November 2020, Nr. 289 200 000 Exemplare, kostenlos Lindinger + Schmid MEDIA DATEN

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Schwarzweißmalerei War der Impressionismus blind für die raue Wirklichkeit im 19. Jahrhundert?

ohl keine Kunstrichtung ist als Genremalerei abqualifizierte Kunst so umfassend erforscht wie gerade vom Bürgertum geschätzt und der Impressionismus. Auf gekauft. Wie anders hätte es sie in die­ WJahrzehnte einer formalen Betrach­ ser Vielzahl gegeben! tung – was ist neu an der Malweise? Unbeachtet ließen die Impres­ – folgten nun auch schon Jahrzehnte sionisten jene Probleme, die sich aus der thematischen Untersuchung – was der kolonialen Rolle Frankreichs er­ malten die Impressionisten? Wurden gaben. Bei Édouard Manet, diesem sie ursprünglich als Maler sonnen­ Leuchtturm des frühen Impressionis­ überglänzter Landschaften gefeiert, so mus, darf die schwarze Dienerin der galten sie einer späteren Generation weißen „Olympia“ – zweifellos einer von Kunsthistorikern als Chronisten Prostituierten – den Blumenstrauß der Lebensart des Pariser Großbürger­ eines Freiers reichen. Dunkelhäuti­ tums. Wie stets ist jede dieser Interpre­ ge Modelle, die es an der Akademie tationen richtig – nur eben keine allein. der Schönen Künste gab, blieben auf Und es gibt Lücken. Unlängst machten die gesellschaftlich akzeptierte Rolle Forscher darauf aufmerksam, dass die von Dienstpersonal reduziert oder lauschigen Bootsstege an der Seine, figurieren in Gemälden des Exotis­ die die Maler frequentierten, oftmals mus, in schwülstigen Fantasien von Treffpunkte der Halbwelt waren; aber türkischen Bädern oder algerischen auch Prostituierte und Kleinkrimi­ Harems. Bezeichnenderweise gab es nelle wussten sich das Aussehen frei­ kaum impressionistische Werke in zeitvergnügter Bürger aus der nahen der als Meilenstein zu bezeichnenden Édouard Manet: „Olympia“, 1863  Foto: Wikimedia Metropole zu geben. Ausstellung „Le modèle noir“, die das Inzwischen treten aber die Fehl­ Pariser Musée d’Orsay 2019 zeigte. stellen der impressionistischen Bilder Das alle drei Jahre stattfindende deutlicher hervor. Der Vergleich mit „Festival des Impressionismus“ in der den im späten 19. Jahrhundert domi­ Normandie bleibt auch in diesem Jahr nierenden realistischen und natura­ der etablierten Vorstellung von dieser listischen Strömungen macht deutlich, Malerei verhaftet. Es ist das Bild, das dass die Impressionisten, die derzeit das Publikum schätzt und immer Claudia Steinberg wundert sich Hans-Joachim Müller begreift Kunst mit einer Sonderausstellung in der wieder bestätigt finden will. Doch über die exorbitanten Gehälter man­ als alternative Erzählung Seite 13 Staatsgalerie Stuttgart gefeiert wer­ es ist an der Zeit, die Fehlstellen der cher US-Museumsdirektoren Seite 3 Klaus Honnef über den schwierigen den („Mit allen Sinnen!“, bis 7.3.2021), impressionistischen Malerei zu benen­ Karlheinz Schmid über das Umgang mit moralisch fragwürdi­ für die Kehrseite des gesellschaftli­ nen – gerade im Vergleich mit den so Personalkarussell bei den gen Fotografien Seite 19 chen Glanzes, für Armut, schlechte lange als „Salonmalerei“ verachteten Staatlichen Museen zu Berlin Seite 5 Dorothee Baer-Bogenschütz Wohnverhältnisse, nicht zuletzt für Strömungen, die sicherlich keine Ge­ Heidi Bürklin über Schädlinge, attestiert eine neue Sehnsucht die ethnische Vielfalt in Paris keinen sellschaftskritik betrieben haben, aber die vom Lockdown im Museum nach Natur in der Kunst und im Blick hatten. Schwarzweißmalerei sich ein offenes Auge für die Zustände profitieren Seite 12 Ausstellungsbetrieb Seite 20 in gefälligen Farben, um es auf eine in der „Hauptstadt des 19. Jahrhun­ plakative Formel zu bringen. Merk­ derts“ bewahrten. würdigerweise wurde diese bis heute Bernhard Schulz

Werde, die du bist! RUTH BAUMGARTE Lebenskunst

Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund 15.11.2020 – 21.02.2021 Kuratiert von Eckhart J. Gillen © Kunststiftung Ruth Baumgarte Ruth © Kunststiftung

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verortet. Ein Kennzeichen käuflicher Impressum Liebe sei es, schrieb sie, „dass Prosti­ KUNSTZEITUNG – im Jahr 1996 von tuierte ihre Freier in der Regel nicht Gabriele Lindinger und Karlheinz Schmid gegründet. Sie wird in Museen, Kunstvereinen, küssen“. Galerien, Universitäten, Buchhandlungen Übrigens: Unter dem Titel „In aller und Kultur-Institutionen kostenlos verteilt. Munde. Das Orale in Kunst und Kul­ Insgesamt über 1 900 Stationen. tur“ haben Andreas Beitin und seine Kuratorin Uta Ruhkamp im Kunst­ Monatliche Auflage: 200 000 Exemplare. Einzel-Abo möglich (37,- Euro pro Jahr, museum Wolfsburg eine Ausstellung zwölf Zusendungen). vorbereitet, die vom 14. November bis Anfang April 2021 über die einzigarti­ Verlagsleitung und Herausgeber: ge Körperzone berichtet. Diese Schau Gabriele Lindinger und Karlheinz Schmid wollen wir unbedingt sehen, weil sie im Zusammenspiel mit den Wissen­ Chefredakteur: Karlheinz Schmid schaftlern Hartmut Böhme und Beate Slominski entstanden ist, die vor Jah­ Stellvertretender Chefredakteur: ren den Buch-Klassiker „Das Orale“ Dr. Jörg Restorff veröffentlicht haben. Die Publikation, die von Francis Bacons schreienden Anzeigenleiterin: Gabriele Lindinger Papst über Thomas Schüttes hängen­ de Zungen bis zu Pyotr Pavlenskys Stellvertretender Anzeigenleiter: vernähten Mund viel bietet, auch die Philipp Lindinger knutschenden Staatsmänner Leonid Breschnew und Erich Honecker, zeugt Weitere Mitarbeiter: von einer vorbildlichen Kultur-Rezep­ Dorothee Baer-Bogenschütz (fr. Redakteurin) Christin Lohmann (Koordination, Bildredaktion) tion, wie sie heutzutage überall gang Bernhard Schulz (fr. Redakteur) und gäbe sein sollte. Wie das Mundwerk nicht nur der Grafik-Design: two.o.two, Berlin Ton- und Sprachbildung dient, son­ dern auch als Ort sinnlicher Reize Lindinger + Schmid, Schmargendorfer Straße 29, D-12159 Berlin, vielfältigster Art wahrgenommen wer­ T +49 (0) 30 857 449 250 den will, ist es auch für Ausstellungs-, F +49 (0) 30 857 449 259 Projekt- oder Buch-Macher unum­ [email protected] gänglich, den Radius weiträumig aus­ www.lindinger-schmid.de zurichten. „Sticky Fingers“ der Stones, gal, über Petra­ Falk, mit der wir Tillmans, scheinen sich diesbezüg­ von Warhol ins Reißverschluss-Design ISSN 1431-2840/Deutsche Bibliothek © 2020 Lindinger + Schmid w a s w i r in den Neunzigern eine lich dagegen mehr als Dokumentar­ gebracht, inklusive Zunge von John Printed in Germany, beim Abend­ Ausstellung gemacht hatten, fotografen zu verstehen. Sie lichten Pasche, das „Ballett der Zähne“ vom Schenkelberg, Eessen reden, am Ende fielen uns unzählige Namen ein, auf den Pfaden vieler Alter Meister Dichter Durs Grünbein, natürlich ein Die Medienstrategen GmbH, Nohra landen wir bei der Kunst. Sie ist allge­ Künstlerinnen, die weiße Leinwände, quasi voyeuristisch ab, wie Männer weit geöffneter Mund in einer Büste von genwärtig, sie scheint in jedem Vor­ Kleidungsstüc­ke oder Geschirr mit und Frauen als Hetero-Paare oder als Franz Xaver Messerschmidt oder von Nachdruck nur mit Verlagsgenehmigung. gang und in jedem Gegenstand sowie den ebenso individuellen wie verrä­ schwule beziehungs­ Gianlorenzo Bernini, das Abbildungen: © Urheber/VG Bild-Kunst, Bonn in allen Gedanken zu stecken. Oder terischen roten Kussmund-Stempeln weise lesbische Duos römische Wahrheitsrelief 2020 (Johns, Lassnig, Molnar, Sala, Soulages, liegt es schlichtweg an unserer Erfah­ versahen. Wir erinnerten uns an die intim werden. Ja, auch Sprechen, Essen „Bocca della Verità“, vom Steyerl, Ruff). rung, an unserem jahrzehntelangen Performerin Nezaket Ekici, die Wände das Küssen kann sexu­ und Küssen: „Transmission“-Filmema­ Direktkontakt mit Künstlern und Ver­ und Möbel mit Busserl-Spuren über­ ell sein, sobald es den cher Harun Farocki im mittlern, dass wir überall den Bogen säht hatte. Und wir dachten natürlich Mundraum einschließt, Das Orale vergangenen Jahrzehnt spannen und sofort einzuordnen wis­ an die legendäre Poetin Ewa Partum, sobald es mehr als ein in Kunst und aufgegriffen – solche Mo­ sen, woher selbst das profanste Phä­ an ihre Bekenntnisse zur Liebe. Was flüchtiger Wangenkuss Kultur. tive können zum Thema nomen kommt? So waren es kürzlich sich sogleich in den Dialog schlich, war ist, der freilich in Coro­ gehören. Ein Kuratoren- Spuren von knallrotem Lippenstift auf die naheliegende Feststellung, dass in na-Zeiten ausstirbt. Die Kunststück, aus einem einem Weinglas, die uns unverzüglich der Kunst offenbar nur Frauen selbst Hamburger Germanistik-Professorin schier unerschöpflichen Sammelsuri­ daran denken ließen, wer mit solchen küssen, um ihre Lippen-Werke zu Claudia Benthien hat mal unter dem um eine Ausstellung zu formen, eine bewusst gesetzten Abdrücken teils gro­ verbreiten. Titel „Zwiespältige Zungen“ über den These zu schmieden. Wir werden sehen, ße Kunst produzierte. Von Ilse Dwin­ Ihre Kollegen, ob Elmgreen & oralen Raum nachgedacht und hier kritisch sehen. ger über Dorothee von Windheim bis Dragset, Juergen Teller oder Wolfgang die Grenze zwischen Lust und Ekel Gabriele Lindinger + Karlheinz Schmid

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Dramatisches Einkommensgefälle Claudia Steinberg über die größenwahnsinnigen Gehälter mancher US-Museumsdirektoren

o gut wie niemand in den USA Dollar. Seit Beginn der Pandemie sa­ Eine im vergangenen Jahr kursie­ sucht einen Job bei einem Mu­ hen sich diese Großverdiener und ihre rende Liste, in der Museumsangestell­ seum in der Hoffnung auf Wohl­ ebenfalls opulent bezahlten Chefkura­ te auf jeder Sprosse der Gehaltsleiter Sstand, hieß es 2017 in der ersten öf­ toren zu Gehaltskürzungen von rund ihre Einkünfte offenbarten, schürte fentlich gemachten Gehaltsstudie der 20 Prozent gezwungen, was angesichts die Solidarität unter finanziell unter­ „American Association of Museum Di­ der scharenweisen Entlassungen von versorgten Mitarbeitern. Ins Leben rectors“. Vielmehr ist es die exklusive festen freien Mitarbeitern weitgehend gerufen wurde die Liste mit dem Titel Nähe zur Kunst, die das bescheidene als unzureichend kritisiert wurde. „Art/Museum Salary Transparency Einkommen der meisten Angestellten Das dramatische Einkommensge­ 2019“ von Michelle Millar Fisher, einer Glenn D. Lowry Foto: ddp images, Newscom im Museum kompensieren muss. Aus­ fälle an den meisten amerikanischen Assistenz-Kuratorin am Philadelphia genommen sind nur die Spitzenposi­ Museen, das unter COVID-19 so ka­ Museum of Art, die früher auch am tionen: Glenn D. Lowry, der Direktor tastrophale Auswirkungen auf die MoMA, dem Met und dem Guggen­ des New Yorker Museum of Modern niederen Lohnempfänger hatte, ist in heim gearbeitet hat. Art (MoMA), verdiente im vergan­ den letzten Jahren ins Rampenlicht Museumsangestellte, die über durchschnittlichen Jahresverdienst Dieser hochkapitalistische An­ genen Jahr 5,1 Millionen Dollar. An gerückt. Bereits 2015 demonstrierten Jahre hinweg nicht über Assisten­ von 40 000 Dollar kann ein beginnen­ satz, begleitet vom Mantra des steten zweiter Stelle steht Richard Armstrong MoMA-Angestellte mit dem Slogan tenpositionen hinauskommen, müs­ der Kurator, der eine kostspielige Aus­ Wachstums, steht im peinlichen Kon­ vom Guggenheim Museum mit einem „Moderne Kunst – veraltete Gehälter“ sen ihr Einkommen oft aus anderen bildung hinter sich hat und jahrelang trast zum erklärten sozialen Ethos Salär von 1,4 Millionen Dollar, gefolgt vor dem Museum, das sich auf eine Quellen ergänzen. Das gilt insbeson­ seine Studienschulden abzahlen muss, der meisten urbanen Museen, ganz zu von Daniel Weiss, CEO des Metro­ 600-Millionen-Dollar-Renovierung dere für extrem teure Städte wie San die Mieten in diesen Metropolen nicht schweigen von der oft gesellschafts ­ politan Museum, mit 1,25 Millionen und Erweiterung vorbereitete. Francisco und New York. Mit einem bezahlen. Auch jene Mitarbeiter, die kritischen oder gar revolutionären Ausstellungen bauen und hängen, sind Kunst, die sie zeigen. Ein trauriges Pa­ notorisch unterbezahlt und kommen radebeispiel für diesen Konflikt bietet ohne Nebenjobs nicht über die Run­ das New Museum in New York, eine den. Das gilt erst recht für einen Muse­ explizit progressive Institution, deren umswächter, der mit rund 33 000 Dol­ Direktorin nun unter Beschuss gera­ Forschung als Kernaufgabe? lar im Jahr auf der untersten Sprosse den ist: Als würdige Nachfolgerin der steht – am MoMA verdient der Boss legendären feministischen Gründerin Richtungsstreit in der Museumsorganisation ICOM 182-mal so viel wie er. Marcia Tucker zählt Lisa Phillips zu Verantwortlich für diese extreme den mächtigsten Frauen in der New Diskrepanz ist ein hierarchisches Fir­ Yorker Museumswelt, anerkannt für Wie wichtig eine Museumsdefinition Ablehnung, führte zu mehreren De­ alter Schule verunsichern. Die anderen menmodell, das in den USA den CEO ihr innovatives, auf soziale Gerech­ ist, zeigt der aktuelle Rechtsstreit um missionen. Das MDPP will Museen gehen womöglich zu weit bezüglich eines Unternehmens gemeinhin mit tigkeit pochendes Programm, zu dem Herausgabe von Forschungsergeb­ nicht in Stein gemeißelt sehen, sondern ihrer Kommunikationsstrategie. Die dem 278-fachen Gehalt eines normalen im vergangenen Jahr eine Mammut­ nissen, den das Museum Ludwig in als Open Spaces verstehen. Mainstrea­ Kunsthalle Osnabrück verfasst jetzt Mitarbeiters belohnt – in den letzten retrospektive von Hans Haacke zählte. Köln und die Galerie Gmurzynska mige Worthülsen prasselten in die „alle institutionellen Texte ausschließ­ 40 Jahren sind in den USA die Gehälter Doch kämpfte Phillips um eine Erhö­ ausfochten, auf beklemmende Wei­ Runde, beispielsweise „social justice“, lich in einfacher Sprache“. Das Städel, der Führungskräfte um mehr als 1000 hung ihres Gehalts von 768 000 Dollar se. Kölner Richter meinen, Museen „democratic“, „planetary wellbeing“. Defizite bei der Vermittelbarkeit von Prozent, die des Fußvolks dagegen nur – viel für ein kleines Museum wie das seien keine Forschungseinrichtungen. ICOM Deutschland sei wie die Gegenwartskunst beklagend, will mit um elf Prozent gestiegen. Als Daniel ihre –, bis Corona sie zu einer Kür­ Die Kollegen in Münster wissen, dass Mehrheit der Mitglieder gegen diese Tablets und Kolleg-Einheiten gegen­ Weiss 2017 vom Präsidenten des Met zung von 30 Prozent zwang. Derzeit ist Forschung eine Kernaufgabe ist. Wäh­ politischen Leitlinien, so Präsidentin steuern. Unterdessen erfährt nicht zum CEO ernannt wurde, sprang sein die ambitionierte Leiterin mit einem renddessen ringt der „International Beate Reifenscheid, würde man doch nur ICOM Deutschland zunehmende Verdienst abrupt um 24 Prozent in 68-Millionen-Dollar-Erweiterungsbau Council of Museums“ (ICOM) um „all jene Staaten exkludieren, die ge­ Akzeptanz. Vor fünf Jahren zählte die die Höhe – ein Indiz, dass finanzielle von beschäftigt. Der eine Neudefinition bei anhaltender nau hierin weder ihre Aufgabe noch Sektion 5 000 persönliche und institu­ Expertise mehr geschätzt wird als jede immense Finanzdruck hat zu einer Uneinigkeit der Mitglieder. Sie könnte ihr Ziel sehen“. Überfordert fühlen tionelle Mitglieder; inzwischen sind andere Qualifikation. Doch auch die „Sweatshop-Atmosphäre“ in ihrem die Museumsorganisation zerreiben. dürften sich viele Museen, wenn sie es 6 500. Weltweit repräsentierte der Museumsdirektoren können ihren Haus und zu einem Exodus von chro­ Nicht alle halten die aktuelle Defi­ zwingend auf soziale Gerechtigkeit ICOM 2015 mehr als 32 000 Mitglie­ Mäzenen und Trustees nicht als arme nisch unterbezahlten Angestellten nition für gegenwartstauglich. Das und gar globale Gleichheit hinwirken der. 117 Nationalkomitees bildeten das Bittsteller entgegentreten, sondern geführt. Sicherlich handelt es sich um „Committee Museum Definition Pro­ müssten. Die Debatte wirft ein Schlag­ Netzwerk. Fünf Jahre später sind es müssen sich in den reichsten Kreisen ein persönliches Versagen, aber das spects and Potentials“ (MDPP) sollte licht auf Kunstvermittlung heute. Die 119 und mehr als 40 000 Mitglieder. mit der Geschmeidigkeit eines Groß­ System schürt die Konkurrenz und eine neue erarbeiten. Die stieß auf einen könnten technikferne Besucher Dorothee Baer-Bogenschütz verdieners bewegen können. verführt zum Größenwahn.

