht sich nicht nur auf das, was man selbst ändern will, sondern das Bundesverfas- sungsgericht wird in eigner Kompetenz eine Wertung vornehmen. Wie das ausgeht, kann man schwer vorher-

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Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit sehen. Es wäre gut gewesen, wenn sich die Ministerpräsi- nicht erstattet. Es ist eine andere Frage, ob das immer denten der B-Länder auf die Veränderungen eingelassen honoriert und anerkannt wird. hätten. Das haben sie heute aber nicht getan. Trotzdem ist es eine wichtige Aufgabe. Ich bin auch zu- Präsident Walter Momper: frieden, dass das Land Berlin diese übernommen hat und nicht immer nur die Länder, die an Frankreich angrenzen. Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! Das ist im Übrigen auch in Frankreich sehr gut ange- kommen. Jetzt geht es mit einer Frage des Kollegen Meyer von der FDP-Fraktion weiter. – Bitte! Es handelte sich inhaltlich um das Treffen der Recteurs der Akademien in Frankreich und der Bildungsminister Christoph Meyer (FDP): aus Deutschland. Dies war komprimiert auf einen Tag. Die Alternative wäre eine dortige Übernachtung und ein Ich habe eine Frage an den Regierenden Bürgermeister, längerer Verbleib gewesen. Dafür ist die Flugbereitschaft und zwar noch einmal unter dem Motto „Abgehoben nach auch da, genau solche Treffen zu ermöglichen, die sonst Paris“. – Sie haben in der Beantwortung eben darauf aus zeitlichen Gründen hätten abgesagt werden müssen. hingewiesen, dass die formalen Voraussetzungen zur Dieses Recht habe ich wie alle anderen vor mir – und Nutzung der Flugbereitschaft erfüllt gewesen seien. Sind höchstwahrscheinlich auch nach mir, solange es diese aber 50 000 Euro für einen Hin- und Rückflug nach Paris Regelung gibt –, wie alle anderen Mitglieder der Bundes- vor dem Hintergrund von 66 Milliarden Euro Schulden in regierung, die dort Zugang haben, oder der Bundesrats- Berlin und Ihrer PR-Maßnahme „Mit der U-Bahn zum präsident Anspruch genommen. Wenn daran etwas falsch Leopoldplatz“ angemessen? sein sollte, dann muss man das korrigieren. Ich kann hier nicht erkennen, was an dieser Reise falsch gewesen ist. Präsident Walter Momper: [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Bitte, Herr Regierender Bürgermeister!

Präsident Walter Momper: Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Bitte, Herr Meyer, mit einer Nachfrage! Herr Präsident! Herr Abgeordneter Meyer! Man kann unterschiedlicher Auffassung dazu sein, ob die Flugbe- reitschaft sinnvoll ist oder nicht. Ich finde es aber unzu- Christoph Meyer (FDP): lässig, in welcher Art und Weise Sie eine korrekt stattge- Herr Wowereit! Sie haben jetzt sehr ausführlich begrün- fundene Reise diskreditieren wollen. Es sind kalkulatori- det, weswegen diese Reise als solche notwendig war. Da sche Kosten genannt worden. Sie können sich gerne ein- bin ich durchaus bei Ihnen. Wenn Sie sich aber einmal mal auf dem freien Chartermarkt erkundigen, was ein vergegenwärtigen, dass Sie oder Ihr Senatssprecher als Privatflug nach Paris kosten würde. Da würden Sie natür- Begründung, weswegen Sie nicht mit einem Linienflug lich nicht auf 50 000 Euro kommen. zurückgeflogen sind, angegeben haben, dass um 8.30 Uhr eine Senatsvorbesprechung stattgefunden hat, muss doch Parallel zu mir war Ihr Außenminister Westerwelle in die Frage erlaubt sein, und das frage ich hiermit, warum Paris. Der ist noch vor mir zurückgeflogen. Das weiß ich Sie nicht die Senatsvorbesprechung eine halbe Stunde ziemlich definitiv. später hätten stattfinden lassen und Sie am nächsten Tag [Christoph Meyer (FDP): Der ist aber Außenminister!] einfach ein wenig früher aufgestanden wären. Dann hätten Sie vielleicht doch einen Linienflug nehmen können. Gehen Sie jetzt davon aus, dass Herr Westerwelle mit Easyjet hätte fliegen müssen, um Kosten zu sparen? Das [Unruhe bei der SPD und der Linksfraktion – ist hoffentlich nicht Ihr Ernst. Sie müssen davon ausge- Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Haben Sie keine hen, wer berechtigt ist, die Flugbereitschaft zu nutzen. anderen Sorgen?] Dabei dürfen Sie nicht zweierlei Maßstab anlegen. Darum Immerhin haben Sie mit jeder Minute, die die Senatsbe- geht es. sprechung nach hinten gezogen worden wäre, ungefähr [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] rund 1 000 Euro von Steuerzahlern verschwendet.

Das Land Berlin hat diese Aufgabe für die gesamte Repu- blik übernommen. Es handelt sich nicht um ein Vergnü- Präsident Walter Momper: gen des Regierenden Bürgermeisters, vielmehr wird ein Herr Regierender Bürgermeister, bitte! Ministerpräsident im Wechsel – als Nächster ist der Kol- lege Müller an der Reihe – zum Repräsentanten der Län- der und der Bundesregierung bestimmt. Es sind zusätzli- Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: che Aufgaben, die einen erheblichen finanziellen Einsatz Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Sehen Sie, durch des Landes Berlin erfordern. Wir bekommen die Kosten diese Argumentation wird auch deutlich, worum es Ihnen

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Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit geht. Es geht Ihnen nur um die Diffamierung und nicht Oliver Friederici (CDU): um irgendeine Aufklärung. Herr Präsident, vielen Dank! Ich habe eine Frage an die [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Stadtentwicklungsverwaltung und stelle zunächst einmal Ich finde es im Übrigen sehr merkwürdig, dass eine Reise die Frage, wo sie eigentlich ist. nach Südamerika 1 000 Euro pro Person kosten soll. Herr Monz hat, so glaube ich, 1 000 Euro für diesen langen Präsident Walter Momper: Trip nach Südamerika gezahlt. Die Stadtentwicklungssenatorin ist eingangs von mir [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] entschuldigt worden. Meine Reise nach Paris kostet 50 000 Euro. Das ist schon etwas merkwürdig, wie es hier gerechnet wird. Oliver Friederici (CDU): [Christoph Meyer (FDP): Es geht um Sie! Was ist mit den Staatssekretären? Schwarz-Gelb ist nicht an allem schuld!] – Ja, Herr Meyer, das ist irgendwie ganz komisch. Es tut Präsident Walter Momper: mir leid, diese Veranstaltung hätte vielleicht nicht stattge- Staatssekretäre gibt es hier nicht. Es ist nach der Ge- funden, wenn dafür zwei Tage benötigt worden wären. schäftsordnung so, dass solche Fragen immer nur an einen Genau dafür ist die Flugbereitschaft da, damit man in anwesenden Senator oder eine anwesende Senatorin ge- kurzer Zeit auch Dinge erledigen kann. Sonst könnten Sie richtet werden können. die Flugbereitschaft insgesamt einstellen, weil selbstver- ständlich jeder am nächsten Tag fliegen kann, wenn er das unter diesen Maßstäben subsummiert. Oliver Friederici (CDU): [Beifall bei der SPD] Gut, Herr Präsident! Ich nehme das so zur Kenntnis. Wenn hier etliche Staatssekretäre der Senatsverwaltung Natürlich können Sie das, sonst brauchen Sie die Flugbe- für Stadtentwicklung nicht anwesend sein können und die reitschaft nicht. Sie ist genau dazu da, auch in kürzeren Senatorin entschuldigt ist, so ist dies eine Auslegungssa- Zeiträumen, als es sonst üblich ist, nämlich Anfahrt zu che. den Flughäfen in Paris zuzüglich der vorherigen Anwe- senheit sowie der Kontrollen, zu vermeiden. Es ist tat- sächlich eine deutliche Zeitersparnis. Unter diesem Ge- Präsident Walter Momper: sichtspunkt war es möglich, die Veranstaltung dort an Herr Kollege Friederici, ich muss Sie korrigieren. Es ist einem Tag abzuwickeln. Es ist eine Erleichterung. Anders keine Auslegungsfrage, sondern in der Geschäftsordnung wäre es nicht möglich gewesen. Ich hätte sonst übernach- so festgelegt. ten müssen. Wenn Sie nun sagen, dass wir das immer so tun sollen, ist es natürlich möglich. Ich kann Ihnen dies- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] bezüglich nicht widersprechen. Es ist auch möglich, zwei Sie können aber gleich fortfahren, wenn Sie wieder das Tage später zurückzufliegen. Dafür gibt es aber diese Mikrofon haben. Regelung. Ich kann nicht erkennen, dass daran etwas falsch gelaufen ist. Oliver Friederici (CDU): [Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Friedbert Pflüger (CDU)] Vielen Dank, Herr Präsident für die Erläuterung! – Dann frage ich den Regierenden Bürgermeister. – Herr Wowe- reit! Wir haben heute der Tagespresse entnehmen können, Präsident Walter Momper: dass eine deutsche Fluggesellschaft nicht nach Dubai fliegen, eine ausländische Fluggesellschaft fliegen möch- Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! te, aber nicht darf. Wie wird die Position des Senats in Bezug auf Verhandlungen sein, eine deutsche Fluggesell- Die erste Runde nach der Stärke der Fraktion ist damit schaft davon zu überzeugen, nun doch Direktflüge ab beendet. Nun können wir die weiteren Meldungen im 2011 vom neuen Flughafen BBI fliegen zu lassen? freien Zugriff berücksichtigen. Diese Runde eröffne ich wie immer mit dem Gong. Präsident Walter Momper: [Gongzeichen] Herr Regierender Bürgermeister Wowereit, bitte! Schon mit Ertönen des Gongs haben Sie die Möglichkeit, sich durch die Ruftaste anzumelden. Alle vorher einge- gangenen Meldungen waren gelöscht. Es beginnt Herr Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Friederici von der CDU-Fraktion mit einer Frage. – Bitte Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Die Haltung wird schön, Herr Friederici! Ihnen folgt Herr Schäfer von den genauso sein, wie sie in den letzten Jahren war. Selbst Grünen. – Herr Friederici, bitte! wenn Sie es heute in der Zeitung gelesen haben, so haben Sie ziemlich spät Zeitung gelesen, weil es in den letzten

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Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit Tagen dauernd in der Zeitung stand, so, wie auch schon Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: vor Jahren. Wir bemühen uns seit Jahren darum, Emirates Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Bitte gehen Sie davon darin zu unterstützen, dass die Bundesrepublik ihr Ab- aus, dass wir auch jetzt schon ein Interesse haben, bevor kommen erweitert, das es derzeit Emirates nur gestattet, der Willy-Brandt-Flughafen fertig ist, dass auch jetzt an vier Orten in der Bundesrepublik den Flugverkehr schon angeflogen wird. Das Thema gibt es schon seit ein abzuwickeln. Stuttgart hat ebenso ein Interesse und Emi- paar Jahren. In dem Umfang kann ich Ihnen spontan nicht rates, dass man Berlin von Stuttgart anfliegen kann. Dies sagen, ob es ähnliche Vorgänge gegeben hat, in denen unterstützen wir selbstverständlich erst recht vor dem eine beantragte Landeerlaubnis versagt worden ist. Das Hintergrund, dass die von Ihnen angesprochene deutsche kann ich spontan nicht beantworten. Mir ist aktuell nur Airline eben nicht direkt aus nach Abu Dhabi oder nach der Fall Emirates präsent. Dubai fliegt und wir deshalb auch nicht erkennen können, warum hier eine Konkurrenzsituation entstehen sollte, die im deutschen Interesse einen Schaden hervorruft. Präsident Walter Momper: Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! Deshalb haben wir rechtzeitig bei der Bundesregierung bei den entsprechenden Verkehrsministern und auch im Jetzt geht es weiter mit der Frage des Kollegen Schäfer. – Gespräch mit der Frau Bundeskanzlerin das thematisiert. Bitte schön, Herr Schäfer! Auch der Repräsentant der Vereinigten Emirate hat dieses Thema bei der Bundeskanzlerin selbst mit angesprochen. Wir haben dort nichts erreicht, weder bei der Bundesre- Michael Schäfer (Grüne): gierung noch bei der deutschen Fluggesellschaft. Wir Danke schön, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich können nur die Hoffnung haben, dass Herr Brüderle als an den Regierenden Bürgermeister. – Herr Wowereit! Wirtschaftsminister, mit dem ich selbst einen Rundgang Wie bewerten Sie den Vorschlag von BUND, Mieterver- auf der ITB unternommen habe – wir waren auch am ein und IHK Berlin, nach dem ein Berliner Klimaschutz- Stand von Emirates –, der sich begeistert gezeigt und gesetz so gestaltet werden sollte, dass es den CO2-Aus- deutlich gemacht hat, dass er es gut fände, wenn Emirates stoß von Berliner Gebäuden entsprechend den Berliner in Berlin landen würde, den Widerstand in der Bundesre- Klimazielen stufenweise reduzieren soll und dabei den gierung überwinden kann. Dabei unterstützen wir ihn Eigentümern die Möglichkeit lässt, die im Gesetz formu- selbstverständlich. Wir werden in jedem sich bietenden lierten CO2-Einsparziele auf die für sie und die Mieter Gespräch mit der deutschen Fluggesellschaft immer wie- günstigste Weise zu erreichen? der darauf aufmerksam machen, dass wir ein stärkeres Engagement in Langstreckenflügen der deutschen Flug- gesellschaft gut finden würden. Sie können es nicht ver- Präsident Walter Momper: hindern. Es ist schon eine Aufgabe der Bundesregierung, Herr Regierender Bürgermeister, bitte! den Widerstand dagegen aufzugeben, dass andere Flugge- sellschaften Berlin als Anflugort nehmen. Wenn Sie das Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: auch mit Ihren bundespolitischen Kontakten bei Herrn Ramsauer und der Bundeskanzlerin mit unterstützen Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Wir sind in der Dis- könnten, wären wir natürlich glücklich und zufrieden, kussion über das Gesetz, das den Senat noch nicht passiert gemeinsam untergehakt zu marschieren. hat. Insofern ist eine fachpolitische Debatte voll im Gan- ge. Der neue Entwurf der Senatorin ist doch auch irgend- [Beifall bei der SPD] wo in Umlauf geraten, wodurch auch immer, und wird heftigst diskutiert. Präsident Walter Momper: Ich glaube, es ist gut, dass wir sowohl im parlamen- Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Es gibt tarischen Bereich als auch außerhalb darüber so heftigst eine Nachfrage des Kollegen Friederici. – Bitte! diskutieren, weil uns dieses Gesetz einerseits helfen soll, unsere ambitionierten Klimaziele zu erreichen, anderer- Oliver Friederici (CDU): seits aber auch da besonders die Rechtsfolgenabschätzung ganz wichtig ist, genau zu wissen, wen wir damit be- Herzlichen Dank, Herr Regierender Bürgermeister, für lasten, auch deutlich zu machen, dass wir keine großen diese ganz nette Einladung, untergehakt zu Herrn Ram- Unterschiede zwischen den öffentlichen und den privaten sauer zu marschieren. Haben Sie denn weitere Kenntnis Gebäuden machen können. Es wäre wohl ein Unding, davon, dass möglicherweise eine deutsche Fluggesell- wenn wir für die öffentlichen Gebäude beispielweise schaften andere Ziele nicht anfliegen möchte, dies aber lange Übergangsfristen nehmen und sagen, aber die priva- andere ausländische Gesellschaften tun möchten, was ten Gebäude müssen von heute auf morgen gemacht wer- auch den Standort BBI schwächen könnte? den. – Insofern ist das eine sehr sorgfältige Abwägung.

Präsident Walter Momper: Es ist mittlerweile, glaube ich, auch Konsens, dass man bei der Frage, mit welchen Mitteln man die Ziele erreicht, Herr Regierender Bürgermeister, bitte!

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Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit flexibel sein muss. Da sollte man nicht nur eine Vorgabe auf lange Sicht kostengünstiger ist. Manchmal, wenn es machen. Denn wer soll denn eigentlich etwas dagegen der technische Standard erfordert, kann ich auch nicht nur haben, wenn dieselbe Reduktion mit unterschiedlichen das Kostengünstigste nehmen. Das ist mir jetzt ein biss- Methoden oder Maßnahmen zu erreichen ist? Diese Fle- chen zu heikel. Ich verstehe auch Ihre Frage nicht so xibilität muss da sein. richtig, weil mir diese Festlegung auf das Kostengünstigs- te aus umweltpolitischer Sicht – und die vertreten Sie ja Auch die Frage, in welchen Stufen man die Ziele erreicht, normalerweise – zu riskant wäre. um Übergangsfristen zu haben, muss selbstverständlich [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – abgewogen werden. Von heute auf morgen beim Bestand Michael Schäfer (Grüne): Um diese Ziele zu erreichen!] neue Richtwerte einzusetzen, ist selbstverständlich für viele eine Herausforderung, die sie nicht stemmen kön- nen, im Übrigen auch nicht die Mieterinnen und Mieter, Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: denn bei größeren Anlagen wird das auf die Miete umge- legt. Auch da können wir nicht auf der einen Seite sagen: Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! Wir wollen hier bezahlbaren Wohnraum mit vernünftigen Mieten haben –, und auf der anderen Seite machen wir Jetzt hat Frau Senftleben Gelegenheit, ihre Frage zu stel- selbst Gesetze, wo die auf einmal exorbitant hoch gehen, len – bitte! wohl wissend, dass umweltpolitische Erziehungseffekte auch manchmal über die Preisgestaltung notwendig sind, Mieke Senftleben (FDP): wenn man ein großes Ziel erreichen will, aber dies muss abgewogen werden. Es ist bei der Verabschiedung des Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich habe eine Frage an Gesetzes die Kunst, dies in eine Balance zu bringen, die den Senator für Frauenfragen. – Herr Wolf! Sie haben ja den umweltpolitischen Zielen gerecht wird. Wir wollen vorhin die Gründe für die Entgeltungleichheit genannt, dort einen deutlichen Akzent setzen. Das geht nicht, wenn zum Beispiel Teilzeit, Eltern und auch Familienarbeit. man das alles freilässt und nur dem Appell überlässt, Was tut eigentlich der Senat konkret dafür, dass diese ja sondern das muss mit verbindlichen Vorgaben gemacht durchaus für Frauen nachteiligen Faktoren bezüglich der werden, aber die müssen vernünftig sein, damit nicht Karriere gerade auch in der Berliner Senatsverwaltung einseitige Belastungen der Mieterinnen und Mieter ent- zumindest abgemildert werden? Denn wer im Glashaus stehen. sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

[Beifall bei der SPD] Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki:

Herr Senator Wolf, bitte! Präsident Walter Momper: Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Schäfer – Bürgermeister Harald Wolf (Senatsverwaltung für bitte! Wirtschaft, Technologie und Frauen):

Frau Abgeordnete! Meine Damen und Herren! In meinem Michael Schäfer (Grüne): Haus wird zum Beispiel ein umfangreiches Audit Beruf Danke, Herr Wowereit, für diese Ausführungen, die wir und Familie durchgeführt, in dem die Fragen von Arbeits- weitestgehend teilen können. zeitregelungen, Flexibilisierung von Arbeitszeit intensiv betrachtet und gegenwärtig in Workshops Maßnahmen [Oh! von der SPD] erarbeitet werden. Das ist ein Beispiel dafür, wie man im Ich frage Sie angesichts der großen Problematik, dass wir Rahmen der geltenden gesetzlichen und tarifvertraglichen die Klimaziele erreichen wollen, dass wir aber anderer- Regelungen zu besseren Ergebnissen bei der Vereinbar- seits die Mieterinnen und Mieter nicht unnötig belasten keit von Familie und Beruf kommen kann. Das ist ein wollen: Wollen Sie uns zusichern, dass ein Klimaschutz- Beispiel. gesetzentwurf, der den Senat verlässt, die Investitionen nur in die kostengünstigsten Maßnahmen zur Erreichung Zum Zweiten wissen Sie, dass wir auch im Rahmen der der CO2-Einsparziele lenken wird? Frauenförderpläne entsprechende Maßnahmen vorgese- hen haben. Im Entwurf des Landesgleichstellungsgesetzes ist bezogen auf den Aspekt Teilzeitarbeit vorgesehen: Da Präsident Walter Momper: haben wir ja die Situation, dass viele Frauen, die während Herr Regierender Bürgermeister, bitte! der Betreuungszeit der Kinder auf Teilzeit gegangen sind, dies nicht mehr notwendig ist, wenn die Kinder älter Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: geworden sind, gern wieder auf Vollzeit gehen würden, das aber häufig im Moment nicht der Fall ist, weil dem Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Es ist mir zu heikel, angeblich betriebliche Gründe entgegenstehen. Wir haben Ihnen das zuzusagen, denn warum soll man die kosten- die Regelung geschaffen, dass dann, wenn Ganzzeitstellen günstigsten Investitionen zusagen? Es kann ja auch sein, frei und neu besetzt werden, derartige Frauen bevorzugt dass auf dem mittelfristigen Weg eine höhere Investition auf diese Stelle versetzt werden können. Das ist ein In-

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Bürgermeister Harald Wolf strument, das im Rahmen der haushaltsmäßigen Möglich- lfd. Nr. 40: keiten keine Mehrausgaben bedeutet, denn das ist eine Antrag freie Stelle, und damit würde zumindest in einem Teilbe- reich dem Problem abgeholfen werden. Senat muss mehr Transparenz schaffen! Antrag der CDU Drs 16/3064 Es ist richtig, wie Sie vielleicht gleich sagen werden, das löst nicht das gesamte Problem, weil der öffentliche Dienst im Land Berlin keine Insel der Seligen ist, sondern in Verbindung mit hier auch die Probleme wie ansonsten in der Gesellschaft existieren. Aber ich habe Ihnen an ein paar Beispielen lfd. Nr. 41: gezeigt, wie wir versuchen, hier durch konkrete Maßnah- men entgegenzuarbeiten. Antrag Schlussfolgerungen aus dem Skandal um Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: die Treberhilfe Vielen Dank, Herr Senator! – Sie haben eine Nachfrage? Antrag der CDU Drs 16/3065 – Bitte, dann haben Sie jetzt die Gelegenheit! in Verbindung mit Mieke Senftleben (FDP): Herr Senator! Ich habe eine Nachfrage. Wir alle wissen: lfd. Nr. 43: Wenn eine Auszeit im Rahmen eines Sabbatjahr genom- a) Antrag men wird, finden das eigentlich alle prima und bedingt Mehr Transparenz und Wirksamkeit bei das nicht unbedingt einen Karriereknick. Anders ist es bei der Vergabe öffentlicher Mittel (I) – der Familienarbeit oder der Elternzeit. Sehen Sie nicht soziale Maßnahmen und Projekte öffentlich hier die Notwendigkeit, hier umzudenken? Zumindest aus ausschreiben! der Theorie wissen es einige hier im Haus: Familienarbeit hat weder etwas mit Ferien noch mit Urlaub zu tun. Dort Antrag der FDP Drs 16/3072 erwirbt man andere Kompetenzen, die durchaus auch für b) Antrag den Beruf wichtig und notwendig sind, sprich: Ist es hier nicht sinnvoll, einmal umzudenken, gerade beim Stich- Mehr Transparenz und Wirksamkeit bei der wort Sabbatjahr? Vergabe öffentlicher Mittel (II) – erster Träger- und Projekteatlas für Berlin, jetzt! Wer, wie viel, von wem, wofür? Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Antrag der FDP Drs 16/3070 Herr Senator Wolf, bitte!

in Verbindung mit Bürgermeister Harald Wolf (Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen): Dringlicher Antrag Ich stimmte Ihnen zu, dass das kein Karrierehinderungs- Erste Konsequenzen aus dem Treberhilfeskandal: oder Karriereknickgrund sein darf und sein sollte. rechtliche Änderungen sind notwendig

Antrag der Grünen Drs 16/3087 Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Der zuletzt genannten Dringlichkeit wird offensichtlich Vielen Dank, Herr Senator Wolf! – Die Fragestunde ist nicht widersprochen. für heute erledigt. Für die gemeinsame Besprechung bzw. Beratung steht Ich rufe nun auf den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn lfd. Nr. 3: Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufge- teilt werden können. Es beginnt die SPD-Fraktion. – Frau Aktuelle Stunde Radziwill hat das Wort. – Bitte sehr! Transparenz und Kontrolle der Arbeit sozialer Unternehmen und Einrichtungen Ülker Radziwill (SPD): Antrag der Linksfraktion und der SPD Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Her- ren! Ich beginne meine Rede mit einer Strophe aus dem in Verbindung mit Gedicht „Lob des Lernens“ von Bertolt Brecht:

Scheue dich nicht, zu fragen, … Lass dir nichts einreden,

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Ülker Radziwill Sieh selber nach! Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Was du nicht selber weißt, Herr Mutlu! Sie gestattet die Zwischenfrage nicht. Wir Weißt du nicht. bitten Sie vom Präsidium aus, Ihre Gestik in den Griff zu Prüfe die Rechnung, bekommen! Du musst sie bezahlen.

Lege den Finger auf jeden Posten, Frage: wie kommt er hierher? Ülker Radziwill (SPD): Du musst die Führung übernehmen. Die gute Arbeit von vielen Mitarbeiterinnen und Mitar- [Beifall – Mieke Senftleben (FDP): Guter Mann!] beitern bei einer Vielzahl von Trägern, Organisationen und Verbänden darf nicht unter Generalverdacht gestellt Die Botschaft dieser Zeilen gilt für das gesamte Parla- werden. Jede Umsteuerung in diesem Sektor bedarf einer ment, den Senat, die Bezirke, die Stadträte, die Verant- gründlichen Prüfung und muss in Absprache mit den wortlichen bei den vielen Einrichtungen, Unternehmen, wichtigen Akteuren erfolgen. Voreiliges Handeln ist hier Organisationen und Trägern insbesondere auch im Be- nicht angebracht. reich Soziales.

Der Fall Treberhilfe zeigt, dass im Bereich der entgeltfi- Genau das wollen die Menschen in dieser Stadt: dass die nanzierten Leistungen die Kontrollen zwingend verbessert Verantwortlichen ihrer Verantwortung auch gerecht wer- werden müssen, etwa bei den Kostensätzen oder Entgel- den und ihre Arbeit ordentlich machen. Dafür kann auch ten für soziale Dienstleistungen, auf die Menschen nach angemessen vergütet werden. Die Menschen in dieser den Sozialgesetzbüchern I bis XII einen individuellen Stadt wollen nicht den Populismus der Opposition, wie er Rechtsanspruch haben, zum Beispiel in den Bereichen sich uns heute von Frau Pop von den Grünen oder von Pflege, Hilfen zur Erziehung oder Betreuungsleistung – Herrn Meyer von der FDP darstellte. Denn Sie, meine um nur einmal diese Dimensionen darzustellen. Damen und Herren von der Opposition, reden diese Stadt und die Leistung der Menschen schlecht. Das lassen wir Ich frage mich an dieser Stelle: Wo waren denn die Stadt- nicht zu! räte der verschiedenen Oppositionsparteien, die auch bei [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – der Kontrolle ihren Beitrag leisten müssen? Wo war bei- Özcan Mutlu (Grüne): Das ist doch Quatsch! – spielsweise die Sozialstadträtin in Tempelhof- Weitere Zurufe] Schöneberg, wo ja auch die Treberhilfe sehr aktiv war? Es ist schon verwunderlich, dass die CDU-Fraktion zu- Wo hat Frau Klotz von den Grünen dort „Halt, hier schau’ sammen mit der FDP dieser Debatte heute nicht zuge- ich nach, hier schau’ ich auf die Rechnung!“ gesagt? Wo stimmt hat. Hat nicht Herr Hoffmann von der CDU vor hat zum Beispiel der CDU-Stadtrat für Soziales aus Steg- wenigen Wochen am lautesten nach mehr Kontrollen litz-Zehlendorf „Halt!“ geschrieen? Da zeigt der Fall der geschrieen? Gerade die Forderungen der FDP, etwa mit Treberhilfe, dass viele miteinander aufpassen und sich oft ihrem heutigen Antrag, führen zu mehr Kontrollen. Sie konsultieren müssen. aber schreien auf der anderen Seite nach Entbürokratisie- rung. Das passt auch nicht zusammen. Aus dem Fall der Treberhilfe e. V. und der gGmbH müs- sen wir alle einige Dinge lernen und verändern. In aller [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Vorsicht: Bei der Konstruktion einer gemeinnützigen Zur FDP-Fraktion noch eine Anmerkung: Ich kann Herrn GmbH, die nicht klar zwischen Entscheidung und Kon- Lehmann verstehen, dass er bei dieser Partei der sozialen trolle trennt, bei der Aufsichtsorgane fehlen oder ihnen Kälte nicht mehr sein will. Sie stellen die gesamte Sozi- Rechte und faktische Möglichkeiten der Intervention alwirtschaft völlig auf den Kopf und in Zweifel. fehlen, bestehen leicht Risiken für zweifelhaftes Ge- schäftsgebaren. Das muss unterbunden werden. Die For- [Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)] derung nach mehr Kontrolle muss nicht nur präziser in Herr Lehmann ist uns in der SPD-Fraktion herzlich will- dem Sinne gemacht werden, wer, wen oder was kontrol- kommen. liert werden soll, sondern die Dichte der lange vorhande- nen Kontrollmöglichkeiten muss einbezogen werden. Hier [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] zum Beispiel bei: Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Erstens: Bei Zuwendungen wird nach gegenwärtigem Entschuldigen Sie, Frau Radziwill! Gestatten Sie eine Zuwendungsrecht im Rahmen der Verwendungsnachwei- Zwischenfrage von Herrn Mutlu? se und darüber hinaus äußerst intensiv geprüft. Der deut-

sche Verein für öffentlich-private Fürsorge hat beispiels- Ülker Radziwill (SPD): weise vor kurzem Vorschläge zur Modernisierung und Nein! Entbürokratisierung des Zuwendungsrechts gemacht. Hier sollte sich Berlin nicht abkoppeln, sondern einbringen.

Zweitens: Im gesamten Entgeltbereich werden vom Land Berlin mit den Leistungserbringern Leistungs-, Ver-

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Ülker Radziwill gütungs- und Prüfungsvereinbarungen geschlossen. Diese Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen, zeitnahe Verwen- müssen ordentlich geprüft werden. dung der Überschüsse.

Drittens: Im Bereich der Leistungserbringung werden für Drittens: Effektivierung der Prüfungsvereinbarungen im jeden leistungsberechtigten Klienten mehrseitige Ent- Entgeltbereich: Hier ist noch viel zu tun. wicklungsberichte geschrieben, die von den Fallmanagern der Bezirksämter geprüft werden können. Wurden sie Viertens: Steuerung der Ausgaben- und Angebotsstruktur geprüft? in Jugendhilfe, Pflege und Behindertenhilfe.

Viertens: Zwischen der Senatsverwaltung für Soziales, Ratsam ist auch, mehr Transparenz beim Leistungsge- den Bezirken und Leistungserbringern gibt es im Entgelt- schehen in Berlin durch Einführung eines echten Bench- bereich eine bemerkenswerte Begegnungsdichte. Allein markings zwischen den Bezirken zu schaffen. – Ich danke die „Kommission nach Paragraph 75“, in der für den Ihnen für die Aufmerksamkeit! Entgeltsektor Leistungen und Entgelte mit allem Drum- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] herum erörtert werden, kommt jährlich sechs- bis zehnmal zusammen. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Fünftens: Kein Leistungserbringer kann in dem System der Entgelte beim sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis Vielen Dank, Frau Abgeordnete Radziwill! – Ich darf die auch nur einen einzigen Kunden gewinnen, ohne dass ein Fotografen dort oben noch einmal darauf hinweisen, dass Vertreter des Landes Berlin, zum Beispiel über die MDK, Sie mit Ihren Kameras bitte etwas nach hinten treten und zustimmend mitwirkt, beispielsweise die Fallmanager in nicht die Tische der Abgeordneten fotografieren. Mir ist den Bezirken, beim sozialpsychiatrischen Dienst, beim das aus den Reihen der Abgeordneten so mitgeteilt wor- Arzt, in der MDK und so weiter. den, und ich bitte Sie, das zu beachten! – Jetzt hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Hoffmann das Wort. – Sechstens: Die Forderung nach Kontrolle und Transpa- Bitte sehr! renz zieht also auch Felder, in denen die mit Überwa- chung befugten Behörden und Institutionen mit einem Gregor Hoffmann (CDU): Vollzugsdefizit zu kämpfen haben oder aus anderen Gründen die gesetzlich oder vertraglich vorgesehenen Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Radzi- Überwachungsmöglichkeiten nicht nutzen. will! Als Sie versucht haben, uns zu erklären, dass es ein normaler Vorgang sei, wenn der ehemalige SPD- Siebtens: Eine Stadt wie Berlin muss nachhaltig auf die Abgeordnete Ehlert um die 35 000 Euro im Monat ver- Entwicklung ihrer Sozialausgaben achten, sich und andere dient, war ich schockiert von Ihrer Aussage. zu Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichten. Nicht [Beifall bei der CDU – so sehr Kontrolle, sondern aktive Steuerung ist hier ge- Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Haben Sie fragt, und Umstrukturierungen sind dabei das Gebot der wieder nicht zugehört, Herr Hoffmann?] Stunde, gerade aus fiskalischer Sicht. Umfangreichste Es geht schon lange nicht mehr nur um den einsamen Teile der rund 2,2 Milliarden Euro starken Ausgaben, die Maserati, sondern um die Verschwendung von Steuergel- Berlin hier macht, sind Ausdruck einer Mischung aus dern, um Selbstbedienung unter dem Mantel der Gemein- Unter- und Überversorgung. nützigkeit und auch um Filz, wie es der „Berliner Kurier“

titelt. Welch ungeheurer Flurschaden durch den ehemali- Die öffentliche Diskussion um die Vorgänge zeigt, wie gen SPD-Abgeordneten und Geschäftsführer der Treber- ein herkömmliches fürsorgestaatliches Denken noch stär- hilfe hinsichtlich der sozialen Arbeit in Berlin angerichtet ker ausgeprägt ist als das Verständnis für moderne Sozi- worden ist, ist noch gar nicht abzusehen. alwirtschaft mit ihren Zielen der Problemlösung für viele

Menschen und zum Nutzen unserer Gesellschaft. Doch neben den materiellen Schäden gibt es jetzt schon

weitreichende ideelle Kollateralschäden, die meiner Mei- Welche Konsequenzen müssen wir daraus ziehen? Zum nung nach von großer Bedeutung und Langzeitwirkung einen: gemeinsam mit der Liga der Wohlfahrtsverbände sind. Dazu gehört, dass in kürzester Zeit der Ruf der vie- vereinbaren, wo mehr Transparenz sinnvoll ist, auch in len seriösen sozialen Dienstleister gleich mit ruiniert Ansehung der privaten gewerblichen Anbieter. Wir be- wurde, das Vertrauen vieler Menschen in die Träger sozi- grüßen den Transparenzkodex, die Vereinbarung darüber aler Arbeit in den letzen Wochen rapide geschwunden ist muss noch stärker verpflichtend eingesetzt werden. und das Zutrauen vieler Berlinerinnen und Berliner in den

Staat, Selbstbedienung und Verschwendung von öffentli- Zweitens: Die Stärkung der Binnenkontrolle bei den Trä- chen Geldern Einhalt gebieten zu können, zurzeit gegen gern, Trennung von Entscheidungs- und Kontrollorganen, Null tendiert. Qualifizierung der Mitglieder in Aufsichtsräten, Stärkung des Finanzamts für Körperschaften zur Überprüfung der [Beifall bei der CDU]

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Gregor Hoffmann Diese Vertrauenskrise hat der Senat durch sein kritikwür- empörenden Entwicklungen bei der Treberhilfe gekom- diges Verhalten selbst verschuldet, denn es mangelt an men. Transparenz bei der Mittelvergabe Verwaltung, und es [Beifall bei der CDU] mangelt seit Jahren am notwendigen Finanzcontrolling. Routinekontrollen hinsichtlich der Vertragserfüllung und Wir fordern deshalb den Senat auf, aus seinem eigenen der vereinbarten Dienstleistungen sind weitgehend unbe- Versagen endlich vor allem die richtigen Schlussfolge- kannt, und selbst auf wiederholte Verdachtsmomente rungen zu ziehen und aktiv Verantwortung zu überneh- wegen Unwirtschaftlichkeit oder sonstiger Mängel wird men. Dazu gehört, umgehend den noch geltenden Rah- nicht reagiert, auch wenn – wie bei der Treberhilfe oder menvertrag nach § 79 SGB XII gemeinsam mit den Ver- jetzt, bei Independent Living – diese seit langem presseöf- bänden zu überarbeiten und wirksame Kontrollmecha- fentlich sind. Dieser unhaltbare und skandalöse Zustand nismen, wie zum Beispiel anlassbezogene Prüfungen, zu muss umgehend geändert werden, denn Experten vermu- verabreden. Unerlässlich für mehr Transparenz sind unse- ten, dass die Treberhilfe nur die Spitze des Eisbergs sei. rer Ansicht nach auch Pflichten der Träger zur Veröffent- Neueste Meldungen scheinen dies zu bestätigen. lichung etwa der Besetzung der Geschäftsführung, des Aufsichtsrates, der Mitarbeitervertretung, der Gehälter Während sich die sozialen Träger bzw. Dachverbände und Löhne sowie der Darstellung des Jahresüberschusses bereits öffentlich dazu bekannt haben, ihrer Verantwor- und seiner Verwendung und eines standardisierten Jah- tung zu mehr Transparenz verstärkt nachkommen zu resberichts. wollen, sieht der rot-rote Senat in seinem eigenen Verhal- ten immer noch keine Fehler. Er verdrängt, dass er durch Doch was für das Vertragsrecht gilt, muss dem Grunde mangelnde Kontrolltätigkeit und durch Untätigsein erst nach auch für den Zuwendungsbereich gelten. Hier riecht ein System ermöglicht hat, in dem persönliches Fehlver- es insbesondere im Bereich der vielen Sonderprogramme halten wie das des benannten SPD-Abgeordneten Ehlert geradezu nach Willkür und Vergabe der Mittel nach Ge- jahrelang ungehindert blühen und gedeihen konnte. sinnung. Eine echte nachvollziehbare Kontrolle gibt es bisher nur beim Liga-Vertrag. Es ist auch kein Geheimnis, [Beifall bei der CDU] dass das Parlament nicht genügend informiert, sondern in Aus diesem Grund ist dieser Senat mit verantwortlich für diesen Fragen in erster Linie zur Kopfnickerbrigade des die Misswirtschaft in diesem Bereich, und das seit mehre- Senats degradiert wird. Meine Fraktion jedenfalls will ren Jahren. Es ist ja nicht so, dass wir gestern einen Re- sich das nicht länger bieten lassen. Deshalb fordern wir gierungswechsel hatten, sondern Sie haben zehn Jahre mehr Transparenz ein. Regierungszeit auf dem Buckel, und dafür tragen Sie die [Beifall bei der CDU und der FDP – Verantwortung. Vereinzelter Beifall bei den Grünen] [Beifall bei der CDU – Berlin hat viele Probleme und viel zu viele, um sich Vereinzelter Beifall bei der FDP] Intransparenz, mangelnde Kontrolltätigkeit und Steuer- Und wenn dann noch – wie schon so oft – geradezu in geldverschwendung des Senats noch länger leisten zu dreister Weise versucht wird, die Verantwortung für die können. Deshalb brauchen wir Konsequenzen und klare Berliner Fehlentwicklungen dem Bund zuzuschieben, Beschlüsse. Darum bringen wir auch entsprechende An- dieser habe die Blackbox gemeinnütziger Dienstleister träge ein. – Vielen Dank! gewollt, Kontrollrechte des Senats gebe es nicht, sie wür- [Beifall bei der CDU] den geradezu durch Bundesrecht verhindert – diese Un- verfrorenheit und bewusste Irreführung der Öffentlichkeit ist reine Ablenkung und zeigt nur das deutliche Versagen Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: dieses Senats. Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmann! – Für die [Beifall bei der CDU und der FDP] Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Breitenbach das Nach SGB VIII, XI und XII sind Rahmenverträge mit den Wort. – Bitte sehr! Verbänden für den Abschluss von Verträgen mit sozialen Dienstleistern vorgeschrieben. Dort können sehr wohl Elke Breitenbach (Linksfraktion): Überprüfungsgrundsätze sowie Inhalte und Verfahren zur Wirtschaftlichkeit wie auch eine angemessene Vergütung Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und des Personals hineingeschrieben werden. Es ist sogar Herren! Wir reden hier nicht über normale Vorgänge – möglich, die einzelnen Kostenpauschalen aufzugliedern, das hat Frau Radziwill auch nicht so gesagt –, wir reden – um mehr Transparenz in die Verwendung der Finanzmit- davon können wir seit gestern ausgehen – von Untreue. tel zu bringen. Es gibt also aus dieser Hinsicht keine Ver- [Dr. Andreas Köhler (SPD): Vom Verdacht bote, wie hier suggeriert wird. Hätte der Senat diese der Untreue!] Grundsätze beherzigt und wäre er manchen Hinweisen gefolgt, die durch Presse, Gewerkschaften und Beschwer- Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Treberhilfe. den von Einzelpersonen vorgebracht wurden, sowie den Die Presse berichtet von weiteren Skandalen. Auch hier Mitteln und Möglichkeiten gefolgt, die selbst der geltende müssen die jeweils zuständigen Verwaltungen prüfen, Rahmenvertrag bereits enthält, so wäre es nicht zu diesen

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Elke Breitenbach was an den Vorwürfen dran ist, notfalls auch hier mithilfe Jetzt komme ich zu dem Bereich der Entgelte. Er ist etwas der Staatsanwaltschaft. schwieriger. Unter ihn fällt auch die Treberhilfe. Es geht hier auch um weitaus mehr Geld als im Zuwendungsbe- CDU und FDP unterstellen nun dem Senat – Herr Hoff- reich. Richtig, Herr Hoffmann, hier schließt der Senat mit mann hat es schon gemacht, ansonsten geht es auch aus dem Träger Rahmenvereinbarungen über die zu erbrin- den Anträgen hervor – Verschleierung, und der stellver- gende Dienstleistung und über die Entgelte ab. tretende Vorsitzende der CDU, Heilmann, redet von Sumpf. Über die Festlegung der Höhe der Entgelte gibt es bun- [Mieke Senftleben (FDP): Natürlich! Nur!] desweit gültige Kriterien. Der Senat hat keinen Einfluss auf die Aufteilung dieser Entgelte, das heißt, er kann eben Nun, meine Damen und Herren der CDU, mit Sumpf und nicht bestimmen, ob die Beschäftigten tariflich bezahlt Verschleuderung von öffentlichen Geldern kennen Sie werden oder ob das Geld für Rücklagen verwendet wird. sich gut aus, aber Ihr Vorwurf gegen Rot-Rot ist Fakt – ist Und er hat eben auch nicht das Recht, Einblick in die falsch. Unterlagen zu nehmen. Selbst wenn es bei der Leistungs- [Beifall bei der Linksfraktion, der CDU und der FDP – erbringung zu Qualitätsmängeln kommt, kann er nicht Gelächter bei der CDU und der FDP – automatisch die Unterlagen prüfen. Mario Czaja (CDU): Ihre Sprache verrät Sie!] [Gregor Hoffmann (CDU): Da hätte man Faktisch können Sie das an den Gesetzen sehen. Herr den Vertrag ändern müssen!] Hoffmann, da bitte ich Sie, die Gesetze noch mal genau Darin liegt das Hauptproblem eines Controllings. nachzulesen. Dort wird nämlich deutlich, dass wir zwi- schen Zuwendung und Entgelten unterscheiden müssen. [Beifall bei der Linksfraktion – Ich sage das hier noch einmal, weil es nach wie vor kun- Gregor Hoffmann (CDU): Das Hauptproblem terbunt durcheinandergeht – nicht nur hier, aber auch hier. liegt in der Vertragsgestaltung!] Staatliche Zuwendungen werden auf Antrag gewährt. – Hören Sie mir doch zu, ich haben Ihnen doch auch Dabei muss eine Sachbegründung und ein Finanzplan zugehört. – Dafür trägt jetzt eben nicht der Senat von vorgelegt werden. Es sind Projekte gegen Rechtsextre- Berlin die Verantwortung, das ist auch keinem Schlendri- mismus, Frauenprojekte oder auch die Projekte der Liga- an in Berlin geschuldet, es ist auch kein Sumpf, das ist die Verträge, die diese Zuwendungen erhalten. Diese Gelder Bundesgesetzgebung, müssen auf den Cent genau abgerechnet werden. Man [Mieke Senftleben (FDP): Ah ja!] kann also davon ausgehen, dass eine anderweitige Nut- zung hier nicht möglich ist, es sei denn, man wählt den und die finden Sie in der unterschiedlichsten Sozialge- illegalen Weg. setzgebung. [Gregor Hoffmann (CDU): Ablenkung!] Inwieweit das Controlling hier verbessert werden muss, sollte man prüfen. Dazu hat die CDU auch einen Antrag Es gab deshalb bei der Treberhilfe den Aufsichtsrat. Der vorgelegt. Er beschäftigt sich ausschließlich mit dem hatte die Aufgabe, Aufklärung zu leisten und Transparenz Personalbedarf in den Verwaltungen. Ob in diesem Be- zu schaffen. Dann, meine Damen und Herren, ist es aus- reich tatsächlich ein weiterer Personalbedarf besteht, wird gesprochen befremdlich, wenn sich in diesem Aufsichts- davon abhängen, welche Aufgaben die Verwaltungen hier rat keine Mehrheit findet, um für die notwendige Aufklä- zu erledigen haben. rung zu sorgen. [Uwe Goetze (CDU): Endlich zu kontrollieren!] [Beifall bei der Linksfraktion] Und das bedarf einer tieferen Diskussion über die Arbeits- Noch befremdlicher ist es – weil das bei diesem Thema ja teilung etwa zwischen Verwaltungen und Liga- eine enorm wichtige Rolle bei der Opposition spielt, wer Verbänden. Dann muss man das entscheiden. Aber wir welche Parteimitgliedschaft hat –, dass diese Aufsichts- werden darüber noch genauer diskutieren. – Auf jeden ratmehrheit an der Stimme von Herrn Lobbedey von der Fall kann man davon ausgehen, dass im Zuwendungsbe- CDU scheiterte. reich ein hohes Maß an Transparenz herrscht. [Beifall bei der Linksfraktion – [Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der SPD] Gregor Hoffmann (CDU): Der ist doch gar kein Mitglied mehr bei uns!] Auf den Internetseiten der Senatsverwaltung für Soziales finden Sie eine Datenbank, wo Sie alle Projekte abrufen Jetzt fordern Sie in Ihrem Antrag vom Senat einen umfas- können, wo Ihnen aufgezeigt wird, wie viele Gelder sie senden Bericht über die Entwicklung bei der Treberhilfe. bekommen und wofür sie diese Gelder bekommen. Meine Dazu kann ich nur sagen: Fragen Sie Herrn Lobbedey, der Damen und Herren von der FDP! Vielleicht gucken Sie kennt die Akten und er hat den Untersuchungsbericht! noch mal und entscheiden dann, ob Sie Ihren Auftrag über [Gregor Hoffmann (CDU): Wollen wir einmal einen Projekteatlas aufrecht erhalten. zwischen Verantwortung in einer gGmbH und bei der Vertragsgestaltung unterscheiden!]

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Elke Breitenbach Wenn der Senat Ihrem Anliegen nicht nachkommen kann Geschäftsführer und der Beschäftigten offenlegen. Man – Sie können sich melden und eine Frage stellen, aber so muss feststellen, dass sich schon jetzt viele sozialen Ver- wird das nichts –, dann, Herr Hoffmann, beschweren Sie eine der öffentlichen Kontrolle stellen und die Unterlagen sich bei Herrn Kohl und der damaligen schwarz-gelben offenlegen. Jetzt sind aber alle gefordert. Wer das nicht Bundesregierung! tut, der sollte Sanktionen befürchten müssen. Wir müssen [Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] weiterhin prüfen, inwieweit wir Mindeststandards und Transparenz in die Verträge aufnehmen können. Das hat Die haben nämlich der 90er-Jahre den Sozialbereich Herr Hoffmann bereits gesagt, in der Frage gibt es keinen für den freien Wettbewerb geöffnet, Dissens. [Gregor Hoffmann (CDU): Zum Glück!] Zu guter Letzt müssen wir prüfen, wie es mit der Arbeit und damit einher ging die Übertragung des wirtschaftli- der Treberhilfe weitergeht, vor allem im Fall der Insol- chen Risikos an die Träger, venz. Die scheint jetzt nicht mehr unbedingt ausgeschlos- [Mario Czaja (CDU): Sie leben davon sen zu sein. Dann brauchen wir eine Lösung. Wir brau- doch ganz gut!] chen eine Lösung für diejenigen, die von der Treberhilfe betreut werden, die auf diese Hilfe weiterhin angewiesen damit einher ging auch, dass sie Rücklagen bilden durf- sind und wir brauchen eine Lösung für die Beschäftigten, ten, die eine gute Arbeit geleistet haben. Denn darüber hat es [Gregor Hoffmann (CDU): Zum Glück!] keine Beschwerden gegeben. – Vielen Dank! und die Gewinnspanne wurde nicht begrenzt. Und kon- [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] trollieren darf man eben auch nicht mehr so einfach. [Gregor Hoffmann (CDU): Das ist falsch!] Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Der Markt wird es schon regelt. Der Markt regelt es aber Vielen Dank, Frau Abgeordnete Breitenbach! – Für eine nicht. Kurzintervention hat jetzt Herr Abgeordneter Hoffmann [Beifall bei der Linksfraktion – das Wort. – Bitte schön! Vereinzelter Beifall bei der SPD] [Senatorin Carola Bluhm: Kenntnis Deshalb brauchen wir bundesgesetzliche Änderungen, die der Bundesgesetze bitte!] Kontrolle ermöglichen und Mindeststandards auch für die Beschäftigten garantieren. Die Senatorin hat schon eine entsprechende Bundesratsinitiative angekündigt. Die Gregor Hoffmann (CDU): Grünen zeigen mit ihrem Antrag, dass sie das unterstüt- Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ja, die Kenntnis der zen. Sie würden gut daran tun, sich bei Ihren Parteifreun- Bundesgesetze scheint Ihnen noch nicht so ganz gegen- den auf den Regierungsbänken im Bundestag dafür stark wärtig zu sein. Die Regelungen, die Sie treffen, gelten zu machen. hier, das ist Ihr Rahmenvertrag, den Sie mit der Liga [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] geschlossen haben. Der bildet die Grundlage. Die bun- desgesetzliche Regelung verbietet keine Kontrolle und Und trotzdem finde auch ich, dass wir auf Landesebene verbietet keine Transparenz. Konsequenzen ziehen müssen. Wenn der Handlungsrah- men hier auch relativ eng ist, glaube ich doch, dass es [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das hat Möglichkeiten gibt. Sie von der FDP und der CDU schla- sie doch gar nicht gesagt! Das ist infam!] gen die öffentliche Ausschreibung vor. Ein Blick in die Das ist es, worum es hier geht. Gesetze zeigt, dass das nicht möglich ist. Ein Träger, der entgeltbasierte Leistungen anbietet und fachliche Kompe- [Beifall bei der CDU und der FDP] tenz mit sich bringt, hat einen Anspruch auf einen Rah- Es geht auch nicht um die Frage, menvertrag. Ehrlich gesagt, alles andere würde der Ideo- logie der fast völligen freien Marktöffnung – das ist Ihre [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Es ist Ideologie, nicht meine – auch wirklich zuwiderlaufen. infam, was Sie da machen!] ob die CDU für den Markt ist. Ja, wir sind für einen Was die Ausschreibung angeht, Markt, und das ist auch richtig so. [Zuruf von Oliver Schruoffeneger (Grüne)] [Zurufe von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion), möchte ich noch auf einen Punkt verweisen: Eine Aus- Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) und schreibung bedeutet nicht automatisch ein besseres Cont- Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] rolling. Der Markt regelt es auch hier nicht. Dafür brau- Dieser Markt sichert Qualität und Transparenz. chen wir gesonderte Regelungen. Wir brauchen eine [Beifall bei der CDU und der FDP – Transparenzoffensive in der sozialen Arbeit. Das können Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): wir in Berlin angehen, da sind die ersten Schritte gegan- Erzählen Sie das Ihren Leuten im Aufsichtsrat! gen worden. Die Träger sollen die Gehaltsstrukturen der Sprechen Sie mit Lobbedey!]

