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Alle drei Weihen erfolgten mit der Zustimmung sowohl des Hl. Stuhls als auch der chinesischen Regierung (nach der Bischofsweihe in Shanghai bestritt allerdings LIU BAINIAN, der Generalsekretär der Patriotischen Vereinigung, daß 訊 息 eine Absprache zwischen Rom und Beijing stattgefunden habe, und eine Sprecherin des Nationalen Religionsbüros erklärte, die katholische Kirche Chinas werde an der Informationen Selbstwahl und -weihe ihrer Bischöfe festhalten). Zwar war die Zustimmung beider Seiten zu den Weihen – anders als in den internationalen Medien vielfach dargestellt – kei- neswegs ein Novum. Doch sicher kommt den Bischofs- Bewegung in den sino-vatikanischen Beziehungen weihen in den Metropo- Seit dem Begräbnis von Papst JOHANNES PAUL II. und dem len Shanghai und Xi’an Amtsantritt von Papst BENEDIKT XVI. im April d.J. (vgl. besonderes Gewicht zu, China heute 2005, S. 66-73) häufen sich Nachrichten und zumal es sich bei den be- Spekulationen über Fortschritte in den Beziehungen zwi- tagten Amtsinhabern um schen Beijing und dem Vatikan. Eine zentrale Rolle spielten sehr profilierte Bischöfe dabei die Weihen dreier junger Bischöfe mit Zustimmung der offiziellen Kirche han- Roms und Beijings sowie die (gescheiterte) Einladung von delt (beide wurden auch vier chinesischen Bischöfen zur Synode nach Rom. Die Er- vom Papst zur Synode eignisse der letzten Monate machen deutlich, daß Chinas nach Rom eingeladen; Katholiken – wie bereits bei der Beerdigung des verstor- siehe unten). Xi’an ist benen Papstes – mit zunehmender Selbstverständlichkeit ih- zudem aus vatikanischer re Einheit mit dem Hl. Stuhl demonstrieren, was vielfach Sicht ein Erzbistum. Weihbischof DANG MINGYAN. auch eine Annäherung zwischen offizieller und inoffizieller Weltbischofssynode und die chinesische Kirche. Am 8. Sep- Kirche zur Folge hat. Deutlich trat die Patriotische Vereini- tember d.J. gab der Vatikan bekannt, daß vier chinesische gung der Chinesischen Katholischen Kirche als Stolperstein Bischöfe zur XI. Ordentlichen Vollversammlung der Bi- auf dem weiterhin hindernisreichen Weg zu einer Einigung schofssynode nach Rom eingeladen worden seien. Es han- zwischen Beijing und Rom in Erscheinung. delte sich um die vom Staat anerkannten Bischöfe ANTO- Bischofsweihen. Folgende Weihbischöfe wurden in den letz- NIUS LI DU’AN von Xi’an, Bischof ALOYSIUS JIN LUXIAN SJ ten Monaten konsekriert: JOSEPH XING WENZHI (42 Jahre) von Shanghai und LUKAS LI JINGFENG von Fengxiang (Pro- für die Diözese Shanghai durch den 89jährigen Shanghaier vinz Shaanxi – der 83jährige war 24 Jahre lang Bischof im Bischof ALOYSIUS JIN LUXIAN SJ am 28. Juni; ANTONIUS Untergrund und wurde erst im August 2004 von der chi- DANG MINGYAN (38 Jahre) für die Diözese Xi’an (Provinz nesischen Regierung anerkannt) sowie den 47jährigen Un- Shaanxi) durch den 78jährigen Ortsbischof ANTONIUS LI tergrundbischof JOSEPH WEI JINGYI von Qiqihar (Provinz DU’AN am 26. Juli; PAUL HE ZEQING (37 Jahre) für die Di- ). özese Wanzhou (Wanxian, Provinz ) durch den 89- Die Auswahl der geladenen Vier – drei Bischöfe aus der jährigen Ortsbischof JOSEPH XU ZHIXUAN am 18. Oktober. offiziellen Kirche und ein Untergrundbischof – war an sich schon signifikant und ein sprechender Hinweis darauf, daß es aus Sicht des Hl. Stuhls nur eine katholische Kirche in China gibt. In den darauffolgenden Wochen schien es of- fen, ob zumindest einige der Bischöfe nach Rom würden reisen können oder nicht. In dieser Zeit konnte man aus ver- schiedenen Äußerungen den Eindruck gewinnen, daß die zuständigen chinesischen Regierungsvertreter einer Reise der Bischöfe nach Rom womöglich offener gegenüber- stünden als die Patriotische Vereinigung. So hieß es in der ersten Stellungnahme eines nicht namentlich genannten Sprechers der Patriotischen Vereinigung und der offiziellen Chinesischen Bischofskonferenz, der Hl. Stuhl habe es mit seiner direkten Einladung an die Bischöfe an Respekt für die entscheidungsbefugten Organe der chinesischen Kirche An der Weihe beteiligte Bischöfe und Priester in der und die fünf Millionen chinesischen Katholiken fehlen las- Kathedrale von Shanghai. In der Mitte Bischof JIN LUXIAN sen. Dagegen bezeichnete einige Tage später YE XIAOWEN, mit Bischofsstab, rechts von ihm im weißen Gewand der Leiter des Nationalen Religionsbüros, die Einladung Weihbischof XING WENZHI. Die beiden mitweihenden Bischöfe waren Bischof HU XIANDE (Ningbo) und Bischof des Papstes überraschend als „freundliche Geste“. Die MA XUESHENG von Zhoucun (Provinz Shandong), der chinesische Regierung war, im Gegensatz zur Patriotischen Heimatdiözese XINGs. Foto: Archiv. Vereinigung und der offiziellen Bischofskonferenz, über

INFORMATIONEN CHINA HEUTE XXIV (2005), NR. 4-5 (140-141) 131 die Einladung der Bischöfe informiert worden, bevor der tonte, diplomatische Beziehungen dürften kein Ziel an sich Vatikan die Liste der Synodenväter veröffentlichte. sein, sondern es müsse „wirklich nur um das Wohl der Kir- Auch als klar war, daß keiner der chinesischen Bischöfe che“ in China gehen. vom Festland ausreisen durfte, wurden während der ganzen Bis dahin ist allerdings noch ein schwieriger Weg zu- Dauer der Weltbischofssynode vom 2. bis zum 23. Oktober rückzulegen, wie auch ein Blick auf weitere Regierungs- vier mit ihren Namen gekennzeichnete Sitzplätze freige- maßnahmen zeigt: Bereits im September hatten die chinesi- halten. Unter den versammelten 252 Synodenvätern be- schen Behörden den Bischöfen FENG XINMAO (Hengshui) fanden sich mit Bischof JOSEPH ZEN von Hongkong sowie und JIN PEIXIAN (Shenyang) die Teilnahme an der Euro- Kardinal SHAN GUOXI (Gaoxiong) und Bischof LIN JINAN päischen Ökumenischen China-Konferenz in Rom unter- (Tainan) aus nunmehr nur noch drei chinesische Bi- sagt (vgl. den Konferenzbericht in den INFORMATIONEN). schöfe. Kardinal ANGELO SODANO verlas vor der versam- Und aus der Provinz Hebei, wo die katholische Untergrund- melten Synode ein Schreiben von Bischof LUKAS LI, in dem kirche besonders stark ist, meldete Asianews Ende Sep- dieser Papst BENEDIKT XVI. für die Einladung dankte. tember eine erneute Kampagne der Behörden mit dem Ziel, Sowohl die Synodenväter als auch der Papst schrieben Brie- Katholiken, besonders Priester und Bischöfe, zum Eintritt fe an die verhinderten Synodenteilnehmer aus Festland- in die Patriotische Vereinigung zu bewegen. Vertreter des china. Bei der öffentlichen Abschlußmesse auf dem Pe- Untergrunds hätten erklärt, sie seien bereit, sich bei der Re- tersplatz am 23. Oktober sagte Papst BENEDIKT vor 40.000 gierung zu registrieren, nicht aber, sich der offiziellen Gläubigen: „Ich möchte mit Euch und dem gesamten Kirche anzuschließen, da dies einem Beitritt zur Patrioti- Episkopat den Bischöfen der Kirche in China einen brüder- schen Vereinigung gleichkomme. Die Einheit der Kirche lichen Gruß übermitteln. Mit lebendigem Schmerz haben könne nicht von den Behörden erzwungen, sondern müsse wir das Fehlen ihrer Vertreter gespürt. Dennoch möchte ich in Freiheit realisiert werden. allen chinesischen Bischöfen versichern, daß wir ihnen und In der nächsten Nummer von China heute bringen wir ihren Priestern und Gläubigen im Gebet nahe sind.“ Wie eine ausführliche Analyse der Ereignisse sowie den Wort- ein Kommentator resümierte, war die chinesische Kirche laut der wichtigsten Dokumente. trotz der Abwesenheit ihrer Vertreter vom Festland niemals Quellen (2005): Asianews 8.,10.,13.,17.,28.09.; 4.,19.,24.10.; UCAN zuvor auf einer Synode so präsent gewesen. 28.06.; 7.,27.07. (dort auch das oben abgebildete Foto von Bischof DANG MINGYAN bei seiner Weihe); 9.,12.,28.,30.09.; 18.,19.,24.,27.10.; Xin- Auch auf mehreren „Nebenschauplätzen“ war Bewegung hua 10.09.; Zenit 24.10. spürbar. So kamen Mutter THERESAs Schwestern von der KATHARINA WENZEL-TEUBER Nächstenliebe, von Papst BENEDIKT ermutigt, Mitte Juli 2005 zu einem Sondierungsbesuch nach China, nachdem AIDS-Prävention durch muslimische Geistliche --- die chinesische Regierung sie im April eingeladen hatte, in Mit von UNAIDS geschätzten 1,5 Millionen HIV-Infi- China ein Altenheim zu eröffnen. Allerdings hatten die zierten in China bei einer jährlichen Steigerungsrate von Schwestern nach Angaben von Asianews bis Anfang Ok- 30% bemüht sich die chinesische Regierung verstärkt um tober keine weitere Antwort von der chinesischen Regie- sinnvolle Maßnahmen und Kampagnen zur AIDS-Präven- rung erhalten. tion. Als besonders wirksam haben sich internationale Pro- Am 3. August d.J. fand sich eine von der offiziellen Bi- gramme erwiesen, die auf die Vermittlung von Informa- schofskonferenz und der Patriotischen Vereinigung ent- tionen durch Angehörige der gleichen Gruppe setzen. sandte Studiendelegation aus Spiritualen, Rektoren und Wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am 27. Vizerektoren chinesischer Priesterseminare bei einem au- August d.J. meldete, hat die chinesische Regierung daher, ßerplanmäßigen Besuch der Generalaudienz in Rom wie- um AIDS-Aufklärung möglichst wirksam und den kultu- der, wo die Gruppe von Papst BENEDIKT öffentlich begrüßt rellen und religiösen Gegebenheiten angepaßt zu vermit- wurde (siehe INFORMATIONEN und DOKUMENTATION). teln, in Zusammenarbeit mit dem Kinderhilfswerk der Ver- Nach ihrer Rückkehr nach China wurden die Delegations- einten Nationen, UNICEF, ein Programm gestartet, in des- mitglieder laut UCAN zwar von Vertretern der chinesischen sen Rahmen Geistliche verschiedener Religionen in ihren Regierung und der Patriotischen Vereinigung ob der uner- Gemeinden AIDS-Aufklärung betreiben. Gleichzeitig wur- laubten Begegnung gerügt, doch seien weitere Diszipli- den Projekte mit buddhistischen Mönchen in der südchi- narmaßnahmen ausgeblieben, und ein Vertreter des Reli- nesischen Provinz Yunnan, in der HIV/AIDS ein enormes gionsbüros habe sogar Verständnis für ihre religiösen Ge- Problem darstellt, und in der Provinz Ningxia, die vor- fühle gegenüber dem Papst geäußert. wiegend von Muslimen bewohnt ist und in der es bisher nur Vertreter des Vatikan erklärten in letzter Zeit mehrfach einige wenige AIDS-Fälle gibt, gestartet. nachdrücklich die Bereitschaft des Apostolischen Stuhls, Anfang des Jahres nahmen 130 religiöse Führer aus 43 schon „ab heute nacht“ den Dialog bzw. Beziehungen zu Moscheen in Ningxia an einer Schulung von UNICEF teil, Beijing aufzunehmen – so der vatikanische Staatssekretär um danach ihr neu erworbenes Wissen über HIV/AIDS- Kardinal ANGELO SODANO vor Journalisten am 25. Okto- Prävention in ihre religiösen Aktivitäten einzubinden. Bis ber und vor ihm Erzbischof CLAUDIO CELLI bei der Verlei- heute haben die religiösen Führer in Ningxia laut Xinhua hung des FREINADEMETZ-Preises in Rom am 20. Septem- bereits 492.000 Menschen mit ihren Predigten erreicht und ber (siehe INFORMATIONEN und DOKUMENTATION). Dabei 200.000 Kopien an Informationsmaterial verteilt. Ange- erklärte Kardinal SODANO, es gebe Kontakte zu Beijing, je- sprochen werden sollen vor allem junge Menschen, da doch noch keine Verhandlungen. Und Erzbischof CELLI be-