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Soziologen als Gründungsdirektor und digitalisiert werden 560 laufen­ antritt, berechtigt zur Hoffnung, dass de Regalmeter, 50 Terabyte digitale Konzertierte Aktion vom documenta Institut in Zukunft Medien und 42 000 Medieneinheiten wichtige Impulse ausgehen – obwohl rund um die documenta. Im Moment Heinz Bude und das documenta Institut derzeit vor Ort ein Streit um den Stand­ erwartet man von Bude vor allem, ort des Neubaus, der rund 24 Millionen dass er das Verhältnis der documenta- Euro kostet, die Vorfreude trübt. Bude, Gründungsväter zur nationalsozia­ geboren 1954, lehrt seit 20 Jahren Ma­ listischen Vergangenheit rückhaltlos krosoziologie an der Universität Kassel. aufklärt. Anfang des Jahres war pub­ iemand bezweifelt, dass die documenta Institut, das vom Land Das documenta Institut, ausge­ lik geworden, dass Werner Haftmann, documenta, die erstmals Hessen, der Stadt Kassel, der Universi­ stattet mit drei Professuren, versteht von 1955 bis 1964 wissenschaftlicher 1955 in Kassel stattfand, die tät und Kunsthochschule Kassel sowie Heinz Bude als „Labor der Erfor­ Berater der documenta, 1937 in die Nwichtigste Positionsbestimmung der der documenta und Museum Fride­ schung von Zeitgenossenschaft durch NSDAP eingetreten war. Ein Schock, Gegenwartskunst ist – trotz der zahl­ ricianum gGmbH ins Leben gerufen die Präsentation von Gegenwarts­ genoss Haftmann doch als wortge­ reichen Biennalen, die mittlerweile und finanziell gedeihlich ausgestattet kunst“. Zurückgreifen kann er dabei waltiger Interpret der Moderne hohes den Globus überziehen. Es macht Sinn, worden ist. auf eine hervorragende Recherche- Ansehen im Kunstbetrieb. Man darf dass eine Ausstellung mit diesem Stel­ Freilich steht und fällt eine solche Basis. Gemeint ist das documenta ar­ gespannt sein, ob dank der Forschung lenwert und einer solchen Tradition Institution mit der Persönlichkeit an chiv, das kürzlich eine auf zehn Jahre des documenta Instituts weitere ver­ ein theoretisches Pendant bekommt. ihrer Spitze. Die Tatsache, dass mit angelegte Erschließungsoffensive sei­ gleichbare Enthüllungen folgen. Und so ist es denn überfällig, das Heinz Bude einer der renommiertesten ner Bestände gestartet hat. Bearbeitet Heinz Bude Foto Nicolas Wefers Jörg Restorff Vier auf einen Streich Evelyn Schels und ihr Kinofilm „Body of Truth“

ass sie Filme machen kann, sie einst auch Kunstgeschichte. Ideale die Haut gehende Schmerz-Akrobatik, den Betrachter mal in dieses, mal ihr Handwerk versteht, weiß Voraussetzungen, das Publikum im Body Art eben. Dabei spannt dieses in jenes Atelier mit, bevor es wieder man. Evelyn Schels, Jahrgang Kino zu begeistern und von der Kraft Quartett den bildnerischen Bogen mit einer anderen Protagonistin zum D1955, die in Paris und München leben­ der Kunst zu künden. weit, nämlich von individueller Er­ nächsten Drehort geht. Isoliert stehen de Regisseurin und Drehbuchautorin, Dass Evelyn Schels nun ausgerech­ fahrung zu gesellschaftlicher Realität, gewissermaßen vier Film-Porträts hat immer wieder bewiesen, wie nah net mit ihrem jüngsten Film, „The die sich in jedem politischen Kontext nebeneinander, und auch der hilflo­ sie den Künstlern kommen darf, wie Body of Truth“, dessen ursprünglich anders darstellt. Ergo: Eine Fundgrube se Versuch am Ende, Abramovic und gut sie ihr Werk einzuordnen versteht. für Anfang April geplanter Filmstart für jeden Drehbuch-Autor. Neshat, Freundinnen seit ewigen Zei­ Porträts von Malern und Bildhauern wegen Corona verschoben werden Gleichwohl enttäuscht „Body of ten, auf einem Sofa in den Dialog kom­ wie Georg Baselitz, Enzo Cucchi, Per musste, eher scheitert als brilliert, Truth“, der knapp 100 Minuten dau­ men zu lassen, kann das Fiasko nicht Kirkeby oder Jean Tinguely dokumen­ überrascht folglich sehr. Zumal sie ernde Künstlerinnen-Film. Denn mehr verhindern. Am besten wäre es, tieren, dass die von Altmeister Georg hochkarätig besetzt hat. Die Radi­ Schels hat zwar vier Artistinnen auf ei­ diesen Film auseinanderzuschneiden, Stefan Troller angeregte und ausgebil­ kalkünstlerinnen Marina Abramovic, nen Streich präsentieren wollen, doch weiterzuarbeiten und vier eigenständi­ dete Filmerin, einst mit einer Arbeit Sigalit Landau, und leider vergessen, dem Film ein be­ ge Porträts zu machen. Jede der Künst­ über das lyrische Drama promoviert, Katharina Sieverding bieten reichlich lastbares Korsett struktureller Art zu lerinnen, die Zuschauer und das Kino obendrein durchaus in der bildenden Biographie und Werkgeschichte, teils geben. So kleben einzelne Sequenzen würden profitieren. Evelyn Schels Foto: dpa, Ursula Düren Kunst zuhause ist. Immerhin studierte im wahrsten Sinne des Wortes unter kaum schlüssig aneinander, nehmen Karlheinz Schmid

Deutsches Institut für Fotografie: Wilp und Richard Peter, Senior und für Fotografie Dresden überhaupt erworben, aber ihre essenziellen Warum nicht Dresden als Standort? Junior. In enger Zusammenarbeit mit eine Rolle gespielt hat, weiß ich nicht. Qualitäten als Fotografie weitgehend der Stiftung Gundlach, Hamburg, und Inzwischen streiten sich Essen und eingebüßt. Die neuen Ikonen für das dem LVR-LandesMuseum Bonn hat Düsseldorf um den Sitz – mit unter­ kollektive Bildgedächtnis liefert längst sie unter Leitung des umsichtigen Jens schiedlichen Konzepten. Beide leiden die journalistische Fotografie. Dresden ist schon Geschichte der Fotografie seit 1945. Bove weithin beachtete Ausstellungen jedoch entscheidend darunter, dass sie Ein Deutsches Institut für Foto­ lange ein Hotspot Mit diesem Bestand ist eine Basis und Publikationen realisiert, etwa über im Kielwasser der jüngst so erfolgrei­ grafie ist sicher eine Notwendigkeit, der Fotografie. Die für die konkrete Erschließung der die einzigartigen farbfotografischen chen künstlerischen Fotografie segeln, auch wenn es viel zu spät kommt Museen und Biblio­ deutschen Fotografie in Ost und West Erfindungen von Wolfgang G. Schröter, eines von der Kunstkritik gefeierten – ohne eine plausible und umfas­ theken besitzen außergewöhnliche geschaffen. Darunter befinden sich die Fotografie der Weimarer Republik Segments des Fotografischen, doch im sende fotografische Theorie macht Sammlungen fotografischer Bilder, Bilder so herausragender Fotogra­ oder mehrere über den eminenten Vergleich zu den anderen wie Repor­ seine Einrichtung indes keinen Sinn und das „Archiv der Fotografen“ der fen wie Christian Borchert, dessen Borchert. In Dresden sind einige wich­ tage, Dokumentation, Mode, Design und wäre überflüssig. Die ist seine Deutschen Fotothek bietet mit mehr Nachlass die Deutsche Fotothek tige fotografische Nachlässe vor dem und Sport quantitativ marginal. Mit unverzichtbare Bedingung. Zumal die als 2 200 000 Fotografien aus 95 betreut, sowie F.C. Gundlach, Burk­ Verschwinden bewahrt worden. der künstlerischen Fotografie hat sich künstlerische Fotografie ihren Hafen verschiedenen Institutionen online hard Jüttner, Roger Melis, Jacques Ob bei der Diskussion über den die Fotografie in den letzten Jahren in den Kunstmuseen ja gefunden hat. einen dichten Einblick deutscher Schumacher, Reinhart Wolf, Charles Standort eines Deutsches Institut zwar die künstlerische Legitimation Klaus Honnef

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Das große Personalkarussell Karlheinz Schmid über die Staatlichen Museen zu Berlin

in Drama, seit langem schon. letztlich zu verantworten hat, klebt Vielleicht ist die Idee, den Ge­ Roth, als Generaldirektor zu holen, documenta-Chef Roger M. Buergel, der Keiner da, der sich mit kurato­ ebenfalls am Stuhl, immer irgendwie scheiterten weiter zu beschäftigen, entschied er sich für den nun angeb­ heute in Zürich ein privates Museum rischem Weitblick, mit Gestal­ bemüht, aber ohne jegliche Manager- aber auch allein deshalb abwegig, lich Verschollenen, für den derzeitigen leitet, verdienen aktuell ein Vielfaches Etungs- und Durchsetzungskraft sowie Fähigkeiten. Egal, was auch immer weil er dann derjenige wäre, der den Amtsinhaber. Dass die beiden nicht des Salärs, das die Staatlichen Museen museumspolitischem Sachverstand passiert. Nun will er, kaum zu glau­ dringend erforderlichen Intendanten miteinander können, weiß man. zu Berlin bislang zahlen können. um das Programm und damit die Au­ ben, aber von seiner Duzfreundin, der oder die Intendantin auswählen und Roth hatte freilich Gehaltsvor­ Unabhängig vom Monetären: ßendarstellung der Staatlichen Museen Kulturstaatsministerin, eben explizit dem Stiftungsrat vorschlagen müsste. stellungen, die die SPK nicht ohne Hauptproblem ist freilich die Tatsache, zu Berlin kümmern würde. Schlimmer darum gebeten, tatsächlich bis zum Aber kann er das, der Präsident? Hat weiteres erfüllen konnte. Und dieses dass das hohe Anforderungsprofil, das noch: Niemand in der übergeordneten Ruhestand ausharren, um die über­ er nicht schon einmal, damals 2007, Problem dürfte sich nun erneut stel­ mit der neu einzurichtenden Stelle Stiftung Preußischer Kulturbesitz fällige Strukturreform umzusetzen. kurz nach seiner Wahl im Juni, noch len, wenn Monika Grütters, die Kul­ des Scharfsehers und Schrittmachers (SPK) hat den Mangel erkannt, gar Konkret bedeutet das: Der Präsident vor Amtsantritt im März 2008, eine turstaatsministerin, nicht dafür sorgt, der Staatlichen Museen verbunden ist, versucht, ihn zu beheben. So dümpelt hat circa fünf Jahre lang Zeit, seinen Fehlentscheidung getroffen? Statt den dass die neue Intendanz angemessen von nur wenigen Museumsdirektoren das Ausstellungsangebot seit Jahren eigenen Posten abzuschaffen. Ein mittlerweile verstorbenen Generalis­ honoriert wird. Denn manche poten­ geboten werden kann. Max Hollein, auf allerniedrigstem Niveau. Berlin, Schildbürgerstreich. ten unter den Museumsleuten, Martin tiellen Kandidaten, etwa der einstige früher Frankfurt am Main, nun Me­ die Weltstadt, in der Millionen her­ tropolitan in New York, wäre ein sol­ ausragender Kunstwerke lagern, kann cher Mann mit allen Qualifikationen im internationalen Vergleich nicht auf unterschiedlichsten Ebenen, ob im Geringsten mithalten, liegt auch Programmplanung oder Marketing­ in Bezug auf die Besucherzahlen weit konzept. Ihn ließ Grütters vor Jahren abgeschlagen ganz hinten. mit Familie nach Amerika ziehen, weil Dass das wirklich anders werden sie wohl zu lange irrtümlich dachte, muss, hat vor kurzem der von der die Stiftung Preußischer Kulturbesitz Bundesregierung zum Einsatz ge­ sei personell gut aufgestellt. Andere brachte Wissenschaftsrat attestiert. In Ausstellungsmacher mit Verve gehö­ seiner Reform-Studie (siehe KUNST­ ren zur Generation 60 plus und sehen ZEITUNG, Nummer 287) empfiehlt mithin allmählich dem eigenen Ruhe­ er nicht nur die Auflösung der SPK, stand entgegen, etwa Chris Dercon in sondern auch die Suche nach einer Ge­ Paris oder Dirk Luckow in Hamburg, neralintendantin oder einem General­ beide nun 62 Jahre alt. intendanten, um das desolate Schauge­ Bleiben die Frauen unter den Ma­ schäft der Staatlichen Museen aus dem chern auf dem Personalkarussell, dy­ Schlaf zu holen. Denn von den eigenen namische Vermittlerinnen wie Marion Kräften ist nichts mehr zu erwarten. Ackermann in Dresden und Susanne Der Direktor der Nationalgalerie, Gaensheimer in Düsseldorf. Sie zählen erst 62 Jahre alt, musste soeben, „auf zur Generation 50 plus, ihnen traut eigenen Wunsch“, wie es diplomatisch man eine solche Intendanz durchaus heißt, seinen Schreibtisch räumen. Er zu; aber es ist schwer vorstellbar, dass war ohnehin viel unterwegs, liebte sie ihre derzeitigen Wirkungsstätten seine Kuratoren-Gastspiele bei Beyeler, zugunsten einer politisch brisanten Burda, Prada oder auch mal in einem Neugründungsaufgabe in Berlin ver­ Berliner Blumen- und Kunstgeschäft. lassen würden. Im internationalen Sein Vorgesetzter, der Generaldirektor Rundblick bleiben folglich kaum ge­ der Staatlichen Museen, im zurücklie­ eignete Kandidaten für die Generalin­ genden Sommer von der Lokalpresse tendanz übrig. Womöglich Klaus Bie­ als „verschollen“ gemeldet, hielt sich senbach, Los Angeles, 53 Jahre alt, er am liebsten aus allen Debatten heraus. kennt Berlin bestens. Das trifft freilich Personal- und Etatfragen durfte er oh­ auch für 49-jährigen Philipp Demandt nehin nicht beantworten, das ist Sache zu, den Städel- und Schirn-Direktor seines Chefs, des Präsidenten. So sitzt in Frankfurt, den wirklich großar­ der macht- und energielose General, tigen Hollein-Nachfolger, der früher der in diesem Monat 64 Jahre alt wird, die Alte Nationalgalerie in Berlin lei­ seine Amtszeit bis zur baldigen Pensi­ tete. Ihn nun nicht zu berufen, wäre onierung geduldig ab. ein Versäumnis, das die Staatlichen Der 61-jährige Präsident selbst, ein Museen auf Nimmerwiedersehen ins Archäologe, der den SPK-Niedergang Philipp Demandt Foto: dpa, Andreas Arnold Abseits trudeln ließe. ENGAGEMENT HOCH ZWEI Thomas Ruff, tableau chinois 03, 2019, 240 × 185 cm, chromogener Abzug, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020 Thomas Ruff, Stephan Balkenhol, Stephan Balkenhol, Kalender 2020 (März), 2019 © VG Bild-Kunst, Bonn 2020 12.9.2020 — 7.2.2021 22.10.2020 — 28.2.2021 K20, Kunstsammlung Lehmbruck Museum Nordrhein-Westfalen Duisburg 6 KUNSTZEITUNG November 2020