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Gregor Hoffmann Das ist genau das, was er schafft. Er schafft Wirtschaft- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: lichkeit, und er schafft Qualität. Deshalb konnte sich die Vielen Dank Frau Abgeordnete Breitenbach! – Für die Leistung auch entsprechend verbessern. Was Sie wollen, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeord- ist noch mehr Wischiwaschi, nete Villbrandt das Wort. – Bitte sehr! [Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] weil Sie sich mit Controlling und Finanzen nicht ausken- Jasenka Villbrandt (Grüne): nen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! [Beifall bei der CDU und der FDP] Seitdem ich hier Abgeordnete bin, erlebe ich zum ersten Das ist Ihr politisches Manko. Das ist genau die Fehlein- Mal, dass die SPD-Abgeordneten im Fall der Treberhilfe schätzung, mit der Sie auf den Bund zeigen. so zurückhaltend und still die Angriffe der Opposition hinnehmen. Sie haben auch genug Gründe dafür. Denn [Beifall bei der CDU und der FDP – das System Ehlert hat nur durch ein SPD-Netzwerk über- Zurufe von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion) haupt so funktionieren können. und Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] [Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Uns ist es nicht entgangen, dass der frühere Geschäftsfüh- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: rer der Treberhilfe an Plenartagen häufig den Vorraum Vielen Dank! – Frau Breitenbach hat jetzt das Wort zur vom Casino in Beschlag genommen und die Personen, die Erwiderung. – Bitte sehr! für seine Arbeit wichtig sind, abgefangen hat. Die Frage lautet jetzt, verehrte Abgeordnete der SPD, was machen Sie, um diesen Fall richtig aufzuklären und andere, ähnli- Elke Breitenbach (Linksfraktion): che Fälle zu verhindern? Ihre Kenntnis über Finanzen und Controlling konnte man [Gregor Hoffmann (CDU): Ich habe gehört, in dieser Stadt sehr lange beobachten, und das spricht für die SPD will Villen in Caputh kaufen!] sich. Nach unserer Kenntnis ist der Fall Treberhilfe in seiner [Beifall bei der Linksfraktion – Ausprägung bislang noch ein Einzelfall. Aber dieser Ein- Zuruf von Frank Henkel (CDU)] zelfall zwingt uns, darüber zu sprechen, was hier in Berlin Was war denn das Problem bei der Treberhilfe? – Der schief gegangen ist und darüber, welche Strukturen diesen Senat hatte eben keinen Einblick in alle Geschäftsunterla- Fall ermöglicht haben. gen. Natürlich stellt der Fall Treberhilfe unsere heutige Steue- [Gregor Hoffmann (CDU): Weil er die rung der sozialen Dienstleistungen auf den Prüfstand. Wir Verträge so schlecht gemacht hat!] streiten oft bei Haushaltsberatungen um wenige Tausend Das wäre aber nötig gewesen, um eine Aufklärung her- Euro, und in diesem Fall landen unglaubliche Summen beizuführen. Deshalb kommt jetzt die Staatsanwaltschaft. von Geldern, die für die Ärmsten der Gesellschaft vorge- sehen sind, in den Taschen von Personen, die im Sozial- [Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)] bereich die Verantwortung nicht übernehmen dürften. – Ja, Frau Knake-Werner, Herr Dane und andere saßen im [Beifall bei den Grünen] Aufsichtsrat. Frau Knake-Werner und Herr Dane wollten die Aufklärung. Frau Knake-Werner und Herr Dane ha- Die Akteure der Treberhilfe machen uns Parlamentarier ben dafür gestimmt. Herr Lobbedey von der CDU hat lächerlich und das soziale Engagement und Gewissen zur dagegen gestimmt. Farce. Das macht mich und viele Menschen in diesem Land richtig sauer. [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] [Beifall bei den Grünen – Damit gab es keine Mehrheit für diese Aufklärung. Mieke Senftleben (FDP): Wütend!] [Gregor Hoffmann (CDU): Zwei zu eins Frau Senatorin Bluhm! Dieser Fall ist nicht Ihr persönli- ist ja wohl eine Mehrheit!] cher Fehler, aber die Aktivitäten, die Sie jetzt gestartet Ein letzter Satz, Herr Hoffmann: Es nützt nichts, wenn haben, hätte Ihre Vorgängerin, Frau Knake-Werner, vor Sie immer schreien. Es gibt Kriterien für die Rahmenver- zwei Jahren anpacken müssen und sich nicht auf die an- einbarung, und an diesen, die bundesweit gültig sind, gebliche Seriosität des SPD-Mitglieds Harald Ehlert ver- kann man nicht vorbei. Ich stimme Ihnen aber noch ein- lassen dürfen. mal zu: Die Transparenz verbessern wir jetzt mit der [Beifall bei den Grünen – Transparenzoffensive. Das ist nötig, richtig und gut so. Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Mieke Senftleben (FDP): Aber hallo!] Aber jetzt geht es um mehr als allein um die Aufklärung dieses Skandals. Dass Sie, Frau Senatorin, entgegen unse- rer Entscheidung im Parlament jetzt die Geschäftsbe-

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Jasenka Villbrandt sorgung für den Ligavertrag ausschreiben wollen, werten ad personam Günter Rexrodt, denn – so die Senatorin – wir als Ablenkungsmanöver, denn das hat mit der Tre- der ehemalige Wirtschaftsminister Günter Rexrodt habe berhilfe wirklich nichts zu tun. die Finanzierung von Sozialleistungen über Kostensätze eingeführt. Genau diese Umstellung habe dann die dubio- Berlin leidet an einer ernsthaften Krankheit. Für unsere sen Machenschaften des SPD-Ehlert und seiner Berliner Stadt, für unsere Bezirke, für unsere Sozialräume gibt es Treberhilfe erst ermöglicht. weder eine gute Bedarfsanalyse noch gute Sozialpläne. [Christoph Meyer (FDP): Da muss man Aus zum Teil sehr präzisen Berichten über die Entwick- wirklich in einer anderen Welt leben!] lung der Sozialräume folgt nämlich keine dezidierte Be- darfsermittlung, geschweige denn eine Planung oder Kon- Nun verhindere diese Kostenfinanzierung Transparenz trolle. Dabei sind soziale Ausgaben mit der größte Posten und die Kontrolle der Verwendung der zugewiesenen in unserem Landeshaushalt. Die Unterstützung von Ob- Entgelte, wie es die Opposition unisono verlangt. dachlosen bzw. das Verhindern von Obdachlosigkeit und anderen Lebenskrisen ist eine davon. Die gängige Praxis Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: von Rot-Rot, gefährdete Stadtteile zu identifizieren und dann mit zusätzlichen Finanzmitteln wie mit einem Ge- Entschuldigung, Frau Senftleben, gestatten Sie eine Zwi- schenk zu beglücken, ist kein guter Weg. schenfrage? [Beifall bei den Grünen] [Mario Czaja (CDU): Von Herrn Lehmann?] Das ist so, als ob man einem, der dabei ist, gerade zu verhungern, eine Praline reicht, statt ihm ausreichend zu Mieke Senftleben (FDP): Essen zu geben. Der Hungrige stirbt vielleicht nicht oder erst einen Tag später, er ist jedenfalls nicht satt und seine Nein, ich gestatte keine Zwischenfragen, wir können Gesundheit ist ruiniert. Wir wollen ein gesundes Berlin, gleich zu einer Kurzintervention gehen, aber keine Zwi- das mit Ressourcen sparsam, gerecht und sozial umgeht. schenfragen. Wir wollen eine soziale Infrastruktur, die den Menschen guttut und nachhaltig ist. Von Skandal zu Skandal zu Verehrte Senatorin! Wie naiv muss jemand sein, der Ih- hüpfen, haben wir jetzt genug gehabt. Das schadet inzwi- nen diese Story abnimmt? schen der gesamten Berliner Politik. [Beifall bei der FDP] [Beifall bei den Grünen – Die FPD-Fraktion ist es nicht, zumindest nicht mehr. Die Gregor Hoffmann (CDU): Genug von Rot-Rot!] Gesetzesänderung von Schwarz-Gelb hin zur Kostensatz- finanzierung war richtig. Wir wollen den Markt, der Qua- lität, Wettbewerb und Transparenz schafft. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Villbrandt! – Für die Verehrte Frau Bluhm! Von Ihnen erwarte ich im Interesse FDP-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Senftleben das der Steuerzahler mehr Ernsthaftigkeit und Aufklärungs- Wort. – Bitte! willen. Das muss ich hier deutlich sagen. [Gregor Hoffmann (CDU): [Beifall bei der FDP] Was ist denn mit Herrn Lehmann?] Dieser Wille fehlt. [Senatorin Carola Bluhm: Stimmt Mieke Senftleben (FDP): doch überhaupt nicht!] Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Das zeigte sich im Ausschuss, denn Sie haben auf konkre- Meine erste Sitzung als ordentliches Mitglied im Sozial- te Fragen überhaupt nicht konkret geantwortet. Das woll- ausschuss brachte gleich einen enormen Erkenntnisge- ten Sie nicht, vielleicht konnten Sie es nicht, das weiß ich winn für mich, an dem ich Sie teilhaben lassen möchte. nicht. Sie haben sich hinter einem grundsätzlichen, lang- wierigen und langweiligen Vortrag über die Finanzierung [Beifall bei der FDP – von Sozialleistungen versteckt. Dem Staatssekretär Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Fritsch fiel auch überhaupt nichts Besseres ein, als uns Da freuen wir uns für Sie!] über die Grundzüge des Gemeinnützigkeitsrechts und der – Genau! – Schuld an der Maserati-Affäre um die Tre- Struktur der Sozialwirtschaft zu belehren. berhilfe ist weder die Senatsverwaltung noch die SPD, [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): auch die Linke nicht, nein, schuld an diesem Skandal ist So etwas interessiert Sie nicht!] in diesem Fall die FDP, Wenn Sie von einer Blackbox der Mittelverwendung [Uwe Doering (Linksfraktion): sprechen, dann kommt das einer Kapitulation vor dubio- Genau! Sie haben es erkannt! – sen Sozialunternehmern gleich, die dreist Steuergeld ver- Beifall von Michael Müller (SPD)] brennen. [Beifall bei der FDP]

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Mieke Senftleben Frau Senatorin! Es gibt keinen Grund für Sie, den Hin- In diesem Zusammenhang erlaube ich mir die Bemer- weisen nicht nachzugehen, und Hinweise gab es. kung: Ich finde, es war keine gute Idee der Diakonie, deren Arbeit ich ansonsten wirklich schätze, gerade die Auch meine weitere Frage im Ausschuss, ob Sie andere ehemalige Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner in den Träger mit ähnlichem Geschäftsgebaren wie die Tre- Aufsichtsrat der Treberhilfe zu berufen. Gerade sie steht berhilfe kennen, blieb unbeantwortet. Aber wir wissen doch für Intransparenz und die Verschwendung öffentli- inzwischen – der RBB hat es berichtet, die Presse ist cher Mittel. heute voll davon – von weiteren solchen Trägern, die sich [Dr. Margrit Barth (Linksfraktion): Vorsicht, Vorsicht!] an den Steuergeldern gütlich tun. Hören Sie also endlich auf, scheibchenweise das einzugestehen, was längst Reali- Aber wie so oft in dieser Stadt wurde in diesem Fall die tät ist! Ziege zur Gärtnerin gemacht. [Beifall bei der FDP] [Beifall bei der FDP – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)] Transparenz und der Wille zur Aufklärung sehen anders aus, Frau Senatorin. Sorgen Sie endlich für Klarheit und Nun solle sich alles ändern. Frau Bluhm hat großartig Wahrheit! angekündigt, mithilfe von Transparency International neue Transparenzregeln für die Sozialwirtschaft zu entwi- Der Bereich der Sozialwirtschaft hat sich insbesondere ckeln. Dabei stelle ich fest, die Senatorin kündigt an, die unter Rot-Rot zu einer profitablen Branche entwickelt. FDP hat bereits geliefert, und zwar sehr schnell geliefert. Das sind Lobbyisten, wie wir sie genau nicht haben wol- [Elke Breitenbach (Linksfraktion): Was denn?] len. Ihnen liegt das FDP-Konzept vor, die Finanzströme an [Beifall bei der FDP] unterschiedliche freie Träger aus unterschiedlichen Haus- Sie sind blendend vernetzt mit den zuständigen Senats- halten offenzulegen. und Bezirksverwaltungen, den Stadträten Damit erhält die Verwaltung ein Instrumentarium, Dop- [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): pelstrukturen offenzulegen und abzuschaffen, die Ver- Welchen Stadträten?] wendung von Mitteln zu kontrollieren, Projekte zu evalu- sowie auch natürlich mit den Ihnen nahestehenden Frakti- ieren, zu optimieren oder bei Bedarf auch deren Finanzie- onen im Abgeordnetenhaus oder in den Bezirksverordne- rung einzustellen. tenversammlungen. Ich verweise hier nur auf den heuti- [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): gen Artikel im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen“ Sie haben überhaupt nicht zugehört!] zu diesem Thema. Die ganze Stadt weiß spätestens seit dem Artikel im „Tagesspiegel“ von Ende 2008, welchen Es muss endlich deutlich werden, wann von wem und mit Dienstwagen sich SPD-Ehlert gönnt, aber weder Ihre welchem Ergebnis Träger bzw. deren Projekte evaluiert Vorgängerin Knake-Werner hat es interessiert, noch rea- worden sind. gieren Sie, verehrte Senatorin Bluhm, und wenn über- [Beifall bei der FDP] haupt, dann sehr zögerlich und vage. Notwendig ist im Übrigen auch die Ausschreibung von Haben Sie sich z. B. mit dem zuständigen Finanzamt für freiwilligen Sozialleistungen, verehrte Frau Breitenbach, Körperschaften in Verbindung gesetzt, einmal nach- darum geht es uns, die verhindert nämlich, dass ein Sozi- gehakt, ob dieses Gebaren mit der Abgabenordnung alunternehmer ähnlich wie ein Vertreter von Stadtrat zu vereinbar ist? – Nein, das haben Sie nicht, Sie haben es Stadtrat geht und ihn von vielleicht nicht unbedingt vor- schluren lassen. Ihre eigene Untätigkeit begründen Sie handenen Problemen überzeugt und die passende und immer mit der Finanzstruktur, die nämlich dazu führe, teure Lösung gleich mitverkauft. dass die Verwendung der Mittel nicht kontrolliert werden [Beifall bei der FDP] könnte. Das ist für uns nach wie vor nicht nachvollzieh- bar, Das muss sich ändern, und zwar direkt.

[Beifall bei der FDP] Ein neues Stück aus dem Tollhaus: Am Dienstag hat der auch wenn Sie, Frau Breitenbach, es uns immer wieder Senat mal eben beschlossen, zusätzliche 20 Millionen weismachen wollen. Es muss nun wirklich für die Senats- Euro in sogenannte Aktionsräume plus zu pusten. Diese verwaltung, für eine Senatsverwaltung generell ein Leich- 20 Millionen Euro werden wie üblich an die üblichen tes sein, die finanziellen Verhältnisse zwischen gemein- Verdächtigen verteilt nach dem Motto: Wer zuerst nütziger Gesellschaft und eingetragenem Verein der Trä- kommt, mahlt zuerst. gerhilfe aufzudecken. Frage: Warum schaffen Sie es [Zuruf von der FDP: Unglaublich!] nicht? – Antwort: Ihnen fehlt der Wille und die Bereit- schaft zu Transparenz und Aufklärung. Aber eines kann ich Ihnen heute schon sagen: Auch der nächste Bericht von Prof. Häußermann wird konstatieren: [Beifall bei der FDP] Die prekären Strukturen haben sich trotz der zusätzlichen Mittel weiter verfestigt. – Außer Spesen nicht gewesen!

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Mieke Senftleben [Beifall bei der FDP] Hier sind Leute kreativ geworden. Das soll in solchen Mit dieser undurchsichtigen Politik und Mittelvergabe Sektoren öfter passieren. An der einen oder anderen Stelle muss in dieser Stadt endlich Schluss sein. Dafür treten wir schießt man auch mal über das Ziel hinaus. an. [Zurufe von der CDU und der FDP] [Beifall bei der FDP – Wäre eigentlich irgendetwas anders gewesen, wenn es Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): sich nicht um eine gemeinnützige GmbH, sondern bei- Fünf, sechs Prozent!] spielsweise um eine Sozialkonzernaktiengesellschaft Abschließend noch kurz zu den Anträgen der CDU- gehandelt hätte? – Da hätten Sie die Leute gelobt, wenn Fraktion: Da kann ich nur sagen, da sind wir besser. drei Maseratis gefahren werden, und als erfolgreiche Unternehmer gepriesen. So ist Ihre Theorie. [Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] [Zurufe von der CDU und der FDP] Und zu dem Antrag der Grünen, auch da sagen wir: Da stehen teilweise richtige und vernünftige Dinge drin, aber Und wenn es dann schiefläuft, dann stellen Sie sich hin Sie schießen auch an anderer Stelle über das Ziel hinaus, und schreien nach dem Staat. Das ist FDP-Politik. denn auch Ihr Antrag beschränkt sich auf Transparenz in [Christoph Meyer (FDP): Sie haben nichts gelernt!] den einzelnen Organisationen der Sozialwirtschaft. Das Im Krankenhausbereich läuft das nicht anders. Da haben reicht uns nicht. Wir brauchen Transparenz in den Fi- Sie der Deregulierung der Märkte das Wort geredet. Sie nanzbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Haus- haben genau das, Angebot und Nachfrage, gefordert. halten und politischen Entscheidungsträgern auf der einen Genau das ist dort eingeführt worden. Und die Renditen, Seite sowie den Empfängern auf der anderen Seite. die in dem Bereich auf Kosten von Krankenkassen, Steu- [Beifall bei der FDP] erzahlern u. Ä. erwirtschaftet werden, stören Sie über- Wir stellen eben nicht nur das System der Verwendung, haupt nicht. Jetzt das Jammern hier und Krokodilstränen, sondern auch das System der Vergabe von Mitteln auf das ist absolut lächerlich. den Prüfstand. [Zurufe von der FDP] [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ihre Anträge, die Sie vorgelegt haben, sind auch lächer- Sie schlagen nur Schaum!] lich. Die bringen überhaupt nichts zur Aufhellung. Liebe Verehrte Frau Radziwill! Es gilt, endlich die Spreu vom Frau Kollegin Senftleben! Es hatte ja den Charakter einer Weizen zu trennen, was diese Sozialindustrie angeht. Es Büttenrede. An der Qualität der Arbeit der Treberhilfe gibt viele freie Träger und Projekte, die gute, teilweise und vieler anderer Träger gab es überhaupt keine Bean- ehrenamtliche Arbeit leisten. Es gibt viele freie Träger standung. Die Arbeit war völlig in Ordnung. Es ist nun und Projekte, die darauf achten, mit den Mitteln sparsam mal aktien- und GmbH-rechtlich so, dass Sie sich nicht umzugehen. Diese Träger wollen wir schützen. Die einfach die Bücher jedes Unternehmens vorlegen lassen Schwarzen Schafe allerdings müssen wir identifizieren. können. Und wenn man das könnte, wäre die FDP die Dazu ist Transparenz wichtig und Kontrolle notwendig. Erste, die auf den Barrikaden stehen würde. So sieht es Im Gegensatz zum Senat haben wir entsprechende Vor- doch aus. schläge entwickelt, für die wir um Ihre Zustimmung bit- [Beifall bei der Linksfraktion – ten. – Danke! Zuruf von Christoph Meyer (FDP)] [Beifall bei der FDP] Sie können nicht die Rezepte predigen, und wenn es dann schiefläuft, im Nachhinein nach dem Arzt rufen. Das ist echt bigott. Das ist doppelzüngig. Ich sage Ihnen an der Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Stelle eines: Aufgeräumt in dem öffentlichen Unterneh- Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Das Wort menssektor in diesem Land hat Rot-Rot. zu einer Kurzintervention hat jetzt der Abgeordnete Lede- [Gelächter bei den Grünen – rer. Zurufe von den Grünen und der FDP]

Und wir werden auch in den Sozial- und Jugendsektoren Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): in diesem Land aufräumen. Wir und niemand anders Frau Präsidentin! Kollegin Senftleben! Wir hätten das stehen dafür. Und wir werden das machen. natürlich auch im Rahmen von Frage und Antwort ma- [Zurufe von den Grünen und der FDP] chen können, aber das funktionierte ja nicht. Also die liberale Theorie will genau das: Streben nach Gewinn. – Ja, ich weiß, die Grünen waren es, die für alles zustän- Markt führt dazu, dass Innovationen freigesetzt werden, dig sind. – Aber wir regieren hier, und wir haben eine Leute kreativ werden und Ähnliches. – Das sagt die FDP. ordentliche Arbeit geleistet. Wir werden das auch weiter- hin tun. [Beifall bei der FDP] [Beifall bei der Linksfraktion – Und genau das ist hier passiert. Christoph Meyer (FDP): Peinlich!] [Zurufe von der FDP und der CDU]

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Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Beschäftigte gute und wertvolle Arbeit, ob in der Kita, in Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Frau Pflegeeinrichtungen, in der Wohnungslosenhilfe, bei der Senftleben möchte antworten und hat dazu die Gelegen- Betreuung von Menschen mit Behinderung und vielem heit. – Bitte! anderen mehr. Bei all den gravierenden Problemen, die jetzt ans Licht gekommen sind, dürfen wir uns den Blick auf diese für die betroffenen Menschen und den sozialen Mieke Senftleben (FDP): Zusammenhalt der Stadt so notwendige Arbeit nicht ver- Frau Präsidentin! Verehrter Herr Kollege Lederer! Das stellen lassen. Viele der Träger und ihre Beschäftigten zum Thema Markt: Erstens müssen wir Kreativität und leisten hochprofessionelle Arbeit. Kriminalität unterscheiden. Das ist schon mal Punkt 1. [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] [Beifall bei der FDP und der CDU – Der Treberhilfeskandal und die breite öffentliche Debatte Zuruf von der FDP: Das kann Rot-Rot haben aber gleichzeitig dazu geführt, dass sich immer schon lange nicht mehr!] mehr Beschäftigte sowie Klientinnen und Klienten und Punkt 2: Unternehmen, die auf dem freien Markt tätig Angehörige bei mir und anderen melden, um auf Proble- sind, werden kontrolliert. Auch das ist wichtig. me aufmerksam zu machen. Auch das ist gut. Wir gehen diesen Hinweisen nach und versuchen zu helfen. Doch [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): das alles zeigt, es läuft etwas schief im System der sozia- Wer im Glashaus sitzt!] len Wohlfahrtspflege. Dieses System, liebe Kolleginnen Lassen Sie mich abschließend zum Thema Markt eines und Kollegen von der CDU und der FDP, haben Sie, hat sagen: Ja, wir stehen zum Markt, denn wir wissen aus der Ihre Bundesregierung unter Kanzler Kohl Mitte der langen und vor allem erfolgreichen Geschichte der sozia- Neunzigerjahre geschaffen, niemand anders. len Marktwirtschaft, sie bringt wirklich Kreativität, Wett- [Beifall bei der Linksfraktion – bewerb, Qualität und Transparenz. Vereinzelter Beifall bei der SPD – [Beifall bei der FDP – Zuruf von Christoph Meyer (FDP)] Zurufe von der Linksfraktion] „Konkurrenz statt Transparenz“ ist das Leitmotiv dieses Jetzt noch mal was zu dem Thema Qualität und Treberhil- Systems der Entgeltfinanzierung, und die unterscheidet fe: Ich weiß nicht, ob Sie es irgendwie gehört haben. sich grundlegend von der Zuwendungsfinanzierung. Das Sicher, die Treberhilfe hat zum größten Teil gute Arbeit hat die Kollegin Breitenbach gerade ausführlich darge- gemacht, stellt. Die soziale Arbeit ist seitdem endgültig marktwirt- schaftlich organisiert. Die Vereine, Träger der gemeinnüt- [Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] zigen GmbHs, aber auch privatwirtschaftliche Unterneh- aber zum Thema Qualität: Heißt es in dem Bereich: men konkurrieren um den großen Kuchen öffentlicher Stopp, Projekt stopp! –, scheint auch dieses fraglich zu Mittel im entgeltfinanzierten Bereich. Allein in Berlin sein. Dies zum Punkt 2. geht es dabei um knapp 2,3 Milliarden Euro. Grundidee ist, dass die Träger Kostensätze für die jeweiligen Leis- Lassen Sie mich zum Schluss eines sagen: Dieser Markt tungen bekommen, die mit ihnen vertraglich vereinbart ist schlicht von rot-roten Projekten geprägt. Punkt 1! sind. Diese Sätze decken dann die gesamten Kosten, z. B. die Löhne für die Beschäftigten, die Geschäftsführerge- [Christoph Meyer (FDP): Rot-Rot-Grünen!] hälter, die Sachkosten, die Unterhaltung von Immobilien. Punkt 2: Die Treberhilfe ist Lehman Brothers im Sozial- Reicht das Geld, dürfen die Unternehmen und Träger die bereich und diskreditiert eine gesamte Branche. Mehr will Überschüsse behalten. Reicht es nicht, müssen sie selbst ich dazu nicht sagen. – Vielen Dank! sehen, wie sie klarkommen. In dieses System sind Fehlan- [Beifall bei der FDP – reize eingebaut. Soziale Arbeit ist eben keine Ware. Wol- Beifall von Oliver Schruoffeneger (Grüne) len die Unternehmen höhere Überschüsse erwirtschaften, und Jasenka Villbrandt (Grüne)] müssen sie die Kosten niedrig halten. Das geht fast immer auf Kosten der Beschäftigten, nämlich über Lohndrücke- rei, über arbeitsvertragliche Tricks und sicher im Einzel- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: fall auch mal über Leistungseinschränkungen.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Für den Für die öffentlichen Haushalte hat das entgeltfinanzierte Senat hat jetzt die Senatorin für Integration, Arbeit und System den Vorteil, dass die Gesamtkosten fest kalkulier- Soziales das Wort. – Bitte sehr, Frau Senatorin Bluhm! bar sind. Aber der Preis dafür ist hoch. Der Bundesge- setzgeber hat nämlich nicht vorgesehen, dass die öffentli- Senatorin Carola Bluhm (Senatsverwaltung für che Hand die Verwendung dieser Entgelte auch tatsäch- Integration, Arbeit und Soziales): lich kontrolliert. Nur wenn sich Kundinnen oder Kunden beschweren, sogenannte Schlechtleistungen vorliegen, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selten ist die können wir als Staat eingreifen. Ansonsten gibt es als soziale Arbeit in Berlin mit so viel Öffentlichkeit beschert Prüfungsinstanzen die Finanzämter, die kontrollieren, ob worden, und das ist gut, denn hier leisten über 100 000 die gemeinnützigen Unternehmen und Vereine ihre Ü-

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Senatorin Carola Bluhm berschüsse auch tatsächlich reinvestieren. Als Ultima schäftsführungen kontrollieren. Auch dafür werden wir ratio bleibt uns noch die Staatsanwaltschaft, aber die mit der Liga die notwendigen Rahmenbedingungen schaf- können wir nur einschalten, wenn konkrete Verdachts- fen. Die Träger müssen sich verpflichten, externe Wirt- momente in Bezug auf Straftaten vorliegen. schaftsprüfer zu beauftragen, die nicht nur die Einhaltung [Andreas Gram (CDU): Die sind ja wohl da!] des Gemeinnützigkeitsrecht, sondern auch die Einhaltung des Kodexes prüfen und die Erfüllung aller Regeln testie- Im Fall der Treberhilfe war das so. Deshalb habe ich ren. Anzeige erstattet, und die Ermittlungen laufen.

Aber auch die laufenden Ermittlungen gegen das System Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Ehlert lösen nicht unser grundsätzliches Problem. Wir Entschuldigen Sie, Frau Senatorin! Gestatten Sie eine brauchen mehr Eingriffs- und Kontrollbefugnisse der Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jotzo? öffentlichen Hand – auch um die Logik der Kostensen- kungsspirale durchbrechen zu können. Senatorin Carola Bluhm (Senatsverwaltung für [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Integration, Arbeit und Soziales): Im letzten Jahr hat das Bundessozialgericht bahnbrechend Ja! geurteilt, dass bei der Festlegung der Kostensätze im Pflegebereich die tatsächlichen Personalkosten berück- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: sichtigt werden müssen. Das heißt, wenn Träger ihren Beschäftigten Tariflöhne zahlen, müssen sie die entspre- Bitte, Herr Jotzo! chenden Entgelte bekommen. Wenn sie nicht tariflich zahlen, bekommen sie auch geringere Entgelte. Damit ist Björn Jotzo (FDP): den sozialen Unternehmen – und zwar erstmalig – die Möglichkeit gegeben, tarifliche Bezahlung auch tatsäch- Herzlichen Dank, Frau Senatorin! Ich frage, ob auch die lich belohnt zu bekommen und nicht das Gegenteil. Das Offenlegung etwaiger Beraterverträge und Entgelte, die heißt, der Anreiz, die Beschäftigten schlecht zu bezahlen von solchen Trägern an politische Entscheidungsträger in und darüber höhere Überschüsse zu erwirtschaften, ist Land und Bezirken fließen, Gegenstand Ihrer Bespre- weggefallen und die Unternehmen können über Dumping- chung in Zusammenarbeit mit Transparency International löhne keine Zusatzüberschüsse mehr erzielen. gewesen ist. Soll dies auch Teil dieser neuen Transparenz sein? Gute Arbeit braucht gute tarifliche Bezahlung. Das gilt in der sozialen Arbeit genau wie anderswo. Wir haben ge- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: prüft, ob dieses Urteil auch für andere soziale Bereiche angewandt werden kann, und festgestellt: Ja, das können Frau Senatorin – bitte! wir, und das werden wir jetzt auch tun! Auf der Grundla- ge höchstrichterlicher Rechtsprechung wird der Senat Senatorin Carola Bluhm (Senatsverwaltung für neue Wege gehen. Integration, Arbeit und Soziales):

Die Frage erklärt sich von selbst: Wenn die Wirtschafts- Wir wollen aber auch das eingangs genannte Leitmotiv prüfer auch den Auftrag bekommen, die Einhaltung der umdrehen – Transparenz und Kontrolle vor Wettbewerbs- Gemeinnützigkeitsregeln, die Sie sicher auch kennen, für logik. Deshalb erarbeiten die Liga der Wohlfahrtsverbän- diesen Bereich zu prüfen, dann obliegt es ihnen selbstver- de und meine Verwaltung gemeinsam mit Transparency ständlich auch, mit diesem Prüfinstrumentarium die An- Deutschland und dem Deutschen Zentralinstitut für Sozia- gemessenheit der jeweiligen Kosten zu prüfen und zu le Fragen den Berliner Kodex für Transparenz und Unter- sehen, ob sie mit dem Gemeinnützigkeitsrecht in Überein- nehmensführung in sozialen Organisationen. In dieser stimmung zu bringen sind. Das soll von den Wirtschafts- Woche hat das zweite Treffen stattgefunden. Wir wollen prüfern also auch geprüft werden. unter anderem Folgendes festlegen: die klare Trennung von operativem Geschäft und Kontrolle, ab einer be- [Björn Jotzo (FDP): Also nein!] stimmten Größe brauchen die Träger ein eignes Auf- Wir wollen darüber hinaus erreichen, dass die Beschäftig- sichtsgremium, es darf auf keinen Fall mehr zur Vermi- ten vernünftig nach Tarif bezahlt werden und die Be- schung von operativen Geschäft und Aufsicht kommen, triebsräte bei den Trägern ungehindert ihre Arbeit machen jede Personalidentität auf den verschiedenen Ebenen muss können. Die Gehälter der Geschäftsführungen sollen ausgeschlossen werden. Das ist eine ganz wichtige Er- offengelegt werden. kenntnis aus den Vorkommnissen bei der Treberhilfe. [Beifall bei der Linksfraktion – Ein solcher Kodex wird tatsächlich nur dann wirksam, Vereinzelter Beifall bei der SPD] wenn er auch mit Sanktionen verbunden wird. Wir wollen deshalb mit der Liga festschreiben, dass nachhaltige Ver- Die in der Regel ehrenamtlichen Vorstands- und Auf- stöße gegen den Kodex dazu führen können, dass der sichtsratsmitglieder der Vereine und Träger müssen quali- betreffende Träger aus dem jeweiligen Wohlfahrts- fiziert werden, denn sie sollen die professionellen Ge-

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Senatorin Carola Bluhm verband ausgeschlossen werden kann und auch keine Problemlagen sind! Wir schauen und suchen nach Hilfe weiteren Leistungsverträge mit dem Land mehr bekommt. und Lösungen! Dieser Berliner Kodex soll Teil der Rahmenvereinbarung [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – und der Leistungsverträge mit den Anbietern sozialer Unruhe bei den Grünen] Dienstleistungen werden. Wenn Sie als FDP mit neoliberalen Vorstellungen dazu [Beifall bei der Linksfraktion – nicht in der Lage sind, dann lernen Sie etwas von uns! An Vereinzelter Beifall bei der SPD] der Stelle kann ich auch nur sagen: So sind auch die Wir prüfen zurzeit, ob wir auch Anbieter von Leistungen 20 Millionen Euro für Aktionsräume plus zu verstehen. ausschließen können, die diesen Kodex nicht unterzeich- Da ist Bedarf, also wird gehandelt. Das können Sie hier nen oder nicht einhalten. Denn in der Tat geht es um die nicht einfach in einen großen Topf werfen. Konkurrenz aller Anbieter in diesem System. Sollte das nicht der Fall sein, werden wir genau dafür eine Bundes- Die Grünen behaupten, dass wir hier zurückhaltend sind. ratsinitiative vorbereiten, um die notwendigen gesetzli- – Frau Villbrandt! Ich kann Ihnen klarmachen, das sind chen Voraussetzungen zu schaffen. Damit soll es den wir nicht. Wir schreien vielleicht nicht so populistisch wie Ländern möglich werden, Transparenz- und Kontrollre- Sie, geln verbindlich im Vertragsrecht zu vereinbaren und [Gregor Hoffmann (CDU): Auweia!] Verletzungen sanktionieren zu können. Da der Treberhil- feskandal bundesweit zumindest in den Medien Wider- aber wir achten sehr genau, was vor Ort passiert. Und es spiegelung gefunden hat, gehe ich davon aus, dass auch ist schon bemerkenswert, wenn ein Herr Hoffmann nur andere Bundesländer dabei mitgehen werden und ihre den Namen eines Ex-SPD-Abgeordneten verwendet, aber Kontrollmöglichkeiten, die sie jetzt nicht haben, verbes- nicht darauf achtet, wer noch in diesem System steckt. sern wollen. Denn es geht immerhin um Milliardenbeträ- [Gregor Hoffmann (CDU): Sie wissen ge an Steuergelder. nichts vom GmbH-Recht!]

Der Skandal um die Treberhilfe hat in der Öffentlichkeit An der Stelle muss die CDU sehr aufpassen, sich erst bei Teilen der Bevölkerung einen großen Verlust an Ver- einmal an die eigene Nase fassen und nicht nur mit dem trauen in die soziale Arbeit bewirkt. Es ist die gemeinsa- Finger auf andere zeigen. me Aufgabe des Senats, der Bezirke, der Politik, genauso [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] wie der Wohlfahrtsverbände und -träger dieses wieder herzustellen. Daran arbeiten wir. Denn drei Finger zeigen in jedem Fall auf Sie zurück!

[Beifall bei der Linksfraktion – Den Grünen kann ich nur sagen: Ihren Antrag werden wir Vereinzelter Beifall bei der SPD] genau prüfen. Er ist relativ umfangreich. Das ist wohl Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: war.

Vielen Dank, Frau Senatorin Bluhm! – Wir treten in die zweite Rederunde ein. Für die SPD-Fraktion hat zunächst Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: noch mal Frau Radziwill das Wort. – Bitte sehr! Frau Radziwill! Ihre Redezeit ist bereits beendet!

Ülker Radziwill (SPD): Ülker Radziwill (SPD): Frau Senftleben! Der Sozialbereich ist eine Form der Aber nach dem ersten Blick stelle ich fest, dass einige Daseinsvorsorge, und wir wollen ihn nicht komplett dem Ihrer Punkte in Teilen bereits Rechtslage sind. Wir müs- freien Wettbewerb unterwerfen. So gesehen fand ich Ihre sen nur schauen, dass wir die Gesamtkontrollen verbes- Ausführungen sehr bemerkenswert, weil sie – auch Ihr sern. – Vielen Dank! Antrag – sehr klar gezeigt haben, welche Form von sozia- ler Kälte Sie hier haben. [Beifall bei der SPD] [Beifall bei der Linksfraktion] Wettbewerbselemente sind zwar in Maßen zuzulassen. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Das ist auch das, was wir zum Beispiel im Bereich der Vielen Dank, Frau Abgeordnete Radziwill! – Für die Liga der Wohlfahrtsverbände abstimmen und absprechen, CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Hoffmann das aber wir wollen eben nicht komplett den Markt freigeben. Wort. Das ist nicht das, was wir uns unter Sozialpolitik vorstel- len. Gregor Hoffmann (CDU): [Beifall bei der SPD] Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist am Wenn Sie hier auch noch klagen, dass viele Projekte eine Anfang wieder der Versuch unternommen worden, alles rot-rote Handschrift haben, dann kann ich nur sagen: Ja, auf den Bund zu schieben. Das war die politische Strate- wir sind bei den Menschen! Wir achten darauf, was ihre gie, aber sie ist nicht aufgegangen.

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Gregor Hoffmann [Vereinzelter Beifall bei der CDU – de errichten. Dafür brauchen sie entsprechende Über- Uwe Doering (Linksfraktion): Doch!] schüsse in den Rücklagen, denn sie müssen diese Über- Sie ist nicht aufgegangen, Frau Senatorin Bluhm, weil Sie schüsse für den Zweck verwenden, und dafür ist es ein eingestanden haben, dass Sie jetzt handeln wollen. Jetzt, vernünftiges System. nach mehreren Jahren wollen Sie handeln. Sie sehen Handlungsspielräume in Berlin, und das sind genau die, Aber eine Frage haben Sie nicht beantwortet – weder im die wir benannt haben und einfordern. Man sieht also: Ausschuss noch hier: Haben Sie bislang ein einziges Mal ganz klare Verantwortung hier im Land Berlin! Ihre Kontrollmöglichkeiten nach dem jetzigen Vertrag genutzt? [Beifall bei der CDU] [Senatorin Carola Bluhm: Ja, selbstverständlich!] Warum ist das so? – Ganz einfach! Wir haben ein System, wo der Bund sagt, er will Qualität und Wirtschaftlichkeit Sie sind die Antwort schuldig geblieben, weil Sie sie sichern. Deswegen schafft er diesen Rahmen, und das nicht genutzt haben, und das ist der Vorwurf, der berech- Land ist für die Kontrolle zuständig und regelt das über tigt ist. einen Vertrag – über einfaches Vertragsrecht. [Beifall bei der CDU] [Senatorin Carola Bluhm: Im Einvernehmen!] – Ja, im Einvernehmen! Vertragsrecht ist immer im Ein- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: vernehmen, sonst kommt ja kein Vertrag zustande. – Da Frau Abgeordnete Breitenbach hat jetzt das Wort für die sitzen also alle an einem Tisch, verhandeln und beschlie- Linksfraktion. – Bitte sehr! ßen. Insofern stellt sich natürlich die Frage: Warum wur- de bisher nicht in dem Rahmenvertrag geregelt, dass es keine Personenidentität gibt? Elke Breitenbach (Linksfraktion): [Beifall bei der CDU] Vielen Dank! – Vierzig Sekunden Redezeit: Herr Hoff- mann! Bundesgesetze werden vom Bund gemacht, ob Warum wurde nicht geregelt, dass es Aufsichtsgremien Ihnen das gefällt oder nicht. geben muss? Warum wurde nicht geregelt, wie man mit den Personalmitteln umgeht? – Sie können sicher sein: [Andreas Gram (CDU): Oh! Danke schön!] Wenn Sie in den Bereich Transparenz hineinbringen und Uns gefallen sie oftmals nicht. Wir können diese Bundes- den Vertrag verbessern wollen, haben Sie unsere Unter- gesetze nur ändern, indem wir jetzt aktiv werden – das hat stützung. Aber das lenkt nicht von der Verantwortung ab, die Senatorin gesagt –, und zwar über eine Bundesratsini- die Sie haben und die Sie auch bisher als Senat und als tiative, für die wir hoffentlich eine Mehrheit finden. Wir rot-rote Regierung hatten. Es zeigt umso mehr, wie ver- können nicht warten, bis die Bundesgesetze endlich geän- filzt die Beziehungen in dem Geflecht offensichtlich sind. dert sind. Deshalb werden wir in Berlin eine Transpa- renzoffensive beginnen. Alles andere können wir dennoch Tarifliche Anreize gibt es übrigens bereits jetzt schon, machen, wenn diese Gesetze geändert sind. und es gibt viele Träger, die vertraglich entsprechend ihren Tarifverträgen Gehalt bezahlen. Das ist auch für die [Beifall bei der Linksfraktion] Träger eine Selbstverständlichkeit, und für uns ist es das Zeichen dafür, dass es viel Seriosität in diesem Markt gibt. Die seriösen Anbieter leisten eine gute Arbeit für die Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: diejenigen, die berechtigt sind, entsprechende Leistungen Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der zu empfangen. Da ist die Union an der Seite derer, die Abgeordnete Schruoffeneger das Wort. – Bitte! sich seriös und transparent – wie viele andere sicher auch – verhalten. Oliver Schruoffeneger (Grüne): [Beifall bei der CDU – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das deut- Oliver Schruoffeneger (Grüne): Sie auch! – sche System der sozialen Versorgung mit Wohlfahrtsver- Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion) – bänden und gemeinnützigen Institutionen ist einzigartig in Weitere Zurufe] der Welt. Das gibt es sonst nirgends. Ich glaube, dass es Ich will noch etwas zu den Überschüssen sagen, denn es ein richtiges System ist. wird immer so dargestellt, als sei das eine große Black- [Beifall von Ülker Radziwill (SPD)] box. Die Überschüsse sind eine Selbstverständlichkeit. Sie dienen der Investition für den Zweck der Gesellschaft, Aber wir müssen einräumen, dass wir ein riesiges struktu- und dieser Zweck dient dem Bürger, der die Leistungen relles Problem in diesem System haben. Das wird deut- empfängt. lich. Wer dieses strukturelle Problem so negiert und so in Abrede stellt, wie Sie es getan haben, Frau Radziwill, der [Andreas Gram (CDU): So ist es!] legt eigentlich die Axt an dieses System. Deswegen ist es sinnvoll, dass es Überschüsse gibt, sonst [Zuruf von Ülker Radziwill (SPD)] könnte nämlich eine solche Pflegeeinrichtung beispiels- weise keine Sanierung vornehmen und kein neues Gebäu-

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Oliver Schruoffeneger Die Gefahr für dieses System ist nicht ein Herr Ehlert, Der nächste Themenkomplex: die Sozialplanung. – Ein sondern diese Debatte, die Sie heute hier geführt haben. Phänomen der Treberhilfe ist auch die Vermehrung der [Beifall bei den Grünen und der FDP] Platzzahlen. Wir müssen hier in Berlin feststellen, dass es seit zehn Jahren – seit dem Amtsantritt von Rot-Rot – Wir müssen dieses System wieder vom Kopf auf die Füße faktisch keine Sozialplanung mehr gibt. Der Bedarf wird stellen. Wir haben das Zuwendungsrecht und die Entgelt- nicht mehr gesteuert. Er „floatet“ so durch die Landschaft. finanzierung. Im Zuwendungsrecht geht es um geringere Nur in einem Politikfeld ist es anders, und das ist das Beträge. Auch dort fließt viel Geld, aber es geht teilweise betreute Einzelwohnen der Psychiatrie. Dort gibt es feste um 50 000 oder 100 000 Euro – streng reguliert. Jeder Kontingente für jeden Bezirk. Gleiche Rechtsgrundlagen Beleg, jede Briefmarkenquittung wird abgerechnet und – Eingliederungshilfe –, und wir stellen fest, es geht mit vorgelegt. Aber da, wo die Milliarden fließen – null, festen Kontingenten und einer Bedarfsplanung. In allen nothing! Das ist falsch herum. anderen Bereichen tun Sie nichts. Stattdessen übernimmt [Beifall bei den Grünen] die Stadtentwicklungsverwaltung auch noch die Sozialpo- litik. Man nennt das Quartiersmanagement, Aktionsraum Aber genauso falsch herum – und da wundern mich dann oder sonst was. schon die Krokodilstränen der Senatsverwaltung – ist das Handeln der Senatsverwaltung. Die große Institution des Unzählige neue Projekte werden unter anderen Titeln Zuwendungsrechts – DIW; wir diskutieren gerade darüber kurzfristig hineingestopft, ohne Einbindung in die Fach- – wurde seit Jahren nicht geprüft. Klarer Rechtsverstoß! planung und in die Fachpolitik und ohne Qualitätsstan- Begründung der Bildungsverwaltung: Wir haben kein dards. Die Gesundheitssenatorin der Linken ist von der Personal. – Gleichzeitig streitet man sich mit den vielen Dauerblockade der Krankenhausplanung und vom Klima- kleinen Träger der Bildungsverwaltung – gleiche Verwal- schutz völlig absorbiert, und die Sozialsenatorin kämpft tung – über Jahre mit Briefwechseln über Rechnungen noch um den ÖBS, verabschiedet sich aber ansonsten in zwischen 50 und 100 Euro. Dafür haben Sie Personal. die sozialpolitische Bedeutungslosigkeit. Wer solche Schwerpunkte setzt, soll hier nicht Krokodils- tränen weinen. [Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Ach Gottchen, täuschen Sie sich mal nicht!] [Beifall bei den Grünen und der FDP] Da ist der Wildwuchs in diesem Bereich kein Wunder. Zweiter Punkt: die Nebelwerferei! – Sozialsenatorin Bluhm sagt: Das war alles nicht absehbar, wir können [Beifall bei den Grünen] nichts machen. – Die Gerüchte bei der Treberhilfe gibt es Wir brauchen – und damit komme ich zum Schluss zu seit langem. Das Verfahren, dass ein Geschäftsführer unserem Antrag – eine Änderung der Gemeinnützigkeits- sowohl aus seiner Muttergesellschaft wie aus vielen ver- regelung auf Bundesebene. Da muss Transparenz hinein. schiedenen Tochtergesellschaften Gehälter bezieht, ist seit Da müssen Gehaltsstrukturen hinein, und die müssen langem bekannt. Ihr Abteilungsleiter, der heute dieser festgeschrieben werden – eine Obergrenze von Gehältern. Debatte folgt, durfte ja schon vor 20 Jahren bei einem Da muss zudem das Kumulationsverbot von Gehältern Weddinger Verein, der damals „Theta“ hieß, in seiner z. B. für die Geschäftsführer von mehreren GmbHs hin- damaligen Rolle als Referatsleiter diesen Verein abwi- ein. Wir müssen gleichzeitig aber auch in die Sozialge- ckeln, und zwar genau wegen dieses Vorgangs. Stellen setzbücher eine Renditebegrenzung für die Institutionen Sie sich dann doch bitte nicht hin und sagen, so etwas sei aufnehmen, die sich im Wesentlichen aus öffentlichen nicht absehbar! Diesen Trick kennen Sie seit Jahrzehnten, Mitteln finanzieren. und Sie haben nichts getan. [Beifall bei den Grünen und der FDP – Zu guter Letzt: Berlin muss auch endlich Transparenz bei Beifall von Andreas Gram (CDU)] der Vergabe schaffen. Und Herr Nußbaum sagt, die Entgeltkommission müsse [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das machen bei den Verhandlungen mal die finanzielle Situation der wir doch nicht in Berlin! – Träger berücksichtigen. Ja, verdammt noch mal, was Weitere Zurufe von der Linksfraktion] machen die denn da? Wozu sitzen die denn beisammen, – Das machen wir unter anderem auch in Berlin. – Lassen wenn man das nicht tut? – Frau Bluhm! Sie haben recht, Sie mich den Schlusssatz noch sagen: Berlin muss auch Sie haben kein Kontrollrecht, aber Sie verhandeln zurzeit endlich die Kriterien für die Auftragsvergabe definieren. mit der Treberhilfe zwei individuelle Verträge, und Sie Mir ist es z. B. immer noch ein Rätsel, warum die bauli- sind nicht vorher im Internet in das Handelsregister ge- che Abwicklung des Konjunkturprogramms II für die gangen, um sich die Bilanzen anzusehen. Das ist doch die Kindertagesstätten – – Grundlage für Verhandlungen. Wie verhandeln Sie denn überhaupt Entgelte, ohne sich das anzusehen? Das sind [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Purer Populismus! – öffentliche Unterlagen, und wer so etwas nicht nutzt, soll Weitere Zurufe von der Linksfraktion] hier nicht klagen, dass er keine Kontrollrechte hat. Er – Seien Sie doch mal ruhig! – nimmt sie einfach nicht wahr. [Beifall bei den Grünen und der FDP]

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Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/3064 – Herr Schruoffeneger! Ihre Redezeit ist bereits beendet. Stichworte: Transparenz schaffen – empfiehlt der Ältes- Bitte kommen Sie zum Schluss! tenrat die Überweisung an den Hauptausschuss. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Oliver Schruoffeneger (Grüne): Zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/3065 – Mir ist ein Rätsel, warum die bauliche Abwicklung des Stichwort Treberhilfe – empfiehlt der Ältestenrat die Konjunkturprogramms II für die Kindertagesstätten an Überweisung an den Ausschuss für Integration, Arbeit, einen Träger gegangen ist, der vielleicht sozialpädagogi- Berufliche Bildung und Soziales. – Auch dazu höre ich sche Projekte macht, vielleicht einer Partei nahe steht, keinen Widerspruch. aber ansonsten noch nie Bauprojekte betreut hat. Solange wir solche intransparente Strukturen haben, dass Verwal- Zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/3072 – tungen einfach ihre eigentliche Aufgabe an nahestehende Stichworte: soziale Maßnahmen und Projekte – empfiehlt Träger ausgliedern, die nichts mit der Sache zu tun haben, der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für solange werden wir diesen Sumpf nicht trockenlegen Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales so- können, und solange wird dieser Sumpf auch die soziale wie an den Hauptausschuss. – Dazu höre ich keinen Wi- Versorgungsstruktur und das System in Berlin gefährden. derspruch.

[Beifall bei den Grünen – Zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/3070 – Beifall von Florian Graf (CDU) und Björn Jotzo (FDP) – Stichworte: Träger- und Projekteatlas – empfiehlt der Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Seien Sie Ältestenrat die Überweisung an den Hauptausschuss. – mal ruhig!] Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Zum dringlichen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Grünen Drucksache 16/3087 – Stichwort Treberhilfe- Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schruoffeneger! – Für skandal – wird die Überweisung an den Ausschuss für die Fraktion der FDP spricht erneut Frau Abgeordnete Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales so- Senftleben. – Bitte! wie an den Hauptausschuss empfohlen. – Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Mieke Senftleben (FDP): Ich rufe auf Frau Präsidentin! Ich finde es sehr wichtig, weil Sie, Frau lfd. Nr. 4 a: Radziwill, Antrag [Zurufe von den Grünen] Kein Zwei-Klassen-Abitur in Berlin wieder einmal das Thema soziale Kälte betont haben. Ich habe einfach die Bitte, den Antrag, den wir gestellt haben, Antrag der CDU Drs 16/3058 richtig zu lesen. Darin steht dezidiert: Der Senat wird Das ist die Priorität der Fraktion der CDU unter dem lfd. aufgefordert zu überprüfen, inwieweit öffentliche Zuwen- Tagesordnungspunkt 34. – Für die Beratung steht den dungen – mit denen freiwillige soziale Leistungen finan- Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten ziert werden, die durch freie Träger erbracht werden sol- zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion len – öffentlich ausgeschrieben und dann nach klar zu der CDU. – Bitte, Herr Steuer! definierenden Kriterien vergeben werden. – Darum geht es, es geht um freiwillige soziale Leistungen. Sascha Steuer (CDU): Wenn Sie, verehrte Frau Radziwill, von sozialer Kälte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der sprechen, kann ich nur sagen: Das stimmt! Rot-Rot ver- Schulstrukturreform hat der Senat sein größtes bildungs- brennt Geld, und Feuer bringt Wärme. Das wollen wir politisches Reformprojekt dieser Legislaturperiode be- aber genau nicht! schlossen und jetzt mit der Umsetzung begonnen. Seit es nicht mehr um das Gesetz, sondern um die konkrete Um- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: setzung vor Ort geht, jagt aber ein Problem das nächste. Nichts ist gut vorbereitet, alles ist mit heißer Nadel ge- Frau Senftleben, kommen Sie bitte zum Schluss! – Vielen strickt. Eltern, Schüler und Lehrer sind verunsichert. Dies Dank! ist kein Zufall. Anstatt die Schulen von innen her zu den- [Beifall bei der FDP – ken, die Pädagogik in den Vordergrund zu stellen, haben Uwe Doering (Linksfraktion): Die FDP ist begeistert!] Sie immer lieber über Schulnahmen und Gebäude gespro- chen. Hüllen ohne Inhalt, das ist Ihre Schulstrukturre- Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuel- form! le Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden. [Beifall bei der CDU]

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Sascha Steuer Aber so wird diese Reform nicht funktionieren. halb Ihren unsinnigen Plan auf, beenden Sie endlich Ihre Attacken gegen das Gymnasium in Berlin! Ich möchte heute zur Qualität der Schulpolitik gern Frau [Beifall bei der CDU] Dr. Laurien in ihrer geschätzten, klaren Sprache zitieren:

Das ist etwa so, als wenn ich einen feinen Schuh trage und mich ein Hühnerauge schmerzt. Dann ist Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: das Hühnerauge für mein Fortkommen wichtiger Vielen Dank, Herr Abgeordneter Steuer! – Für die Frakti- als der schönste Schuh. on der SPD hat jetzt Frau Abgeordnete Dr. Tesch das So ist das, meine Damen und Herren! Der Stadt fehlen Wort. – Bitte sehr! heutzutage solch klare Positionen in der Bildungspolitik, solch anpackende, praxisnahe Aussagen einer Frau Lau- Dr. Felicitas Tesch (SPD): rien. Der schönste Schuh Sekundarschule nützt nichts ohne eine bessere Förderung der Schülerinnen und Schü- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei unserem ler. riesigen Reformvorhaben, der Einführung der integrierten Sekundarschule, war es uns von vornherein besonders [Beifall bei der CDU und der FDP] wichtig, dass die zu erwerbenden Abschlüsse gleichwertig Schauen wir uns ein Hühnerauge an. Um ein Haar wäre sind. das Berliner Abitur bundesweit nicht mehr anerkannt [Beifall bei der SPD] worden. Monatelang ist das Thema vom Senator verschla- fen worden. Dann wurde in Windeseile das Ruder herum- Das trifft sowohl auf den MSA als auch auf das Abitur zu. gerissen und sechs Kurse in die Sekundarstufe II herein- Dies wird einmal durch die zentralen Prüfungen, die am geschoben. So weit, so gut. Oder: So schlecht! Nun über- Ende stehen, als auch durch die Vorbereitung auf diese legt Senator Zöllner, nicht nur die sechs Kurse als zusätz- Prüfungen hin gewährleistet. liche Belegverpflichtungen einzuführen, sondern auch noch – und zwar nur an den Gymnasien – zusätzliche drei Uns liegt es aber auch am Herzen, dass die einzelne Schu- Kurse in die Abiturnote einfließen zu lassen. Neben der le mehr Eigenkompetenzen erhält und daher die Wege, Tatsache, dass das Gymnasium durch die Kürze von nur wie sie diese Ziele erreicht, selbständig definieren kann. zwei Jahren beim Abitur ohnehin schwieriger ist als die [Mieke Senftleben (FDP): Das ist mir ganz neu!] Sekundarschulen mit drei Jahren, nun sollen auch noch mehr Noten eingebracht werden. Es wird immer klarer: – Das war doch immer Ihr Petitum, Frau Senftleben! SPD und Linkspartei machen eine systematische Politik [Mieke Senftleben (FDP): Dass Sie das wollen, gegen das Gymnasium und gegen die Gymnasiasten. ist neu!] [Beifall von Uwe Goetze (CDU) und – Das sage ich Ihnen seit 2004, als wir die erste große Florian Graf (CDU)] Änderung des Schulgesetzes gemacht haben! Das müssen Sie wollen das Lernen am Gymnasium immer schwerer Sie mal nachlesen. machen, sodass am Ende immer weniger Schülerinnen und Schüler auf das Gymnasium gehen werden. Das Ziel Da an den Gymnasien das Abitur nach zwölf Jahren abge- ist eben, mehr Schülerinnen und Schüler an die Sekundar- legt wird, ist hier die Stundentafel verdichtet. Das musste schulen zu bringen, nur damit Sie am Ende sagen können, aufgrund der KMK-Vorgaben – 265 Jahreswochenstun- Sie hätten recht gehabt, die Sekundarschulen sind attrak- den von der fünften Klasse bis zum Abitur – so gemacht tiv. Das ist unredlich und schülerfeindlich! werden. Die Einführung des Abiturs nach zwölf Jahren war 2004 ein breiter Konsens. Dieser Weg wird inzwi- [Beifall bei der CDU – schen in allen Bundesländern gegangen. Ausnahme ist Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Richtig! lediglich Rheinland-Pfalz, wo das Abitur nach zwölfein- Eine Schule für alle! – halb Jahren abgelegt wird. Berlin liegt im Vergleich zu Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] den anderen Bundesländern bei der Verteilung der Stun- – Ja, so sieht es aus, Herr Brauer! – Aber das ist auch dentafel noch im unteren Bereich. An der integrierten völlig unbegreiflich aus Ihrer linken Perspektive. Ist Ihnen Sekundarschule wird das Abitur allerdings in der Regel eigentlich klar, dass am Ende dieser Politik das Sekundar- nach dreizehn Jahren abgelegt. Deshalb kann die Stunden- schulabitur weniger wert sein wird als das an einem tafel dort auch entlastet werden, wobei die Erteilung der Gymnasium? MSA-relevanten Fächer natürlich gleich bleiben muss, um zu einem äquivalenten Abschluss zu kommen. [Steffen Zillich (Linksfraktion): Da wohnen zwei Seelen in Ihrer Brust!] [Mieke Senftleben (FDP): Es geht nicht!] Dass ein Unternehmen hinsehen wird, lieber einen Abitu- Da die integrierte Sekundarschule eine heterogenere rienten von einem Gymnasium zu nehmen als von einer Schülerschaft haben wird als das Gymnasium, ist es nur Sekundarschule? Berlin kann sich ein Zweiklassenabitur folgerichtig, dass die Klassenfrequenz an dieser Schulart nicht leisten! Das liegt nicht im Interesse der Schülerin- geringer ist, nämlich 25 Schülerinnen und Schüler gegen- nen und Schüler. Geben Sie, Herr Senator Zöllner, des- über 29 Schülerinnen und Schüler am Gymnasium.