INFORMATIONEN 132 CHINA HEUTE XXIV (2005), NR. 4-5 (140-141) diese am häufigsten Gefahr laufen, sich mit HIV zu infizie- dhismusexperten an staatlichen Forschungseinrichtungen ren. sowie Buddhismusforscher unter den buddhistischen Laien Wie der Internetseite von UNICEF zu entnehmen ist, ( jushi – Mönche und Nonnen nennt er hier nicht) –, um besuchte ANN VENEMAN, die geschäftsführende Direktorin eine oder mehrere buddhistische Akademien adäquat auszu- des Kinderhilfswerks, auf ihrer Chinareise auch das erwähn- statten. Und obwohl die Klöster, wie jedermann wisse, te Projekt in Yinchuan, der Provinzhauptstadt von Ningxia. über ein beträchtliches Einkommen verfügten, seien bei den Bei ihrem Besuch einer örtlichen Moschee hielt der Imam meisten buddhistischen Akademien die Finanzen sehr eine Predigt über HIV/AIDS, in der er seine Gemeinde zu knapp. Hier sollten die Behörden regulierend eingreifen und mehr Toleranz gegenüber HIV-Infizierten aufrief. prozentuale Abgaben einführen, damit die Klöster ihrem Obwohl in China Kinder selten an AIDS sterben, kann grundlegenden Bildungsauftrag nachkämen. ihr Leben dennoch stark durch die Krankheit beeinflußt Schließlich bemängelt LIU, das buddhistische Bil- werden, die sich auf ihre Überlebens- und Entwicklungs- dungswesen sei bislang im wesentlichen nur für Mönche chancen auswirkt. Weltweit wurden mehr als 14 Millionen und Nonnen da. Dabei sei die „Glaubensqualität“ der bud- Kinder durch AIDS zu Waisen. Auch für China stellt dies dhistischen Laien entscheidend für eine gesunde Entwick- ein wachsendes Problem dar: In der VR China gibt es lung des Buddhismus. Aufgrund der buddhistischen Klo- derzeit nach offiziellen Angaben 80.000 AIDS-Waisen, sterregeln gebe es keinen gemeinsamen Unterricht für Kle- ihre Zahl soll Prognosen zufolge bis 2010 auf 200.000 stei- rus und Laien beiderlei Geschlechts. Allerdings seien an gen. Daher engagiert sich UNICEF als Kinderhilfswerk der buddhistischen Akademie in Wuchang (Provinz Hubei), auch in der HIV/AIDS-Aufklärung. nach Geschlechtern getrennt, gemeinsame Kurse für Mön- Quellen: „China: Epidemiological Fact Sheets on HIV/AIDS and Sexu- che bzw. Nonnen und Laien eingerichtet worden. An ei- ally Transmitted Diseases, 2004 Update“, in: www.unaids.org/html/pub/ nigen Klöstern würden auch gesonderte Kurse speziell für publications/fact-sheets01/china_en_pdf.pdf; Xinhua 25.07.; 27.08.2005; Laien angeboten. www.unicef.org/china/about_642.html. RENÉE RENTKE LIU macht folgende Vorschläge (die sich insbesondere auf die Buddhistische Akademie von Shanghai beziehen): Die Akademie solle sich zu einer regionalen Fachhochschu- Akademische Qualitätskontrolle und Lebens-Zen le (dazhuan) fortentwickeln, auf der Kleriker und Laien für Unternehmer: Aspekte des buddhistischen (nach Geschlechtern getrennt) gemeinsam studieren und Ausbildungswesens ------sich nach einem zweijährigen Vorbereitungskurs in ver- Die religiöse Unterweisung und Ausbildung bleibt ein Dau- schiedenen Richtungen (z.B. den Lehren bestimmter bud- erthema für den chinesischen Buddhismus. Nach dem dhistischer Schulrichtungen) spezialisieren. Bestehende Wiederaufbau der Bildungsstätten seit den 1980er Jahren Kurse aller Art, die die Klöster für buddhistische Laien an- geht es nun um die Auswertung des Erreichten und die wei- bieten, sollten mit dem Unterrichtssystem der Akademie tere Ausrichtung der Ausbildung. Mit dieser Frage befaßt abgestimmt und integriert werden, die so den Charakter sich ein Artikel von LIU YUANCHUN in der Shanghaier reli- einer Universität (zonghe daxue) erhalte. Klöster mit ent- gionswissenschaftlichen Zeitschrift Dangdai zongjiao yan- sprechenden Voraussetzungen könnten in Verbindung mit jiu. Der Autor – dem es mehr um das akademische Niveau der Akademie Forschungsklassen in bestimmten buddhi- der Studien als um die spirituelle und klösterliche Dimen- stischen Schulen und Traditionen anbieten. Künftige Lehrer sion der Ausbildung geht – ist Mitglied des Instituts für Phi- sollten verstärkt auch didaktisch und psychologisch ausge- losophie an der Akademie der Sozialwissenschaften von bildet werden. (N.B. Auch aus dem katholischen Bereich Tianjin. Er hat nach eigenen Angaben eine buddhistische hört man gelegentlich die Überlegung, ob – angesichts des Ausbildung erhalten und an verschiedenen buddhistischen Rückgangs von Priesteramtskandidaten in China und des Akademien ( foxueyuan) unterrichtet. zunehmenden Bedarfs an Laienausbildung, aber auch der LIU ist der Ansicht, daß es in China zu viele kleine bud- Knappheit gut qualifizierter Dozenten – theologische Se- dhistische Akademien gebe (er nennt die Zahl von über 30), minare nicht zusammengelegt und/oder für katholische Lai- was eine Bündelung der Kräfte und somit ein hohes Niveau en geöffnet werden sollten.) verhindere – im Gegensatz zum Ausland und zu Taiwan, Strenge Klosterregeln, Gebet und Meditation betont im wo es sogar buddhistische Universitäten gebe. Manche bud- Gegensatz dazu die Sichuaner Buddhistische Akademie für dhistische Akademien in China seien nicht mehr als Ver- Nonnen (Sichuan nizhong foxueyuan). Sie stellt sich in ei- sammlungspunkte, ohne ordentliche Lehrer, Lehrmaterial nem Artikel der offiziellen buddhistischen Zeitschrift Fayin und strenge Aufnahmeprüfungen für die Studierenden – vor. 1983 wurde sie als Chinas erste höhere Lehranstalt für letztere seien oft einfach Mönche des Klosters. Vielfach be- buddhistische Nonnen gegründet. Seither haben dort sieben stehe das Phänomen einer „wandernden Studentenschaft“; Jahrgänge mit insgesamt 250 Nonnen das Studium absol- manche Klassen seien nach einem halben Jahr um die Hälfte viert. Das neunjährige Studium, das Fachfrauen für Klo- geschrumpft, was den Unterricht sehr beeinträchtige. sterleitung und -verwaltung, Lehre sowie Forschung heran- Es mangle an gut ausgebildeten Lehrern; oft würden bilden soll, besteht seit 2004 aus drei Kursen: Vorberei- einfach die eigenen Absolventen für den Unterricht einge- tungskurs, Hauptkurs und Forschungskurs. Derzeit hat die setzt. Ein System der Qualitätskontrolle für den Unterricht Akademie 60 Studentinnen; ein größerer Campus ist in fehle. Dabei gebe es in China inzwischen genug an Univer- Bau. Der Artikel betont, daß viele Absolventinnen der Aka- sitäten im In- und Ausland ausgebildete Fachleute – Bud- demie in der Chinesischen und lokalen Buddhistischen Ver-

INFORMATIONEN CHINA HEUTE XXIV (2005), NR. 4-5 (140-141) 133 einigungen oder in leitenden Positionen an Klöstern tätig Bei der Wahl am 10. Juli gaben 37 der 40 Religionsver- sind. treter des Wahlkomitees (dessen Vertreter nicht demokra- Neue Zielgruppen im Bereich der Laienfortbildung hat tisch gewählt, sondern nach Interessengruppen ernannt wer- das Zen-Kloster Bailinsi im Kreis Zhaoxian (Provinz He- den) ihre Stimme DONALD TSANG. Der buddhistische Mei- bei) im Blick. Im August d.J. fanden dort unter dem Motto ster SIK HIN HUNG sagte, er habe TSANG gewählt, weil die- „Tankstelle Lebens-Zen“ erstmals Studien- und Einkehr- ser eine religiöse Überzeugung lebe; er hoffe, daß die Reli- tage speziell für Unternehmer statt. Bereits seit 1993 veran- gionen sich unter seiner Regierung frei entfalten könnten. staltet das Kloster jährlich „Sommerlager über das Lebens- Ähnlich positiv äußerte sich der Präsident der Konfuzius- Zen“, eine von Abt JINGHUI ersonnene Lebensphilosophie, Akademie, TONG YUN KAI. Hingegen hatte der katholische die auf dem Zen-Buddhismus beruht. Beim diesjährigen Priester LUKE TSUI nicht für TSANG gestimmt, und Wahl- Sommerlager, an dem 300 Personen teilnahmen, ging es komiteemitglied JACKIE HUNG von der diözesanen Kom- um das Thema „Dankbarkeit“. Neben geistlichen Vorträ- mission Justitia et Pax äußerte ihre Sorge, TSANG werde gen und der Teilnahme an den buddhistischen Ritualen und „nur für die Zentralregierung und die Mächtigen“ arbeiten. Meditation stand auch der Bericht eines Unternehmers über DONALD TSANG trat bereits 1967 in den Hongkonger seine Erfahrungen mit dem Lebens-Zen auf dem Pro- Verwaltungsdienst ein und wurde als erster Chinese Fi- gramm. 72 männliche Lagerteilnehmer legten in einer fei- nanzsekretär der britischen Kronkolonie Hongkong. TSANG erlichen Zeremonie die 10 Śrāmanera -Gelübde ab. Auch gilt als moderater und gegenüber Beijing loyaler Politiker. die amtliche Zeitung China Daily berichtete über die Pro- Daß seine Amtszeit in einer unpopulären Interpretation des gramme des Klosters und nannte noch ein interessantes De- Hongkonger Grundgesetzes durch Beijing auf zwei Jahre tail: Am diesjährigen Sommerlager würden zwei Schweden beschränkt wurde, wird dahin interpretiert, daß Beijing ihn teilnehmen, die im letzten Jahr von Abt JINGHUI die Tonsur in dieser Zeit zunächst „testen“ wolle. erhalten haben. Am 26. September nahmen der neue Regierungschef Quellen: China Daily 4.07.2005; LIU YUANCHUN, „Qian xi dangqian fo- und zwei katholische Mitglieder von Hongkongs Demo- jiao jiaoyu wenti – jian tan dui Shanghai fojiao jiaoyu de ji dian jianyi“ kratischer Partei an einer Sonntagsmesse in der südchine- (Kurze Analyse der Probleme im gegenwärtigen buddhistischen Ausbil- sischen Stadt Guangzhou (Kanton) teil. Dies geschah am dungswesen – gleichzeitig einige Vorschläge für die buddhistische Ausbil- dung in Shanghai), in: Dangdai zongjiao yanjiu 2005, Nr. 2, S. 14-17; Fa- Rande der ersten gemeinsamen Reise aller Hongkonger Le- yin 2005, Nr. 6, S. 34-39; S. 44f.; http://bailinsi.fjnet.com/NEW/01xwkb gislativratsmitglieder nach Festlandchina. Die beiden De- /2005/050726/050726.htm; http://bailinsi.fjnet.com/NEW/01xwkb/2005 mokraten – MARTIN LEE und ANDREW CHENG – hatten seit /050829/050829.htm; www.hkbuddhist.org/service/sangha.html. ihrem Einsatz für die Beijinger Demokratiebewegung 1989 KATHARINA WENZEL-TEUBER nicht mehr ins Festland einreisen dürfen. Wie die katholi-

sche Nachrichtenagentur UCAN berichtete, hatte TSANG in Gemischte Reaktionen religiöser Kreise auf neuen den Monaten davor privat andere Kirchen in Festlandchina Hongkonger Regierungschef ------besucht, u.a. in Chengdu (Provinz Sichuan) und am Grab Mit DONALD TSANG steht in der Sonderverwaltungszone des Hl. FRANZ XAVER auf der Insel Shangchuan (Provinz Hongkong und damit in der Volksrepublik China erstmals Guangdong). ein Katholik an der Spitze einer Stadtregierung. Der 60- Viele Katholiken in Festlandchina glauben, daß TSANGs jährige, der nach dem Rücktritt TUNG CHEE-HWAs am 10. Ernennung zum Regierungschef ein positives Bild der ka- März 2005 als dessen Stellvertreter die Regierungsge- tholischen Laien in China bewirken und den Status der schäfte zunächst kommissarisch übernahm, wurde am 10. Katholiken heben könne – meinte ein Priester in der nord- Juli vom Wahlkomitee zum Regierungschef Hongkongs be- chinesischen Provinz Hebei gegenüber UCAN. Er sagte, stimmt. Doch gerade aus der katholischen Kirche Hong- manche Laien in China wagten noch immer nicht, sich am kongs wurden auch kritische Stimmen gegen ihn laut. Arbeitsplatz oder gegenüber Geschäftspartnern als Katho- Bischof JOSEPH ZEN hat DONALD TSANG – von dem be- liken zu erkennen zu geben. kannt ist, daß er jeden Morgen die Hl. Messe besucht – Quellen (2005): Asianews 16.06.; Hong Kong Christian Council, „Our mehrfach öffentlich für Fehler der Regierung seines Vor- expectations of the New Chief Executive“, in: News and Views, Sommer gängers mitverantwortlich gemacht, besonders im Bereich 2005; Sunday Examiner 12.06.; UCAN 14.04.; 17.06.; 4.07.; 5.10.; Bi- shop ZEN, „Some reflections of the moment“ (2005/03/11), unter: www. der sozialen Gerechtigkeit, des Schulwesens und des Ein- .org.hk/zen/050311zen_e.html. satzes für Freiheit und Demokratie. In einer öffentlichen KATHARINA WENZEL-TEUBER „Reflexion“ zur politischen Lage vom 11. März erklärte ZEN: „Daß jemand Katholik ist, gewährleistet in keiner Erstes katholisches Forschungszentrum Weise, daß er auch ein guter Regierungschef wird.“ Der an staatlicher Hongkonger Universität ------(protestantische) Hongkonger Christenrat gab vor der Wahl ein Papier mit Erwartungen an den neuen Regierungschef Die Diözese Hongkong hat im August d.J. mit der renom- heraus. An vorderster Stelle stehen auch dort der Einsatz mierten Chinese University of Hong Kong einen Vertrag für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit. TSANG über die Einrichtung eines Zentrums zur Erforschung des selbst hatte im Vorfeld der Wahl am 2. Juni in einem Rund- Katholizismus abgeschlossen. Das Zentrum, das von der schreiben alle katholischen Pfarreien der Diözese Hong- Diözese mit US$ 910.000 bezuschußt wird, ist in die Abtei- kong um ihr Gebet gebeten – ein Schritt, der bei einem Teil lung für Kulturelle und Religiöse Studien integriert. Die der Empfänger Irritation auslöste. Gelder dienen der Anstellung von Forschungskräften,