Ästhetische Andacht Sag Harbor: Eric Fischl und April Gornik eröffnen Kunstzentrum „The Church“

it ihren azurblauen Pools Landschaftsmalerin April Gornik, der 2000-Seelen-Ortes. Diesmal wollten Fischl, und so stehen auch Konferen­ sie „Gemeinden, deren Stimme man und sexuellen Versuchun­ grotesk kommerzialisierten Kunstwelt die beiden Künstler nicht nur verhin­ zen und Vorträge auf dem Programm. nicht gehört hatte, in den Vordergrund gen, mit ihrem Ennui Manhattans den Rücken, um sich dau­ dern, dass sich ein Millionär das noble Die hohen Räume, die der von Susan stellte“, so Fischl. Kehinde Wiley zeigte Mund Alkoholismus blieben die wohl­ erhaft in New Yorks schickster Varian­ Gebäude unter den Nagel reißt, son­ Rothenberg empfohlene und in der beispielsweise 2013 seine „Memling“- habenden Vorstädte seiner Kindheit te von Suburbia niederzulassen. dern sie möchten das 1832 errichtete Kunstwelt geschätzte Architekt Lee Serie unter ihrer Ägide im Südwesten. auf Long Island, der Insel im Südos­ In Sag Harbor im Herzen der Gotteshaus einem anderen heiligen Skolnick mit viel Respekt für die lichte In diesen unberechenbaren Zeiten ste­ ten des Bundesstaats New York, bis Hamptons erwarben Fischl und Gor­ Zweck übergeben: In „The Church“ Atmosphäre des Baus renovierte, sol­ hen weder die Stipendiaten noch Aus­ heute das dominante Thema von Eric nik Land, um es vor Spekulanten zu sollen Künstler arbeiten und Ausstel­ len mit flexiblen Wänden vielfältige stellungen oder Eröffnungsdatum fest, Fischls Bildern. Vor mehr als 20 Jah­ retten, und kauften eine entweihte lungen stattfinden. Funktionen möglich machen. doch Sag Harbor ist schon jetzt seiner ren kehrten er und seine Frau, die Methodisten-Kirche im Zentrum des Mehr noch: „Wir müssen aufhören, Als Direktorin und Chefkuratorin Vergangenheit als Magnet für kreative über Kunst als Kunst zu reflektieren. wählten die Künstler-Philanthropen Geister wie Herman Melville, John Wir müssen anfangen, darüber nach­ Sara Cochran, bis 2018 Leiterin und Steinbeck und Gordon Matta Clarke zudenken, wie die Church Kreativität Chefkuratorin des Scottsdale Museum ein Stück nähergekommen. in die Gemeinde bringen kann“, sagt of Contemporary Art in Arizona, wo Claudia Steinberg Anwalt der Außenseiter Gonzalo Casals, neuer Kulturdezernent von New York City

onzalo Casals verdankt seine Als homosexueller Latino ist Casals verkündet eine von Casals in Auftrag neue Position als Kulturdezer­ ein versierter Anwalt der Außenseiter, gegebene Studie. Doch denkt der Op­ nent der Stadt New York nicht und seine Ausbildung als Architekt timist gar nicht erst an die Rückkehr Gnur seiner Qualifikation als Leiter des hat ihn, so sagt er, zum Problemlöser zur alten Normalität: „Die hat so viele Leslie Lohman Museums, sondern gemacht. Das Leslie Lohman Museum Leute im Stich gelassen, insbesondere vor allem seinem Ruf als radikaler verwandelte Casals von einer geschätz­ die Armen und die Minoritäten“. In Aktivist: Bürgermeister Bill de Blasio ten, aber auf die Kunst weißer Schwu­ der Katastrophe steckt seines Erach­ heuerte den gebürtigen Argentinier ler fokussierten Institution zu einem tens die Chance, unsere existierenden inmitten einer Krise um neue städti­ hochgradig diversifizierten Mitspieler Systeme „mit Schwerpunkt auf eth­ sche Monumente bisher nicht geehr­ in der Kulturlandschaft Manhattans. nischer, ökonomischer, ökologischer ter, aber wichtiger Frauen an, in der Die Pandemie konfrontierte Casals und sozialer Gerechtigkeit“ zu über­ unterschiedliche Interessensgruppen nun mit anderen Problemen. Während denken. Sein Anliegen ist es, Kultur um einen Platz ihrer jeweiligen Kan­ Finkelpearl den Kulturetat von New als eine Erlebnisform weniger Auser­ didatin auf dem Sockel stritten. Casals York City während seiner Amtszeit wählter gegen Kultur als elementares Vorgänger, der allerseits respektierte, um 35 Prozent erhöhen konnte, haben Menschenrecht auszutauschen – „nur aber konfliktscheue Tom Finkelpearl, die Non-Profit-Kunsteinrichtungen in so verändert man auch die Vorstellung, war auf Drängen de Blasios sehr plötz­ New York zwischen März und Juli eine wer ein Experte ist“, glaubt der Idealist. Eric Fischl und April Gornik  Foto: Michael Heller lich abgetreten. halbe Milliarde Dollar eingebüßt. Das Claudia Steinberg

abspeisen lässt; vielmehr wird ein aus­ „Robert“, mit spektakulärer Aussicht der „Original Halal Guys“ oder des Wie New Yorker Museumsrestaurants gefeiltes Menü als Teil der Kunster­ auf Midtown Manhattan. Es ist so gut „King of Falafel“ gleich um die Ecke. fahrung verlangt. Den Weg wies 2005 wie das einzige Speiselokal in einem Und den Besuchern des Met steht die Corona-Krise bewältigen das MoMA-Restaurant des Starkochs New Yorker Museum, das kürzlich wie immer seit 13 Jahren der „Hot Danny Meyer mit Panoramafenstern wiedereröffnete. Zwar sind die meis­ Dog Truck“ von Dan Rossi zur Verfü­ auf den Skulpturengarten und einem ten Institutionen seit ein paar Wochen gung – auch während der sechsmona­ Menü, das mittlerweile 138 Dollar wieder begrenzt zugänglich, doch mit tigen Schließung des Museums hatte Es war in einem unter dem Dach mit Blick auf die kostet. dem stark eingeschränkten Publikum der „Hot Dog King“ seine beiden anderen Jahrtausend, Wipfel des Central Parks war bis Seit der jüngsten Rezession haben scheint sich der Aufwand vorläufig mobilen Stände direkt vor der monu­ als New Yorker Muse­ 2017 den Angestellten, Mäzenen und die New Yorker Museen darüber nicht zu lohnen. Schon im vergange­ mentalen Treppe geparkt, um diesen umsbesucher in den Mitarbeitern vorbehalten, denen die hinaus ihre Restaurants zunehmend nen Jahr veröffentlichte Paul Galloway, idealen Standort nicht zu verlieren. Keller des Metropolitan Museums Lieblingsgerichte von Matisse und als dringend benötigte Einkommens­ Spezialist für die Architektur- und Ein Wiener kostet bei ihm nach wie hinabsteigen mussten, um sich nach Warhol serviert wurden. quelle erkannt. 2010 zog das Guggen­ Designsammlung am MoMA, eine vor drei Dollar, und mit Ketchup und einem langen Besichtigungstag in der Inzwischen sind die kulinarischen heim mit seinem schicken Bistro „The Auswahl seiner liebsten museums­ Mayo kommt die Erinnerung an jene Cafeteria mit zäher Hühnerbrust und Ansprüche kulturbeflissener Bürger Wright“ nach, und das Museum of Art nahen Essgelegenheiten für jene, die ferne Zeit hoch, als es so etwas noch pappigem Pudding zu versorgen. Das soweit gestiegen, dass sich niemand and Design verwandelte seine oberste sich an den Delikatessen des „Modern“ in der Museumscafeteria gab. elegante, aber kunstfreie Restaurant mehr mit einem Fast-Food-Buffet Etage in ein cooles Restaurant namens sattgegessen haben: die Imbisswagen Claudia Steinberg

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Unter Beschuss Pro und Contra Antirassismus-Aktivisten üben vehemente Kritik an US-Museen

Contra: Bernhard Schulz hält die Anschuldigungen für eine Überreaktion

Es ist eine offenbar lang angestau­ dauerhaft: Es geht um die Änderung te Wut, die sich in vielen und immer der Sammlungspolitik, überhaupt um zahlreicher werdenden Museen der eine Neuausrichtung der Museums­ USA entlädt. Wut über Benachteili­ politik. Es genügt nicht mehr, das gung und mangelnde Diversität bis zu Sammlungsgebiet auszuweiten und offenem Rassismus. Die Liste der Vor­ verstärkt – oder überhaupt – Werke würfe ist lang; und wo sie berechtigt von nicht-weißen Künstlern zu er­ sind, kann und darf es keinen Lang­ werben und gegenwärtigen Künstlern mut geben, nicht mehr eine Ausstellungsplatt­ im Jahr 2020. Doch form zu bieten. Es reicht häufig sind die Anschul­ Das Ritual der nicht, das Zielpublikum digungen alles andere An- und Entschuldi- neu zu definieren, wie als glasklar. Vielfach es – mit großem Erfolg – geht es um Stimmungen gungen ähnelt fatal Museen in überwiegend und um nachträgliche der Praxis nicht-weißen Stadtteilen Interpretation von gewe­ von Diktaturen. längst gemacht haben. senen Zuständen. Wenn Quotenregelungen für Jasper Johns: „Target“ Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, Britta Schlier sich ein Vorwurf darauf jede Art von Tätigkeit, beschränkt, sich „nicht willkommen“ von Liberalen als unvermeidlich hin­ gefühlt zu haben, ist der Willkür Tür genommen oder gar begrüßt, bereiten und Tor geöffnet. Ach, der Direktor den Weg zur Abschaffung kunsthisto­ Pro: Claudia Steinberg hat Verständnis für die Proteste hat mich schon immer so komisch rischer Kriterien. angeschaut? Nicht oft genug mit mir Manche radikalen Forderungen in Seit der Mord an George Floyd als heutiger Warte wirkt das Johns-Bild die „MeToo“-Bewegung Konsequen­ geredet? Meine Vorschläge nicht sofort den USA gehen bereits dahin, Samm­ Kulmination so vieler afro-amerika­ „Target“, entstanden bereits 1974, wie zen für sexuelle Übergriffe oder selbst in die Tat umgesetzt? Das Leitungsper­ lungen von missliebigen Künstlern nischer Opfer von Polizeigewalt eine ein Symbol dafür, dass der alltägliche Anspielungen einforderte, muss ras­ sonal von US-Museen sitzt derzeit auf und ihren Werken zu säubern. Die neue Bürgerrechtsbewegung her­ Rassismus zur Zielscheibe des Protests sistisches Verhalten in der kulturellen ganz heißen Stühlen. Das aufgekom­ traditionellen vier Kernaufgaben des vorbrachte, ist die kulturelle Sphäre geworden ist. Domäne unterbunden und geahndet mene Ritual von An- und Entschul­ Museums – sammeln, bewahren, er­ plötzlich von einer nie dagewesenen Vor allem grassiert er in den Spit­ werden. Der Rechten ist es gelungen, digungen ähnelt fatal der Praxis von forschen, ausstellen – geraten unter Fülle schwarzer Künstler, Designer, zeninstitutionen der USA. Museen die sogenannte politische Korrektheit Diktaturen, mit erzwungener „Selbst­ Beschuss. Genau das, was den Museen Modemacher und Autoren belebt. Es werden noch immer weitgehend von als eine Hexenjagd abzustempeln, aber kritik“ bis hin zur Selbstbestrafung. vorgeworfen wird, nämlich einseitig ist ein Moment der Entdeckungen, Weißen geführt, und 56 Jahre nach der nur die ständige Bewusstmachung Vor allem gibt es, anders als in or­ und vorurteilsbeladen, eben „biased“ aber auch der Abrechnung mit dem Verabschiedung des „Civil Rights Act“ tief verwurzelter Stereotypen bringt dentlichen Gerichtsverfahren, keine zu sein, wird in umgekehrter Richtung eingesessenen Rassismus, der alle sind farbige Menschen selbst in ver­ Veränderung. unabhängige Instanz mehr, die den gefordert. Bereiche der amerikanischen Gesell­ meintlich progressiven Institutionen Nicht alle Unterdrückung ist unbe­ Wahrheitsgehalt von Vorwürfen prüft Die verunsicherte US-Museums­ schaft durchzieht. Auch hierzulande Aggressionen, Vorurteilen und man­ wusst: So bekannte sich unlängst die und Verfehlungen anhand objektiver welt befindet sich in einer Krise. Die hat diese Dynamik Spuren in der gelndem Vertrauen in ihre Kompetenz 274 Jahre alte Princeton University zur Kriterien bemisst. Kläger spielen sich kann sie nur überstehen, wenn sie ihre Ausstellungslandschaft hinterlassen. ausgesetzt. Mit der Fremdenfeindlich­ systematischen Diskriminierung von zugleich als Richter auf, und die ge­ Kernaufgaben benennt und verteidigt. So zeigte beispielsweise das Kölner keit hat der Rassismus gemeinsam, Schwarzen. Es sind Institutionen wie forderten Konsequenzen zielen gera­ Als Ersatzschauplatz gesellschaftlicher Museum Ludwig unlängst eine Aus­ dass er oft unbewusst ausgeübt wird: diese, aus der Kuratoren und Muse­ dewegs auf die berufliche Vernichtung Konflikte ist die Institution Museum stellung mit US-Kunst („Mapping the Die Selbstverständlichkeit, mit der umsdirektoren hervorgehen. „Black der Beschuldigten, im Zweifelsfall ungeeignet. Die geforderte Teilhabe Collection“) und berücksichtigte da­ neue Kunden die schwarze Galeristin Lives Matter“, die wohl erfolgreichs­ gestützt auf die Wirkmacht Sozialer bedeutet, allen Gruppen der Bevölke­ bei neben Klassikern wie Jasper Johns, Karen Jenkins-Johnson aus San Fran­ te Bürgerrechtsbewegung seit den Netzwerke, in der jeder gewünschte rung Zugang zu ermöglichen, nicht Roy Lichtenstein und cisco für eine Angestellte halten, re­ 1960er-Jahren, zwingt diese Elite-Ein­ Shitstorm entfacht werden kann. Der­ aber, als „privilegiert“ stigmatisierte besonders auch queere und indigene flektiert nur die internalisierte gesell­ richtungen, sich mit ihrem Rassismus lei mag vorübergehend sein, und ist auszuschließen und neue Privilegien Künstler sowie „artists of color“. Aus schaftliche Rangordnung. Ebenso wie auseinanderzusetzen. es hoffentlich. Andere Eingriffe sind zu verankern.

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Kraftfeld der Erinnerungen“, die im und („anziehend. Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Kunst-Kleider und textile Objekte“, Ausstellungsübersicht zu sehen ist. Mit Werken von zwölf bis 8.11.). Sanfter Gegenwartskünstlern vergegenwärtigt Was Museen und Kunsthallen im November zeigen die Schau ungewöhnliche Formen des Stuttgart individuellen Erinnerns und Geden­ Für das Projekt „WÄNDE I WALLS“ Radikaler kens an Verstorbene. Dabei treten die haben sich das Kunstmuseum Stutt- Memorial-Arbeiten von Künstlern gart und das StadtPalais – Museum Essen: Keith Haring im wie Christian Boltanski, Sofia Hultén, für Stuttgart zusammengeschlossen. Museum Folkwang Tina Ruisinger und Dorothee von Konzentriert sich das Kunstmuseum Windheim in einen Dialog mit ein­ auf Wandarbeiten und Installationen schlägigen Objekten aus der Samm­ im Innenraum (unter anderem von Schon erstaunlich, wie sicher der jun­ lung des Museums (bis 28.2.2021). Monica Bonvicini, Maurizio Cattelan, ge Keith Haring seine Kreise da aufs Bruce Nauman und ), so Papier zieht. Da ist der 19-Jährige Linz widmet sich die Ausstellung im Stadt­ gerade von Pittsburg ins New Yorker Am 8. März konnte Franz Gertsch Palais der Graffitikunst Stuttgarts von East Village umgezogen und hat sich seinen 90. Geburtstag feiern. Anlass den Anfängen in den späten 1980er- als Student in der School of Visual für das Lentos Kunstmuseum Linz, Jahren bis heute (bis 31.1.2021). Arts eingeschrieben. Dort beginnt dem Schweizer Fotorealisten, Teil­ er sein „Circle Play“. Auf dem Boden nehmer der documenta 5 (1972), eine Waldenbuch Papierbahnen, in der Mitte hockt ein Hommage auszurichten, die sich auf Vera Molnar (Jahrgang 1924) gilt als Schauspieler und spricht Gedichte. Gertschs entscheidende Schaffenspha­ eine der wichtigsten Vertreterinnen Haring, in der einen Hand den Far­ se der 1970er-Jahre konzentriert (bis der konstruktiv-konkreten Kunst und beimer, in der anderen den Pinsel, 21.2.2021). zählt zu den ersten Künstlerinnen malt wie ein Derwisch in Windeseile überhaupt, die Werke mit dem Com­ den Boden voll mit Kreisen, Strichen, München puter schufen. Seit ihren Anfängen mehrwürdigen Zeichen. Leider haben Ein körperbewusstes Gemälde von steht die Lust am systematischen Ex­ sich die Papierbahnen nicht erhalten. Pierre Soulages: „Peinture“ Foto: Privatsammlung Maria Lassnig, entstanden 1958, mar­ periment im Schaffenszentrum der seit Doch kann man den Künstler (1958 kiert den zeitlichen Anfangspunkt der 1947 in Paris lebenden Ungarin. In der bis 1990), dem das Essener Museum Ausstellung „Die Sonne um Mitter- Sammlung von Marli Hoppe-Ritter ist Folkwang nun eine Solopräsentation nacht schauen“, mit der die Städtische Vera Molnar mit zahlreichen Arbeiten ausrichtet, in einem Video beim Kreis­ Baden-Baden bis 6.6.2021 im Museum der bildenden Galerie im Lenbachhaus spannende vertreten. Überfällig von daher, eine spiel (1979) zusehen. Sage und schreibe acht Jahrzehnte um­ Künste, Leipzig). Gegenwartskunst aus ihrem Bestand Einzelausstellung im Museum Ritter, Die hervorragende Ausstellung spannt die aktuelle Werkübersicht von Revue passieren lässt. Am anderen Waldenbuch (bei Stuttgart), ins Pro­ im Museum Folkwang wirft einen Pierre Soulages, mit der das Museum Ende des chronologischen Spektrums, gramm zu nehmen. Die Schau „Pro- Blick auf das ungemein kreative New Frieder Burda den legendären franzö­ fokussiert auf Identitätsbildung, Hu­ menades en carré“ ermöglicht einen York der 1980er-Jahre. Der schmäch­ sischen Künstler feiert. Gerühmt wird manität und Sexualität, steht die in­ repräsentativen Werküberblick (bis tige Haring taucht ein in die Under­ Soulages (Jahrgang 1919), der letzte dische Künstlerin Tejal Shah, deren 11.4.2021). groundszene und wird über Nacht, noch lebende herausragende Vertreter in München gezeigtes Werk erstmals aber gewiss nicht im Schlaf zum inter­ des Abstrakten Expressionismus, als bei der documenta 13 im Jahr 2012 zu nationalen Star. Im Sommer 1988 er­ „Maler des Schwarz und des Lichts“. sehen war (bis 1.8.2021). fährt er, dass er HIV-positiv ist. Zwei Im weißen Museumsbau, entworfen Jahre später stirbt Haring in New York, von Richard Meier, entfalten sich seine keine 32 Jahre alt. „Eine abgebrochene Werke in spannungsvoller Dialektik Künstlerkarriere“, sagt Hans-Jürgen (bis 28.2.2021). Caspar David Friedrich: „Lebensstufen“ Lechtreck, der Kurator der Ausstel­  Foto: InGestalt, Michael Ehritt, lung, und fragt, was erst alles noch Düsseldorf MdbK Leipzig entstanden wäre, wenn dieses unent­ Im Düsseldorfer Kunstpalast trifft die Vera Molnar: „Édifice hétéroclite I“ wegt arbeitende Crossover-Genies sächsische Landschaftsmalerei des 19. Erlangen  Foto: Schmölzer & Hollinger nur länger gelebt hätte. Aber auch so Jahrhunderts auf Werke der Düssel­ Über Jahrzehnte zählten Wilhelm und schon ist es unglaublich viel. Die Aus­ dorfer Malerschule. Die Ausstellung Elly Kuch zu den prägenden Figuren Maria Lassnig: „Mehlspeisenmadonna“ stellung aber behält bei allem doch den „Caspar David Friedrich und die der Keramik-Szene. Den 95. Geburts­  Foto: Lenbachhaus, Kunstbau München, Waldkraiburg Überblick. In einem offenen Raum­ Düsseldorfer Romantiker“ will dar­ tag von Wilhelm Kuch nimmt das Maria Lassnig Foundation In ihren Selbstporträts adaptiert und gefüge können wir uns frei bewegen legen, dass der Austausch der beiden Kunstmuseum Erlangen zum Anlass, verfremdet Undine Goldberg be­ und doch gut orientieren. Scherz und damaligen Malereizentren von Ge­ um ihn und seine 2008 verstorbene Paderborn rühmte Vorgängerbildnisse, beispiels­ Krieg, Kitsch und Kunst, Religion und gensätzen und Kritik, aber auch von Frau mit einer großangelegten Schau Unter dem Slogan „Get dressed!“ ha­ weise von Vincent van Gogh oder Max Sex, Tod und grelles Leben sind hier erstaunlichen Korrespondenzen ge­ zu würdigen (bis 22.11.). ben sich fünf Museen in Paderborn Beckmann. Eine Soloausstellung der derart verquirlt, dass es einem den prägt war. Hierfür werden Werke von zusammengetan, um die Parallelen Berliner Künstlerin in der Städtischen Magen umdreht und doch untrüglich Friedrich (1774 bis 1840) und seinen Kassel von Textilien und zeitgenössischer Galerie Waldkraiburg erschließt ne­ eins zeigt: Keith Haring war ein großer Dresdner Malerfreunden Carl Gustav „Denken Sie immer daran, mich zu Kunst auszuloten. In diesem Kontext ben dieser Werkgruppe, die zwischen Künstler, dessen sanfter kindlicher Ra­ Carus, Ernst Ferdinand Oehme und vergessen!“ – die Inschrift, die Timm untersucht eine umfangreiche Grup­ entschiedener Selbstbehauptung und dikalismus die Kunst selbst veränderte. Ludwig Richter mit Bildern bekannter Ulrichs (Jahrgang 1940) schon 1969 penausstellung der Städtischen Gale- sensibler Neuinterpretation chan­ Er ist aktueller denn je. Düsseldorfer Maler konfrontiert; die für eine Grabtafel in Form eines auf­ rie in der Reithalle Paderborn diese giert, auch Goldbergs großformatige Carl Friedrich Schröer Rede ist von Andreas Achenbach, Carl geschlagenen Buches konzipierte, Wahlverwandtschaft unter anderem in Blumenstillleben, die in jüngster Zeit Friedrich Lessing und Johann Wil­ empfängt die Besucher am Eingang Form von Werken von Joseph Beuys, entstanden sind (bis 20.12.). „Keith Haring“, Museum Folkwang, Essen, helm Schirmer (bis 7.2.2021; vom 3.3. der Ausstellung „*MEMENTO* – Im Axel Lieber, Dieter Roth, Ansgar Skiba Jörg Restorff bis 29.11.

