Generaloberst Heinz Guderian 1888-1954

Autor(en): [s.n.]

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Schweizer Soldat : Monatszeitschrift für Armee und Kader mit FHD-Zeitung

Band (Jahr): 42 (1966-1967)

Heft 11

PDF erstellt am: 25.09.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-706207

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http://www.e-periodica.ch Heinz Guderian 1888-1954

glaubte nicht, den Flußübergang noch an diesem Tage er- zwingen zu können, und war im Begriff, dem willkommenen Befehl zum Uebergang zur Ruhe mit Eifer nachzukommen. Der Korpsbefehl, noch am ersten Angriffstage die Brahe zu überschreiten, war vergessen. Ich ging ärgerlich abseits, um zu überlegen, mit welchen Maßnahmen diese unerfreu- liehe Situation behoben werden könnte. Da trat der junge Leutnant Felix an mich heran. Er hatte den Rock ausgezo- gen und die Hemdärmel hochgekrempelt. Gesicht und Arme waren rauchgeschwärzt. «Herr General, ich komme von der Brahe. Die feindliche Besetzung des Flußufers ist schwach. Die Polen haben die Brücke bei Hammermühle angezündet, aber ich habe sie selbst vom Panzer aus gelöscht. Sie ist fahrbar. Das Vorwärtskommen scheitert nur daran, daß niemand führt! Herr General müßten selbst dahin!» Ich sah den jungen Mann erstaunt an. Er machte einen sehr guten Eindruck, und aus seinen Augen sprach Vertrauen. Warum sollte nicht ein junger Leutnant das Ei des Kolumbus ge- funden haben? Ich folgte seinem Rat, fuhr durch das Ge- wirr von polnischen und deutschen Fahrzeugen auf dem schmalen, sandigen Waldweg nach Hammermühle und kam dort zwischen 16 und 17 Uhr an. Hinter einer dicken Eiche etwa 100 Meter vom Fluß standen mehrere Stabsoffiziere, die mich mit dem Ruf empfingen: «Herr General, hier schießt es aber!» Dies war freilich nicht zu leugnen, denn die Panzer des 6 und die Schützen des Regi- ments 3 schössen, was Rohre und Läufe hergeben wollten. Der Feind saß auf dem anderen Ufer in seinen Gräben und war nicht zu erkennen. Ich stoppte zunächst das irrsinnige Feuer, wobei mir der hinzukommende Brigadekommandeur der 3. Schützenbrigade, Oberst Angern, tatkräftig half. So- dann ließ ich die Ausdehnung der polnischen Besetzung feststellen. Das noch nicht eingesetzte Kraftradschützen- bataillon 3 erhielt den Befehl, auf Schlauchbooten außer- halb des feindlichen Feuerbereiches den Fluß zu über- Archiv Ringier Bilderdienst, Zürich schreiten. Als der Uebergang der Kradschützen gelungen war, setzte ich die Panzer über die Brücke in Bewegung. Sie nahmen die verteidigende polnische Radfahrerkompanie gefangen. Die Verluste waren minimal.» Der junge Leutnant hatte tatsächlich das Ei des Kolumbus gefunden, hatte erkannt, warum es nicht vorwärtsging, und Generaloberst Heinz Guderian, der Schöpfer der Panzer- seinem kommandierenden