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Graduiertenstipendien, wissenschaftlichen Aktivitäten und folgte 1872 GEORGE MACKAY aus Kanada, der im Norden Publikationen sowie Austauschprogrammen mit Gelehrten wirkte. aus Festlandchina und aus Übersee. Das Projekt ist zu- „Während dieser Zeit brachte die Kirche viele Institu- nächst auf fünf Jahre angelegt. Schwerpunkte der For- tionen hervor, wobei wir jedoch zu bedenken haben, ob uns schungstätigkeit sind die Geschichte der katholischen Kir- diese Strukturierung nicht der Flexibilität in der Missio- che, insbesondere deren Verbreitung in China, ihre kon- nierung beraubt“, hinterfragte der von den Hakka abstam- zeptuelle Entwicklung sowie ihre Beziehung zu Gesell- mende PCT-Generalsekretär WILLIAM J.K. LO selbstkri- schaft und lokaler Kultur. LAI PAN-CHIU, Leiter der Ab- tisch. Er appellierte an Pfarrer wie Gläubige, sich zu öffnen teilung für Kulturelle und Religiöse Studien, sagte, daß die gegenüber lokalen Gemeinden, den Behörden, nichtchrist- wissenschaftlichen Mitarbeiter aus Übersee, insbesondere lichen Gruppen und Kreisen anderer Religionen. Rück- aus Deutschland und Italien, rekrutiert würden. Auch sei blickend erinnerte er an die Zeit, als ausländische Missio- daran gedacht, Wissenschaftler aus Festlandchina anzu- nare nach Taiwan kamen und für die Verkündigung des stellen, obwohl sich dies schwierig gestalten dürfte, da sich Glaubens alles hingaben. „Heute müssen die Menschen von dort nur wenige wissenschaftlich mit diesem Themenbe- Taiwan selbst hinausziehen, um anderen zum Segen zu reich beschäftigten. werden.“ An konkreten Möglichkeiten sah er keinen Man- Die Chinese University of Hong Kong ist eine staatlich gel, da es weltweit so viele Katastrophen und so viel Leid finanzierte Universität mit historischen Verbindungen zur gebe. Sein Vorschlag lautete: „Zusammenarbeit mit ande- protestantischen Kirche. Sie entstand im Jahre 1963 aus der ren ökumenischen Kirchen in Notaktionen und dann auch Fusion von drei Hochschulen, u.a. dem Chung Chi Col- eine Beteiligung an vielen anderen Bewegungen und Or- lege, das 1951 von verschiedenen protestantischen Deno- ganisationen, um auf Erden die Gerechtigkeit des Reiches minationen errichtet worden war. Die Abteilung für Kul- Gottes immer mehr Besitz ergreifen zu lassen.“ turelle und Religiöse Studien beschäftigt sich schon seit vie- Im Zusammenhang mit den Jubiläumsfeiern wollte die len Jahren mit Fragen des Katholizismus, so LAI. Sie um- Kirchenleitung das städtische Chi-chin-Krankenhaus in fasse drei Komponenten – kulturelle Studien, religiöse Kaohsiung (Gaoxiong) nach MAXWELL umbenennen las- Studien und Theologie. sen. Unweit davon hatte MAXWELL Taiwans erste westliche Einige andere Universitäten in Hongkong bieten eben- Klinik überhaupt errichtet. Die Behörden waren mit diesem falls Kurse zum katholischen Glauben an, das Zentrum an Vorhaben bereits einverstanden, als sich Widerstand in der der Chinese University ist jedoch das erste mit Beteiligung lokalen Nachbarschaft meldete und Vorsteher der betrof- der Hongkonger Diözese. Es soll auch einen Beitrag zum fenen Viertel davon abrieten. Der vor Ort mit der Situation interreligiösen Dialog und zum Dialog mit der chinesischen vertraute Seelsorger der Presbyterianischen Kirche in Chi- Kultur leisten. hou, Pastor -FENG, machte darauf aufmerksam, Im April d.J. wurde innerhalb der Abteilung für Kul- daß es im Bezirk Chi-chin über 400 volksreligiöse Tempel turelle und Religiöse Studien gemeinsam mit der in Taiwan gebe, denen nur drei Kirchen gegenüberstünden: „Die an- ansässigen Foguang Shan-Stiftung für Buddhistische Kultur sässige Bevölkerung fühlt sich stark mit der Volksreligion und Bildung auch das Zentrum zum Studium des humanisti- verbunden und empfindet das Christentum als sehr fremd.“ schen Buddhismus (renjian fojiao) mit Magister- und Pro- Pastor CHEN initiierte inzwischen Wochenendprogramme motionsstudiengängen gegründet. Es forscht über Themen mit „Aktivitäten zum Gedenken an MAXWELL“ für Kinder. wie Buddhismus und chinesische Gesellschaft, Buddhismus Zudem ist die Eröffnung eines historischen Museums über und moderne Ethik und Kultur sowie den Vergleich und Nachbarschaft und Mission geplant. LIM CHON-CHENG, as- Dialog des Buddhismus mit anderen Religionen, u.a. mit soziierter PCT-Generalsekretär, sagte: „Die Kirche muß dem Christentum. Laut LAI PAN-CHIU haben beide Religio- ihre Präsenz innerhalb der Gemeinde verstärken und neue nen bestimmte Themenbereiche gemein, wie z.B. die Frage Kontakte mit der lokalen Bevölkerung suchen.“ der Ethik. Bereits im Jahre 2000 wurde an der Hong Kong Anläßlich des Jubiläums fand im Vorfeld auch eine Mis- University ein Buddhistisches Studienzentrum gegründet, sionskonsultation mit Repräsentanten der katholischen und das interdisziplinär arbeitet. Es verbindet buddhistische Stu- der episkopalen Kirche sowie der Holiness Church und Gä- dien mit psychologischer Beratung und Sozialarbeit. Ein sten aus Deutschland, Malawi, Brasilien, Japan, Neusee- Themenschwerpunkt des Zentrums ist die Anwendung bud- land, Kanada, England und den USA statt. Dabei standen dhistischer Weisheit bei sozialen Belangen. vor allem die spirituelle Ausbildung sowie die Themen Quellen (2005): Asianews 12.08.; Sunday Examiner 22.05; UCAN 29.08. Gerechtigkeit und Einheit im Vordergrund. KATHARINA FEITH C.M. KAO, der frühere PCT-Generalsekretär, erwähn- te, daß in Taiwan von 100 Menschen nur vier an CHRISTUS 140 Jahre Presbyterianische Kirche und glauben. Die Presbyterianer selbst hätten es nicht an ver- Mission in Taiwan ------schiedenen Aktionen fehlen lassen. So sei etwa an die „Ver- dopple-die-Kirche-Bewegung“ von 1965 zu erinnern, die Mit Großveranstaltungen feierte die Presbyterianische dank Zuwachs durch Konversion von 70% der Ureinwoh- Kirche in Taiwan (Presbyterian Church in Taiwan, PCT) nerschaft das „Missionswunder des 20. Jahrhunderts“ er- am 5. Juni 2005 offiziell ihr 140jähriges Bestehen (1865– wirkte. 2005). Die Feierlichkeiten standen unter dem Motto „Dank- Aber erst die Zukunft wird zeigen, ob von dem Jubilä- sagung, Mission und Einheit“. Der Schotte JAMES MAX- umsjahr die nötigen wie nachhaltigen Impulse ausgehen WELL gilt als der erste Missionar im Süden Taiwans; ihm

INFORMATIONEN CHINA HEUTE XXIV (2005), NR. 4-5 (140-141) 135 werden. Während noch 23 Missionarinnen und Missionare werden. Nach dem Volksglauben verwandeln sich die aus Übersee in den Diensten der Presbyterianer stehen, fin- Scheine beim Verbrennen in werthaftes Geld, das in der den sich nur zehn Glaubensboten aus Taiwan in aller Welt jenseitigen Welt zum Befriedigen des Kaufbedürfnisses im Einsatz. verwendet werden kann. Laut Statistik umfaßte die Presbyterianische Kirche in Laut der Stiftung für Verbraucherschutz werden beim Taiwan Ende 2004 1.220 Gemeinden mit etwa 220.000 Verbrennen des Geldes bis zu 14 verschiedene Chemikalien Gläubigen. wie Benzol frei, die sich schädlich auf die Gesundheit WILLI BOEHI auswirken. Nachweislich, so die Stiftung, rufe der ent- sprechende Rauch Schwindelgefühl, Erbrechen, Gleichge- Kontroverse Mitgliedschaft taiwanesischer wichtsstörungen und Bewußtlosigkeit hervor. Das krebs- MAZU-Tempel in chinesischem Verband ------erregende Benzol schade zudem den Augen, der Haut, dem Laut Medienberichten vom Juli 2005 betreibt der in der Blut sowie dem Atmungs- und zentralen Nervensystem. So- Volksrepublik China ansässige „Chinesische Verband für gar vor Gedächtnisschwund, fehlender Muskelkontrolle MAZU-Kulturaustausch“ (Zhonghua Mazu wenhua jiaoliu und Schlaflosigkeit wurde gewarnt. xiehui) auf Taiwan eine aktive Werbepolitik und ersucht um An die Regierung erging die Mahnung, die Herstellung entsprechende Tempel-Mitgliedschaften. Inselweit sollen des Geistergeldes zu regulieren und zu überwachen. In der bereits 60 Tempel beigetreten sein und seinem Verwal- Not offerierte die Taibeier Stadtverwaltung jedem Haushalt tungsrat angehören. eine spezielle Tasche für das anfallende Opfergeld, um es Das taiwanesische Innenministerium sah sich daher zu fachgerecht in der Verbrennungsanlage außerhalb der Stadt einem Aufruf gezwungen und erinnerte an Paragraph 33 zu entsorgen. der „Bestimmungen zur Regelung des Verhältnisses zwi- Andernorts gingen bei dieser Gelegenheit Tierschützer schen der Bevölkerung auf dem Gebiet Taiwans und dem gegen den Brauch vor, einen Wettbewerb um das gewich- Gebiet des Festlands“. Dort ist die Mitgliedschaft in fest- tigste Schwein für das Opfer im Tempel zu veranstalten. landschinesischen Partei-, Regierungs- und militärischen Prachtexemplare bringen bis zu 800 kg auf die Waage. Organisationen oder anderen Organisationen politischen Bräuche im Rahmen des Geistermonats sind tief in der Charakters, die von den taiwanesischen Behörden verboten volksreligiösen Kultur verwurzelt. sind, untersagt und wird mit Strafen von NT$ 100.000 bis WILLI BOEHI NT$ 500.000 (ca. US$ 15.500) geahndet. Der Verband war im Oktober 2004 auf der Insel Mei- Taiwan: Traditionelle Feier zhou (Provinz Fujian) ins Leben gerufen worden, wo der zum Geburtstag von KONFUZIUS ------erste Tempel der volkstümlichen Seefahrergöttin MAZU Etwa 1.000 Beamte, Jugendliche, Personen aus dem Er- (MATSU) steht, der jährlich viele taiwanesische Pilger an- ziehungsbereich sowie ausländische Gäste nahmen am 28. zieht. ZHANG KEHUI, Vize-Vorsitzende der Politischen September 2005 frühmorgens im Konfuziustempel von Tai- Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes, ist der Prä- bei an der traditionellen Feier zum 2555. Geburtstag von sident des Verbands. Die zuständigen Behörden in Taiwan KONFUZIUS teil. wurden erst auf die Organisation aufmerksam, als ihr be- Bürgermeister MA YINGJIU stand der gut einstündigen reits mehrere Tempel beigetreten waren. Zeremonie vor, Innenministerin SU JIAQUAN vertrat Prä- Einige Vertreter der betroffenen taiwanesischen Tempel sident CHEN SHUIBIAN, der sich außerhalb Taiwans befand. zeigten sich überrascht, sich als Mitglieder des Verwal- Der offizielle Zeremonienpriester und 77. Nachkomme von tungsrates aufgeführt zu sehen, da sie nie um eine solche KONFUZIUS in der direkten Linie, der 85jährige KONG Position ersucht hätten – darunter die Tempel Shengmu DECHENG, mußte aus gesundheitlichen Gründen dem Ge- miao und Lu’ermen Tianhou gong, beide in Tainan, der schehen fernbleiben. Die streng vorgeschriebene Liturgie Zhengtong lu’ermen shengmu miao in Tucheng sowie der umfaßte u.a. die Darbringung von Opfergaben und Weih- Zhenlan gong in Dajia. Der bekannte Chaotian gong in Bei- rauch. Nach der Feier verteilte Bürgermeister MA an die gang hat seine Mitgliedschaft inzwischen wieder zurück- Anwesenden Weisheitskuchen und eine Miniausgabe der gezogen. Gespräche des KONFUZIUS. WILLI BOEHI Anschließend warben Dutzende von Lehrerinnen und