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ein, sagt Walter Smerling auf beeindruckende Künstlerliste. Die Anfrage, mit dem Fall Alexej länderübergreifende Gruppenschau, Nawalny und den aktuellen Das Großprojekt eine Kooperation mit dem Verein Ndeutsch-russischen Verstimmungen Petersburger Dialog, flankiert vom habe es nichts zu tun. Aus dem Kultur­ „Diversity United“: Europäische Gegenwartskunst in Berlin, Moskau und Paris Auswärtigen Amt in Berlin, wird von ministerium in Moskau sei ihm mitge­ unzähligen Prominenten unterstützt teilt worden, dass das Großprojekt „Di­ und verspricht, das Kultur-Ereignis versity United“, das Mitte November 2021 zu werden. Hochkarätig besetzt in der Tretyakov Gallery starten sollte, der kuratorische Beirat, darunter aus Gründen der Pandemie nicht statt­ Bernard Blistène, der Pompidou- finden könne. Smerling, der Spiritus Direktor, Christiane Lange, Staatsga­ Rector des Drei-Länder-Projekts zum lerie Stuttgart, und Hermann Parzin­ Frieden und zur Verständigung, und ger, der Preußen-Stiftungspräsident, die Tretyakov-Generaldirektorin Zel­ sowie ZKM-Übervater Peter Weibel. fira Tregulova hatten alles getan, um Im Projekt-Beirat hat Walter Smer­ in schwierigen Zeiten einen hoffnungs­ ling derweil insbesondere Vertreter vollen Impuls auf der Ost-West-Achse aus der Wirtschaft platziert, beispiels­ zu geben. Auftakt in Moskau, Fortset­ weise Kai Diekmann, Sigmar Gabriel, zung in Berlin, Finale in Paris: So war Jürgen Großmann, Thomas Lange und es vorgesehen. Prominentere Schirm­ Lars Windhorst. Dessen Stiftung ge­ herren als Frank-Walter Steinmeier, hört obendrein zur Sponsoren-Riege, Emmanuel Macron und Vladimir Pu­ wo die Daimler AG eine herausragen­ tin sind zudem kaum vorstellbar. de Rolle spielt. Natürlich lässt ein sol­ Allein die Ausstellungsarchitektur, : „Suspended (Sky Blue)“ Foto: Künstler, Hauser & Wirth and Marian Goodman Gallery ches, kaum endendes Namedropping die extra geschaffen wurde, um die stets den Verdacht aufkommen, dass Wünsche von insgesamt 90 Künstlern da jemand die große Windmaschine zu erfüllen, so der langjährige Taktge­ dann, Sommer 2021, von Tempelhof haben, obgleich er das am liebsten be­ erläutert er. „Künstler sind in der Lage, angeworfen hat. Indes: Wo Smerling ber der Stiftung für Kunst und Kultur zurück zur Tretyakov Gallery geht, streiten würde. Der Kurator, der mit diese Welten zu vereinen und sie zu draufsteht, ist er auch mit Strategie­ in Bonn und des Museums Küppers­ um schließlich Paris, Palais de To­ Politikern und Wirtschaftsbossen so gestalten.“ power und Herzblut im Einsatz. Und mühle in Duisburg, Walter Smer­ kyo, mit jenen über 200 Kunstwerken vertraut ist wie mit Künstlern und Mu­ Folglich sollen Arbeiten präsen­ weltweit umschwärmte Künstler wie ling, Jahrgang 1958, sei ein Traum, anzusteuern. seumskollegen, agiert gerne internati­ tiert werden, die den europäischen Georg Baselitz, Christian Boltanski, „höchstes Museumsniveau“. Rund 800 Dass das lange vorbereitete, kosten­ onal, über sämtliche Grenzen hinweg. Dialog forcieren, die Themen wie Gilbert & George, Ilya und Emilia Ka­ Meter Wand, knapp fünf Meter hoch intensive Vorhaben, im Spannungsfeld Keine Herausforderung zu groß, keine Freiheit und Respekt sowie Konflikt bakov, Anselm Kiefer, Gerhard Rich­ und 80 Zentimeter tief – „alles bereit“, von Kunst und Politik verortet, kurz­ Aufgabe zu schwer. „Europa besteht und Entspannung bildnerisch um­ ter oder Rosemarie Trockel würden doch jetzt erst mal Umplanung. Von fristig neu ausgelotet werden muss, aus vielen großartigen Landschaften, setzen. Von Monica Bonvicini und bekanntlich nicht mitmachen, wenn Moskau nach Berlin, wo vorsichtlich frustriert Smerling nicht wirklich. Er nicht nur in geografischer, sondern Maurizio Cattelan über Olafur Eli­ „Diversity United“ nur eine Luftnum­ im Februar oder im März die Premi­ gehört zu den Ausstellungsmachern, auch in zivilgesellschaftlicher, in po­ asson und Mona Hatoum bis zu Anri mer wäre. ere vollzogen werden soll, bevor es die immer einen Plan B in der Tasche litischer und kultureller Hinsicht“, Sala und – eine Karlheinz Schmid Viel Stoff zum Denken Karlsruhe: „Critical Zones“ im ZKM

ritical Zone“, so heißt in den eine Dauerkarte lohnt. In drei Stunden den einzelnen Bereichen und Werken perfekt inszenierten Ambiente überall hinweg, die man auf einer Länge von Geowissenschaften die weni­ durchzukommen? Eine Illusion. Alles stehen, ist die Vermittlung vom Ansatz so dunkel ist, dass man ohne zusätzli­ einer Stunde auch nicht in einer Aus­ ge Kilometer dünne oberste zu verstehen? Noch illusorischer. Mit her sehr gut gedacht. Trotzdem irrt man che Lichtquelle nur die angeleuchteten stellung betrachten will. CSchicht der Erde, die das Leben auf einem „Fieldbook“, in dem Texte zu durch den Raum, auch weil es in dem Objektschilder entziffern kann. Dieses Großprojekt zeigt einmal unserem Globus möglich macht. Peter Das Künstlerkollektiv Forensic Ar­ wieder, dass das ZKM weit mehr als Weibel, Intendant des ZKM | Zentrum chitecture präsentiert in einem Video ein Museum ist. „Critical Zones“ ist für Kunst und Medien in Karlsruhe, seine naturwissenschaftlichen For­ keine Kunstausstellung, sondern ein und der Soziologe Bruno Latour haben schungen zum Krieg im Gaza-Streifen. inszenierter Gedankenraum, der un­ diesen Begriff entlehnt und als Titel Es analysiert anhand der Form von terschiedliche Positionen zur Zukunft über ihr aktuelles Großprojekt gesetzt: Wolken, welche Bomben geworfen unseres Planeten Erde präsentiert. Vor „Critical Zones. Horizonte einer neuen wurden und welche Pestizide die Israe­ allem aber ist „Critical Zones“ eine Erdpolitik“, so lautet das Motto der lis mit Flugzeugen versprühten, so dass Präsenz im Internet und ein 472-seiti­ Ausstellung. Deren Spektrum reicht sie hinüberwehten ins palästinensische ges Lesebuch: genügend Stoff für einen von inszenierten naturwissenschaftli­ Gebiet und dort die Felder kontami­ Herbst und Winter unter den Bedin­ chen Feldstudien über Video-Installa­ nierten. Die Installation „Cloud Stu­ gungen von Corona. tionen, Dokumentationen, historische dies“ ist formal bezwingend konzipiert Susanne Kaufmann Bücher und Landschaftsmalerei bis hin und schlägt einen sofort in den Bann, zu Objekten, die üblicherweise in Na­ was anderen Videos nicht gelingt. Gut „Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik“, turkundemuseen zu finden sind. Das Territorial Agency: „Oceans in Transformation. The Architecture of the gemeint, kommen sie nicht über das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe, gibt so viel Stoff zum Denken, dass sich Continental Shelf“ Foto: Künstler, ZKM, Elias Siebert Level einer dürftigen Dokumentation 23.5. bis 28.2.2021.

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Reiz des Morbiden Berlin: „Der belgische Symbolismus“ in der Alten Nationalgalerie

unkel sind die Straßen, gegliedert und, noch ein guter Ein­ schwarz die Gewässer, freud­ fall, hier und da mit nicht-belgischem los das Grün der Natur. Über­ Symbolismus ergänzt, mit Arbeiten Dall lauert etwas, hinter jeder Tür, auf etwa von Böcklin, Stuck oder Hod­ jeder Stiege. Die Kunst des belgischen ler, um die europaweite Bewegung Symbolismus ist nichts für einen unbe­ des Symbolismus gegen Ende des 19. schwerten Ausflug ins Museum. Was Jahrhunderts zu zeigen. Es war eine Ralph Gleis, der entdeckerfreudige Kunst noch „vor“ Freud, aber bereits in Leiter der Alten Nationalgalerie Berlin, Vorahnung dessen, was bald Gemein­ in belgischen Museen und Sammlun­ gut werden sollte, der Kenntnis der gen gefunden hat, ist hierzulande weit­ Mächte des Eros wie des Todestriebs, gehend unbekannt, sieht man einmal vor allem aber der allgegenwärtigen von einem Postkartenbild wie dem der Neurosen. „Liebkosungen“ von Fernand Khnopff Gerade Belgien, dieser kontinen­ ab, dieser Begegnung von Leoparden- taleuropäische Vorreiter von Industri­ Sphinx und eher wenig begeistertem alisierung und Entfremdung, kosmo­ Jüngling. politisch und vereinsamt zugleich, bot Mochte man dieses Gemälde bis­ den idealen Nährboden für Dekadenz Ludwig von Hofmann: „Brandung“, 1910 Foto: Alfons Niedhart lang als Kuriosität abgetan haben, so und die schwarze Lust daran, auch die werden sie nun in größerem Zusam­ Freude an der erotischen und antikle­ menhang als „Seelenmalerei“ deutlich. rikalen Provokation. Doch überwiegt Was die Künstler-Individualisten in die Angst vor dem allgegenwärtigen der Nacht als Traum anfiel, was sie Unheil wie vor dem Abgrund im eige­ Ausdauer wird belohnt an trüben Tagen inner- wie außerhalb nen Selbst. Dass Léon Frédéric („Ate­ ihrer Häuser zu sehen vermeinten, das lierinterieur“, 1882), Fernand Khnopff Baden-Baden: „Die Optimierung des Körpers im 19. Jahrhundert“ brachten sie auf die Leinwand, als ob („Schumanns Werken lauschend“, es Realität sei oder sein könnte. Dar­ 1883) oder der nahezu unbekannte im Museum – Kulturhaus LA8 aus bezieht der belgische Symbolismus Degouve de Nunques („Brügge am seine Stärke: dass er Phantastereien Abend“, 1889) ganz hervorragende und Phantasmagorien ganz wörtlich Maler sind, macht die Berliner Aus­ m späten 19. Jahrhundert spielte erfuhren, illustrieren dort Gemälde Bildenden Kunst sowie die literarisch- nimmt. James Ensor, bekanntester der stellung über den Reiz des Morbiden die edle Wandelhalle des Kurortes sowie diverse Papier- und Fotoarbei­ philosophische Wirkungsgeschichte hier versammelten Maler, stellt sich als hinaus zu einem Ereignis. Man ahnt, Baden-Badens als Vorläufer heuti­ ten die Vielfalt der heute mitunter in der Vorstellung vom Menschen als bereits Gestorbenen dar, als Gerippe warum man Belgien schon immer ein Iger Fitness-Studios eine Pionierrolle. skurril anmutenden Kurpraktiken. einem Automaten, etwa bei Heinrich im Anzug, das unverdrossen im Ate­ wenig unheimlich fand. 1880 waren hier die ersten Geräte zum Honoré Daumier hat in seinem „Tro­ von Kleist. lier werkelt. Bernhard Schulz Freilufttraining in einer Reihe auf­ ckenunterricht“ jenen bedauernswer­ Den gemeinsamen Nenner zwi­ Ralph Gleis hat seine mit knapp gebaut. Zu diesen historischen Turn­ ten Menschen gezeichnet, der unter schen medizinischer Technik sowie 200 Werken überraschend umfang­ „Dekadenz und dunkle Träume. Der belgische apparaten gehörte beispielsweise der den strengen Blicken seines Physio­ Malerei und Skulptur sieht diese Aus­ reiche Ausstellung unter dem Titel Sym­bolismus“, Alte Nationalgalerie, Berlin, gusseiserne Rumpfdrehstuhl von Gus­ therapeuten in einer frei im Raum stellung in Baden-Baden darin, dass „Dekadenz und dunkle Träume“ klug bis 17.1.2021. tav Zander (1835 bis 1920), der auf heu­ hängenden Schlinge mit verzweifelter beide Disziplinen sich im 19. Jahrhun­ tige Fitness-Enthusiasten eher furcht­ Miene das Schwimmen lernen will. dert zu „experimentellen Diskursräu­ einflößend wirkt. Dies und vieles mehr, Einige Schritte weiter findet man ei­ men der Erforschung, Verschönerung was über das Baden hinaus zu einem nen Spruch von Wilhelm Busch an der und Optimierung des menschlichen besseren Körperselbstbewusstsein bei­ Wand: „Ausdauer wird früher oder Leibes“ entwickelten. Die Präsentation tragen konnte, veranschaulicht eine später belohnt – meistens aber später“. im Museum – Kulturhaus LA8, das hintersinnig inszenierte Ausstellung Die dynamisch illustrierten gymnas­ sich traditionell mit der Wechselwir­ im Museum – Kulturhaus LA8 Baden- tischen Übungen des Naturheilkund­ kung von Kunst und Technik im 19. Baden, betitelt „Baden in Schönheit: lers und Lebensreformers Friedrich Jahrhundert befasst, ist Teil eines Ko­ Die Optimierung des Körpers im 19. Eduard Bilz sind heute durchaus noch operationsprojektes rund um das The­ Jahrhundert“. nachahmenswert. ma Baden; daran beteiligt waren unter Bestaunen kann man hier all die Auch erfahren die Besucher von anderem die Staatliche Kunsthalle vielfältigen Auswirkungen des tech­ der Technikeuphorie in der Heilkunde Baden-Baden und das Stadtmuseum nischen Fortschritts auf den mensch­ als Folge der Industrialisierung – da­ der Schwarzwald-Kurstadt. lichen Körper – gelegentlich unter raus hervor ging unter anderem die Uta M. Reindl Einsatz von abenteuerlichen Gerät­ Prothese als Reparaturtechnik für schaften. Neben schrägen Artefakten den menschlichen Körper. Im lesens­ „Baden in Schönheit. Die Optimierung des Kör- wie Zinkwannen, mit denen Arme und werten Katalog erschließt sich zudem pers im 19. Jahrhundert“, Museum – Kulturhaus Arnold Böcklin „Die Toteninsel“, 1883 Beine eine elektrische Behandlung die Bedeutung des Fragments in der LA8 Baden-Baden, bis 28.2.2021.  Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Andres Kilger

VON DER HEYDT- MUSEUM WUPPERTAL Vision und Schrecken der Moderne Industrie und künstlerischer Aufbruch

Trügerische 8. 11. 2020 — 21. 2. 2021 Kunstsammlungen am Theaterplatz Bilder Ein Spiel Silbergelatine-Abzug, 1992, Motiv: Dirk Braeckman, E-101-92, Berlin Antwerp & Thomas Fischer Gallery, Courtesy Zeno X Gallery, Bild-Kunst, Bonn 2020 © VG mit Malerei und Fotografie 31.10.20 — 28.02.21 Marta Herford Marta Herford für Kunst, Architektur, marta-herford.de 05221.994430-0, Tel November 2020 KUNSTZEITUNG 11