General, der selbst in diesem waffe der deutschen und der erste und Augenblick noch unschlüssig war, eine Lektion über Führer- daß vielleicht auch der letzte Panzerführer, der die mechani- tum erteilt. «Das Vorwärtskommen scheitert nur daran, niemand General müßten Und sierte Kavallerie einer sterbenden Epoche feldzugsent- führt! Herr selbst dorthin!» als Guderian nach kam, konnte sich davon über- scheidend operativ eingesetzt hat, schildert uns in seinen vorne er daß niemand führte. Panzer und Schützen «Erinnerung eines Soldaten»*) ein Erlebnis im Polenfeldzug zeugen, ver- ihre Stabsoffiziere standen im 1939, das für unsere Untersuchungen sehr aufschlußreich pulverten Munition, passiv ist. Schutze einer Eiche und ließen die Lage treiben, anstatt der mit ihrem militärischen Status verbundenen Führerrolle «Nördlich Zempelburg, bei Groß-Klonia, kam es zum ersten die Knallerei den ernsteren Gefecht, als plötzlich der Nebel aufriß und die gerecht werdend, blödsinnige zu stoppen, Befehl zum zu geben und durch ihr entwickelt vorfahrenden Panzer sich vor einer polnischen Angriff persönliches Beispiel die noch kampfunerfahrenen Soldaten zum Abwehrfront fanden, die eine Anzahl Volltreffer aus Panzer- Angriff motivieren. Es mußte tatsächlich in dieser Situation ein abwehrkanonen erzielte. Nach erfolgtem Fahrzeugwech- zu Mann kommen, der aktiv und wurde und damit sei**) hatte ich mich wieder an die Front der 3. Panzer- aggressiv das Verhalten der «Helden» Brahe und division die mit ihrer die Brahe an der beeinflußte begeben, Spitze an gelangt der führte. war. Die Masse der Division befand sich zwischen Pruszcz steuerte, Es manchem alten Soldaten als Binsenwahrheit und Klein-Klonia und war im Ruhe überzugehen. mag er- Begriff, zur ich diesem das Der Divisionskommandeur einer beim scheinen, wenn aus Erleben, uns General- war zu Besprechung oberst Guderian feststelle: Oberbefehlshaber der Heeresgruppe, der Generaloberst vermittelt, von Bock, abwesend. Ich ließ mich daher durch die an- Führen ist Aktivität! Führen fordert Aktivität! wesenden Offiziere des Panzerregiments 6 über die Lage Eine wirkliche Binsenwahrheit, die auch Napoleon erkannt an der Brahe informieren. Der Regimentskommandeur hatte, wenn er seine Marschälle und Offiziere anherrschte: activité, activité, activité! Aus dem Erleben des deutschen Panzerführers erkennen *) Kurt Vowinckel Verlag, Heidelberg 1951. wir auch den Einfluß des unmittelbaren Führertums auf die '"*) Der noch kriegsungewohnte Fahrer des Generals war mit dem Moral einer Truppe und damit auf ihre Leistung. Guderian Befehlspanzer unter dem Eindruck eigenen Artilleriebeschusses mit hätte ja auch dem Leutnant Felix den Befehl erteilen kön- Volldampf in einem Graben gelandet. nen: «Fahren Sie vor zum Bataillonskommandeur an diesem