Lehrer der „Allianz zur Rettung der chinesischen Erzie- Taiwan: Schadet Geistergeld der Gesundheit? ----- hung“ durch Unterschriftensammlung für ihr Anliegen: Sie Anläßlich des siebten Monats des traditionellen Mondka- wandten sich gegen die Streichung der Wochenstunde für lenders, des chinesischen „Geistermonats“ vom 5. August die Lehren von KONFUZIUS und MENZIUS an den Mittel- bis 3. September 2005, warnte die Stiftung für Verbrau- schulen (vgl. China heute 2005, S. 78). MA YINGJIU unter- cherschutz vor den gesundheitsschädigenden Einflüssen, stützte ihre Forderung und betonte, das chinesische Volk die durch das Verbrennen von Opfergeld entstehen. sei konfuzianisch. Das Erziehungsministerium wiederum Das sogenannte „Geistergeld“, auch Höllen- oder erklärte, die klassische Bildung werde nicht vernachlässigt, Himmelsgeld genannt, sind viereckige, mit verschiedenen da die Schüler die Lehren des KONFUZIUS als Wahlfach Mustern bedruckte Noten, die gewöhnlich bei symboli- nehmen könnten. schen Opferungen für Geister, Götter und Ahnen verbrannt WILLI BOEHI

INFORMATIONEN 136 CHINA HEUTE XXIV (2005), NR. 4-5 (140-141)

Chinesische Pilger beim Weltjugendtag in Köln ---- bistum Essen. Zu dieser Gruppe stieß ein Hongkonger Di- Etwa 1.000 chinesische Teilnehmer kamen nach Schät- özesanpriester, der als Missionar in Tansania arbeitet, mit zungen der katholischen Nachrichtenagentur UCAN zum sechs tansanischen Jugendlichen. Das Programm umfaßte Weltjugendtag nach Köln: rund 200 aus Festlandchina dreitägige Exerzitien sowie gemeinsame Sozialeinsätze, (sowohl von der offiziellen als auch von der Untergrundkir- Ausflüge und Gottesdienste in Essener Pfarreien, wo die che), mehr als 200 aus Hongkong, 30 aus Macau und etwa Jugendlichen in Familien wohnten. Höhepunkt war der 550 aus Taiwan. Entsendungsgottesdienst in der Veltins-Arena in Gelsen- Während des Weltjugendtags vom 15.–21. August 2005 kirchen, den die Hongkonger mit einer tänzerischen Dar- waren die chinesischsprachigen Teilnehmer großenteils in stellung der Geschichte des Christentums in China gestalte- Sankt Augustin bei Bonn untergebracht. In zwei Pfarrkir- ten. chen wurden dort auch die chinesischsprachigen Kateche- Im Rahmen des Begegnungsprogramms bedankten sich sen angeboten: Bischof LIN JINAN von Tainan (Taiwan) Vertreter von vier Hongkonger Pfarreien, die Essen in den hielt die mandarinchinesische, der Hongkonger Bischof JO- 1960er Jahren beim Kirchbau unterstützt hatte, bei den SEPH ZEN die kantonesische. Dadurch hatten die Jugendli- Essener Katholiken mit symbolischen Geschenken. Der Es- chen aus Taiwan, Festlandchina, Hongkong und Macau, sener Weihbischof FRANZ GRAVE und Bischof ZEN er- der offiziellen wie der Untergrundkirche, Gelegenheit, klärten ihre Freude über die durch den Weltjugendtag gebo- nicht nur der Jugend der Weltkirche und dem Papst, son- tene Möglichkeit, die Diözesanpartnerschaft mit Leben zu dern sich auch untereinander zu begegnen. füllen. Auf beiden Seiten besteht nun auch an der Basis die Diese Chance wurde zumindest teilweise genutzt. So Absicht, die neu entstandenen Kontakte weiterzupflegen. äußerten bei einer Diskussionsrunde in der mandarinchi- Eine zweite Gruppe Hongkonger Jugendlicher besuchte nesischen Katechesekirche, die überwiegend von Taiwa- in der gleichen Zeit das niederländische Bistum Roermond. nesen besucht war, ein Laie und eine Ordensschwester aus Taiwan: Unter den rund 550 Jugendlichen aus Taiwan war Festlandchina öffentlich ihre Freude über die freund- auch eine Gruppe von Ureinwohnern. Sie beteiligten sich schaftliche Begegnung mit Katholiken aus Taiwan und mit Gesängen und Tänzen an der musikalischen Gestaltung Hongkong. Sie ernteten damit herzlichen Beifall. Eine von der mandarinchinesischen Katechese und eines get2gether Asianews interviewte Untergrundkatholikin kam zu fol- im Missionspriesterseminar der Steyler Missionare in Sankt gendem Schluß: „Ich habe von dieser Erfahrung gelernt, Augustin. Die 21jährige Rosa LI YUNRU aus Taiwan (Di- daß wir chinesischen Katholiken mehr in Einheit leben özese Gaoxiong) war eine der 12 Jugendlichen, die Papst müssen. ... Und der Papst ist das Zentrum und Zeichen die- BENEDIKT XVI. am 19. August zum Mittagessen einlud. ser Einheit. Ich war bewegt von der Tatsache, daß wir alle Sie berichtete, der Papst habe zu ihr gesagt: „Ich bete für mit ihm zusammen waren, und das hat mir Hoffnung für die China und Taiwan.“ Sie habe ihm eine CD mit chinesischen Einheit der chinesischen Kirche gegeben.“ geistlichen Liedern geschenkt und sei beeindruckt gewesen Aus Hongkong kamen eine diözesane Gruppe mit etwa 160 von seinem schlichten und interessierten Auftreten. Jugendlichen sowie Gruppen der salesianischen Jugend und Volksrepublik China: Was die Angabe von 200 Weltjugend- der Legio Mariä. tagsteilnehmern aus der VR China anbetrifft, so können Schon im Vorfeld konnte man in der Hongkonger Di- dies nur Schätzungen sein. Denn es waren zwar kleinere özesanzeitung die intensiven Vorbereitungen auf den Welt- Gruppen und Einzelpersonen aus China nach Köln gereist, jugendtag verfolgen. Am 10. April beteiligten sich 150 alle jedoch inoffiziell als Touristen oder in anderer Eigen- Hongkonger Weltjugendtagsteilnehmer an einem dreistün- schaft – eine Weltjugendtagsdelegation der offiziellen chi- digen Benefizlauf von der Kathedrale zum Holy Spirit Study nesischen Kirche, wie 1995 in Manila, gab es nicht. Soweit Centre, der mit einer eucharistischen Anbetung endete. Die bekannt wurde, reisten Gruppen aus mehreren chinesischen einheitlich in Rot gekleideten Jugendlichen trugen ein zwei Diözesen an. Einem Bericht zufolge hatte auch das Neo- Meter langes Bambuskreuz und die Weltjugendtagsfahne katechumenat chinesische Jugendliche eingeladen. Dazu mit sich. Ende Mai trafen sich unter dem Motto „Den kamen viele Studierende der Theologie und anderer Fä- Schatz in sich entdecken“ die Mitglieder der diözesanen cher, die sich bereits in Europa aufhielten und von denen ei- Weltjugendtagsgruppe zu einem Vorbereitungslager. Dis- nige sogar als volunteers mitarbeiteten. Asianews nannte kussionsthemen wie „Jugend und die Reform der Kirche“, explizit die Zahl von 100 Teilnehmern aus der katholischen „Geschichte der Diözese Hongkong“ oder „Jugendliche Untergrundkirche und erwähnte, für diese hätten die Or- und Glücksspiel“ waren vorher in Kleingruppen vorbereitet ganisatoren ein spezielles Programm eingerichtet. worden. Eine Gruppe war sogar eigens in die Provinz Einige Erwartungen festlandschinesischer Teilnehmer Guangdong gereist, um die Situation der katholischen Kir- an den Weltjugendtag wurden aus Interviews bekannt: den che auf dem Festland kennenzulernen. In einem Aussen- eigenen Glauben zu stärken, dem Papst und der Jugend der dungsgottesdienst am 30. Juli wurden die Hongkonger Teil- Weltkirche zu begegnen und vor allem Anregungen für die nehmer dann feierlich von Weihbischof JOHN TONG ver- eigene Jugendarbeit und neue Formen des gemeinsamen abschiedet. Betens zu entdecken. Da die Festlandschinesen nicht offi- 110 Hongkonger Jugendliche mit Bischof JOSEPH ZEN ziell organisiert waren, traten sie im bunten Meer der sowie Vertreter zweier Diözesen aus der VR China besuch- Länderflaggen nicht in Erscheinung – was schließlich ten im Vorfeld des Weltjugendtages Hongkongs Partner- manche so bedauerten, daß sie sich kurz entschlossen selber

INFORMATIONEN CHINA HEUTE XXIV (2005), NR. 4-5 (140-141) 137 eine chinesische Flagge bastelten. 11 solcher chinesischer es für die meisten Teilnehmer der erste Auslandsaufenthalt Flaggen zählte ein Augenzeuge beim Abschlußgottesdienst war, wollten wir schließlich auch die Anschauung und das auf dem Marienfeld. Verständnis christlich geprägter abendländischer Kultur

ermöglichen, weshalb Kunst- und Kulturführungen in Mün- chen, Würzburg, Köln, Florenz und Rom stattfanden. Unterstützung. Erfreulich und ermutigend war die Un- terstützung, die wir für dieses Programm fanden. Das Chi- na-Zentrum in St. Augustin, die Mönchsklöster St. Ottilien, Big Sur, Camaldoli, San Gregorio al Celio, Münster- schwarzach und Fiecht, die Schwesterngemeinschaft von St. Benedict’s in Minnesota, das Priesterseminar in Augs- burg, das Recollectio-Haus in Münsterschwarzach und das Kölner Domkapitel trugen durch Gastfreundschaft und/ oder personellen Einsatz dazu bei, daß dieses Programm durchgeführt werden konnte. Das Erzbistum München, die Chinesische und Hongkonger Flagge auf dem Marienfeld. Diözese Augsburg und Missio München unterstützten die Links unten im Bild die Fahne der diözesanen Pilgergruppe Veranstaltung finanziell und brachten damit zum Ausdruck, aus Hongkong. Foto: Archiv. daß unsere Ortskirche die Durchführung dieses Kurses als

Die 8.000 asiatischen Pilger aus 21 Ländern stellten weni- wichtige weltkirchliche Aufgabe wahrnimmt und mitträgt. ger als ein Prozent der Teilnehmer des Weltjugendtags, Erträge. Das Programm erwies sich auf mehreren Ebenen doch proportional war Asien damit gut vertreten. 3.000 als fruchtbar. Die Vorlesungen und Gespräche wurden sehr asiatische Jugendliche trafen sich am 17. August in Bonn zu positiv aufgenommen und führten zu einem vertieften Ver- einem Austausch. Dieser sollte auch der Vorbereitung des ständnis vieler Bereiche der priesterlichen Ausbildung. 4. Asiatischen Jugendtags dienen, der vom 30. Juli his zum Besonders positiv wurde wahrgenommen, daß die bene- 5. August 2006 in Hongkong stattfinden wird. diktinische Einbettung das Ganze immer wieder sehr kon- Quellen (2005): Asianews 10.,11.,22.08.; Fides 7.02.; KM Forum Welt- kret werden ließ. So wurde über das Gebet nicht nur ge- kirche, Juli/August, S. 33f.; Kong Kao Po 19.06.; 7.,14.,21.,28.08.; 4., sprochen; P. JOSEPH WONG OSB hielt auch Kontemplations- 25.09.; neue KirchenZeitung (Hamburg) 16.10., S. 3; Sunday Examiner 15.05.; UCAN 19.,24.,31.08; WAZ 12.08. Über den Weltjugendtag be- übungen mit anschließendem Austausch ab. Auch die ande- richtete u.a. auch die in Shijiazhuang (VR China) erscheinende katholische ren Referenten sprachen allesamt über Dinge aus ihrem Zeitung Xinde 2005, Nr. 17 (1.09.). eigenen Erfahrungsbereich, aber auf hohem Reflexionsni- KATHARINA WENZEL-TEUBER veau. Nur fünf der teilnehmenden Priester hatten schon früher Studienaufenthalt der Rektoren und Spirituale Auslandserfahrungen gesammelt. Für alle anderen war es chinesischer Priesterseminare in Europa die erste Begegnung mit der katholischen Kirche in Europa auf Einladung der Benediktiner von St. Ottilien ------und mit einer fremden Kultur. Es gelang, diese Begegnung Vorgeschichte. Im Jahr 2003 begleitete ANTHONY LIU BAI- so zu gestalten, daß sie nicht zum Schock führte und daß NIAN, der Generalsekretär der Patriotischen Vereinigung sich allmählich der Reichtum und auch die Tiefe der west- der Chinesischen Katholischen Kirche, eine kleine Bi- lichen christlichen Tradition erschloß. Sehr deutlich nah- schofsgruppe aus Shandong bei ihrem Besuch in St. Otti- men die Priester die Herzlichkeit wahr, mit der sie allent- lien. Am Ende des Aufenthaltes schlug er vor, einen Stu- halben aufgenommen wurden. Der Besuch bei Papst BENE- dienaufenthalt für die Spirituale der chinesischen Priester- DIKT XVI., der von seiner „besonderen Zuneigung“ für seminare zu organisieren, bei dem das Kennenlernen der diese Gruppe sprach, verstärkte diesen Eindruck noch ein- benediktinischen Spiritualität einen wichtigen Platz ein- mal nachhaltig. nehmen sollte. Die Konzeption dieses Studienaufenthalts Das Programm war stark benediktinisch gestaltet, und wurde später auch auf Leitungsverantwortliche der Prie- im Rahmen der Vorlesungen wurden auch Fragen des Or- sterseminare ausgedehnt, so daß neben den Spiritualen auch denslebens thematisiert. Dabei wurde deutlich, daß die Rektoren und Vizerektoren der chinesischen Priestersemi- konkrete Situation gerade des Klerus in China der Unter- nare eingeladen wurden. stützung durch Ordensgemeinschaften bedarf: um Sonder- aufgaben in vielen Bereichen, z.B. der Erziehung, wahr- Ziele. Neben der von LIU BAINIAN gewünschten benedik- zunehmen, um für die Priester und Laien geistliche Zentren tinischen Orientierung des Programms war es das Ziel, den anzubieten und um das Zeugnis des brüderlichen Lebens in Teilnehmern eine Fortbildung im Blick auf ihre Arbeit in der Kirche Chinas einzupflanzen. den Priesterseminaren zu ermöglichen. Schwerpunkte bil- Schließlich war auch die Begegnung untereinander von deten deshalb Vorlesungen zu Spiritualität, Persönlich- großer Bedeutung. Die Priester sagten uns, daß sie in dieser keitsbildung und psychologischer Reifung, geistlicher Be- Konstellation noch nie zusammengekommen seien. Die gleitung und Berufungsentscheidung. Daneben spielten nachwachsende Führungsschicht der chinesischen Kirche auch persönliche Begegnungen mit Mönchen, Seminarlei- hatte so eine Gelegenheit zum Austausch und zur Etablie- tern, Bischöfen, Psychologen u.a. eine wichtige Rolle. Da