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Dr. Felicitas Tesch [Beifall bei der SPD – um Überweisung in den Bildungsausschuss. – Ich danke Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)] Ihnen! – Danke schön, liebe Linksfraktion! – Da die Sekundar- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – schulen alle als Ganztagsschulen eingerichtet werden, Mieke Senftleben (FDP): Das passiert sowieso!] bekommen sie auch zusätzlich Sozialpädagogen. Es wird aber pro Bezirk zunächst ein Ganztagsgymnasium einge- richtet, das natürlich ebenso zusätzliche Sozialpädagogen Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: erhält. Es liegt also keine Ungleichbehandlung vor. Wei- Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Tesch! – Für die tere Gymnasien sollen in den nächsten Jahren folgen. Grünen hat das Wort der Abgeordnete Mutlu. [Mieke Senftleben (FDP): Themaverfehlung!] Bei der höheren – – Özcan Mutlu (Grüne): [Zurufe von rechts] Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Steuer! Bei aller Sympathie, die ich für Sie habe, verstehe ich – Das haben Sie alles in Ihrem Antrag gesagt. Den haben immer noch nicht, warum Sie immer noch auf dieser Sie offensichtlich selber nicht gelesen, Herr Steuer. Da Reform herumhacken. Akzeptieren Sie doch einfach mal, haben Sie bemängelt die Gleichbehandlung, dass es unter- dass in diesem Haus eine Mehrheit – auch ich als jemand, schiedliche Klassenfrequenzen gibt, eine unterschiedliche der dieser Gesetzesänderung und der Schulstrukturreform personelle Ausstattung etc. Darauf gehe ich hier ein. nicht zugestimmt hat, habe es akzeptiert – die Schulstruk- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] tur beschlossen hat. Und wir als Fraktion sind der Mei- Soll ich die Begründung nicht lesen, Frau Senftleben? nung: Jetzt ist ein Gesetz beschlossen, und jetzt muss man einfach das Beste daraus machen und nicht immer wieder [Mieke Senftleben (FDP): Gehört nicht zum Antrag!] die negativen Sachen aus dieser Reform herauspicken und Keine Angst, ich komme jetzt zu der höheren Belegver- in jeder Plenarsitzung eine neue Sau durchs Dorf treiben, pflichtung. Nämlich bei der höheren Belegverpflichtung dass diese Schulstrukturreform daneben ist. in der Qualifikationsphase wurde nun vorgeschlagen, dass [Beifall bei den Grünen, der SPD und es auch eine höhere Einbringungsverpflichtung geben der Linksfraktion] soll. Damit soll dem sogenannten Absitzen von Kursen entgegengewirkt werden. Ich kann Ihnen nur sagen, lieber Kollege Steuer, für Sie habe ich viel Sympathie, das wissen Sie. Aber ich rate Ihnen: Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihren Hamburger Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Kollegen! Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihren Kolle- Frau Dr. Tesch! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des gen in Bremen! Und nehmen Sie sich ein Beispiel an Abgeordneten Scholz? Ihren Kollegen im Saarland! Die haben nämlich gesagt: Es müssen Reformen her. Auch aus der Opposition her- aus, z. B. in Bremen, haben sie sich zu einem Bildungs- Dr. Felicitas Tesch (SPD): konsens bereit erklärt und unterstützen die Koalition in Nein, ich führe erst mal zu Ende aus. – Man kann aber ihren Bestrebungen. Und nochmals: Nach langwierigen auch Modelle entwickeln, dass diese zusätzlich zu bele- Diskussionen – wir haben viele Facetten dieser Schul- genden Kurse den Schülerinnen und Schülern helfen, ihr strukturreform wirklich ellenlang diskutiert – wurde die- eigenes Profil zu schärfen, sei es durch zusätzliche ses Gesetz mehrheitlich in diesem Haus beschlossen. Und Sprachkurse oder durch Kurse, die den Einstieg in das damit muss auch unser Interesse sein, egal ob Opposition wissenschaftliche Arbeiten vermitteln. Auch eine Berufs- oder Regierungsfraktion, dass diese Reform gelingt, dass orientierung an Gymnasien könnte so möglich gemacht sie gut auf den Weg kommt. Das ist mein Appell an Sie. werden. Ich möchte hier noch mal betonen, dass für den [Beifall bei den Grünen, der SPD und Doppeljahrgang dieselben Verpflichtungen gelten. Hier der Linksfraktion] haben die Schulen absolute Sicherheit. Und ansonsten: Natürlich muss das Abitur in der Sekun- [Mieke Senftleben (FDP): Aber es geht um die Sache darschule genauso gut, wenn nicht sogar besser sein, danach!] damit diese Sekundarschule als eine Alternative, als ein Wir halten es für in Ordnung, wenn dieselben Einbrin- langsamer Weg zum Abitur, sich langfristig, nachhaltig gungsverpflichtungen auch zukünftig gelten. etabliert. Es wird hierbei darauf ankommen, dass man die Rahmenbedingungen richtig setzt. [Sascha Steuer (CDU): Ah!] [Mieke Senftleben (FDP): Die sind ja falsch!] Da der ursprüngliche Vorschlag so für Irritationen sorgte, habe ich in der Aktuellen Viertelstunde – das wissen Sie, Es wird darauf ankommen, dass man die Qualität vor Herr Steuer – danach gefragt. Mir wurde geantwortet, allem auch der Sekundarschule sichert. Aber wenn ich dass es eine Anhörung der neuen VO-GO geben würde, mir Ihre Begründung ansehe, wenn ich mir Ihre bisheri- aufgrund deren Ergebnisse man entscheiden würde. Ich gen Anträge, Änderungsanträge in dieser Frage anschaue, sage also: Warten wir diese Anhörung ab! Und ich bitte dann komme ich zu dem Schluss: Ihnen geht es gar nicht

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Özcan Mutlu um das Gelingen dieser Reform, Ihnen geht es nur darum, ist nicht gut gemacht. Das haben wir bei JÜL gesehen und das Ganze wiederholt madig zu machen. Und das machen haben das zu Recht kritisiert. Aber wenn ich mir mal Ihre wir nicht mit. Deshalb werden wir Ihren Antrag in der letzten Auftritte, Ihre Anträge in diesem Saal zu dieser Form ablehnen. Thematik vergegenwärtige, komme ich zu dem Schluss: [Beifall bei den Grünen und der SPD] Sie sind gar nicht interessiert daran. Und das werfe ich Ihnen vor. Es ist richtig, Sie haben hier einen Antrag gestellt und haben gesagt: Wir müssen einen Bildungs- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: konsens herstellen. Das war richtig, das haben Sie ge- macht. Aber Sie haben das gemacht, als das Gesetz schon Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mutlu! – Für die Links- auf dem Tisch lag. Wo waren Sie denn in den letzten drei fraktion hat der Abgeordnete Zillich das Wort. – Das ist Jahren? Diesen Antrag hätten Sie vor drei Jahren stellen uns nicht bekanntgegeben worden. – Bitte, dann haben müssen und nicht, als das Gesetz schon quasi ausformu- Sie jetzt die Gelegenheit, drei Minuten. liert zur Beratung hier im Haus vorlag. Das ist Ihnen vorzuwerfen. Sascha Steuer (CDU): Und wenn ich mir noch mal Ihren Gesetzesänderungsan- Frau Präsidentin! Herr Kollege Mutlu! Ihre Rede hatte so trag zur Schulstrukturreform anschaue: Sie wollten eine ein bisschen den Charakter, als wenn Sie kurz davor stün- ganz andere Struktur. Sie wollten ja die Mehrgliedrigkeit den, in die Regierungskoalition einzutreten. Ich will Ihnen verfestigen. Sie wollten, dass dieses antiquierte Bildungs- ganz ehrlich sagen: Wir sind die Fraktion gewesen, die system, das aus der Kaiserzeit sozusagen noch übrig einen Antrag gestellt hat, so wie in Bremen und Hamburg geblieben ist, verfestigt, stabilisiert wird. Dabei sagen zu einem Konsens in den wesentlichen Punkten der Struk- etliche wissenschaftliche Studien, dass die Mehrgliedrig- turreform zu kommen. Das war genau unser Interesse. keit eher schadet als dass sie nützt. Und deshalb nehme Rot-Rot hat dies abgelehnt, weil sie sich selbst nicht einig ich Sie in diesem Punkt leider nicht ernst und kann Ihnen geworden sind. Das ist die Wahrheit, Herr Mutlu! nur noch mal raten: Reden Sie mit den Kollegen in Ham- [Beifall bei der CDU] burg und Bremen! Die sind auf dem richtigen Weg. Von denen können Sie eine Menge lernen. Und gut gemeint ist nicht gut gemacht. Man kann ja der Auffassung sein, dass die Rahmenbedingungen und die [Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der SPD] Idee der Schulstrukturreform richtig ist, aber dann ist es unsere Aufgabe als Opposition, genau hinzuschauen, ob es auch gut umgesetzt wird. Es gibt ganz viele Knack- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: punkte. Einer ist heute erst öffentlich geworden: dass die Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mutlu! – Jetzt hat für die Sekundarschulen nur Zweidrittellehrer bekommen sollen, Linksfraktion der Abgeordnete Zillich das Wort. – Bitte um den Ganztag zu organisieren, und so weiter. Es gibt sehr! ganz viele Punkte. Ich werde Ihnen den Gefallen deshalb nicht tun, Herr Kollege Mutlu, die Kritik und die Schwachstellen dieser Schulstrukturreform nicht in jeder Steffen Zillich (Linksfraktion): Plenarsitzung wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist Nein, wir werden dafür streiten, dass eine Schulstruktur- ja schon putzig! Die CDU stellt einen Antrag zum Gym- reform, die vielleicht von ihren Zielen her vernünftig sein nasium, und wir reden über die Schulstrukturreform. Aber mag, aber schlecht umgesetzt ist, besser gemacht werden ich glaube, das macht das Dilemma der CDU deutlich. muss. Sie muss besser gemacht werden im Interesse der Richtig die Schulstrukturreform anzugreifen, damit sind Schülerinnen und Schüler dieser Stadt. Sie nicht sehr erfolgreich. Und was Sie nun versuchen, ist, [Beifall bei der CDU] Angst in den Gymnasien zu schüren über angebliche Diskriminierungen, die dort stattfinden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Das wird in dieser Form nicht funktionieren. Sie müssen Vielen Dank! – Herr Mutlu möchte antworten und hat sich im Übrigen einmal entscheiden, was Sie eigentlich dazu jetzt die Gelegenheit. – Bitte! machen wollen. Wollen Sie kritisieren, dass die Ausstat- tung an den integrierten Sekundarschulen nicht ausreicht? Özcan Mutlu (Grüne): Oder wollen Sie kritisieren, dass die Ausstattung an den integrierten Sekundarschulen besser ist als an den Gym- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kol- nasien? – Da müssen Sie sich einmal entscheiden, beides lege Steuer! Diesen letzten Satz von Ihnen kann ich unter- geht nicht zusammen. stützen und unterschreiben. Ich kann Sie nur auffordern, entsprechend dem, was Sie gerade vorgetragen haben, [Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] tätig zu werden, dass Sie endlich einmal anfangen, im Wir sind da relativ klar. Wir sagen erstens: Selbstver- Interesse des Gelingens dieser Reform etwas zu tun, auch ständlich müssen die Abschlüsse und der Anspruch an die aus der Opposition heraus. Sie haben recht, gut gemeint

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Steffen Zillich Standards an integrierten Sekundarschulen und Gymna- Mieke Senftleben (FDP): sien gleichwertig sein. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist

ein bisschen skurril: In dem Antrag steht etwas von Bele- Zweitens: Ja! Wir wollen an den integrierten Sekundar- gungsverpflichtung und Einbringungsverpflichtung, und schulen eine andere Lehr- und Lernkultur. Wir wissen, wir sind nun wieder bei dem heißen und globalen Thema dass das ein sehr hoher Anspruch ist. Schulstrukturreform. Da will ich eigentlich gar nicht hin. [Mieke Senftleben (FDP): Das hat aber – Ich finde Folgendes ein bisschen merkwürdig, auch von nichts mit dem Antrag zu tun!] Ihnen, Herr Kollege Mutlu. Hier geht es doch gerade Deswegen wollen wir sie bewusst besser ausstatten als die darum, dass unterschiedliche Wege zum Abitur führen Gymnasien. Das haben wir beschlossen, und wir werden können, wir aber immer gesagt haben, dass sie gleichbe- es auch so machen. Wenn Sie über die Ausstattungskrite- rechtigt oder zumindest gleichwertig sein müssen. Die rien und die Ganztagsregelung überrascht sind, dann muss momentane Diskussion um das Abitur zeigt, dass Sie ich Ihnen vorwerfen, dass Sie als Mitglied des Hauptaus- nicht in diese Richtung gehen. schusses die Haushaltsberatungen komplett verschlafen haben, denn dort lag das alles auf dem Tisch. Wir haben den Antrag nicht gestellt. Das hat seine Grün- de. Aber wir verfolgen und führen natürlich auch diese [Beifall von Uwe Doering (Linksfraktion) und Debatte. Diese Debatte ist richtig. Dr. Felicitas Tesch (SPD)] [Beifall bei der FDP] Der Antrag selbst rennt offene Türen ein. Niemand will ungleiche Bildungsstandards beim Abitur, aber das Abitur Es geht hier um das spannende Thema Belegungs- und ist als Abschluss und allgemeine Hochschulzugangsbe- Einbringungsverpflichtung in der Oberstufe. Ich hoffe, rechtigung nicht identisch mit den Wegen zum Abitur. Es nach der Debatte haben Sie den Durchblick. Eigentlich geht um gleiche Bildungsstandards, aber nicht um die wäre der CDU-Antrag überflüssig, wenn nicht der linke gleiche Zeit und den gleichen Weg. Der Weg wird auch Senat zu langsam arbeiten würde – Frau Dr. Tesch, das ist künftig unterschiedlich sein. eine Tatsache – und den Gymnasiasten – wie üblich – das Leben schwerer machen wollte. Es ist Tatsache, dass In der Tat wurde darüber geredet, im Rahmen der Schul- Berlin als letztes Bundesland Regelungen dafür trifft, dass zeitverkürzung – das hat mit der integrierten Sekundar- das Abitur nach zwölf Schuljahren die Vorgaben der schule erst einmal gar nichts zu tun – die Belegungsver- KMK erfüllt. Da kann ich nur sagen: Guten Morgen, Herr pflichtung – wie viele Kurse belegt werden müssen – in Senator! Sie hätten ein bisschen schneller in die Schuhe der gymnasialen Oberstufe zu erhöhen. Das ist zunächst steigen müssen. einmal nachvollziehbar. Gymnasiasten müssen insgesamt mehr Kurse belegen. Ihnen geht es eigentlich – Sie folgen dabei Zeitungsmel- Das ist richtig. Das bringt die Verkürzung der Schulzeit dungen, was nichts Neues ist – um eine Vorlage für das mit sich. Das ist Fakt. Das wollen wir auch, und dazu kommende Schuljahr, in der gesagt wird, dass aus der stehen wir. Belegungsverpflichtung auch eine erhöhte Einbringungs- [Beifall bei der FDP] verpflichtung in das Abitur an den Gymnasien erfolgen Das ist dann die erhöhte Belegungsverpflichtung. Das ist soll. Darüber haben wir diskutiert und – wie die Kollegin eine Leistung, weil mehr in kürzerer Zeit gearbeitet wird. Tesch – das Argument nicht wirklich überzeugend gefun- Das ist völlig unbestritten. den. Uns ist wichtig, deutlich zu machen, dass es bei

Abitur keine unterschiedliche Wertigkeit gibt. Wir halten Ich komme zur Schikane der Bildungsverwaltung, mit der es nicht für nötig, die Einbringungsverpflichtung zu än- den Gymnasialen das Leben schwer gemacht werden soll. dern. Dazu ist noch nichts beschlossen. Derzeit findet das Dabei geht es um die Einbringungsverpflichtung. Zum Anhörungsverfahren statt. Wir werden sicher auch im besseren Verständnis: In Berlin müssen Abiturienten Ausschuss darüber diskutieren. Als Fazit kann man sagen: 24 Grundkurse in das Abitur einbringen. Das bedeutet, Der Titel Ihres Antrags ist unstrittig, aber es bedarf des dass man die besten 24 aller belegten Grundkurse ein- Antrags nicht. bringt und schlechte Noten wegstreicht. Diese Regelung – [Beifall bei der Linksfraktion – das ist entscheidend – soll künftig nur noch für die Se- Vereinzelter Beifall bei der SPD] kundarschulen gelten. Das ist zumindest momentan im Gespräch. Das ist die eigentliche Sauerei, denn die Bil- dungsverwaltung beabsichtigt momentan, dass Gymnasi- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: asten künftig 28 statt 24 Grundkurse in die Abiturnote Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zillich! – Frau Senftle- einbringen müssen. ben hat jetzt für die FDP-Fraktion das Wort. – Bitte! [Beifall bei der FDP]

Das hat natürlich auch negative Auswirkungen auf den Abiturdurchschnitt, denn es geht um vier zusätzliche schlechte Noten. Es ist verfassungsrechtlich bedenklich,

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Mieke Senftleben dass Schüler, die ab dem Jahr 2011 in die zwei- oder an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, wozu dreijährige Oberstufe eintreten, unterschiedlich berechne- ich keinen Widerspruch höre. te Abiturnoten erhalten. Mindestens genauso schlimm finde ich aber, dass mit dieser Aktion letztlich keine Ver- Ich rufe die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gleichbarkeit mehr gegeben ist. auf

lfd. Nr. 4 b: Jetzt komme ich zu Ihren hehren Worten, Kollegen Mut- lu, Tesch und Zillich: Das ist die Aufkündigung der vom Beschlussempfehlung Senat so oft beschworenen Gleichwertigkeit des Abiturs Neuvermietungsmieten bei landeseigenen an Sekundarschule und Gymnasium. Herr Zillich! Sie Wohnungsbaugesellschaften steuern sagten eben, Sie sähen das auch nicht richtig ein. Was haben Sie dann gegen den Antrag von Herrn Steuer? Sie Beschlussempfehlung BauWohn Drs 16/3023 haben das auch gesagt, Frau Dr. Tesch. Warum begleiten Antrag der Grünen Drs 16/2900 wir dann den Antrag nicht konstruktiv? Sie hauen hier auf den Putz und betonen das, was in der Begründung steht. in Verbindung mit Das ist völliger Blödsinn. [Beifall bei der FDP – lfd. Nr. 31: Vereinzelter Beifall bei der CDU] Antrag Die Absicht, in der Sie momentan vorgehen wollen, ist mit uns nicht zu machen. Erwerb von Sozialwohnungen Antrag der Grünen Drs 16/3049 Herr Senator! Ihre Begründung lautet oft, mehr einge- Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen eine brachte Kurse könnten zu einer Verbesserung der Durch- Redezeit von jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Die schnittsnote führen. Diese Argumentation begeistert die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beginnt. künftigen Gymnasiasten nur mäßig: Sie müssen in kürze- – Bitte sehr, Herr Otto! rer Zeit mehr leisten. Sie haben keine Ganztagsschulen und sitzen mit mehr Schülern in einer Klasse. Das habe ich mir nicht aus den Fingern gesogen, Herr Zillich, son- Andreas Otto (Grüne): dern das stand kürzlich in einem Beitrag einer Schülerin Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und der zehnten Klasse in der „Berliner Zeitung“. – Bleiben Herren! Uns geht es um aktive Wohnungspolitik. Wir wir doch einfach einmal auf dem Teppich! Herr Senator! haben heute in der Aktuellen Stunde über Sozialpolitik Kommen Sie zur Vernunft, und setzen Sie nicht auf dis- diskutiert. Wir hatten Anfragen, in denen es um das Quar- kriminierenden Zwang, sondern geben Sie allen Abitu- tiersmanagement geht, um die Plusgebiete und viele ande- rienten die Möglichkeit, mehr als 24 Grundkurse einbrin- re Sachen. Wir sind der Meinung, dass Wohnungs- und gen zu können, aber nicht zu müssen! Sozialpolitik eher anfangen muss. Wir müssen etwas mit den Wohnungen tun und dafür sorgen, dass die Leute ihre Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Mieten in dieser Stadt bezahlen können. Frau Kollegin! Ich muss Sie darauf hinweisen, dass Ihre [Beifall bei den Grünen] Redezeit abgelaufen ist. Wir haben den Wohnungsmarktbericht der IBB und die Studie der GSW in den letzten Wochen zur Kenntnis Mieke Senftleben (FDP): genommen und haben ablesen können, dass die Mieten gestiegen sind. Das ist nicht unnormal. Die Mieten sollten Nur so kann eine faire Regelung aussehen, die gleichwer- aber nur steigen, wenn auch eine Gegenleistung geboten tige Abiturdurchschnittsnoten an Sekundarschulen und wird, mehr Standard, mehr energetische Sanierung oder Gymnasien sicherstellt. Ich hoffe, Sie haben jetzt den anderes. Sie steigen aber häufig einfach so, insbesondere Durchblick und kennen den Unterschied zwischen bei Neuverträgen – das haben wir hier schon diskutiert –. Einbringungs- und Belegungsverpflichtung. Allerdings Wir wollen, dass hier auf der Berliner Ebene direkt durch hoffe ich auch, dass damit die Debatte über dieses Kon- den Senat etwas getan wird. Er soll den landeseigenen strukt beendet ist. – Danke! Gesellschaften eine Anweisung geben, in der steht, dass

bei Neuvermietung der Mietspiegel beachtet wird. Das [Beifall bei der FDP – könnte man für normal halten. Das ist es aber nicht. Wir Vereinzelter Beifall bei der CDU] haben in den vergangen Wochen mehrere Fälle insbeson- dere bei der GESOBAU in der Presse gefunden, wo die Mieten sehr deutlich über dem Mietspiegelniveau bzw. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: der ortsüblichen Vergleichsmiete lagen. Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat emp- Wir wollen mit diesem Antrag zum einen erreichen, dass fiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/3058 Leute, die wenig Geld haben, eine Wohnung bei einer

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Andreas Otto landeseigenen Gesellschaft finden können und zum ande- schaften zur Ermittlung der ortsüblichen Miete aus- ren – das ist nicht minder wichtig –, dass mit dem landes- schließlich den Mietspiegel anwenden sollten. Dieser eigenen Bestand das Mietniveau insgesamt beeinflusst Grundsatz soll auch bei Neuvermietung gelten. Meine wird. Das ist wichtig. Obzwar wir heute nur noch etwa Damen und Herren von der Koalition! Sie haben die 14 Prozent landeseigene Wohnungen vom Gesamtwoh- Chance, uns zu zeigen, dass Ihre Beschlüsse nicht nur nungsbestand haben – vor sechs, sieben Jahren waren es Papier sind, sondern dass sie gelten und dass Sie wollen, noch fast 400 000 Wohnungen –, das ist durch die vielen dass der Senat etwas tut. Deshalb stimmen Sie einfach Verkäufe des Senates weniger geworden, ist es statistisch unserem Antrag zu! – Danke! noch eine relevante Größenordnung. Wir wollen, dass diese Wohnungen zur Steuerung und insbesondere für [Beifall bei den Grünen] Bedürftige eingesetzt werden.

[Beifall bei den Grünen] Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Mit der Steuerung ist es so eine Sache. Der Finanzsenator hat uns im „Tagesspiegel“ gesagt, es sei alles schwierig. Vielen Dank, Herr Abgeordneter Otto! – Für die SPD- Wir hätten einmal die Finanzverwaltung, die bestimmte Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Arndt das Ziele setzt und von den Wohnungsbaugesellschaften Wort. – Bitte! etwas verlangt. Auf der anderen Seite gebe es die Fach- verwaltung, die auch bestimmte Ziele setzt. Festzustellen Dr. Michael Arndt (SPD): ist, dass es unterschiedliche Ziele und keine gemeinsame Linie gibt. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Esser! Nach einer Studie der Prognos AG Wir erwarten vom Senat und von der Koalition, dass es droht bis 2025 rund in der Hälfte der Regionen Deutsch- irgendeine Linie gibt. Wie gehen Sie denn mit den Gesell- lands ein unterdurchschnittliches Einkommen mit einer schaften um. Ich nenne an dieser Stelle einmal das Stich- Wohnungsbaulücke zusammenzutreffen. Zu den am wort HOWOGE. Da werden aus dem Bestand der GE- stärksten betroffenen Regionen wird Berlin mit ca. SOBAU Wohnungen in Berlin-Buch erworben. Dann gibt 10 Prozent fehlenden Wohnungen gehören. Insofern ist es Modernisierungsankündigungen mit Aufschlägen von Ihr Anliegen hinsichtlich des Erwerbs von Sozialwohnun- 3,75 Euro bis 4,2 Euro. Dann gibt es Tumulte. Dann stellt gen durchaus der richtige Weg, den sozialen Wohnungs- sich heraus, es war alles gar nicht so gemeint. Es ist alles bestand zu erweitern und den kommenden Herausforde- ganz anders. In dem Zeitraum, in dem diese Ankündigun- rungen gerecht zu werden. Deshalb kann ich die ersten gen herausgegangen sind, ist der Leerstand in Buch schon drei, vier Sätze Ihrer Rede voll unterstreichen. Ich hätte von 5 Prozent auf über 8 Prozent gestiegen. Die HOWO- sie auch so halten können. Beim Rest Ihrer Rede ist Ihnen GE hat die Leute verschreckt und überhaupt nicht ver- aber die Schlagzeile der „taz“ wirklich in die Knochen sucht, mit ihnen Einigung zu erzielen. Die Sanierung ist gegangen. nötig. Aber man muss das doch in einer Art und Weise voranbringen, dass man die Leute nicht verscheucht. Sie sind in Berlin noch nicht in der Wohnungspolitik angekommen. Das sage ich jetzt in Richtung der Grünen. [Beifall bei den Grünen] [Beifall bei der SPD] In den Beratungen im Ausschuss für Bauen und Wohnen über diesen Antrag hat uns die Koalition deutlich ge- Das zeigt sich auch an Ihren zwei Anträgen. Bei dem macht, dass sie dem nicht zustimmen können. Dieser einen geht es um Neuvermietungen. Das war einmal ein Neuvermietungsantrag ginge nicht, er wäre schwierig. Beschluss auch der SPD in Fleesensee. Wir haben aber Das haben sie dort erklärt, obwohl einerseits die SPD, die sofort nach intensiven Beratungen festgestellt, dass wir ja eine selbsternannte Mieterpartei ist, sogar einen Be- unzumutbar die städtischen Gesellschaften einseitig be- schluss dazu hat. Die SPD hat in Fleesensee im Jahr 2009 lasten. Wir wollen auch eine Begrenzung der Neuvermie- beschlossen, ich zitiere: „Die SPD-Fraktion fordert, diese tungen, aber für alle Gesellschaften und private Eigentü- Orientierung am Mietspiegel auf alle Neuvermietungen mer auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Es wird ein fairer bei städtischen Wohnungen zu erweitern.“ Das haben Sie Wettbewerb gewünscht. beschlossen, Herr Gaebler, Herr Müller. Jetzt haben wir [Beifall bei der SPD] einen Antrag dazu eingebracht. Wir wollten einmal testen, ob Sie zu Ihrem Wort stehen. Das ist kein Parteibeschluss, Das ist unsere Intention, weswegen wir hier vom Be- sondern hat die vor mir sitzende Fraktion beschlossen. schluss von Fleesensee abgewichen sind. Sie wollen die Sie, als selbsternannte Mieterpartei, haben das beschlos- Gesellschaften einseitig schwächen und gleichzeitig – sen. Jetzt liegt der Antrag auf dem Tisch. Da müssen Sie damit sind wir beim zweiten Antrag – dazu anhalten, die sich verhalten. Wohnungen, die aus der Anschlussförderung herausfal- len, zu erwerben. Das ist Ihr Antrag. Sie fordern den Se- Genauso ist es bei der Linken. Die Linke hat am nat auf, die Sozialwohnungen aus dem Segment, für das 27. Februar 2010 – daran kann sich Herr Doering viel- keine Anschlussförderung gewährt wird und die zur leicht noch erinnern – auf ihrer Klausur verabschiedet, Zwangsversteigerung kommen bzw. zum Kauf stehen, im dass grundsätzlich die kommunalen Wohnungsbaugesell- Einzelfall durch landeseigene Wohnungsbaugesell-

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Dr. Michael Arndt schaften aufzukaufen. Einerseits wollen die Gesellschaf- Andreas Otto (Grüne): ten sie schwächen, andererseits sollen sie das Geld, das Sehr geehrter Herr Dr. Arndt! Sie wissen, dass wir bei den sie nicht mehr haben, für den Erwerb von Wohnungen Sozialwohnungen Erben der Westberliner Sozialbauförde- einsetzen. Sie wollen die eierlegende Wollmilchsau und rung sind. Das ist ein großes Problem, das viel Geld kos- das Perpetuum mobile. tete. Das kostet auch heute noch viel Geld. An jedem

Objekt, das in die Insolvenz geht oder veräußert wird, ist Auch wir – da stimme ich mit Herrn Otto überein – wol- Berlin mit einem Kredit und mit einer Bürgschaft betei- len eine nachhaltige Wohnungsmarktpolitik in unserer ligt. All diese Objekte werden im Bürgschaftsausschuss Stadt bewahren und behutsam an den Bedingungen eines behandelt, wenn sie verkauft werden oder wenn irgendet- gewandelten Wohnungsmarktes anpassen. Wir haben uns was passiert. Wir haben Geld da hineingesteckt und geben nach intensiven Abwägungen verschiedener Vorschläge weiter Geld hinein. Wir verfolgen die Idee, dass man im auch unter Berücksichtigung der kurz-, mittel- und – das Einzelfall so ein Objekt kauft – ist entscheidend – auch langfristigen Wirkungen für fol- gende Akzente entschieden: An erster Stelle steht für uns, [Christian Gaebler (SPD): Sie müssen auf den sozialen Wohnungsbau wieder vom Kopf auf die seinen Beitrag eingehen!] Füße zu stellen. Es ist absurd, dass Sozialwohnungen – Herr Gaebler! Hören Sie zu! Dann verstehen Sie das –, aufgrund des Fördersystems im Westteil der Stadt teurer weil wir damit zu tun haben. sind als ungeförderter Wohnungsbau. [Beifall bei der SPD – Wir haben im Ausschuss für Bauen und Wohnen eine Joachim Esser (Grüne): Das habt ihr beschlossen!] Anhörung zu dem Thema gemacht, und die IBB war eingeladen. Wir wollten herausfinden, ob sich im Berliner Zweitens: Mit einer veränderten Liegenschaftspolitik Senat oder bei der IBB überhaupt schon einmal jemand werden wir für Baugruppen, Genossenschaften auch in- mit diesem Gedanken beschäftigt hat, ob das schon ein- novative und soziale Wohnkonzepte in Eigenregie ver- mal jemand geprüft hat. Da hat uns die Kollegin von der wirklichen. Das Konzept der Townhouses ist ein Konzept IBB gesagt: Nein, natürlich nicht, denn die IBB könnte ja für einkommensstarke Schichten. Wir wollen etwas für keine Wohnungen verwalten. – An dieser platten Antwort mittlere und untere Einkommensschichten tun. Da erwarte konnten wir erkennen, dass weder die IBB noch der ich, Herr Esser, dass Sie zustimmen, wenn wir die Ver- Senat – und dessen Aufgabe ist das meines Erachtens – wirklichung des Möckernkiezes, wie ich hoffe, beginnen sich überhaupt damit beschäftigt haben. Mit diesem An- werden. Dieser hätte Modellfunktion und wäre gleichzei- trag wollen wir Sie zwingen, sich diesem Thema zu stel- tig ein Best-Practice-Beispiel für eine neue soziale Woh- len und in der Tat im Einzelfall solche Objekte zu erwer- nungspolitik in dieser wachsenden Metropole. ben. Rechnen Sie uns das einmal vor, und dann kommen

wir da weiter! – Danke! Die Frage ist, ob das Ziel Ihres Antrags von den Grünen in die richtige Richtung geht. Die SPD hat überhaupt [Beifall bei den Grünen – nichts dagegen, wenn sich städtische Gesellschaften bei in Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)] Insolvenz gegangenen Objekten engagieren, wenn dies günstiger als ein innovatives Neubauprojekt oder die Sanierung angekaufter, maroder Wohnungsobjekte, ob im Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Nordosten, Südwesten oder sonst in der Stadt, ist. Das ist Vielen Dank! – Jetzt hat der Kollege Dr. Heide von der wünschenswert. Das wollen wir auch. Das sollte jedoch in CDU-Fraktion das Wort. der Entscheidung der Wohnungsbaugesellschaft liegen.

Sie wollen eine generelle Regelung. Ich wage zu bezwei- Dr. Manuel Heide (CDU): feln, dass Ihr Ziel, auf diesem Weg eine Verknüpfung von Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der haushalts- und wohnungspolitischen Zielen zu erreichen, Kollege Arndt eben dem Kollegen Otto vorgeworfen hat, trägt. Wir werden aber Ihren Antrag sorgfältig im Aus- dass er anscheinend noch nicht in der Westberliner Wirk- schuss beraten. Allerdings sollten Sie Ihre Argumente lichkeit der Wohnungswirtschaft angekommen sei, erlau- erheblich schärfen. Aber ich will nicht vorschnell urteilen. be ich mir noch – – Lassen Sie uns im Ausschuss Ihren Antrag sorgfältig [Christian Gaebler (SPD): „In der Berliner Wirklichkeit“ beraten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! hat er gesagt!] [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Wir haben vom Westberliner sozialen Wohnungsbau geredet. Das ist auch ein Erbe von, ich glaube, 50 Jahren Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: sozialdemokratischer Tätigkeit auf diesem Gebiet.

Vielen Dank, Herr Kollege! – Eine Kurzintervention von Aber lange Rede, kurzer Sinn: Es wurde Fleesensee zi- Herrn Otto! tiert. Mich interessiert vielmehr ein Zitat aus Eisenach, wo der „Tagesspiegel“ den Regierenden Bürgermeister mit den Worten zitiert:

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Dr. Manuel Heide Wer nach Berlin zieht und nicht den Berliner Tun- Den Antrag, ob derartige Wohnungen vom Land Berlin nelblick hat, empfindet Berlin wegen seiner nied- aufzukaufen sind, werden wir sicherlich im Bauausschuss rigen Mieten fast als Paradies. gut beraten und uns fragen, mit welchen finanziellen Dies ist ein Zitat. Ich habe auch noch nicht gehört, dass es Größenordnungen wir dort ins Risiko gehen müssen. falsch ist. Insofern zeigt das schon, dass man vielleicht doch mit etwas gespaltener Zunge redet, wenn man auf Ich glaube, dass es prinzipiell möglich sein muss, dass der einen Seite sicherlich objektiv sagt, dass die Mieten in landeseigene Wohnungsbaugesellschaften hier günstige Berlin im Vergleich zu anderen Ballungsgebieten sehr Wohnungen erwerben, insbesondere dann, wenn ansons- niedrig sind, und auf der anderen Seite aber auf die Fehl- ten die Bürgschaften des Landes Berlin fällig geworden entwicklungen hinweist, dass die Sozialwohnungen weit- wären und wir durch Zwangsversteigerungen sogenannte aus teurer sind als normale Wohnungen. Das ist sicherlich erbbauzinslose Erbbaurechte bekommen. Das heißt, hier eine Fehlentwicklung, der es entgegenzuwirken gilt. ist zu untersuchen, und zwar jeweils am Einzelfall: Lohnt es sich für die Wohnungsbaugesellschaften oder nicht? – Darum haben wir als CDU immer gesagt: Wir möchten Aber das ist keine Entscheidung, die wir als Ausschuss für den gesamten Wohnungsmarkt und auch für die staat- treffen, sondern die jeweiligen Geschäftsführungen der lichen Wohnungsbaugesellschaften wirklich einmal ein Wohnungsbaugesellschaften, denn wir wollen kein VEB geschlossenes Konzept haben. Auf dieses Konzept, das Wohnungsbaukombinat für die Selbstbedienung von wir seit Jahren anfordern, warten wir, und ich hoffe, dass verdienten SPD-Genossen, sondern wir wollen wirtschaft- wir jetzt, wo die Debatte zum Thema Mieten Fahrt ge- lich vernünftig handelnde Gesellschaften, und diese Ge- winnt, etwas Ähnliches wie ein Konzept bekommen. sellschaften können dann auch entscheiden, ob der Zukauf Sinn hat. – Vielen Dank, meine Herrschaften! [Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP] [Beifall bei der CDU] Hinsichtlich des Ursprungsantrags, den wir im Bauaus- schuss diskutiert haben, hinsichtlich der Begrenzung der Mieten bei Neuvermietung, insbesondere bei den staatli- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: chen Wohnungsbaugesellschaften, habe ich schon beim Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat der Kolle- vorherigen Mal ausführlich Stellung genommen. Ich halte ge Doering das Wort. dies aus dem einfachen Grund für ein rein theoretisches

Problem, weil die Wohnungsbaugesellschaften ihre guten Bestände bereits veräußert haben und dies höchstens in Uwe Doering (Linksfraktion): Einzelfällen sein kann. Ich glaube, dass es eine soziale Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den Mischung verträgt, wenn ich dort die eine oder andere Antrag der Grünen zu den Neuvermietungsmieten haben Wohnung, die es wirklich von der Lage und der Ausstat- wir schon in der ersten Runde hier gesprochen, aber ich tung her hergibt, etwas teurer vermiete, als sie jetzt ist, wiederhole mich gern. Offensichtlich geht es darum, dass weil wir auf der anderen Seite von den Wohnungsbauge- wir in bestimmten Stadtteilen der Stadt bei den Neuver- sellschaften auch verlangen, dass sie sich in anderen Be- mietungen Entwicklungen beobachten, wo Mieten abge- reichen über das hinaus, was ein Privateigentümer macht, schlossen werden, die weit über dem Mietspiegel liegen. um den Kiez kümmern und in sozial schwierigen Fällen Das trifft für einen bestimmten Teil der Stadt zu, aber eine entsprechende Wohnung vermieten. Da dies noch man muss auch sagen, nicht für die ganze Stadt. In den nicht beantwortet werden konnte und wir das Konzept Gebieten, in denen die Nachfrage besteht, liegt das Woh- bisher noch nicht gesehen haben, werden wir diesem nungsangebot – das wissen wir inzwischen auch – weit Antrag weder zustimmen noch ihn ablehnen, sondern über den finanziellen Möglichkeiten breiter Berliner Be- werden uns hier wie auch im Ausschuss enthalten. völkerungskreise.

Ich vermisse allerdings von Ihnen oder vom Senat zu den Um der sozialen Verdrängung entgegenzutreten, müssen Problemen, die virulent geworden sind, eine Lösung. Herr wir für die gefragten Stadtteile und die Innenstadt mit Otto! Ich begrüße zum Teil den Antrag, den Sie hier ge- mehreren Instrumenten arbeiten und nicht nur mit einzel- stellt haben. Wir erleben, dass durch den Beschluss, die nen Forderungen, die Sie aus unserem Papier herausgrei- Nachförderung nicht zu genehmigen und die Förderung fen. Sie müssen das als Gesamtpaket begreifen. Dazu abzubrechen, in vielen Bereichen sozial schwache Mieter werde ich gleich noch etwas sagen. Hier müssen wir mit wie im Fanny-Hensel-Kiez dazu gezwungen werden, ihre mehreren Instrumenten hantieren, um das Problem stei- angestammten Kieze zu verlassen. Es gibt dort Mieterge- gender Neuvermietungsmieten anzugehen. Hier sind auch meinschaften, die sich seit Jahren zusammengefunden die städtischen Wohnungsbaugesellschaften gefragt und haben, und einen sozialen Verbund, und dank Ihrer Mie- ihr vom Senat erteilter Auftrag zu erhalten. tenpolitik werden genau die Leute, von denen Sie hier vorgeben, dass Sie für sie sind, aus ihren Wohnungen Herr Otto und Herr Heide fordern wieder einmal vom vertrieben, müssen ausziehen und sich am Stadtrand an- Senat ein Konzept, wie den mit den städtischen Woh- siedeln. Das ist eine Angelegenheit, die nicht okay ist, nungsbaugesellschaften umzugehen ist. Ich möchte Sie und da vermisse ich Ihre Antwort. diskret darauf hinweisen, dass der Senat bereits im Jahr [Beifall bei der CDU] 2007 genau dieses Konzept beschlossen hat. Darin steht

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Uwe Doering unter anderem, dass kommunales Wohneigentum eine Ich sehe in Ihrem Antrag auch, dass im Einzelfall die wichtige Rolle zur Sicherung der Versorgung für Perso- kommunalen Wohnungsbaugesellschaften Wohnungen nengruppen spielt, die aus sozialen oder anderen Gründen aus dem sozialen Wohnungsbau aufkaufen sollen. Was ist keinen gleichberechtigten Zugang zum Wohnungsmarkt hier ein Einzelfall, was ist die Regel? Über wie viele Fälle haben; also eine ganz klare Beschreibung. reden wir denn überhaupt? Gibt es da konkrete Vorgänge? Mir ist da momentan keiner bekannt. Wenn Sie welche Aber nach wie vor ist die Frage nicht geklärt, auch nicht kennen, zeigen Sie sie doch auf! in dieser Debatte, wo und in welchen Größenordnungen [Zuruf von den Grünen] von den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften nicht nur Angebote über dem Mietspiegel gemacht, sondern In Ihrem Antrag steht nichts dazu. Es ist ja vollkommen tatsächlich Verträge mit Mieten über dem Mietspiegel klar, dass Sie mit Blick auf den Fanny-Hensel-Kiez und abgeschlossen werden. Wo ganz konkret, und in welchen andere Gebiete in der Stadt solch einen Antrag gestellt Bereichen? Die wichtigste Frage ist für mich dabei: Wie haben. Das ist vollkommen logisch und durchsichtig. viele Wohnungen lassen sich über dem Mietspiegel über- Aber ob diese Lösung, eine populistische Lösung, die haupt in Berlin vermieten? Dazu liegen uns Zahlen vom richtige ist, das dürfen Sie sich ruhig einmal fragen. Ver- BBU vor. Für uns alle als Merkposten: 40 Prozent des mutlich werden Sie dann auch sagen, dass sie das über- Berliner Wohnungsbestandes werden von diesem BBU haupt nicht sein kann. verwaltet, und der stellt fest, dass bei Neuverträgen nur Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: fünf Prozent der Mieten den Mietspiegel übertreffen. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schlusssatz? Das im Antrag der Grünen beschriebene Szenario kann man ja einmal durchspielen. Nehmen wir einmal an, wir Uwe Doering (Linksfraktion): nehmen als einziges Instrument – das Sie hier auch vor- schlagen –, dass die kommunalen Wohnungsbaugesell- Ja, ich komme zum Schlusssatz. – Deswegen sollte man schaften ihre Wohnungen nur noch im Rahmen des Miet- eher darüber reden, ob man die Verdrängung aus den spiegels vermieten. Wir hätten also kein anderes Instru- Kietzen nicht dadurch verhindern oder besser gesagt ein- ment. Wenn die kommunalen Gesellschaften dem folgen dämmen kann, indem zum Beispiel die Verwaltungsvor- würden und entgegen dem Mietenmarkt die einzigen schrift zur Mietausgleichszahlung geändert wird oder wir wären, die günstigen Wohnraum anbieten, können Sie für Wohnungen aus dem sozialen Wohnungsbau wieder sich ausmalen, was da passiert. Da würden sich nicht nur eine Belegungsbindung einführen. diejenigen für diese Wohnungen bewerben, die es nötig haben, sondern natürlich auch andere, solvente Mieterin- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: nen und Mieter. Die logische Konsequenz wäre, dass die Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Wohnungsbaugesellschaften eventuell dann doch eher Kollege Weingartner. den solventen Mieter als den sozial schwachen nehmen würden. Das kann doch nicht Ziel Ihres Antrags sein! Albert Weingartner (FDP): Deswegen ist es, finde ich, besser, über Belegungsbin- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und dung in bestimmten Sozialräumen der Stadt nachzuden- Herren! Wir haben hier zu diesem Tagesordnungspunkt ken. Denkbar wäre auch – soweit noch nicht geschehen – zwei Anträge der Grünen zusammengefasst. Der erste Zielvereinbarungen mit den Wohnungsbaugesellschaften Antrag behandelt den Neuvermietungsunsinn bei öffentli- zu treffen, wonach untere Einkommensgruppen bei der chen Wohnungsbaugesellschaften. Zu diesem Antrag Vermietung besonders zu berücksichtigen sind. Wir stel- haben sich alle schon in der ersten Lesung geäußert. Sie len hohe Anforderungen an die städtischen Wohnungs- von den Grünen wollen hier Sozialpolitik zu Lasten der baugesellschaften. Unsere Gesellschaften müssen in be- Wohnungswirtschaft machen. Die Durchsetzung Ihres stimmten Lagen auch überdurchschnittliche Mieten ein- Antrags würde bedeuten: die Ausheblung des nichtöffent- nehmen dürfen, weil sie all das, was Sie von den Woh- lichen Wohnungsmarkts, aber auch des allgemeinen Bun- nungsbaugesellschaften fordern, auch irgendwie finanzie- desmietrechts, weitere Regulierungen auf dem Berliner ren müssen. Es war schon bei der ersten Beratung so: Ich Wohnungsmarkt, Sonderpflichten für öffentliche und habe gestaunt, dass die Haushälter in der Grünen-Fraktion Marktverzerrung zu Lasten der nichtöffentlichen Woh- solch einen Antrag, vor allem auch den zweiten Antrag nungsanbieter. Alles in allem wäre das eine Einschrän- über das Aufkaufen vom sozialen Wohnungsbau, über- kung der Investitionsfähigkeit in den Wohnungsbestand haupt durchgehen lassen. der jeweils betroffenen Unternehmen. [Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Insgesamt hat der Ausschuss da schon richtig gehandelt. Sie müssen sich doch einmal die Frage stellen, was das Er hat Ihren Antrag zurecht abgelehnt. Das werden wir kostet und wie die Wohnungsbaugesellschaften das finan- auch in dieser Runde so tun. zieren sollen! Das gehört auch zu dem Antrag, den Sie hier stellen. [Beifall bei der FDP] [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

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Albert Weingartner Zum zweiten Antrag über den Erwerb von Crash- rung finanziert werden soll. Diese Antwort fehlt; Sie sind Wohnungen wegen Wegfalls der Anschlussförderung ist sie mir bis heute schuldig geblieben. unsererseits zu sagen, was wir von solchen Förderpro- grammen wie eben dem öffentlichen Wohnungsbau hal- Sie haben in einem recht: Sie haben gesagt, der Senat ten: Wir halten davon sehr wenig. Insofern ist der Aus- bestehe einmal aus der Finanz- und einmal aus der Stadt- stieg aus diesem Geldfresserprogramm auch völlig rich- entwicklungsverwaltung. Die einen wollen die Mietbe- tig. grenzung und energetisch sanieren, und die anderen müs- [Beifall bei der FDP] sen darauf achten, was uns die ganze Geschichte kostet. Wir selber haben hier im Abgeordnetenhaus beschlossen, Nun wird in diesem Zuge der eine oder andere Investor dass wir unsere Gesellschaften nicht überbelasten wollen, natürlich schwach, und damit werden sicherlich Landes- sondern wir erwarten von ihnen, dass sie schwarze Zahlen bürgschaften fällig. Verschärft wird die Situation noch schreiben und nicht durch den Steuerhaushalt unterstützt durch die Kombination von Erbbaurecht und gescheiter- werden. Das ist das eine. ten Förderobjekten, weil über Bürgschaftseintritt Verluste der Pachteinnahmen eintreten, wenn die Objekte verstei- Auf der anderen Seite sagen wir auch, dass sich die Mie- gert werden und die Erbpachtzahlung dadurch wegfällt, ten im Rahmen halten sollen und dass die Erhöhung ma- weil diese Pachten nicht versteigerungsfest vereinbart ximal die Energieeinsparung betragen darf. Außerdem worden sind. Das, in Verbindung mit dem Verkauf der wollen wir energetisch sanieren. Aber bei der entschei- Bebauung unter Marktwert, muss irgendwie ein Ende dende Frage – wie soll das alles finanziert werden? – fehlt finden. Das denken wir auch. Das muss gemacht werden, bei Ihnen die Antwort. Deshalb kann man Ihren Antrag um unnötige Verluste zu vermeiden und um sozusagen auch nur ablehnen. Sie sind nämlich zu feige zu sagen, die Landeskasse zu retten. was es kostet.

Insofern ist Ihr Antrag nicht verkehrt und hat die richtigen Jetzt ist die SPD-Fraktion wenigstens schon so mutig und Ansätze. Allerdings ist für uns Liberale der Schluss, den sagt, das sei nicht zum Nulltarif zu haben. Das ist durch- Sie daraus ziehen, nämlich den Behalt im öffentlichen aus richtig. Wenn Sie davon ausgehen, dass wir Wohnungsbestand, eher verkehrt. Die Immobilienwirt- 1,9 Millionen Wohnungen – davon 1,6. Millionen Miet- schaft hat schon längst erkannt, dass ein Synergieeffekt wohnungen – in der Stadt haben, dass man etwa alle hergestellt wird, der in Geldwert zu berechnen ist, also 40 Jahre ein Haus komplett sanieren muss – jedes Jahr wenn man die Bebauung und die Erbbaupachtgrundstücke also 40 000 Wohnungen –, und wenn Sie die Differenz wieder zusammenfügt. Das könnte eine öffentliche Auf- zwischen den wirklichen Kosten der energetischen Sanie- fang- oder Einkaufsgesellschaft mit temporärer Bestands- rung und dem, was die Mieter eigentlich nur bezahlen dauer zugunsten der öffentlichen Kasse hinbekommen. sollen, also nur die Energieeinsparung betrachten, dann [Beifall bei der FDP] sind das für den Landeshaushalt jedes Jahr in etwa 320 Millionen Euro. Insofern denken wir, ist der Antrag einigermaßen tragfä- hig, wenn denn Ihr im Ziel 2 definierter Anspruch, diese Wenn wir das nicht finanzieren wollen, weil das eine Immobilien im öffentlichen Bestand zu halten, dahinge- Objektförderung ist und wir lieber eine Subjektförderung hend geändert werden würde, die Immobilien nach dem machen, nämlich nur die sozial Schwachen unterstützen Zusammenfügen als eine normale Immobilie zu veräu- wollen, dann gibt es das Zauberwort vom Klimawohn- ßern. Dadurch würden sich Synergieeffekte zugunsten der geld. Auch das kostet Geld, und wenn Sie das einmal Landeskasse ergeben. Dann könnten wir Ihren Antrag durchrechnen, sind das zwischen 40 und 50 Millionen mittragen. So, wie er jetzt gestellt ist, können wir ihn eher Euro jedes Jahr. nicht mittragen und würden ihn ablehnen. Vielleicht ha- ben wir im Ausschuss selbst noch Gelegenheit, darüber zu Solange Sie nicht die Antwort dazu geben, wie man das diskutieren und einen zustimmungsfähigen Antrag zu finanzieren kann und finanzieren muss, kann man Ihren bekommen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit! Antrag nur ablehnen – und dem werde ich mich auch anschließen. – Schönen Dank! Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Beifall bei der SPD] Vielen Dank, Herr Kollege Weingartner! – Das Wort hat der fraktionslose Abgeordnete Hillenberg. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Ralf Hillenberg (fraktionslos): Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu einer Abstimmung. Ich nehme das zum Anlass, Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen Sie zu bitten, sich alle hinzusetzen. und Herren! Sehr geehrter Herr Otto! Ich habe Ihnen zu Ihrem Antrag eine Mail geschickt, weil ich dachte, man Zum Antrag Drucksache 16/2900 empfiehlt der Fachaus- könne sich darüber ja einmal unterhalten. Ihr Antrag ist an schuss mehrheitlich gegen Grüne bei Enthaltung der CDU Populismus nicht mehr zu überbieten. Sie mogeln sich um die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch seine Zustim- die entscheidende Frage herum, wie energetische Sanie- mung zu geben wünscht, den bitte ich um das Hand-

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns zeichen. – Das ist die Fraktion der Grünen. Wer ist dage- Worum geht es? – Die jährliche Absenkung der Vergü- gen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und die FDP. tung auch für Solarstrom je nach Anlagenart und Leistung Wer enthält sich? – Das ist die CDU-Fraktion. Damit ist der Anlage ist in § 20 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes der Antrag abgelehnt. unter der Überschrift Degression geregelt. Regelmäßig zum 31. Dezember ist auch in den vergangenen Jahren die Zum Antrag Drucksache 16/3049 empfiehlt der Ältesten- Einspeisevergütung für neu installierte Anlagen gesenkt rat die Überweisung an den Ausschuss für Bauen und worden. Mit der letzten Novellierung des Gesetzes, 2008, Wohnen sowie an den Hauptausschuss. – Hierzu sehe ich kam es zu einer moderaten Anpassung der Absenkungsra- keinen Widerspruch. te, da die Preisentwicklung und die Zunahme der instal- lierten Anlagen diese Absenkung der Energieeinspeise- Ich rufe jetzt auf vergütung ermöglichte, ohne die Wirtschaftlichkeit der lfd. Nr. 4 c: Investitionsentscheidung zu gefährden. Diese Absenkun- gen sind bekannt, auch die Zusatzregelung zur Verände- a) Antrag rung der Prozentsätze um jeweils einen Prozentpunkt Solarenergie ist Arbeitsplatzmotor in Berlin – nach oben oder unten in Abhängigkeit von der installier- Kürzung der Einspeisevergütung moderat ten Leistung. So konnten sich sowohl die Anlagenherstel- gestalten! ler als auch die potenziellen Anlagenbetreiber darauf einstellen. Antrag der CDU Drs 16/3060 b) Antrag Die langfristige Planung und Finanzierung von Solar- stromanlagen sollten so auf verlässlicher Grundlage basie- Kürzung der Solarförderung bedroht ren. Seit Monaten aber breiten sich Unsicherheit und Arbeitsplätze in Berlin und Brandenburg berechtigte Proteste in der Solarbranche und bei den po- Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/3066 tenziellen Betreibern aus, denn zusätzliche Absenkungen im zweistelligen Bereich, angekündigt einmal zum April, Antrag dann zum Juli, aber vorgenommen vielleicht doch erst im Mit klarem Klimaziel in die Green Economy – Oktober, zeugen von allem anderen als von Verlässlich- Investitionssicherheit für eine innovative keit. Da ist es gut, wenn sich auch die Berliner CDU über Wirtschaft Entscheidungen Sorgen macht, die die Bundesregierung Antrag der Grünen Drs 16/3050 aus FDP und Union gegen den positiven Entwicklungs- trend in einer der Schlüsseltechnologien für Berlin fällt, Entschließungsantrag wie in ihrem heute vorgelegten Antrag und nun auch in Kürzung der Einspeisevergütung der gemeinsamen Entschließung formuliert. moderat halten Ja, es geht um eine Wachstumsbranche, um grüne Wirt- Antrag der SPD, der CDU, der Grünen und der schaft, um nachhaltige Entwicklung, um die Sicherung Linksfraktion Drs 16/3104 und den weiteren Ausbau qualifizierter Arbeitsplätze in Das ist die gemeinsame Priorität der Fraktion Die Linke Forschung und Entwicklung, in Industrie und Handwerk und der Faktion der SPD unter der lfd. Nr. 36 in Verbin- für viele Menschen, nicht nur in Berlin und Brandenburg. dung mit der lfd. Nr. 32. Als Argument für die zusätzliche Anpassung der Vergü- tungssätze wird die steigende EEG-Umlage auf den Preis [Unruhe] der Kilowattstunde bemüht, der bei ungebremster Ent- Diese angenehme Atmosphäre ist wie in einem Caféhaus, wicklung – so lautet es zumindest in der Begründung des aber wir sind in einer Plenarsitzung, und wir sind kurz vor Regierungsentwurfs – von 2,11 Cent/kWh im Jahr 2011 einer namentlichen Abstimmung. auf 2,9 Cent/kWh im Jahr 2015 steigen würde, um bis 2030 dann wiederum auf 0,5 Cent/kWh zu sinken. Bei der Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen je- Argumentation wird aber völlig unterschlagen, dass der weils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfü- Solarstrom neben dem Strom aus Geothermie immer noch gung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat den geringsten Anteil bei den erneuerbaren Energien die Kollegin Platta. aufweist. Insgesamt lag der Anteil des regenerativ erzeug- ten Stroms 2009 bei rund 16 Prozent des Stromver- Marion Platta (Linksfraktion): brauchs. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal ist [Henner Schmidt (FDP): Weil er so teuer ist!] es ja so, dass Abgeordnete bis zur letzten Minute arbeiten, Wir haben also für die Erreichung der jeweiligen CO2- und so können wir heute noch diesen Dringlichkeitsantrag Minderungsziele bis 2020 oder, wenn wir noch weiter von vier Fraktionen mitbehandeln. Mit dem jetzt vorlie- denken, bis 2050 noch ein erhebliches Maß an Arbeit vor genden Dringlichkeitsantrag werben wir im Parlament um uns. Dazu gehören auch schlüssige Konzepte und Pro- eine eindeutige Positionierung für die Fortführung einer gramme, wie sie im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die verlässlichen Förderung der Nutzung von erneuerbaren Grünen eingefordert und seit dem klimaschutzpolitischen Energien, in diesem Fall für Solarstrom. Arbeitsprogramm 2008 des Senats auch beauftragt sind.

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Marion Platta Das Energiekonzept steht kurz vor der Fertigstellung. Wir [Beifall bei der CDU] werden demnächst auch darüber debattieren können. Wir müssen zukunftsgerecht investieren und fördern,

nichts mehr und nichts weniger ist die Intention des ge- Die Forsa-Umfrage 2009 zur Akzeptanz der erneuerbaren meinsamen Antrags. Unsere Initiative ist weder planwirt- Energien belegt, dass 80 Prozent der Deutschen den schaftlich noch marktradikal, sondern an der Sache orien- Strom am liebsten aus erneuerbaren Energien beziehen tiert. wollen. [Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)] [Mirco Dragowski (FDP): Am liebsten aus der Steckdose!] Wer dazu die Beweise haben möchte – die Fakten liegen auf der Hand. Dazu braucht es die Anlagenbauer und -betreiber auch in der Solarbranche, die bei der Stromerzeugung trotz des Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist als lernendes Gesetz kostenlosen und heimischen Energieträgers, für den kein konzipiert. Das können wir jetzt auch einmal machen: kostspieliges Endlager und mit Waffengewalt abgesicher- lernen. Durch die jährliche Degression wird die Förde- te Transportwege notwendig sind, immer noch einen rung kontinuierlich abgebaut, auch in diesem Jahr. Das relativ kleinen Anteil hat – im Vergleich zur Windenergie finden wir richtig und gut. Allerdings: In den vergange- nur ein Zehntel. nen Jahren sind positive Effekte beim Solarstrom einge-

treten. Wenn wir jetzt zusätzlich deutlichen Förderungs- Das bisherige Erfolgskonzept der Solarförderung spiegelt abbau betreiben, riskieren wir die gesamten positiven sich besonders in der Verzehnfachung der Arbeitsplätze Effekte der Vergangenheit, gefährden die Entwicklung in nur sechs Jahren wider. Diesem ökologischen und beim Solarstrom, die Hersteller neu entstandener Arbeits- sozialen Zukunftsaspekt gehören die Steine aus dem Weg plätze und die deutsche Spitzenforschung, und das wollen geschafft und nicht die Knüppel zwischen die Beine ge- wir mit einer der aufstrebendsten Branchen in Berlin nicht worfen. Deshalb plädieren wir für die Abstimmung und tun. die Zustimmung zu dem Entschließungsantrag. [Beifall bei der CDU und den Grünen] [Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den Grünen] Wir haben zwischenzeitlich mehr als 5 000 Arbeitsplätze in dieser Branche in der Stadt. Viele Unternehmen wie

Solon, Sulfurcell, Inventux – um nur einige zu nennen – Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: sind heute am Weltmarkt von Berlin aus aktiv. Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege [Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Die müssen Melzer das Wort. dafür aber Millionen Euro kriegen!]