Feministische Ikone : Artemisia Gentileschi in der

ie April-Eröffnung dieser mit weiblichen Akt. So hautnah, einfühl­ zu Literaten, Wissenschaftlern wie Spannung erwarteten Ausstel­ sam und dabei voll kompositioneller Galileo Galilei und zum Medici-Hof. lung mit Bildern von Artemi­ Kraft schildert sie die Szene mit der Auf sich gestellt, erfolgreich und gefei­ Dsia Gentileschi (geboren 1593, gestor­ von Voyeuren bedrängten Badenden, ert, doch stets in Geldnöten, beliefert ben um 1654) fiel der Pandemie zum dass man nicht umhinkann, Artemisi­ sie ihre aristokratischen Auftragge­ Opfer. Nun aber erhielt die italienische as turbulente Vita parallel zum Kunst­ ber später wieder von Rom, Venedig, Barockmalerin grünes Licht und da­ genuss zu bedenken. London und zuletzt von Neapel aus. mit auch die erste Würdigung einer Eigene Erfahrung spielte wohl Hier kooperierte sie auch mit anderen Malerin unter den Altmeistern in der mit im Vorfeld ihrer Vergewaltigung Künstlern bei der Erstellung großer Londoner National Gallery. Jahrhun­ im folgenden Jahr durch Agostino Altargemälde. dertelang übersehen, wurde sie erst in Tassi, einem Assistenten ihres Vaters. Doch beeindrucken neben den den letzten Jahrzehnten auch als femi­ Es kam zu einem aufsehenerregen­ biblischen und mythologischen Mo­ nistische Ikone wiederentdeckt. Die den Prozess, dessen Abschrift jetzt tiven vor allem ihre Selbstbildnisse in Hälfte ihrer rund 60 bekannten Werke in London ausliegt. Ihre Familie ge­ diversen Rollen, in denen sie uns mit zeigt jetzt, „was eine Frau vermag“, wie wann, rasch wurde sie verheiratet und festem Blick begegnet. Mit einem per­ sie selbstbewusst an einen Auftrag­ zog nach Florenz. Ihr berühmtestes sönlichen Manifest schließt auch diese geber schrieb. Thema, ihr sogenanntes „Rachebild augenöffnende Ausstellung: Vor einer Und bereits das früheste signierte an Tassi“, malte sie noch in Rom, Staffelei arbeitet sie, vom Betrachter Werk der Siebzehnjährigen, die im eine zweite Version in Florenz: So abgewandt, mit dem Zeichenstift in römischen Studio ihres Vaters Orazio drastisch und brutal, mit solcher Ve­ der Rechten, die Palette in der Linken. Gentileschi ausgebildet wurde, er­ hemenz schneidet hier eine zu allem „La Pittura“ heißt diese Allegorie. Nur staunt: Aus den Kunstsammlungen entschlossene Judith dem feindlichen darauf, auf die Malerei, ist Artemisia Graf von Schönborn in Pommersfel­ Holofernes das Haupt ab, dass Arte­ hier konzentriert. den kam das biblische Thema „Su­ misia auch Vorbilder wie Caravaggio Heidi Bürklin sanna und die beiden Alten“ von 1610, übertraf. ein damals beliebter Vorwand für In Florenz begann ihre internatio­ „Artemisia“, National Gallery, London, Artemisia Gentileschi: „Susanna und die beiden Alten“, 1610 einen mehr oder minder entblößten nale Karriere. Sie pflegte Beziehungen bis 24.1.2021.  Foto: Kunstsammlungen Graf von Schönborn

und keine Wahrheit behauptet, wo wirklich verstehbar gewesen. Ohne ein wenig banal an und vernutzt sich Weshalb Krieg und Schrecken alles maskiert sein muss. Bilder schon gar nicht. Der Kreuzes­ rasch in der ästhetischen Perfektion. „Selig“, dichtet Goethe, „wer sich tod gehört zu den frühesten Bildauf­ Das ergiebigere Bildreservoir die Phantasie anregen ohne Hass vor der Welt verschließt.“ gaben der nachantiken Kunst. Dem sind noch immer Gefährdung und Selig die Abstraktion, die die lästigen Leben Christi hat die Malerei kaum Bedrohung gewesen. Die Zeichen für Weltgegenstände lässig losgeworden einmal bleibende Bilder abgewinnen Lebenszufriedenheit lassen sich zwar ist und ihr entlastetes Spiel der können, nur sein Tod ist ikonisch erfolgreich wiederaufführen, aber Formen und Farben begonnen hat. geworden. Pathos und Pathologie ha­ die Bilder, die der angstvolle Respekt Zu Ende freilich lässt sich das Spiel ben die gleiche Wurzel, das griechi­ entwirft, müssen stets neu erfunden Was wird zuletzt Man versteht seine Zeit ohne Bilder nicht spielen. Und schon gar nicht sche Wort für Leiden. Vielleicht ist es werden. Wenn wir es so bedenken, das Corona-Bild nicht. R-Faktor, Inzidenz-Zahlen – lässt sich über dem Spiel die Welt ja wirklich so, dass Krieg, Krankheit, könnte Corona auch so etwas wie die des Jahres sein? Die wir sind die Diagramme gründlich vergessen. Die Künste sind auf ihrer Schrecken die Phantasien ungleich Anschubfinanzierung einer Zeitkunst Leichenzelte im New leid, all die atemlosen Algorithmi­ Hauptstrecke immer Welterzählun­ nachhaltiger anregen als Glück, Frie­ sein, die in ihren Weisen des Erzäh­ Yorker Central Park? Der durchtrai­ sierungen der beschädigten Körper gen gewesen, überwältigende Versu­ de, Geborgenheit. Selbst Schönheit, lens die unvordenkliche Erfahrung nierte Athlet, der nach vier Wochen und beschädigten Seelen. Gerade che, das Unsichtbare im Sichtbaren für deren Idealisierung die Kunst ja des Krankseins und Gesundseins Intensivstation den Rollator braucht? jetzt wäre der Bedarf an Bildern groß. zu zeigen und dem Unsagbaren doch einige Zuständigkeit beanspru­ inmitten der Krankheit über den Der amerikanische Präsident, der aus An Zeichen für die Wahrheit des Ausdruck zu geben chen darf, lässt sich im Vergleich zu historischen Augenblick hinaus im dem Militärhospital ausbüxt und sich Unwahrscheinlichen, die das Unver­ Auch die christliche Botschaft den Sensationen des Dunkelseitigen, Gedächtnis bewahrt. im SUV durch die Stadt fahren lässt? standene nicht verstehbar machen will ist, wenn man es recht bedenkt, nie Verdrängten, Abgründigen immer Hans-Joachim Müller

54. INTERNATIONALER KUNSTMARKT 18. — 22. NOVEMBER 2020 COLOGNE

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139x140_COFAD20_Kunstzeitung_DE.indd 1 06.10.20 13:56 139x140_ART20_H_Kunstzeitung_ISOnewspaper.indd 1 02.10.20 13:42 Amoklauf wegen Corona wegen Amoklauf N Aug’ in Aug’ gegenüberzustehen. gegenüberzustehen. Aug’ in Aug’ Heidi Bürklin über Schädlinge, die vom Lockdown in den Museen profitierten Museen den in Lockdown vom die Schädlinge, über Bürklin Heidi 12 n e d r u w Kassandrarufe sa Masken, Voranmeldung, Pforten. Belohnung, endlich der Kunst wieder wieder Kunst der endlich Belohnung, nitäre Gels, vorgeschriebene Routen, vorgeschriebene Gels, nitäre Sicherheit für Personal wie Besucher Besucher wie Personal Sicherheit für diesen Maßnahmen, winkt doch als als doch winkt Maßnahmen, diesen eine Hauptrolle. Und gerne folgt man man Und folgt gerne Hauptrolle. eine die In folgen muss: strikt man denen ohne ihre Bewunderer? Bewunderer? ihre ohne selbst die monatelange die Zwangspause selbst Corona ser Frank-Walter Steinmeier Bundespräsident von Unter der Schirmherrschaft www.ludwigforum.de Di-So 97-109 Straße Jülicher Wie aber überstanden die Werke die überstanden Wie aber

10-18 /Do duerer vergangenen Wochenvergangenen bri die tischen Museen erneut ihre ihre erneut Museen tischen ach und nach öffneten in den den in öffneten nach und ach 2020. 10-20 de -

Choreographie spielt die die spielt Choreographie

www.duerer2020.de  Spezialisten für Job ein ist Schädlingsbekämpfung ­ ­ ­ „Schädlinge laufen Amok in britischen britischen in Amok laufen „Schädlinge Museums von London entdeckt wurde. von entdeckt London Museums Motten und Teppichkäfer genannt, Teppichkäfer genannt, und Motten Museen“. werden Hauptfeinde Als Mangel an Personal, um die Gale­ die um Personal, an Mangel jüngst auch der graue Silberfisch, der der Silberfisch, graue auch der jüngst rien regelmäßig zu checken, sorgten sorgten checken, zu regelmäßig rien für alarmierende Schlagzeilen wie wie Schlagzeilen alarmierende für konnten. Das dank des immer wärme immer des dank Das konnten. kleine regionale Museen zu. Sie müs Sie zu. Museen regionale kleine laut: Die stillgelegten Räume und der der und Räume stillgelegten Die laut: zuerst in der Kostüm der in zuerst die in diesen Monaten nicht kommen kommen Monaten nicht diesen in die sen sich auf freiwillige Helfer verlassen, verlassen, Helfer freiwillige auf sich sen Der Alarm trifft gewiss auf viele auf gewiss trifft Alarm Der ren Klimas früher stattfindende stattfindende früher ren Klimas ausgesetzt. Wir sind in der Regel Regel der in sind Wir ausgesetzt. Eierlegen des UngeziefersEierlegen des er Alicja Kwade, Reise ohne Ankunft (Raleigh), 2012/2013, NUNZIA & VITTORIO GADDI COLLECTION, sind, sind nun auch Risiken auch Risiken nun sind sind,

© Alicja Kwade, Courtesy KÖNIG GALERIE and the artist, Foto: Roman März ungestört vielfach nun folgte weise fürs Publikum geöffnet geöffnet Publikum fürs weise in den geschlossenen Häu den geschlossenen in sern. „Räume, die normaler die „Räume, sern. LENBACHHAUS - Abteilung des des Abteilung MONICA BONVICINI MONICA BONVICINI CANDICE BREITZ AA BRONSON VALIE EXPORT ISA GENZKEN FLAKA HALITI BARBARA HAMMANN HOPF JUDITH SENGA NENGUDI SENGA NENGUDI HELGA PARIS PEZOLD FRIEDERIKE TEJAL SHAH KATHARINA SIEVERDING ROSEMARIE TROCKEL Katharina Sieverding, AUS DEM LENBACHHAUS UND ­ ­ ­ ­ ­ Kontinentalkern X / DieSonneumMitternacht schauen Jahrhunderte alten Objekten wurde Objekten wurde alten Jahrhunderte Konservierungs Museums einem in Kurator Kunstwerken die richtige Feuch richtige die Kunstwerken Bristol. Um die regionalen Museen Museen Um regionalen die Bristol. Besucher notwendig ist, um den den um ist, notwendig Besucher finanzielle Kampagne gestartet. gestartet. Kampagne finanzielle rungs nur wir auf die Freuden der Kunst Kunst Freuden der die auf wir nur terstützen, wurde jetzt eine spezielle spezielle eine jetzt wurde terstützen, diesen bei Häuser historischen und tigkeit zukommen zu lassen. Vor lassen. zu zukommen tigkeit linge zu vertreiben.“ So Nick Booth, Booth, Nick So vertreiben.“ zu linge besorgt, dass Besucher Objekte be Objekte Besucher dass besorgt, Smith, Chefin der der Konservie Chefin Smith, der Tenor angeschlagen, dass nicht nicht dass Tenorder angeschlagen, oft mannigfachen, seinen don mit dass sie nicht da sind, um die Schäd die um sind, da sie nicht dass dass nicht zuletzt der Atem der Atem der der zuletzt nicht dass schädigen, aber jetzt ist das Problem, Problem, das ist jetzt aber schädigen, auf unsere Präsenz. Sandra Sandra Präsenz. unsere auf auch die sondern sind, angewiesen GENERAL IDEA GENERAL KELM ANNETTE BARBARA KLEMM EVA KOT‘ÁTKOVÁ MARIA LASSNIG MELIÁN MICHAELA GEGENWARTSKUNST DER DER KICO STIFTUNG Auch im in Lon in Museum British Auch im - Abteilung, entdeckte, entdeckte, Abteilung, MITTERNACHT KUNSTZEITUNG - Problemen un zu 2020 SEPT , 1988, (Detail) ©Katharina Sieverding,, 1988, (Detail) Foto: KlausMettig,VG Bild-Kunst, Bonn2020 AB 29 IHR KUNSTMUSEUM LENBACHHAUS.DE IN MÜNCHEN SCHAUEN - Schiff in Schiff ­ ­ SONNE ­ ­ ­ ­ verursacht Schimmel. Die trockene trockene Die Schimmel. verursacht von Luft. feuchter, warmer Luft wiederum schadet vor allem fra allem vor schadet wiederum Luft ist 40 bis 60 Prozent, alles darüber darüber alles Prozent, 60 bis 40 ist tigkeit rasch auf einen kritischen kritischen einen auf rasch tigkeit und war rund ums Jahr geöffnet, geöffnet, Jahr ums rund war und Stand von unter 40 Prozent. Normal Normal Prozent. 40 von unter Stand geschlossen wurde, sank diese Feuch diese sank wurde, geschlossen dem Lockdown begrüßte das Mu das begrüßte Lockdown dem sorgte für eine permanente Zufuhr Zufuhr permanente eine für sorgte Besucher 17 000 rund täglich seum außer an den Weihnachtstagen. Das Das Weihnachtstagen. den an außer Stock Adobe Foto: Doch als das Museum am 23. März 23. März am Museum das als Doch gilen Objekten aus Elfenbein, Elfenbein, aus Objekten gilen Knochen und Holz. Mit ei Mit Holz. und Knochen UM UM DIE ner Woche Vorwarnung brachte man deshalb deshalb man brachte besonders gefähr besonders dete Objekte in Objekte in dete einen speziell speziell einen temperatur kontrollier ten Raum. Raum. ten

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© Urban Fischer in Elsevier Verlag, Elsevier GmbH, München; © Sue Willmington; © Armin Coray 53°8'N8° ­ 4. Oktober 2020bis17. Januar 2021 1 3' ­ ­ ­ ­ ­ ­ O Von Beethoven bisPinterest „Tantra“ Zeit zur Da vorzubereiten. „Die vorgeschriebene Temperatur und Temperatur und vorgeschriebene „Die Ventilatoren.- Die „Lewis Ausstellungen über die „Arktik“ und und „Arktik“ die über Ausstellungen wurden. wieder in ihrer Stamm ihrer in wieder Konservatoren des British Museum Museum British des Konservatoren Hauses, die 900 Jahre alte Elfenbein alte Jahre 900 die Hauses, Mitarbeiter zurückgekehrt, nicht zu nicht zurückgekehrt, Mitarbeiter Museum Zutritt haben, sorgt man für für man sorgt haben, Zutritt Museum Feuchtigkeit wurde stets aufrechter stets wurde Feuchtigkeit u z a D Holz, die Malerei selbst – zum Glück – zum selbst Malerei die Holz, finden. „Ihr Ausdruck ist wütend oder oder wütend ist Ausdruck „Ihr finden. in den geschlossenen Räumen über Räumen den geschlossenen in die auf von Schachfiguren, Gruppe prüfen. Inzwischen ist die Hälfte der der Hälfte die ist Inzwischen prüfen. regelmäßig überprüft, Leinwände, Leinwände, überprüft, regelmäßig fünf die 700 Sensoren und die Objekte Objekte die und Sensoren 700 die fünf im nur Gemälden gewidmeten Kunst gewidmeten Gemälden nur im in Abteilung einschlägigen der Chef zum Besucher 2000 bloß rund täglich konnten während der Schließung nur nur Schließung der während konnten letzt, um die Werke für die nächsten nächsten die Werke die um für letzt, nicht nur für die Bewunderung, son Bewunderung, die für nur nicht „dabei Smith, Sandra so unwirsch“, tempel, war die Aufgabe eindeutiger: eindeutiger: Aufgabe die war tempel, ßig geprüft. Das konnte per per Fernsteu konnte Das ßig geprüft. für einen weitaus niedrigeren Staub niedrigeren weitaus einen für ke noch intensiver zu beobachten und und beobachten zu intensiver noch ke gehörte eine eine gehörte der Hauptattraktionen des Hauptattraktionen der der schottischen Insel Lewis gefunden gefunden Lewis Insel schottischen der berichtet hingegen Larry Keith, der der Keith, Larry hingegen berichtet zu schützen, hatte etwas Bewegendes“. etwas hatte schützen, zu mittlerweile sind guren“ wiederum halten und auch Vibrationen regelmä Vibrationen auch und halten den richtigen Feuchtigkeitsgrad mit mit Feuchtigkeitsgrad richtigen den grad als sonst. Die Sammlung wurde wurde Sammlung Die sonst. als grad offenen Fenstern und zusätzlichen zusätzlichen und offenen Fenstern der Londoner National Gallery. Hier, Gallery. National Londoner der dern auch den Atem der Besucher.“ Atem der auch den dern ergänzt, durchaus emotional: „In die „In emotional: durchaus ergänzt, Probleme.“ keine Keith wir entdeckten erung von außerhalb geschehen. Hier Hier geschehen. von außerhalb erung ser Zeit der Schließung die Kunstwer die Schließung der Zeit ser ausdrücken sie Dankbarkeit sollten sorgte die Abwesenheit der Besucher Besucher der Abwesenheit die sorgte Von den normalerweise rund 140 rund Von normalerweise den Von einer positiven Erfahrung Von Erfahrung positiven einer WWW . HORST-JANSSEN-MUSEUM.