INFORMATIONEN 138 CHINA HEUTE XXIV (2005), NR. 4-5 (140-141) rung von Kontakten, die unseres Erachtens für die Zukunft sterausbildung und Rechtsfragen der Diözesanleitung sowie Be- dieser Kirche von großer Bedeutung sein wird. gegnung mit S.E. FRIEDRICH Kardinal WETTER und Austausch über die jeweilige Situation der Kirche (21. Juli); Besuch der Phi- Feedback. Schon bei der Schlußbesprechung wurde deut- losophisch-Theologischen Hochschule St. Augustin, Vorstellung lich, daß dieses Programm außerordentlich positiv empfun- des Missionspriesterseminars, des China-Zentrums, des Instituts den wurde. Die Priester wünschten sich, daß auch in Zu- Monumenta Serica und Diskussion über die Ausbildung chinesi- kunft solche oder ähnliche Fortbildungskurse für die Do- scher Seminaristen in Deutschland (23. Juli); Besuch von Köln zenten verschiedener theologischer Disziplinen angeboten und Hl. Messe im Dom mit anschließender Domführung (24. werden können. Juli); Aufenthalt in Münsterschwarzach und Einführung in die Ar- Besonders positiv wurde angemerkt, daß das umfang- beit des Recollectio-Hauses (25.–28. Juli); Aufenthalt im Kloster Camaldoli mit Vorträgen von Generalprior EMMANUELE BAR- reiche Begleiterteam (ein chinesischer Priester, ein chine- GELLINI OSB, P. BERNARDINO COZZARINI OSB und P. JOSEPH WONG sisch-stämmiger Ordenspriester, eine chinesisch-stämmige OSB über Fragen der klösterlichen Spiritualität sowie Tagesausflü- Schwester, ein chinesischer Laie, ein deutscher Priester mit ge nach Florenz und Arezzo (29.–31. Juli); Aufenthalt in S. Chinesisch-Kenntnissen) die Gruppe wesentlich adäquater Gregorio al Celio (Rom) mit Besuch der Heiligen Stätten (1.–3. begleiten konnte, als dies bei anderen solchen Reisen der August); Papstaudienz in der Aula Paolo VI. (3. August); Aufent- Fall war. halt in der österreichen Abtei Fiecht mit Besuch des Wallfahrtshei- Als Desiderate wurden genannt: Veranstaltung ähnli- ligtums St. Georgenberg (4.–5. August). cher Programme für andere Priesterseminar-Dozenten in JEREMIAS SCHRÖDER OSB Zukunft; mehr Raum für Austausch untereinander; Nach- folgetreffen in der VR China. FREINADEMETZ-Preis für vatikanischen Diplomaten Erzbischof CLAUDIO MARIA CELLI ---- Medienecho. In Deutschland wurde auf eine publizistische Verwertung des Besuches völlig verzichtet, um das entstan- Als „eine Anerkennung der großen Liebe, die JOHANNES dene Vertrauensverhältnis nicht durch unkluge Veröffent- PAUL II. für die Kirche Chinas hegte“, bezeichnete Erzbi- lichungen zu gefährden. Die spontane Teilnahme an der schof CLAUDIO MARIA CELLI den FREINADEMETZ-Preis, Papstaudienz in Rom führte allerdings zu erheblichem Auf- der ihm am 20. September 2005 im Generalat der Steyler sehen und einer breit gestreuten internationalen Berichter- Missionare in Rom verliehen wurde. CELLI erhielt ihn für stattung. Diese war fast durchgängig positiv, stellte den Be- seine außerordentlichen Verdienste um ein besseres Ver- such aber unzutreffenderweise in den Zusammenhang mit ständnis zwischen den Kulturen und Völkern Chinas und Spekulationen über die sino-vatikanischen Beziehungen, Europas aus der Hand des Steyler Generalsuperiors P. ANTONIO PERNIA SVD. den es so nicht gab. Dahingestellt sei allerdings, ob die außerordentlich herzliche Reaktion des Heiligen Vaters doch in diesem Kontext interpretiert werden kann. [Zum Besuch der Spirituale siehe auch den obenstehenden Bericht über die sino-vatikanischen Beziehungen sowie die Bild- dokumentation und das Interview mit PEI JUNMIN, dem Stu- dienleiter des Priesterseminars von Shenyang, in der DO- KUMENTATION dieser Nummer. Red.]

Das Programm des Studienaufenthalts (9. Juli – 5. August 2005) umfaßte folgende Punkte: Vorstellung, Programmpräsentation und Rundgang durch das Kloster St. Ottilien (10. Juli); Vorträge von P. Dr. GREGORY COL- LINS OSB (S. Anselmo, Rom) über Spiritualität und Psychologie, Spiritualität im Alltag, benediktinische Werte, benediktischer All- tag, Gotteserfahrung, Berufungsfragen, Heilige Schrift und Litur- gie (11.–15. Juli); Führung durch das Priesterseminar Augsburg Generalsuperior P. PERNIA, P. ANTON WEBER SVD und Sr. und Diskussion mit Regens Dr. CHRISTIAN HARTL über Fragen HILDEGARD MARIA HAU SSpS (von rechts) überreichen Erzbischof der Seminarleitung und Seminaristenbetreuung sowie Vesper und CELLI (Mitte) eine chinesische Verkündigungsdarstellung. Abendessen mit den Seminaristen (14. Juli); Vortrag von WANG Foto: ZBIGNIEW TOCZEK SVD. AIMING (Vizepräsident des protestantischen Nanjing Union Theo- logical Seminary) über „Perspektiven für die Ökumene in China“ Wie PERNIA in seiner Laudatio ausführte, war der 1941 in (15. Juli); Ausflug nach München mit Besuch der Katholischen Rimini geborene CELLI Direktor des China Desk des vati- Chinesischsprachigen Gemeinde München und der Pfarrei Aller- kanischen Staatssekretariats in den 1980er und 1990er Jah- heiligen (16. Juli); Vorträge von P. Dr. JOSEPH WONG OSB (Klo- ren. In dieser Eigenschaft war er bis 1996 für die direkte ster Big Sur, USA) über die Spiritualität der Wüstenväter, klöster- und indirekte Kommunikation mit dem kommunistischen liche Gebets- und Meditationsformen, östliche Mystik, Lectio China zuständig. Trotz mancher Rückschläge, so PERNIA, Divina mit praktischen Übungen sowie Bildvorträge von Sr. BAU- fielen in diese Zeit wichtige Aussagen von JOHANNES PAUL LU KUAN (Kloster St. Benedict, USA) über christliche Kunst und Architektur mit Schwerpunkt auf Rom (18.– 22. Juli); Bericht von II. über China sowie Ereignisse, die für die künftige Nor- Erzabt JEREMIAS SCHRÖDER OSB (St. Ottilien) über Grundlagen malisierung der Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und und Alltag des Klosterlebens (20. Juli); Vortrag und Diskussion Beijing grundlegend sein dürften. Dazu habe CELLI einen mit Bischof em. Dr. VIKTOR JOSEF DAMMERTZ OSB über Prie- bedeutsamen Beitrag geleistet. 1995 wurde CELLI zum

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Sekretär der Verwaltung der Güter des Apostolischen NADEMETZ (1852–1908) benannt, der im Jahr 2003 von Stuhls ernannt. China sei aber, so PERNIA, weiter eine Papst JOHANNES PAUL II. heiliggesprochen wurde. seiner „Sonderaufgaben“ geblieben. Berichte über die Preisverleihung erschienen u.a. in: Catholic News Ser- Den FREINADEMETZ-Preis erhalte CELLI vor allem da- vice 21.09.2005; UCAN 21.09.2005; Zenit 15.09.2005. Der Festvortrag für, daß die China-Diplomatie für ihn eine Sache des Her- von ANTHONY LAM erscheint in der nächsten Nummer von China heute. KATHARINA WENZEL-TEUBER zens sei. Er habe stets herzliche Beziehungen und Gast- freundschaft gegenüber katholischen wie nichtkatholischen

Chinesen gepflegt. Nur echte Freundschaft könne zu Ver- trauen und schließlich zu diplomatischen Beziehungen füh- ren. PERNIA beendete die Laudatio mit dem Wunsch, daß Konferenzen die erfolgreichen Verhandlungen des Vatikan mit Israel sowie mit Vietnam und Kambodscha, an denen Erzbischof

CELLI maßgeblich beteiligt war, als „Modell“ für die Ge- Fünfte Europäische Ökumenische spräche mit China dienen könnten. China-Konferenz „Diversity in Unity“ ------In einer sehr persönlichen Dankesrede (siehe die DOKU- MENTATION in dieser Nummer) erinnerte sich Erzbischof Organisiert vom deutschen Ökumenischen China-Arbeits- CELLI an die Anfänge seiner Beschäftigung mit China und kreis, fand die Fünfte Europäische Ökumenische China- an das Glaubenszeugnis der chinesischen Kirche besonders Konferenz mit dem Thema „Vielfalt in Einheit“ vom in den schwierigen Jahren 1982–1985. „Morgen, wenn die 16.–20. September 2005 in der Benediktinerabtei und Hoch- Archive geöffnet werden, werdet Ihr die Bedeutung der Ge- schule von Sant’Anselmo in Rom statt. Die etwa 160 Teil- schichte der Kirche Chinas erkennen“, sagte er und hob nehmer der Konferenz kamen aus 19 europäischen Ländern hervor: „Ich rede hier nicht von zwei Kirchen. Ich rede von sowie aus der VR China, Hongkong, Macau, Taiwan, den der einen Kirche Chinas unter verschiedenen Aspekten.“ USA, Indien und Malaysia. Neben Katholiken und Prote- Dies sei auch die Haltung Papst JOHANNES PAUL II. ge- stanten waren auch Angehörige der Orthodoxie anwesend, wesen. Unter dessen Leitung für China arbeiten zu dürfen die in kirchlichen Organisationen tätig sind, welche mit den sei ein ganz besonderes Privileg gewesen. christlichen Kirchen in China oft langjährige Verbindungen Mit Blick auf die Zukunft versicherte CELLI: „Der Hl. haben, oder in Forschungsinstituten oder anderen Einrich- Stuhl ist bereit und darauf ausgerichtet, ab morgen, ab heu- tungen arbeiten, die sich mit den Religionen, den christli- te nacht einen konstruktiven Dialog mit unsern Partnern in chen Kirchen und den gesellschaftlichen Veränderungen in China zu führen, um zu einer Normalisierung der Bezie- China befassen. Daß Rom als Tagungsort für eine ökumeni- hungen zu kommen.“ Dieser Satz fand das besondere Inter- sche europäische Chinatagung gewählt wurde, ging auch esse der anwesenden Journalisten, die sich von CELLI Auf- auf den Wunsch von protestantischer Seite zurück, erwies schluß über den aktuellen Stand der sino-vatikanischen sich aber im nachhinein als nicht ganz unproblematisch. In Beziehungen erhofften. Unter den über 100 Teilnehmern den Augen chinesischer Behörden ist Rom offensichtlich der Preisverleihung waren auch die Kardinäle ROGER ET- nicht nur die Hauptstadt Italiens, eine Stadt voller Ge- CHEGARAY und ACHILLE SILVESTRINI, Msgr. PIETRO PA- schichte, Kultur und Kunst, sondern vor allem auch Sitz des ROLIN und Msgr. GIANFRANCO ROTA GRAZIOSI von der Vatikan und des Papstes. Dies zeigte sich bei den Schwie- Sektion für die Beziehungen mit den Staaten des vatikani- rigkeiten, Reiseerlaubnis für die eingeladenen chinesischen schen Staatssekretariats sowie viele Teilnehmer der Euro- Bischöfe und Theologen aus der VR China zu erhalten, päischen Ökumenischen China-Konferenz (siehe unten). sowie in der Absage von NIU MAOSHENG, dem Vorsitzen- Das Programm der Preisverleihung umfaßte des weite- den des Komitees für Ethnische und Religiöse Angelegen- ren einen Festvortrag zum Thema „The Importance of the heiten innerhalb der Politischen Konsultativkonferenz des Chinese Catholic Hierarchy for Evangelization in China Chinesischen Volkes, der sich zunächst an einer Teilnahme Today“ von ANTHONY LAM (Holy Spirit Study Centre, interessiert gezeigt hatte. Die eingeladenen katholischen Bi- Hongkong). Ein schriftliches Grußwort des Shanghaier Bi- schöfe JIN PEIXIAN von Shenyang und FENG XINMAO von schofs ALOYSIUS JIN LUXIAN SJ wurde verlesen. Weitere Hengshui erhielten keine Ausreisegenehmigung, und die Grußworte überbrachten P. ANGELO LAZZAROTTO PIME protestantischen Pfarrer KAN BAOPING und BAO JIAYUAN sowie Abtprimas NOTKER WOLF OSB, der ein Stück von vom Chinesischen Christenrat aus Shanghai sagten ihre DEBUSSY auf der Querflöte vortrug. Teilnahme mit Verweis auf Visa-Schwierigkeiten ab. Der FREINADEMETZ-Preis wird von den Steyler Missio- Die Konferenz wurde am 16. September eröffnet mit naren und Missionsschwestern, dem Institut Monumenta Grußworten von CRESCENZIO Kardinal SEPE, dem Präfek- Serica und dem China-Zentrum verliehen. Er geht an Per- ten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, sonen, die sich uneigennützig für die Anliegen der Men- von Dr. MATHEWS G. CHUNAKARA, dem Asiensekretär schen und der Kirche in China einsetzen. Frühere Träger beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf, von Bischof des Preises sind MANFRED PLATE, ehemaliger Chefredak- BRIAN FARRELL L.C., dem Sekretär des Päpstlichen Rats teur und Herausgeber der Wochenzeitschrift Christ in der für die Einheit der Christen, sowie von Rev. MATTHIAS Gegenwart (Freiburg i.Br.), Professor Dr. JOSEF QIAO WEI FRICKE-ZIESENIß, Repräsentant der EKD und der Lutheri- (Trier) sowie der Jesuit P. ROBERT MIRIBUNG (Wien). Der schen Kirche in Italien und Pastor der Evangelisch-Lutheri- Preis ist nach dem Steyler China-Missionar JOSEF FREI- schen Gemeinde in Rom. In einem längeren Beitrag be-