Die Nähe zu Wissenschaft und Forschung ist ein echter Heiko Melzer (CDU): Standortvorteil, den wir bewahren müssen. Deshalb freu- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht en wir uns, dass es dafür einen breiten Konsens im Haus verborgen geblieben: Auf Bundesebene findet aktuell eine gibt. neue Diskussion um die Solarförderung statt. Die CDU- Fraktion hat dazu im Abgeordnetenhaus einen Antrag Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Die inhaltlichen eingebracht, die außerplanmäßige zusätzliche Kürzung Argumente sind für uns dabei wichtiger als die Farbe des der Einspeisevergütung bei Solarstrom moderater zu Parteibuchs. Vor zwei Jahren, zu Zeiten eines Bundes- gestalten. Wir freuen uns, dass es für diese Initiative of- umweltministers der SPD, haben wir aus der Abgeordne- fensichtlich – und jetzt in einem gemeinsamen Antrag tenhausfraktion heraus eine Initiative in allen neuen Bun- mehrerer Fraktionen – eine breite Mehrheit in diesem desländern gestartet, die drastische Verkürzung der Ver- Hause gibt. gütungssätze herunterzufahren. Das machen wir jetzt wieder, obwohl sich das Parteibuch des Bundesumwelt- [Beifall bei der CDU und den Grünen] ministers geändert hat. Lassen Sie mich voranstellen: Wir teilen die Auffassung, [Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)] dass auch im Bereich der erneuerbaren Energien länger- fristig sowohl eine Unter- als auch eine Überforderung zu Wir sind für reale Projekte der Photovoltaik zu haben, ich vermeiden ist. Ein „Kohlepfennig II“, ein starres System erinnere an ein Investitionsvorhaben in Tempelhof, wo grundloser Förderung für die erneuerbaren Energien ist 34 Millionen Euro für 25 Jahre sauberen Strom investiert sicherlich falsch und hat auch nicht unsere Unterstützung. werden sollten. Wir sehen im Clean Tech Business Park in Marzahn oder für den Zukunftspark Tegel enorme Aber – damit das auch ganz klar ist – grundsätzlich muss Wachstumschancen für die Green Economy. Konkret das Verfahren nachvollziehbar und abgewogen sein und bedeutet das: Wir brauchen eine verlässliche Aussage gerade für Unternehmen mit einem klaren Planungshori- über die Förderung, wir brauchen eine Aussage, mit der zont versehen werden. Dabei bleiben Verlässlichkeit und die Solarbranche gut umgehen kann. Berechenbarkeit bei Investitionsentscheidungen Marken- zeichen der CDU.

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Heiko Melzer Meine Damen und Herren von der FDP! Ich habe eben dieses Abgeordnetenhauses sein, in der wir klar sagen – gesagt: Da gucken wir auch nicht auf das Parteibuch. ich darf das eben vorlesen –, [Andreas Gram (CDU): So ist es!] [Uwe Doering (Linksfraktion): Haben Es wäre ganz sinnvoll gewesen, wenn Sie sich in Ihrer wir alle gelesen!] Partei umgesehen hätten. Ich darf aus unterschiedlichen dass die Kürzung der Einspeisevergütung von Solaranla- Schreiben und Stellungnahmen zitieren. Patrick Kurth, gen nicht so zu kürzen ist, wie es bisher die schwarz- Mitglied des Deutschen Bundestages und Generalsekretär gelbe Bundesregierung vorsieht. Wir als Abgeordneten- der FDP Thüringen, erklärt: Wie Sie wissen bin ich in haus übernehmen Verantwortung und zeigen: Wir wollen großer Sorge, was diese Regelung anbetrifft. Nach mei- weder die Berlin-Brandenburger Solarindustrie gefährden nem Dafürhalten darf diese positive Entwicklung des und dort Arbeitsplätze abbauen noch das irgendwo anders Marktes sich nicht ausdehnen. – Die Thüringer FDP hat zulassen. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass wir einen Antrag beim Bundesparteitag eingereicht. sagen: So kann es nicht gehen. [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Waren Sie [Beifall bei der SPD – mal in Thüringen, Herr Melzer?] Vereinzelter Beifall bei der CDU, der Linksfraktion Der FDP-Wirtschaftsminister in Sachsen sagt: „Der vor- und den Grünen – liegende Berliner Kompromiss ist nicht akzeptabel.“ Uwe Doering (Linksfraktion): Deutliche Worte zur rechten Zeit!] [Andreas Gram (CDU): Aha!] Das Abgeordnetenhaus sagt damit sehr klar, dass auf Last but not least haben wir jetzt eine neue Information Bundesebene energiepolitisch nicht der richtige Weg aus der Bundestagsfraktion der FDP. Der umweltpoliti- beschritten wird. Ich freue mich, dass es möglich ist – es sche Sprecher der FDP erklärt: „Für Änderungen im par- ist nicht das erste Mal, aber es ist nur sehr selten mög- lamentarischen Verfahren sind wir offen.“ lich –, mit der Berliner CDU gemeinsam einen Antrag zu [Beifall bei der CDU] beschließen und zu sagen: Meine Damen und Herren! Ich lade Sie alle ein, bei dieser [Gregor Hoffmann (CDU): Dass das wichtigen Zukunftstechnologie für den Standort Berlin öfter möglich wäre, wissen Sie!] mitzutun: mitzutun beim Clean Tech Business Park in Wir positionieren uns gemeinsam im Interesse Berlins, im Marzahn, in Tegel, wo wir die Zukunftsindustrien ansie- Interesse der Arbeitsplätze in der Stadt und der Region, deln wollen, mitzutun dabei, ein verlässliches Verfahren gegen unsinnige Beschlüsse, die auf Bundesebene gefasst für eine wichtige Branche hier in Berlin zu finden. Wir werden sollen. Das ist schon etwas Besonderes. sind dabei, wenn es darum geht, Wirtschaft und Ökologie vereinbar zu machen. Wir stehen als CDU-Fraktion für [Beifall bei der SPD – klare – Beifall von Astrid Schneider (Grüne)] Das sollten wir betonen. Denn im Bereich der erneuerba- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: ren Energien gibt es in der Bundesrepublik Deutschland 300 000 Arbeitsplätze und davon einen nicht unwesentli- Herr Kollege! Bitte den Schlusssatz! chen Teil im Bereich der Solarindustrie insbesondere in den neuen Ländern und gerade auch in Berlin mehrere Heiko Melzer (CDU): große, innovative Firmen, die hier produzieren, die den Forschungsstandort Berlin-Brandenburg entscheidend – Positionen der Green Economy und würden uns deshalb voranbringen. Diesen großen Gewinn für unsere Region über eine breite Zustimmung freuen. – Vielen Dank! dürfen wir nicht gefährden durch eine überschnelle und [Beifall bei der CDU und den Grünen] viel zu starke Absenkung der Förderung. Ich kann mich hier den beiden Vorrednern anschließen. Das wäre ein Genickschuss für viele Firmen, das kann man so nicht Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: machen. Stattdessen müssen wir die Weichen stellen hin zu erneuerbaren Energien. Dazu ist ein Gutteil Umlage Vielen Dank, Herr Kollege Melzer! – Für die SPD- über das Erneuerbare-Energien-Gesetz notwendig. Das Fraktion hat der Kollege Buchholz das Wort. sagen vier Fraktionen dieses Parlaments. Wir sagen: Es ist

nicht der richtige Weg, auf Bundesebene zu kürzen. Er- Daniel Buchholz (SPD): neuerbare Energien können vielmehr die Perspektive sein, Meine Damen! Meine Herren! Ich glaube, uns allen ist um aus der Atomindustrie auszusteigen. noch nicht ganz klar, dass wir gleich zwar keinen großen, aber zumindest kleinen historischen Beschluss verab- Gestern mussten wir der Presse entnehmen, dass offen- schieden werden. Es wird eine gemeinsame Entschlie- sichtlich die CDU auf Bundesebene wieder diskutiert, die ßung von vier Parteien Atomkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland ins- gesamt 60 Jahre lang laufen zu lassen. Sollen wir diese [Uwe Doering (Linksfraktion): Fraktionen!] Schrottmeiler wirklich so lange hinnehmen? – Nein!

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Daniel Buchholz [Beifall bei der SPD und den Grünen] [Beifall bei den Grünen – Die Alternative sind erneuerbare Energien, die Alternati- Andreas Gram (CDU): Wahnsinn! ve ist ein anderes Leben, das auch gestaltet werden muss. Und Ihr seid nicht dabei!] Dazu muss man Kraft haben. Dafür stehen viele andere Damals hat der Deutsche Bundestag dieses Gesetz gegen Parteien. Ich freue mich sehr, dass wir mit der Solarförde- die Stimmen von CDU und FDP beschlossen und damit rung, die wir in der Form nicht kürzen dürfen, zeigen: einen Boom der erneuerbaren Energien in Deutschland Berlin zeigt Alternativen auf. Das ist sehr notwendig! ausgelöst, wie er beispiellos ist. Dieser Erfolg, 300 000 Arbeitsplätze bei den erneuerbaren Energien in Deutsch- Wenn wir auf der Bundesebene sind, schauen wir uns an, land, davon allein 80 000 in der Photovoltaikindustrie, hat was der „Kollege“ Seehofer dort macht – Kollege? Er ist auch die CDU und die FDP überzeugt, die sich heute im parlamentarischen Raum tätig. – Zunächst war die prinzipiell für ein Erneuerbare-Energien-Gesetz ausspre- CSU für die Kürzung der Solarförderung. Dann, vor we- chen. Das freut uns. nigen Tagen, wie bei anderen Themen auch, sagt Herr [Beifall bei den Grünen] Seehofer: Oh, das mit den Agrarflächensolaranlagen, da müssen wir noch einmal genau hinschauen. Wir reden heute über die geplante zusätzliche Kürzung der Energieeinspeisevergütung, die Umweltminister Rött- [Mieke Senftleben (FDP): Das kennen gen um 15 Prozent Mitte dieses Jahres umsetzen will. wir doch von ihm!]

Herr Seehofer also einmal so, dann so. Vielleicht findet Ich muss Ihnen sagen, wir Grünen haben die Kürzungen man da noch eine gemeinsame Linie, wir lassen uns über- beim EEG erfunden. Die Degression, nämlich dass die raschen. Subventionierung der erneuerbaren Energien jedes Jahr reduziert wird, das ist eine Sache, die wir von Anfang an Vielleicht haben es nicht alle mitbekommen: Am Tag, als gewollt haben und die auch so stattfindet. Jetzt geht es um bekannt wurde, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung eine zusätzliche Kürzung darüber hinaus. Wir haben hier die Solarförderung kürzen will, hat der Regierende Bür- einen Zielkonflikt: Auf der einen Seite geht es um die germeister bereits eine Pressemitteilung herausgegeben Solarindustrie in Deutschland, die von einer zusätzlichen [Gregor Hoffmann (CDU): Oh! Einspeisevergütungskürzung betroffen ist, auf der anderen Eine Pressemitteilung!] Seite geht es auch um Verbraucherinteressen. Und wir dürfen die Verbraucher mit dem EEG nicht über Gebühr und gesagt: Er als Regierender Bürgermeister lehnt diese belasten, Förderungskürzung ab, weil sie der absolut falsche Weg für unsere Region ist. Umso besser, dass wir als Abge- [Beifall von Henner Schmidt (FDP) und ordnetenhaus hier ein gemeinsame Entschließung hinbe- Sebastian Czaja (FDP)] kommen und sagen: Es ist der falsche Weg, überschnell deshalb kämpfen wir für einen guten Kompromiss. Es ist zu kürzen, überschnell Förderung zurückzunehmen. Denn Raum, angesichts der fallenden Preise für die Solarstrom- wer von uns möchte wirklich die Verantwortung dafür anlagen in den vergangenen Jahren können Solarstromer- übernehmen und demnächst vor den Toren von Sulfurcell, zeuger an guten Standorten heute hohe Renditen erwirt- Inventux und Solon stehen wollen, um Hunderten von schaften, die über das erforderliche Maß des Kaufanreizes Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu erklären: Wir hinausgehen. Deshalb wenden wir uns nicht prinzipiell haben die Solarförderung gekürzt, eure Arbeitsplätze sind gegen eine zusätzliche Kürzung der Einspeisevergütung, überflüssig. Das kann ich niemandem erklären, das will aber – und das muss klar gesagt werden –, der Plan von ich niemandem erklären, und ich freue ich sehr, dass wir Röttgen geht zu weit, schlägt zu tief. als Abgeordnetenhaus ein deutliches Zeichen setzen, dass [Beifall bei den Grünen – wir das nicht wollen. – Vielen Dank! Vereinzelter Beifall bei der SPD] [Beifall bei der SPD und den Grünen – Die Kürzung muss mit Augenmaß und mit planbaren Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Zeitschritten erfolgen und darf die Zukunftschancen der jungen, innovativen Solarbranche nicht aufs Spiel setzen. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Denn wer jetzt, wie die Bundesregierung, mit der Hau-ab- Methode auf die Solarförderung losgeht und der Atom- Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege wirtschaft gleichzeitig längere Laufzeiten von bis zu 28 Schäfer das Wort. Jahren serviert, der macht sich bewusst zum Handlanger der Energiekonzerne. Eine nachhaltige und erneuerbare Michael Schäfer (Grüne): Energieversorgung wird so reiner Klientelpolitik geopfert. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenige Meter [Beifall bei den Grünen] von hier feiert heute Abend die Grünen- Morgen wird sich der Bundesrat mit den Röttgen-Plänen Bundestagsfraktion den zehnten Geburtstag des Erneuer- beschäftigen. Es ist nicht nur das Parlament hier in Berlin, bare-Energien-Gesetzes. das sich gegen die Pläne von Norbert Röttgen ausspricht, es sind auch die Landesregierungen quer durch die Re-

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Michael Schäfer publik. Das fängt in Baden-Württemberg an, geht in ihre Kernklientel zusätzlich schieben wollen, ist auch Rheinland-Pfalz weiter und geht bis hin nach Sachsen. In keine richtige Überraschung. allen diesen drei Ländern regiert die FDP mit, ist die FDP [Beifall bei der FDP – zuständig für das Wirtschaftsressort. Sie sagt in jedem Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] dieser Länder: Die Interessen unseres Landes gehen im Bundesrat vor Parteiideologie. Deshalb verstehe ich nicht, Was mich überrascht, ist wirklich diese Art von rückgrat- dass sich die Berliner FDP diesem gemeinsamen Antrag losem dummen Klientelismus, den ich hier von Herrn aller anderen Fraktionen hier nicht anschließt. Melzer und von der CDU gehört habe. [Beifall bei den Grünen, der SPD und [Protestrufe von der CDU – der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Das müssen gerade Sie Vereinzelter Beifall bei der CDU] sagen mit Ihrer Klientelpolitik! Mövenpick! – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Ein Drittel der Solarmodulproduktion Deutschlands findet Ihr Koalitionspartner!] in der Region Berlin-Brandenburg statt. Sie müssen sich als FDP in Berlin hinter die Unternehmen in diesem Land stellen und diesem Antrag der anderen Fraktionen zu- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: stimmen. Herr Kollege! Das Wort vom dummen usw., das muss ich [Beifall bei den Grünen und der SPD] rügen. Ich möchte zitieren, was Schwarz-Gelb in Baden- Württemberg morgen im Bundesrat einbringen wird: Henner Schmidt (FDP): Die Absenkung der Vergütungssätze muss … der- Ich habe nicht Herrn Melzer kritisiert, ich habe seinen art ausgestaltet werden, dass neu zu installierenden Klientelismus dumm und rückgratlos genannt. Photovoltaikanlagen nicht unrentabel werden und ein dadurch einsetzender Markteinbruch bestehen- [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): de wirtschaftliche Strukturen zerstört. Ganz dünnes Eis!] Deshalb wenden sich Ihre Kollegen in Baden- Wir kommen zu den Fakten: Die Photovoltaik ist auch Württemberg im Interesse der Industrie in ihrem Bundes- von den erneuerbaren Energien die mit Abstand teuerste. land gegen die Röttgen-Pläne. Deshalb, Frau Platta, gibt es davon auch so wenig. Sie kostest zehn Mal mehr als konventioneller Strom und [Vereinzelter Beifall bei den Grünen] immer noch vier Mal mehr als Windstrom. Trotzdem sind Wir wünschen uns ein starkes Signal dieses Parlaments 50 Prozent der gesamten EU-Kapazität an Photovoltaik in für die Bundesratssitzung morgen. Dieser dringliche An- Deutschland. Das ist ein Erfolg des Erneuerbare-Ener- trag von vier Fraktionen, die über 90 Prozent der Abge- gien-Gesetzes. Aber das Prinzip des EEG, das Sie alle zu ordneten in diesem Haus repräsentieren, ist ein solches vergessen scheinen, ist doch, dass man erneuerbare Ener- Signal. Ich appelliere an alle, wenn es jetzt eine namentli- gie subventionieren will, damit sie nachgefragt wird, che Abstimmung gibt, auch an diejenigen in der FDP, die damit die Stückzahlen steigen, damit die Preise sinken. im Interesse ihres Landes hier agieren wollen: Stimmen Und wenn die Preise sinken, kann man die Förderung an auch Sie diesem Antrag zu! – Vielen Dank! die Kosten anpassen. [Beifall bei den Grünen, der SPD und [Beifall bei der FDP] der Linksfraktion] Genau das ist passiert: Die Preise sind um 50 Prozent gesunken, deshalb muss man jetzt endlich die Förderung an die Kosten anpassen, die realistisch sind. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Mieke Senftleben (FDP): Das ist der Markt!] Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Schmidt das Wort. Die subventionierte Solarwirtschaft selbst war der Mei- nung, dass sie überfördert ist. Deshalb verstehe ich über- haupt nicht, warum denn hier diese Anträge kommen, Henner Schmidt (FDP): wenn die Wirtschaft sogar selbst schon zustimmt, dass Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Debatte eine Absenkung stattfinden muss. zeigt doch ein ganz erstaunliches Maß an wirtschaftlicher [Daniel Buchholz (SPD): Lesen Sie mal den Antrag! – Unkenntnis bei den anderen Fraktionen. Zuruf von Joachim Esser (Grüne)] [Beifall bei der FDP] Der Antrag ist auch überflüssig, weil die Absenkung, die Dass Rot-Rot nichts davon versteht, wie man Arbeitsplät- die Bundesregierung vorschlägt, eine maßvolle ist. Dass ze schafft, das sehen wir ja in Berlin. Herr Buchholz! Sie die Absenkung maßvoll geblieben ist, dafür hat sich auch mussten sich schon vor verdammt viele Firmentore stellen die FDP auf Bundesebene eingesetzt. Die Lösung, die und den Menschen erzählen, warum ihre Arbeitsplätze dort gefunden wurde, ist, dass es einen Investitionskorri- wegfallen. Dass die Grünen gerne ein paar Milliarden an dor für die Solarenergie von 2 500 Megawatt im Jahr gibt.

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Henner Schmidt Wenn der nicht erreicht wird, wird die Förderung wieder Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): erhöht. Das heißt, diese 2 500 Megawatt werden auf jeden Ihr Nationalismus ist ja ekelhaft! – Fall kommen. Damit hat die Solarwirtschaft Investitions- Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): sicherheit. Liebe CDU! Lassen Sie sich das vielleicht Das ist Chauvinismus!] noch von Ihrem Minister erklären, dann verstehen Sie das Dann noch eine Bemerkung zum Stil der CDU. Glauben auch! Sie wirklich, Sie würden für irgendwen attraktiver als [Beifall bei der FDP –‚ Koalitionspartner, wenn Sie Ihre letzten marktwirtschaft- Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)] lichen Überzeugungen über Bord werfen und Ihrem eige- Eine höhere Förderung würde überhaupt nichts für die nen Bundesminister in den Rücken fallen? Das ist auch fußkranken Produzenten in Deutschland ändern. Wenn unanständig, was Sie da tun. ausländische Module 50 Prozent billiger sind, dann wer- [Beifall bei der FDP – den die Leute auch bei erhöhter Förderung nicht die in- Andreas Gram (CDU): Machen Sie ländischen Module kaufen, die viel teuerer sind. es mal eine Nummer kleiner!] [Beifall bei der FDP – Wenn irgendetwas von marktwirtschaftlichem Grundver- Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Ja, richtig!] ständnis in der CDU noch übrig ist, erinnern Sie sich Was Sie wollen, ist nur, dass die Chinesen mehr Geld einmal an Ludwig Erhard, das ist – für die, die es nicht verdienen, das werden Sie mit Ihrer erhöhten Förderung wissen – der Mensch, nach dem Sie Ihre Bundeszentrale erreichen. benannt haben! [Beifall bei der FDP – [Gregor Hoffmann (CDU): Ganz tolles Niveau, Christoph Meyer (FDP): Genau!] wenn das Ihre Argumente sind!] Das schafft keinen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz in Da muss derjenige, der sich daran erinnert, jetzt auch das Deutschland. Rückgrat haben, nein zu diesem Subventions- und Klien- telantrag zu sagen. Die deutsche Solarindustrie, die innovativ ist, ist keines- wegs gefährdet. Durch die Dauersubventionen sind nur Wenn jemandem in der CDU-Fraktion noch die Interes- einige wenige deutsche Solarunternehmen schlicht nicht sen der Verbraucher am Herzen liegen, Frau Seibeld, auch mehr wettbewerbsfähig, weil sie fett und träge und faul dann müssen Sie jetzt zu diesem Antrag nein sagen. geworden sind durch das Subventionsdoping. [Beifall bei der FDP] [Beifall bei der FDP – Um das zu sehen, ob Sie wirklich noch auf den grundsätz- Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): So ist das!] lichen Überzeugungen der CDU stehen – Andere effiziente Unternehmen werden das überleben. Es gibt einige, die jetzt sogar investieren werden. Das zeigt, Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: dass die Industrie stabil ist. Um diese Unternehmen, die Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege Schmidt! innovativen, soll sich die CDU kümmern und nicht um die Subventionszocker. Henner Schmidt (FDP): [Beifall bei der FDP] – und ob Sie wirklich noch etwas für die Verbraucher tun Die CDU hat noch erwähnt, was es an wirtschaftlichen wollen, haben wir eine namentliche Abstimmung bean- Nebeneffekten gibt. Ich nenne ein paar Zahlen für Berlin. tragt. Wir werden sehen, wie die ausgeht. – Vielen Dank! Bei uns wurden 2009 3 Megawatt Photovoltaik installiert, in Bayern 572. Deshalb ist auch Herr Seehofer für diese [Beifall bei der FDP – Subventionierung. Das bedeutet aber, dass 150 Millionen Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Euro im Jahr von armen Berliner Bürgern an bayerische Es ist ziemlich peinlich! – Solarprofiteure fließen. Zuruf von Andreas Gram (CDU) – Uwe Goetze (CDU): Die FDP [Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Pfui Deibel!] hat Phantomschmerzen!] Das, was die CDU und die anderen Fraktionen da fordern, ist in Wirklichkeit ein umgekehrter Finanzausgleich. Das arme Berlin subventioniert in Zukunft das reiche Bayern. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Beifall bei der FDP] Herr Kollege Schäfer hat das Wort zu einer Kurzinterven- tion. Es ist ja schön, Industrie und Handwerk zu fördern, aber liebe CDU, muss es denn wirklich die chinesische Indust- rie und das bayerische Handwerk sein, das Sie fördern? Michael Schäfer (Grüne): Könnten Sie vielleicht etwas für Berlin tun? Geschätzter Kollege Henner Schmidt! Drei Anmerkun- [Beifall bei der FDP – gen: Erstens: Den Klientelismusvorwurf aus dem Mund Gregor Hoffmann (CDU): Beides! –

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Michael Schäfer eines Vertreters der Mövenpick-Hotelübernachtungs- Deshalb ist die maßvoll und zumutbar. Wie gesagt, wir steuersenkungspartei, der ist schon absurd. stehen dafür, dass wir sagen, es soll einen Ausbau der [Beifall bei den Grünen und der SPD – Photovoltaik geben. Das ist dort in den Absichten auch Vereinzelter Beifall bei der CDU – festgelegt, dass es einen Mindestkorridor gibt, der garan- Christoph Meyer (FDP): Das ist billig!] tiert wird. Und dann wird sich die Industrie im Wettbe- werb darum bemühen, wer dann diese Module liefert. Ich Zweitens: Sie müssen sachlich schon redlich bleiben. Wir bin natürlich froh, wenn das von Berliner Unternehmen haben eben nicht gefordert, keine zusätzliche Absenkung kommt, aber dazu müssen sie wettbewerbsfähig sein. dieser Förderung zu machen, sondern wir haben gefor- Wenn man sie zu sehr subventioniert, dann sind sie nicht dert, nicht in dieser Höhe und nicht in dieser Form. Wenn wettbewerbsfähig, und dann werden sie auf Dauer auf Sie hier die Solarindustrie zitieren, dann zitieren Sie die dem Weltmarkt auch keinen Bestand haben. Das, was Sie auch richtig. Volko Löwenstein, der Chef von Inventux in immer über die Automobilindustrie sagen, dass die ir- Berlin, hat gesagt: Sowohl Zeitplan als auch die Höhe der gendwann mal verpasst hat, die richtigen Produkte zu Absenkung halten wir für völlig überzogen. – Und da hat entwickeln, das gilt eben leider auch für die Solarindust- er recht. rie. Die muss jetzt auch aufpassen, dass sie nicht vom [Beifall bei den Grünen – technischen Fortschritt in der Geschichte überholt wird. – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU – Vielen Dank! Zuruf von der FDP: Was die Verbraucher [Beifall bei der FDP] teuer zu stehen kommt!]

Ein dritter Punkt noch – Ihr Vorwurf der wirtschaftlichen Inkompetenz: Ich gebe Ihnen die Empfehlung, da beim Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg, FDP- Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Ab- Mitglied, bei Ihren FDP-Kollegen in Sachsen und beim stimmung. Es ist eine namentliche Abstimmung über den Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz, FDP-Mitglied, Entschließungsantrag von vier Fraktionen beantragt wor- ein bisschen Nachhilfe zu nehmen. Die sind nämlich der den. Zu diesem Tagesordnungspunkt bitte ich erstens den Meinung der anderen Fraktionen in diesem Haus, weil die Saaldienst, die vorgesehenen Tische aufzustellen. Zwei- Solarförderungskürzung, wie sie derzeit geplant ist, wirt- tens bitte ich die Beisitzerinnen und Beisitzer nach vorn. schaftsfeindlich ist. Und das ist mit uns hier in Berlin Eine namentliche Abstimmung ist mit Namensaufruf nicht zu machen. Ich hoffe, auch einige FDP-Abgeordnete durchzuführen. Ich bitte ein Mitglied des Präsidiums, die besinnen sich noch auf die Interessen des Landes Berlin. Namen der Abgeordneten aufzurufen. Die Stimmkarten [Beifall bei den Grünen, der SPD und der CDU – werden durch Präsidiumsmitglieder ausgegeben. Viertens Zuruf von der FDP: Nein, bestimmt nicht!] weise ich darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe erst nach Namensaufruf möglich ist. Nur so ist ein rei- bungsloser, geordneter Wahlgang möglich. Fünftens: Sie Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: finden Urnen vor, die eindeutig gekennzeichnet sind. Es gibt Urnen für Ja-Stimmen, Nein-Stimmen und Enthal- Das Wort zur Erwiderung hat der Kollege Schmidt. tungen sowie die nicht benötigten restlichen Karten und Umschläge. Nun bitte ich, mit dem Namensaufruf zu Henner Schmidt (FDP): beginnen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schäfer! [Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten] Ich habe vorhin an Ihrer Rede geschätzt, dass Sie etwas Meine Damen und Herren! Hat jeder seine Stimme abge- differenzierter waren. Zum Thema Klientelismus: Bei den geben? – Ich gehe davon aus, dass jeder abgestimmt hat. 3 Milliarden, die pro Jahr in die Solarförderung fließen, Dann unterbreche ich die Sitzung für die Auszählung bis das ist ein Maßstab, der ist mit Hotelsubventionen in 18.10 Uhr. keinster Weise zu vergleichen. Da reden wir über ganz andere Größenordnungen. [Auszählung] [Beifall bei der FDP – Meine Damen und Herren! Wir setzen die Sitzung fort, Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne) – und ich gebe Ihnen zunächst einmal das Ergebnis der Özcan Mutlu (Grüne): Peinlich!] Abstimmung bekannt: Abgegebene Stimmen: 148 Und wir reden auch bei den Kürzungen über andere Grö- Ja-Stimmen: 136 ßenordnungen. Allein durch das, was jetzt im Entwurf der Nein-Stimmen: 12 Bundesregierung steht, durch die Verrechnung des Eigen- Enthaltungen: keine. verbrauchs, kommen wir zu einer Kürzung, die real für Damit ist der Antrag angenommen. die meisten Anbieter in einer Größenordnung von 8 und nicht 16 Prozent ist. [Beifall bei der SPD, der CDU, den Grünen und der Linksfraktion] [Gregor Hoffmann (CDU): Die FDP im Bund will sich doch bewegen!] Nachdem dieser Antrag eine Mehrheit erhalten hat, ziehen die Fraktion der CDU den Antrag auf Drucksache

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns 16/3060 und die Koalitionsfraktionen den Antrag auf chen der Gewalt genauer zu erforschen und neue präven- Drucksache 16/3066 zurück. tive Ansätze zu finden. Da ist ihm zuzustimmen!

Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Angelegentlich dessen sollten wir uns ansehen, was der Drucksache 16/3050 – Stichworte: Green Economy – abwesende Senator Körting in dieser Angelegenheit empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung federführend macht. Seit dem Jahr 2006 hört man von Herrn Körting an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbrau- im Grunde eine Beschwichtigungspolitik. Seit etwa dem cherschutz sowie mitberatend an den Ausschuss für Wirt- November 2009 ist er in eine Art Ächtungspolitik überge- schaft, Technologie und Frauen. – Dazu höre ich keinen gangen. Da heißt es dann plötzlich: Linksextreme Gewalt- Widerspruch. taten müssen stärker geächtet werden. – Ab dem Dezem- ber 2009 ging er dann zum Faschistenvergleich über. Das Ich rufe nun auf Stichwort ist hier „rotlackierte Faschisten“. Die Frage ist lfd. Nr. 4 d: nur: Es geht ja nicht um markige Worte, sondern die Fra- ge, die dieser Senat beantworten muss, lautet: Was hat er Antrag eigentlich konkret gegen linksextreme und linksextremis- Für ein tolerantes Berlin, gegen politischen tische Gewalt getan? Extremismus (I) – linke Gewalt endlich wirksam [Beifall bei der FDP und der CDU] bekämpfen Herr Körting hat einmal im Interview mit dem „Tages- Antrag der FDP Drs 16/3068 spiegel“ – am 11. Juli 2009 – gesagt: „Man darf sich nicht in Verbindung mit mit Leuten verbünden, die der Gewalt nicht abschwören.“ Entschließungsantrag [Andreas Gram (CDU): Wo ist denn der Herr Senator?] Linksextremistische Gewalt und Brandanschläge müssen geächtet und dürfen nicht politisch – Sie stellen die Frage zu Recht, Herr Gram! Aber er gerechtfertigt werden scheint dieser Debatte nicht beiwohnen zu wollen. – Da darf man sich zu Recht fragen: Was ist denn die größte Antrag der FDP Drs 16/3105 Form von „sich nicht mit Leuten zu verbünden“? – Die [Unruhe] größte Form, sich nicht mit Leuten zu verbünden, ist die, mit ihnen zu koalieren. Herr Staatsekretär Schmitz! Ich tue es nicht gerne, aber es ist doch etwas störend. Verzeihen Sie! [Beifall bei der FDP] Denn genau das tut die SPD und koaliert mit der Links- Für die gemeinsame Beratung stehen den Fraktionen fraktion, die sich zumindest dadurch auszeichnet, dass jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Für die FDP- sich zum Beispiel eines der Mitglieder der Linksfraktion, Fraktion hat Kollege Jotzo das Wort. – Bitte sehr! Frau Evrim Baba, auf der von ihr mit dem Motto „Gegen Nazis, Staat und Kapital“ angemeldeten Silvio-Meier- Björn Jotzo (FDP): Gedenkdemo nicht von der Antifa abgegrenzt hat. Selbst- verständlich nicht, wie Frau Baba sagte. Die Antifa for- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten derte spontane Angriffe auf sogenannte Bullen im Kiez Jahren haben die linksextremistisch motivierten Gewaltta- und geplante Aktionen wie zum Beispiel den Angriff auf ten in Berlin signifikant zugenommen. Dabei ist festzu- eine sogenannte Bullenwache in Lichtenberg als positive stellen, dass die ca. 1 100 Personen umfassende gewaltbe- Gegenwehr. reite Berliner linksextremistische Szene immer noch ver- sucht, ihre politischen Vorstellungen mit einem immer [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Billige größeren Ausmaß an Gewalttaten in den Fokus der Öf- Polemik!] fentlichkeit zu rücken. Berlin ist – so kann man leider Wenn man sich – wie die SPD-Fraktion hier – gemein konstatieren – die Hauptstadt des Linksextremismus. Fast macht, dann muss man sich nicht wundern, wenn es in täglich erleben wir Angriffe, entweder auf Kraftfahrzeu- Berlin nicht gelingt, eine vernünftige Position gegenüber ge, Restaurants, Bauprojekte, auf Polizeiwachen, Ge- dem Linksextremismus zustande zu bringen. werkschaften oder auf Menschen, insbesondere auf Poli- zeibeamtinnen und -beamte. Solche Gewalt, ob nun unpo- [Beifall bei der FDP und der CDU] litisch oder politisch, ist für die FDP-Fraktion völlig inak- Das Gleiche gilt leider in einigen Teilen für die Grünen. zeptabel. Da muss man konstatieren, dass gerade dort und in der [Beifall bei der FDP und der CDU] grünen Landespartei Schwierigkeiten bestehen, das Ver- hältnis zu Gewalt zu klären. Wenn ich mir noch einmal Das hat auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz das Echo auf die Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden gestern wieder in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ fest- Volker Ratzmann in Erinnerung rufe, der das linksextre- gestellt. Er forderte, das Problem des Linksextremismus me Gewaltphänomen als „Feierabendterrorismus“ und genauer ins Visier zu nehmen. Angesichts der alarmieren- „Kiez-Taliban“ bezeichnet und das auf die Frage, ob man den Zahlen gelte es – so seine Ausführungen –, die Ursa- einer allgemeinen Verdammung von linker und rechter

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Björn Jotzo Gewalt in Neukölln zustimmen kann, dann zeigt sich, verarbeitet worden. Alles ist unter die Überschrift „Be- dass die Grünen hier selbst offensichtlich nicht mehr kämpfung linksextremistischer Gewalt“ gepackt worden. genau wissen, auf welcher Seite, auf der des Rechtsstaates Es ist auch eher schlampig zusammengeschrieben wor- oder der der Gewalttäter, sie im Einzelfall stehen. den. Ich darf einige Stellen zitieren: [Beifall bei der FDP – Der Senat muss an den Schulen den Linksextre- Benedikt Lux (Grüne): Das ist doch albern!] mismus stärker berücksichtigen Ich will noch zu dem uns heute von allen anderen Frakti- [Heiterkeit bei den Grünen und der onen im Parlament vorgelegten Antrag, der von den Frak- Linksfraktion] tionsvorsitzenden unterzeichnet wurde, Folgendes sagen: – berücksichtigen! – Hier geht es darum, Brandanschläge als keinen Ausdruck des politischen Handelns zu verurteilen. Ich frage Sie: und angesichts dessen an den Schulen Comicbro- Warum verurteilen Sie nur Brandanschläge, warum verur- schüren zu linksextremer Gewalt verteilen, teilen Sie nicht Körperverletzung, Mordversuche, Land- – Jetzt kommt die Begründung! – friedensbruch, Hausfriedensbruch, all diese Dinge? Da wundere ich mich sehr, dass darüber kein Konsens zu- um diese Inhalte jugendgerecht zu vermitteln. stande gekommen ist. [Dr. Felicitas Tesch (SPD): Damit die Jugendlichen [Beifall bei der FDP] wissen, wie es geht!] Wir legen Ihnen deshalb einen umfassenden Antrag vor, Dass die FDP einen Bedarf hat, sich per Landesparteitags- der fünf wesentliche Forderungsbereiche enthält. Ich beschluss von Gewalt zu distanzieren, ist angesichts sol- freue mich sehr darauf, sie mit Ihnen im Innenausschuss cher missverständlicher Äußerungen nachvollziehbar. Das zu debattieren. gilt aber nicht für die anderen Fraktionen hier im Haus. [Beifall bei der SPD, den Grünen Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: und der Linksfraktion] Herr Kollege! Ihre Redezeit ist abgelaufen! Was mir auch neu war, ist, dass die Gewalt im ÖPNV ein Problem linker Gewalt ist. Was Sie da hineingemixt ha- ben, das vermag ich nicht nachzuvollziehen. Vielleicht Björn Jotzo (FDP): können Sie uns das im Ausschuss noch einmal erklären. Ich gehe davon aus, dass das einen wichtigen Beitrag zur Die FDP, die in den Hauhaltsberatungen noch Grund- Debatte leisten wird. Wir werden Gelegenheit haben, uns rechtsschutz mit Ressourcenknappheit bewirken wollte, damit noch eingehend zu befassen. – Vielen Dank! sagt jetzt: Der Senat muss den Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern in gewaltbereitem extremistischem [Beifall bei der FDP – Milieu verstärken. Einfach mal so pauschal: verstärken. Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wie man ein so Das ist ein Rechtsstaatsverständnis, dem ich nicht folgen ernstes Thema so gaga abhandeln kann, kann. ist mir wirklich ein Rätsel!]

Ganz gefährlich wird Ihr Ansatz, den Sie noch einmal in Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: dem Dringlichkeitsantrag vertreten, wenn Sie sagen: Wenn Extremisten bestimmte Themen ansprechen, dann Vielen Dank! – Herr Kollege Kleineidam hat nun das darf man auf diese Themen nicht eingehen. – Wenn beim Wort für die Fraktion der SPD. nächsten Brandanschlag ein Bekennerschreiben auftaucht, in dem gesagt wird, dass er erfolgt, um eine Mehr- Thomas Kleineidam (SPD): wertsteuersenkung für Hoteliers durchzusetzen, dann wird sich die FDP auch nicht von ihrer Politik abbringen las- Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Her- sen. Wenn Gewalttäter politische Themen ansprechen, die ren! Es ist selten, dass man gleich mit mehreren Papieren sehr wohl auf der Agenda sind, wo wir auch in der Ver- an das Rednerpult treten muss, aber in der Debatte heute pflichtung stehen, sich ihrer anzunehmen, dann darf man gab es so viele Aktualisierungen, die mitzubedenken sind, daraus nicht den Schluss ziehen, dass diese Themen nicht dass ich um Verständnis dafür bitte. mehr angesprochen werden dürfen. Damit geben Sie Extremisten ein Mittel in die Hand, die politische Diskus- Herr Jotzo! Sie haben zu Recht daraufhingewiesen, dass sion zu bestimmen. Das ist nicht akzeptabel. Ich glaube, wir eine drastische Steigerung von Straftaten aus dem da sollten Sie Ihren Ansatz noch einmal überaus gründlich linksextremistischen Bereich haben. Das ist erschreckend, überdenken. das ist auf das Schärfste zu verurteilen! Das, was Sie – die FDP-Fraktion – heute vorgelegt haben, ist ein Maßnah- [Beifall bei der SPD, den Grünen menkatalog, bei dem man sich fragt, was er mit dem und der Linksfraktion] Thema zu hat. Da ist offensichtlich alles, was Ihnen ein- Bei allem Streit um die einzelnen Maßnahmen zwischen fällt, was wir an sicherheitspolitischen Themen im weites- Opposition und Regierung, zwischen den unterschiedli- ten Sinn in den letzten Monaten angesprochen haben, chen Fraktionen in diesem Haus, der sein muss, der in der

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Thomas Kleineidam Demokratie dazugehört, ist es wichtig, dass es einen Kon- Fragen der Verteilung und, wie Sie ganz richtig gesagt sens der Ablehnung von Gewalt gibt. Ich bin deshalb haben, die Verteilung insbesondere des Ressourceneinsat- froh, dass vier Fraktionsvorsitzende in diesem Haus heute zes bei Großlagen. Denn wir haben in der Vergangenheit eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht haben, in der gesehen, Herr Kleineidam, es nützt auch nichts, das hin- sie diesen Konsens der Demokraten zum Ausdruck brin- wegzureden, dass gerade am 1. Mai, wie Insider sagen, gen. auf den Polizeiwachen absolutes Chaos herrschte, sodass [Beifall von Ülker Radziwill (SPD) und wir tatsächlich in einigen Bereichen nicht gewährleisten Dr. Felicitas Tesch (SPD)] konnten, dass dort eine ordnungsgemäße Beweiskette aufrechterhalten werden konnte, und leider gerade bei Das ist die angemessene Antwort auf die Fragen, die sich schwersten Straftaten, wie ich hinzufügen möchte. Und stellen. Ich bedauere es zutiefst, dass sich die FDP nicht das kann nicht sein. in der Lage gesehen hat, mitzumachen, diesen Konsens mitzutragen. Herr Jotzo! Wenn Sie sagen, Ihr Dringlich- [Beifall bei der FDP] keitsantrag umfasst mehr Themen als Brandanschläge – Der zweite Teil der Forderungen beschäftigt sich damit, vielleicht hatten Sie nicht genügend Zeit. In der Über- dass wir sympathisierendes Täterumfeld zurückdrängen schrift der gemeinsamen Erklärung ist von Brandanschlä- wollen. Dazu gehört eben ein Ansatz, wie sich die Poli- gen die Rede. Dann folgt allerdings, dass Angriffe auf zei – – Polizeistationen und Jobcenter und Baustellen verurteilt werden. Ihr gerade vorgetragener Vorwurf, der stimmt so Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: einfach nicht. Herr Kollege Jotzo! Ich tue es nicht gern, aber Sie sollten Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen: Und auf den Vorredner eingehen. auch da unterschiedet sich der Ansatz der FDP entschie- den von dem der anderen vier Fraktionen. Sie schreiben in Björn Jotzo (FDP): Ihrem Antrag: Herr Präsident! Herr Kleineidam hat uns vorgeworfen, Der Senat muss bei Großlagen sicherstellen, dass dass der Inhalt dieses Antrags keine wirksame Problemlö- hinreichende polizeiliche Kapazitäten auf der Stra- sung darstellt. Ich sehe es als notwendig an, darauf zu ße vorhanden sind. replizieren. Und Sie führen weiter aus: [Zuruf von der Linksfraktion: Nee! – Der Senat muss sicherstellen, dass bei linken Ge- Beifall bei der FDP] waltdelikten eine genaue Beweissicherung und ei- ne ordnungsgemäße Sachbearbeitung zum Zweck der Strafverfolgung erfolgt. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Damit unterstellen Sie der Berliner Polizei, dass sie bei Ich finde, Sie haben die intellektuellen Mittel, das eine linksextremistischen Straftaten nicht ordentlich ihre Ar- mit dem anderen zu verbinden. beit macht. Ich weiß nicht, was Anlass ist für diese Dis- kreditierung der Polizeiarbeit. Dagegen sagen vier Frakti- Björn Jotzo (FDP): onsvorsitzende eindeutig: Sie unterstützen die Arbeit der Polizei und der Justiz. Ich denke, das ist das angemessene Gut! – Herr Kleineidam! Ich denke, wir werden uns über Signal, nicht die Diskreditierung unserer Sicherheitsbe- den Inhalt noch im Ausschuss unterhalten. Ich will nur hörden, wie die FDP sie vornimmt. – Vielen Dank! auf das replizieren, was Sie noch gesagt haben: Wir wür- den Extremisten Mittel in die Hand geben mit dem, was [Beifall bei der SPD, den Grünen und wir hier fordern. – Das ist doch völliger Unsinn. Das der Linksfraktion] Einzige, was Extremisten in die Hand spielt, ist, wenn Sie es nicht schaffen, als Koalitionsfraktionen Extremismus wirksam zu bekämpfen. Und genau damit beschäftigt sich Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: unser Antrag. Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Jot- zo. Als Letztes haben Sie die gemeinsame Erklärung der Fraktionsvorsitzenden erwähnt. Da kann ich nur sagen, Herr Kleineidam: Ich bin nicht überzeugt, dass das, was Björn Jotzo (FDP): Sie dort gemeinsam mit der CDU und den Grünen entwi- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kleinei- ckelt haben, tatsächlich geeignet ist, hier alle Probleme dam! Sie geben mir Gelegenheit, noch einmal auf die anzusprechen. Und das muss im demokratischen Wett- wesentlichen Punkte, die Sie kritisiert haben, einzugehen. streit erlaubt sein, dass man sagt: Das überzeugt uns nicht. In der Tat enthält unser Antrag eine ganze Reihe von sehr Und wenn man sich tatsächlich bei einer solchen Frage wichtigen Maßnahmen. Der erste Teil des Antrags be- darauf beschränkt, dass man eine Erklärung der Frakti- schäftigt sich mit der Ausstattung der Polizei. Da geht es onsvorsitzenden herbeiführt, die sich ausschließlich mit in erster Linie um die Stellenausstattung, aber auch um Brandanschlägen beschäftigt, dann muss ich sagen, Herr

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Björn Jotzo Kleineidam, ich erwarte mehr. Ich erwarte mehr von Dr. Robbin Juhnke (CDU): Ihnen als Regierungskoalition, aber ich erwarte auch mehr Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! von den anderen Fraktionen der anderen Oppositionsfrak- Bezug nehmend auf den Ursprungsantrag der FDP kann tionen hier im Haus. Ich erwarte, dass jeder Einzelne in ich nur sagen: Herr Jotzo! Willkommen im Club im diesem Haus sich zu einem solchen Komplex erklärt, dass Kampf gegen Links! Von daher ist es interessant, dass Sie jeder Einzelne in diesem Haus zu diesem Sachkomplex versuchen, an der Stelle noch Nachhilfeunterricht zu Stellung nimmt und sich nämlich zu den Werten bekennt, geben. Den haben wir allerdings nicht nötig. Denn wir die wir – Sie und ich – für selbstverständlich halten. Aber haben uns schon in der Vergangenheit vielfach dagegen ich habe – das muss ich sagen – aufgrund der politischen ausgesprochen. Vergangenheit Zweifel, dass das wirklich von allen mit- getragen werden wird. Deswegen ist es wichtig, dass wir [Beifall bei der CDU] uns alle gemeinsam mit einer solchen Erklärung beschäf- Der Antrag ist ja, auch wenn es sich um eine bunte tigen. Und genau das beabsichtigt der Antrag, den wir Sammlung handelt und sich teilweise eher wie ein Wahl- eingebracht haben. Alle werden Gelegenheit haben, sich programm liest, durchaus vollkommen richtig und hat dazu zu erklären. – Vielen Dank! auch das Verdienst, dass er die Maßnahmen alle einmal [Beifall bei der FDP] zusammenfasst. Insofern begrüßen wir selbstverständlich den Antrag. Umso trauriger ist, dass wir diese Diskussion

über diese gemeinsame Erklärung haben, denn Sie versu- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: chen, sie auf Brandanschläge zu reduzieren. Aber wenn Vielen Dank, Herr Kollege! Ihre Zeit ist abgelaufen. – ich daraus zitiere und lese, im Gegenteil: Das Wort zur Erwiderung hat der Kollege Kleineidam. Gewalt ist kontraproduktiv und erschwert den notwendigen politischen Dialog über soziale Ver- Thomas Kleineidam (SPD): antwortung in den Stadtteilen. Wer sozialen Zu- sammenhang will, muss Gewalt ablehnen. Herr Jotzo! Das ist vielleicht der Unterschied zwischen vier Fraktionen in diesem Haus und der FDP-Fraktion. In Ich denke, das ist deutlich. Und das ist auch eine Aussage, vier Fraktionen gibt es Fraktionsvorsitzende, die für ihre die getroffen wird von Parteien, wo bisher nicht immer Fraktionen sprechen und die Erklärungen nach außen klar war, wie genau das Verhältnis dazu aussieht. Und das abgeben können. Ich weiß nicht, in der FDP-Fraktion ist ist schon einmal ein Fortschritt, das vielleicht anders. [Beifall bei der CDU – [Beifall bei der SPD, den Grünen und Vereinzelter Beifall bei den Grünen] der Linksfraktion] wobei ich deutlich sage: Eine Schwalbe macht noch kei- Nicht zugehört haben Sie mir leider, als ich Sie darauf nen Sommer. Darauf komme ich im Lauf meiner Ausfüh- hingewiesen habe, dass in der Überschrift von Brandan- rungen noch zu sprechen. Wir werden das ganz genau schlägen die Rede ist, dass in der gemeinsamen Erklärung überprüfen, was dort passiert. Ich bin nicht naiv und lasse aber auch andere Taten angesprochen werden. Sie bleiben mich nicht einlullen von einer Erklärung, sondern ich weiterhin bei Ihrer Behauptung, es ginge nur um Brand- werde ganz konkret Handlungen erwarten und einfordern anschläge. Recht haben Sie, dass eine solche Erklärung an der Stelle, denn linke Gewalt ist nach wie vor für nicht alle Probleme löst. Das ist aber nicht der Sinn einer 90 Prozent der politisch motivierten Gewalttaten in dieser solchen Erklärung, sondern hier geht es darum, dass die Stadt verantwortlich. Und das muss man auch deutlich demokratischen Parteien, die in diesem Abgeordneten- machen. haus vertreten sind, deutlich machen, dass sie bei allem Streit in der Sache gemeinsam Gewalt als Mittel der poli- Dennoch hat sich der gesellschaftliche Fokus bisher fast tischen Auseinandersetzung ablehnen. ausschließlich auf das Phänomen der rechten Gewalt erstreckt. Nun hat die Bundesregierung erstmals zaghafte [Beifall bei der SDP, der CDU und den Grünen] Schritte bei der Umschichtung der Mittel zur Bekämpfung Diese Gemeinsamkeit ist die entscheidende Botschaft extremistischer Einstellungen vorgenommen. Insgesamt dieser Erklärung, und die ist wichtig bei dieser Problem- sind es 24 Millionen Euro, und davon werden nun ganze stellung. Schade, dass die FDP sich dazu nicht in der Lage 2 Millionen für Programme gegen Links verwendet. Das gesehen hat. kann nur ein Anfang sein. Aber schon ist der Aufschrei da in der linken Szene, es gebe jetzt ein gesellschaftliches [Beifall bei der SPD, den Grünen und Klima für Repression gegen Links. Das ist der Aufschrei der Linksfraktion] derjenigen, die um ihre Staatsknete fürchten, der Auf- schrei derjenigen, die sich, Maserati-Harry gleich, Mase- rati-Harry des Antifaschismus sozusagen, eingerichtet Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: haben in ihren Projekten und Weltverbesserungsmaßnah- Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der men. Kollege Juhnke.

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Dr. Robbin Juhnke Damit eins klar bleibt: Die Bekämpfung des Rechtsex- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: tremismus ist die unabdingbare und lebensnotwendige Entschuldigung, Herr Kollege! Sie müssen zu Ihrem Aufgabe für unsere Demokratie. Und jeder, der tatsäch- Schlusssatz kommen! lich dazu beiträgt, der ist willkommen. Doch viele derje- nigen, die sich unter diesem Deckmäntelchen des Antifa- schismus tummeln, vertreten für die freiheitlich-demo- Dr. Robbin Juhnke (CDU): kratische Grundordnung genauso wenig wünschenswerte Ich möchte zum Abschluss an einen Regierenden Bür- Ansichten wie diejenigen, die sie eigentlich bekämpfen germeister erinnern, der deutlich mehr Format hatte als sollen. Demonstrationen von Links richten sich grund- der amtierende. Richard von Weizsäcker hatte den Mut, in sätzlich auch gegen den Faschismus. Damit hat man sich einer Situation, in der sich die Hausbesetzungen in Berlin den Persilschein geholt, um nebenbei auch zu den eigent- stark zugespitzt hatten, gleichzeitig mit Härte und Entge- lichen Hauptanliegen des Protests zu gelangen, nämlich genkommen zu reagieren. Im „Tagesspiegel“ hieß es der Bekämpfung von Staat und Kapital. dazu:

Bei diesen Organisationen sitzt mittendrin wie eine Krake Weizsäcker verteidigt die Räumung, lädt aber die Linkspartei. Und deswegen werden wir ganz genau zugleich alle gesellschaftlichen Kräfte zu einem beobachten, wie Sie es denn halten mit der Gretchenfrage Gespräch an einem Runden Tisch ein, und alle und mit der Gewalt, meine Damen und Herren! Denn Sie kommen und tragen dazu bei, die explosive Situa- sind ja schon wieder dabei, als linke Sozialingenieure tion in eine Atmosphäre der Mäßigung überzulei- unterwegs, die Menschheit mit Ihrem neuen Wirtschafts- ten. programm zum Glück zu zwingen. Sie wollen den Sozia- Einen solchen Mut zur Offenheit haben Sie nicht. Sie tun lismus auf demokratischem Wege einführen. alles nur zum Machterhalt Ihrer Koalition. – Vielen Dank! [Zurufe von der Linksfraktion] Ich frage mich allerdings, welche Bevölkerung denn so Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: verrückt wäre, nach all den Erfahrungen mit dem weltweit Vielen Dank, Herr Kollege! – Das Wort für die Linksfrak- gescheiterten Sozialismus freiwillig und mehrheitlich tion hat die Abgeordnete Seelig. – Bitte! einen solchen Unsinn zu wollen. Und ganz nebenbei, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Linkspar- tei: Freiheit und Sozialismus sind unvereinbar. Marion Seelig (Linksfraktion): [Beifall bei der CDU] Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz dieses Redebeitrags von Herrn Juhnke begrüße ich ausdrücklich, Eine Demokratie ohne Freiheit ist keine und wird keine dass es zu einer gemeinsamen Erklärung der vier Frakti- sein. onsvorsitzenden gekommen ist, die deutlich linksextre- mistische Gewalt ächtet. Herr Körting! Sie sitzen mit dieser Partei in einer Regie- rung. Solange das der Fall ist, wird es keine ernsthafte [Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen – Auseinandersetzung mit den geistigen Ursachen dieser Vereinzelter Beifall bei der SPD] linken Gewalt in Berlin geben. Davon bin ich überzeugt. Ich darf Ihnen aber auch sagen, dass wir in Berlin hervor- Solange die Linkspartei in ihren Reihen Personen duldet, ragende Projekte gegen Rechtsextremismus haben und für die die Gewalt am 1. Mai die legitime Antwort auf die dass wir diese Projekte auch weiterhin fördern werden. Gewalt ist, die der Staat angeblich die restlichen 364 Tage [Beifall bei der Linksfraktion] im Jahr auf diese Personen ausübt, wird es keine Lösung geben. Herr Jotzo! Wenn es noch eines Beweises dafür bedarf, dass es Ihnen und der FDP keineswegs um eine sachliche [Beifall bei der CDU und der FDP] Debatte zum Thema linksextremistische Gewalt, sondern Für den harten Kern der Randalierer und Gewalttäter ausschließlich um Schuldzuweisungen und Selbstdarstel- bleibt der Staat der Feind, und zwar bis er aufhört zu lung geht, dann liefern Sie ihn mit diesem völlig sinnent- existieren. Wenn Sie beim Verfassungsschutz die Prioritä- leerten Maßnahmenkatalog, den Sie uns hier vorgelegt ten richtig gesetzt hätten, wüssten Sie das auch. Ich emp- haben. Hinzu kommt die Tatsache, dass Sie aus den Ver- fehle Ihnen, mit Ihren Beobachtungen bei der Linkspartei handlungen der Fraktionen ausgestiegen sind, hier in anzufangen. letzter Minute mit einer Frühfassung auftauchen und [Beifall bei der CDU und der FDP] falsche Behauptungen zum Inhalt der gemeinsamen Er- klärungen aufstellen. Sie sind zudem beratungsresistent. Solange Sie keine anständigen Argumente liefern, werden wir die Forderun- In Ihrem Maßnahmenkatalog haben Sie unter der Über- gen vom Runden Tisch gegen Links so lange wiederho- schrift „Polizeiliche Ausstattung verbessern“ zusammen- len, bis Sie davon träumen, Herr Körting. gefasst, was die Koalitionsfraktionen immer wieder deut- lich gemacht haben. Natürlich ist es wichtig, dass wir uns den 16 160 Stellen als sogenannten Vollzeitäquivalenten annähern müssen.