20 Jahre

Jubiläumsausstellung: November 2020 November

Horst-Janssen-Museum - Vitrine zu zu Vitrine Schachfi D E ­ - ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ November 2020 KUNSTZEITUNG 13 Sehnsucht nach Gesichtern und Geschichten Hans-Joachim Müller über Kunst als alternative Erzählung

ie alten Kämpfe, ausgekämpft. über seine Sensationen hinaus nicht ei­ Bedeutung zu attestieren. Vielleicht Verdrängte aufbewahrt. Und es ist die Vor-Corona-Zeit gaben sich jüngere Niemand ficht mehr für die gentlich ernst zu nehmen braucht. hat sich die Abstraktion nie so sehr Erzählung, in der die schrillen Töne Künstler wie Anicka Yi, Hito Steyerl, Reinheit der Lehre. „Gegen­ Die Übermacht ist längst gebro­ diskreditiert wie in den Wochen und der Erfahrung zum kommunikativen Anne Imhof, Danh Vo oder Wu Tsang Dständlich“ oder „ungegenständlich“, chen. Das nachmoderne Epochen- Monaten, als sich das gefährdete Le­ Sound verschmelzen. Erzählungen in all ihren dystopischen Phantasien, vermutlich versteht man das gar nicht Empfinden hat sich mit spielerischer ben in den abstrakten Statistiken der stellen Fragen und bleiben Antworten comicartigen Travestien, technoi­ mehr, dass es mal Flaggen waren, hin­ Lust von der Utopie des befreiten Infektionszahlen, Mortalitätsraten, schuldig, das ist ihre Art der Konkre­ den Spleens und verträumten Ideen- ter denen sich gegnerische Truppen­ Bildes verabschiedet. Wenn Abstrak­ R-Faktoren spiegelte. Nie ist Statistik tion, ihr Einspruch gegen die Abstrak­ Kaskaden auffällig körperbezogen, verbände scharten, die hochgerüstet tion, dann ist sie Zitat. Und wenn etwas anderes gewesen als Beweisfüh­ tion der Zahlen. weltgegenständlich, figürlich geerdet. darüber wachten, dass keiner die Front Realismus, dann mischt er Mittel und rung ohne sinnlichen Hallraum. Und Vielleicht ist ja die Sehnsucht nach Mit sehr eigenen Erzählstilen, hoch­ überschreitet. Medien. Und spätestens seit der im­ selten sind Erklären und Verstehen so Gegenständen, Körpern, Gesichtern, trabend, geheimnistuerisch, blendend, Damals, in den 1950er-Jahren, gab mer perfekteren digitalen Matrize, zu weit voneinander entfernt gewesen. Geschichten, nach Bildern, die auf Be­ verletzend, toxisch. es kein anderes Thema, das in den der die sichtbare und die unsichtbare In hermeneutischen Krisen hat deutung setzen und auf Verstehen zie­ Es kommt ja auch wieder die Zeit, Galerien, Kunstvereinen und Feuil­ Welt geworden ist, erweist sich künst­ immer nur die Erzählung geholfen. len, in dem Maße gewachsen, in dem in der wir ohne Voranmeldung in Ga­ letons so heiß diskutiert wurde wie lerische Intelligenz nicht mehr in ihrer Als Kinder haben wir anhand der wir hinter unseren Masken die ver­ lerien, Kunstvereine und Museen ge­ der Wiederanschluss des Landes an stilistischen Entschiedenheit, sondern Erzählung die ersten Schritte in der seuchte Welt auf Abstand halten sollen. hen können. Dann gehen wir dorthin, die internationale Moderne, der nur in der Originalität, mit der sie Bedeu­ unverstandenen Welt getan. Die Lie­ Und vielleicht ist die Kunst der Stunde wo uns Geschichten versprochen sind, gelingen würde, wenn man sich tapfer tungsansprüche stellt. be ist große immerwährende Erzäh­ ja doch eine, die uns von der Abstrak­ Erzählweisen, die unsere Sehnsucht einübte ins abstrakte Welt-Idiom. Die Es gibt keine schlechten Gründe lung. Und wenn von der Katastrophe tion der Zahlen und Diagramme erlöst, stillen nach Weisen eines Fragens und realistischen Ausdrucksmittel schie­ dafür, der (Nach-)Corona-Zeit einen nur noch die Opfersumme überliefert in dem sie uns in ihre versponnene Antwortens, die nicht gleich aufgehen nen verbraucht, belastet durch den Na­ spürbar gewachsenen Hunger nach ist, dann ist es die Erzählung, die das Zeichenhaftigkeit lockt. Schon in der im Nullsummenspiel der Abstraktion. tionalsozialismus, der alles Ungegen­ ständliche als „entartet“ ächten wollte. Und der davongeeilte künstlerische Fortschritt wäre nur wieder einzuho­ len, wenn man dem Bild die Freiheit des sinnlichen Ereignisses ließe und von ihm nicht mehr erwartete, dass es etwas zu sagen habe, dass es sich wie ein Roman, eine Erzählung oder ein lyrischer Vers in irgendeiner Form auf Welt bezöge. Man kann im Rückblick sagen, dass das 20. Jahrhundert, was die do­ minierenden Bildmittel angeht, ein „abstraktes“ gewesen ist. Abstrakter Expressionismus, Tachismus, Infor­ mel, Konstruktivismus und konkrete Malerei, Harde Edge, Zero, Fluxus, Minimal, Pattern Painting, Radical Painting – in immer neuen Anläufen geschah der Ausschluss der Zeichen­ haftigkeit aus dem Bild. Und ihren glo­ balen Triumph feierte die Westkunst durch nichts so sehr wie durch die Art, in der sie sich ungegenständlich erneu­ erte. Wer wie der späte Erich Heckel die Landschaft am Oberrhein aqua­ rellierte, schien kaum mehr satisfakti­ onsfähig. Und auch die populäre Pop Art ist dazu kein Widerspruch, sind ihre Gegenstände doch nur Signale aus dem Layout eines Alltags, den man Hito Steyerl: „How Not to Be Seen: A Fucking Didactic Educational“  Foto: Künstlerin, Andrew Kreps Gallery, Esther Schipper

ULLI CRESPO GRÖNLAND EISKALT

Ausstellung und Präsentation der Schenkung von Ulli Crespo an das MUSEUM MMK FÜR MODERNE KUNST

14. – 29. NOVEMBER 2020 ZOLLAMT MMK, Domstraße 3, Frankfurt am Main 14 KUNSTZEITUNG November 2020

zum Kunstformat, mit scheinbar be­ den despektierlichen Spuren ihres langlosen Zeitungsfotografien in Sepia. Gebrauchs. Bilder von künstlerischem Frech und fulminant Breite Passepartouts sorgen für noble Geschmack, aber ohne Legitimation Erscheinung. Thomas Ruff hat anno des künstlerischen Felds. Ruff verleiht 1990/91 Tausende von ihnen aus Ta­ ihnen durch die Ausstellung im Kunst­ Klaus Honnef über Thomas Ruff geszeitungen geschnitten, ohne die tempel die verweigerte künstlerische erläuternde Unterschrift, und sie jetzt Aura: Fotografische Ready-mades. wieder aus dem Archivkarton zum Je länger ich in der Ausstellung mit Überarbeiten herausgesucht. den vielfach verschiedenen fotografi­ Ihres ursprünglichen Kontextes schen Bildern verweile, desto brüchiger beraubt, geben sie Rätsel auf. Piek­ wirken die dürftigen Fundamente, auf fein aufgemacht wie künstlerische denen die Maßstäbe des ästhetischen Fotografien, wirft Fragen auf, was sie Urteils über künstlerische Fotografie zeigen. Man erkennt Hitler und Hund, beruhen, auf mich. Ruff, einer ihrer Mao, Unfälle, Schalck-Golodkowski besten Repräsentanten, verabreicht – doch selbst ausgefuchsten Alltags­ dem fadenscheinigen Wertesystem historikern wird es schwerfallen, auch jedenfalls einen kräftigen Tritt. Dabei nur eine gewisse Anzahl zu identifizie­ bezieht er mit den „Nudes“ nach Por­ ren. Zwangsläufig treten ihre formalen noaufnahmen aus dem Netz und den Eigenschaften in den Vordergrund neueren, ausschweifend gelobten Pho­ und fesseln – tatsächlich – den Blick. togrammen die eigenen Bilder, die sich Nur wenige gehen achtlos vorüber. längst im Glanz der künstlerischen Keines der Bilder ist mit einem Hauch Legitimität sonnen, couragiert in die von Kunstanspruch verfertigt worden, ernüchternde, brillant vorgetragene einiges mutet dennoch signifikanter Bilanz ein. an als manches Zeugnis der künstleri­ Ähnlich vieldeutig verhält es sich schen Fotografie. mit den markanten Darstellungen vom Anders verfährt der Künstler mit Planeten Mars, den präzisen Maschi­ den Starpostkarten – unter ihnen ein nenbildern einer aufgelassenen Fabrik, Thomas Ruff: „nudes pea10“ Foto: Künstler einziges Bild eines richtigen Filmstars, den penetrant süßen Propagandabil­ Jane Russell. Diese Bilder waren heiß dern aus Maos China, deren Glück­ begehrt und haben das Image Holly­ versprechen angesichts der stupenden ie ganze Welt der Fotografie Was für die Ma­ im Endeffekt ebenso tautologisch wie woods nicht weniger bestimmt als die Bilder des heutigen Chinas förmlich in einem Raum. In der K20 lerei, ist Ruff (Jahrgang 1958) für die die Headlines der einzelnen Kapitel Filme. Ruff verschmilzt ihre Vorder- zerplatzt, oder – Achtung Kunst – mit Kunstsammlung Nordrhein- Fotografie. Ohne eine Kamera in die der Ausstellung. Die Interessierten ste­ mit der Rückseite und lässt die Schau­ den Blumenbildern, den Inkunabeln DWestfalen, durch Zwischenwände Hand zu nehmen. Der Computer ist hen dennoch Schlange. sicht mit den Copyright-Stempeln der aus dem 19. Jahrhundert sowie den aus unterteilt. Alle Varianten – Reportage neben dem Auge des Sammlers sein Zu Beginn begegnen sich Glanz­ Agenturen farbig überdrucken, die frühen Papiernegativen destillierten und Dokumentarfotografie, Werbung Werkzeug, die neuesten Drucktechni­ bilder von verblichenen Filmstars und sich als die Eigentümer der vermakel­ Bildern Captain Tripes von Burma und Kunstfotografie, Wissenschaftsfo­ ken besorgen das beabsichtigte Outfit. -sternchen sowie schnelle Tickerfotos ten Sterne und Sternchen aufführten. und Madras mit den Verfallszeichen tografie und Propaganda. Quer durch Die Bildlegenden weisen dagegen bloß von einst über Kriegsflugzeuge und Bilder von höchster Künstlichkeit in der Zeit. Fazit: Einfach Ansehen und die Geschichte. Thomas Ruff versam­ auf Register und Drucktechniken hin, Explosionen unter Wasser, aufgeblasen exquisiter Lichtsetzung, versehen mit SEHEN! melt die Bilder, ohne ein Werturteil zu treffen. Doch die zu Tode zitier­ te Metapher von der Flut der Bilder findet keine reale Entsprechung. In unterschiedlichen Formaten, sorg­ sam gerahmt, manche durch erlesene Kreativitätsschub Passepartouts nobilitiert, wetteifern die diversen Bilder um Aufmerksam­ Albert Oehlen gibt Empfehlungen, wie man ein gutes Bild macht keit. Und es gelingt. Wer will kann die ungewöhnliche Bereits in den 1990er-Jahren wurde geht, bietet Albert Oehlen die direk­ in Verbindung gebracht, für das Ma­ ler einbindet, ist ganz im Sinne von Schau (bis 7. 2. 2021) als parodistisch dieses „do it yourself“-Projekt gestar­ testen Anweisungen. Der deutsche len eines „guten Bildes“? „Arrangiere , der besonders seit intonierten Kommentar zu den Bib­ tet, in dem Künstler kurze Anweisun­ Künstler, Jahrgang 1954, dessen Ar­ all Deine Farbtuben je nach Größe. der Pandemie das „slow programming“, liotheken theoretischer Erörterungen gen geben, wie jeder kreativ werden beiten zwischen abstrakt, figurativ Arrangiere all Deine Pinsel in alpha­ umweltfreundliche Ausstellungen mit über die Fotografie genießen – oder als kann. Hans Ulrich Obrist, langjähri­ und surreal lavieren, bespielte die betischer Ordnung. Dreh’ Deine Lein­ länger wirkender Resonanz propagiert. feinsinnigen Kommentar zum spekta­ ger künstlerischer Leiter des Londo­ Serpentine Gallery als letzter vor dem wand um 180 Grad. Wähle eine Farbe So kündigt er für das nächste Jahr, in kulären Ankauf eines Konvoluts von ner Museums Serpentine Galleries, Londoner Lockdown. Hier stellte er und einen Pinsel und mache eine Mar­ dem man (mit einjähriger Verspätung) Fotografien aus dem Berliner Kunst­ war von Anfang an dabei. In diesem seine Antwort auf die Rothko-Kapelle kierung. Versuche, nicht kreativ zu den 50. Geburtstag der Serpentine handel durch das Düsseldorfer Muse­ Lockdown-Jahr, erklärt der Schweizer in Houston vor: Statt Reflexion bot er sein. Male. Versuche. das beste Bild zu Gallery feiern wird, ein umweltbezo­ um Kunstpalast, um sich mit einem in London, „in dem sich alles auf dem Varianten zum surrealen Image eines machen, das je gemalt wurde. Vergiss genes Projekt an. Und wie lautet die Schlag in den Rang eines Hotspots Bildschirm abspielt“, sei der richtige Mannes mit Schnurrbart, Pilotenhelm es. Setz Dich hin. (Refrain) Finde den Empfehlung des früher omnipräsenten fotografischer Kunst zu katapultieren. Zeitpunkt, diese Initiative mit neuer oder Taucherbrille, das er im Reper­ Teil, den Du nicht gut findest. Male „fliegenden Kurators“ für ein Entschleu­ In Wirklichkeit ist sie viel mehr: die Energie und Relevanz zu reaktivieren. toire des eher obskuren amerikani­ ihn weiß. Lass es trocknen. Mal mehr. nigen im Kunstalltag? „Bringt die fulminante, visuelle Reflexion eines Rund 400 Künstler gaben bisher schen Malers John Graham fand. (Wiederhole den Refrain).“ Nachtzüge zurück, mit denen ich als bedeutenden Künstlers über „the state über die „Bloomberg connects App“ Und was empfiehlt der Künstler, Dass dieses Projekt langfristig ange­ Student ganz Europa bereisen konnte.“ of the art“ der Fotografie. Empfehlungen. Wenn es ums Malen oft mit dem Begriff des „bad painting“ legt ist und immer wieder neue Künst­- Heidi Bürklin

25. Oktober 2020 – 24. Januar 2021 MUSEUM LOT HAR FISCHER FRANCISCO DE GOYA Radierungen aus der Sammlung des Morat-Instituts

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Bestellungen: keine Ausgabe [email protected] Lindinger + Schmid Schmargendorfer Straße 29 versäumen! D-12159 Berlin November 2020 KUNSTZEITUNG 15

Dialektik pur Karlheinz Schmid über Katharina Sieverding

ass sie vor fünf Jahrzehnten im radikalfeministische Ausstellungsma­ rheinischen Nachtleben, wo cherinnen sie immer wieder einluden sie in den angesagten Kneipen und ihre oft großformatigen Fotogra­ Dund Bars jobbte, ob „Domino“ oder fien präsentierten. „Lovers Club“, nicht ohne eigenes Zu­ Immerhin sagt Sieverding, Mutter tun kurzerhand „Karl“ genannt wurde, von drei Kindern, um 1970 mit Knoe­ kam nicht von ungefähr. Katharina bel verheiratet, seit 1973 mit dem Kol­ Sieverding, 1944 in Prag geboren und legen Klaus Mettig zusammen, ohne im Ruhrgebiet aufgewachsen, verkör­ das Männliche gehe es nicht. Dabei, so perte als „Katharina die Starke“ einen kommuniziert sie zügig, um die Ge­ Frauen-Typus, der heutzutage vertraut danken nicht voreilig ins rein sexuell erscheint. Doch damals, als auch Konnotierte laufen zu lassen, sei es in der legendären Beuys-Klasse der bedeutsam, das individuelle Potenzial Düsseldorfer Akademie die Männer ins Kollektiv zu lenken. Der gesell­ dominierten, als im „Privileg-Raum schaftliche Fingerzeig basiert auf frü­ 19“ Künstler wie Jörg Immendorff, Imi hen Erfahrungen, die wohl schon wäh­ Knoebel und Palermo residierten, war rend der Gymnasialzeit in Dortmund das ohnehin schwach vertretene Weib­ gesammelt wurden. liche kaum in der herben Variante aus­ Katharina Sieverding, die sich zumachen. „Karl“, die Amazone, groß, damals nicht nur im Museum am markant geschminkt und energisch in Ostwall oder im Museum Folkwang der Geste, erinnerte an einen Kerl, der in Essen kulturell infizierte, suchte ins Femininum geschlüpft sein könnte. schon vor dem Abitur die Nähe zum Rollentausch, Geschlechtervereini­ Theater, in der Statisterie nebenan, gung, Transformationsvorgänge – die­ am Stadttheater Dortmund. Und als se Identitätsthemen, längst Aspekte sie danach in Hamburg das zunächst jeder Gender-Debatte, werden gewiss begonnene Medizin-Studium unbe­ auch in den kommenden Monaten in friedigt ließ, landete sie im Malersaal Katharina Sieverding Foto: dpa, Ursula Düren der Sammlung Falckenberg in Ham­ des Deutschen Schauspielhauses, um burg-Harburg unver­ dann auch andernorts meidlich sein, wenn dort als Bühnenbildnerin ih­ die Deichtorhallen vom Berührende Bilder ren Traum vom Gesamt­ 7. November bis zum 4. zur Weltlage kunstwerk erfüllt zu April 2021 die jüngste sehen. Gemeinsam und Ausstellung von Katha­ und interdisziplinär, das war sich 1972 als DAAD-Stipendiatin in Radiologe tätig, zwei Tanten betrieben international geschätzte Künstlerin rina Sieverding zeigen. zum Schlachtfeld gewissermaßen ihr Ding. die USA, wo sie vom Underground- eine Kinderarzt-Praxis, und das eige­ und Professorin kollektiv und somit Und einmal mehr wird Deutschland. Als sie beim Bühnen­ Film bis zur Pop-Art viel inhalierte. ne, allerdings abgebrochene Medizin- gesellschaftlich erden? Ihre im MoMA, sie selbst blockieren, bild-Star Teo Otto an der Später reiste sie auch in die Sowje­ Studium hat gewiss auch den Blick für im Stedelijk und in Dutzenden von sollte die Auseinander­ Düsseldorfer Akademie tunion und nach China, um unter­ Diagnosen und Therapien geöffnet. anderen Museen gesammelten Bilder setzung voreilig auf der Ebene eines studierte und dort Joseph Beuys ken­ schiedlichste Systeme und Haltungen All das, mit Leidenschaft, auf dem zur Weltlage oder zum „Schlachtfeld „Differenzfeminismus“ geführt werden. nenlernte, folgte 1967 der Wechsel kennenzulernen. Spannungsbogen Medizin/Kunst, von Deutschland“, so ein Werktitel, ihre Die Künstlerin hat nämlich allzeit in dessen Klasse und konsequent ihr Im Spannungsfeld der Gegensätze Vater/Mutter, von männlich/weiblich. Bekenntnisse gegen Rechtsradika­ vermittelt, dass es ihr nicht um die Eintauchen in den politischen Diskurs. ist denn auch die künstlerische Arbeit Dialektik pur. lismus oder Atomkraft – diese State ­ jahrzehntelang beklagte Benachtei­ Mit einer geliehenen Edixa-Schacht­ angesiedelt. Oft scheinbar in einer Was bleibt, ist die Frage, wie es Ka­ ments lassen keine Zweifel aufkom­ ligung von Frauen gegenüber dem kamera ging’s los, und Widerstand- grobkörnig anmutenden Medienbild- tharina die Starke geschafft hat, vom men. Katharina Sieverding gehört zu Männlichen geht, sondern dass sie Werke wie der „Stauffenberg-Block“ Ästhetik paniert, nicht selten von Teamplayer im Theater zur Solistin den prägenden Künstlerinnen der Ge­ vielmehr – wie auch in ihrem Werk zeugen von Katharina Sieverdings Ob­ einem faszinierenden Durchleuch­ in der Fotografie zu avancieren, wider genwart, die sich auf den Beuys-Spu­ „Transformer“ – daran interessiert session, im Wechselbad der Gefühle tungscharakter geprägt, scheint sich den ursprünglichen Vorsatz. Weiß ren eines erweiterten Kunstbegriffs ist, statt Abgrenzung quasi Ver­ und Strukturen höchste Intensität zu der biographische Kreis zu schließen. man doch, dass die bildende Kunst ein nützlich machen, die uns den Spiegel mählung zu ermöglichen. Vermut­ erzielen. Kaum als Meisterschülerin Über die Mutter hinaus, eine Künst­ einsames Produktionsgeschäft ist. Ob halten. Zur Selbsterkenntnis, nicht zur lich also ein Missverständnis, wenn von Beuys verabschiedet, begab sie lerin. Immerhin war ihr Vater als es die politischen Themen sind, die die Belehrung.