INFORMATIONEN 140 CHINA HEUTE XXIV (2005), NR. 4-5 (140-141)

handelte Kardinal ROGER ETCHAGARAY, ehemaliger Prä- Raum eng machen, die protestantischen Christen auf die sident des Päpstlichen Rats für „Gerechtigkeit und Frie- Ziele der Wiedervereinigung Chinas mit Taiwan und zu an- den“, das Thema der Konferenz „Vielfalt in Einheit“. deren regierungsfreundlichen Positionen verpflichten. In ETCHEGARAY charakterisierte die Begegnung zwischen der Diskussion kamen dann auch entsprechend harte Rück- dem Christentum und China als eine „Geschichte der ver- fragen. paßten Gelegenheiten“ (histoire d’occasions manquées). Bei den Berichten über „Praktische Erfahrungen von China befinde sich gegenwärtig in einem großen Wand- ökumenischer Zusammenarbeit“ mußte der eigentlich vor- lungsprozeß, der zu Veränderungen in der Gesellschaft, gesehene Beitrag des Vertreters des Chinesischen Christen- den Religionen und Kirchen führe. ETCHEGARAY nannte rats aus den oben genannten Gründen leider ausfallen. NI- die gegenwärtigen gewaltigen Veränderungen in der chi- KITAS LULIAS, der Metropolit der Orthodoxen Kirche von nesischen Gesellschaft in Abgrenzung zur Proletarischen Hongkong und Südostasien, berichtete zusammen mit AN- Kulturrevolution von 1966–1976 die „wahre Kulturrevo- THONY LAM SUI KI vom Holy Spirit Study Centre über Er- lution“. Mitten in diesem tiefgreifenden gesellschaftlichen, fahrungen ökumenischer Zusammenarbeit in Hongkong, wirtschaftlichen und ideologischen Veränderungsprozeß während Dr. EDMUND CHIA, langjähriger Sekretär der Ab- Chinas befänden sich die christlichen Kirchen und Gemein- teilung „Ökumene und Interreligiöser Dialog“ in der Fed- schaften von Katholiken, Protestanten, Orthodoxen und an- eration of Asian Bishops’ Conferences, über die ökumeni- deren christlichen Gruppen, die entweder als „offene kirch- schen Initiativen innerhalb der FABC berichtete. Prof. Dr. liche Organisationen“ staatliche Anerkennung genössen MARK FANG SJ von der Katholischen Furen-Universität in oder aber als „Untergrundgruppen“ in der Illegalität ar- Taibei informierte über den Stand der ökumenischen Bibel- beiteten. Die christlichen Gruppen seien durch ihre inter- übersetzung und Dr. WINFRIED GLÜER über die Tätigkeit nen Spaltungen nur eingeschränkt in der Lage, ein glaub- des deutschen Ökumenischen China-Arbeitskreises. würdiges Zeugnis für die Werte des Evangeliums gegen- Der ökumenische Gottesdienst am Sonntag, dem 18. über dem ideologischen und wirtschaftlichen Materialismus September, in der Basilika St. Paul vor den Mauern, der abzulegen, der gegenwärtig die chinesische Gesellschaft von Abtprimas NOTKER WOLF OSB und der Bischöfin der bestimme. Nordelbischen Kirche MARIA JEPSEN unter Assistenz des Prof. Dr. ARIF DIRLIK von der Universität Oregon, orthodoxen Metropoliten NIKITAS LULIAS gestaltet wurde, USA, hielt den Einstiegsvortrag in die Konferenz zum The- nahm einen zentralen Platz im Programm der Konferenz ma „Zeit und Raum, gesellschaftlicher Raum und die Frage ein. In ihrer Predigt ging Bischöfin MARIA JEPSEN auf das der chinesischen Kultur(en)“. Lange Zeit wurde „chinesi- Thema der Konferenz ein. sche Kultur“ als eine mehr oder wenige feste Gegebenheit Mit dem Vortrag des bekannten indischen Theologen verstanden, die für das gesamte Gebiet des chinesischen Prof. Dr. FELIX WILFRED, Leiter der Abteilung „Studien Festlandes Geltung haben sollte. Prof. DIRLIK ging es des Christentums“ an der Universität Madras in Chennai, darum aufzuzeigen, daß es diese Einheitlichkeit nicht gibt zum Thema „Indien und China – zur Entwicklung einer und nie gegeben hat. Sowohl in China selbst als auch in den Theologie der Abhängigkeit“ wurde erstmals versucht, verschiedenen chinesischen kulturellen Formen in der welt- mögliche Parallelen, Übereinstimmungen und Unterschie- weiten chinesischen Diaspora hätten sich vielfältige andere de zwischen Indien und China für neue Formen der Theolo- Formen herausgebildet, die alle chinesische Elemente in gie aufzuzeigen. Die von FELIX WILFRED entwickelten theo- sich trügen, aber sehr verschieden voneinander seien. Es logischen Vorstellungen gehen von den in beiden großen gelte, diese neuen und vielfältigen Formen einer chinesi- Ländern vorhandenen Gruppen von Menschen aus, die in schen Kultur als „Ökumene“ anzuerkennen, die davon be- vielfältiger Abhängigkeit leben und in ihrem Selbstwert- stimmt sei, daß sie Raum für Verschiedenheiten lasse, die gefühl sowie in ihrer Identität bedroht sind. Sowohl China miteinander kommunizieren und für den einzelnen die wie auch Indien erleben gegenwärtig eine Periode großen gleichzeitige Zugehörigkeit zu mehreren von ihnen zulie- wirtschaftlichen Wachstums. Der neu entstandene Reich- ßen. tum wird aber höchst ungleich verteilt, da eine immer grö- Rev. Dr. CHEN YILU, Leiter des Theologischen Semi- ßere Anzahl von Menschen in den unteren und untersten nars in Guangzhou und Exekutivsekretär des Chinesischen Schichten der Gesellschaft in große Armut geriet. Für Christenrats, sprach zum Thema „Vielfalt in den Chinesi- christliche Theologen stelle sich hier die Aufgabe, aus der schen Kirchen“. In seinem Beitrag ging CHEN YILU weni- Perspektive dieser unterdrückten Menschen neue Formen ger auf die Vielfalt ein, sondern betonte vor allem den einer christlichen Theologie zu entwickeln, die in der Ge- Aspekt der „Einheit“ innerhalb der christlichen Gruppie- stalt des sich selbst erniedrigenden JESUS von Nazareth die- rungen, die er als konform mit der offiziellen Religions- sen Menschen einen Weg aufzeigt, durch Erniedrigung und politik der Regierung darstellte. Die im Chinesischen Chri- Leid hindurch Wege zu finden, ihre Freiheit und Men- stenrat (CCC) zusammengefaßten protestantischen Christen schenwürde zurückzugewinnen. Aufgabe einer zukünftigen nehmen für sich in Anspruch, die konfessionellen Trennun- anderen und neuen Form von Theologie sollte es sein, mit gen überwunden zu haben, auch wenn sie es noch nicht ge- den Armen und Entrechteten und für sie um menschenwür- schafft haben, eine „vereinte Kirche“ zu werden. Das Bild dige Lebensverhältnisse zu kämpfen. Die von FELIX WIL- der protestantischen Gemeinschaft, das CHEN zeichnete, FRED vorgetragenen Gedanken einer „Theologie der Ab- verdankt sich allerdings einer weitgehenden Anpassung an hängigkeit“ (subaltern theology) waren für die meisten die staatlich vorgegebenen Richtlinien, die den religiösen Teilnehmer neu, erschütterten ältere Vorstellungen einer

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Theologie der Inkulturation, eröffneten aber auch ganz zeigte WONG das starke Verlangen innerhalb der chinesi- neue Perspektiven für eine Weiterentwicklung und Neu- schen Bevölkerung nach Einheit auf, das gerade wegen orientierung der theologischen Arbeit in beiden Ländern. bzw. trotz der großen Vielfalt im Alltag bestehe. Das Her- Die theologischen Implikationen der Thematik „Vielfalt ausstellen der „Einheit“ sei denn auch ein eher politisch in Einheit“ wurden zunächst aus protestantischer Sicht von motiviertes Anliegen, die Integrität und den Zusammenhalt Rev. WANG AIMING, dem Vizepräsidenten des Nanjing trotz Verschiedenheit sicherzustellen. Das starke Anwach- Union Theological Seminary, behandelt, der eingangs kurz sen von Christen verschiedener Schattierung in der VR Chi- die gegenwärtige Situation der protestantischen Christen in- na habe das Problem der Einheit angesichts einer oft be- nerhalb des CCC schilderte und auf die vielfältige Zusam- unruhigenden Vielfalt wieder deutlich gemacht. menarbeit von Pastoren vom CCC mit den „nichtregistrier- Den letzten Tag der Konferenz nahmen zunächst die Be- ten Gemeinden“ verwies. Kurz ging er auf das Phänomen richte aus den acht Arbeitsgruppen ein, die zu den Themati- von chinesischen Intellektuellen ein, die sich im Bereich der ken theologischer Pluralismus, ökumenische und interreli- Universitäten für christliches Gedankengut interessieren giöse Zusammenarbeit, Probleme chinesischer Studenten und dieses durch Übersetzungen auch weiteren Kreisen nach der Rückkehr nach China, europäische Reaktionen auf zugänglich machen. Beim Thema „Verschiedenheit“ in den China-Erfahrungen, chinesische christliche Gemeinschaf- christlichen Gruppierungen plädierte er für weitgehende ten in Europa, Zusammenarbeit auf dem Gebiet theologi- Toleranz und gegenseitiges Verständnis. Man sollte sich scher Ausbildung und Forschung sowie Zusammenarbeit auf die Gemeinsamkeiten der Bibel, der ersten Konzilien, auf dem Feld gesellschaftlicher Entwicklungen gearbeitet der Prinzipien der , des gemeinsamen chine- hatten. Der Rückblick auf die Konferenz von EDMOND sischen kulturellen Erbes und der Verantwortung gegen- TANG, Universität Birmingham, machte noch einmal die über der Gesellschaft stützen. WANG wies danach einige Vielfalt der angesprochenen Fragen deutlich, zeigte auf, Wege zur Einheit unter den Christen auf, wobei er das The- wie die verschiedenen Referenten aus China, aus Hong- ma der „Versöhnung“ in die Mitte stellte. Nur knapp ging kong, der Türkei/den USA und Indien, d.h. alles Nicht- er auf die Schwierigkeiten ein, wie sie sich z.B. durch die europäer, die Problematik der Konferenz beleuchtet hatten Verpflichtung, in der theologischen Forschung und Lehre und inwieweit sich daraus neue Perspektiven für das christ- das Programm der „Theologischen Rekonstruktion“ von liche Leben in der VR China sowie in der Zusammenarbeit Bischof K.H. DING als maßgebend zu beachten, abzeich- europäischer kirchlicher Gruppen ergeben. nen, wodurch eine theologische Richtung für die Gesamt- Einig waren sich die Teilnehmer, daß die Reihe Europä- heit der protestantischen Theologie verbindlich gemacht ischer Ökumenischer China-Konferenzen fortgeführt wer- wird und Theologen anderer theologischer Vorstellungen den sollte. Als mögliche Tagungsorte wurden die Schweiz ausgeschlossen werden. (Genf ), Schottland (Edinburgh) und Norwegen genannt. Die katholischen Vorstellungen zur gleichen Thematik Eine Entscheidung, wer die nächste Konferenz ausrichten wurden von Fr. Dr. YANG XIAOTING, Vizerektor des Re- wird, soll innerhalb von sechs Monaten getroffen werden. gionalen Priesterseminars in Xi’an, entwickelt, der zu- Am Tag nach der Beendigung der Konferenz besuchten nächst eine Reihe von verschiedenen katholischen Model- rund 30 Konferenzteilnehmer die Generalaudienz auf dem len von Kirchesein in der VR China vorstellte. Bei der Petersplatz, wo Papst BENEDIKT XVI. die Gruppe nament- Behandlung der Frage der Verschiedenheit, die sich daraus lich und einige ihrer Mitglieder auch persönlich begrüßte. ergab, lag er nahe den Vorstellungen von WANG AIMING. GEORG EVERS Allerdings benannte YANG deutlicher die Gruppen und Kräfte, die einer Verständigung und Versöhnung der Ge- Internationale Konferenz zum interreligiösen gensätze im Wege stehen. Dialog an der Shandong-Universität ------Einen eigenen Akzent lieferte der Beitrag von Prof. Dr. „Kein Weltfriede ohne Religionsfriede. Kein Religions- ANGELA WONG WAI CHING, Professorin an der Chinese friede ohne Dialog zwischen den Religionen!“ – Mit diesen University of Hong Kong, die sich das Thema „Eine Chine- programmatischen Sätzen, die bemerkenswerterweise aus sisch-inspirierte biblische Perspektive zur Vielfalt in Ein- der Feder des Tübinger Theologen HANS KÜNG stammen heit: Genesis 11,1-9 neu betrachtet“ ausgesucht hatte, um und den im interreligösen Dialog Engagierten vor allem in das Verständnis von Verschiedenheit in Einheit in der chi- Europa, aber auch darüber hinaus bestens vertraut sein nesischen Tradition zu reflektieren. Ihre Eingangsfrage lau- dürften, begrüßte Prof. WU YUNGUI von der Universität tete: Steht der Turmbau zu Babel, der die Verschiedenheit Beijing in seiner Eröffnungsansprache die Teilnehmerinnen der Sprachen begründet, als Symbol für göttliche Strafe und und Teilnehmer bei der Internationalen Konferenz zum ist damit Verschiedenheit von vornherein negativ? In China interreligiösen Dialog an der Shandong-Universität in Ji- jedenfalls finden wir eine Vielfalt von Ethnien, Sprachen nan. Der Religionswissenschaftler WU verwies im Zu- und Religionen, die belegen, daß von einer Einheitlichkeit sammenhang mit der von ihm zitierten KÜNG-Sentenz auf der einen „chinesischen Kultur“ nicht die Rede sein kann. das Parlament der Weltreligionen von 1993 in Chicago und Das Gleiche gilt für das Bild der chinesischen Christenheit, betonte insbesondere die Bedeutung der gegenwärtigen das ebenfalls eine erstaunliche Vielfalt und Verschiedenheit Öffnung Chinas für dessen eigenen Lernprozeß hinsichtlich aufweist. Die Geschichte vom „Turmbau zu Babel“ muß des Dialoges der Religionen. Dabei, so WU, könne es sich daher für China als eine Erzählung verstanden werden, die nur um einen freien und offenen Dialogprozeß handeln, bei Vielfalt anerkennt und legitimiert. Anhand von Beispielen dem es gelte, gemeinsame Grundlagen zu suchen und blei-