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Marion Seelig [Björn Jotzo (FDP): Machen Sie aber nicht!] zudem noch einmal die Stoßrichtung deutlich und zeigt, Dafür sind die Ausbildungsplätze erhöht worden. Fallen dass es Ihnen nicht um ernsthafte Debatten geht. Das bei Ihnen ausgebildete Polizisten vom Himmel? Dann haben Sie auch heute bewiesen. Es geht Ihnen darum, uns fordern Sie, dass die Polizeipräsenz vor allem in den die Richtung vorzugeben. Wir sollen uns nicht darum Brennpunkten Friedrichshain-Kreuzberg und Prenzlauer kümmern, dass die Mieten in Innenstadtgebieten stabil Berg erhöht werden soll, um im gleichen Absatz eine bleiben, dass es zu einer Durchmischung von Kiezen überall gleichbleibend hohe Sicherheitsqualität zu ge- kommt, dass wir gegen Vertreibungen vorgehen. Dass Sie währleisten. Was denn nun, Konzentration oder Fläche? von der FDP Gentrifizierung positiv besetzen, verwundert uns nicht, aber Sie werden uns mit dem Linksextremis- Sie behaupten, bei Großlagen gäbe es nicht ausreichend musvorwurf nicht von den wichtigen Aufgaben in der beweissichere Festnahmen. Damit widersprechen Sie Stadt abbringen. Das sage ich Ihnen ganz klar. jeder Statistik. Sie können vielleicht die nach dem letzten [Beifall bei der Linksfraktion] 1. Mai nachlesen.

Dann haben Sie die schöne Überschrift gewählt: Image Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: der Berliner Polizei verbessern – Prävention gegen linke Vielen Dank! – Der Kollege Lux hat das Wort für die Gewalt stärken. – Wenn Sie finden, dass die Berliner Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte! Polizei ein so schlechtes Image hat, sollten Sie präzisie- ren, worin das besteht. Denken Sie darüber noch einmal nach! Benedikt Lux (Grüne): [Beifall bei der Linksfraktion] Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da- men und Herren! Der Antrag der FDP enthält einen Maß- Wenn Sie keine Ahnung von den Präventionsmaßnahmen nahmenkatalog mit einer Reihe selbstverständlicher For- der Berliner Polizei haben, sollten Sie sich an die Präven- derungen: Die Ausstattung der Berliner Polizei soll belas- tionsbeauftragten wenden, die jeder Abschnitt hat. Es gibt tungsorientiert erfolgen. Das Image der Berliner Polizei keine sicherheitsrelevante Initiative, in der die Polizei soll verbessert werden. Gegen Extremismus und Gewalt nicht als Gesprächspartner zur Verfügung steht. Es wer- soll entschieden vorgegangen werden. Die Strafverfol- den unzählige Schulbesuche veranstaltet, das Gespräch gung soll professionell und rechtsstaatlich durchgeführt mit relevanten Gruppen gesucht und Projekte begleitet. werden. – Das sind Ziele, die die Fraktion Bündnis 90/Die Ein Beispiel dafür sind die Kiezläufer. Grünen, aber auch alle anderen Fraktionen hier im Haus immer wieder eingefordert haben und die wir auch in Und was bitte ist eine „soziale Infrastruktur gegen linke Zukunft unterstützen werden, Gewalt“? Wie wäre es mit einer sozialen Infrastruktur gegen Wirtschaftskriminalität? Das Anzünden von Autos [Beifall bei der FDP] ist eine Straftat, der man selbstverständlich mit Repressi- gerade wenn die linke Gewalt steigt, wie es sich in den on begegnen muss. letzten Tagen abzeichnete. Wir sind besorgt, dass die linke Gewalt vor dem 1. Mai noch zunimmt. Sie sollten „Entschiedenes Vorgehen gegen Extremismus und Ge- aber auch ein redliches Spiel spielen. Jeder hier im Haus walt“ lautet die nächste Überschrift. Woher wissen Sie lehnt Gewalt jeglicher Motivation ab. Da sollten Sie nicht eigentlich, wie viele V-Leute und verdeckte Ermittler in mit falschen Vorwürfen arbeiten, da wir uns sonst selbst den entsprechenden extremistischen Milieus eingesetzt verlegen, während die Gewalt draußen weitergeht. Viel- werden? Wenn Sie das nicht wissen, warum fordern Sie leicht findet sie sogar einen weiteren Nährboden, wenn dann Verstärkung? – Ich stelle mir das so vor, Herr Jotzo: Demokraten im entscheidenden Moment nicht zusam- Sie lesen in einer Studie über linksextremistische Gewalt, menhalten. dass insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr so gut wie nichts vorkommt, und schlussfolgern dann mes- [Beifall bei den Grünen, der SPD und serscharf, dass die Sicherheitspartnerschaften gegen linke der Linksfraktion] Gewalt im ÖPNV her müssen. – Das ist ein Stück aus Sie haben sich bereits in den letzten Wochen verabschie- dem Tollhaus. det. Sie waren nicht mit einer gemeinsamen Erklärung [Beifall bei der Linksfraktion – einverstanden. Dazu muss man nicht viel sagen. Vereinzelter Beifall bei der SPD] Was war Ihr Interesse, als Sie da nicht mitgegangen sind? Zu Ihrer letzen Überschrift: „Strafverfolgung professio- – Das können Sie nicht erklären, Herr Jotzo. Das konnten nell und rechtsstaatlich durchführen“. – Das ist ein starkes Sie auch eben nicht. Deshalb sollten wir die Sachdebatte Stück. Da sind Sie übrigens nah bei den Vorwürfen aus fortführen. Die Maßnahmen, die Sie in Ihrem Antrag der linksextremistischen Szene. Darauf kommen Sie auch wollen, sind keine, die sich speziell gegen linke Gewalt in der Begründung zurück, indem Sie behaupten, Straf- richten. Natürlich brauchen wir eine gut ausgestattete und verfahren seien ohne hinreichende Beweise durch die ausgebildete Polizei in Sollstärke, ein gutes Image der Staatsanwaltschaft vorangetrieben worden. Vielen Dank Berliner Polizei und eine gute Strafverfolgung, aber doch für Ihr Demokratieverständnis! Die Begründung macht nicht allein gegen linke Gewalt. Sie verabsolutieren aber

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Benedikt Lux die linke Gewalt und verdecken damit – und das ist unred- [Björn Jotzo (FDP): Da steht nichts von Folter!] lich – auf der anderen Seite die Aufgaben der Berliner – Herr Jotzo! Sie können das gern geradestellen. Der Polizei bei der Überwachung von Sexualstraftätern, beim Senat soll eine Beweisverwertung sicherstellen. Darunter Kampf gegen Jugendgewalt, Homophobie, Datenkrimina- kann man eine Menge verstehen. Ich glaube wirklich, lität und Korruption, bei Banden- und Rockerdelikten und dass Sie sich von Ihrem liberalen Antlitz verabschiedet Alltagsdelikten wie Fahrraddiebstahl, Wohnungseinbrü- haben. Ich erwarte Besserung. – Danke! che, Verkehrsüberwachung und Prävention. Davon hören wir von Ihnen kein Wort. Dennoch sind all Ihre Maßnah- [Beifall bei den Grünen] men geeignet, um auch die Alltagskriminalität besser in den Griff zu bekommen. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Damit setze ich nicht gleich, Herr Kollege Gram. Viel- Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat mehr will ich diese Maßnahmen, die die FDP vorschlägt, der Kollege Kluckert von der FDP-Fraktion. aber um die öffentliche Sicherheit in dieser Stadt insge- samt zu erhöhen. Auch darin sollten wir uns einig sein. Wir müssen uns hier auch hinter die Berliner Polizei stel- Dr. Sebastian Kluckert (FDP): len, die in dieser gesamten Stadt eine schwere Aufgabe Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede des hat. Kollegen Lux erfordert es, noch einmal einige Dinge [Beifall bei den Grünen] richtigzustellen. Erst einmal, lieber Herr Lux, stelle ich fest, dass Ihr schlimmstes Wort, das Sie verwendet haben, Die Antwort, weshalb Sie sich dem Prozess der vier Frak- Hass war. Das haben Sie in Bezug auf die FDP benutzt. tionsvorsitzenden entziehen, liegt auch in der Begründung Gegenüber Linksextremisten habe ich dieses Wort noch Ihres Antrags. Unter dem Deckmantel der anständigen gar nicht gehört. Es ist schon bemerkenswert, gegen wen Forderung beschimpfen Sie wahllos demokratische Par- Sie hier das schlimmste und stärkste Wort aussprechen. teien aufs Unredlichste und versuchen noch, fern jeder Wahrheit – Herr Jotzo, es wird Ihnen nicht gelingen – die [Beifall bei der FDP – Verantwortung für die zunehmende linksextreme Gewalt Uwe Doering (Linksfraktion): Das interessiert den demokratischen Parteien zuzuschieben, die sich in der niemanden!] Mitte oder links der Mitte befinden. Das wird Ihnen nicht Schauen wir doch einmal an, was Sie, Herr Lux, teilweise gelingen, so sehr Sie das betonen. von sich geben, wovon Sie sich auch nicht distanzieren und wofür Sie sich nicht entschuldigen: Sie sagen bei Ihre Begründung des Antrags ist einem höchsten Maß einer Podiumsveranstaltung der „taz“: „Gewalt ist nicht unredlich, dass man sich eigentlich fragt, mit welchen gleich Gewalt“. Das ist eine ganz gezielte Spartenadres- Mitteln Politik gemacht wird. Ich fordere ausdrücklich sierung an ein bestimmtes Spektrum, um zu zeigen, dass alle Angehörigen der FDP-Fraktion auf – nicht nur die es Differenzierungen zwischen Gewalt gibt: Es gibt eine Innenpolitiker, teilweise kennt man die Worte auch schon bessere Gewalt; es gibt eine schlechtere Gewalt. Das von anderen Kollegen –, sich diese Begründung einmal bringen Sie dann in einer Sekunde, in der Sie vielleicht durchzulesen. Ihnen wird es ähnlich gehen wie mir. Sie nicht ganz darüber nachgedacht haben, zum Ausdruck, lesen diese Begründung als reine Polemik. In jeder Zeile indem Sie im Innenausschuss plötzlich auch noch sagen, ist eigentlich der Hass, die Verachtung und die Ausgren- die Brandanschläge, die Ihr Fraktionsvorsitzender in der zung von anderen Parteien zu spüren. Diese machen Sie gemeinsamen Erklärung hier verurteilt, wären eigentlich sich zueigen. Herr Meyer! Sie haben bei Ihrem Amtsan- nur ein „Konjunkturprogramm für die Automobilwirt- tritt gesagt, Sie würden zurück zur Sacharbeit kommen. schaft“. Es ist genau das ambivalente Spiel, das Sie Das Gegenteil tun Sie hier. Damit werden Sie keine poli- betreiben – hier süffisant die Dinge ins Lächerliche zu tischen Partner finden, außer denen, die sich vielleicht ziehen und damit schon das Signal zu geben, dass Sie hier einmal sicher sein können. Sie tun genau das Gegenteil. mit der linken Gewalt eigentlich anders umgehen wollen Dagegen war Ihr Vorgänger ein Ausmaß an Seriosität, als mit anderen Gewalttaten. Es ist eben doch nicht ganz jedenfalls Verbindlichkeit. so, wie Sie dargestellt haben, dass es nur Gewalttaten [Zurufe von der FDP] sind, so, wie bei jedem anderen.

Was Sie hier tun, ist eine Politikunfähigkeit, die ich lange Herr Lux! Sie werfen uns vor, dass wir nicht bei der ge- nicht mehr bei den Liberalen festgestellt habe. Alt- meinsamen Erklärung mit dabei sind. Das kann ich Ihnen, Liberale wie Frau Hamm-Brücher und wie Herr Hirsch lieber Herr Ratzmann, ganz einfach sagen. Für die FDP würden sich schämen, insbesondere auch was unscharfe gab es für eine solche Erklärung mehrere Dinge, die für Formulierungen angeht. „Der Senat soll dafür sorgen“, so uns wichtig waren. Die erste Voraussetzung war, keine heißt es in Ihrem Antrag „in der Beweisverwertung zu Anbiederung an Links vorzunehmen. sichern“. Das kann man auch verstehen, als wäre es in Ordnung zu foltern, und der Senat soll dafür sorgen, dass [Beifall bei der FDP] die Beweisverwertung stattfindet. Das steht wörtlich in Deswegen haben wir uns nicht auf Brandanschläge redu- Ihrem Antrag drin. zieren lassen. Deswegen wollen wir auch, dass Gewalt gegenüber Polizisten, dass Landfriedensbruch und all das,

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Dr. Sebastian Kluckert was am 1. Mai abgeht, auch mit darunter gefasst wird. menschenunwürdig hier redet, von dem muss ich mir das Das ist in dieser Erklärung nicht enthalten. nicht erzählen lassen.

[Beifall bei den Grünen– Zweitens, lieber Herr Lux, wollten wir keine Erklärung Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] von ein paar Fraktionsvorsitzenden, die jeder einzelne von Ihnen oder von der SPD oder der Linkspartei zerredet. Wir wollen eine im Plenum verabschiedete Erklärung Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: aller Abgeordneten. Hinter dieser Erklärung soll jeder Abgeordnete auch in namentlicher Abstimmung stehen. Wir kommen zu zwei Abstimmungen. Zunächst kommen Das wäre ein Erfolg, aber nicht, wenn Sie oder irgendwer wir zur Abstimmung über den Antrag der FDP „Für ein sonst danach diese Erklärung in seinen Ortsverbänden, tolerantes Berlin, gegen politischen Extremismus – linke Kreisen und Spektren, wo er sonst noch agiert, wieder Gewalt endlich wirksam bekämpfen“. Der Ältestenrat zerredet. – Vielen Dank! empfiehlt die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie [Beifall bei der FDP] mitberatend an den Ausschuss für Verfassungsschutz, wozu ich keinen Widerspruch höre. – Dann wird so ver- fahren. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns:

Vielen Dank! – Das Wort zur Erwiderung hat der Kollege Jetzt kommen wir zum Entschließungsantrag der Fraktion Lux! der FDP Drucksache 16/3105. Hier ist die sofortige na- mentliche Abstimmung beantragt worden. Es ist jedoch Benedikt Lux (Grüne): ebenfalls die Überweisung federführend an den Aus- schuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie mitbe- Danke, Herr Präsident! – Anscheinend, Herr Dr. Kluckert, ratend an den Ausschuss für Verfassungsschutz beantragt ist das Wort Ihres Fraktionsvorsitzenden nichts wert, worden, worüber ich zuerst abstimmen lasse. – Wer für wenn hier keine gemeinsame Erklärung verabschiedet diese Ausschussüberweisung stimmt, den bitte ich um das werden soll. Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die [Beifall bei den Grünen – Fraktion der CDU. Wer ist dagegen? – Dagegen ist die Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Fraktion der FDP. Wer enthält sich? Sie trauen Ihrem Fraktionsvorsitzenden nicht. Das ist [Volker Ratzmann (Grüne): Wir haben auch dafür ge- doch die Antwort, die Sie hier geben. stimmt! Wir sind in der Koalition nicht eingemeindet. Wir sind hier nur der Puffer zwischen beiden Fraktionen!] Zum zweiten Punkt: Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Es ist Ich wiederhole: Für die Ausschussüberweisung sind die völlig richtig, das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Des- Koalitionsfraktionen, die Fraktion der Grünen und die wegen ist es auch richtig, Linksextremen bei Veranstal- Fraktion der CDU. Wer ist dagegen? – Das ist die FDP- tungen zu sagen, dass es eine andere Gewalt ist. Wenn der Fraktion. Wer enthält sich? – Es gibt keine Enthaltung. Staat Gewalt anwendet, tut er das auf bestimmten Rechts- Das wird es so an die Ausschüsse überwiesen. grundlagen. In den meisten Fälle ist die Gewalt gerecht- fertigt. Auch das ist eine Errungenschaft unserer zivilen Die lfd. Nr. 4 e war Priorität der Fraktion der SPD und Gesellschaft. Das sollten Sie auch intellektuell begreifen wurde als gemeinsame Priorität mit der Linksfraktion können. Darum ging es genau. unter dem Tagesordnungspunkt 4 c behandelt. [Beifall bei den Grünen] Ich rufe auf Nächster Punkt: Wir haben auch immer wieder versucht, die Ziele von Linksextremen zu analysieren und ihnen zu lfd. Nr. 5: sagen, dass Gewalt dort kein Mittel ist. Das werden wir II. Lesung auch weiterhin tun. Nicht anders ist meine Aussage zu verstehen, die Sie hier zitieren. Das ist doch aber nicht das Zweites Gesetz zur Änderung des Problem von linksextremer Gewalt. Die Probleme liegen Berliner Betriebe-Gesetzes doch ganz woanders. Sie versuchen doch, sich einer De- Beschlussempfehlungen WiTechFrau und Haupt batte anzuschließen, die wirklich unredlich ist. Ich muss Drs 16/3044 mir das auch nicht von jemandem sagen lassen, Herr Antrag der Grünen Drs 16/1170 Dr. Kluckert, der wie Sie dagegen ist, dass der Schutz der Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelbe- sexuellen Identität und der Schutz der sexuellen Orientie- ratungen der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und rung in das Grundgesetz oder die Berliner Landesverfas- höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die sung aufgenommen wird, weil damit auch Sodomisten Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II und Pädophile geschützt werden. Das ist die Art, wie Sie Drucksache 16/1170. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. reden. Das ist deutlich unmissverständlich. Hier eine

Entschuldigung von jemandem zu fordern, der so etwas Der Fachausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die erzählt, der die Menschen so verächtlich macht und damit Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei En-

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns thaltung der Fraktion der CDU die Ablehnung des An- gratuliere allen drei Gewählten zu ihrem neuen Amt und trags. Wer dem Gesetzesantrag dennoch seine Zustim- wünsche eine erfolgreiche Arbeit. mung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzei- chen. – Das ist erwartungsgemäß die Fraktion der Grünen. Ich komme jetzt zu Wer ist dagegen? – Dagegen sind die Koalitionsfraktio- lfd. Nr. 9: nen und die FDP-Fraktion. Wer enthält sich? – Das ist die Fraktion der CDU. Dann ist dieser Antrag abgelehnt. Große Anfrage Neue Landesbeteiligungen und Die lfd. Nr. 6 steht auf der Konsensliste Rekommunalisierungen in Berlin? Was plant der Senat? Jetzt kommen wir zur Große Anfrage der FDP Drs 16/3054 lfd. Nr. 7: Das Wort zur Begründung erhält die Fraktion der FDP Wahl mit einer Redezeit bis zu fünf Minuten. Herr Kollege Mitglieder des Richterwahlausschusses Thiel hat das Wort.

Wahlvorlage Drs 16/2963 Volker Thiel (FDP): Das Abgeordnetenhaus wählt gemäß § 9 Berliner Rich- tergesetz die Mitglieder des Richterwahlausschusses. Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Da- Aufgrund des Verzichts auf die Mitgliedschaft gemäß men und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! § 15 Abs. 1 Nr. 1 Berliner Richtergesetz durch Frau Rich- Wir möchten heute mit Ihnen im Rahmen einer Großen terin Dr. Möcke ist eine Nachwahl aus der Vorschlagsliste Anfrage über die Pläne des Senats für neue Landesbeteili- der ordentlichen Gerichtsbarkeit erforderlich geworden. gungen oder zur Rekommunalisierung in Berlin reden. Nach § 9 Abs. 3 Satz 3 bedarf die Wahl der Mehrheit von Warum? – Bereits 2008, als bekannt wurde, dass sich zwei Dritteln der anwesenden Abgeordneten. Anteilseigner der GASAG von wesentlichen Teilen tren- nen wollten, hatte Herr Senator Wolf, so wurde er zumin- Nach der Reihenfolge der Vorschlagsliste der ordentli- dest in der „Morgenpost“ vom 5. Dezember zitiert, ge- chen Gerichtsbarkeit wird der Richter am Amtsgericht als sagt, dass weiterer aufsichtsführender Richter Ahmet Alagün vorge- es vor dem Hintergrund der landes- und sogar eu- schlagen. Wer Herrn Alagün wählen möchte, den bitte ich ropaweiten Diskussion über die Trennung der um das Handzeichen. – Das sind, soweit ich sehe, alle Energienetze von den Erzeugern auch in der Koali- Fraktionen. Aber ich mache noch die Gegenprobe. Wer ist tion Überlegungen zum Thema Landesbeteiligung dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist einstimmig zu an der GASAG gibt, die aber noch den Charakter beschlossen. Damit ist die erforderliche Zweidrittelmehr- interner Abstimmungen tragen. heit festgestellt. Somit ist Herr Alagün als Mitglied im Richterwahlausschuss gewählt. Gleichzeitig wird er als Und weiter, so werden Sie zitiert, sagten Sie: Mitglied im Fall des § 9 Abs. 2 in Verbindung mit § 12 Ich lasse derzeit prüfen, unter welchen Bedingun- Abs. 2 Berliner Richtergesetz bestimmt. gen und Voraussetzungen ein solches Engagement des Senats denkbar wäre. Jetzt kommen wir zu So weit, so verständlich und als eine erste Reaktion ja lfd. Nr. 8: auch nachvollziehbar. Wahl Nur, Herr Senator, ein Jahr später, am 22. Dezember Drei Personen des öffentlichen Lebens für 2009, antworten Sie auf eine Kleine Anfrage des Kolle- den Beirat der Einstein Stiftung Berlin gen Henner Schmidt: Wir kommen zu einer einfachen Wahl durch Handaufhe- Da die Diskussion über die Frage eines kommuna- ben. Für die Wahl zu Mitgliedern des Beirats der Ein- len Energieversorgers ganz am Anfang steht, wird stein-Stiftung Berlin sind folgende Personen vorgeschla- um Verständnis gebeten, dass die in der Kleinen gen: Abgeordneter Michael Müller von der Fraktion der Anfrage aufgelisteten Detailfragen zum jetzigen SPD, Abgeordneter Nicolas Zimmer von der Fraktion der Zeitpunkt nicht beantwortet werden können. CDU und Abgeordneter Dr. Wolfgang Albers von der Linksfraktion. Von den Fraktionen ist die Zustimmung zu Herr Senator! Wir möchten nicht unbedingt nur die De- einer verbundenen Wahl signalisiert worden. tailfragen von Ihnen beantwortet haben, sondern wir wür- den gern einmal eine grobe Gesamteinschätzung haben. Wer die drei genannten Personen zu Mitgliedern des Deswegen haben wir diese Große Anfrage gestartet. Denn Beirats für die Einstein-Stiftung Berlin wählen möchte, zwischenzeitlich waren Sie sehr aktiv. Sie haben als Ko- den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind, soweit ich autor mit dem Kollegen Lederer zusammen eine sehr sehe, alle Fraktionen. Die Gegenprobe! – Wer enthält lesenswerte Schrift verfasst „Berlins Unternehmen der sich? – Damit ist einstimmig so beschlossen worden. Ich Daseinsvorsorge: öffentlichen Einfluss wiedergewinnen und erhöhen“. Da haben Sie eine klare Position bezogen,

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Volker Thiel sicherlich als Politiker und nicht als Senator, aber immer- Bürgermeister Harald Wolf (Senatsverwaltung für hin, denke ich, wird und soll ja auch das, was Sie als Wirtschaft, Technologie und Frauen): Politiker denken, Einfluss auf Ihre Senatspolitik finden. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anfrage [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Senatoren sind der FDP, Herr Kollege Thiel hat es eben noch mal gesagt, ja bekanntlich immer Politiker!] verlangt eine allgemeine Auskunft über ein breites The- – Nicht immer zwingend, Herr Kollege Lederer, aber wir menspektrum, über das Thema Rekommunalisierung: wünschen uns das! Welche Vor- und welche Nachteile hat es, und wie stellt sich das Thema dem Land Berlin dar? Auch der Beschluss der Fraktion Die Linke in Groß Gölln zur sozialen Wohnungspolitik hat eine sehr eindeutige Wir haben gegenwärtig in vielen Kommunen eine Dis- Sprache. Ich habe mich heute im Rahmen der Debatte ein kussion über Rekommunalisierung. Es gibt einen neuen bisschen gewundert, dass da infrage gestellt wurde, dass Trend hin zur Rekommunalisierung im Gegensatz zur man Wohnungspolitik auch betreiben will, um unter Um- Privatisierungswelle, die wir in den Neunzigerjahren ständen auch Sozial- und Stadtpolitik zu betreiben. Die erlebt haben. Dresden hat vor wenigen Tagen einen Ener- Linke hat dazu eindeutige Aussagen getroffen, die man gieversorger zurückgekauft, eine Vielzahl von Kommu- zumindest in Ihrem Beschluss gut nachlesen kann. nen nutzen das Auslaufen von Konzessionsverträgen, um entweder Eigentum an den Netzen zu erwerben oder Wir möchten also ganz allgemein von Ihnen wissen: Wel- Stadtwerke zurückzukaufen. Einer der bedeutendsten che Pläne verfolgen Sie, und vor allem, warum verfolgen Schritte war die Tatsache, dass 50 Stadtwerke den Eon- Sie sie? Welche Ziele wollen Sie erreichen? Glauben Sie, Anteil an der Thüga zurückgekauft haben und damit die dass Sie durch eine Rekommunalisierung oder durch die Thüga vollständig kommunalisiert ist. Unter anderem Erweiterung von Landesbeteiligungen gegebenenfalls haben sich dort Frankfurt, Hannover und Nürnberg betei- Kosten senken können? Glauben Sie, dass Sie Preise ligt. Nach meiner Kenntnis ist zumindest Frankfurt keine senken können, dadurch dass Sie zum Beispiel Netzantei- rot regierte Kommune, sodass das durchaus ein über meh- le bekommen? Glauben Sie, dass Sie den Service erhöhen rere Parteien hinweg diskutiertes Thema ist. können oder dass Sie durch mehr Investitionen – Klam- mer auf, wie finanzieren Sie die? – sowohl in den Erhalt Es ist nicht nur ein Thema, das die Parteien und die Stadt- als auch in die Erweiterung zum Beispiel von Netzen räte bewegt, sondern es ist auch ein Thema, das Bürgerin- beitragen können und dadurch auch neue Arbeitsplätze nen und Bürger bewegt. So haben sich 87 Prozent der schaffen? Oder glauben Sie, dass Sie letztlich neue Ein- Leipziger gegen die geplante Teilprivatisierung der nahmen für das Land generieren können, wenn Sie Stadtwerke ausgesprochen. In anderen Städten haben wir bestimme Unternehmen rekommunalisieren? ähnliche Volksentscheide mit ähnlichen Ergebnissen.

Wir möchten gern von Ihnen berlinspezifisch wissen, an Der Hintergrund dieser Entwicklungen ist die Tatsache, welche Unternehmen Sie ganz konkret denken, und vor dass sich die Versprechungen, die mit den Privatisierun- allem, wie Sie die Finanzierung sicherstellen wollen. Wie gen der 90er Jahre verbunden waren – dass die Märkte stellen Sie die Investitions- und Infrastrukturfinanzierun- und Kapitalmärkte das schon regeln werden, dass die gen sicher, die sich, wie wir es aus der BVG und anderen Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge durch den Anstalten öffentlichen Rechts kennen, durchaus in die Wettbewerb, der mit der Liberalisierung verbunden sein Hunderte von Millionen summieren lassen? Wie ist der soll, effizienter und kostengünstiger erbracht werden –, Sachstand für ein nettes, kleines, landeseigenes Stadt- meistens nicht realisiert haben. Wenn wir uns den Ener- werk, das auch immer mal wieder im Gespräch ist? Kön- giesektor ansehen, dann können wir feststellen, dass wir nen wir dazu von Ihnen Antworten erwarten? dort einerseits eine Liberalisierung gehabt haben, sich gleichzeitig aber mit den Privatisierungen auch oligopo- Ich hoffe, dass wir durch die Beantwortung der Großen listische Strukturen herausgebildet haben, etwa dadurch, Anfrage anschließend eine inhaltlich profundere Debatte dass sich die großen Energiekonzerne an kommunalen führen können und dass vor allem Ihre Antworten zu Versorgern beteiligt haben, entweder über Minderheits- einer Erkenntnismehrung beitragen. – Vielen Dank! oder Mehrheitsbeteiligungen oder gänzlichen Aufkauf. So ist der Wettbewerb im Energiemarkt, um es einmal vor- [Beifall bei der FDP] sichtig zu formulieren, weitgehend nicht vorhanden oder bestenfalls nur in Teilbereichen. Deshalb haben sich die erwarteten Effekte auch nicht eingestellt. Präsident Walter Momper: Danke schön, Herr Kollege Thiel! – Für den Senat ant- Gleichzeitig haben wir durch diese oligopolistische Struk- wortet nun Senator Wolf. – Bitte schön, Herr Wolf, Sie tur, wo langfristige Investitionen gebunden sind, die Situ- haben das Wort. ation gehabt, dass auch eine dezentrale, ökologische E- nergiepolitik zumindest gebremst, wenn nicht blockiert worden ist. Sie müssen sich nur die gegenwärtige Diskus- sion über die Verlängerung der Laufzeiten der Atom- kraftwerke ansehen, jetzt einmal jenseits der Frage, ob

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Bürgermeister Harald Wolf man aus der Atomenergie aussteigen soll oder nicht. Aber kommunalisiertes Unternehmen zu machen, wo der öf- die Tatsache, dass die Laufzeiten für diese abgeschriebe- fentliche Einfluss auch wieder im Interesse der Verbrau- nen Atomkraftwerke verlängert werden sollen und des- cherinnen und Verbraucher und des Landes Berlin ausge- halb riesige, zusätzliche Strommengen auf dem Markt übt werden kann. Da gehören solche Regelungen heraus wären, würde dazu führen – und dagegen gibt es einen wie disproportionale Gewinnaufteilung, Ausgleichsver- breiten Protest der Stadtwerke –, dass Investitionen in pflichtungen etc. dezentrale oder ökologische Energieversorgung blockiert werden. Das macht deutlich, dass man in diese Strukturen Aus der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe eingreifen und etwas unternehmen muss. haben wir netto 1,5 Milliarden Euro eingenommen, die [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] damals nicht als Nettokreditaufnahme getätigt werden mussten. Das entspricht einer jährlichen Zinsersparnis Wir haben in Berlin Erfahrungen mit der Teilprivatisie- von ca. 70 Millionen Euro. Diese 70 Millionen Euro ku- rung der Wasserbetriebe gemacht. Ich habe zur Kenntnis muliert sind 700 Millionen Euro. Jetzt sehen Sie sich an, genommen, dass es mittlerweile keine Fraktion mehr in was aus den Anteilen der Privaten in dieser Zeit an Rendi- diesem Hause gibt – im Gegensatz zum Jahr 1999, als es te gekommen ist: Die Privaten haben in dieser Zeit 1,05 dafür noch eine Mehrheit gab –, die die Teilprivatisie- Milliarden eingenommen. Das Land hat etwas weniger rung, wie sie damals vollzogen wurde, heute noch unter- eingenommen, aber auch noch eine ganze Menge. Aber stützt. Das Resultat ist eine Preisentwicklung, die von, wenn wir 100 Prozent hätten, hätten wir beide Anteile glaube ich, allen hier im Hause, den privaten Haushalten bekommen, und das wäre deutlich mehr gewesen. und auch der Wirtschaft beklagt wird. Sie liegt nicht dar- an, dass die Kostenstruktur bei den Berliner Wasserwer- [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] ken so hoch ist, sondern daran, dass man sich, wenn man Ich sage: Auch unter fiskalischen Gesichtspunkten hat eine Umsatzrendite von 25 Prozent aus einem Monopol- sich diese Teilprivatisierung nicht gelohnt. Das ist ein unternehmen generiert, die Frage stellen muss, ob das in Hinweis darauf, dass es durchaus auch für das Land sinn- Ordnung oder etwa die missbräuchliche Ausnutzung einer voll sein kann, Eigentum zu halten, wenn es wirtschaftlich Monopolstellung ist. geführt wird, nicht nur, um gute Leistungen zu bringen, Es liegt in der Natur der Wasserbetriebe, dass wir hier ein sondern auch, um eigenständige Einnahmen für die natürliches Monopol haben. Ich möchte keine Durchlei- Kommune zu generieren, was gegenwärtig übrigens auch tung von Wasser aus irgendwelchen anderen Versor- ein Grund ist, warum Kommunen Netze zurückkaufen. gungsgebieten in das Berliner Wassernetz haben, weil ich Das ist nämlich ein relativ stabiles Geschäft mit einem die Berliner Qualität behalten möchte. Ich möchte kein stabilen Cashflow für die Kommunen und damit auch eine verchlortes Wasser aus – ich nenne jetzt keine Namen – in sichere Rendite. Gleichzeitig können ökologische und unser Netz eingespeist haben. Deshalb wird es weiterhin wirtschaftlich vernünftige Zwecke damit verfolgt werden. ein natürliches Monopol bleiben, und ein natürliches [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Monopol bedarf der öffentlichen Kontrolle. Man kann ein natürliches Monopol nicht in private Hände geben, son- Die zweite Erfahrung, die wir in Berlin gemacht haben, dern es bedarf der öffentlichen Kontrolle. Daher müssen war keine mit einem privaten Unternehmen, sondern mit wir hier etwas unternehmen. einem öffentlichen Unternehmen, das aber wie ein priva- tes Unternehmen und wahrscheinlich schlechter als ein [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] privates Unternehmen geführt wurde. Ich spreche von der Wir haben gegenwärtig 50,1 Prozent an den Berliner S-Bahn. Mit der Vorbereitung auf den Börsengang wurde Wasserbetrieben. Das ist formal eine Mehrheit. Aber wir alles darauf ausgerichtet, die Braut hübsch zu machen und haben das Problem, dass wir durch die Bestimmungen des das Unternehmen auf Verschleiß zu fahren. Wir haben Teilprivatisierungsvertrags, die damals an Verzinsungsre- das hier ausführlich diskutiert. Deshalb will ich es an gelungen, an kalkulatorischen Kosten etc. vereinbart dieser Stelle kurz machen. Auch ist Ihnen die Position des worden sind, in unserer Handlungsfähigkeit erheblich Senats bekannt. Der Senat hat am 26. Januar beschlossen, eingeschränkt sind. Deshalb ist es das Ziel des Senats, drei Varianten anzugehen: die Ausschreibung eines Teil- diesen Vertrag neu zu verhandeln oder zu modernisieren, netzes, die Direktvergabe an das kommunale Unterneh- wie es die privaten Anteilseigner nennen, also wieder die men BVG oder den gänzlichen Kauf der S-Bahn ein- Möglichkeit zu bekommen, wirtschaftlich zu handeln. Um schließlich des Netzes. ein Beispiel zu nennen: Wir haben seit Jahren bei den Berliner Wasserbetrieben die Situation, dass wir einen An dieser Stelle würde ich mich, Herr Thiel, freuen, wenn sinkenden Umsatz und gleichzeitig steigende Preise ha- sich die FDP im Bundestag und die Landesregierungen ben. Das ist ein typisches Monopolverhalten. Wenn man mit FDP-Beteiligungen dafür engagieren würden – was aber rational agieren würde, würde man auf sinkenden durchaus auch im Sinne von Wettbewerb wäre –, dass ein Umsatz mit stabilen, teilweise auch sinkenden Preisen Unternehmen wie die Deutsche Bahn, wenn es nicht mehr reagieren, um den Umsatz stabil zu halten oder sogar zu mit dem Betrieb beauftragt wird – sei es über eine Aus- erhöhen. schreibung oder weil wir eine Direktvergabe an die BVG vornehmen –, verpflichtet ist, sein rollendes Material zum Darum also geht es bei den Berliner Wasserbetrieben: aus Buchwert an den neuen Betreiber abzugeben, statt auf einem teilprivatisierten Unternehmen wieder ein teilre- seiner Monopolstellung zu beharren und damit den Ein-

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Bürgermeister Harald Wolf tritt anderer Akteure zu erschweren. Das wäre einmal ein wicklung dreht, und das können wir nicht einfach der Beitrag der FDP, den sie für mehr Wettbewerb leisten privaten Einflussnahme überlassen, sondern hier brauchen könnte. wir auch öffentlichen Einfluss und öffentliche Steuerung. [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Deshalb ist mein Plädoyer – wie gesagt, in der Koalition und im Senat noch nicht abschließend diskutiert –, dass Sie haben das Thema Netze angesprochen. Ich halte es in wir versuchen sollten, auch öffentlichen Einfluss auf der Tat für ein wichtiges Thema. Wir haben bei den Net- Netze zu bekommen. zen für Gas und Strom laufende Konzessionsverträge bis 2013 und 2014. Wir werden dazu im Jahr 2011 Entschei- [Beifall bei der Linksfraktion – dungen treffen müssen, weil spätestens dann über Neu- Vereinzelter Beifall bei der SPD] ausschreibungen entschieden werden muss. Ich habe auf dem Parteitag meiner Partei zwei Sätze zu einem Thema gesagt, nämlich dass ich finde, dass wir Netze sind meiner Auffassung nach wesentliche städti- auch darüber nachdenken müssen, wie das andere Kom- sche Infrastruktur. Sie sind auch nichts, was man sinnvoll munen tun, ob wir nicht gerade auch unter dem Gesichts- im Wettbewerb betreiben kann. Man sollte nämlich keine punkt ökologischer Energieversorgung einen eigenen konkurrierenden Netze betreiben. Wir haben das teilweise kommunalen Energieversorger brauchen. Denn wir ha- bei der Telekommunikation, was nicht unproblematisch ben mittlerweile eine ganze Reihe von Akteuren, die ist. Sie sind also eine wichtige städtische Infrastruktur und ökologische Energie liefern oder in die ökologische Ener- entscheidend für das Funktionieren einer Stadt. gieerzeugung gehen, von dem, was an Solaranlagen bei der Berliner Energieagentur betrieben wird über dezentra- Deshalb ist es aus mehreren Gründen auch wichtig, auf le Blockheizkraftwerke über die Frage, was an Solaranla- Netze kommunalen oder öffentlichen Einfluss auszuüben, gen in der Stadt noch perspektivisch entwickelt werden einmal aus dem Grund, dass wir ein nachhaltiges Investi- kann – Biogasanlagen bei der BSR etwa, aber auch in tionsgeschehen und einen Unterhalt dieser Netze brau- anderen Bereichen, wo das vorstellbar ist. Auch die Müll- chen, weil es Lebensadern einer Stadt sind. Ich habe kein verbrennungsanlage Ruhleben produziert in erheblichem Interesse daran, dass Netze auf Verschleiß gefahren wer- Umfang Energie, die zurzeit überwiegend an Vattenfall den. Das ist gegenwärtig nach all dem, was wir wissen, verkauft wird. Es stellt sich also die Frage, ob wir diese bei Vattenfall und GASAG nicht der Fall, aber GASAG Energiekapazitäten nicht bündeln und damit selbst als hat vor kurzem ihr Überlandnetz verkauft. Da waren Fi- Akteur auftreten können – das ist eine Überlegung, die ich nanzinvestoren am Start. Eine solche Entwicklung, dass in die Diskussion geworfen habe. Ich werde diesbezüglich städtische Netze an Finanzinvestoren veräußert werden zu einer Fachveranstaltung mit Experten im Mai einladen. können, möchte ich nicht haben. Deshalb brauchen wir Es wird auch eine Einladung an die Fraktionen des Abge- nicht nur einen Einfluss über Konzessionsverträge, son- ordnetenhauses geben, damit wir auf der breiten Ebene dern – das ist eine Position von mir, sie ist im Senat noch diskutieren können, welche Potenziale, welche Chancen nicht endgültig diskutiert – wir müssen zumindest Teilei- und Risiken es gibt und ob das ein sinnvoller und zielfüh- gentum an den Netzen erwerben. render Vorschlag ist. Sie sind herzlich zu dieser Diskussi- [Beifall bei der Linksfraktion – on eingeladen. Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von den Grünen] Sie haben nach der kommunalen Wohnungswirtschaft gefragt, aber ich glaube, dazu ist Ihnen die Position klar. Herr Thiel! Wenn Sie sich die Situation ansehen, dass es Der Senat vertritt die Position: Wir wollen einen kommu- von der Bundesnetzagentur von der bundesweiten Regu- nalen Wohnungsbestand von 270 000 Wohneinheiten in lierung gegenwärtig zulässig ist, dass Sie auf das Eigen- Berlin. – Gegenwärtig liegen wir leicht darüber. kapital in den Netzen eine Verzinsung von um die 9 Prozent nehmen können – wenn Sie die Netze mit ei- [Zuruf von Andreas Otto (Grüne)] nem Kommunalkredit erwerben würden, wo Sie zurzeit Es ist grundsätzlich möglich, im Rahmen wohnungspoliti- zwischen 4 und 4,5 Prozent zahlen, wäre das nicht schäd- scher Grundsätze hier weitere Zukäufe zu tätigen, es ist lich, sondern eher positiv für den Haushalt, unter der gegenwärtig aber nicht geplant, dieses in einem größeren Voraussetzung, dass die Netze in einem vernünftigen Umfang zu tun. Das ist der gegenwärtige Stand. Zustand sind – wovon ich beim gegenwärtigen Erkennt- nisstand bei den Berliner Netzen ausgehe. Es geht bei dieser Diskussion von Rekommunalisierung nicht einfach darum, dass man sagt, wir wollen jetzt un- Deshalb sage ich: Das ist wirtschaftlich vernünftig, es ist bedingt so viele Anteile von irgendetwas wie möglich aber auch vernünftig, wenn wir ernsthaft an das Thema wieder in die staatliche Hand bekommen, sondern es geht dezentrale Energieversorgung in der Stadt herangehen um die Frage – und das wird bei den einzelnen Themen wollen. Wenn wir den Bestand von dezentralen Kraft- der Daseinsvorsorge durchaus unterschiedlich sein –: Wie Wärme-Kopplungsanlagen erweitern wollen, wenn wir kann der notwendige, sinnvolle öffentliche Einfluss aus- mehr über biogasdezentrale Anlagen in das Netz einspei- geübt werden? Wie können die Interessen der Bürgerin- sen wollen, brauchen wir eine entsprechende Netzinfra- nen und Bürger berücksichtigt werden, und wie können struktur. Da brauchen wir auch eine Einflussmöglichkeit die Interessen der Stadtentwicklung, der ökologischen der Kommune, weil es sich um ein Thema der Stadtent- Ausrichtung der Stadt in eine vernünftige Strategie der

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Bürgermeister Harald Wolf Beteiligung, aber auch der Unternehmenssteuerung integ- Mehrwert für die Stadt, weil sie Dienstleistungen für die riert werden? Bürgerinnen und Bürger erbringen, und dass in diesen Unternehmen auch gute Arbeit unter guten Bedingungen Es ist richtig, dass jede Unternehmensbeteiligung neben geleistet wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksam- Chancen auch Risiken beinhaltet. Das ist im privaten keit! Bereich so, und das ist im öffentlichen Bereich so. Sie [Beifall bei der Linksfraktion, der SPD – wissen, glaube ich, alle, dass ich nicht den Grundsatz Vereinzelter Beifall bei den Grünen] teile, dass privat grundsätzlich besser ist als öffentlich, sondern ich kenne sowohl schlecht geführte private Un- ternehmen als auch schlecht geführte öffentliche Unter- Präsident Walter Momper Danke schön, Herr Senator! nehmen, und ich kenne gut geführte öffentliche Unter- – Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen nehmen und gut geführte private Unternehmen. Dafür, ob jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfü- ein Unternehmen gut geführt wird, ist nicht die Eigen- gung. Es beginnt die anfragende Fraktion der FDP in tumsstruktur entscheidend, sondern das Management und Person von Herrn Schmidt. – Bitte schön, Herr Schmidt, die Frage, welche Strategie der Eigentümer mit dem Un- ergreifen Sie das Wort! ternehmen verfolgt und ob das entsprechend controllt wird. Henner Schmidt (FDP): [Beifall bei der Linksfraktion – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen] Herr Senator Wolf! Ich nehme gern Ihre Einladung an, Hier haben wir im Land Berlin in den letzten zehn Jahren das rational zu diskutieren, und danke Ihnen auch dafür, erhebliche Fortschritte gemacht. Das sieht man allein dass Sie das so rational vorgetragen haben. schon an der Bilanz, die wir regelmäßig im Beteiligungs- bericht haben: 2000 oder 2001 ein Defizit aus den Lan- In Ihrer Rede waren ein paar Punkte, die aus FDP-Sicht desbeteiligungen von 2 Milliarden Euro, mittlerweile durchaus richtig sind. Sie haben gesagt: Wir sind für den jährlich konstant einen Überschuss von 500 Millionen Wettbewerb, wir wollen Oligopole hindern, dass sie Euro. Das heißt, es ist möglich, öffentliche Unternehmen schalten und walten, wie sie wollen. wirtschaftlich verantwortlich zu führen, auch mit einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung, und dabei gleich- Wir wollen als FDP natürlich auch eine öffentliche Kon- zeitig ihre öffentlichen Aufgaben zu erfüllen: Daseinvor- trolle der Monopole. Wir geben zu, dass es dort eine Rei- sorge zu gewährleisten, Verkehrsdienstleistung zu erbrin- he von Fehlentwicklungen gegeben hat. Auch die politi- gen, qualitätsvolle Wasserversorgung zu erbringen, Ent- schen Ziele bei der Energiepolitik – Durchleitung, De- sorgung, ökologische Kriterien zu erfüllen. Deshalb soll- zentralisierung – teilen wir. Die Frage ist nur, ob das ten wir keine ideologische, sondern eine rationale Diskus- etwas ist, dass durch Eigentum des Landes Berlin gesi- sion führen, nämlich über die Frage: Was nützt den Bür- chert werden muss oder ob man es nicht durch andere gerinnen und Bürgern in der Stadt, was nützt dem Land politische Hebel erreichen kann. Berlin? [Beifall bei der FDP]

Ich sage noch mal: Der Vorteil von öffentlichen Unter- Ich möchte eine Reihe potenzieller Risiken und Nachteile nehmen besteht darin, dass ihr wesentlicher Geschäfts- benennen, die Sie nicht angesprochen haben. Das Erste zweck nicht die Erwirtschaftung einer maximalen Rendite ist: In den meisten Bereichen der öffentlichen Daseins- ist, sondern der Geschäftszweck eines öffentlichen Unter- vorsorge haben wir eine sehr starke Regulierung. Da gibt nehmens ist nach meinem Verständnis auf wirtschaftli- es kaum Freiheitsgrade für den Betreiber – auch nicht für cher Basis mit einer angemessenen Eigenkapitalverzin- den öffentlichen. Das gilt insbesondere für die Energie- sung, aber nicht mit einer Renditemaximierung um jeden netze. Dafür gibt es in Zukunft sogar Preisvorgaben der Preis, entsprechende Leistungen für die Bürgerinnen und Energieagentur. Das ist es, was wir wollen, öffentliche Bürger und für die Kommune zu erbringen. Dass das Kontrolle durch eine unabhängige Aufsicht. So wollen geht, sieht man an einer Reihe von Unternehmen. Ich wir die Bürger vor der Ausnutzung von Monopolen be- nehme nur mal das Beispiel BSR, wo die Effizienz seit wahren. Es gilt: Die Rendite ist nicht sicher, weil in Zu- über zehn Jahren gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen kunft die Preise vorgegeben werden. Da haben Sie auch und Mitarbeitern systematisch gesteigert wird. Die BSR als Land Berlin ein wirtschaftliches Risiko. ist im Benchmark mit den deutschen Großstädten mitt- lerweile das Unternehmen mit dem günstigsten Tarif. Im Wichtig ist es bei den Netzen – gut, dass Sie es angespro- Gegensatz zu den Privaten, wo teilweise gerade in diesem chen haben –, über die Konzessionsverträge zu sprechen. Sektor der Entsorgungs- und der Abfallwirtschaft Dum- Hier hat der Senat zurzeit noch viel zu wenig vorgelegt, pinglöhne gezahlt werden, werden dort gleichzeitig gute wie wir über die Konzessionsverträge Einspeisung, Löhne gezahlt. Es existieren dort gute Arbeitsbedingun- Durchleitung und Ähnliches erreichen können. Das ist gen, und das Unternehmen ist mitbestimmt. Ich glaube, eine Alternative gegenüber der Möglichkeit, sich in Un- wir sollten daran arbeiten, dass kommunale Unternehmen ternehmen einzukaufen. Vieles kann man über Konzessi- im Land Berlin gut geführt werden und wirtschaftliche onsverträge regeln. Rendite bringen, aber auch eine Stadtrendite, einen

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Henner Schmidt [Beifall bei der FDP] rationale Diskussion einzutreten. Ich glaube, dass man In manchen Bereichen – beim Strom – gibt es einen kom- sich in vielen Fällen nicht einkaufen muss, sondern durch pletten Wettbewerb. Jeder darf einspeisen, jeder darf sich politische Rahmensetzung, durch Überwachung, durch seinen Anbieter suchen. Es gibt ein komplettes Spektrum öffentliche Regulierung das Problem lösen kann, damit von Angeboten. Hier lautet die Frage, ob das Land Berlin man nicht die Fehler macht, die in der Vergangenheit in etwas anbieten kann, was kein anderer Anbieter im Markt die andere Richtung gemacht worden sind. Sie haben liefert. Ich glaube das nicht, ich glaube, Sie würden nur völlig recht, genau so wie man der falschen Auffassung ein Angebot verdoppeln, das es ohnehin schon gibt. war, privat sei an sich gut, macht es jetzt keinen Sinn zu sagen, der Staat sei automatisch gut. Sie haben recht, die Eine Gefahr bei öffentlichen Unternehmen haben wir aber BSR ist ein gutes Beispiel für ein gut geführtes Unter- im Land Berlin gesehen. Wir haben über die HOWOGE nehmen, auf der anderen Seite haben wir die GASAG, die gesprochen und haben vor langer Zeit mit der Berliner als privatisiertes Unternehmen auch extrem effizient und Bankgesellschaft zu tun gehabt. Öffentliche Unternehmen kundenfreundlich geworden ist. Für beides gibt es Bei- neigen dazu, politisierte Unternehmen zu sein. Politisierte spiele. Wir müssen jetzt die Diskussion rational darüber Unternehmen neigen dazu, parteibuchgesteuerte Unter- führen, was das wirklich Wichtige ist und wie man den nehmen zu sein, in die Parteisoldaten entsorgt werden, wo Bürgern eine bessere Leistung zu niedrigeren Preisen und Kumpeln in Netzwerken etwas zugeschoben wird. Das ist höherer Qualität bieten kann. – Vielen Dank! eine ganz große Gefahr. Der Staat ist nicht immer gut. [Beifall bei der FDP] Manchmal herrscht dort Parteibuchwirtschaft, und das muss man in öffentlichen Unternehmen auf jeden Fall unterbinden. Präsident Walter Momper: [Beifall bei der FDP] Danke schön, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion hat nunmehr der Kollege Jahnke das Wort. – Bitte schön, Öffentliche Monopole, die Berliner Wasserbetriebe sind Herr Jahnke, ergreifen Sie es! ein Beispiel dafür, wie die Bürger gemolken werden.

Aber auch der Senat trägt seinen Teil dazu bei. Sie könn- ten durchaus auf überhöhte öffentliche Einnahmen ver- Frank Jahnke (SPD): zichten. Sie, Herr Senator Wolf, legen per Verordnung Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich selbst die Rendite fest. Auch an dieser Stelle könnte man bin froh, dass diese Diskussion in einer sehr sachlichen sehr schnell etwas für die Bürger erreichen und dem Mo- Atmosphäre stattfindet. nopol nicht zugestehen, so viel aus den Taschen der Bür- ger zu ziehen. [Björn Jotzo (FDP): Sie ist noch nicht zu Ende!] [Beifall bei der FDP] Ich musste ein wenig schmunzeln, als ich gelesen habe, wie die Große Anfrage der FDP-Fraktion formuliert ist Dass die Kosten bei den Wasserbetrieben bei sinkendem und es heißt: Umsatz steigen, ist klar. Der größte Teil der Kosten ist fix und muss auf die Kubikmeter umgelegt werden, dadurch In welchen Bereichen, die derzeit von privaten wird es eben teurer. Anbietern erbracht werden, prüft der Senat die Leistungen in Zukunft durch öffentliche Unter- Zu den Risiken öffentlicher Unternehmen: Wir haben nehmen anzubieten. teilweise die Gefahr, dass wir in Milliarden-Haftungs- Oder: risiken kommen – siehe Bankgesellschaft. Wir haben die Gefahr, dass wir für Anlagen, die wir kaufen, erhebliche Welche Vor- und Nachteile hätte nach Meinung Zinsen aufbringen müssen, und die müssen erst einmal des Senats die zusätzliche Erbringung von Dienst- verdient werden. Ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, dass leistungen durch einen öffentlichen Anbieter? Sie 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen müssen, wenn Sie Dies sind alles Dinge, die die FDP höchst ungern formu- Netze kaufen. Auch die müssen Sie erst einmal verdienen. liert. Eigentlich ist das aus ihrer Sicht der Sündenfall. Da Und natürlich sind in solchen Unternehmen auch Verluste müssten sich Ihnen die Haare aufstellen, die Fußnägel möglich. Wir haben gesehen, dass die GASAG massive aufrollen. Davon abgesehen sind es natürlich sehr berech- Verluste gemacht hat, bevor sie privatisiert wurde. Wir tigte Fragen, die man zu diesen Sachverhalten stellen haben bei der BVG bei den seltsamen Sale-and- kann. Leaseback-Verträgen gesehen, dass auch öffentliche Un- ternehmen massive Verlustrisiken in das Land Berlin Es gibt landauf landab die Entwicklung, Aufgaben der eintragen. Deshalb müssen wir sicher sein, dass nicht öffentlichen Daseinsvorsorge, die in der großen Privati- durch die Gründung öffentlicher Unternehmen das Land sierungseuphorie der vergangenen Jahre an Private verge- Berlin sich Verluste an das Bein bindet, die man vermei- ben worden sind, zurückzuholen. Wir Sozialdemokratin- den könnte. nen und Sozialdemokraten sind keine Ideologen.