199 Fluß und übermitteln Sie ihm meinen Befehl, daß er sofort das Gesehene war. An den Narew zurückgekehrt, traf ich anzugreifen und das andere Ufer zu gewinnen hat! Vollzug das Panzerregiment immer noch auf dem Nordufer. Der ist zu melden!» Guderian hätte in diesem Falle mittels des Regimentskommandeur wurde zu beschleunigtem Flußüber- Leutnants Felix auf die Truppe am Fluß Einfluß zu nehmen gang veranlaßt. Da die Brücke noch nicht fertig war, muß- gesucht, also mittelbar zu führen versucht. Der Erfolg der ten die Panzer mit der Fähre übergesetzt werden. Es wurde mittelbaren Führung hätte von der augenblicklichen körper- 18 Uhr, bis der Angriff endlich in Fluß kam. Er gelang nun lich-seelischen Verfassung und dem taktischen Können der schnell und mit wenigen Verlusten. Bei energischem und Offiziere an der Brahe abgehangen, die ja nach dem Be- zielbewußtem Handeln hätte dieses Ergebnis bereits im rieht des Generals irgendwie in ihrer Entschlußfähigkeit Laufe des Vormittags erreicht werden können.» gelähmt waren. Ueberall, wo Guderian als Korpskommandeur persönlich im Wir müssen unterscheiden zwischen: Polenfeldzug vorne führte, waren die zuständigen Komman- dem unmittelbaren Führen durch persönliche Einwirkung deure aus irgendeinem Grunde ihrer Rolle nicht gerecht auf die zu Führenden geworden. Sei es, daß ihnen diese Art von Bewegungskrieg und dem mittelbaren Führen durch das Einwirken mittels fremd war, oder sie nicht unmittelbar führten und sich auf anderer Führungsorgane, die man wiederum unmittelbar die Initiative und Meldungen ihrer Unterführer verließen, oder mittelbar beeinflußt, auf die zu Führenden. denen sie voll vertrauten, sei es, daß sie müde und Für die Auswirkungen des unmittelbaren Führertums auf die schwunglos oder gar aus Müdigkeit pessimistisch geworden Truppe zeugt uns das Erleben Guderians im Polen- und waren. Westfeldzug: Schon aus diesen wenigen Erlebnissen des Polenfeldzuges erkennen die «Während der Nacht machte sich die Nervosität des ersten wir Bedeutung des soldatischen Führertums auf die der Kriegstages noch mehrfach geltend. So meldete die 2. Kampfmoral Truppe. Im sich (mot.) Division nach Mitternacht, daß sie gezwungen sei, Frankreichfeldzug begab Guderian am frühen Mor- vor polnischer Kavallerie zurückzugehen. Ich war zunächst gen des 16. Mai 1940 zur I.Panzerdivision nach Bouvelle- sprachlos, faßte mich dann aber und fragte den Divisions- mont: kommandeur, ob er schon je gehört hätte, daß pommersche «Auf der Dorfstraße des brennenden Ortes traf ich den Regi- Grenadiere vor feindlicher Kavallerie ausgerissen seien. Er mentskommandeur, Oberstleutnant Balck, und ließ mir die verneinte und versicherte nun, seine Stellungen halten zu Ereignisse der Nacht schildern. Die Truppe war übermüdet, können. Ich entschloß mich aber, am nächsten Morgen zur nachdem sie seit dem 9. Mai keine Nacht wirklich Ruhe Division zu fahren. Gegen 5 Uhr fand ich den Divisionsstab gehabt hatte. Die Munition war knapp geworden. Die Män- immer noch einigermaßen ratlos. Ich setzte mich nun an ner der vorderen Linie schliefen in ihren Schützenlöchern. den Anfang des in der Nacht herausgezogenen Regiments Balck selbst, in Windjacke und mit Knotenstock, erzählte, und führte es selbst bis an den Kamionka-Uebergang nörd- daß die Wegnahme des Dorfes in der Dunkelheit nur ge- lieh Groß-Klonia, um es von dort auf Tuchein anzusetzen. lungen sei, weil er auf den Einspruch seiner Offiziere gegen Der Angriff der 2. (mot.) Division kam nunmehr schnell in die Fortsetzung des Angriffes geantwortet hatte: «Dann Fluß. Die Panik des ersten Kriegstages war überwunden!» werde ich das Dorf eben allein erobern!» und sich in Be- habe. Daraufhin seien seine Männer ihm