form(ent)faltung

ALEXANDRA BARTH VIKTOR HULÍK 1.500 Seiten KARL VONMETZ Inspiration … GÜNTER WOLFSBERGER Gratis Der boesner-Katalog – seit mehr Ausstellungsdauer:16.11.2020 - 26.2.2021 in Ihrer boesner- als 35 Jahren das Standard-Werk Niederlassung der Kunstszene und täglicher Palais Niederösterreich Begleiter in Künstlerateliers, ecoplus. Niederösterreichs Wirtschaftsagentur GmbH Galerien, Schulen und Akademien. Herrengasse 13, A-1010 Wien Jetzt kostenlos in Ihrer boesner- Niederlassung mitnehmen. Oder www.ecoart.at bequem bestellen im Online-Shop. www.boesner.com

kuratiert von JUDITH P. FISCHER 16 KUNSTZEITUNG November 2020 Von höchster Brisanz Der Neue Berliner Kunstverein setzt sich kritisch mit der US-Geschichte auseinander

ngesichts eines alle Vorstel­ Graham, die die Auswirkungen der über einem alten Bürostuhl hängt, ist lungen sprengenden US-Präsi­ Hypothekenvergabe auf die ethnische der Unmut patriotischer US-Bürger denten erwartet man von einer Struktur von Nachbarschaften ver­ vom Lande geradezu spürbar. AAusstellung kritischer Kunst gleich­ deutlicht. Dann sind Fotos des Archi­ Kaum aktueller könnten die Ar­ falls laute Töne. Doch „Lost in Ameri­ tektenpaares Robert Venturi/Denise beiten von Michael Asher und Renée ca“, bis 17. Januar 2021 im n.b.k. (Neu­ Scott Brown aus Las Vegas zu sehen Green sein. Asher hat die Büste George er Berliner Kunstverein) – mit Wehmut erinnert Washingtons von Jean-Antoine Hou­ Robert Venturi: „Strip von der Wüste gesehen, im Vordergrund Denise Scott Brown“ zu sehen, kommt eher man sich ihrer pop-fröh­ don vor dem Art Institute Chicago  Foto: Künstler, Scott Brown and Associates, Inc. leise daher, eindringlich Die Schau kommt lichen Studie „Learning ins Innere des Museums gestellt. Kein – und umso überzeugen­ eher leise daher, from Las Vegas“ aus den Denkmalsturz, wie er dieser Tage in der. Den Auftakt macht frühen siebziger Jahren. den USA gern (und plump) praktiziert eine verkleinerte Repro­ eindringlich – Neben Zeichnungen wird, sondern eine kluge Relativierung: duktion des Wandbildes und umso und Fotografien gibt es die Büste als Kunstwerk inmitten zeit­ „Tragisches Vorspiel“ des überzeugender. Videos, etwa von Andrea genössischer Werke, nicht mehr als her­ Regionalisten John Steu­ Fraser oder Jimmie Dur­ ausgehobene Geste der Verehrung. art Curry von 1937/42. ham, zudem Installatio­ Renée Green beschäftigt sich in Curry, gemeinhin als Reaktionär ver­ nen respektive Environments. Mitten ihrer Anfang der neunziger (!) Jahre schrien, zeigt darin die Gewaltsamkeit im Ausstellungsraum stehen schwar­ in Nantes konzipierten Arbeit mit der der amerikanischen Geschichte in ze Sofas samt Beistelltischchen – nur Rolle der französischen Hafenstadt im Sklaverei und Vernichtung indigener kann sie niemand benutzen, denn sie Handel mit Stoffen und Sklaven. So Völker. bilden ein geschlossenes Viereck. Ken kontrastiert sie Kleidung aus Toile- Um den Umgang mit der Geschich­ Lum hat die Möbel zusammengerückt, de-Jouy mit damaligen Darstellungen te der USA geht es der vom Künstler als – so Miller – „Nachdenken über zum Kolonialismus. Der kürzeste John Miller kuratierten Ausstellung, die Art, wie man soziale Zugehörigkeit Kommentar zur Gegenwart kommt etwa im Fall des als Spione hingerich­ und Hierarchien in der Wahl seiner von dem jüngsten Werk der Übersicht: teten Ehepaars Rosenberg, das Martha Möbel ausdrückt“. Carver Audain Suchscheinwerfer für Polizeiautos, Rosler thematisiert, wie auch um die nimmt sich der amerikanischen Flagge 2020 von Cameron Rowland. Da be­ amerikanische Gegenwart, beispiels­ an, diesem heiligen Zentralsymbol der darf es wahrlich keines Erläuterungs­ Denise Scott Brown: „Strip von der Wüste gesehen, Silhouette von Robert Venturi“ weise in der soziologischen Untersu­ USA; nur wenn eine nach vier Jahren textes mehr.  Foto: Venturi, Scott Brown and Associates, Inc. chung „Homes for America“ von Dan in Wind und Wetter verdreckte Flagge Bernhard Schulz

Wege aus der Ego-Zone Das Schauwerk Sindelfingen ermuntert zum Perspektivwechsel

Das Schauwerk Sindelfingen ist mit another way of looking at things“ (bis Nannucci ist, die sich quer durch die Kopffüßler – bestehend aus langen hohen Sockeln mit Plexiglasplatten seinen großzügigen weißen Räumen 24.5.2021). Shedhalle des Schauwerks zieht. Beinen und einer Tasche von Hermès – hinterfängt. so durchästhetisiert wie wenige ande­ Die Präsentation besteht aus gerade Wie alle anderen Werke dieser die Fetische der Konsum- und Waren­ Parallel zu dieser Ausstellung zeigt re Museen. Wer klare Formen sucht mal zehn Werken. Welch ein Statement: Ausstellung wird auch die Nannucci- welt. ließ unzählige Fahrrä­ das Schauwerk zu seinem zehnjähri­ und keine überladenen Räume mag, Da vertraut ein Museum darauf, dass Arbeit erstmals öffentlich gezeigt. der zu einer abstrakten Groß­skulptur gen Bestehen die Publikumslieblinge ist hier am rechten Platz, und das vor man auch mal länger vor einem Objekt Acht Liegestühle laden dazu ein, sich montieren, und Tony Cragg ist mit aus der eigenen Sammlung („Love allem in diesen Zeiten, wo alle überall verweilen mag, zum Beispiel weil es von Zeit zu nehmen, um den langen Text einer mehrgeschossigen Skulptur aus Stories“). Hier begegnet der Besucher an Abstand denken. Andere Museen der Gestaltung her so überzeugend ist. in Ruhe zu studieren. Kann Kunst die sandgestrahlten Gläsern vertreten beispielsweise Arbeiten von Gotthard sind leer? Im Schauwerk, dem 2010 Dies gilt etwa für die begehbare Instal­ Welt wirklich verändern? Kann sie („Eroded Landscapes“), die in sich zu­ Graubner, Norbert Kricke oder Nam eröffneten Museum des Unternehmers lation „Your Way“ von Jeppe Hein, die entscheidende Impulse dafür geben, sammenfallen könnte, wenn man nur June Paik. Um in Zeiten von Corona Peter Schaufler, haben die Besucher sich aus hohen Spiegellamellen zusam­ dass wir die Ego-Zone verlassen und ein Glas unglücklich verschöbe. So auch die regionalen Künstler zu un­ garantiert noch mehr Quadratmeter mensetzt und faszinierende Ein- und unser Denken und Handeln in ande­ hielt er schon 1998 unserem Ökosys­ terstützten, finanziert die Schaufler für sich allein. Dort wird man nicht Ausblicke ermöglicht. Hier erlebt man re Bahnen lenken? Das sind Fragen, tem Erde den Spiegel vor. Durch den Foundation, die das Schauwerk trägt, erschlagen von der Kunst, sondern in der Tat „another way of looking at die mehr oder weniger direkt hinter Spiegel sieht man manchmal mehr, das an den Wochenenden vor Ort ein zu­ begegnet ausgewählten Positionen wie things“, was ein Zitat aus einer gro­ allen Werken dieser Ausstellung ste­ demonstriert auch Giulio Paolini, der sätzliches Kulturprogramm. in der aktuellen Ausstellung „There is ßen Neoninstallation von Maurizio hen. Erwin Wurm kritisiert mit einem Abgüsse antiker Venus-Statuen auf Susanne Kaufmann

Sind Sie dabei? Anzeigenschluss für die Dezember-Ausgabe Wollen Sie helfen, dass die KUNSTZEITUNG der KUNSTZEITUNG: 13. November 2020. auch 2021 erscheint und in hoher Aufl age Anzeigenschluss für die Januar-2021-Ausgabe: gratis verteilt werden kann? Weil sie sich 11. Dezember 2020. Rabatte sind möglich: über Anzeigen fi nanziert, werden Inserate Nach Absprache bei Mehrfach-Schaltungen. benötigt, Anzeigen für Institutionen Kontakt: [email protected] und Unternehmen. November 2020 KUNSTZEITUNG 17

Keine Chance für Spekulanten Destinee Ross-Sutton, Kuratorin für Künstler der „schwarzen Diaspora“

hr langlockiges Porträt ist im Film Kerry James Marshall, der seit 2018 Erwerbung frühestens nach fünf Jah­ des Superstars Beyoncé, „Black is mit 21 Millionen Dollar an der Spitze ren auf einer Auktion veräußern. Bei King“, zu erspähen. Die 24-jähri­ der teuersten afro-amerikanischen einem privaten Deal muss das Werk in Ige Destinee Ross-Sutton aus Brooklyn Auktionsresultate steht, so geriet in dieser Zeit zuerst dem Künstler ange­ profilierte sich jedoch in diesem Jahr jüngster Zeit die nachwachsende Gar­ boten werden. Falls es dann verkauft vor allem als Kuratorin für Künstler de ins Visier von Kunstspekulanten. wird, erhält er 15 Prozent des Wertzu­ der „schwarzen Diaspora“. Bereits im Neben Tschabalala Self und Oris wachses. Trotz dieser Regel erzielte die April organisierte sie in der Stockhol­ Kewame Kyes Quaicoe ist vor allem Auktion einen Verkaufserfolg. mer CFHill Gallery die Ausstellung der aus Ghana stammende, auch in Das „Ross-Sutton Agreement“ soll „Black voices/black microcosm“ mit Wien arbeitende 36-jährige Amoako den Kunstmarkt auch beim Film-Fes­ über 30 aufstrebenden und einigen be­ Boafo (siehe KUNSTZEITUNG 10/20, tival „Black voices“ in Los Angeles bei reits arrivierten Künstlern. Seite 19) ein einprägsames Beispiel. ihrer nächsten Online-Ausstellung in Auf ihr Engagement wurde Erst im letzten Jahr wechselte sein diesem Monat entschleunigen. Nicht Christie’s in den Monaten des Auf­ „Schwarzes Mädchen im sonnengelben genug damit: Gerade ließ Destinee stiegs der „Black Lives Matter“- Badeanzug“ frisch von der Staffelei zu Ross-Sutton wissen, dass sie ihre Mis­ Bewegung aufmerksam. Im August einem Käufer. Der wiederum lieferte sion für schwarze Künstler in einer kuratierte sie auf der digitalen globa­ die Maid bereits wenige Monate später eigenen virtuellen Galerie fortsetzen len Plattform des Auktionsriesen die zur Auktion bei Philipps ein, wo sein will. Verkaufsausstellung „Say it loud“ mit „Flippen“ mit 675 000 Pfund (inklusive Heidi Bürklin Malern aus Nigeria, Ghana, Südafrika Prämie), damit dem Zehnfachen der oder New York. Dabei gingen nicht Schätzung und – so wurde kalkuliert nur 100 Prozent des Verkaufs an die – dem 3000fachen seines Einsatzes be­ Künstler. Destinee Ross-Sutton zog lohnt wurde. gleichzeitig eine merkantile Bremse Um ihre Künstler vor einer solchen für die Käufer an. Sind einige ältere Praxis zu schützen, beharrte Desti­ schwarze Maler bereits seit längerem nee Ross-Sutton auf einer schriftli­ Destinee Ross-Sutton neben ihrem Porträt, gemalt von Kehinde Wiley im Kunstmarkt begehrt, am meisten chen Verpflichtung der Käufer, ihre  Foto: Künstler

Art Cologne im Zeichen die Galerien Bastian, Baumgarte, in Pandemie-Zeiten sind immens, wurde. Es darf aber auch nicht über­ Friese, Hilger oder Nothelfer keine Einschränkungen zuhauf. Sie ver­ sehen werden, dass der immer wieder der Sektoren und der Pandemie Contemporary-Galerien mehr, wenn führten über zwei Dutzend Aussteller boomende Kunstmarkt durchaus Pha­ sie nun im Nachkriegsdunst verortet schon im Juli, auf Daniel Hug und sen der Stagnation und des allgemein werden? Und was ist mit Max Mayer, die Messegesellschaft tüchtig Druck nachlassenden Interesses verkraften Düsseldorf, und seinem Leipziger machen zu wollen. Die Leistung kön­ muss, wie in dieser Corona-Krise. Das Kollegen Tobias Naehring, die beide ne ja seitens der Messe nicht vollum­ war schon immer so. Wenn sich im Bevor die Art Cologne oder Galeristen, unter „Contem­ ihre Galerien bereits 2011 gründeten? fänglich gebracht werden, wenn der vergangenen Jahrzehnt, rund um den wegen Corona vom porary Art“, „Modern Postwar Art“, Sind sie wirklich noch Frischlin­ Zugang anders geregelt werden müsse, Erdball, das Vermögen der Reichsten April-Termin auf die „Collaborations“, „New Position“ oder ge, die man unter „Neumarkt“ im wenn folglich auch weniger Sammler verdoppelt hat, der Kunst-Umsatz neue Laufzeit vom „Neumarkt“ zu suchen. Schnitzeljagd Schonraum präsentieren müsste? von Koje zu Koje gehen, freilich im aber nur um neun Prozent gewachsen 18. bis 22. November zum Kölsch? Mehr Promotions­ Ergo: Aufhänger, um eine Kritik gebührenden Abstand. Dabei hat ist, dann verkaufen sich Bilder eben verschoben werden musste, dachte schnickschnack als echte Notwendig­ schon vor der Eröffnung (für Preview- die Koelnmesse ohnehin schon seit nicht mehr wie geschnittenes Brot. man über das schwindelerregende keit, das Angebot der Galeristen zu Gäste am 18. und am 19. November, Jahren mit einem Besucherrückgang Dann müssen sich alle in der Branche, Sektoren-Konzept von Kurator strukturieren? Unter „Collaborations“ Besucher dann vom 20. bis 22. zu rechnen. Waren es zum Beispiel sogar internationale Großgalerien wie Daniel Hug und der Koelnmesse zum Beispiel das Zusammenspiel November) formulieren zu können, 2006 rund 70 000 Gäste, die durch Hauser & Wirth und David Zwir­ nach und war geneigt, einen saftigen zweier Galerien (Baudach und Meyer gäbe es reichlich. Doch geht’s jetzt die Gänge flanierten, kamen 2019 nur ner, wieder tüchtig anstrengen, die Verriss zu schreiben. Denn in Zeiten Riegger), ebenso wie die völlig anders nicht vorrangig darum, die Koeln­ noch 57 000. Kapitalanlage Kunst schmackhaft zu fließender Übergänge, so schien orientierte Verbindung von zwei messe zu loben, dass die Art Cologne Gewiss hat diese Entwicklung servieren und Sammler zu überzeu­ es, könne es doch nur verwirrend Künstlern (Roy Arden und Alison in Verbindung mit der Cologne Fine etwas mit dem Reformkurs des Jahres gen. Von nichts kommt eben nichts. sein, wenn Messebesucher genötigt Yip), die von der Galerie Monte Art & Design überhaupt stattfinden 2007 zu tun, als die Art Cologne vom Auch in Köln. werden, ihre Favoriten, ob Künstler Clark vertreten werden. Oder: Sind kann? Denn die Sicherheitsauflagen Herbst-Termin ins Frühjahr bugsiert Karlheinz Schmid

Sind Sie dabei? Anzeigenschluss für die Dezember-Ausgabe Wollen Sie helfen, dass die KUNSTZEITUNG der KUNSTZEITUNG: 13. November 2020. auch 2021 erscheint und in hoher Aufl age Anzeigenschluss für die Januar-2021-Ausgabe: gratis verteilt werden kann? Weil sie sich 11. Dezember 2020. Rabatte sind möglich: über Anzeigen fi nanziert, werden Inserate Nach Absprache bei Mehrfach-Schaltungen. benötigt, Anzeigen für Institutionen Kontakt: [email protected] und Unternehmen. 18 KUNSTZEITUNG November 2020