[Mieke Senftleben (FDP): Das wüsste ich aber!] Insgesamt geht es darum, Gefahren zu vermeiden und Risiken auszuklammern. Für uns ist es wichtig, in eine

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Frank Jahnke Die Frage, ob eine Aufgabe unbedingt vom Staat erledigt aufgrund ganz anderer Überlegungen wieder annähert. Es werden sollte oder Private es genauso gut oder besser hat dann allerdings im Lauf der Jahre immer größere können, muss am konkreten Fall entschieden werden. Netze gegeben, die sich zunehmend in staatlicher Hand Dass der Staat – wie der Senator immer so schön sagt – befanden. Die GASAG war ein Eigenbetrieb des Landes nicht für die Produktion von Tellern und Tassen sorgen, Berlin, die Bewag gehörte überwiegend auch dem Land Ackerbau und Viehzucht betreiben, keine Versicherungs- Berlin, wir haben sie in den 90er-Jahren verkauft. Wir leistungen anbieten muss, ist völlig unstrittig. Derartige haben damit nicht allein gestanden. Die Liberalisierung Leistungen haben wir in den vergangenen Jahren deshalb der Strom- und Gasmärkte fand europaweit statt, Netz auch an Privatunternehmen abgegeben. Es ist keine Rede und Betrieb wurden voneinander getrennt – was in einer davon, sie zu rekommunalisieren. kommunalen Gesellschaft automatisch in einer Hand gewesen ist. Die diskriminierungsfreie Einspeisung ist Worum es geht, ist der Kernbereich der Daseinsvorsorge: heute eine Forderung der Europäischen Union. Die wer- die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser und Energie, den wir auch gewährleisten, aber es kann in der Tat wich- die Abfallentsorgung, der öffentliche Personennahverkehr tig sein, dass man Einfluss auf das eigene Gas- oder und Leistungen der Gesundheitsversorgung. Auch in Stromnetz behält. diesen Bereichen können Private durchaus beteiligt wer- [Björn Jotzo (FDP): Auf Netze!] den, aber der Staat ist in der Gewährleistungsverantwor- tung. Bei der Wasserversorgung ist Berlin vor gut zehn Es kann eben auch wichtig sein, mit einem Unterneh- Jahren den Weg einer Teilprivatisierung gegangen. Dies mensanteil oder auch im Verbund mit anderen Unterneh- wird in der Stadt bis hinein in Kreise der Unternehmer- men, anderen Stadtwerken, anderen öffentlichen Trägern schaft und IHK als ein Fehler betrachtet. Bei einem natür- hier Einfluss zu nehmen, um die Versorgung Berlins mit lichen Monopol, wie es die Wasserver- und -entsorgung Gas, Strom und Wärme zu erreichen, auch um Ziele wie darstellt, verbietet sich die Beteiligung Privater – noch angemessene Preise, Versorgungssicherheit und stadtpoli- dazu mit garantierten Renditen. Es ist also richtig, wenn tische, umweltpolitische und Klimaschutzziele zu errei- die SPD und die Linkspartei in ihrer Koalitionsvereinba- chen. Dies sind Dinge, die wir hierbei berücksichtigen. rung die Prüfung der Rekommunalisierung fordern. Lang- fristiges Stabilhalten der Wasserpreise, Sicherung der Zur Wohnungswirtschaft könnte man abschließend etwas Investitionen ins Wasser- und Abwassersystem, auch sagen, weil Sie es in Ihrer Großen Anfrage auch themati- Arbeitsplätze und die Leitung des Unternehmens von sieren. Das ist natürlich ein Bereich, der ganz überwie- Berlin aus sind entscheidende Punkte. Wir werden alles gend in privatwirtschaftlicher Regie stattfindet, wo aber tun, um wieder mehr von den Wasserbetriebe in kommu- ein Mindestanteil an städtischem Eigentum sinnvoll ist. nale Hand zu bekommen. Städte, die ihren Wohnungsbestand teilweise völlig ver- kauft haben, bereuen dies. Wir werden an diesen rund [Heidi Kosche (Grüne): Was habt 15 Prozent des öffentlichen Wohnungsanteils festhalten, Ihr denn geprüft?] um auch dort einen Markteinfluss zu haben, um Bevölke- Zweiter Punkt, die S-Bahn: Hier fordert die FDP noch rungskreise zu versorgen, für die es sonst wirklich mehr Wettbewerb. schwierig wäre. [Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Ja!] Es lässt sich also insgesamt sagen, dass sich nach zwei Die Entwicklung der letzten Jahre, die Katastrophe – Jahrzehnten der Privatisierungsdiskussion und auch zahl- wenn man es so nennen will – des vergangenen Jahres bei reicher Erfahrungen mit Privatisierungen in Berlin und der S-Bahn sind genau genommen das Entgegengesetzte andernorts recht genau sagen lässt, wo Private Leistungen gewesen. Sie sind die Folge der Vorwegnahme eines ebenso gut oder besser erbringen können wie die öffentli- Börsenganges, des Sparens um jeden Preis, um – wie der che Hand. Aber es sind auch Grenzen sichtbar geworden, Senator es genannt hat – die Braut schön zu machen. Wir wo privates Renditestreben und öffentlicher Auftrag eben haben hier gesehen, wohin allein der beabsichtigte Bör- nicht gut zueinander passen. sengang der DB AG dazu geführt hat, [Björn Jotzo (FDP): Das hat ja Die Rekommunalisierungsdiskussion ist daher notwendig. nichts mit Wettbewerb zu tun!] Wir führen sie mit Augenmaß, ohne ideologische Scheu- klappen, um im Interesse unserer Stadt und der Berline- nämlich dass die Leistung der S-Bahn nicht mehr ver- rinnen und Berliner die richtigen Entscheidungen für nünftig erbracht werden konnte – zum Nachteil der Berli- diese wichtigen Zukunftsfelder zu treffen. – Ich danke für nerinnen und Berliner. die Aufmerksamkeit!

Ich komme jetzt zum Energiebereich – Gas und Strom. [Beifall bei der SPD – Dieser Bereich ist historisch betrachtet keineswegs strin- Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] gent in öffentlicher oder privater Hand gewesen. In Berlin zum Beispiel begann Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer englischen Gasgesellschaft die Gasversorgung. Die Stromversorgung erfolgte zum Teil durch dezentrale kleine Blockkraftwerke, ein Ansatz, dem man sich heute

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Präsident Walter Momper: – Das kann ich Ihnen sagen, wozu. Wer nur an den Staat Danke schön, Herr Kollege Jahnke! – Für die CDU- glaubt und bei jedem Problem auf den Staat rekurriert, der Fraktion hat nunmehr der Kollege Melzer das Wort. – kann als Wirtschaftssenator eben nicht Unternehmer be- Bitte schön, Herr Kollege Melzer! geistern, der kann keine Investitionen akquirieren und erfolgreich für den Standort Berlin und damit für die Arbeitsplätze werben. Das genau aber ist die Aufgabe des Heiko Melzer (CDU): Wirtschaftssenators. Das müsste die Schwerpunktaufgabe Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wolf! von Senator Wolf auch sein. Sie sind ja in den letzten Monaten, man muss eigentlich [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): sagen: in den letzten Jahren, durch die Lande gezogen und Normalerweise hören Sie doch zu!] wollten häufig all das rekommunalisieren, verstaatlichen, was nicht niet- und nagelfest war: GASAG, Wasserbe- Sie aber, Herr Wolf, überschlugen sich in der Vergangen- triebe, bei der S-Bahn haben Sie die Diskussion geführt, heit mit Ankündigungen. Sie haben weder eine Idee, wie beim Strom, bei den Banken. sie beispielsweise den Rückkauf der Wasserbetriebe oder der GASAG finanzieren wollen, noch, was Sie denn an- [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Bei der CDU nicht!] ders machen wollen als die bisherigen Inhaber. Wenn ich mir den Programmentwurf der Linken auf Bun- desebene angucke, dann steht uns da wohl schon noch ein Auch heute haben Sie wieder gar nichts dazu gesagt, wie bisschen mehr bevor, und wir müssen fürchten, dass künf- Sie mit nicht vorhandenen Milliarden mögliche Rückkäu- tig auch der erfolgreiche Mittelständler vielleicht in den fe finanzieren wollen. Ganz offensichtlich ist sich die Verdacht gerät, so erfolgreich zu sein, dass er verstaatlicht Koalition hier auch alles andere als einig. Ende Dezember werden muss. 2009 sagte Herr Nußbaum – nachzulesen in der „Berliner Morgenpost“ –, Sie hätten das falsche Konzept für die [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Rekommunalisierung der GASAG und der Wasserbetrie- Das ist ziemlicher Blödsinn!] be. Kurz vor Weihnachten wirft Ihnen, Herr Wolf, SPD- Ich habe mir die ersten zwölf Seiten dieses Programm- Chef Müller ebenfalls via „Morgenpost“ vor: entwurfs einmal angesehen. Es sind einige in der Stadt unterwegs, die den Ein- [Björn Jotzo (FDP): Echt krass!] druck erwecken, als könne Berlin mit Milliarden auf Einkaufstour gehen. Man darf nicht zu viel Da ist die Rede von versprechen. Überwindung des Kapitalismus … Die Linke Das ist Ihr Kernproblem. Sie reden von Rekommunalisie- kämpft für die Veränderung der Eigentumsverhält- rung, Sie treiben jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf. nisse … Die Linke tritt für ein Bankensystem aus Wenn es aber um Fragen der Finanzierung, der Konzepte drei Säulen ein: Sparkassen, Genossenschaftsban- geht, dann wird es sehr schnell ruhig. Da ist heute auch ken, nicht mehr gekommen als in der Vergangenheit. – gegen diese beiden Säulen ist ja noch nichts zu sagen [Beifall bei der CDU und der FDP] staatliche Großbanken Wir sehen doch an den aktuellen Sanierungsfällen, dass – mit anderen Worten: gegen jede Form privater Gesell- der Senat oftmals seine eigenen Unternehmen wie bei- schaftung von Banken. spielsweise die BVG nicht ordentlich steuern kann. Sie waren auch nicht in der Lage als Monopolauftraggeber an [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): die S-Bahn, vernünftige Verträge abzuschließen. Jetzt Genossenschaftsbanken sind auch privat! rufen Sie – als große Lösung – auf zu einer Fusion des Das lernen Sie noch, junger Mann!] Sanierungsfalls S-Bahn auf der einen Seite mit einer auf – Bei Genossenschaftsbanken habe ich durchaus gesagt, der anderen Seite ausgebluteten BVG auf. Das würde dass da nichts dagegen einzuwenden ist. – Und auf Sei- nicht das Problem lösen, sondern die Dauerkrise für beide te 12, zum Abschluss meiner kleinen Lektüre, da hat es Unternehmen erhöhen, und das mit unabsehbaren Finan- mir dann gereicht: Da ging es um die Vergesellschaftung zierungslasten für den Eigentümer, nämlich das Land von Privatunternehmen, von erfolgreichen Privatunter- Berlin. Das können wir nicht mitmachen. nehmen. Deswegen komme ich zu dem Ergebnis: Herr [Beifall bei der CDU und der FDP – Wolf! Wenn das Ihre Position als Wirtschaftssenator von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Berlin ist, dann wird die Rekommunalisierung nicht aus Wo ist Ihre Fraktion, Herr Melzer? – der Notsituation eines Einzelfalls begründet, sondern aus Dr. Margrit Barth (Linksfraktion): einem tieferen Zweifel an der Eignung privater Unter- Die CDU-Fraktion ist nehmen im Grundsatz. Deswegen hätte ich mich gefreut, schon nach Hause gegangen!] wenn Sie dazu ein klares Bekenntnis abgegeben hätten. Das haben Sie aber hier nicht getan. Auch bei der BSR muss festgestellt werden, dass das Winterchaos, das uns in den letzten Wochen immer wie- [Beifall bei der CDU – der beschäftigt hat, kein Ruhmesblatt für einen erstarrten Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Wozu?] Senat, für die Organisation ist.

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Heiko Melzer Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, – Das ist übrigens ein guter Einwand, erst einmal die es wurde eben schon einmal gesagt: Die Probleme bei der Verträge aufzudecken. BVG und bei der BSR sind nicht bei den Busfahrern oder [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Sie hatten den Müllwerkern zu suchen, sprich nicht bei den Ange- damals Geheimhaltung vereinbart!] stellten und Arbeitnehmern, sondern liegen an der fehlen- den Strategie des Eigentümers, und das ist der Senat. Wir haben dazu hier Verträge geführt. Herr Wolf! Noch nicht einmal das haben Sie vermocht, die Verträge ver- [Beifall bei der CDU] nünftig offenzulegen. Bei der S-Bahn wissen Sie letztlich ganz genau, dass eine [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Fusion mit der BVG vertragsrechtlich gar nicht durch- Vielleicht erinnern Sie sich noch, führbar ist. Unabhängig davon, dass die Deutsche Bahn ja wer die Verträge gemacht hat!] gar nicht verkaufen will, diskutieren Sie hier fröhlich und fleißig weiter darüber, diese beiden Unternehmen mögli- Das gleiche Problem besteht übrigens bei den Tarifen. Da cherweise zu fusionieren. Wir haben einen Vorschlag haben Sie jahrelang gewartet, jetzt gibt es den Entscheid unterbreitet: Sanierungsvertrag für die S-Bahn, durchaus des Bundeskartellamts. Sie hätten vor dem Entscheid des diskussionswürdig. Wir werden das auch weiter verfol- Bundeskartellamts aktiv werden müssen. Sie sind der gen. Hier im Haus sollten wir einen Schwerpunkt darauf Mehrheitsgesellschafter. Mehr als 100 Millionen Euro pro setzen und nicht – ich sage mal –: auf ungelegte Eier. Die Jahr verdient das Land Berlin an den Wasserbetrieben: kann man noch jahrelang durchs Dorf treiben, davon 14,8 Millionen Euro Konzessionsabgabe, 108 Millionen werden sie aber auch nicht konkreter. Euro Gewinnabführung, 7,1 Millionen Euro Abwasserab- gabe, 51,6 Millionen Euro Grundwasserentnahmeentgelt. [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Strich drunter! Unterm Strich 181 Millionen! Das würde Ungelegte Eier durchs Dorf treiben?] ausreichen, um den Tarif um ein Viertel zu senken. Statt- Thema Daseinsvorsorge: Zum einen müssen wir aus unse- dessen, Herr Wolf, zeigen Sie mit ausgestrecktem Zeige- rer Sicht noch einmal sehr genau definieren, was denn finger auf die privaten Investoren, anstatt mit Ihren Antei- alles unter die Daseinsvorsorge fällt. Dann müssen wir len so umzugehen, dass es attraktive Tarife für die Berli- uns gemeinschaftlich die Frage stellen – ich formuliere ner Verbraucher gibt. Das hätten Sie schon lange umset- das absichtlich ergebnisoffen –, ob Fragen der Daseins- zen können. vorsorge hundertprozentig als Totschlagargument gegen [Beifall bei der CDU und der FDP] mehr Wettbewerb missbraucht werden können oder ob vielleicht die IHK im Recht ist, wenn heute der Hauptge- Um auch mit dieser Legende aufzuräumen: Es gab ja die schäftsführer Jan Eder sagt: Eine langfristige Strategie unterschiedlichen Abreden beim Teilprivatisierungsver- zum Umgang mit den Landebeteiligungen ist notwendig. trag Wasserbetriebe. Ich habe Sie in der Kleinen Anfrage Er warnt vor teueren Sackgassen. „10 Jahre Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe“ mal gefragt, ob das denn eingehalten worden ist. Sie ant- Beim Thema Sackgassen bin ich bei den Wasserbetrieben. worten, der Senat sieht [Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)] den technisch-operativen Teil der Partnerschaft in- nerhalb der Berlinwasser Holding durchaus als er- Herr Wolf! Wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, folgreich. … Die vertraglich vereinbarten Leistun- haben Sie gesagt, Sie wollten innerhalb der Teilprivatisie- gen, wie Mindestinvestitionen …, Ansiedlung von rung zu einer neuen Kultur kommen. Was heißt das ei- Arbeitsplätzen … [usw. sind] über das geschuldete gentlich konkret? Bedeutet neue Kultur Rekommunalisie- Maß hinaus erfüllt. rung, Rückkauf der Anteile der privaten Eigentümer, also Rückkauf von 49,9 Prozent der Anteile? Auch bei den Angestellten stellen Sie fest, ein vertragli- cher Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen ist ein- [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): gehalten. Alle Verpflichtungen, die hier aufgezählt wor- Kultur, das ist doch Quatsch!] den sind, sind aus Ihrer Sicht entweder eingehalten oder Oder bedeutet das, so wie Sie oder wie der Senat bei- übererfüllt. Im Ergebnis kommen Sie bzw. Ihr Staatssek- spielsweise in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage retär, der unterzeichnet hat, zu dem Schluss, dass die sagt: Berliner Wasserbetriebe im Rahmen einer öffentlich- Dem Senat geht es darum, die Teilprivatisierungs- privaten Partnerschaft weiterzuentwickeln sind. Ich habe verträge wirtschaftlich zum Vorteil des Landes und Sie ein Stück weit heute auch so verstanden, dass Sie dort vor allem der Wasserkunden auszurichten. eine neue Kultur haben wollen. Wenn ich dies falsch verstanden habe und Sie das Geld gefunden haben, um Das können wir nachvollziehen, das ist richtig. Das ist die 49,9 Prozent der Anteile zurückzukaufen, dann bin ich Antwort auf die Frage, wie man die Wasserbetriebe zu gespannt, wie Sie uns erklären, wie Sie dafür das Geld einem Musterbeispiel öffentlich-privater Partnerschaften zusammenbekommen, wie Sie es finanzieren, genauso weiterentwickeln kann, kein Wort mehr von Rückkauf der wie für alle anderen Rückkäufe, die Sie so vorhaben, über Anteile. die Sie sprechen, aber nicht konkret werden. – Vielen [Heidi Kosche (Grüne): Dank! Erst die Verträge aufdecken!]

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[Beifall bei der CDU] die privaten Eigentümer. Dieser Kurs wurde immer frag- würdiger. Und so ist es eben nicht ausschließlich das rot- rote Berlin, das über Rekommunalisierung diskutiert, Präsident Walter Momper: sondern es sind Straubing, Böblingen, Lüneburg, der Danke schön, Herr Kollege Melzer! – Herr Dr. Lederer Landkreis Uckermark, Flensburg, Rhein-Hunsrück, Stutt- hat jetzt für die Linksfraktion das Wort. – Bitte schön! gart, Hamburg. Herr Melzer! Sie können kaum unterstel- len, dass da überall Agenten der Programmkommission der Linkspartei sitzen und die Rekommunalisierung in die Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Gehirne der Akteure von CSU bis Grüne implementieren. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist ja nun ziemlicher Schwachsinn. Auf alle Frage, die Herr Melzer aufgeworfen hat, kann ich [Zuruf von Heiko Melzer (CDU)] nicht eingehen. Aber wir können gerne auch mal einen Kaffee trinken gehen, Herr Melzer, und dann versuche Und damit wird auch deutlich, dass die Art und Weise, ich, Ihnen das eine oder andere noch mal zu erklären. Wir wie Sie sich dem Thema genähert haben, eine rein ideolo- haben auch schon darüber geredet. Aber vielleicht kommt gische ist und mit den praktischen, sachlichen Herange- ja irgendwann das eine oder andere am Ende bei Ihnen an. hensweisen überhaupt nichts zu tun hat. Ich will einfach von der Seite der Linksfraktion noch mal die Position darlegen, die wir in Bezug auf Rekommuna- Wir haben hier in Berlin schon vor Jahren mit der Korrek- lisierung haben, ein bisschen Weltall-Erde-Mensch- tur begonnen. Wir haben verhindert, dass bestimmte Inf- Thema. Hier sind auch zigtausend Sachen durcheinander- rastrukturen weiter verkauft worden sind, trotz Haushalts- gewürfelt und angesprochen worden. Ich werde ein paar notlage im Land Berlin, Vivantes 2007, die Direktvergabe allgemeine Bemerkungen machen und mich dann auf drei des Verkehrsvertrags an die BVG bis 2020, der Verkauf Schwerpunkte konzentrieren, weil es keinen Sinn hat, das der Landesbank mit der Sparkasse an den Sparkassen- als globales Thema aufzuwerfen. So viel Zeit ist dann gar und Giroverband, aber auch 2006 in der Koalitionsverein- nicht. barung die Verabredung, dass wir nicht weiter Woh- nungsbestände veräußern wollen. Das ist vernünftig ge- Was feststeht, ist, dass es in den Neunzigerjahren einen wesen. Das ist richtig gewesen. Und jetzt geht es darum, ziemlichen Glauben daran gab, dass der Markt als Lö- den nächsten Schritt zu gehen, nämlich offensiv den öf- sungsinstanz alle Probleme in den öffentlichen Infrastruk- fentlichen Einfluss in der Berliner Daseinsvorsorge aus- turen der Daseinsvorsorge lösen könne. Da stimmt in der zuweiten. Da geht es um öffentliche Unternehmen, die zu Tat, da gab es Parteibuchwirtschaft, Misswirtschaft und sozialen Konditionen zuverlässig beste Leistungen mangelnde öffentliche Kontrolle in öffentlichen Unter- erbringen und die die knappen finanziellen Mittel des nehmen. Landes Berlin in vernünftiger Weise und verantwortungs- voll im Interesse der Berlinerinnen und Berliner einset- [Zuruf von Florian Graf (CDU)] zen – um nicht mehr und nicht weniger! Was folgt dar- All das ist richtig. Gerade in Berlin haben die Parteien der aus? – Drei Aspekte – und jetzt, Herr Melzer, hören Sie großen Koalition die öffentlichen Unternehmen zur Ver- einfach zu! –: Netzgebundene Infrastrukturen in Wirt- sorgung des eigenen Personals und zur Durchsetzung schaftssektoren, Wasserver- und Abwasserentsorgung als klientelistischer Interessen benutzt. Daran kann überhaupt Beispiel, aber auch Energie, Verkehrsdienstleistungen auf kein Zweifel bestehen. Das hat das Vertrauen darin, dass der Schiene, Stadtreinigung, Abfallentsorgung. Das sind öffentliche Unternehmen öffentliche Aufgaben zuverläs- in der Regel Dienste, die mit hohen Investitionserforder- sig und vernünftig erfüllen können, in der Tat erschüttert. nissen verbunden sind oder natürliche Infrastrukturbin- Die Konsequenz daraus war, dass man gesagt hat, wir dungen haben. Deswegen werde die in nahezu monopolis- müssen das alles verkloppen, wir brauchen private Part- tischen Infrastrukturen erbracht. Damit haben die auch ner, oder wir müssen das alles an Private verkaufen, damit eine Tendenz zu monopolistischen und oligopolistischen die das dann regeln. Es gab andere, und zu denen gehör- Marktverhältnissen. Die ökonomische Theorie spricht bei ten wir damals schon, die gesagt haben: Die Alternative solchen Dingen von Marktversagen. Das muss doch ein zu schlecht geführten öffentlichen Unternehmen sind Christdemokrat verstehen können. Und wenn das Markt- keine privaten Unternehmen, sondern gut geführte öffent- versagen ist, dann ist doch die Frage, welche Form des liche Unternehmen. Umgangs mit dem Marktversagen es gibt. Die FDP sagt: Mehr Markt, mehr Markt, mehr Markt! – Da gibt es ratio- [Beifall bei der Linksfraktion – nale Ökonomen, die sagen, da muss eine vernünftige Beifall von Frank Jahnke (SPD) – Form öffentlicher Kontrolle her. Genau das wollen wir. Zuruf von der FDP: HOWOGE!] Wir wollen den öffentlichen Einfluss stärken, nicht im Die allgemeine Markt- und Privatisierungseuphorie, die in Sinne von Parteibuchwirtschaft u. Ä., sondern wir wollen den Neunzigerjahren Platz gegriffen hat, war auch keine den öffentlichen Einfluss im Interesse der Berlinerinnen Dauererscheinung, sondern sie begann, sich sukzessive zu und Berliner ausweiten. verflüchtigen, weil die Konsequenz ganz übersichtlich [Zuruf von Joachim Esser (Grüne)] war: steigende Preise bei keineswegs besseren Leistun- gen, geringerer Einfluss der Politik und satte Renditen für Dass wir bei den Berliner Wasserbetrieben bisher eine Rekommunalisierung nicht hinbekommen haben, hat zwei

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Dr. Klaus Lederer Gründe: erstens das fehlende Geld dafür und zweitens die auf dem Ring dann tatsächlich passiert. Wir wollen da bis fehlende Bereitschaft des Verkaufs. Ist ja auch schon Ende 2010 eine klare Entscheidung des Senats. Wir, zu- zigmal diskutiert worden. Also was müssen wir probie- mindest als Linke, stehen tendenziell eher für eine Di- ren? – Harald Wolf hat es gesagt: Wir müssen versuchen, rektbeauftragung des landeseigenen Unternehmens. den Einfluss Berlins gemäß seiner Anteilsmehrheit wie- derherzustellen. – Es ist doch kein Geheimnis, dass das, Zur Stärkung des öffentlichen Einflusses im Energiesek- was am Ende als Rendite über die Wassertarifverordnung tor hat Harald Wolf einiges gesagt. Ich denke, man muss letztlich mittelbar festgelegt wird, auf den Teilprivatisie- die Chancen nutzen, den Einfluss auf die Netzgesellschaf- rungsverträgen beruht, die Ihre, eine Koalition unter Füh- ten zu erhöhen. Man muss den Versuch unternehmen, rung der Christdemokraten im Jahr 1999 abgeschlossen mittelbar oder unmittelbar Einfluss auf die Netze zu neh- hat. Das hätten Sie sich damals überlegen müssen, Herr men. Und wenn gefragt wird, wie man das bezahlen kann, Melzer! Nur dass Sie so jung im Parlament sind, hält Sie dann ist es genau die hier an mehreren Stellen schon her- doch nicht davon ab, geschichtsbewusst mit den Leistun- vorgehobene Sicherung von Netzentgelten. Die sind ja gen Ihrer eigenen Vorgängerorganisationen umzugehen, gesichert, und mit denen kann man auch langfristig und nämlich der damaligen Fraktion hier im Abgeordneten- vernünftig planen. Und wenn man das nutzt, um sozial haus. und ökologisch integrative Standards sicherzustellen, [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Guter Hinweis! – Investitionen in die Netze durchzuführen und die Refi- Christoph Meyer (FDP): Wie Sie mit der SED!] nanzierung zu sichern, dann ist das Geld sicherlich besser eingesetzt, als wenn es an die Börsen abfließt und ir- Das heißt, wir müssen einfach vernünftig mit dem ganzen gendwelchen Heuschrecken oder Kapitaleignern zur Auf- Vorgang umgehen, und wir müssen die Möglichkeiten besserung ihrer Rücklagen dient. Da muss man ran. nutzen, auf die Wasserbetriebe Einfluss zu nehmen, die uns kein Geld kosten, denn – das hat mir Herr Ratzmann Das Stichwort Stadtwerk ist auch eine Debatte wert. Ich vorhin mal so rübergeflüstert – es ist eigentlich auch be- finde, es muss eine öffentliche Diskussion zu dem ganzen kannt: Sobald wir hier im Land an der Schraube drehen, Vorgang geben. Ich glaube schon, dass es sinnvoll ist, müssen wir es aus dem Landeshaushalt gegenfinanzieren. wenn ein Berliner Unternehmen den Oligopolen an dieser Das ist doch bekannt. So geheim sind die Verträge doch Stelle Konkurrenz macht und den Berlinerinnen und Ber- nicht. Das wissen alle. Also müssen wir versuchen, die linern ökologischen Strom, sauberen Strom zu vernünfti- bundesrechtlichen Stellschrauben zu nutzen. Das tun wir gen Konditionen zur Verfügung stellt und hier in Berlin jetzt. In welcher Art und Weise wir als Linke mit dem Arbeitsplätze schafft. Das muss man selbstverständlich in Vorgang umgehen wollen, steht in dem Papier, das Herr einer vernünftig durchdachten Art und Weise tun. Und Thiel schon zitiert hat. Ich halte das auch für einen ver- man muss das wirtschaftliche Risiko dabei gering halten. nünftigen Weg. Darüber kann man hier ganz nüchtern und rational diskutieren. Deswegen werden wir auch nichts über das Knie brechen, sondern eine vernünftige öffentliche Debatte dazu führen. Der nächste Punkt ist der Berliner S-Bahnverkehr. Na klar Wir werden die Beteiligten in der Stadt einbeziehen und ist das sinnvoll zu überlegen, wie man den ÖPNV am versuchen, sie auf diesem Weg mitzunehmen, damit es öffentlichen Interesse ausrichtet statt am Gewinninteresse ein Erfolg wird. Es hat doch keinen Sinn, Ideologie zu eines privaten Betreibers oder eines Unternehmens wie betreiben und jeden Tag keine Eier – Herr Melzer –, son- der Deutschen Bahn AG, die privatwirtschaftlich agiert, dern eine neue Sau durchs Dorf zu treiben, anstatt ein auch wenn sie ein öffentliches Unternehmen ist. vernünftiges, sukzessive durchdachtes Konzept praktisch [Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)] umzusetzen. Das wird Rot-Rot tun. Darauf werden wir als Linke auch setzen. Das kann doch nicht der Sinn der Übung sein, private Monopolausbeutung durch öffentliche Monopolausbeu- [Beifall bei der Linksfraktion] tung zu ersetzen, sondern es muss darum gehen, private Schließlich, letzter Punkt – dafür habe ich jetzt noch eine Monopolausbeutung durch gute Kontrolle öffentlicher Minute: Wir müssen versuchen – dafür stehen wir auch –, Unternehmen in Monopolsektoren sicherzustellen. Das das Beteiligungsmanagement zu evaluieren. Wir müssen wollen wir hier in Berlin. Dafür stehen wir. die Einflussnahme verbessern. Das ist in der Tat ein [Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)] Punkt, denn wir haben in der letzten Zeit erlebt, dass nicht alles im öffentlichen Unternehmenssektor so gut läuft, Ich sehe die Teilausschreibung des S-Bahnverkehrs auf wie wir es uns wünschen. Wir haben gemerkt, dass in dem Ring und Richtung Schönefeld durchaus skeptisch, einzelnen Unternehmen tatsächlich noch Praktiken der weil ich der Ansicht bin, dass, wenn wir ein anderes pri- Vergabe und des Gesetzesbruchs passieren, die wir für vates Unternehmen reinholen, das wie der Bahnkonzern nicht hinnehmbar halten. Wir erleben, dass nach wie vor seinen Kapitaleignern und den Renditeinteressen ver- Klientel und einzelne Strukturen in der Stadt versuchen, pflichtet ist, sich daraus nichts anderes ergibt. Schuld- auf solche Unternehmen Zugriff zu bekommen, um sich rechtliche Verträge haben ihre Grenze. Das haben wir an eine günstige Refinanzierung ihrer Investitionen zu si- verschiedenen Stellen erleben müssen, auch beim Ver- chern. Das kann nicht sein. kehrsvertrag u. a. Ein erneut schuldrechtlicher Vertrags- schluss sichert nicht die direkte Kontrolle über das, was

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Dr. Klaus Lederer Wir werden dafür sorgen, dass Lücken der Beteiligungs- und versuchen wird, das Unternehmen zu enteignen. Ich verwaltung aufgedeckt und abgestellt werden, dass die glaube eher, dass er auf dem Sessel des Senators sehr operativen Verfahrensstandards verbessert werden. Wir kleine Brötchen backen wird und – wie er es auch in der werden die Weiterentwicklung der Leitbilder betreiben Vergangenheit schon getan hat – im Zweifel dann dafür und die personelle Vertretung Berlins in den Unterneh- sorgen wird, dass die privaten Anteilseigentümer das mensführungen qualifizieren. Nicht zuletzt werden wir kriegen, was sie tatsächlich auch haben wollen. Das durf- uns darum kümmern, dass über Best-Practice-Beispiele, ten wir bei den Berliner Wasserbetrieben das eine oder über die Initiative „mehrwert Berlin“ und andere Initiati- andere Mal sehr leidvoll mit ihm erfahren. ven nicht die öffentlichen Unternehmen dem Land sagen, [Beifall bei den Grünen] was sie von ihm wollen, sondern dass wir als Land Berlin sagen, was wir von den Unternehmen erwarten, damit sie Wissen Sie, das ist vielleicht ein bisschen wie bei der ihre soziale Verantwortung, aber auch gut ausgeführte, FDP, da dürfen wir das im Moment auch ganz spektakulär ökonomisch abgesicherte Leistungen erbringen. Dafür erwarten: Da war ein Herr Westerwelle, der hat erst groß steht Rot-Rot. Dafür haben wir die Konzepte. Dafür ha- getönt, dass er entbürokratisieren wolle, und hat den ben wir gute Ideen, und wer mit uns darüber diskutieren Schlendrian und die Geldverschwendung im Außenminis- will, der kann das gerne tun. – Vielen Dank! terium gegeißelt, und kaum sitzt er auf dem Sessel des Außenministers, ist auch alles ganz anders. Die sind da [Beifall bei der Linksfraktion – auch nicht besser als die Linkspartei. Vereinzelter Beifall bei der SPD] [Beifall bei den Grünen]

Ich glaube allerdings, dass die Linkspartei – – Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: [Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)] Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abge- – Herr Albers! Ich weiß, Sie versuchen immer mit dem ordnete Ratzmann das Wort. Verweis auf andere von sich selbst abzulenken. [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie machen Volker Ratzmann (Grüne): das doch!] Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- Aber im Moment versuchen Sie, hier zu regieren – mehr ren! Lieber Herr Lederer! Ich muss Ihnen sagen, es ist schlecht als recht. Deswegen müssen Sie sich auch gefal- manchmal etwas schwierig, mit Ihnen über diese Fragen len lassen, von der Opposition gefragt zu werden. wirklich ideologiefrei und praxisorientiert zu diskutieren. [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Jetzt kommen [Mieke Senftleben (FDP): Was heißt hier manchmal?] Sie mal zur Sache!] Das haben wir leider in der Vergangenheit das eine oder Ich glaube, dass die FDP sehr wichtige Fragen in ihrer andere Mal erfahren müssen. Großen Anfrage aufgeworfen hat. Es ist in der Tat eine Diskussion wert, darüber zu reden, wie diese Stadt, wie [Beifall bei der FDP – dieses Land organisiert sein soll. Und über nichts anderes Vereinzelter Beifall bei den Grünen] reden wir, wenn wir darüber reden, welche Strukturen wir Herr Melzer! Ihnen muss ich sagen: Ich glaube, Sie neh- brauchen. men das, was die Linke in ihre Parteiprogramme schreibt, einfach viel zu ernst. Ich finde es auch richtig – und das ist mir bei Ihnen, lieber [Beifall von Kai Gersch (FDP)] Herr Schmidt, leider viel zu kurz gekommen –, darüber nachzudenken, wie wir die Strukturen so ausrichten kön- Wir haben doch dem Papier, das heute schon zitiert wor- nen, dass tatsächlich die Menschen in dieser Stadt im den ist, und auch den Ausführungen von Herrn Wolf und Mittelpunkt stehen. Darum geht es. Wir brauchen Struktu- Herrn Lederer entnehmen können, – – ren, die Dienstleistungen erbringen, die den Berlinerinnen [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wenn hier und Berlinern dienen. Wir brauchen keine Strukturen und jemand kein Programm liest, dann sind Sie das!] keine Unternehmen, die nur dem Profitinteresse dienen. Wir brauchen keine Strukturen, die nur dem Machterhal- – Im Gegensatz zu Ihnen haben wir Programme! Sie sind tungstrieb von Regierungsparteien dienen, und wir brau- ja gerade erst dabei, sich mühsam an einem Grundsatz- chen auch keine Strukturen, die nur den Funktionsträgern programm abzuarbeiten, und wir werden sehen, was für in den eigenen Unternehmen dienen. Auch da haben wir ein Mäuslein Sie da gebären werden. hier in Berlin leidvolle Erfahrungen gemacht. [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie treiben Ihre Truppe in die Beliebigkeit!] Wenn man ehrlich ist, meine Damen und Herren von der Linkspartei, gehört es auch dazu, dann mal wirklich ideo- Herr Melzer! Ich sage Ihnen: Wir dürfen das nicht so logiefrei darüber zu reden, wie wir solche Unternehmen ernst nehmen. Das hat man eben aus den Ausführungen am besten aufstellen, und zwar radikal darüber zu reden gehört. Ich glaube nicht, dass Herr Wolf demnächst los- laufen, die rote Fahne auf das Dach von Siemens pflanzen [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Tun wir die ganze Zeit!]

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Volker Ratzmann und nicht als Erstes zu schreien: Wir dürfen nichts verän- [Vereinzelter Beifall bei den Grünen] dern! Das ist unsozial! – Wenn es uns um die Berlinerin- Sie haben 2004 dafür gesorgt, dass die Privaten ihre Ren- nen und Berliner geht, darf uns keine Diskussion zu scha- ditevorstellungen nicht erst 2008, sondern sofort 2004 de sein. umsetzen können. Das waren Punkte, an denen Sie Hebel [Beifall bei den Grünen und der FDP – hatten, mit den Privaten darüber zu verhandeln, aus den Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Alles Phrasen!] Verträgen auszusteigen, neu zu verhandeln, andere Vor- Ich bin auch Herrn Wolf und Herrn Lederer dankbar, dass schriften zu implementieren. Sie haben es jetzt noch nicht sie in ihrem Papier, das heute schon das eine oder andere einmal geschafft, die Privaten dazu zu bringen, eine Ver- mal zitiert worden ist, deutlich gemacht haben, in welche einbarung zu unterschreiben, mit der Sie einen festen Richtung sie denken. Ich finde, da sind viele Ansätze Betrag für die Neuinvestitionen in die vorhandene Infra- enthalten, die man tatsächlich auch aufgreifen kann. struktur festschreiben.

Es ist selbstverständlich unsere Aufgabe, im Land Berlin Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: darüber nachzudenken, in welche Richtung und warum Entschuldigung! wir Unternehmen wieder in die öffentliche Hand zurück- holen möchten. Es gibt Unternehmen, bei denen wir da- rüber nachdenken müssen, weil wir besser steuern kön- Volker Ratzmann (Grüne): nen. Es wird aber auch Unternehmen geben, die wir eher Nein! Keine Zwischenfragen! – Wie, bitte schön, wollen in privater Hand lassen. Sie sie dazu bekommen, grundsätzlich auf die ihnen ga- [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Worüber rantierten Renditen aus diesem Geschäft zu verzichten? reden Sie?] Ich sage Ihnen, Herr Wolf, wir glauben da nicht mehr an Ihre Fähigkeiten, dass Sie tatsächlich in der Lage sind, Wir müssen auch – und dafür haben wir die Verantwor- hier etwas zu verändern. Diese Chancen haben Sie ver- tung – dafür sorgen, dass dieses Land ein Land ist, in dem passt, und Sie haben das Vertrauen gegenüber den Berli- Private sehr wohl noch ihren Platz finden, mit ihrem Geld nerinnen und Berlinern verspielt. hierher zu kommen und zu investieren. [Beifall bei den Grünen – [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Was wollen Steffen Zillich (Linksfraktion): Das ist Sie denn verkaufen?] nicht identisch: Volker Ratzmann Ich nehme das Geld von Privaten, das hier in vernünftige und die Berlinerinnen und Berliner!] Vorhaben investiert wird, sehr gern, und es hängt auch Das Gleiche gilt für die S-Bahn. Auch da hätten wir gern davon ab, wie offen wir in den Bereichen sind, in denen von Ihnen gehört, wie Sie das anstellen wollen, die wir als Land im Moment die Hand auf den öffentlichen S-Bahn tatsächlich aus dem DB-Konzern herauszulösen. Unternehmen haben. Wir müssen darauf aufpassen, dass Ich habe gerade gestern Herrn Ramsauer im Radio voll- wir hier nicht den ganzen Markt zumachen. Wir brauchen mundig verkünden hören: Wir haben überhaupt kein Inte- auch das Geld von privaten Investoren – gerade in dem resse, die S-Bahn zu verkaufen! Wir haben null Interesse, Bereich der erneuerbaren Energien, über den Herr Wolf sie aus dem Konzern der DB zu entlassen! – gesprochen hat.

[Beifall bei den Grünen und der FDP] Wie bitte schön wollen Sie Ihre Strategie umsetzen? Er- Herr Wolf! Ich muss aber Herrn Melzer auch recht darin klären Sie sich doch in diesem Bereich einfach einmal! geben, wenn er sagt, wir hätten gern ein bisschen mehr Wir würden gerne mit Ihnen darüber diskutieren, wie wir darüber gehört, wie Sie das Unterfangen, das Sie in dem sinnvoll eine Infrastruktur aufbauen, die garantiert, dass Papier skizziert haben, tatsächlich umsetzen wollen. Sie die Berlinerinnen und Berliner einen vernünftigen öffent- sagen, Sie wollen Rekommunalisierung – das ist ein sehr lichen Personennahverkehr haben. Sie bleiben aber bei mageres Verständnis, würde ich sagen. Sie verstehen Ihren wolkigen Formulierungen und werden nicht kon- Rekommunalisierung dahin gehend, dass Sie die vorhan- kret. Ich sage Ihnen: Jetzt ist der Moment, darüber zu denen Strukturen besser nutzen wollen, um das, was wir diskutieren, und nicht erst, wenn wir Sie wieder vors steuern können, was wir uns als öffentliche Hand als Verfassungsgericht zerren müssen, damit Sie die von Zielsetzung vorgenommen haben, mit diesen Unterneh- Ihnen geschlossenen Geheimverträge offen legen müssen. men auch tatsächlich umsetzen zu können. Da beklagen Hier ist der Ort, wo wir darüber reden müssen. Sie das eine oder andere. [Beifall bei den Grünen]

Das gilt auch für Ihre Ankündigung, dass sie die Infra- Sie sagen, Sie wollen beispielsweise von den Wasserbe- struktur zurückhaben wollen. 2006 und 2007 hatten Sie trieben neue Verträge haben. Ich frage mich allerdings, die Chance, die Verträge zu kündigen. Da hätten Sie sa- wie Sie das anfangen wollen. Sie haben 2003 dafür ge- gen können: ja, wir kündigen das auf. Wir gehen den Weg sorgt, dass die Privaten – nachdem das Verfassungsge- und suchen uns Partner, mit denen wir die Netze wieder richt die Verzinsungsformel kassiert hatte – mit dem unter den kommunalen Einfluss bekommen können. Die- Teilprivatisierungsgesetz ihre Renditevorstellungen wei- se Chance haben Sie verstreichen lassen. Warum sollen ter umsetzen konnten.

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Volker Ratzmann wir Ihnen denn jetzt noch glauben, dass Sie willens und in tung nehmen. Das ist aber keine Aussage dazu, was die der Lage sind, das umzusetzen. Grünen wollen, sondern nur feuilletonistisches Gerede.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)] Sie reden darüber, dass Verträge und Strukturen control- led werden müssten. Auch das haben wir gesehen. Wir – Sie können jetzt leider nicht auf mich reagieren, Herr haben heute in der Aktuellen Stunde über ein beredtes Esser. Vielleicht hätten Sie zu dem Thema sprechen sol- Beispiel geredet und gesehen, wie schwierig es ist und len, denn Sie sind vielleicht ein bisschen mehr Experte für wie unfähig die Berliner Verwaltung ist, Private in diesen Daseinsvorsorge. Ich weiß aber nicht, ob Ihre Position in Bereichen zu kontrollieren. Jetzt wollen Sie uns erzählen, Ihrer Fraktion mehrheitsfähig gewesen wäre, Herr Kolle- man müsste einfach nur ein Controlling hinstellen, und ge Esser. Bei den Grünen scheint es an der einen oder das würde dann irgendwie funktionieren. Wie wollen Sie anderen Stelle Streit über die Daseinsvorsorge zu geben. ein Controlling in der Berliner Verwaltung aufbauen? Sie [Beifall bei der Linksfraktion – werfen der Stadtentwicklungssenatorin vor, sie hätte mit Beifall von Stefan Zackenfels (SPD)] ihrer Strategie einen Prozess gegen die Wasserbetriebe, in dem es um die Entwässerungsentgelte ging, vergeigt. Das Jenseits des feuilletonistischen Geredes interessiert mich steht in Ihrem Papier. Aber einen Ansatz, wie und mit aber, ob nach Ansicht der Grünen die Wohnungen ver- welchen Konsequenzen und Strukturen Sie vielleicht in kauft, der ÖPNV in Teilstrecken ausgeschrieben, die Ihrem eigenen Haus etwas aufbauen wollen, vermissen Unimedizin und die Krankenhäuser perspektivisch ver- wir leider in den von Ihnen vorgelegten Papieren. kauft werden sollen. Herr Ratzmann sagt nur, dass das Geld privater Investoren für die Berlinerinnen und Berli- [Beifall bei den Grünen – ner genutzt werden soll. Blabla! Was heißt denn das? Was Beifall von Florian Graf (CDU) soll verkauft werden? Wie stehen Sie zur öffentlichen und Björn Jotzo (FDP)] Infrastruktur? In welchen Bereichen kann man sich davon Herr Wolf! Sie schreiben schöne Worte an die Wand. Die trennen? Wo muss man sie sichern? Und wo muss man klingen ganz gut. Aber Sie haben in der Vergangenheit öffentliche Kontrolle aus welchen Gründen besonders einfach zu viele Chancen verstreichen lassen. Sie haben sichern? zu viel Papier mit zu vielen schönen Worten beschrieben. [Beifall bei der Linksfraktion] Wir glauben Ihnen nicht mehr, dass Sie das, was Sie in Ihrem Papier dargelegt haben, auch umsetzen wollen, Wenn die Grünen immer als moralische Oberväter und geschweige denn können. Deswegen sind Sie die Fal- -mütter zur Frage Klientelpolitik daherkommen, dann schen, um die Stadt so zu organisieren, wie es gehört, fordere ich Sie aus, sich mit all denen zu unterhalten, die nämlich zum Wohle der Berlinerinnen und Berliner. – nach der rot-grünen Regierungsphase in den Lobbyismus Vielen Dank! gewechselt sind und jetzt auf unserer Matte stehen, um über Netze und Infrastruktur in Berlin zu verhandeln. Sie [Beifall bei den Grünen – können sich dazu mit Herrn Schlauch und Herrn Bernin- Vereinzelter Beifall bei der CDU] ger unterhalten, die Experten für das Mitbringen von Geld sind. Dann können Sie hier Ihre Position offen legen, damit wir darüber diskutieren können. Es reicht nicht, Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: sich an uns abzuarbeiten. Man muss irgendwann einmal Vielen Dank, Herr Ratzmann! – Herr Lederer hat jetzt das eigene Aussagen treffen. Wort für eine Kurzintervention. – Bitte! [Beifall bei der Linksfraktion –

Vereinzelter Beifall bei der SPD] Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion):

Da ich die Chance, eine Zwischenfrage zu stellen, nicht Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: bekommen habe, muss ich jetzt eine Frage nachschieben, zumal von Herrn Ratzmann so vehement Klarheit, Er- Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Herr kennbarkeit und programmatische Festigkeit von meiner Ratzmann möchte erwidern und erhält dazu die Gelegen- Fraktion eingefordert wurden. Da muss die Frage legitim heit. – Bitte sehr! sein, was eigentlich die Position der Grünen ist. [Beifall bei der Linksfraktion] Volker Ratzmann (Grüne): Wir haben jetzt mehrere Fraktionen gehört. Herr Thiel Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- und Herr Schmidt haben versucht, das Debattenangebot ren! Herr Lederer! Ich kann mich nicht daran erinnern, seriös anzunehmen. Es gibt zwar unterschiedliche Positi- dass Sie einmal wirklich über Anträge von uns diskutiert onen, aber man unterhält sich vernünftig darüber. Bei den haben. Wir haben zig Anträge eingebracht, die von Ihnen Grünen weiß ich hingegen nicht, wofür sie einstehen. Sie pauschal abgelehnt wurden. Wir haben mit Ihnen gemein- sagen: Herr Wolf, wir glauben Ihnen nicht. – Wir können sam bereits im Jahr 1999 der SPD und CDU gesagt: Lasst in anderthalb Jahren ja prüfen, was Herr Wolf eingehalten das mit der Teilprivatisierung sein! hat. Da lassen wir uns gerne von Ihnen in die Verantwor- [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das war gut!]

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Volker Ratzmann Wir sind damals mit Ihnen vors Landesverfassungsgericht Ich bitte die Geschäftsführer, nach oben zu kommen. gezogen. Ich kann mich an Diskussionen mit Harald Wolf [Kurze Unterbrechung] im Rechtsausschuss erinnern, wo wir gefordert haben, erst einmal zu prüfen, was passiert, wenn das Teilprivatisie- Ich setze jetzt die Tagesordnung fort. Die Große Anfrage rungsgesetz nicht auf den Weg gebracht wird. Das wäre Drucksache 16/3054 ist begründet, beantwortet und be- eine Chance gewesen auszuschreiben, Geld in die Hand sprochen. zu nehmen und die Privaten aussteigen zu lassen. Da hieß es: Nein, das geht nicht. – Zahlen wurden nicht auf den Ich rufe auf die Tisch gelegt. Wir haben in den Jahren 2005 bis 2007 lfd. Nr. 10: vorgeschlagen, die Konzessionsverträge zu kündigen und nach einem Modell zu suchen, um das wieder in kommu- a) Beschlussempfehlung nale Hand zu bekommen. Das wurde alles pauschal abge- Eine Zukunft für das Tempelhofer Feld lehnt. Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/2955 [Beifall bei den Grünen – Antrag der FDP Drs 16/2897 Zuruf von der Linksfraktion: Schwätzer!] b) Beschlussempfehlungen Wenn wir solche Anträge stellen, werfen Sie uns Popu- lismus vor, und von Ihnen kommt nichts. Herr Lederer! Tempelhofareal für die Stadt öffnen und Sie müssen endlich einmal akzeptieren, dass Sie in der bürgernah und zukunftsfähig entwickeln Regierung sind und nicht nur schöne Worte machen kön- Beschlussempfehlungen StadtVerk und Haupt nen, sondern von Ihnen werden Modelle erwartet, mit Drs 16/3005 denen die Probleme in der Stadt gelöst werden können. Antrag der Grünen Drs 16/1926 [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Was wollen Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen je- Sie an Infrastruktur behalten und was verkaufen?] weils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfü- Wie gedenken Sie das zu lösen? Wir können künftig ger- gung. Es beginnt die Fraktion der FDP. Herr von Lüdeke ne einen Tagesordnungspunkt in die Sitzung einbauen hat das Wort. – Bitte sehr! „Große Anfrage an die Opposition“. Dann werden wir Ihnen unter diesem Punkt darlegen, was wir wollen. Im Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Moment sind Sie gefragt. Wir haben Ihnen genug Ange- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wurde bote in vielen unterschiedlichen Feldern gemacht. Ihre darüber geredet, ob man nun wieder zu Tempelhof spre- Vernebelungstaktik zu sagen, wir wollten Universitäts- chen muss oder nicht. Wir sind der Meinung, dass man medizin verkaufen – – darüber reden muss. Man kann gar nicht oft genug zu [Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ich habe nur gefragt!] Tempelhof reden. Dieses Thema ist bei uns noch lange – Auf dumme Fragen antworte ich gar nicht. nicht vom Tisch. Das bleibt festzuhalten. [Beifall bei den Grünen] [Beifall bei der FDP – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)] Die Frage, wie wir zur Krankenhauslandschaft und zum ÖPNV stehen, haben wir hinreichend beantwortet. Lassen Die Nachnutzung von Tempelhof wird uns noch lange Sie uns darüber reden! Wir sind sehr gespannt, was Herr beschäftigten. Wolf uns auf der Veranstaltung präsentieren wird, wenn es darum geht, einen Energieversorger zu kreieren, der in Wir haben es mit zwei Anträgen zu tun. Der Antrag von der Lage ist, die Energie in der Stadt zu bündeln und zu den Grünen ist schon etwas in die Jahre gekommen. Er nutzen. Ich sage nach wie vor: Ein Senator, der mit dem datiert vom November 2008. Da er eben schon etwas älter Wort Rekommunalisierung ins Feld zieht und nicht in der ist, haben wir natürlich auch die Situation, dass er von Lage ist, seine Schlachtordnung darzustellen, wird den bestimmten Erwartungen ausgeht. Wir müssen sehen, was Kampf verlieren. Wir sind nicht die einzigen, die sich auf ihm bevorstand. Davor stand die Schließung von Tempel- diesem Markt tummeln. Es ist in unserem Interesse, die hof, sodass sich die Grünen zeitnah Gedanken darüber Energieversorgung in der Stadt so zu organisieren, dass gemacht haben, was man mit dem Flugfeld anfangen möglichst viele Erneuerbare in unserer Hand sind und wir könnte. Das war zunächst von den Ankündigungen des die Stadt energetisch auf eine neue Grundlage stellen. Regierenden Bürgermeisters geprägt. Zunächst hatte Herr Dazu fehlt Ihnen von Rot-Rot die Puste und auch die Wowereit großartig verkündet, dass er kurzfristig das Feld Fantasie. – Vielen Dank! für die Bürger öffnen würde. Wie kurzfristig das war, sehen wir heute. Auch bis heute ist das Feld geschlossen.

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Die Überlegung der Grünen war auch geprägt von dem Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ratzmann! – Die Große „Call for Ideas“, der ausgerufen wurde. Frau Lüscher hat Anfrage Drucksache 16/3654 ist damit begründet, beant- sich große Mühe gegeben, Fachgremien zusammenzustel- wortet und besprochen. len, die sich Gedanken darüber machten, was mit dem Feld geschehen sollte. Es gab die Idee von den Filmstu-

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Klaus-Peter von Lüdeke dios, Babelsberg wollte dorthin gehen. Es gab die Idee der Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Energieuniversität. All diese Ideen waren letztlich für den Vielen Dank, Herr Abgeordneter von Lüdeke! – Für die Papierkorb. Dann kam der Regierende Bürgermeister und SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Hildebrandt das schuf einfach schon einmal das Gebäude betreffend Fak- Wort. ten.

Die Fakten bestanden darin, dass er einen Vertrag über Petra Hildebrandt (SPD): viele Jahre mit „Bread and Butter“ schloss. Damit hatte er Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD- die Nutzung des Gesamtgebäudes bereits langfristig ge- Fraktion ist nach der letzten Ausschusssitzung und nach prägt. All diese Pläne waren also letztlich Makulatur. Das reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen, dass zum Thema und zum Antrag der Grünen. die einzig sinnvolle Nutzung des Tempelhofer Flughafens [Beifall von Björn Jotzo (FDP)] natürlich nur in der Wiederaufnahme des Flugbetriebes stehen kann. Wir haben Sie Anfang des Jahres aufgefordert, das Par- lament stärker in den Entwicklungsprozess für Tempelhof [Mieke Senftleben (FDP): Sagen Sie!] einzubeziehen. Wir haben gefordert, Konzepte vor der – Nein, natürlich nicht. Ich wollte nur einmal hören, ob Auslobung des landesplanerischen Wettbewerbs vorzule- noch jemand nach dieser aufrührerischen Rede des Kolle- gen. Damit hatten wir bestimmte Erwartungen mit ver- gen Lüdeke aufpasst. Aber ich sehe, dass zumindest nach bunden, langfristige stadtentwicklungspolitische Ziele, die einer kleinen Denkminute hier und da doch etwas ankam. sich aus dem enorm großen Areal ergeben, insbesondere Zumindest der Eine oder Andere hört noch zu. Bei dem durch die von Ihnen gewünschte Einbeziehung der IGA Aufruf eines Themas, das staubiger nicht kann, Herr Lü- und der IBA. Wir wollten eine Integration der umliegen- deke, wollen wir auf dem Niveau nicht weiter über Tem- den Stadtquartiere. Wir wollten sozial durchmischte pelhof reden. Quartiere schaffen. Wir wollten von Ihnen ein Freiraum- konzept für Sport- und Aufenthaltsflächen. Wir wollten [Beifall bei der SPD – die Integration des Flughafengebäudes. Wir wollten ein Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Gewerbeansiedlungskonzept. Sicherlich könnte man da- Das wollen wir nicht, weil wir nicht über Anträge reden mit auch ein integriertes Tourismus- und Marketingkon- wollen, die noch nicht einmal ein Vierteljahr alt sind und zept verbinden. – Jetzt kommt gerade die Senatorin, Forderungen erheben, die schon längst alle erfüllt sind. Es rechtzeitig. – All das hatten wir uns von Ihnen gewünscht. tut mir leid. Ich weiß nicht, was Sie alles nicht gelesen, auf welchen Diskussionsforen Sie nicht, auf welchen Inzwischen wurde nun aber der landschaftsplanerische Ideenwettbewerben Sie nicht waren, welche Veröffentli- Wettbewerb gestartet. Alle interessierten Architekten, chungen Sie nicht gelesen und dass Sie auch nicht be- Stadt- und Landschaftsplaner kennen Ihre Planungsab- merkt haben, dass wir schon bei der zweiten Auslegung sichten. Aber das Parlament, Frau Senatorin, haben Sie bzw. Bürgerbeteilung des FNP sind. lieber erst gar nicht darüber informiert. Das ist eine Sa- che, die sehr zu beklagen ist. Wir haben keine Informati- [Beifall bei der SPD – on oder nur sehr dürftige Informationen zur IBA. Uns Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] fehlt das Gesamtkonzept zur IGA, die finanziellen Ver- Ich weiß nicht, wo Sie überall nicht waren. Aber ersparen pflichtungen, die sich möglicherweise daraus ergeben. Sie uns doch bitte, dass wir es Ihnen erzählen müssen. Wir zahlen für einen Namen und wissen nicht, ob der [Lars Oberg (SPD): Das war ein intellektueller Sinkflug Name das wert ist, oder ob wir vielleicht etwas Eigenes der FDP mit einer Bruchlandung!] hätten gestalten können. All die Informationen fehlen uns. Das ist zu bemängeln, deshalb rufen wir das Thema noch Wir haben diese beiden Anträge abgelenkt. Es gibt einen einmal auf. Alle Forderungen, die sich mit unserem An- großen qualitativen Unterschied, weshalb wir beide abge- trag verbinden, sind nicht erfüllt worden. Das ist die Situ- lehnt haben. Der Antrag der Grünen hat sich mit grund- ation, in der wir uns zurzeit befinden. sätzlichen Anforderungen an die Entwicklung des Tem- pelhofer Feldes befasst. Richtig! Aber er war von Ende [Beifall bei der FDP] 2008. Das ist etwas anderes, als wenn man allgemeine Der Senat agiert wieder einmal mehr an den Bedürfnissen Plattitüden in einen Antrag von Anfang 2010 schreibt, tut der Anwohner und Betroffenen vorbei. Das wird auch mir leid! Ich fände es schön, wenn wir einen konstrukti- deutlich daran, dass die Bezirke Ihr Vorgehen ohnehin ven Diskurs, einen Wettbewerb um die besten Ideen star- ablehnen. Friedrichshain-Kreuzberg ist mit Ihrem Wett- teten, gerne, Herr von Lüdeke! Aber ich kann bei Formu- bewerb Columbia-Quartier alles andere als zufrieden. Wie lierungen, die da heißen: „Entwicklung eines Freiraum- immer grenzen Sie die Betroffenen und das Parlament konzeptes“ oder „Entwicklung eines Gewerbeansied- schlicht aus. Das ist keine hinzunehmende Situation. Wir lungskonzeptes basierend auf den Standortgegebenhei- sind gespannt, wie es mit Tempelhof weitergehen wird. ten“, ehrlich gesagt, nichts finden, was sich um einen Aber wir werden sicherlich noch häufiger darüber zu Wettbewerb um die besten Ideen rankt. Das steht nicht reden haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! drin. Da müssen Sie ein bisschen mehr bringen. [Beifall bei der FDP]

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Petra Hildebrandt [Vereinzelter Beifall bei der SPD – ist die Frage der Gründung einer neuen Betreibergesell- Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Da müsste schaft und die gesamte Finanzierung der Maßnahme nicht man ja kreativ sein] transparent genug dargestellt. Auch sind noch viele Fra- Insofern freue ich mich auf weitere Diskussionen, aber gen im Zusammenhang mit der Änderung der Flächen- ich hätte die Bitte, dass sie etwas inhaltsvoller kommen. nutzungsplanung und des Landschaftsprogramms zu klä- ren. Es kann nicht angehen, dass bei der Größe dieses [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Areals Kleingartenflächen geopfert werden, um Teilberei- che dieses Areals neu zu erschließen. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: [Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen] Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hildebrandt! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Bung das Wort. Für die CDU-Fraktion ist auch klar, dass die Freifläche mit ihrer stadtklimatischen Bedeutung in dieser Funktion erhalten bleiben muss. Neben der klimatischen Bedeutung Stefanie Bung (CDU): gilt es vor allem, dem Belang des Naturschutzes Rech- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und nung zu tragen. Die bisherigen Nutzungen, insbesondere Herren! Allein der rot-rote Senat ist für die unbefriedi- auf dem Freigelände, haben die Tier- und Pflanzenwelt gende Situation um den Flughafen Tempelhof verantwort- bereits in erheblichem Ausmaß beschädigt. lich. Er hat den Flughafen weit vor der Eröffnung des neuen Großflughafens BBI geschlossen, ohne ein tragfä- An diesem Standort brauchen wir nur dann zusätzliche higes Nachnutzungskonzept vorlegen zu können. Wohnungen, wenn ein Bedarf auf dem Wohnungsmarkt besteht und dafür Investoren bereitstehen, die dies auch [Zuruf von Lars Oberg (SPD)] finanzieren. Für eins der größten zusammenhängenden Für die CDU-Fraktion stellt die Schließung des Flugha- Gebäude der Welt gilt es, mit großer Sorgfalt durch Mo- fens nach wie vor eine eklatante Fehlentscheidung dar. dernisierung und Investitionen in die technische Infra- struktur die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche [Beifall bei der CDU und der FDP] Nutzung zu schaffen und gleichzeitig dem Denkmalschutz Der Flughafen Tempelhof darf nach dem großen Fehler gerecht zu werden. Der jahrelange Verfall muss gestoppt der Einstellung des Flugbetriebs mitsamt den damit ver- werden, das Potenzial der Immobilie muss professionell bundenen Chancen nicht langfristig zum Millionengrab und vorurteilsfrei vermarktet werden. Dabei ist selbstver- für Berlin werden. Mit dem Ende des Flugbetriebs am ständlich auch die öffentliche Nutzung, wie zum Beispiel 30. Oktober 2008 fiel die Zuständigkeit für die Bewirt- die Konzentration der Zentral- und Landesbibliothek oder schaftung sowohl der Immobilie als auch des Flughafen- das Alliiertenmuseum, in dem Bestandsgebäude denkbar geländes dem Land Berlin zu. Bis heute sind mit der und wünschenswert. Die vorhandenen Kapazitäten bergen Schließung bereits Kosten in zweistelliger Millionenhöhe genügend Entwicklungspotenzial auch für andere Nut- für den Steuerzahler verursacht worden, die nach Aus- zungen, sodass auf die Schaffung von Neubauten für den kunft des Senats nicht entstanden wären, wenn der Flug- öffentlichen Bereich vorerst verzichtet werden kann. – Ich hafen bis zur Eröffnung des neuen Großflughafens offen- danke Ihnen! gehalten worden wäre. Obwohl seit der Schließung bereits [Beifall bei der CDU – Beträge in dreistelliger Millionenhöhe im Zusammenhang Vereinzelter Beifall bei der FDP] mit der Bewirtschaftung des Areals geflossen sind, exis- tiert nach wie vor kein schlüssiges und zukunftsorientier- tes Gesamtkonzept. Selbst innerhalb des Senats ist in Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: dieser Frage kein abgestimmtes Vorgehen erkennbar. So wurde die Stadtentwicklungssenatorin mehrfach von Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bung! – Für die Links- Herrn Wowereit vor vollendete Tatsachen gestellt. fraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Flierl das Wort.