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bende Unterschiede zu akzeptieren. Neben Prof. WU hieß Referenten mit einem philosophischen Ansatz brachten auch der Vizepräsident der Shandong-Universität, Prof. unter anderem ihre Überlegungen zu Pluralität und Harmo- WANG QILONG, die rund sechzig Wissenschaftlerinnen und nie oder zur allgemeinen Frage der Grundlegung bzw. zur Wissenschaftler aus aller Welt willkommen und unterstrich Methodologie eines interreligiösen Dialoges ein. die Bedeutung des Symposiums für seine Universität. Religionswissenschaftliche oder theologisch-ethische Die Einladung für das Symposium, das sich inhaltlich Referate, die sich dem Themenfeld Dialog bzw. Konflikt auf Judentum, Christentum und Konfuzianismus konzen- der Religionen zuordnen lassen, befaßten sich allgemein trierte, kam von Prof. FU YOUDE, der seit April 2003 Di- mit Grundlegungen, Beobachtungen und Analysen zu Ge- rektor des Center for Judaic and Inter-Religious Studies an meinsamkeiten (etwa der Tugend des Mitleids) oder Un- der Shandong-Universität ist. Das auf dem alten Universi- terschieden zwischen Judentum und Christentum bzw. zwi- tätscampus beheimatete und einen Steinwurf von der Hong- schen Konfuzianismus und Christentum. Speziellere Pro- jialou-Kathedrale entfernte Zentrum ging hervor aus dem blemstellungen wandten sich den religiösen Erfahrungen früheren Institut für Jüdische Kultur, das seinerseits 1994 des Apostels PAULUS, dem dramatischen Schicksal der eingerichtet worden war. So erklärt es sich auch von selbst, Juden in Europa während der Zeit der Kreuzzüge vor dem daß der Erforschung und Lehre jüdischer Philosophie, Hintergrund jüdisch-christlicher Beziehungen oder der li- Theologie und Religionsgeschichte nach wie vor ein beson- teraturwissenschaftlichen Analyse von AMOS OZ’ Unto deres Augenmerk gilt. Dazu tragen auch die Verdienste von Death (Dem Tod entgegen) zu. Prof. FU in Forschung und Lehre sowie insbesondere seine Einen weiteren Schwerpunkt bildete schließlich der unermüdliche Übersetzungstätigkeit bei. Es kann daher Konfuzianismus: So waren KONFUZIUS’ Konzept der nicht verwundern, daß das Zentrum für Jüdische und Inter- Freundschaft und seine Relevanz für den Dialog ein The- religiöse Studien nicht nur in China selbst, sondern bereits ma, ein anderes die Frage nach Motiven für eine neue kon- auch auf internationaler Ebene Anerkennung und Wert- fuzianische ökologische Vision; ein weiterer Beitrag fragte schätzung genießt. Seit dem Jahr 2000 organisiert das Zen- unter Einbeziehung von KANTs Religionsphilosophie nach trum in regelmäßigen Abständen internationale Symposien, dem richtigen Weg, ein Edler ( junzi) zu sein. die sich mit Fragen der Philosophie und Religion befassen Welche Eindrücke bleiben nun von einer solch facetten- und immer wieder einen Schwerpunkt auf der jüdischen reichen Konferenz? Bemerkenswert ist die Offenheit und Perspektive haben. Erstmals fand 2005 eine mehrwöchige Freiheit, mit der unterschiedlichste Themen der Religionen internationale Summer School statt, die nun zu einer festen, im China von heute dargestellt, erörtert und auch diskutiert alljährlichen Einrichtung an der Shandong-Universität werden (können). Wie aus dem Versuch der systematischen werden soll. Zusammenfassung deutlich geworden sein durfte, fehlte es Die Zusammensetzung der Konferenz fiel unübersehbar aber offenkundig an einer klaren Richtung des Forschungs- zugunsten der Teilnehmenden aus China aus. Neben den interesses und infolgedessen auch an der Möglichkeit, den Lehrenden des Zentrums für Jüdische und Interreligiöse Ablauf thematisch gut zu strukturieren. Denn letztlich wur- Studien und weiteren Wissenschaftlern der Shandong-Uni- de in Jinan zusammengetragen, was nur irgendwie mit dem versität fanden sich unter anderem Gelehrte aus Beijing und Thema Religion und der Frage nach dem Dialog zu tun hat- Shanghai unter den Konferenzteilnehmern. Auch in den te. Der historische, philosophische, literarische, theologi- USA lehrende, aus China stammende Professoren waren sche und religionsgeschichtliche Themenmix spiegelte im anwesend. Der nicht-chinesische Teil der Wissenschaftle- Grunde genommen die offene Formulierung des call for rinnen und Wissenschaftler kam aus Australien, Israel, papers respektive der Einladung zum Symposium wider. Deutschland, Kanada und den USA. Keine Frage: Der informative Ertrag war vielseitig, der Da aus der Abfolge der dicht gedrängten Vorträge – Verlauf abwechslungsreich, doch konnte der oder die ein- innerhalb von zwei Tagen mehr als dreißig an der Zahl – zelne nur sehr begrenzt Gewinn für die eigenen For- zumindest keine strenge Systematik erkennbar war, lassen schungsinteressen ziehen – zu sehr ging es kreuz und quer sich die referierten und diskutierten Themen retrospektiv durch Geschichte, Philosophie und die Welt der Religio- wie folgt ordnen: nen. Überdies ließ das eng gestrickte Vortragsprogramm Religionsgeschichtliche Beiträge, die sich im wesentli- nur wenig Zeit für eine Vertiefung und Diskussion. Zu chen auf das Judentum konzentrierten, hatten die Immi- mehr als zwei, drei Rückfragen im Anschluß an die ein- gration von Juden nach China, deren Integration und Rolle zelnen Beiträge kam es zumeist nicht. etwa in der Stadtgeschichte von Shanghai oder auch deren Eine weitere Beobachtung, die über das Ereignis der Beziehungen zum Judentum in anderen Ländern (hier Au- Konferenz hinausreicht, soll hier nicht unterschlagen wer- stralien) zum Gegenstand. Einen anderen Akzent setzte die den: Es erstaunt einen, zumindest wenn man aus dem säku- Frage nach Profil und Situierung des Judentums zwischen larisierten Europa kommt, daß der sich in China vollziehen- Tradition und Modernität im heutigen China sowie nach der de Modernisierungsprozeß und die damit verbundene so- jüdischen Reformperspektive. Auch die Geschichte der chi- zioökonomische Entwicklung offensichtlich keinen Ab- nesischen Übersetzung der Hebräischen Bibel läßt sich schied von der Religion mit sich bringt. Im Gegenteil: diesem Themenkreis zuordnen. Ferner ging es um die Mehr und mehr offenbart sich ein zunehmendes Interesse Frage nach dem Verhältnis von Judentum und Zionismus, an Formen der Religiosität bzw. Spiritualität sowie an der um die Entwicklung jüdischer Gemeinden und um Ver- Welt der Religionen. Dies gilt für die Gesellschaft Chinas gangenheit und Gegenwart Israels. insgesamt und in besonderer Weise für den universitären

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Kontext. Daß sich hierbei auch die vor allem wissen- Ländern, darunter auch China, ein. Zwei Reisen führten schaftlich orientierte Frage nach dem Dialog mit entwik- den Kardinal in die Volksrepublik China: 1984 und 1987 (s. kelt, läßt sich nicht allein oder in erster Linie durch inter- China heute 1985/1, S. 3; 1988, S. 2 sowie in diesem Zu- kulturelle Wirkungen der Globalisierung erklären, sondern sammenhang das Schreiben von Kardinal SIN an die Kon- vielmehr durch Chinas eigenen Reichtum und vorhandene gregation für die Evangelisierung der Völker, „Dringende Vielfalt an religiösen Traditionen in Geschichte und Gegen- Bitte an den Vatikan, in Fragen betreffs der chinesischen wart. Kirche Feinfühligkeit zu zeigen“, in China heute 1989, S. JOHANNES FRÜHBAUER 117-124). Er war der erste Kardinal, der nach der Kulturre- volution China besuchte. Bei seinem zweiten Besuch traf er mit dem damaligen Ministerpräsidenten und Generalse- kretär der KP Chinas, , zusammen, eine Be- In memoriam gegnung, über die auch im chinesischen staatlichen Fern- sehen berichtet wurde. Bei dem Gespräch ging es u.a. um das Thema der diplomatischen Beziehungen zwischen Chi- JAIME Kardinal SIN (1928–2005) ------na und dem Heiligen Stuhl, für die sich der Kardinal stets Am 21. Juni 2005 verstarb im Alter von 76 Jahren der eme- intensiv einsetzte. Nach seiner Rückkehr nach Manila im ritierte Erzbischof von Manila, JAIME Kardinal SIN. Er Dezember 1987 sagte er, ZHAO habe seine Bereitschaft leitete die Diözese fast 30 Jahre lang. bekundet, die Wiederaufnahme der Beziehungen zu disku- tieren, die Lösung der Taiwan-Frage sei jedoch eine Vor- aussetzung für die Eröffnung von Gesprächen. Bischof ALOYSIUS JIN LUXIAN SJ von Shanghai, der den Kardinal bei beiden Besuchen traf, meinte zum Tod von Kardinal SIN: „Kardinal SIN liebte China ... In den 1980er Jahren be- mühte er sich um die Verbesserung der Beziehungen zwi- schen China und dem Heiligen Stuhl und wäre beinahe er- folgreich gewesen ... Kardinal SIN war nach dem Treffen mit ZHAO sehr optimistisch. Er schlug dem Heiligen Stuhl vor, weitere Kontakte mit Beijing aufzunehmen, diese Idee wurde jedoch von den Vatikanbehörden abgelehnt.“

ANTHONY LIU BAINIAN, Generalsekretär der Patrioti- JAIME Kardinal SIN. Foto: Erzdiözese Manila. schen Vereinigung, bezeichnete den Tod von Kardinal SIN JAIME LACHICA SIN wurde am 31. August 1928 als Sohn ei- als „großen Verlust für die katholische Kirche sowohl in nes chinesischen Vaters (gebürtig aus Xiamen) und einer China wie auch auf den Philippinen“. Seit seinem ersten Philippina in New Washington in der Diözese Kalibo (Phi- China-Besuch habe Kardinal SIN immer wieder junge chi- lippinen) geboren und wuchs mit 15 Geschwistern auf. Er nesische Priester, Seminaristen und Schwestern zum Stu- studierte Philosophie und Theologie in Jaro und wurde am dium auf die Philippinen eingeladen, so LIU. „Unsere Prie- 3. April 1954 zum Priester geweiht. Von 1957 bis 1967 ster und Seminaristen gedenken seines Beitrags für die Kir- wirkte er als erster Rektor, Studiendekan und Dozent des che in China und beten für ihn.“ Laut UCAN studieren dort Priesterseminars St. Pius X. in Roxas City. Im Alter von 38 zur Zeit 200 Priester, Seminaristen und Schwestern vom Jahren wurde er am 18. März 1967 zum Bischof geweiht Festland, etwa 80% von ihnen in Manila. Der erste Semina- und diente zunächst als Weihbischof von Jaro. 1972 folgte rist vom Festland war der heutige Bischof PETER FENG er auf den Stuhl des Erzbischofs von Jaro. Im Januar 1974 XINMAO, Diözese Hengshui/Provinz Hebei, der von 1990 wurde er von Papst PAUL VI. zum Erzbischof der Haupt- bis 1996 in Manila studierte. Bischof FENG bekundete sei- stadt Manila ernannt, im Mai 1976 erfolgte die Erhebung in nen Dank für die Sorge der philippinischen Kirche um das den Kardinalsstand. Einen Monat nach seinem 75. Geburts- Wohl der Kirche Chinas und der chinesischen Studenten. tag am 31. August 2003 ging Kardinal SIN in den Ruhe- Kardinal SIN habe ihn immer wieder ermutigt und sein Stu- stand. Aus gesundheitlichen Gründen konnte er nicht am dium finanziell unterstützt. JOHN BAPTIST ZHANG SHI- Konklave zur Wahl des neues Papstes teilnehmen. Kardinal JIANG, Direktor von Faith Press und Beifang Jinde in Shi- SIN starb in einem Krankenhaus nahe Manila an Organ- jiazhuang, war der erste chinesische Priester, der von 1993 versagen. bis 1996 auf den Philippinen studierte. Auch er lobte das Sein familiärer Hintergrund wie auch seine – so eine Engagement von Kardinal SIN. Aussage von P. ISMAEL ZULOAGA SJ in Manila – „Überzeu- Kardinal SIN war als eifriger Verfechter der Demokratie gung und pastorale Intuition, daß China lebenswichtig für immer wieder auch politisch aktiv. 1986 wurde er zur das Wachstum der Kirche Asiens ist“, veranlaßten Kardinal entscheidenden Symbolfigur beim Sturz von Präsident FER- SIN, sich intensiv für das Apostolat an den Philippino-Chi- DINAND MARCOS. Er rief die Bürger des größten katholi- nesen zu engagieren. Er etablierte u.a. das Ausbildungs- schen Landes Asiens dazu auf, betend durch die Straßen zu institut Lorenzo Mission Institute und die Lorenzo Ruiz ziehen und so ihren Protest zu bekunden. Dieser friedliche Mission Society zum Dienst an den Chinesen. Als Erzbi- Protest ging als „Rosenkranz-Revolution“ in die Ge- schof von Manila lud er Gastpriester aus vielen asiatischen schichte ein. Der katholische Rundfunksender Radio Veri-