Schweres Erbe Hüterin des Kirchner-Nachlasses: Ingeborg Henze-Ketterer

atürlich gibt es derzeit im zusammen sein darf, ob in der Schweiz internationalen Kunsthandel oder in Deutschland, ob in Frankreich keinen Grund, auf die Pauke oder in Italien, wer diese Frau viel­ Nzu hauen und zu feiern. Im Corona- sprachig parlieren hört, ob mit Promi­ Jahr 2020 haben ausgefallene Kunst­ nenten oder Normalos, wer auch ihre messen und eine verminderte Kauflust bewusst inszenierten, psychologisch den Galeristen die Umsätze verhagelt. wirkungsvollen Sprachpausen kennt, Überall Wehklagen, Sorge um die der weiß, dass die Patrona als Kunst­ Zukunft der Branche, eben auch um händlerin mit allen Wassern gesegnet die eigene Existenz. Es kommt nicht ist. Das bezieht sich nicht nur aufs Mo­ von ungefähr, wenn Insider im Kon­ netäre, auf Steuern und Zölle, auf Ra­ takt mit der seit 1993 von Wichtrach/ batte und Provisionen, sondern auch Bern aus tätigen Händlerin Ingeborg auf jene Verantwortung für die Kunst Henze-Ketterer, die am 23. November selbst. achtzig wird, über schlechte Geschäfte Die hat ihr, wahre Basis des Erfolgs, nicht reden mögen. Mit einem vielsa­ der eigene Vater in die Wiege gelegt. genden Augenzwinkern. Als Mädchen durfte Ingeborg Henze- Denn die Frau, die mit ihrem Mann, Ketterer zusehen, wie ihr Vater, der dem promovierten Kunsthistoriker Von links: Alexandra Henze Triebold, Wolfgang Henze, Ingeborg Henze-Ketterer und Marc Triebold  Foto: Kirchner Museum Davos sich vorübergehend als Maler versucht Wolfgang Henze, vor fünf Jahrzehnten hatte, einen Haufen eigener Bilder in Campione am Luganer See die Gal­ kurzerhand verbrannte. Als sie knapp leria Henze gründete, längst als Henze zwanzig war, im August 1960, erkann­ & Ketterer weltweit renommiert, wur­ te sie, dass der Herr Papa, selbstkri­ de einst als Ingeborg-Eugenie Ketterer insgesamt ist, der nach und nach In der Tat hat sie mit ihrem An­ aufgebaut hat, dokumentiert freilich, tisch, richtig entschieden hatte: „Der geboren. Somit als Tochter von Roman und wohlüberlegt in die Distribution getrauten, den sie beim Studium in wie es auch als Belastung empfun­ Spiegel“ nahm Roman Norbert Ket­ Norbert Ketterer, der 1946 in Deutsch­ kommt, das ahnt niemand. München kennenlernte, den sie vor den werden kann, in eine Familie terer aufs Cover – voll in Aktion, in land quasi Pionierarbeit leistete und Fragt man das „Fräulein Tochter“, 50 Jahren in Rom kirchlich heiratete, hineingeboren zu werden, die in und einer Auktion, als Auktionator. „Der mit Genehmigung der Amerikaner wie Oskar Kokoschka um 1960 gerne eine Art Kunst-Imperium aufgebaut, mit der Kunstgeschichte lebt. Der le­ Mann mit dem Flair“, so die Headline das Stuttgarter Kunstkabinett ins Le­ an Roman Norbert Ketterer schrieb, das seinen Schwerpunkt im Bereich gendäre Opa als Museumsgründer der Titelstory, trug eine weiße Nelke ben rief. dann schaut sie ganz streng, beinahe Expressionismus gefunden hat. Es in Davos, der Vater als international im Knopfloch, sein Markenzeichen, Ketterer, Maßanzugträger, der mit so, als hätte man etwas reicht aber auch bis in umschwärmter Experte und Leiter des und jeder in der Familie weiß, dass der seinen vielbeachteten Auktionen eine Unanständiges gesagt. die Gegenwartskunst KunstzeitungErnst Ludwig: Kirchner Archivs, die Gründer die richtige Berufswahl ge­ Stimmung entfachte, die an Monte Ja, Ingeborg, mal eine An ihr kommt hinein, weil eine der bei­ Schwester und der Schwager als Ga­ troffen hatte. Wie später seine Tochter. Carlo oder an die Wall Street denken gnädige Mutter Ey, mal keiner vorbei: den Töchter, Alexandra leristen, der Onkel als Chef der Ernst Karlheinz Schmid ließ, hatte 1954 den Nachlass von eine Domina wie aus Michaela, und Schwie­ Anzeigenschluss:Ludwig Kirchner AG, die Mutter16 als.10.2020 Ernst Ludwig Kirchner übernommen, dem Bilderbuch der Mal ist sie die gersohn Marc Triebold übermächtige Patrona des Clans – da heute von Ingeborg Henze-Ketterer Klostervorsteherinnen, Mutter Ey, mit ihrer Galerie Henze Druckunterlagenüberrascht es nicht bis: weiter, dass22.10.2020 die und ihrem neun Jahre jüngeren Bruder ist im Kunstbetrieb, ob mal eine Domina. & Ketterer & Triebold in Halbitalienerin, wie sie sich bezeich­ Günther verwaltet. Ein schweres Erbe, bei Museumsdirektoren, Riehen/Basel und von Erscheinung:net, in ihrer Biographie bescheiden04.11.2020 denn dass der von den Nazis verfolgte, Privatsammlern oder dort aus alles tun, um von „einer“ Galerie-Mitarbeit berich­ 1938 durch Suizid im Alter von 58 Jah­ Galeriekollegen, als Geschäftsfrau das Programm fortzuführen. Bereitstellentet. Dabei war Homepage: auch sie im berühmten02.11.2020 ren verstorbene Künstler obsessiv und ebenso gefürchtet wie beliebt. An ihr Dass sich die zweite Tochter, Cor­ Elternhaus tätig, bei Henze & Ketterer. außerordentlich fleißig war, weiß man. kommt keiner vorbei. Nicht nur wegen nelia Martina Henze, in München Abmessungen:Wer immer wieder einmal BxHpri­ 140mm*69mm Aber wie groß der Kirchner-Schatz Kirchner. eine eigene Existenz als Designerin vat mit Ingeborg und Wolfgang

Vermögen und Bau Baden-Württemberg Amt Ulm

Kunstwettbewerb „Kunst am Bau“ Ulm, Universität Ulm, Science Park I Ohne Fake-News. Neubau Multidimensionale Trauma Wissenschaften Wir verstehen Zeitung. (MTW)

Beschränkter Kunstwettbewerb mit vorgeschaltetem offenem, nicht anonymen Teilnahmewettbewerb

Auslober: Auslober ist das Land Baden-Württemberg, vertreten , Detail, 2015, Courtesy Galerie York Buchholz, Courtesy Berlin/Cologne/New 2015, III, 3 , Detail, Schauspieler Isa Genzken, Frankfurt Schneider, Axel Foto: Bonn 2020, Bild-Kunst, © VG durch den Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden- Württemberg, Amt Ulm

Bewerbungsunterlagen Teilnahmewettbewerb: Die Bewerbungsunterlagen stehen ab dem 02.11.2020 auf der Internetseite „Kunst am Bau“ der Betriebsleitung Vermögen und Bau B-W unter „Offene Wettbewerbe“ bereit.

http://www.vermoegenundbau- SKULPTURALE VISIONEN DES bw.de/pb/,Lde/Startseite/Ueber+uns/Kunst+am+Bau KÖRPERLICHEN Zeitung ist das Informationsmedium mit der höchsten Glaubwür- 10.10.2020 – 07.03.2021 digkeit. Dies überträgt sich auch auf Beilagen: Wir drucken für Sie DRUCK- UND MEDIENGRUPPE Zeitungen und Beilagen auf Zeitungspapier in herausragender Abgabetermine: www.schenkelberg-druck.de Qualität und auf Wunsch in überraschend auffallenden Formaten. Teilnahmewettbewerb: 31.01.2021 Kunstwettbewerb: 28.10.2021

KT_SUPERNATURAL_ANZ_Kunstzeitung_69x140mm.indd 1 19.10.20 13:08 November 2020 KUNSTZEITUNG 19

s trifft zu, dass die Moderne eine Erfindung Europas ist. Die Überzeugung, Fortschritt in der Die dunklen Seiten der Moderne Emenschlichen Daseinsgestaltung sei prinzipiell möglich, hat sie beflügelt. Sie hat ihr enormes Erfindungspo­ Klaus Honnef über Cancel Culture und moralisch fragwürdige Fotografien tential mobilisiert, das den Menschen geeignete Werkzeuge in die Hand gab, sich aus der Abhängigkeit einer Und es trifft auch zu, dass noch Fokus gerückt werden, Kolonialismus, verhindern, die ihren Ansichten wi­ Ersten Weltkriegs aus einem städtisch unberechenbaren Natur zu befreien. in den 1950er- und 1960er-Jahren die Ausbeutung und Bereicherung. Mora­ dersprechen. Historisches Bewusst­ verwalteten Friedhof. Sie demolieren Am Ende erfasste der Fortschritt den Ansicht kaum umstritten war, künstle­ lische Grundsätze statt differenzierte sein ist dabei ebenso wenig gefragt wie Standbilder historischer, mitunter gesamten Erdball. Nahezu alles, was risches Talent sei eine Eigenschaft, die Faktendarstellung regieren ihre For­ ein Denken in Zusammenhängen. In sehr fragwürdiger Figuren, irrtümlich die Menschen in der globalen Welt in nur weißen Männern vorbehalten war. derungen, und sie setzten sie durch, Bonn fordern sie sogar die Ausbettung auch der „Guten“, und legen mit ihren diesen Tagen nutzen und was sie gro­ Selbst die exzellenten weißen Künstle­ indem sie Vorlesungen und Vorträge eines deutschen Kolonialoffiziers des Shitstorms im Netz gegen unliebsame ßenteils denken und wie sie denken, ist rinnen, die erfolgreich in ihrem Metier Meinungen und Äußerungen einen europäischen Ursprungs. waren und zu ihrer Zeit hochgeachtet, Brandherd, der Universitäten und Me­ Ohne gewaltsame und grausame wurden in einer männerbestimmten dienkonzerne und manche Publizisten Unternehmungen vollzog sich der Kunstliteratur ausgeblendet. Entspre­ bereits zur vorsorglichen Selbstzensur Prozess jedoch nicht. Friedliche Um­ chendes spielte sich in der Kunstpraxis veranlasst hat. wälzungen in der Geschichte sind ab. Künstlerinnen hatten wenig Kredit, Die ersten Konsequenzen dieser ausgesprochen rar. Ihre Opfer waren und die Werke von Künstlerinnen Initiativen und Aktionen zeichnen sich die indigenen Völker außerhalb der sowie Künstlern anderer ethnischer in der Medienwirklichkeit ab. Agentu­ Grenzen Europas, durch die euphe­ Herkunft fielen unter das Fallbeil der ren wie Getty Images und Magnum, mistisch so genannten Völkerwande­ Folklore. intensiv in der Konflikt-Fotografie rungen, die derlei Erfahrungen schon In den letzten 50 Jahren hat sich unterwegs, haben ihre Bilder aus den vorher gemacht hatten. nicht allein in der Kunst nahezu alles öffentlich zugänglichen Programmen Es trifft zu, dass die Wissenschaft verändert. Der westliche Kunstbegriff genommen und überprüfen sie. Das quer durch alle Disziplinen unvermin­ büßte seine ausschließende Geltung eminente Bild „Falling Man“ des AP- dert die Dinge und Vorgänge der Welt ein und hinterlässt ein intellektuelles Fotografen Richard Drew, eines der vorwiegend aus dem westlichen Blick­ Vakuum. Doch vor dem Hintergrund bestürzenden Bilder vom Angriff auf winkel – Europa und USA – betrachtet. einer schleichenden Unsicherheit im Manhattans Zwillingstürme, ist längst Eine Weltsicht, die zweifellos konkre­ Westen, durch gewaltige Herausfor­ aus dem Netz verschwunden. Die Bil­ ten Interessen folgt. Gleichwohl be­ derungen für die Zukunft erzeugt, der von jungen Prostituierten aus Asi­ freien sich mit ihren Prinzipien immer bricht namentlich unter der jungen en und zwangsverheirateten Kindern noch zahlreiche Völker wie einst Euro­ akademischen Elite ein Furor auf, der folgten – die Beispiele summieren pa aus materiellem Elend und geistiger spätmittelalterliche Züge verrät. Statt sich. Sie würden die Menschenwürde Unmündigkeit. Die Menschenrechte die vielen westlichen Errungenschaf­ verletzen, ist die Begründung. Im Zen­ sind europäischen Ursprungs. In der ten in ihrem eigenen Sinne auszubau­ trum der Attacken stehen gerade die Hochkultur lieferte ein westlicher Ka­ en und gegebenenfalls zu korrigieren, Bilder über die dunklen Seiten der Mo­ non bis vor kurzem die Maßstäbe der empfinden sie ihretwegen Scham und derne, die bisher kräftige Impulse zu vorherrschenden künstlerischen Vor­ ein schlechtes Gewissen. Da sich die Veränderungen zum Besseren, wenn stellungen. Bereits der Glaube, Kunst reale Gegenwart gegen rapide Verän­ auch nicht Optimalen, auslösten. Sie sei ein geistiges und sinnliches Phäno­ derungen sperrt, soll nun die westliche Richard Drew fotografiert am 11. September 2001 einen Mann, der sich haben den Blick für die veränderbaren men, das seine Gesetze aus sich selbst Geschichte umgeschrieben werden. vom World Trade Center in den Tod stürzt Bedingungen von Hunger, Krieg und bezieht, ist zutiefst westlich. Ihre dunklen Seiten müssten in den  Foto: Richard Drew, dpa, AP Photo Katastrophen geschärft.

Zentralorgane: Was bei Shigeru Ban auf den ersten Und die betreffen nun mal die Hy­ medizinischen Aspekten dessen, was Blick ein wenig nach Design-Gimmick giene solcher Orte, und, mit Blick auf wir so tagtäglich ausscheiden. Geht es Shigeru Bans Pilotprojekt für Toto aussieht – man ist in der Beziehung eher abgeschieden gelegene Anlagen, nach der Firma Toto, werden wir in insbesondere aus der Gastronomie ja die Sicherheit. nicht allzu ferner Zukunft anlässlich so manche Albernheit gewöhnt –, ist Gleichwohl ist dieses Projekt jeden Toilettenbesuchs wissen, wie in Wahrheit Teil eines Pilotprojekts, nicht ohne den gesellschaftlichen es um Funktion und Zustand einiger Ein Hingucker ist das in eine undurchsichtigen Nebelwand. das anlässlich der (verschobenen) Stellenwert dieses bei uns als „Not­ Zentralorgane unseres Körpers steht. zweifellos, was sich der Der Innenraum, den man vor Betre­ Olympischen Spiele in Tokio von der durft“ qualifizierten Bedürfnisses in Werden dem Verdauenden solche japanische Architekt ten eingehend auf seinen hygienischen gemeinnützigen Nippon-Stiftung und der japanischen Kultur zu verstehen. Informationen dann noch auf einem Shigeru Ban zum The­ Zustand inspizieren konnte, gewährt der Sanitär-Keramik Firma Toto lan­ So verfügen inzwischen circa 80 wohltemperierten Sitz und zeitgleich ma Öffentliches WC absolute Privatsphäre, also exakt die ciert wurde. Dabei ging es den Initia­ Prozent der japanischen Haushalte mit einem warmen Strahl Wasser hat einfallen lassen: Kaum betritt der Situation, die man sonst nur mittels toren weniger darum, die Gattung der über WC-Anlagen mit Zusatz­ vermittelt, könnte der Empfang der Erleichterung suchende Passant das blickdichter Bauteile erreicht. Man­ sogenannten „Architectural Follies“ programmen wie Gesäßduschen, gastroenterologischen Neuigkeiten Stille Örtchen im Yoyogi-Fukama­ cher fühlte sich da erinnert an die um eine neue, sozusagen eine urinale Wassertemperaturregelung oder die alltägliche Sitzung zu einem abso­ chisho-Park im Tokioter Stadtteil Künstlerin Monica Bonvicini, die Spielart zu erweitern; Ziel war viel­ beheizbaren Klobrillen. Und das ist es luten Highlight befördern. Wir dürfen Shibuya, verwandelt sich die gläserne 2004 in London eine gläserne Toilette mehr, sich intensiv mit bestimmten erst der Anfang. Denn längst befasst gespannt sein. Außenhaut des Toilettenhäuschens realisierte. Befindlichkeiten auseinanderzusetzen. sich Japans Sanitärindustrie mit den Volker Albus

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55116 MAINZ V E M B R MALEREI 1946 – 2019 2 0 2 1 2 0 2 0 E D R . H M U

U 7 E 1 S – U 9 BILD: HS 102655

M © GERMANISCHES NATIONALMUSEUM G - A R G T N H R S E U E

T M B 7 I 1 A E N – S Z E 1 – 1 T S EINE AUSSTELLUNG ZUR U G G G A G N A NOTATIONSGESCHICHTE . T T U S W N ANLÄSSLICH DES 250-JÄHRIGEN N N N F W E JUBILÄUMS DES MAINZER F I O W Ö D S SCHOTT-VERLAGES Pierre Soulages, Peinture 390 × 130 cm, 10 août 2019 (Detail). Acryl auf Leinwand. Privatsammlung © VG Bild-Kunst, Bonn 2020; Foto: Vincent Cunillère SOULAGES

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Plötzlich keimt und sprießt es es sprießt und keimt Plötzlich Der Boom bei Balkongärten und und Balkongärten bei Boom Der - lich schaut sie ja harmlos aus, sie harmlos ja schaut lich Eigent hier! gruselgrün so lles die japanische Kletterkünstle japanische die - Gewalt), die deutsche Museen Museen deutsche die Gewalt), VERA MOLNAR den aus sickert Niederschlag Promenades en carré - Erleuchtungen, Vi Erleuchtungen, - vor Botanik? vor 18.10.2020 bis vor munter Sommer Keine Panik Panik Keine Museum Ritter 11.4.2021 phobie. Nachdem Dorothee Baer Dorothee - Zauber? Die Die Zauber? - für die grüne Welle im Museum im Welle grüne die Pflanze Pflanze - Flora ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ - Anette Herburger ihren Vortrag. ihren Herburger Anette Warhols Blüten, Beuys’ Kojote.Warhols do Blüten, Beuys’ & Artur Zmijewski oder „Wunder oder Zmijewski & Artur welche mit zu langen Beinen. Lieber Lieber Beinen. langen zu welche mit widmet das Museum Wiesbaden 2021 Wiesbaden Museum das widmet Es gibt halt honigsüße Völker und und Völker honigsüße halt gibt Es Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz in Liechtenstein Kunstmuseum Fauna schon ewig auf dem Schirm: Schirm: dem auf ewig schon Fauna Henry David Thoreau, der an einem einem an der Thoreau, David Henry Rahmenprogramm. „Keine Panik vor Panik „Keine Rahmenprogramm. „En In 19. des Malerei Jahrhunderts. Leibe, peitscht für „Punishment“ in in „Punishment“ für peitscht Leibe, Botanik“ überschrieb die Biologin Biologin die überschrieb Botanik“ reiches ein Museum das Bücher“ rankt Raubkatzen. Bohnen von mir?“ Um das „Parlament „Parlament Um das von mir?“ Bohnen Normal. Von Normal. Sonderschauen sieben im Hinblick auf unseren Verfall. 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