Am 9. September übernimmt Guderian wiederum wegung gesetzt person- Sein verstaubtes Gesicht und seine entzündeten lieh die Führung der 10. Panzerdivision, weil es nicht vor- gefolgt. Augen bewiesen, daß er einen schweren Tag und eine wärtsgeht: schlaflose Nacht hinter sich hatte... Nun «Als ich wieder bei mußte ich meiner Ent- war uns am Vortag eintraf, zu ein französischer Beutebefehl in die Hände der daß der Bericht über gefallen, täuschung feststellen, morgendliche die Worte enthielt: «Der Flut der deutschen Panzer muß die der Infanterie auf einem Irrtum beruhte. Die Erfolge endlich ein Halt werden!» Dieser Befehl hatte mich Infanterie hatte den Fluß überschritten, aber die Be- geboten zwar in der den mit aller Kraft tonbunker der nicht erreicht. Zur Zeit Ueberzeugung bestärkt, Angriff Uferbefestigungen da offenbar die Widerstandskraft der Fran- nichts. Daher ich mich über den Fluß und fortzusetzen, geschah begab ihrem Oberkommando ernste bereitete. Nur auf die Suche nach dem Es zosen Sorge Regimentskommandeur. gelang jetzt kein und kein Halten! Ich ließ die Männer mir den finden. Auch die Zögern nicht, Regimentsgefechtsstand zu kompanieweise antreten und verlas ihnen den Gefechtsstände der Bataillone Ich Beutebefehl, waren zu gut getarnt. machte ihnen die die eine Fort- landete in der vordersten Linie. Von den Panzern der Divi- Bedeutung klar, sofortige des haben dankte ihnen für ihre sion nichts sehen, sie befanden sich noch auf dem Setzung Angriffs müsse, war zu und forderte sie sich Nordufer der Narew. Daher schickte ich meinen Begleiter bisherigen Leistungen auf, zusammen- zureißen und den Sieg zu vollenden. Dann befahl ich auf- zurück, um sie zu holen. In der vorderen Linie spielte sich zusitzen und vorzugehen Auf der Fahrt nach Moncornet ein eigenartiger Vorgang ab, der mir auf Befragen als überholte ich die Marschkolonnen der 1. Panzerdivision. Die Ablösung der Kompanien vorderer Linie erklärt wurde; es Männer waren nun aufgewacht und hatten begriffen, daß sah aus wie eine Von einem Befehl An- Wachparade. zum ein ein Durchbruch sei. Sie den Männern nichts bekannt. Ein Beobachter der voller Sieg, gelungen jubelten griff war und riefen mir ihre die vielfach erst schweren lag ohne bei den Bemerkungen zu, von Artillerieabteilung Auftrag dem mir meines Stabes verstanden Infanteristen. Wo sich der Feind befand, unbekannt; folgenden Wagen wur- war den: «Unser «Haste der Aufklärung befand sich nicht der Front. Ich unterband «Mensch, knorke!», Alter», jesehn, vor schnelle Heinz!» und ähnliche. Sie bezeichnend.» zunächst das merkwürdige Ablösungsmanöver und ließ mir waren den Regiments- und Bataillonskommandeur kommen. Dann Auch hier zeigt sich wieder der Einfluß des soldatischen erhielt der schwere Artillerist einen Schießauftrag gegen Führers auf die Kampfmoral der Truppe. die polnischen Bunker. Mit dem nach einiger Zeit ein- Der Oberstleutnant Balck motivierte die übermüdeten Offi- treffenden Regimentskommandeur begab ich mich sodann ziere und Männer seines Regiments durch seine Haltung auf Erkundung der vorderen feindlichen Linie und ging mit und Beispiel zum Angriff. Er erzwang nicht den Angriff auf ihm so weit vor, bis wir Feuer bekamen. Wir lagen dicht vor Grund seiner Kommandogewalt, sondern gewann seine den Betonbunkern, fanden dort eine tapfere deutsche Männer dazu, indem er an ihr Ehrgefühl und ihre Kamerad- Panzerabwehrkanone, deren Führer den Angriff bis dahin schaff appellierte, mit der Antwort, daß er das Dorf allein allein geführt hatte, und setzten von hier aus den Angriff erobern werde, und durch sein Beispiel, indem er sich an. Ich kann nicht leugnen, daß ich sehr ungehalten über gegen das Angriffsziel allein in Marsch setzte.