Die gegenwärtige Situation im Hinblick auf das Gebäude Dr. Thomas Flierl (Linksfraktion): und die Freiflächen ist dadurch gekennzeichnet, dass es ein Konglomerat von verschiedenen kurzfristigen Nut- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her- zungen gibt, ein bisschen Pyromusikale, „Bread and But- ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Allen Ernstes – ter“, Freestyle Berlin usw. Diese kurzfristigen Nutzungen was macht es denn für einen Sinn, bei diesen Anträgen behindern sich gegenseitig und verhindern eine langfristi- und diesen Reden heute über den Gegenstand zu reden – ge und wirtschaftliche Nutzung und Auslastung. Es ent- stehen unnötige finanzielle Belastungen für alle Beteilig- [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – ten. Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Der Senat war und ist in der Pflicht, ein tragfähiges Kon- zumal wir beim letzten Mal im Ausschuss eine ausführli- zept vorzulegen, das die Sicherung des gesamten Gebäu- che Darstellung der Staatssekretärin über den Planungs- debestands und des gesamten Freigeländes vorsieht. Die stand erhalten haben, worin das Verfahren, das uns bevor- geplante IGA 2017 ist grundsätzlich zu begrüßen, jedoch steht, erläutert wurde? Wir werden ja demnächst über das

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Dr. Thomas Flierl Leitbild, das uns der Senat als Vorlage unterbreiten wird, Sie wissen erstens, dass wir sehr darauf drängen, dass diskutieren können, wir werden uns über die konkrete geprüft wird, dass das Flughafengebäude auch für die FNP-Änderung unterhalten können. Mir ist völlig unklar, ZLB genutzt werden könnte. Das soll das Alliiertenmuse- was diese retrospektiven Debatten sollen. um nicht ausschließen, sondern das soll die ZLB mit [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] beinhalten. Zweitens geht es vor allem darum, ein Zwi- schennutzungskonzept zu entwickeln. Die IGA muss so Und, lieber Herr von Lüdeke, zu erklären, dass man im- funktionieren, dass vor ihrem Beginn auf dem Gelände mer mal wieder darüber reden kann und dass damals der etwas stattfindet und dass auch den Erkundungsnutzun- Sinn bestand, diese Anträge so zu stellen – es ist eine gen, die für die weitere Präzisierung des Nutzungskon- enorme Belastung und Zumutung für uns alle und für zepts sinnvoll sind, Möglichkeiten geboten werden. unsere Kraft, sich auf diese Weise damit auseinanderzu- Schließlich muss auch ein Nachnutzungskonzept da sein, setzen. und auch für den südlichen Bereich, der nicht von der [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – IGA erfasst wird, müssen Nutzungsvorschläge entwickelt Richtig! von der SPD] werden.

Das nächste Mal, wenn der Senat uns die beiden relevan- Schließlich gibt es schon markante Änderungen, die gera- ten Vorlagen unterbreitet, werden wir die Gelegenheit de auch die richtige Verzögerung und Präzisierung des haben, uns dazu zu verhalten. FNP notwendig machen, etwa die Frage, wie denn nun – was hier angesprochen wurde – die Frischluftfunktion Natürlich haben wir uns in der Vergangenheit auch damit erreicht werden soll. Wie sollen die Durchlüftungsschnei- beschäftigt. Zum Beispiel steht die Frage im Raum, wie den am Tempelhofer Damm sein, um das dahinterliegen- das vorzulegende Leitbild mit der FNP-Änderung ver- de Quartier zu belüften? Auch die Frage, wo auf der Süd- bunden wird. Wer sich genauer mit der Sache auseinan- seite der S-Bahnhof angeordnet wird, ist zu klären. Von dergesetzt hat, wird sehen, dass die schnelle Änderung all diesen konkreten praktischen Problemen wird hier des FNP zurzeit nicht mehr verfolgt wird, sondern dass überhaupt nichts erörtert. Stattdessen tragen Sie Ihre man das Leitbild entwickelt, um dann ein abgestimmtes – Versagensarie und ihre große Erzählung vom Scheitern nach dem nun gefundenen Abstimmungsmechanismus des Senats vor. mit dem Entwicklungsträger auch bei Berücksichtigung von Einwänden der Bezirke – Vorlegen der FNP- Inzwischen zeichnet sich auch ab – insofern gibt es Änderung vorzunehmen. Deswegen ist völlig unverständ- durchaus einen Prozess, der von den Regierungsfraktio- lich, Frau Eichstädt-Bohlig – ich werde das gleich erläu- nen begleitet wird –, dass die bezirklichen Einwendungen tern –, warum Sie vor einiger Zeit im Ausschuss sagten: auch eine Rolle spielen. Die Koalitionsfraktionen sind Beschließen wir doch einfach die FNP-Änderung so, wie gemeinsam zu der Überzeugung gelangt, sich ernsthaft zu sie vorgelegt wurde, statt uns mit den Inhalten zu beschäf- fragen, was es soll, nördlich des Columbiadamms Bebau- tigen. – Wir fallen also in ein totales parlamentarisches ung vorzusehen. Loch, um auch diesen Tagesordnungspunkt abzuhandeln. Wir teilen die Auffassung, dass der Erhalt der Kleingärten Und, Frau Bung, wenn Sie noch nicht einmal mehr vom und die langfristige Sanierung des Wasserspeicherbe- Tempelhofer Feld, sondern vom Flughafen Tempelhof ckens angegangen werden sollten. Im südlichen Bereich reden wollen, dann ist das tatsächlich die Einladung, die des Columbiadamms werden derzeit städtebauliche Vari- Geschichten von gestern zu erzählen. anten untersucht. Es gibt also sehr konkrete Prozesse, die bekannt sind, auf die man sich beziehen kann und die Wenn wir uns schon mit den Anträgen auseinandersetzen, dann vielleicht auch eine parlamentarische Debatte sinn- meine Frage an die FDP: Was ist denn das „Einheimi- voll machen. Ich empfehle, dass wir uns mit dem Thema schenmodell“? Haben sie den Antrag eigentlich mal erneut beschäftigen, wenn das Leitbild vorliegt und die durchgelesen? – Es geht darum, dass die FDP allen Erns- FNP-Änderung zur Abstimmung steht. Denn dann kann tes vorschlägt, dass beim Neubau von Wohnungen Ein- man sich nicht mehr mit Allgemeinplätzen über die Zeit heimische – – Was sind denn in der Zuwanderungsstadt retten. – Vielen Dank! Berlin die Einheimischen? Haben Sie sich mal mit der Berliner Geschichte und der Zuwanderung auseinander- [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] gesetzt? Natürlich müssen wir den Wohnungsbau so in- tegrieren, dass er sozial integrativ wirkt, gerade in den Problembereichen. Der Bau von Townhouses und Ge- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: schossluxuswohnungen an der Schillerpromenade wird Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Flierl! – Für die nicht sinnvoll sein, völlig klar! Und dass nun die FDP den Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeord- genossenschaftlichen Gedanken unterstützt – dabei haben nete Eichstädt-Bohlig das Wort. Sie unsere volle Unterstützung, ganz wunderbar! – Es sind doch im Wesentlichen Allgemeinplätze. Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne):

Vielleicht kann ich hier noch anmerken, dass sehr wohl Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In auch in der Koalition über diese Inhalte gesprochen wird. einem Punkt gebe ich dem Kollegen Flierl recht: Auch

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Franziska Eichstädt-Bohlig wir sind der Meinung, dass zurzeit nicht der Punkt gege- wird ein Schuh daraus und nicht dann, wenn Sie ständig ben ist, erneut über Tempelhof zu sprechen, weil sich zu weiter an diesem Raumschiff planen. wenig Neues ergeben hat. [Beifall bei den Grünen –

Vereinzelter Beifall bei der FDP] Trotzdem will ich die Gelegenheit nutzen, um auf einige Punkte hinzuweisen, weil es wirklich wunde Punkte sind. Das Erste ist die Flächennutzungsplanänderung, die die Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Kleingärten nördlich des Columbiadamms, also die an der Lilienthalstraße, betrifft. Der werden wir nicht zustim- Vielen Dank, Frau Abgeordnete Eichstädt-Bohlig! – Zum men, weil wir sie für falsch erachten, auch wenn wir an- Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachennum- sonsten die Grundstruktur mit dem großen Park im inne- mer 16/2897 – Stichworte: Tempelhofer Feld – empfiehlt ren und dem Bauen im äußeren Ring bislang unterstützt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der haben. Oppositionsfraktionen die Ablehnung auch mit Änderung. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung zu geben Der zweite Punkt – der ist mir besonders wichtig –, es wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das wird Zeit, dass für die Nutzung dieses denkmalwerten Ex- sind die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion und die Frakti- Flughafengebäudes ein neues Verfahren eröffnet wird. Es on Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind kann nicht sein, dass dieses wertvolle, riesige, denkmal- die Koalitionsfraktionen. Das ist die Mehrheit. Enthaltun- geschützte Gebäude nichts anderes als ein durch Zufalls- gen? – Die sehe ich nicht. Damit ist dieser Antrag abge- events genutztes Gebäude bleibt und hier mal eine Messe, lehnt. dort ein Event oder eine Pyronale stattfinden. Das ist erstens unter dem Wert dieses Gebäudes und zweitens vor Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der allem auch für Berlin kostenmäßig auf Dauer nicht trag- Drucksachennummer 16/1926 – Stichwort: Tempelhof- bar. Denn dies lässt sich nur handhaben, wenn das Ge- areal – empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen die bäude permanent unterbewirtschaftet ist und nicht in- Stimmen der Grünen bei Enthaltung von CDU und FDP standgehalten und gepflegt wird. Deshalb fordern wir den die Ablehnung auch mit Änderungen. Wer dem Antrag Senat auf, endlich ein neues Such- und Prüfverfahren für dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte das Gebäude einzuleiten für die Zeit ab 2015-2017 und ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis eine stabilere Nachnutzung als die heutige zu erreichen. 90/Die Grünen. So einige davon. Die Gegenprobe! – Das Es müssen dann Ideen wie die ZLB, Bundesministerien, sind die Koalitionsfraktionen. Das ist die Mehrheit. Ent- Luftfahrtmuseum oder Filmstandort sorgfältig geprüft haltungen? – Das sind die Fraktion der CDU und die werden. Deshalb fordere ich nach wie vor: Docken Sie Fraktion der FDP. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt. endlich bei dem „Call for Ideas“ an und verfolgen Sie nicht weiter den Weg, wie der Regierende Bürgermeister Wir kommen zur meinte, eine einsame Entscheidung treffen zu können, die lfd. Nr. 11: dann für die nächsten zehn Jahre gelten soll. Beschlussempfehlung [Beifall bei den Grünen und der FDP] Bundesratsinitiative zur verbraucherfreundlichen Zum anderen ist es mir genauso wichtig zu sagen: Hören Lebensmittelkennzeichnung Sie endlich auf, Tempelhof als Raumschiff zu planen. Dieses „Sie“ meint die Koalition, die Senatsverwaltung Beschlussempfehlung GesUmVer Drs 16/2998 und die Frau Senatorin. Es ist wirklich wichtig, dass end- Antrag der Grünen Drs 16/2337 lich die Bebauung von den Rändern her gedacht wird. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Rede- Man muss aus dem missglückten Wettbewerb Columbia- zeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt quartier lernen, dass es nichts bringt, Schickimickiinseln die antragstellende Fraktion der Grünen. Frau Schneider auf das Flugfeld zu setzen, sondern dass es wichtig ist, hat das Wort. insbesondere im Neuköllner Bereich, also vom Osten her den Wohn-, den Infrastruktur- und Freiflächenbedarf des Astrid Schneider (Grüne): angrenzenden Stadtteils, der wirklich Probleme genug hat, zu eruieren und anschließend die Planung darauf auszu- Danke schön, Frau Präsidentin! – Wir Grüne haben einen richten, anstatt einfach etwas daneben zu setzen und so zu Antrag eingebracht, dass wir uns wünschen, dass Berlin tun, als habe der Bereich Tempelhof nichts mit den an- sich im Bundesrat für eine Lebensmittelampel stark grenzenden Stadtteilen zu tun. Deshalb noch einmal: macht, für eine klare Kennzeichnung der Lebensmittel. Tempelhof darf kein Fremdkörper in der Stadt werden. Wir Grüne setzen uns für eine Ampelkennzeichnung von Fangen Sie deshalb endlich an, das Geschenk dieser gro- Lebensmitteln ein, mit deren Hilfe Verbraucher auf einen ßen Freifläche von den vorhandenen Stadtteilen aus zu Blick erkennen können, wie viel Zucker, Fett, gehärtete entwickeln! Dann haben wir eine Chance, wirklich ein Fette und Salz in einem Lebensmittel stecken. Wir Grüne Vorbild zu gestalten, sodass Tempelhof mit einer Kombi- fordern, Frau Lompscher, den Berliner Senat auf, sich mit nation aus großer Freifläche, großem neuen Park mit einer erneuten Initiative im Bundesrat und in Brüssel für punktueller Bebauung zu einem Geschenk für Berlin und die Lebensmittelampel stark zu machen. 90 Prozent der vor allem die Nachbarbezirke werden kann. Nur so herum britischen Bevölkerung, bei denen eine Ampel bereits

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Astrid Schneider eingeführt ist, bezeichnen sie als positiv und sagen, dass nährung und Überernährung. Jeder zweite Deutsche ist die Bewertung von Lebensmitteln jetzt sehr viel einfacher bereits übergewichtig. Herzkrankheiten, die die Folge ist als vorher. Wir sind der Meinung, dass wir eine solche sind, und Kreislaufkrankheiten sind die zweitgrößte Lebensmittelampel auch in Deutschland brauchen. Volkskrankheit. Wir geben heute bereits 70 Milliarden [Beifall bei den Grünen] Euro für diese Krankheiten aus. Das kann nicht sein. Wir müssen uns dagegen aktivieren und dagegen kämpfen. Am 16. März hat der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit im Europa- [Beifall bei den Grünen] parlament die verpflichtende Ampelkennzeichnung von Der rot-rote Senat hat jedoch unseren Antrag, eine erneute Lebensmitteln durch ein Abstimmungspatt abgelehnt. Die Bundesratsinitiative zu starten, im Ausschuss mit dem Abstimmung war denkbar knapp, es gab zwei Enthaltun- scheinheiligen Argument abgelehnt, keine Mehrheiten gen bei gleicher Stimmenanzahl Pro und Contra. Gleich- dafür zu finden. Das Patt im Umweltausschuss des Euro- zeitig hat der Ausschuss den Mitgliedsstaaten die Freiheit paparlaments zeigt aber: The window of opportunitiy ist gelassen, die Ampelkennzeichnung jeweils national ein- jetzt offen. Eine Lebensmittelampel ist durchsetzbar. Und zuführen, ebenso wie weitere Kennzeichnungen. Im Mai es lohnt sich, für diese zu kämpfen, denn die politischen nun geht diese Vorlage zur Abstimmung in das Europa- Verhältnisse stehen fifty-fifty für und gegen eine solche parlament. Ampel. Auch die Wahl in Nordrhein-Westfalen, Frau Lompscher, könnte die Mehrheit im Bundesrat schneller Frau Lompscher! Wir sind der Meinung, dass es jetzt Zeit als erwartet, ändern, sodass eine Berliner Initiative dann ist zu handeln, Erfolg haben kann. [Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Jetzt? Es ist 21 Uhr!] Schließlich kämpfen wir Grünen für eine Mehrheit auch in Nordrhein-Westfalen, für politische Mehrheiten, um dass jetzt die Zeit für eine erneute Initiative in dieser unsere Ziele durchzusetzen. Angelegenheit ist. [Beifall bei den Grünen – [Beifall bei den Grünen] Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)] Der rot-rote Senat darf jetzt nicht schlafen. Der rot-rote Die Umweltsenatorin gehört einer Partei an, die in ihrer Senat muss diesen Zeitpunkt nutzen und sich hinter die Präambel stehen hat: Wir sind und werden nicht wie jene 69 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher stel- Parteien, die sich devot den Wünschen der Wirtschafts- len, die sich eine Ampel wünschen, statt den Lobbyisten mächtigen unterwerfen. der Lebensmittelkonzerne freien Lauf zu lassen. [Dr. Margrit Barth (Linksfraktion): [Beifall bei den Grünen] Was ist denn das?] Die Lebensmittelindustrie möchte keine roten Punkte auf Frau Lompscher! Wir sind der Meinung, dass nirgendwo ihren ungesunden Produkten. Wir wissen aber, was für ein das Profitinteresse der Konzerne stärker dem Wohlerge- Skandal es ist, wenn Snacks hen der Bürgerinnen und Bürger, der Konsumenten, ent- [Kai Gersch (FDP): Sie lesen nur die gegensteht, als gerade im Fall der großen internationalen Pressemitteilung vor! Das hätten wir Lebensmittelkonzerne. Wir fordern Sie daher auf: Kämp- uns ersparen können!] fen Sie für das Ziel einer klaren Lebensmittelkennzeich- nung, für das Ziel einer Ampel! und Fitnessriegel so verkauft werden, als erhöhten sie die Fitness der Konsumenten, in Wirklichkeit aber zu [Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): 50 Prozent aus Zucker bestehen. Foodwatch hat unter- Frau Lompscher! Kämpfen!] sucht, dass 80 Prozent der geprüften Lebensmittel für Kinder zu viel Zucker enthalten und einen roten Punkt bekommen hätten. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: [Kai Gersch (FDP): Das werden die Frau Schneider! Ihre Redezeit ist beendet. besonders spannend finden!] Eltern geben aber diese Lebensmittel– zum Beispiel Müs- Astrid Schneider (Grüne): li – Kindern in der Annahme, dass sie für Kinder gesund Unterstützen Sie unseren Antrag! – Danke schön! wären. Die Kennzeichnung dieser Lebensmittel ist irre- führend. Wir fordern eine klare, deutliche Kennzeichnung [Beifall bei den Grünen – durch den roten Punkt. Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): [Beifall bei den Grünen] Kämpfen, Lompscher, kämpfen! – Wir fühlen uns dabei mit Ärzten, Patientenverbänden, Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Krankenkassen einig, die ebenfalls eine solche Kenn- Frau Lompscher! Sie werden gerügt! – zeichnung fordern, denn heute haben bereits Vorschul- Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): kinder Diabetis und Herzerkrankungen durch falsche Er- Wir werden dich enteignen!]

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Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Es kann nicht sein, dass ich Rosinen und Haferflo- Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schneider! – Für die cken erst zählen muss, um zu wissen, wie viel Zu- SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Monteiro das cker und Kalorien in meinem Müsli enthalten sind. Wort. – Bitte sehr! [Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Recht hat sie!]

– Recht hat sie, das kann nicht verbraucherfreundlich Birgit Monteiro (SPD): sein. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! [Beifall bei der SPD] Die Grünen legten uns im April letzten Jahres einen An- Aber zurück zum Antrag der Grünen: Er ist gestellt wor- trag zur verbraucherfreundlichen Lebensmittelkennzeich- den, als noch offen war, ob eine Ampelkennzeichnung auf nung vor. Das lesen wir in der Überschrift. Gestatten Sie Bundes- und EU-Ebene Aussicht auf Erfolg hat. Er ist in- mir bitte eine kurze Vorbemerkung. Überschrift und Text zwischen leider überholt. Das müssen wir feststellen, ob- des Antrags scheinen verschiedene Verfasser zu haben, wohl wir Sympathien für diesen Antrag haben. [Michael Schäfer (Grüne): Nein, das stimmt nicht!] denn im Antragstext selbst ist nicht mehr nur von Ich darf außerdem daran erinnern – und deshalb verstehe Verbrauchern die Rede, sondern von Verbraucherinnen, ich die Vorwürfe von Frau Schneider gar nicht, die doch natürlich mit großem „I“, versteht sich, und die Grünen den Ablauf nicht richtig beobachtet zu haben scheint –, setzen ihrer Radikalität noch eins drauf, sie fordern im dass das Land Berlin unabhängig von der Initiative der Antragstext nicht nur eine verbraucherfreundliche, son- Grünen bei der Verbraucherschutzministerkonferenz 2009 dern auch noch eine „verbraucherInnenfreundlichere“ einen Beschlussvorschlag zur Beförderung der Ampel- Kennzeichnung von Lebensmitteln. kennzeichnung unterstützte, der mit 11:6 Stimmen abge- lehnt wurde. Nur die SPD-geführten Bundesländer hatten [Ah! von der Linksfraktion] zugestimmt. Wie soll nun dieses revolutionäre Ziel erreicht werden? – Durch eine Bundesratsinitiative, versteht sich. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: [Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Frau Monteiro! Entschuldigung! Gestatten Sie eine Zwi- Das soll jetzt Frau Lompscher machen!] schenfrage der Frau Abgeordneten Schneider? Aber Spaß beiseite, die SPD-Fraktion unterstützt das Anliegen inhaltlich, auch die Mehrheit der Verbraucher Birgit Monteiro (SPD): wünscht sich eine Ampelkennzeichnung. Frau Schneider hatte darauf hingewiesen. Die Verbraucher wünschen sich Nein, danke, nicht! – Frau Schneider! Ihr Antrag ist zwar eine Ampelkennzeichnung, die sich am britischen Vorbild kurz, aber besteht trotzdem aus zwei Teilen, und der orientiert. Verbraucherzentralen, Ärzteverbände und zweite Teil befasste sich mit dem Thema verbindliche Kammern sprechen sich ebenfalls dafür aus und forderten Kennzeichnungsvorschriften für die sogenannte ESL- dies von den EU-Abgeordneten. Milch. Inzwischen gibt es eine freiwillige Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Ernährung, Land- Die Entwicklung ist inzwischen weitergegangen. Am wirtschaft und Verbraucherschutz auf der einen Seite und 16. März stimmten die Abgeordneten des Umweltaus- dem Milchindustrieverband und dem Hauptverband des schusses des Europäischen Parlaments für eine bessere deutschen Einzelhandels auf der anderen Seite über die Lebensmittelkennzeichnung. Eine Ampelkennzeichnung Kennzeichnung der ESL-Milch. Die tatsächliche Umset- wurde jedoch leider abgelehnt. Immerhin soll es nun eine zung muss nun regelmäßig überprüft werden. Auf den verpflichtende Nährwertinformation auf der Vorderseite Verbraucherschutzministerkonferenzen wird darüber je- der Verpackung geben. Lebensmittelhersteller sind künf- weils berichtet werden. Auch hier ist also die Entwick- tig verpflichtet, Angaben zu Energiewert, gesättigten lung inzwischen weitergegangen. Aus diesen Gründen Fettsäuren und Kohlenhydraten mit besonderem Hinweis wird die SPD-Fraktion dem Antrag der Grünen nicht auf Zucker und Salz anzugeben. Was mich besonders zustimmen. – Vielen Dank! freut, ist, dass gegen den Widerstand der konservativen [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Mehrheit im Ausschuss durchgesetzt werden konnte, dass auch das Herkunftsland für Produkte aus Fleisch, Geflü- gel und Milch sowie Obst und Gemüse immer angegeben Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: werden muss. Vielen Dank, Frau Abgeordnete Monteiro! – Für die [Beifall von der SPD – CDU-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Seibeld das Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Fisch auch?] Wort. – Bitte!

Nachbesserungsbedarf sehen wir vor allem bei der Festle- gung verpflichtenden Portionsgrößen für die Angabe von Cornelia Seibeld (CDU): Nährwerten. Die Europaabgeordnete Dagmar Roth-Beh- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! rendt sagte dazu: Wir beraten heute auf Wunsch der Grünen einen Antrag,

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Cornelia Seibeld dessen konkretes Ziel – die verbindliche Lebensmittel- Unser Fazit an dieser Stelle ist: Das Anliegen der Grünen kennzeichnung mit der Ampel – sich bereits erledigt hat. nach einer verbindlichen, transparenten und verständli- Nach der Bundesregierung hat sich – wir haben es heute chen Lebensmittelkennzeichnung teilen wir. Die Herstel- schon gehört – nun auch der zuständige Ausschuss im ler von Lebensmitteln sollen keinesfalls einen Freifahr- EU-Parlament am 16. März festgelegt, und zwar gegen schein für verwirrende Aufschriften bekommen, aber der eine Ampelkennzeichnung. Die von den Grünen geforder- Ampel der Grünen müssen wir leider trotzdem „rot“ zei- te Bundesratsinitiative für eine Ampel ist daher in jedem gen und werden deshalb gegen den Antrag stimmen. – Fall zum Scheitern verurteilt und überholt. Danke schön!

[Beifall bei der CDU und der FDP] Nichtsdestotrotz teilen wir das grundsätzliche Anliegen der Grünen nach einer verständlichen und verbindlichen Lebensmittelkennzeichnung, die auf einen kurzen Blick Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Auskunft über die wesentlichen Nahrungsmittelbestand- teile gibt. Aber richtige und gesunde Ernährung kann man Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat eben nicht mit drei Farben umfassend erklären. die Kollegin Schneider von den Grünen. [Beifall bei der CDU und der FDP – [Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Frau Schneider! Beifall von Jutta Leder (SPD)] Das würde ich nicht auf mir sitzen lassen!] Verantwortlicher Verbraucherschutz braucht mündige und verantwortungsvolle Verbraucher. Die Ampelkennzeich- Astrid Schneider (Grüne): nung würde dem gerade nicht gerecht werden. Beispiels- weise bekäme Cola light, weil der Zuckeranteil durch Ja, die Kurzintervention wird auch entsprechend kurz. Süßstoff ersetzt worden ist, einen grünen Punkt, während [Zurufe von der Linksfraktion] naturtrüber Apfelsaft wegen des Fruchtzuckergehalts Ich möchte auf zwei Dinge hinweisen: Das Erste ist, dass „rot“ bekäme. Sie sehen also, ganz so einfach ist es nicht die mir nachgefolgten Rednerinnen offensichtlich gar und lässt es sich auch nicht darstellen. nicht gelesen haben, was der Bericht der EU-Kommission

des Ausschusses beinhaltet. Der Bericht beinhaltet näm- Wir wollen mit einem verbindlichen Kennzeichnungssys- lich, dass zwar die Ampel EU-weit nicht zwingend vorge- tem die Menschen nicht zusätzlich verwirren und vor schrieben worden ist, dass aber die Möglichkeit bewusst weitere Fragen stellen, sondern ihnen praktikable Hilfen offengelassen wurde, dass die Nationalstaaten eigene an die Hand geben. Gesunde Ernährung besteht aus vielen Regeln, auch Ampelregeln, jeweils national einführen verschiedenen Komponenten. Auch wer sich ausschließ- können. lich von grundsätzlich gesunden Äpfeln ernährt, wird Mangelerscheinungen bekommen. Diese Zusammenhänge [Zuruf von Kai Gersch (FDP)] müssen bei einer Kennzeichnung Berücksichtigung fin- Deswegen ist auch jetzt die Möglichkeit gegeben, dass den, auch wenn die Kennzeichnung dadurch etwas kom- man über eine Bundesratsinitiative das Ziel einer Ampel plizierter gerät. durchsetzt.

Für eine verantwortungsvolle und verbraucherorientierte [Beifall bei den Grünen] Information bietet sich das von der Bundesregierung zu Der Vorteil einer Ampel liegt genau darin, dass eben die Recht präferierte „1 plus 4“-Modell an. Eine sinnvolle Le- Mengenangaben für Salz, Fette und Zucker auf 100 g oder bensmittelkennzeichnung soll es dem Verbraucher ermög- 100 ml bei Getränken bezogen dargestellt werden und lichen, sich umfassend über die Nährwerte von Lebens- nicht wie bei dem Vorschlag der CDU, auch der CDU- mitteln zu informieren. Ziel ist es, dem Verbraucher eine Ministerin Aigner, auf Portionsgrößen. Der Portionsgrö- vereinfachte Auswahl von Lebensmitteln für eine ausge- ßenbezug ist vollständig verwirrend für die Verbraucher wogene Ernährung zu ermöglichen. Das „1 plus 4“-Mo- und verschleiert mehr als zu erklären, dell berücksichtigt den Energiegehalt und zusätzlich den Gehalt an Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Salz. [Kai Gersch (FDP): Aber Farben Diese Angaben, bezogen auf eine Portion, sollen in ein- klären das auch nicht!] heitlichen und wiedererkennbaren Symbolen auf den denn wir alle wissen, dass der Hunger auf Schokolade Lebensmittelverpackungen, und das möglichst auf der oder andere Dinge ganz unterschiedlich ist. Vorderseite, erfolgen. [Andreas Gram (CDU): Das ist derselbe Hunger!]

Anders als die Bundesregierung würden wir es allerdings Haben Sie einen großen Mann oder ein kleines Kind, ist in der Tat begrüßen, wenn diese Kennzeichnung verbind- es doch eine unterschiedliche Portion. Man muss dann lich erfolgen würde. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie, erst mal ein ganzes Lexikon mitschleppen, was für Porti- Frau Schneider, an dieser Stelle zumindest erläutert hät- onsgrößen denn da nun angenommen werden und wie viel ten, warum Sie das Ampelmodell dem „1 plus 4“-Modell Haferflocken 20, 30 oder 50 g sein könnten. So kann es vorziehen und welche Nachteile Sie durch das mehrheit- nicht gehen. Wir setzen uns deswegen für eine klare lich präferierte Modell befürchten. Kennzeichnung ein und lehnen das „1 plus 4“-Modell ab.

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[Beifall bei den Grünen] geführt. Aber genau das sehen wir als Linke nun völlig anders. Wir wollen die Ampel, weil sie eine niedrigschwellige Information liefert, weil sie klar und Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: verständlich und auch für Kinder und Menschen mit we- Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat die niger guten deutschen Sprachkenntnissen oder Sehbehin- Abgeordnete Holzheuer-Rothensteiner. derungen leicht erkennbar ist, weil sie nicht klitzekleine Schrift mit viel Text irgendwo auf den Verpackungen lesen müssen. Die Kennzeichnung von Fett-, Zucker- und Bärbel Holzheuer-Rothensteiner (Linksfraktion): Salzanteilen in verarbeiteten Lebensmitteln mit Rot für Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Seibeld! hoch, Gelb für mittel und Grün für niedrig ist ein einfa- Zu Ihnen möchte ich doch noch sagen: Die Ampel ist ches System, das jeder versteht. Genau ein solches Sys- nicht die Verwirrung, die Ampelkennzeichnung ist die tem wollen wir, will die Linke. Klarheit, denn sie besteht aus drei Farben, und das ist ganz einfach. Für eine verbraucherfreundliche Ampelkennzeichnung sprechen sich auch der Spitzenverband der gesetzlichen [Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen] Krankenkassen, der AOK-Bundesverband, die Verbrau- Frau Schneider! Es ist ja sympathisch, wie engagiert Sie cherzentralen, die Elternverbände, der Bundesverband der hier über etwas gesprochen haben, das nun gerade vor ein Kinder- und Jugendärzte, die Bundesärztekammer, die paar Tagen, am 16. März, im EU-Parlament besprochen Deutsche Herzstiftung und diabetesDE, die Dachgesell- wurde. Ich finde, wir sollten mal erst ein bisschen ruhig schaft der deutschen Diabetesorganisationen, aus. In ei- sein, und wir schauen mal, was dann Frau Aigner und nem Schreiben an die deutschen EU-Abgeordneten im andere vorschlagen werden. Dann kann man sich auch Vorfeld der Abstimmung zur Einführung einer europa- noch darüber unterhalten, wie wir das dann angehen kön- weiten Lebensmittelkennzeichnung im federführenden nen, dass wir z. B. hier in der Bundesrepublik die Ampel- EU-Ausschuss am schon erwähnten 16. März 2010 mach- kennzeichnung doch noch durchsetzen können. Das ten die Verbände auf die hohe Übergewichtigkeit von macht man nicht mit emphatischen Reden, sondern da Männern, Frauen und Kindern und auf Risikofaktoren für muss man sich Mehrheiten suchen, auch im Bundesrat. Krankheiten wie Diabetes sowie Herz- und Kreislaufer- Die Mehrheiten bleiben auch so, wie sie sind, weil wir krankungen aufmerksam. Und sie nannten als Grund zurzeit keine Neuwahlen haben. Vielleicht ändert sich ja dafür z. B. die versteckten Fette in Lebensmitteln, in was durch die NRW-Wahlen. Schauen wir mal! Wurst, Käse, Backwaren, Süßigkeiten, Snacks und Fer- tiggerichten. Die Kosten, die allein durch ernährungsbe- Uns liegt ein Antrag von den Bündnisgrünen vor, zu dem dingte Krankheiten verursacht werden, werden für ich gleich am Anfang sagen möchte: Wir teilen grundsätz- Deutschland auf rund 70 Milliarden Euro pro Jahr ge- lich das Anliegen des Antrags, eine verpflichtende Am- schätzt. Der Druck im Vorfeld der Abstimmung im EU- pelkennzeichnung zur Information der Verbraucherinnen Ausschuss – jetzt blinkt es hier, muss ich mich schon und Verbraucher über Nährwerte für Lebensmittel einzu- beeilen – für Umwelt, Volksgesundheit und Lebensmittel- führen. Wir halten allerdings den hier vorgeschlagenen sicherheit hat offensichtlich auch Eindruck gemacht. Die Weg einer Bundesratsinitiative nicht für erfolgreich. am 16. März vorgelegten zwei Anträge für eine EU-weite Lebensmittelkennzeichnung wurden nur äußerst knapp Das betrifft auch das zweite Antragsanliegen, die Ab- abgestimmt. Für den Ampelantrag von SPD, Grünen und schaffung der irreführenden Bezeichnung „Frischmilch“ Linken gab es ein Patt von 30 zu 30 Stimmen. Der Antrag für hocherhitzte, drei Wochen haltbare ESL-Milch. Für wurde mit zwei Enthaltungen abgelehnt. Der Antrag der eine solche Bundesratsinitiative gibt es derzeit keine poli- CDU-Abgeordneten Sommer wurde mit knapp 32 zu 30 tischen Mehrheiten. Das stimmt ganz einfach. Sie bliebe Stimmen angenommen. also rein plakativ. Wir werden Ihren Antrag deshalb ab- lehnen. Das haben wir in der Ausschussdebatte auch be- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: reits begründet, denn die Mehrheitsverhältnisse sind nicht so, wie es Linke, Grüne und SPD gerne hätten. Ich sage Würden Sie bitte zum letzten Satz kommen! mal, das ist sehr schade. Bärbel Holzheuer-Rothensteiner (Linksfraktion): Die Lebensmittelwirtschaft ist vehement gegen ein Am- pelsystem. CDU/CSU und FDP positionieren sich bisher Schade! auch in diesem Sinne. Auf der Verbraucherministerkonfe- [Beifall von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] renz im Oktober 2009 wurde ein Beschluss über die Am- pel vom Bund und den zehn CDU-geführten Ländern Niedrigschwellige Angebote sind Teil der verbraucherpo- abgelehnt. Zustimmung kam nur von den SPD-geführten litischen Strategie Berlins. Wir wollen, dass die Informa- Bundesländern. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und tionen bei denen ankommen, die sie am meisten benöti- FDP heißt es: Ein farblich unterlegtes Ampelsystem zur gen, bei Jugendlichen, Senioren, Migrantinnen und Nährwertkennzeichnung würde die Verbraucher in die Migranten und Menschen mit geringem Einkommen, und Irre führen. – Das hat Frau Seibeld eben auch schon aus- zwar dort, wo diese Menschen leben, wo sie sich aufhal- ten und wo sie einkaufen.

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Was Sie hier tun, ist tatsächlich auch ein Tick von Volks- Vielen Dank, Frau – – verdummung. Sie sagen: Rot! Fast alle Molkereiprodukte sind mit Rot bzw. im günstigsten Fall mit Gelb zu be- zeichnen. Alle Molkereiprodukte sind schlecht oder mit- Bärbel Holzheuer-Rothensteiner (Linksfraktion): telschlecht. – Ich als Kind habe gelernt, trink deine Voll- Die Ampel ist ein niedrigschwelliges Informationssystem, milch, dann wirst du groß und stark. Scheinbar gilt das im und bei der Ampel geht es auch um praktische Gesund- grünen Kosmos nicht mehr. heitsvorsorge, und diese ist dringend nötig. Deshalb wer- [Beifall bei der FDP – den wir uns als Linke weiterhin für mehr Transparenz, Zurufe von der SPD und der Linksfraktion] Information und eine Ampelkennzeichnung einsetzen. – Vielen Dank! Alle – auch die Bundesärztekammer, auch alle von Frau Holzheuer-Rothensteiner zitierten Verbände – sagen: Wir [Beifall bei der Linksfraktion – brauchen eine vernünftige, klare, einheitliche Regelung. – Vereinzelter Beifall bei der SPD] Aber es gibt eben noch viele kritische Punkte, wo man sagt, die Ampel erfüllt das Meiste nicht. Denn eines ha- ben auch viele Experten und Wissenschaftler festgestellt: Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Die Aufteilung in Fett, Zucker, Salz etc. ist de facto für Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der den Großteil der Bevölkerung nicht zielführend, wie es Kollege Gersch. unter anderem auch der viel beschworenen Body-Mass- Index nicht ist – er wird mittlerweile auch sehr infrage gestellt. Das, was der Body-Mass-Index für den Körper- Kai Gersch (FDP): umfang ist, das erzählen Sie uns hier als Standard für die Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Her- Ernährungskennzeichnung. ren! Es ist schon wieder eine Bestätigung auch in dieser Debatte, wie das rot-rot-grüne Weltbild aussieht. Es gibt Die grundsätzliche und die momentan ohne Widerspruch nur Gut und Böse, es gibt nur Schwarz und Weiß. festgestellte Größe ist einzig und allein der Brennwert, und darauf muss man auch tatsächlich abstellen. Das ist es [Zurufe von der Linksfraktion] auch, was die Bundesregierung vorschlägt: 1 plus 4, Ihre Wir reden hier nicht über Klassenkampf, wir reden über Ampel plus dem Brennwert, die einzig wirklich messbare Essen, Frau Schneider! Größe für den Großteil der Bevölkerung. Sie haben es zu [Beifall bei der FDP – recht gesagt: Man kann es eigentlich nicht standardisieren Zurufe von der Linksfraktion und den Grünen] – kleine Kinder, mittelgroße Frauen, große Männer, klei- ne Männer. Man kann es nicht. Aber im Brennwert haben Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. – mit Erlaubnis wir genau das, was wir sonst vermissen würden, nämlich des Präsidenten möchte ich zitieren: Die ernährungspsy- eine gewisse Komplexität innerhalb der Kriterien. Ich chologische Qualität von Lebensmitteln ist eine komplexe bitte Sie noch einmal herzlich, bei diesem wirklich erns- Größe, die sich aus einer großen Zahl von Teilqualitäten ten Thema: Hören Sie mit Ihren Klassenkampfparolen zusammensetzt, die im Ampelmodell nur unzureichend auf, und lassen Sie uns zu einer vernünftigen Diskussion berücksichtigt wird. – Und genau das ist der Punkt. Was zurückkehren! Sie hier machen, ist einfach Volksverdummung. Wenn Sie 90 Prozent der Bevölkerung hinter sich wissen, kann Ich muss nur noch eines anmerken: Ich habe hier nicht man auch sagen, hinter dem „1 plus 4“-Modell, das die nur für die Verbraucherinnen das Wort, sondern auch für Bundesregierung vorschlägt, stehen auch 80 Prozent der die Verbraucher. Insofern sehen Sie mir diese kleine Be- Bevölkerung. Also wollen wir jetzt hier mal klar sagen: merkung nach! Die Bevölkerung, die Menschen in dieser Stadt und in diesem Land wollen tatsächlich eines, eine gewisse Si- [Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Nein!] cherheit und eine gewisse Klarheit über Lebensmittel und – Das glaube ich Ihnen, dass Sie das nicht tun. Aber noch das, was sie zu sich nehmen. Das war in der Vergangen- einmal der herzliche Appell: Hören Sie auf mit Ihren heit – da sind wir alle einig – deutlich unzureichend. Klassenkampfgeschichten, und lassen Sie uns zu einer [Beifall bei der FDP] vernünftigen Lösung finden! Aber wenn Sie hier in Ihrer Presseerklärung kundtun, die [Beifall bei der FDP] Lebensmittelindustrie möchte keine roten Punkte auf ihren ungesunden Produkten, hallo, was ist das denn für Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: eine Aussage! Als wenn jeder Lebensmittelproduzent inklusive Biobauern den großen Reibach macht, wenn er Vielen Dank! – Der Fachausschuss empfiehlt mehrheit- die arme Bevölkerung mit ungesunden Lebensmitteln lich – gegen die Grünen – die Ablehnung des Antrags vergiftet. Das ist doch tatsächlich Klassenkampf. Das Drucksache 16/2337. Wer dem Antrag dennoch zustim- wollen wir uns tatsächlich nicht antun. men möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist erwartungsgemäß die Fraktion der Grünen. Wer ist dage- [Zurufe von der Linksfraktion] gen? – Dagegen sind die Koalitionsfraktionen, die CDU

5905 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 61. Sitzung vom 25. März 2010

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns und die FDP. Wer enthält sich? – Angesichts dieses ein- durch das Präsidium festgelegt werden. Deshalb bitten wir deutigen Ergebnisses ist der Antrag abgelehnt. um Zustimmung zu diesem Antrag.

Wir kommen damit zu Brigitte Lange (SPD) [zu Protokoll gegeben]: lfd. Nr. 12: Aus der bewegten Geschichte des Hauses haben Sie sich Beschlussempfehlung eine der – zugegeben wichtigen – Entscheidungen, die in Geburtsstunde der deutschen Demokratie vor diesem Haus gefallen sind, herausgegriffen. 90 Jahren im Preußischen Landtag angemessen würdigen Es gab aber noch mehr Ereignisse mit großer historischer Bedeutung: Der Preußische Landtag hat eine bewegte Beschlussempfehlung Kult Drs 16/3020 Geschichte, mit guten und schlechten Zeiten. Er ist ein Entschließungsantrag der CDU Drs 16/2174 Gesamtdenkmal mit vielen geschichtspolitisch wichtigen Die Fraktionen haben signalisiert, dass die vorgesehenen Ereignissen, die unserer Meinung nach alle ausreichend in Reden zu Protokoll gegeben werden. diesem Hause dokumentiert sind. Ich will einige davon nennen:

Dr. Uwe Lehmann-Brauns (CDU) [zu Protokoll 1848: Einberufung einer verfassungsgebenden preußi- gegeben]: schen Nationalversammlung, auf dem Thron saß König Der Historiker Golo Mann schreibt in der „Deutschen Friedrich Wilhelm IV., die Verfassungsentwürfe der Na- Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“ über die Monate tionalversammlung forderten die Abschaffung des Adels kurz nach dem Ende des I. Weltkriegs: und die Einschränkung der königlichen Rechte. Der Kö- nig ließ die Versammlung mit Waffengewalt auflösen und Die extreme Linke glaubte, dass die Revolution dekretierte eine Verfassung nach eigenem Gusto – weitergetrieben werden müsste und, wie das russi- Oktroyierte Verfassung vom 5. Dezember 1848! sche Beispiel lehrte, auch weitergetrieben werden könnte. So wie Lenin auf Kerenski folgte, so 1899: Einweihung des Abgeordnetenhauses als Tagungs- müsste auf Friedrich Ebert Karl Liebknecht folgen. ort der Zweiten, der bürgerlichen Kammer des Preußi- Damit sind wir mitten in einer historischen Situation, die schen Landtages. über das Schicksal der Nation entschied: über ihr demo- kratisches Sein oder über ihr totalitäres Nichtsein. Sie 1918: Ende des I. Weltkrieges – die Monarchie wird ab- wissen, weshalb wir gerade darüber in diesem Haus re- geschafft. Der 1. Reichsrätekongress tagt im Abgeordne- den: Weil die Entscheidung für die parlamentarische tenhaus und stellt die Weichen für die parlamentarische Demokratie gegen eine Diktatur nach sowjetischem Vor- Demokratie. bild vor 92 Jahren in diesem Haus, in diesem Preußischen Landtag fiel. Es waren die Arbeiter- und Soldatenräte, die 1918/1919: Ausrufung der Gründung der KPD, Karl Lieb- die Entscheidung trafen gegen Luxemburg und Lieb- knecht agitiert auf dem Balkon. knecht, die ihre Anhänger auf dem Vorplatz versammelt hatten. Die Entscheidung fiel mit überwältigender Mehr- 1920: das Groß-Berlin-Gesetz, die Zusammenführung der heit zugunsten der parlamentarischen Demokratie. acht Städte zur Stadt Berlin

Lassen Sie uns bei dieser Gelegenheit kurz der deutschen 1932: Der Festsaal wird Sitzungssaal der NSDAP. Wenig Sozialdemokraten Ebert, Scheidemann, Noske und Braun bekannt ist, dass der Volksgerichtshof in diesem Hause gedenken, die das Menschenmögliche taten, um die Revo- bis Kriegsbeginn seine frühen Urteile gefällt hat. Das ist lution zu verhindern und Deutschland zu retten. das traurigste Kapitel in diesem Hause.

Es gibt in der Geschichte dieses Landes nicht allzu viele 1950-1953: Regierungssitz der Regierung der ersten Augenblicke, in denen sich die Demokratie gegen die DDR-Regierung unter Ministerpräsident Grotewohl, übri- Diktatur durchsetzte. Jener Dezember 1918 ist so einer, gens in Ihrem Sitzungssaal, sehr geehrte Kolleginnen und und ich stehe dafür, und dieses Haus sollte es insgesamt Kollegen der CDU! – Möchten Sie dort auch eine Ge- tun, jenen Demokraten der ersten Stunde Dank auch heute denktafel? auszusprechen. Das ist nur eine kleine Auswahl der wichtigen histori- Übrigens nicht nur in dieser Debatte. Es ist der Wunsch schen Ereignisse in diesem Hause. Es gab in diesem Haus meiner Fraktion, jenen Augenblick aus dem geschichtli- so viele wichtige historische Ereignisse, dass die gesamte chen Auf und Ab hervorzuheben und durch eine Plakette Vorderfront mit Gedenktafeln zugepflastert werden könn- – in diesem Haus –, eine Inschrift oder sonstige Auf- te. Diese gesamte Geschichte des Hauses wird auch durch schrift, ob nun innen oder außen, zu würdigen. Die Ein- ständig stattfindende Führungen im Bewusstsein der Bür- zelheiten könnten, so hieß es auch im Kulturausschuss, gerinnen und Bürger gehalten.

5906 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 61. Sitzung vom 25. März 2010

Brigitte Lange Merkwürdig finde ich, dass es Ihnen als Vizepräsident, wegen. Die erste Nationalversammlung, das Paulskir- sehr geehrter Herr Dr. Lehmann-Brauns, nicht möglich chenparlament, hatte 70 Jahre zuvor den ersten Schritt in war herauszufinden, dass sich einiges verändern wird, und diese Richtung getan. Doch erst nach 1918 gelang es, zwar positiv. Wir haben mit dem Präsidenten gesprochen einen demokratischen Staat zu formen. und erfahren, dass die Ausstellung im Foyer demnächst überarbeitet wird und dass auf unsere Anregung hin ge- Es ist deshalb richtig, eine Texttafel an prominenter Stelle prüft wird, wo auf dem Vorplatz des Abgeordnetenhauses des Abgeordnetenhauses anzubringen, mit der auf dieses eine Stele aufgestellt werden kann, die eine kurze ge- Ereignis des 21. Dezembers 1918 und seine Bedeutung schichtliche Dokumentation aller wichtigen Ereignisse in für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Staates hingewie- diesem Haus enthält. Wir haben erfahren, dass ein Buch sen wird. erarbeitet wird, das ausführliche Informationen über die politische Geschichte des Hauses enthält, und eine Bro- Wir Liberale stimmen deshalb dem Antrag zu, auch wenn schüre über Ernst Heilmann und Bernhard Letterhaus wir – ich habe das eben ausgeführt – den historischen verlegt wird. Bogen etwas weiter spannen als unsere konservativen Freunde von der CDU. Wir glauben, dass Ihr Antrag darauf zielt, vergangenes politisches Geschehen für Ihre heutige Politik zu instru- Es ist Pflicht eines Parlamentes, sich seiner geistigen mentalisieren und in Ihrem Sinne zu interpretieren. Das Wurzeln zu erinnern. Es ist eine Verpflichtung, diese haben wir durchschaut. Wir finden, alles ist ausreichend historischen Grundlagen zu vermitteln. Totalitarismus und informativ für die Besucher dieses Hauses dokumen- jeglicher Couleur ist deutsche Geschichte. Das wird auf tiert, und lehnen darum Ihren Antrag noch einmal ab. der gegenüberliegenden Straßenseite eindrucksvoll ge- zeigt. Klaus-Peter von Lüdeke (FDP) [zu Protokoll gegeben]: Doch hier, in diesem Hause, ist es notwendig, auch die Die Geburtsstunde einer demokratischen Gesellschaft zu Sternstunden dieser Geschichte zu würdigen: Und die würdigen, sollte für jedes Parlament eine Selbstverständ- hier, im Preußischen Landtag, mit Mehrheit gefällte Ent- lichkeit sein. scheidung vom Dezember 1918 ist eine solche Sternstun- de. Mehr als eine Selbstverständlichkeit, nämlich eine Ver- pflichtung, ist es für ein deutsches Parlament. Verlief doch die Entwicklung der Deutschen zu einem Staat, zu Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: einer Gesellschaft und letztlich zu einer Demokratie alles Der Fachausschuss empfiehlt mehrheitlich – gegen die andere als gradlinig. Stimmen der Oppositionsfraktionen – die Ablehnung des Antrags Drucksache 16/2174. Wer dem Antrag dennoch Umso wichtiger war die Gründung einer Republik. Und seine Zustimmen zu geben wünscht, den bitte ich um das die Tatsache, dass diese republikanische Phase durch eine Handzeichen. – Das sind die Grünen, die CDU-Fraktion Phase des Totalitarismus abgelöst wurde, der Bürgerrech- und die FDP-Fraktion. Wer ist dagegen? – Dagegen sind te negierte und Krieg und Vernichtung brachte, wirft zwar die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Keine Ent- einen Schatten auf die erste Republik der Deutschen, haltung. Damit ist der Antrag abgelehnt. entwertet das Modell Weimarer Republik aber nicht. Im Gegenteil, dieses Modell kann gar nicht hoch genug ge- Die lfd. Nrn. 13 und 14 stehen auf der Konsensliste. Die schätzt werden: Ohne die Leistung der damaligen Verfas- lfd. Nr. 15 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die sung wäre unser Grundgesetz und damit das heutige, Grünen unter dem Tagesordnungspunkt 4 b. Die lfd. Nrn. republikanische und wiedervereinigte Deutschland nicht 16 und 19 stehen auf der Konsensliste. denkbar. Jetzt kommen wir zu Historisches Bewusstsein kann also nur heißen, sich die- lfd. Nr. 20: ses republikanischen Versuchs ehrend zu erinnern, vor allem an diesem Ort in Berlin. Denn dieses Haus, der Beschlussempfehlung Preußische Landtag, war ein Haus für Repräsentanten Auftragserteilung nach dem Prinzip „Man eines Ständestaates, der monarchistisch war und republi- kennt sich eben“ endlich beenden, Vergabepraxis kanische Tugenden nicht schätzte. Von symbolischer der landeseigenen Unternehmen konsequent Bedeutung ist es, dass just in diesem Hause die republika- überprüfen! nischen Tugenden sich ihre Staatsform bahnten – gegen die überwundene Monarchie der Vergangenheit ebenso Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/3038 Stellung nehmend wie gegen die revolutionären Heilsver- Antrag der FDP Drs 16/2994 sprechen des Rätesystems. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Stattdessen wurde eine verfassunggebende Nationalver- Der Hauptausschuss empfiehlt mehrheitlich – gegen die sammlung einberufen, die den geistigen Boden der deut- Stimmen der Oppositionsfraktionen – die Ablehnung des schen Demokratie schuf, auf dem wir uns heute alle be-

5907 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 61. Sitzung vom 25. März 2010

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns Antrags Drucksache 16/2994. Wer dem Antrag dennoch [Beifall bei der FDP] zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wir wollen bei der Zusammenarbeit die serbischstämmi- Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? – gen Berlinerinnen und Berliner ebenso einbinden wie die Dagegen sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? Interessenverbände der serbischstämmigen Bevölkerung. – Keine Enthaltung. Damit ist der Antrag abgelehnt. Länder wie Bayern und Baden-Württemberg sind bei der

Zusammenarbeit mit Serbien wesentlich weiter. Für das Die lfd. Nrn. 21 bis 23 stehen auf der Konsensliste. Land Berlin liegt es im ureigensten Interesse, hier nach-

zuziehen und nicht den Anschluss zu verlieren. Wie wir Wir kommen jetzt zu zusammenarbeiten, ob in Form von Städte- und Regional- lfd. Nr. 24: partnerschaften, in Form einer gemeinsamen Regierungs- Beschlussempfehlung kommission wie in Baden-Württemberg, haben wir in unserem Antrag bewusst nicht vorweggenommen. Nicht Mehr Berlin in Europa – mehr Europa in das Instrument ist entscheidend, sondern dass die Zu- Berlin (V): Intensivierung der Zusammenarbeit sammenarbeit zwischen Berlin und Serbien intensiv vo- Berlins mit der Republik Serbien rangetrieben wird. Vor allem ist entscheidend, dass wir Beschlussempfehlung EuroBundMedienBerlBra als Land Berlin unserer Verantwortung in Europa gerecht Drs 16/3047 werden und den kommunalen und regionalen Austausch Antrag der FDP Drs 16/2836 nach Kräften fördern. So viel zu unserem Antrag.