INFORMATIONEN 144 CHINA HEUTE XXIV (2005), NR. 4-5 (140-141) tas diente dabei als sein wichtigstes Sprachrohr. Auf ähn- Innenansichten der chinesischen Kommunisten geschrieben liche Weise mobilisierte er die Gläubigen gegen Präsident hatte. JOSEPH ESTRADA, der 2001 gestürzt wurde. Die heutige Nachdem EPSTEIN mit seiner Frau ELSIE FAIRFAX- Präsidentin GLORIA MACAPAGAL-ARROYO bezeichnete CHOLMELEY einige Jahre in den USA verbracht hatte, folg- Kardinal SIN als den „großen Befreier des philippinischen te er 1951 einer Einladung von SONG QINGLING und wurde Volkes“. Kardinal SIN setzte sich darüber hinaus intensiv Herausgeber der Zeitschrift China Reconstructs (später für soziale Belange ein. China Today) – eine Tätigkeit, die er bis zu seinem siebzig- In einem Glückwunschschreiben zu seinem Goldenen sten Geburtstag ausübte. 1957 wurde EPSTEIN chinesischer Priesterjubiläum am 3. April 2004 pries ihn Papst JOHAN- Staatsbürger und 1964 Mitglied der KP Chinas. Obwohl er NES PAUL II. als „guten Hirten“, der sein Volk mit „missio- als überzeugter Kommunist in seinen zahlreichen Büchern narischem Eifer, entschlossen und fähig und mit festem immer die offizielle politische Linie vertrat, wurde er Willen“ führte. Papst BENEDIKT XVI. gedachte in einem während der Kulturrevolution dennoch denunziert und für Kondolenzschreiben Kardinal SINs „unermüdlichen Ein- fünf Jahre inhaftiert. Nach seiner Rehabilitierung und Wie- satzes bei der Verbreitung des Evangeliums und der Förde- dereinsetzung als Herausgeber von China Today wählte rung der Würde, des Allgemeinwohls und der nationalen man ihn 1983 zum Mitglied des Ständigen Ausschusses der Eintracht innerhalb der philippinischen Bevölkerung“. Kar- Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes. dinal SIN wurde als erster philippinischer Kardinal mit In zahlreichen Büchern, von denen einige zuerst in Staatsehren bestattet. chinesischer Sprache erschienen, setzt er sich mit der chi- Quellen (2005): Asia Focus 1.07., S. 3; Fides Service 22.06.; UCAN 21., nesischen Geschichte auseinander und beschreibt sein Le- 23.06; Zenit 21.06.; www.biener-media.de/ph-rv.html (Bericht Radio ben in China (The People’s War, London 1939; The Unfin- Veritas Asia); www.catholic-hierarchy.org/bishop/bsin.html; www.rcam. ished Revolution in China, Boston 1947; From Opium War org; www.welt.de/data/2005/06/25/736595.html. KATHARINA FEITH to Liberation, Beijing 1956; Tibet Transformed, Beijing 1983; Woman in World History: Soong Ching Ling, Beijing 1993; A Memoir of More than 80 Years in China, Beijing Das chinesische Auge: Als Jude und Journalist in China 2004; My China Eye: Memoirs of a Jew and a Journalist, Zum Tode von ISRAEL EPSTEIN (1915–2005) ------San Francisco 2005). Die besondere Ehre, auf dem Heldenfriedhof Babaoshan in Quellen: „Veteran Journalist/Writer Israel Epstein Dies“, in: Points East der Nähe von Beijing begraben zu werden, wird nur we- 20 (2005) 2, S. 6; LI XING, „Veteran journalist remembered for his unique nigen Nicht-Chinesen zuteil. Einer von ihnen ist der Jour- insight on China“, in: China Daily 2.06.2005, S. 13; LIU DONG, „Israel Epstein: A Special Chinese Citizen“, in: China Today 51 (2002) 1, S. nalist ISRAEL EPSTEIN, der am 26. Mai 2005 im Alter von 30-31. neunzig Jahren in Beijing starb. Er gehörte zu dem immer BARBARA HOSTER kleiner werdenden Kreis von chinesischen Staatsbürgern ausländischer Herkunft, die Zeitzeugen der chinesischen Kurz notiert * Chronik------Revolution waren und als deren letzte wahre Anhänger gel- ten. Die Wertschätzung, die EPSTEIN als „alter Freund des ♦ In der Volksrepublik China wurde die größte offizielle KONFU- chinesischen Volkes“ genoß, zeigte sich auch an der Teil- ZIUS-Geburtstagsfeier seit 1949 abgehalten. 2.500 Menschen pil- nahme von Präsident HU JINTAO und Ministerpräsident gerten am 28. September 2005 zu den Gedenkfeiern in KONFU- WEN JIABAO an den Trauerfeierlichkeiten in Babaoshan. ZIUS’ Geburtsort Qufu (Provinz Shandong). Am gleichen Tag ISRAEL EPSTEIN wurde am 20. April 1915 in Warschau befaßten sich in Beijing rund 100 Wissenschaftler in einem Forum in eine jüdische Familie geboren, seine Eltern waren beide mit der Frage, wie der Konfuzianismus als Grundlage für die von überzeugte Sozialisten. Im Alter von zwei Jahren kam er Präsident HU JINTAO propagierte „harmonische Gesellschaft“ die- nen könne (South China Morning Post 29.09.2005). mit seiner Familie nach Tianjin, wo er in der britischen Konzession aufwuchs. Mit fünfzehn begann er dort als ♦ Am 28. Oktober 2004 wurden „Verwaltungsbestimmungen der Stadt Nanjing für Bestattungen der Hui und anderer na- Journalist für die englischsprachige Zeitung Peking and tionaler Minderheiten“ (Nanjing shi Huizu deng shaoshu minzu Tientsin Times zu arbeiten. Für United Press und andere binzang guanli guiding) erlassen; sie traten am 1. Januar 2005 in westliche Nachrichtenagenturen berichtete er über den Kraft. Wie die offizielle Zeitschrift der chinesischen Muslime chinesisch-japanischen Krieg. In Hongkong arbeitete er für erläuterte, sind die Hui (chinesischsprachigen Muslime) mit ei- die China Defense League, eine Organisation, die im nem Anteil von 90% eine besonders wichtige Gruppe unter den Ausland um Unterstützung für China werben sollte. Dank nationalen Minderheiten der ostchinesischen Großstadt. In den der Vermittlung von SONG QINGLING, der Witwe SUN YAT- letzten Jahren hätten die durch Bestattungen nationaler Minderhei- SENs und Gründerin der China Defense League, konnte er ten ausgelösten Spannungen ständig zugenommen, wodurch die 1944 mit einer Journalistendelegation den kommunisti- neuen Bestimmungen – landesweit die ersten lokalen Bestat- tungsvorschriften für nationale Minderheiten – notwendig ge- schen Stützpunkt in Yan’an besuchen und kommunistische worden seien. 2001 hat Nanjing bereits „Verwaltungsvorschriften Führer interviewen, darunter MAO ZEDONG, ZHU DE und der Stadt Nanjing für nach den Speisegesetzen des Islam erlaubte . Das Gespräch mit MAO in einer der Yan’aner Lebensmittel“ (Nanjing shi qingzhen shipin guanli tiaoli) erlassen Lößhöhlen habe sein Leben verändert, sagte EPSTEIN spä- (Zhongguo musilin 2005, Nr. 1, S. 35). ter. Eine freundschaftliche Zusammenarbeit verband ihn ♦ Ebenfalls in Nanjing wurde am 20. Februar 2005 ein Ausbil- mit EDGAR SNOW, einem amerikanischen Journalisten, der dungszentrum der Islamischen Vereinigung von Jiangsu er- mit dem Buch Red Star Over China (1937) eine der ersten öffnet. Das mit Tagungs- und Verpflegungsfazilitäten sowie 36

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Betten ausgestattete Haus an der Jingjue-Moschee löse das lang- jährige Problem eines fehlenden Ortes für die Fortbildung der Muslime in Jiangsu, hieß es in Zhongguo musilin (2005, Nr. 2, S. Neue Kirchen in der VR China (20) 54). ♦ Am 18. September 2005 wurde das katholische Regionale Prie- sterseminar Sichuan in einem ehemaligen Fortbildungszentrum für Beamte des Religionsbüros im Kreis Pi bei Chengdu wiederer- öffnet. 30 Seminaristen nahmen dort zunächst das Studium der Philosophie auf. Im Lehrkörper von acht jungen, zum Teil erst vor kurzer Zeit geweihten Priestern fehlt es jedoch an erfahrenen und gut ausgebildeten Dozenten. Rektor LI ZHIGANG zeigte sich zudem besorgt, daß die vergleichsweise luxuriöse Ausstattung des Seminars die Formation beeinträchtigen könne. Seit im Jahr 1994 die Mehrheit der Studenten aus Protest gegen politischen Druck das Regionale Priesterseminar verlassen hatte, war es immer wie- der Umstrukturierungen unterworfen. (UCAN 30.09.2005; vgl. China heute 1994, S. 76f.). ♦ Im Mai 2005 beendeten 18 Mönche vom chinesischen Fest- land ihre dreijährigen Studien am Hong Kong Buddhist Sangha College. Wie es bei der Empfangsfeier für die Heimkehrer in Bei- Katholische Kirche mit Gemeindezentrum in Songshu, Diözese jing hieß, hatte das neugegründete Hongkonger College die fest- Lanzhou, Provinz Gansu (im Bau). Foto: M. SCHILD. landschinesischen Studenten auch deshalb angeworben, weil es sonst aus Schülermangel seinen ersten Kurs nicht hätte beginnen können. Das von der Hongkonger Buddhistischen Vereinigung getragene Sangha College ist nach eigenen Angaben die erste Ein- richtung in Hongkong, an der Mönche ein Vollzeitstudium betrei- ben können. ♦ In Hongkong trafen sich rund 200 junge Katholiken und Prote- stanten am 25. August 2005 zu einem Trauergottesdienst für Frère ROGER SCHUTZ, den Gründer der ökumenischen Gemein- schaft von Taizé. Der von der Diözese Hongkong und einigen pro- testantischen Gruppen organisierte Gottesdienst fand in der teil- weise ausgeräumten katholischen Kathedrale statt. Frère ROGER hatte mehrmals Hongkong besucht (UCAN 30.08.2005). ♦ Im Projekt „Love Promises a Future“ arbeiten seit August 2004 in Hongkong die Kommission Justita et Pax der Diözese Hongkong mit der Hong Kong Association for Survivors of Abuse und der lokalen Zweigstelle von Amnesty International zusam- men, um Opfern häuslicher Gewalt zu helfen. Betroffen sind be- Katholische Kirche mit Gemeindezentrum in Zhangye, Diözese sonders Frauen aus Familien mit niedrigem Einkommen oder mit Lanzhou, Provinz Gansu (im Bau). Foto: M. SCHILD. Migrationshintergrund (UCAN 7.10.2005).

♦ Human Rights Watch kritisierte, daß nach den neue Vorschrif- ten für die Verwaltung von Nachrichtendiensten im Internet Internetanbieter in der VR China künftig ausschließlich solche Nachrichten und Kommentare verbreiten dürfen, die von den offi- ziellen chinesischen Nachrichtendiensten stammen. Außerdem müssen sich private Gruppen und Einzelpersonen, die Nachrich- ten per E-Mail- oder SMS-Verteiler verschicken, als „Nachrich- tenorganisationen“ registrieren lassen. Die neuen Vorschriften wurden am 25. September 2005 wurden verabschiedet (Human Rights Watch 28.09.2005). ♦ Vom 18. Oktober 2005 bis zum 15. Januar 2006 zeigt das Nationale Ethnographische Museum in Warschau die Ausstel- lung „Die Gesichter Jesu in China“ (Chińskie oblicza Jezusa Chrystusa). Thema der rund 400 Objekte umfassenden Präsentati- on, die vom Institut Monumenta Serica, dem China-Zentrum, der polnischen Provinz der Steyler Missionare und dem Nationalen Ethnographischen Museum organisiert wurde, ist das Jesusbild in China vom 7. Jh. bis zur Gegenwart. Bisher war die Ausstellung im Haus Völker und Kulturen in Sankt Augustin, an der Universi- tät Salzburg, im Kloster Helfta in Lutherstadt Eisleben, in Leuven und im Diözesanmuseum Augsburg zu sehen. Katholische Kirche in Zhangjiakou, Provinz Hebei. KATHARINA WENZEL-TEUBER Foto: www.chinacatholic.org.

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