200 Wir können hier von einem beispielgebenden Führertum 5. Unmittelbares, persönliches Führen ist wirkungsvoller als sprechen, das zum Faktor der Kampfmoral wurde. mittelbares, da es Guderian wirkte am nächsten Morgen durch begeisterndes a) zwischen Offizier und Mann zu dem zwischenmensch- Führertum auf die Schützen, die seit einer Woche kämpften liehen Prozeß des Miteinanders führt; und kaum zur Ruhe gekommen waren. Er sprach als Korps- b) Statusbedürfnisse der untergebenen Führer, wie so- kommandeur die Männer persönlich dabei an, appellierte ziale und biologische Bedürfnisse, anspricht*); an Verstand und Gefühl und erwarb sich damit, daß er als Kommandierender General selbst die Lage erklärte, ihre c) Vertrauen des Soldaten auf die Leistung des soldati- Sympathie. Wie ein Lauffeuer mochte die Kunde von seiner sehen Führers im Dienste seiner Selbsterhaltung erzeugt. Leutseligkeit und seiner Botschaft durch die Einheiten der 1. als in Panzerdivision gegangen sein, denn er seinem In allen bisher geschilderten Situationen war es Befehlspanzer ihre Marschkolonne überholte, jubelten ihm die Männer zu. Die Tatsache, daß der Kommandierende 1. die Anwesenheit des höheren Führers, General die gegen den Feind fahrenden Marschkolonnen 2. seine Zuständigkeit zu führen, überholte, beeinflußte die Männer nicht nur als beispiel- 3. sein Vermögen zu führen, gebendes Führertum, sondern stärkte in ihnen auch das 4. sein Wille zu führen, Vertrauen zu ihrem General und das Ueberlegenheitsgefühl über den Gegner. Gar mancher sich gedacht haben: mag also soldatisches Führertum, das die Kampfmoral und die Na, wenn der General so weit nach vorne fährt und vor Leistung der Truppe beeinflußte. uns herfährt und dann bei uns ist, kann ja nicht viel passie- Schon allein die Anwesenheit, das Sich-sehen-Lassen eines ren. militärischen Vorgesetzten, dem die Befehlsgewalt über den Verband zusteht**) motiviert zu aktiven Verhaltensweisen Guderians Erlebnisse lehren uns: und wirkt sich auf die Kampfmoral aus. Verstand und Ge- fühl als Werkzeuge des Selbstbehauptungstriebes ver- 1. Führer die Der soldatische ist Energiequelle der Kampf- bieten dem einen, dem Vorgesetzten, «unangenehm» auf- moral seiner Truppe(n). Das soldatische Führertum höhe- zufallen, und motivieren andere durch Leistung, Mehr- rer Vorgesetzter ist ein Umweltfaktor der Kampfmoral leistung und auch Scheinleistung, die Aufmerksamkeit des soldatischer Gruppen. Vorgesetzten auf sich zu lenken. Jeder Soldat erkannte im 2. Führen fordert aktives Verhalten, unmittelbares oder Krieg sehr bald, daß sein Schicksal in der Seele seiner Einwirken auf die mittelbares zu Führenden. Vorgesetzten lag. 3. Die persönliche Einwirkung des militärischen Vorgesetz- ten und des soldatischen Führers auf die Truppe erfolgt a) durch seine Haltung, sein selbstsicheres Auftreten, seine tatsächliche oder vorgetäuschte Ruhe, Humor und Selbstironie in Krisenlagen, «wenn für die anderen die Führen höherer darf aller- Scheiße im Dampfen ist!;» *) Unmittelbares, persönliches Vorgesetzter dings nicht in Bevormundung rangniederer Vorgesetzter ausarten. Ein b) durch sein und Vorbild in und Beispiel Not Gefahr; nicht unbedingt erforderliches Eingreifen in die Zuständigkeit eines c) durch mündliche und schriftliche Botschaften, wie Untergebenen verletzt dessen Statusbewußtsein. Tagesbefehle, Lob und Anerkennung, Tadel und Miß- billigung, durch den Ausdruck der Verwunderung über **) Der junge Leutnant Felix hat sicherlich an der Brahe führen wollen unzureichende Leistungen und durch väterliche, beruhi- und auch auf Grund seines militärischen Könnens zu führen vermocht. gende Worte. Da aber ranghöhere und dienstältere Offiziere anwesend waren, stand 4. Das Führungsvermögen des Offiziers beruht auf Status ihm das Führen nicht zu. Die Bestimmungen über das Rang- und Vor- und soldatischem Führertum. Sein Status, sein Rang und gesetztenverhältnis blockierten ihm die Möglichkeit, die Führung zu übernehmen. Höherer und Dienstalter auch in seine seine und Straf- Dienstgrad allein waren Dienststellung, Befehlsgewalt der deutschen Wehrmacht kein Freibrief zu führen. Wäre Felix damals wie der Schutz ihm befugnisse gesetzliche seiner vom nicht Leutnant, sondern Oberst der gewesen, so hätte er Gesetzgeber verliehenen Autorität verleihen dem Offi- an der Brahe sich mit den Worten: «Betrachten Sie mich als Vorge- zier neben seiner Persönlichkeitsautorität, seiner ge- setzen» den im Dienstgrad niedereren Offizieren als für die Führung Winnenden Autorität zwingende Autorität. zuständig erklären müssen.

Sorgst du dich um deine Soldaten wie um deine Kinder, so wirst du mit ihnen auch in die tiefsten Schluchten gehen können; behandelst du deine Soldaten wie deine gehebten Söhne, so werden sie dir sogar in den Tod folgen. Bist du ihnen gegenüber freigebig, verstehst es aber nicht, ihnen zu befehlen, liehst du sie, verstehst es aber nicht, Anordnungen zu treffen, dann entsteht Unordnung und du kannst die Ordnung nicht wieder herstellen. Dann hedeu- tet das, daß du ungehorsame Kinder hast; sie einzusetzen wird unmöglich sein. General Guisan

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