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Rede- Kommen wir nun zur Antragsdiskussion im Europaaus- zeit von fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die schuss. Der Kollege Zimmermann hat sich insoweit posi- antragstellende Fraktion, die FDP. Die anderen Fraktio- tioniert, dass er sagte, die Beziehung zu Serbien sei Sache nen habe auf ihr Rederecht verzichtet. – Herr Dragowski! des Bundes. – Herr Kollege Zimmermann! Ihre Schlüs- Sie haben das Wort! selworte in der Antragsberatung waren: Genscher und Milošević. Wer zu solchen Namen greifen muss, um über Mirco Dragowski (FDP): die Beziehung Berlins zu Serbien zu diskutieren, dem ist nicht mehr zu helfen! Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Her- ren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Internationali- [Beifall bei der FDP] tät Berlins spiegelt sich nicht nur bei der Berliner Bevöl- Ich würde auch gerne Sie, Frau Kollegin Michels von den kerung wider, sondern auch bei der Zusammenarbeit mit Linken, zitieren, jedoch haben Sie sich an der Ausschuss- Städten und Regionen in Europa und weltweit. Der inter- diskussion gar nicht beteiligt. nationale und vor allem auch europäische Austausch von Interessen, Ideen und Personal fördert das kulturelle Ver- [Martina Michels (Linksfraktion): Weil es ständnis, die Toleranz und nicht zuletzt die europäische peinlich war!] Integration. Anstatt sich der Verantwortung als Region und Kommune [Beifall bei der FDP] in Europa zu stellen und für die Zusammenarbeit Berlins und Serbiens zu stimmen, haben Sie dagegen gestimmt, Berlin hat aufgrund seiner Lage in Mittelosteuropa ein indem Sie mit einem Ersetzungsantrag unseren Antrag geografischen Vorteil und einen weiteren Vorteil auf- und unsere Antragsziele vernichtet haben. Sie, von der grund der Vielfalt der Einwohnerinnen und Einwohner SPD und den Linken, verweigern sich Ihrer Verantwor- Berlins, um sich mit anderen Städten und Regionen besser tung und wollen keine Zusammenarbeit Berlins mit Ser- vernetzen zu können. bien. Sie fordern mit Ihrem Ersetzungsantrag vielmehr den Senat auf, Die FDP will, dass Berlin die Zusammenarbeit mit Ser- bien intensiviert. Wir wollen den engen Schulterschluss die Bundesregierung aufzufordern, eine Strategie mit den Ländern Südosteuropas und somit auch mit Ser- zur Intensivierung der Beziehung Deutschlands zu bien suchen. Der bilaterale Annäherungsprozess Serbiens Serbien zu entwickeln. und Deutschlands ist uns sehr wichtig, und er muss aktiv Herr Kollege Zimmermann! Frau Kollegin Michels! Wäh- gefördert werden, auch und gerade durch die Kommunen rend Sie eine Strategie der Bundesregierung einfordern, und Regionen Europas – Frau Kollegin Michels und Herr handelt unsere Bundesregierung. Kollege Krug! [Gelächter bei der Linksfraktion] Deshalb fordern wir einen weiteren Ausbau der Handels- Bereits im November, kurz nach der Übernahme des und Wirtschaftsbeziehungen, des Schüler- und Jugendaus- Amtes, hat sich in Berlin Bundesaußenminister und Vize- tauschs, der beruflichen Bildung, der Verwaltungszu- kanzler Guido Westerwelle sammenarbeit, der Zusammenarbeit im Bereich Wissen- [Unruhe bei der Linksfraktion] schaft und Forschung und der Vermittlung deutscher Sprache in Serbien. Die Möglichkeiten der Zusammenar- mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadić sowie dem beit sind vielfältig. serbischen Außenminister Vuk Jeremić zu ausführlichen Gesprächen getroffen.

5908 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 61. Sitzung vom 25. März 2010

Mirco Dragowski [Beifall bei der FDP] CDU und die Grünen. Wer ist dagegen? – Das ist die Wie Sie sehen, werte Kolleginnen und Kollegen, nicht nur FDP-Fraktion. Dann ist das so beschlossen. in Berlin, sondern auch im Bund stellen wir Liberale uns unserer europäischen Verantwortung, Wir kommen zur [Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Da staunen wir! – lfd. Nr. 27 B: Weitere Zurufe von links] Dringliche Beschlussempfehlungen einer Verantwortung, der Sie, meine Damen und Herren Freie Fahrt für den Busverkehr – von der SPD und den Linken, sich immer noch nicht Vorrangschaltungen für Busse planmäßig stellen. umrüsten und in Betrieb nehmen

Beschlussempfehlungen StadtVerk und Haupt Wir werden unseren durch Sie ersetzen Antrag in der Drs 16/3083 vorliegenden Fassung nicht zustimmen. Ihr Verhalten – Antrag der Grünen Drs 16/2421 Frau Michels und Herr Zimmermann – ist ein Armuts- zeugnis für dieses Haus und für den europäischen Gedan- Der Dringlichkeit wird offensichtlich nicht widerspro- ken. chen.

[Beifall bei der FDP] Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Die Ausschüsse emp- Kehren Sie zurück zu demokratischen Gepflogenheiten! fehlen einstimmig – bei Enthaltung der CDU und der FDP [Zuruf von der Linksfraktion: Oh!] – die Annahme des Antrags mit neuer Überschrift und in neuer Fassung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den Wir werden uns als FDP-Fraktion trotz Ihrer verantwor- bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitions- tungslosen Verhinderungs- und Blockadepolitik weiterhin fraktionen und die Grünen. Wer ist dagegen? – Niemand! für eine bessere Zusammenarbeit mit Serbien engagieren. Wer enthält sich? – Das sind CDU und FDP. Dann ist das – Vielen Dank! so beschlossen. [Beifall bei der FDP] Wir kommen zur

lfd. Nr. 27 C: Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Dringliche Beschlussempfehlung Vielen Dank! – Der Fachausschuss empfiehlt mehrheit- lich – gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen – die Entlastung wegen der Einnahmen und Annahme des Antrags Drucksache 16/2836 mit neuer Ausgaben des Rechnungshofs von Berlin Überschrift und in neuer Fassung. Wer dem Antrag im im Haushaltsjahr 2008 Wortlaut der Beschlussempfehlung Drucksache 16/3047 Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/3084 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2588 Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Dagegen sind die Oppositionsfraktionen. Wer enthält Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen. sich? – Keine Enthaltung. Damit ist der Antrag beschlos- sen. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Die Hauptausschuss empfiehlt einstimmig – mit den Stimmen aller Fraktionen Die lfd. Nrn. 25 bis 27 stehen auf der Konsensliste. – die Annahme der Vorlage Drucksache 16/2588. Wer der Vorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Hand- Ich komme jetzt zur zeichen. – Das sind alle Fraktionen. Wer ist dagegen? – Niemand! Enthaltungen gibt es ebenfalls nicht. Dann ist lfd. Nr. 27 A: das so beschlossen. Dringliche Beschlussempfehlungen Wir kommen zur Bildende Künstler und Hartz IV lfd. Nr. 27 D: Beschlussempfehlungen IntArbBSoz und Haupt Drs 16/3082 Dringliche Beschlussempfehlung Antrag der CDU Drs 16/1455 Vermögensgeschäft Nr. 3/2010 des Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen. Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/3085 Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Die Ausschüsse emp- Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß fehlen mehrheitlich – gegen die FDP – die Annahme des § 38 Abs. 1 GO Abghs Antrags mit neuer Überschrift und in neuer Fassung. Wer dem Antrag im Wortlaut der Beschlussfassung Drucksa- Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen. che 16/3082 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Die Hauptausschuss empfiehlt einstimmig – bei Enthaltung der FDP-Fraktion

5909 Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode 61. Sitzung vom 25. März 2010

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns – die Annahme des Vermögensgeschäfts Nr. 3/2010. Wer erhält die antragstellende Fraktion. – Bitte, Herr Statz- der Vorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das kowski! Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU und die Grünen. Wer enthält sich? – Die FDP! Dann Andreas Statzkowski (CDU): ist das so beschlossen. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen zur Türkiyemspor spielt in der vierten Klasse, also Regional- liga. Das wissen vielleicht nicht alle Kollegen im Haus. lfd. Nr. 27 E: Es handelt sich aber um eine Mannschaft, die überregio- Dringliche Beschlussempfehlung nal im gesamten Norden der Bundesrepublik Deutschland Vermögensgeschäft Nr. 6/2010 des spielt. Sie hat 2007 den Integrationspreis des Deutschen Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Fußballbundes erhalten und wurde im Bereich „Sterne des Sports“ für ihre Integrationsarbeit ausgezeichnet. Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/3086 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß Mit dem Verein sind wichtige sportpolitische Probleme § 38 Abs. 1 GO Abghs verbunden, die sich im vorliegenden Antrag niederschla- Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen. gen. Nicht betroffen ist übrigens die erste Mannschaft, die angesichts der Sicherheitsbestimmungen des Deutschen Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Die Hauptausschuss Fußballbundes nicht im heimischen Katzbachstadion empfiehlt mehrheitlich – gegen CDU und Grüne und bei spielt, sondern auf dem Friedrich-Ludwig-Jahn Sport- Enthaltung der FDP – die Annahme des Vermögensge- platz. Das ist aus meiner Sicht ein gute Lösung. Aber seit schäfts Nr. 16/2010. Wer der Vorlage zustimmen möchte, vielen Jahren gibt es Probleme mit dem Breiten- und den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koaliti- Jugendsport des Vereins. Er ist auf verschiedene Standor- onsfraktionen. Wer ist dagegen? – Das sind die CDU und te in den Bezirken Prenzlauer Berg, Treptow-Köpenick die Grünen. Enthaltungen? – Das ist die FDP. Dann ist und Friedrichshain-Kreuzberg verteilt. Der Verein weiß das so beschlossen. häufig heute nicht, wo er morgen trainieren kann. Es gibt keine Heimat und keine Identifikation. Und das, obwohl Ich komme jetzt zur man sich dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eng ver- bunden fühlt. Umso unverständlicher ist die Auffassung lfd. Nr. 28: der ehemaligen Sportstadträtin des Bezirks, die man am Zusammenstellung 25. November 2008 in der „taz“ nachlesen konnte. Dort sagte sie, sie kenne das Problem gar nicht. Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB Immer wieder sind in der Vergangenheit die unterschied- Drs 16/3052 lichsten Standorte zur Lösung des Problems diskutiert worden, beispielsweise der Sportplatz in der Kynaststraße

in Lichtenberg. Neuerdings ist auch das Tempelhofer Feld Mir liegen folgende Überweisungswünsche vor: Die im Gespräch. Da wird von Leuten, die es wissen, gesagt: lfd. Nr. 2 – VO 16/233 –, die Verordnung über Sozialbei- Mal wieder eine Absichtserklärung, die auf die Zukunft träge zum Studentenwerk Berlin, soll auf Antrag der Grü- baut. Was passiert, ist wieder einmal nebulös, in die Zu- nen und der FDP an den Ausschuss für Wissenschaft und kunft gerichtet, ohne zu wissen, wann und wo und wie es Forschung überwiesen werden. konkret passiert.

Die lfd. Nr. 4 - VO 16/235 –, die Erste Verordnung zur Und es gibt noch den Bereich um das Gleisdreieck. Im Änderung der Lehramtserprobungsverordnung, soll auf Mai 2009 stoppte der Bezirk die dortigen Pläne zum Bau Antrag der Grünen an den Ausschuss für Bildung, Jugend von zwei Sportplätzen. Der Bezirksbürgermeister Schulz und Familie überwiesen werden. wurde mit den Worten zitiert, er wolle Sportler und

Kleingärtner nicht gegeneinander ausspielen. Warum Von den weiteren Verordnungen hat das Haus Kenntnis wusste man das nicht vorher? Parallel zur Einbringung genommen. dieses Antrags fand am 2. Februar 2010 die dritte Sitzung

des Runden Tischs Gleisdreieck statt. Da hat sich der Jetzt komme ich zur Bezirk deutlich bewegt. Er hält die Realisierung von zwei lfd. Nr. 29: Sportplätzen nun für möglich. Unverständlich ist aus Antrag meiner Sicht die vom Sportamt für notwendig erachtete Schaffung eines Naturrasenplatzes. Das muss meiner Endlich eine dauerhafte Heimat für Ansicht nach für den Breiten- und Jugendsport nicht sein. Türkiyemspor! Entscheidend ist aber, dass mittlerweile SenStadt als Antrag der CDU Drs 16/3010 Verhinderin auftritt. SenStadt sieht eine Zerschlagung der Parkplanung bei einer Realisierung der Sportplätze. Das Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Rede- ist niedergelegt in einem Schreiben vom 1. Dezem- zeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort ber 2009. Darin steht, was alles nicht geht. Ich frage mich,

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Andreas Statzkowski was für ein Aufgabenverständnis die Mitarbeiterinnen und – Das kann ich auch. Seit vielen Jahren sucht Türkiy- Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung emspor eine Heimstätte. Türkiyemspor braucht auch diese eigentlich haben. Ich erwarte von Mitarbeitern der öffent- Heimstätte. Was Herr Statzkowski sagt, ist richtig. Ein lichen Hand, dass sie beschreiben, was geht, und nicht, Verein, der keine Heimstätte hat, kann sich auch nicht mit was nicht geht. dem Kiez identifizieren. Für mich ist es undenkbar, dass [Beifall bei der CDU – beispielsweise Union nicht in der Alten Försterei spielt. Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Wir besuchen morgen mit dem Sportausschuss die Alte Försterei und Eisern Union und schauen uns dort diese Friedrichshain-Kreuzberg ist ein Bezirk mit einem drama- wunderbare Sportanlage an, die von den Mitgliedern auch tischen Bedarf an ungedeckten Sportanlagen. Es besteht selbst saniert worden ist. Ich kann mir auch nicht vorstel- dringender Handlungsbedarf, um das Defizit auszuglei- len, dass dort, wo ich wohne, unser FC Rehberge nicht chen. Es besteht ein deutlicher Konflikt zwischen der seine Heimstätte hat. Das kann ich mir auch nicht vorstel- Senatsverwaltung für Sport und der Senatsverwaltung für len. Stadtentwicklung. Dazu gibt es auch interessante Äuße- rungen des Landessportbundes, in diesem Fall vom ehe- Aber wie geht der grüne Bezirk Kreuzberg mit Türkiy- maligen Präsidenten Hanisch, der dieses dramatische emspor um? – Es gab viele Versprechen. Einmal sollte im Defizit an ungedeckten Sportanlagen nicht nur ausdrück- Katzbachstadion eine Lichtanlage gebaut werden. Auch lich bestätigt. Vielmehr spricht er von einem behördlichen das wurde nicht finanziert, weil es andere grüne Projekte Unvermögen angesichts angeblicher Nutzungskonkurrenz gab. Dann gab es das Gleisdreieck. Einmal sollte dort zwischen Sport und Naherholung. Er spricht von einer Sport stattfinden, dann wieder nicht. Auch hier gab es unverantwortlichen Taktiererei zu Lasten des natürlichen wahrscheinlich andere grüne Projekte. Dementsprechend Bewegungsdrangs der Kinder und Jugendlichen. Wir wurde dieses Projekt auch ad acta gelegt. müssen dieses wichtige sportpolitische Thema und Prob- lem in unserer Stadt lösen. Lassen Sie Türkiyemspor eine Ich bin mir auch relativ sicher, dass dieser Antrag mo- neue Heimat finden. mentan nicht den aktuellen Stand wiedergibt, weil sogar [Beifall bei der CDU] Türkiyemspor davon ausgeht, dass sie möglicherweise ihre Heimstätte am Tempelhofer Feld finden werden. Ich finde, dass das Tempelhofer Feld eine gute Wahl ist, weil Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: wir hier auch Sportflächen brauchen. Das sollten wir im Sportausschuss auch richtig prüfen. Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Pauzenberger. [Zuruf von Andreas Gram (CDU)] – Herr Gram, sehr gut! – Lassen Sie uns diesen Standort Markus Pauzenberger (SPD): wirklich intensiv prüfen, da leider der Standort Gleisdrei- eck bereits erfolgreich von den Grünen verhindert wurde. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Herr Ich muss es aber sehr deutlich sagen, dass es eine kurz- Statzkowski! Sie haben heute eine Rede gehalten. Ich war fristige Lösung für Türkiyemspor nicht geben wird. Auf überrascht. Sie haben Frau Klebba „angepisst“, die Diskussion im Ausschuss bin ich sehr gespannt und [Unruhe] auf die weiteren Reden meiner Kolleginnen und Kollegen zu diesem Thema. – Herzlichen Dank! Sie haben Senat Stadt fertiggemacht, aber eigentlich ha- ben Sie nicht erwähnt, dass auch Ihre Fraktion dem Haus- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] halt nicht zugestimmt hat und wir dementsprechend eini- ges dort nicht realisieren können. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Auch ich finde, dass Türkiyemspor nach 30 Jahre endlich Vielen Dank! – Das Wort für die Grünen hat die Kollegin eine eigene Heimstätte braucht. Ich muss aber sehr deut- Kubala. lich sagen, dass es eigentlich kein Landesproblem sein sollte, weil – wie wir alle wissen – die Sportflächen in den Bezirken verwaltet werden und dementsprechend die Felicitas Kubala (Grüne): Bezirke dafür zuständig sind, dass sie den eigenen Sport- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hätten vereinen die Sportflächen zur Verfügung stellen können. diesen Tagesordnungspunkt vielleicht gleich mit dem Tempelhofer Feld verbinden können. Das hätte die Bera- Ich bin aber im Gegensatz zu Ihnen auch der Meinung, tung auch verkürzt. dass es hier eine Partei gibt, die gerade im Bezirk Kreuz- berg-Friedrichshain die Hauptschuld trägt. Das sind die [Beifall bei den Grünen, der SPD und Grünen. der Linksfraktion] [Unruhe – Da tut sich offensichtlich eine neue Perspektive auf. Sie Zurufe von den Grünen] müssen nur noch Ihren Staatssekretär Härtel überzeugen, der das in der letzten Sportausschusssitzung nicht so gern hören wollte. Die CDU hatte sich damals sehr stark für

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Felicitas Kubala die Westtangente gemacht, Herr Statzkowski, auf dem Markus Pauzenberger (SPD): Gleisdreieck tut sich jetzt auch eine Möglichkeit auf. Es Danke! – Ist es nicht so, dass der Bezirk Kreuzberg ei- ist sehr interessant, was heute an Optionen diskutiert wird gentlich den Vorschlag, die Sportstätte auf dem Gleisdrei- und sich an Entwicklungen in den letzten Jahren stadt- eck zu bauen, wieder zurückgezogen hat und eigentlich entwicklungspolitisch getan hat. Dass Türkiyemspor auch der Senat das unterstützt hat? eine Heimat bekommen soll, so wie Hertha und FC Uni- on, obwohl Hertha die schöne Heimat im Olympia- Stadion auch nicht viel genutzt hat, ist unumstritten. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Beifall bei den Grünen] Frau Kubala, bitte!

Auch Türkiyemspor soll eine Heimat bekommen. Die hat er zwar in Berlin, aber der Verein soll auch ein Stadion Felicitas Kubala (Grüne): bekommen. Wir werden sehen, ob es das Tempelhofer Ach wissen Sie, es ist immer ein Prozess um das Gleis- Feld oder das Gleisdreieck wird. Aber dieser Antrag, dreieck. werter Kollege Statzkowski, werter Kollege Herr Körber, ist ein wenig unentschlossen in der Sache. Eines möchte [Heiterkeit] ich einmal festhalten: Herr Pauzenberger! Sie irren. Deswegen muss man immer sehen, was als letzte Ent- Kreuzberg hat hier nichts verhindert, auch nicht unser scheidung gefallen ist. Natürlich sind verschiedene Sa- grüner Bürgermeister. chen gelaufen. Die Kleingärtner wollen etwas, die Sport- [Beifall bei den Grünen] ler wollen etwas. Es soll auch eine Grün- und Parkland- schaft entstehen. Das ist alles richtig. Aber man hat sich Sie haben sich im September letzten Jahres ganz klar dann gemeinsam im September zu einem Entschluss ausgesprochen, sogar in Abstimmung mit dem LSB und durchgerungen. Das sollten wir dann auch respektieren. sogar in Abstimmung mit den Kleingärtnern. Sie haben sich dafür ausgesprochen, dass Türkiyemspor ein Feld auf [Beifall bei den Grünen] dem Gleisdreieck bekommen soll. Das war ein einstim- Wenn sich jetzt allerdings auf dem Tempelhofer Feld oder miger Beschluss, Kollege Pauzenberger. Das Problem ist wo auch immer weitere Optionen auftun, wird man auch eher der Senat. Der hat sich dagegen ausgesprochen, dass die diskutieren müssen. Wir werden sehen, was sich am dort ein Fußballfeld entstehen soll. Sie sollten hier nicht Ende für Türkiyemspor findet. Dem Bezirk hier die Ver- die Wahrheiten verdrehen, Kollege! antwortung zu entziehen, lehnen wir ab. Deswegen wer- [Beifall bei den Grünen] den wir diesen Antrag auch gemeinsam beraten, wie es hier von der Koalition in Aussicht gestellt wurde. Es ist Wir lehnen es auch ganz entschieden ab, dass hier die zu wünschen, dass auch Türkiyemspor eine Heimat fin- Zuständigkeit, so, wie es der Antrag möchte, dem Bezirk det. entzogen wird. [Beifall bei den Grünen] Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pauzen- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: berger? Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Dr. Hiller. Felicitas Kubala (Grüne): Ich möchte den Satz kurz zu Ende führen. Dann kann er Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): gern fragen. – Wir lehnen es ab, dass dem Bezirk die Herr Präsident! Merhaba, spor dostları Türkiyemspor! Zuständigkeit entzogen wird, weil wir meinen, dass hier Das klingt doch türkisch, oder? Ich dachte, jetzt sitzen die eine gute Lösung gemeinschaftlich und einstimmig ge- Fans von Türkiyemspor oben. Leider muss ich nur zu funden wurde. Dann soll es auch bei dem Bezirk bleiben, Ihnen sprechen. Ich werde es genießen. Fast bin ich heute zumal der Senat hier in diesem Fall Teil des Problems ist Abend die Letzte. und wir nicht glauben, dass er eine Lösung finden kann. [Beifall bei den Grünen] Leider werde ich um 21.30 Uhr die Zeit nicht nutzen, um das Gewirr, wer verantwortlich ist und wer nicht, zu klä- Jetzt kann er gern fragen. ren. Fakt ist, dass die CDU nicht verantwortlich ist. Das ist für alle, vor allem in der CDU ein großes Glück. Denn Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: man sitzt weder Bezirksamt noch im Senat. Dann kann man solche Anträge hier stellen. Um mal einen Satz zu Ich glaube, Herr Pauzenberger hatte den Wunsch zu einer sagen, vorzugsweise ist hier ein Standort auf dem Gelän- Zwischenfrage. – Kommen Sie dem nach! de des geplanten Parks am Gleisdreieck auszuwählen. Da

ist an der CDU alles vorbeigegangen. Wie gesagt, 32 Bürgerinitiativen, Parteien, scheinbar die CDU nicht!

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Dr. Gabriele Hiller Und nun wird es dort nicht sein. Ihr Antrag ist so wie: [Beifall bei der SPD] Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Wir Ganz klar ist ja hier auch, dass die Verantwortlichkeit im haben die Lösung! – Ich kann es verstehen, Sie wollen in Bezirk zu finden ist. In dem Sinne einen schönen Feier- kurzer Zeit als CDU Ihre Konferenz zur Integration ha- abend! ben, und sicherlich wollen Sie auch etwas darstellen, was man greifen kann. Natürlich wäre es schön zu sagen: Wir [Beifall bei der FDP und der SPD] haben einen Sportplatz vorgeschlagen – das werden Sie sicherlich auch machen –, aber er wird nicht kommen. – Ihre Aufforderung, endlich eine dauerhafte Heimat für Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Türkiyemspor zu schaffen, ist zwar rhetorisch nett ge- Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags meint, aber wird nach fast 40 Jahren Suchens auch heute federführend an den Ausschuss für Sport sowie mitbera- Abend nicht entschieden. tend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr, wozu ich keinen Widerspruch höre. Frau Kubala sagte es: Tempelhof ist die Antwort, wird hoffentlich die Antwort sein. – Wir sind uns einig, dass Wir kommen zu dort Stadien und Sportplätze entstehen. Auch Türkiy- emspor wird dort einen Platz erhalten. Das Vereinsheim lfd. Nr. 30: wird sich, wie alle anderen Vereine, auch dieser Verein Antrag selbst irgendwie organisieren müssen. Ich kann mir nicht Schülerwohl gewährleisten – vorstellen, dass es so etwas auf Senatskosten gibt. Diese Ombudsstelle für Schulkonflikte schaffen! Darstellung mit der Formulierung „Heimat“ hat so etwas wie von einem fertigen Platz und als ob man da sehr viel Antrag der Grünen Drs 16/3019 investieren müsste. Da wollen wir keine übertriebenen Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Ältestenrat emp- Erwartungen wecken, aber eine feste Spielstätte wird es fiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für geben, und ich hoffe, dass auch noch mehr Sportvereine Bildung, Jugend und Familie sowie an den Hauptaus- neben Türkiyemspor von Tempelhof profitieren werden. schuss, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Vieles ist heute gesagt worden, nur noch nicht von allen. Die lfd. Nr. 31 wurde in Verbindung mit der Priorität der Ich will es nicht ausdehnen, hoffe auch auf eine Diskussi- Fraktion der Grünen unter dem Tagesordnungspunkt 4 b on im Ausschuss und darauf, dass wir dann endgültig die beraten. Die lfd. Nr. 32 wurde in Verbindung mit der Entscheidung für eine dauerhafte Heimat von Türkiy- Priorität der Koalitionsfraktionen unter dem Tagesord- emspor treffen. nungspunkt 4 c beraten. [Beifall bei der Linksfraktion] Ich komme zur

lfd. Nr. 33: Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Antrag Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Czaja. Berücksichtigung des Datenschutzes und Verhinderung von marktbeherrschenden Standards bei Sebastian Czaja (FDP): der Umsetzung des IT-Staatsvertrags Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Dr. Hiller! Ich bin ja Antrag der Grünen, der SPD, der CDU, der selten bei Ihnen, aber heute bin ich es in der Tat. Ich Linksfraktion und der FDP Drs 16/3057 glaube, dass der Antrag eher eine Erkenntnis der Rund- tour von Herrn Henkel war, Herr Statzkowski jetzt für den Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Die sofortige Ab- Sport das Thema Integration mit abdecken musste und stimmung ist beantragt worden. Wer dem Antrag zustim- entsprechend heute einen Antrag eingereicht hat. Also men will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind lassen Sie uns lieber darüber sprechen, wie wir tatsächlich die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der Grünen, die eine Heimat für Türkiyemspor finden können, statt mit Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP. Dann ist diesem Antrag weiterzuarbeiten. Ich glaube, dass die einstimmig so beschlossen. Debatte im Ausschuss weitaus sinnvoller ist. Lassen Sie [Beifall bei den Grünen] die Integrationspolitik in Ihrer Fraktion zukünftig wieder Kurt Wansner machen, da wissen wir woran wir sind! Die lfd. Nr. 34 war Priorität der CDU unter dem Tages- ordnungspunkt 4 a. Die lfd. Nr. 35 steht auf der Konsens- [Özcan Mutlu (Grüne): Ach nee!] liste. Die lfd. Nr. 36 war Priorität von Linksfraktion und Da muss auch die „BZ“ nicht titeln: „Berlins CDU ist SPD unter dem Tagesordnungspunkt 4 c. Die lfd. Nrn. 37 jetzt links-grün“, sondern da wissen wir, wo Sie stehen. und 38 stehen auf der Konsensliste. Lassen Sie uns beim Sport über Sport sprechen, und das tun wir am besten im Ausschuss! Ich komme zu

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns lfd. Nr. 39: Die Sitzung ist geschlossen. Antrag [Schluss der Sitzung: 21.46 Uhr] Um unserer Geschichte und Identität wegen: Berlin braucht eine Festveranstaltung zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung Antrag der CDU Drs 16/3063 Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Kultu- relle Angelegenheiten, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Die lfd. Nrn. 40 und 41 wurden in Verbindung mit der Aktuellen Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 be- handelt. Die lfd. Nr. 42 steht auf der Konsensliste. Die lfd. Nr. 43 wurde ebenfalls in Verbindung mit der Aktuel- len Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 beraten. Die lfd. Nr. 44 war Priorität der Fraktion der FDP unter dem Tagesordnungspunkt 4 d. Die lfd. Nr. 45 steht auf der Konsensliste.

Ich komme zu lfd. Nr. 46: Antrag Mehr Qualität und Kundenzufriedenheit durch Wettbewerb im Berliner ÖPNV: Vergabeverfahren für das Gesamtnetz der Berliner S-Bahn konsequent vorbereiten! Antrag der FDP Drs 16/3071 Dieser Tagesordnungspunkt stand ursprünglich auf der Konsensliste, es besteht aber nunmehr Redebedarf. [Zuruf von der FDP] – Aber die Fraktion der FDP beantragt die Vertagung des Antrags. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall.

Lfd. Nr. 46 A: Dringlicher Antrag Planfeststellungsbeschluss zum vierspurigen Ausbau der Invalidenstraße aufheben – mehr Tram wagen Antrag der Grünen Drs 16/3074 Wir der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überwei- sung des Antrags Drucksache 16/3074 an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr empfohlen, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Meine Damen und Herren! Dies war unsere heutige Ta- gesordnung. Lassen Sie sich vom Osterhasen verwöhnen! Die nächste, 62. Sitzung findet am Donnerstag, dem 22. April 2010 um 13 Uhr statt.

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Anlage 1

Namentliche Abstimmung Gemeinsame Entschließung des Berliner Abgeordnetenhauses – Kürzung der Einspeisevergütung moderat gestalten Antrag der SPD, der CDU, der Grünen und der Linksfraktion auf Annahme einer Entschließung Drucksache 16/3104

Fraktion der SPD Wechselberg, Carl ja Wieland, Ralf ja Arndt, Dr. Michael ja Winde, Stefanie ja Buchholz, Daniel ja Wildenhein-Lauterbach, Bruni ja Engert, Susann ja Wowereit, Klaus ja Felgentreu, Dr. Fritz ja Zackenfels, Stefan ja Flesch, Kirsten ja Zimmermann, Frank ja Fugmann-Heesing, Dr. Annette ja Gaebler, Christian ja Fraktion der CDU Grosse, Burgunde ja Harant, Renate ja Braun, Michael ja Haußdörfer, Ellen ja Brauner, Matthias ja Hertel, Anja-Beate ja Bung, Stefanie ja Hildebrandt, Petra ja Czaja, Mario ja Hilse, Torsten ja Demirbüken-Wegner, Emine ja Isenberg, Thomas ja Dietmann, Michael ja Jahnke, Frank ja Friederici, Oliver ja Jauch, Andy ja Goetze, Uwe ja Kitschun, Dr. Susanne ja Görsch, Margit ja Kleineidam, Thomas ja Goiny, Christian ja Köhler, Dr. Andreas ja Graf, Florian ja Kohlmeier, Sven ja Gram, Andreas ja Kolat, Dilek ja Heide, Dr. Manuel ja Krug, Günther ja Henkel, Frank ja Kugler, Andreas ja Hoffmann, Gregor ja Lange, Brigitte ja Juhnke, Dr. Robbin ja Leder, Jutta ja Körber, Scott ja Lehmann, Rainer-Michael ja Kroll, Marion ja Momper, Walter ja Lehmann-Brauns, Dr. Uwe ja Monteiro, Birgit ja Luchterhand, Joachim - Müller, Christa ja Luther, Dr. Peter ja Müller, Michael ja Melzer, Heiko ja Neumann, Ulrike ja Pflüger, Dr. Friedbert ja Nolte, Karlheinz ja Rissmann, Sven ja Oberg, Lars ja Scholz, Olvier ja Öney, Bilkay ja Schwenkow, Peter ja Ollech, Liane ja Seibeld, Cornelia ja Pauzenberger, Markus ja Stadtkewitz, René ja Radziwill, Ülker ja Statzkowski, Andreas ja Saleh, Raed ja Steuer, Sascha ja Schaddach, Robert ja Thamm, Monika ja Scheeres, Sandra ja Trapp, Peter ja Schneider, Torsten ja Wansner, Kurt ja Schreiber, Tom ja Dr. Wegner, Michael ja Seidel-Kalmutzki, Karin ja Wilke, Carsten ja Stroedter, Jörg ja Zimmer, Nicolas ja Tesch, Dr. Felicitas ja Linksfraktion Thärichen, Dr. Holger ja Treichel, Peter ja Albers, Dr. Wolfgang ja

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Baba-Sommer, Evrim ja Barth, Dr. Margrit ja Fraktion der FDP Brauer, Wolfgang ja Breitenbach, Elke ja Czaja, Sebastian nein Doering, Uwe ja Dragowski, Mirco nein Dott, Minka ja Gersch, Kai nein Flierl, Dr. Thomas ja Jotzo, Björn nein Hiller, Dr. Gabriele ja Kluckert, Dr. Sebastian nein Holzheuer-Rothensteiner, Bärbel ja Lüdeke von, Klaus-Peter nein Karci, Kadriye ja Meyer, Christoph nein Klemm, Gernot ja Schmidt, Henner nein Lederer, Dr. Klaus ja Senftleben, Mieke nein Matuschek, Jutta ja von Stieglitz, Sylvia nein Michels, Martina ja Thiel, Volker nein Platta, Marion ja Weingartner, Albert nein Sayan, Giyasettin ja Seelig, Marion ja Fraktionslose Abgeordnete Weiß, Mari ja Wolf, Udo ja Hillenberg, Ralf ja Zillich, Steffen ja Ueckert, Rainer ja Zotl, Dr. Peter-Rudolf ja

Fraktion der Grünen

Bayram, Canan ja Behrendt, Dirk ja Birk, Thomas ja Eichstädt-Bohlig, Franziska ja Esser, Joachim ja Hämmerling, Claudia ja Herrmann, Clara ja Jantzen, Elfi ja Kofbinger, Anja ja Kosche, Heidi ja Kubala, Felicitas ja Lux, Benedikt ja Mutlu, Özcan ja Otto, Andreas ja Pop, Ramona ja Ratzmann, Volker ja Schäfer, Michael ja Schillhaneck, Anja ja Schneider, Astrid ja Schruoffeneger, Oliver ja Ströver, Alice ja Villbrandt, Jasenka ja Ziller, Stefan ja

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Anlage 2

Liste der Dringlichkeiten

Zu lfd. Nr. 3: Dringlicher Antrag Lfd. Nr. 46 A: Dringlicher Antrag Erste Konsequenzen aus dem Treberhilfeskandal: Planfeststellungsbeschluss zum vierspurigen rechtliche Änderungen sind notwendig Ausbau der Invalidenstraße aufheben – mehr Antrag der Grünen Drs 16/3087 Tram wagen an IntArbBSoz und Haupt Antrag der Grünen Drs 16/3074 Lfd. Nr. 27 A: Dringliche Beschlussempfehlungen an StadtVerk Bildende Künstler und Hartz IV Beschlussempfehlungen IntArbBSoz und Haupt Drs 16/3082 Antrag der CDU Drs 16/1455 mehrheitlich gegen FDP mit neuer Überschrift und in neuer Fassung angenommen Lfd. Nr. 27 B: Dringliche Beschlussempfehlungen Freie Fahrt für den Busverkehr – Vorrangschaltungen für Busse planmäßig umrüsten und in Betrieb nehmen Beschlussempfehlungen StadtVerk und Haupt Drs 16/3083 Antrag der Grünen Drs 16/2421 einstimmig bei Enth. CDU und FDP mit neuer Überschrift und in neuer Fassung angenommen Lfd. Nr. 27 C: Dringliche Beschlussempfehlung Entlastung wegen der Einnahmen und Ausgaben des Rechnungshofs von Berlin im Haushaltsjahr 2008 Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/3084 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2588 einstimmig angenommen Lfd. Nr. 27 D: Dringliche Beschlussempfehlung Vermögensgeschäft Nr. 3/2010 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/3085 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 Abs. 1 GO Abghs einstimmig bei Enth. FDP angenommen Lfd. Nr. 27 E: Dringliche Beschlussempfehlung Vermögensgeschäft Nr. 6/2010 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/3086 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 Abs. 1 GO Abghs mehrheitlich gegen CDU und Grüne bei Enth. FDP angenommen

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Anlage 3

Konsensliste

Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 6: I. Lesung Lfd. Nr. 18: Beschlussempfehlung Gesetz zum Staatsvertrag über die Verteilung Passgenaue und individuelle Hilfen für von Versorgungslasten bei bund- und erwerbslose Menschen absichern! länderübergreifenden Dienstherrenwechseln Beschlussempfehlung IntArbBSoz Drs 16/3036 (Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag) Antrag der Grünen Drs 16/1465 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/3051 einstimmig für erledigt erklärt an InnSichO und Haupt Lfd. Nr. 19: Beschlussempfehlung Lfd. Nr. 13: Beschlussempfehlung Klare Mehrheitsverhältnisse in den Mieterbeiräte stärken Trägerversammlungen und Arbeitsgemeinschaften Beschlussempfehlung BauWohn Drs 16/3021 schaffen! Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2801 Beschlussempfehlung IntArbBSoz Drs 16/3037 einstimmig bei Enth. FDP angenommen Antrag der Grünen Drs 16/0082 Lfd. Nr. 14: Beschlussempfehlung einstimmig für erledigt erklärt Energetische Transparenz bei landeseigenen Lfd. Nr. 21: Beschlussempfehlungen Wohnungsbaugesellschaften verbessern Elektronische Zeiterfassung in der Beschlussempfehlung BauWohn Drs 16/3022 Berliner Hauptverwaltung Antrag der Grünen Drs 16/2899 Beschlussempfehlungen VerwRefKIT und Haupt mehrheitlich gegen CDU und Grüne abgelehnt Drs 16/3043 Antrag der FDP Drs 16/0627 Lfd. Nr. 16 a: Beschlussempfehlung mehrheitlich gegen FDP auch mit geändertem Resettlement – Berlin sagt ja! Berichtsdatum „31. Oktober 2010“ abgelehnt Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/3027 Fachausschuss: Antrag der Grünen Drs 16/2689 bei Enth. Grüne mehrheitlich gegen Grüne abgelehnt Hauptausschuss: Lfd. Nr. 16 b: Beschlussempfehlung bei Enth. CDU und Grüne Für ein größeres Engagement Deutschlands Lfd. Nr. 22: Beschlussempfehlungen bei der Aufnahme von Flüchtlingen gemäß den Welche öffentlichen Infrastrukturprojekte UNHCR-Kriterien eignen sich für Öffentlich-Private-Partnerschaften Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/3028 – ÖPP –? Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2742 Beschlussempfehlungen WiTechFrau und Haupt mehrheitlich gegen CDU mit Änderung angenommen Drs 16/3045 Antrag der CDU Drs 16/1794 Lfd. Nr. 17: Beschlussempfehlung mehrheitlich gegen CDU und FDP abgelehnt Chancen zur Neuordnung der Wirtschaftsförderung in Berlin jetzt nutzen! Lfd. Nr. 23: Beschlussempfehlung Beschlussempfehlung WiTechFrau Drs 16/3029 Ballungsräume stärken – Antrag der CDU Drs 16/0343 EU-Entwicklungsziele anpassen mehrheitlich gegen CDU bei Enth. FDP abgelehnt Beschlussempfehlung EuroBundMedienBerlBra Drs 16/3046 Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2951 mehrheitlich gegen FDP bei Enth. CDU angenommen

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Lfd. Nr. 25: Beschlussempfehlung Lfd. Nr. 45: Antrag Rechtsextremismus nachhaltig bekämpfen – Videoüberwachung bei den Verkehrsbetrieben Präventionsprogramm für Kinder und Jugendliche und im öffentlichen Raum endlich wissenschaftlich Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/3048 evaluieren! Antrag der Grünen Drs 16/1962 Antrag der FDP Drs 16/3069 mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP mit neuer an InnSichO (f) – m. d. B. u. Behandlung im UADat – Überschrift und in neuer Fassung angenommen und StadtVerk Lfd. Nr. 26: Beschlussempfehlung Lfd. Nr. 46: Antrag Bodenverunreinigungen auf dem Mehr Qualität und Kundenzufriedenheit Olympiagelände untersuchen! durch Wettbewerb im Berliner ÖPNV: Beschlussempfehlung GesUmVer Drs 16/3055 Vergabeverfahren für das Gesamtnetz der Antrag der CDU Drs 16/1331 Berliner S-Bahn konsequent vorbereiten! mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP abgelehnt Antrag der FDP Drs 16/3071 Lfd. Nr. 27: Beschlussempfehlung vertagt Berlins Verantwortung für Ressourcenschonung, Emissionsminderung und Klimaschutz wahrnehmen, Belastungen für Bürgerinnen und Bürger minimieren Beschlussempfehlung GesUmVer Drs 16/3056 Antrag der FDP Drs 16/2693 vertagt Lfd. Nr. 35: Antrag Baustellenverkehr beim Ausbau der Bundesautobahn A10 anliegerverträglich gestalten! Antrag der CDU Drs 16/3059 an StadtVerk Lfd. Nr. 37: Antrag Praktische Schritte zur besseren sonderpädagogischen Förderung gehen: Förderzentren zu sonderpädagogischen Kompetenzzentren entwickeln Antrag der CDU Drs 16/3061 an BildJugFam Lfd. Nr. 38: Antrag Wohnortnahe hausärztliche Versorgung in allen Berliner Bezirken sicherstellen! Antrag der CDU Drs 16/3062 an GesUmVer Lfd. Nr. 42: Antrag Den Behindertensport fördern – die paralympischen Winterspiele nutzen! Antrag der CDU Drs 16/3067 an Sport

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Anlage 4

Beschlüsse des Abgeordnetenhauses

Gemeinsame Entschließung des Berliner unterstützen. Zugleich sollen die Wohnungsbaugesell- Abgeordnetenhauses – Kürzung der schaften ihre Mieterinnen und Mieter über die Arbeit von Mieterbeiräten informieren und mögliche Hürden für das Einspeisevergütung moderat gestalten Engagement in Mieterbeiräten abbauen. Das Berliner Abgeordnetenhaus lehnt die von der Bun- desregierung angekündigte zusätzliche Absenkung der Einspeisevergütung für Solarstrom in der geplanten Höhe Für ein größeres Engagement Deutschlands und Form ab. bei der Aufnahme von Flüchtlingen gemäß den UNHCR-Kriterien Das Abgeordnetenhaus spricht sich dafür aus, dass im Der Senat wird aufgefordert, sich auf Bundesebene für ein Schulterschluss mit den anderen Ländern alles dafür getan größeres Engagement Deutschlands bei der Aufnahme wird, die geplante deutliche Absenkung der Einspeisever- von Flüchtlingen gemäß den UNHCR-Kriterien einzuset- gütung für Solarstrom um weitere 16 Prozent zu verhin- zen. In diesem Rahmen erklärt sich das Land Berlin be- dern. Der Erhalt und Ausbau der Solarwirtschaft müssen reit, regelmäßig ein Kontingent von Flüchtlingen aufzu- gesichert und alle Maßnahmen zur Förderung der Solar- nehmen. branche als einer Leit- und Schlüsselindustrie fortgesetzt werden. Ballungsräume stärken –

EU-Entwicklungsziele anpassen Wahl eines Mitglieds des Richterwahlausschusses Der Senat wird aufgefordert, zusammen mit vergleichba- Das Abgeordnetenhaus wählt gem. §§ 9, 15 Abs. 2 Berli- ren europäischen Großstädten bei der Gestaltung der EU- ner Richtergesetz in der Fassung vom 27. April 1970 Kohäsionspolitik zur Förderung des wirtschaftlichen und (GVBl. S. 642, 1638), zuletzt geändert durch das Dienst- sozialen Zusammenhalts in Europa für die Förderperiode rechtsänderungsgesetz vom 19. März 2009 (GVBl. S. 70), ab 2013 darauf hinzuwirken, dass die Besonderheiten und für die restliche Dauer der 16. Wahlperiode des Abgeord- der spezifische Bedarf urbaner Ballungsräume verstärkt netenhauses ein Mitglied des Richterwahlausschusses aus Berücksichtigung finden. Dabei sollen folgende Ziele der Vorschlagsliste der ordentlichen Gerichtsbarkeit. verfolgt werden:

Es wurde gewählt: Herr Ahmet Alagün 1. Das sog. Ziel 2 zur Förderung von regionaler Wettbe- werbsfähigkeit und Beschäftigung (RWB) muss erhal- (auch benannt als Richter im Falle des § 9 Absatz 2 und ten und weiter dahingehend ausgerichtet werden, dass des § 12 Satz 2 Berliner Richtergesetz) Innovationen und die Beiträge großer Städte zur wirt- schaftlichen Entwicklung sowie zu mehr Beschäfti- Wahl von drei Personen des öffentlichen Lebens gung gezielt und nachhaltig gefördert werden können. für den Beirat der Einstein Stiftung Berlin 2. Bei der Festlegung von Fördergebieten im Sinne einer flächendeckenden Kohäsionspolitik ist das Bruttoin- Es wurden gewählt: landsprodukt pro Kopf der Bevölkerung anderen Indi- katoren vorzuziehen. Zur innerstaatlichen Mittelvertei- lung sind weitere sozioökonomische Kriterien heran- Abg. Michael Müller (Fraktion der SPD) zuziehen. Rein geographisch begründete Indikatoren Abg. Nicolas Zimmer (Fraktion der CDU) werden dem Kohäsionsziel demgegenüber nicht ge- recht. Abg. Dr. Wolfgang Albers (Fraktion Die Linke) 3. Den Erfordernissen ausreichender regionaler Ent- scheidungsspielräume sowie einer weiteren Verwal- Mieterbeiräte stärken tungsvereinfachung ist Rechnung zu tragen, sodass die Gesamtstrategie Berlins auch mit Hilfe der EU- Der Senat wird aufgefordert, über die Eigentümerfunktion Fördermittel umgesetzt werden kann. in den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu bewirken, dass Mieterbeiräte als wichtiges Element der Effektivierung der Bestandsbewirtschaftung weiterhin zu Intensivierung der Beziehungen fördern sind. Dafür sind einheitliche Regelungen in den zur Republik Serbien Satzungen der Wohnungsbaugesellschaften aufzunehmen. Zur Förderung der Mieterbeiräte zählt auch, Wahlen zu Der Senat wird aufgefordert, sich beim Bund dafür einzu- Mieterbeiräten in allen Wohnungsbaugesellschaften zu setzen, dass die Bundesregierung in ihrer außenpoliti-

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schen Verantwortung eine Strategie zur Intensivierung der – Entwicklung von Standards für den Umgang mit Beziehungen Deutschlands zur Republik Serbien entwi- rechtsextremen Aktivitäten in Jugend- und Bildungs- ckelt. einrichtungen unter Einbeziehung entsprechender Er- fahrungen in den Bezirken. Dazu sind Überlegungen anzustellen, in welchem institu- Über die Umsetzung und Weiterentwicklung des Landes- tionellen Rahmen solch eine intensivierte Zusammenar- programms und die Ergebnisse der Evaluation der För- beit anzusiedeln ist und welche Schwerpunkte für die derprogramme ist alle zwei Jahre zu berichten. Dem Ab- serbischstämmige Bevölkerung in Deutschland von Rele- geordnetenhaus ist erstmals bis zum 31. Dezember 2010 vanz sind. Bei den Überlegungen sollen die Interessen- zu berichten. verbände der serbischstämmigen Bevölkerung einbezogen werden. Der Senat wird aufgefordert, dem Abgeordneten- haus bis 31. Oktober 2010 zu berichten. Künstlerinnen und Künstler und Hartz IV Der Senat wird aufgefordert, im Rahmen seiner Arbeits- Berliner Landeskonzeption gegen marktpolitik professionelle Künstlerinnen und Künstler zu Rechtsextremismus, Rassismus und unterstützen, die kurz- oder mittelfristig nicht vom Erlös Antisemitismus im Handlungsfeld „Bildung und ihrer künstlerischen Arbeit leben können. Jugend für Demokratie“ weiterentwickeln und verstetigen Die dafür notwendigen Maßnahmen sollen dazu dienen, dass die Betroffenen aus dieser Berufsgruppe für eine Der Senat wird aufgefordert, die in der Vorlage „Demo- vertretbare Zeit ihren eigentlichen Beruf nicht aufgeben kratie. Vielfalt. Respekt. – Die Berliner Landeskonzeption müssen, bis sie durch andere Arbeitsgelegenheiten in den gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitis- regulären Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Der Senat mus“, Drs 16/1509 vom 5. Juni 2008, beschriebenen wird deshalb aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass Maßnahmen der Präventionsarbeit weiterzuentwickeln, deren systematische Vernetzung zu betreiben und wir- 1. bei der bevorstehenden Neuordnung der Jobcenter kungsvolle Ansätze zu verstetigen. Ansprechpartner für Künstlerinnen und Künstler in al- len Jobcentern benannt werden, die sowohl als Multi- Dabei soll insbesondere Folgendes erreicht werden: plikatoren nach innen wirken, als auch Sprechstunden für Künstlerinnen und Künstler durchführen und sie – Vernetzung der Kompetenzen für Schule und Jugend- sachgerecht beraten, arbeit sowie der für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften und sozialpädagogischen Fachkräften in 2. unter Hinzuziehung von Berufsverbänden Kriterien der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und für die Prüfung festgelegt werden, ob hilfesuchende Forschung mit dem Fachwissen aus dem Berliner Be- Künstlerinnen und Künstler sich nach dem Förderzeit- ratungsnetzwerk mit dem Ziel, die Fähigkeit zur Aus- raum durch eigene Arbeit ihre Existenz sichern kön- einandersetzung mit rechtsextremistischen, rassisti- nen, schen und antisemitischen Erscheinungen und Ten- 3. Künstlerinnen und Künstler auch weiterhin als Selbst- denzen in Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen zu ständige behandelt werden und ihnen mit den Einglie- unterstützen, derungsvereinbarungen nach dem „Berliner Modell“ – Erarbeitung von Formen der geregelten Zusammenar- der Agentur für Arbeit Nord Gelegenheit gegeben beit der für Schule und Jugendarbeit zuständigen wird, durch eigene künstlerische Tätigkeit ausreichend Verwaltungen einerseits sowie der jeweiligen pädago- Erwerbseinkommen zu erzielen, bevor sie durch Ar- gischen Praxis andererseits, beitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung nach SGB II in kulturellen Tätigkeitsfeldern integriert – Unterstützung bei der Einbeziehung der Auseinander- werden, setzung der Schulen mit Rechtsextremismus, Rassis- mus und Antisemitismus in das Schulprogramm, 4. die Finanzierung von erwerbswirtschaftlich bedingtem zusätzlichem Raumbedarf gemäß SGB III bzw. SGB – Förderung der Kooperation der Schulen mit außer- II ermöglicht wird, wenn Künstlerinnen und Künstler schulischen Partnern in Anerkennung des Bildungs- über kein oder ein zu geringes Einkommen verfügen, auftrags der außerschulischen Jugend-, Jugendbil- dungs- und jugendbezogener Projektarbeit, 5. bei der anstehenden Änderung der AV Wohnen zu prüfen ist, inwieweit eine Überschreitung der Richt- – Erarbeitung einer Handreichung für die Schulen über werte möglich ist, wenn die betreffende Wohnung re- die Angebote der Beratungs- und Bildungseinrichtun- gelmäßig für berufliche Zwecke genutzt werden muss gen, die im Rahmen des Landesprogramms und der und für die Aufrechterhaltung der beruflichen Tätig- Landeskonzeption aktiv sind, keit notwendig ist. – Umsetzung und Weiterentwicklung der Landeskon- Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31. Oktober 2010 zu zeption als ressortübergreifende und gesamtstädtische berichten. Handlungsstrategie,

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Freie Fahrt für den Busverkehr – 1. Beim Einsatz von Informationstechnologie (IT) des Vorrangschaltungen für Busse planmäßig informationstechnischen Verbindungsnetzes zwischen umrüsten und in Betrieb nehmen Bund und Ländern, sowie bei der Festlegung von IT- Das Abgeordnetenhaus fordert den Senat auf, das Be- Sicherheits- und Interoperabilitätsstandards durch den schleunigungsprogramm für Busse und Straßenbahnen IT-Planungsrat sind der verfassungsrechtlich gebotene prioritär umzusetzen und im neuen Nahverkehrsplan Schutz der informationellen Selbstbestimmung und entsprechende Vorgaben zu machen sowie mit einem die Vertraulichkeit und Integrität informationstechni- jährlich abzurechnenden Maßnahmenplan zu untersetzen. scher Systeme zu gewährleisten. Dazu sind sowohl Lichtzeichenanlagen umzurüsten wie 2. In der noch zu beschließenden Geschäftsordnung des auch neue Busspuren auszuweisen bzw. vorhandene zu IT-Planungsrats ist die besondere Beachtung des optimieren. Ziel ist eine deutliche Reisezeitverkürzung Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zugunsten des ÖPNV. ausdrücklich zu fixieren.

3. Zu den Sitzungen des IT-Planungsrats soll mindestens Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31.Dezember 2010 zu ein/e Landesdatenschutzbeauftragte/r eingeladen wer- berichten. den, wenn die Länder betreffende datenschutzrelevan-

te Fragen erörtert werden. Entlastung wegen der Einnahmen und 4. Die im Staatsvertrag vorgesehene vorrangige Verwen- Ausgaben des Rechnungshofs von Berlin dung bestehender Marktstandards darf nicht dazu füh- im Haushaltsjahr 2008 ren, dass Verfahren beschlossen werden, die den Das Abgeordnetenhaus erteilt gemäß § 101 LHO Entlas- rechtlich erforderlichen Datenschutz nicht gewährleis- tung wegen der Einnahmen und Ausgaben des Rech- ten. nungshofs im Haushaltsjahr 2008. 5. Die im Staatsvertrag vorgesehene vorrangige Verwen-

dung bestehender Markstandards darf nicht zu markt- Vermögensgeschäft Nr. 3/2010 des beherrschenden Positionen von Anbietern dieser tech- Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte nischen Standards führen. Dem Verkauf des 10 548 m2 großen Grundstücks in 6. Bei der Definition von technischen IT-Standards muss 16341 Panketal, Ortsteil Zepernick, Schönerlinder Straße darauf hingewirkt werden, sowohl vorrangig offene gemäß Beschluss des Abgeordnetenhauses vom IT-Standards einzusetzen, als auch einer marktbeherr- 10. Dezember 2009 Drucksache 16/2850 – II.B.91 – zu schenden Stellung von Anbietern keinen Vorschub zu den Bedingungen des Kaufvertrages vom 5. Mai 2009 zur leisten. Urkundenrolle Nr. 211/2009 des Notars Dr. Peter Engel in 7. Das Abgeordnetenhaus von Berlin und die Öffentlich- Berlin, der Nachbeurkundung vom 9. September 2009 zur keit werden laufend über die Entscheidungen und Be- Urkundenrolle Nr. 621/2009 des Notars Dr. Peter Engel in richte des IT-Planungsrats informiert. Berlin und der Genehmigungserklärung vom 30. Dezember 2009 zur Urkundenrolle Nr. 702/2009 des Dem Abgeordnetenhaus ist hierzu bis zum 30. August Notars Klaus Hellmann in Celle wird zugestimmt. 2010 zu berichten.

Vermögensgeschäft Nr. 6/2010 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Dem Verkauf des 7 440 m2 großen Grundstücks Berlin- Friedrichshain-Kreuzberg, Kochstr. 27, 28 / Zimmerstr. 8- 10 zu den Bedingungen des Kaufvertrages vom 8. Dezember 2009 zur Urkundenrolle Nr. S 585/2009 des Notars Alexander Schröter in Berlin wird zugestimmt.

Berücksichtigung des Datenschutzes und Verhinderung von marktbeherrschenden Standards bei der Umsetzung des IT-Staatsvertrags Der Senat wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass bei der Ausführung des Staatsvertrages über die Errichtung des IT-Planungsrats und über die Grundlagen der Zu- sammenarbeit beim Einsatz der Informationstechnologie in den Verwaltungen von Bund und Ländern – Vertrag zur Ausführung des Artikels 91c GG – folgende Punkte Berücksichtigung finden:

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