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Glasgow: von der altindustriellen Stadt zur postindustriellen Metropole? Burdack, Joachim

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Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Burdack, J. (1997). : von der altindustriellen Stadt zur postindustriellen Metropole? Europa Regional, 5.1997(1), 34-45. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-48342-7

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JOACHIM BURDACK

Der Ballungsraum um Glasgow, die Clyde- politik eingeleitet: Stadtumbau und Stadt- es gilt vor allem soziale Innovationsblok- side Conurbation, ist mit nahezu 2 Mio. erneuerung werden seitdem als Voraus- kaden und ‘sklerotische Milieus’ zu über- Einwohnern die größte und wirtschaftlich setzung der Erneuerung der wirtschaftli- winden. Ein ‘sklerotisches Milieu’, das in bedeutendste Metropole in Schottland und chen Basis erkannt. altindustriellen Regionen traditionell do- eine der größten Regionalmetropolen des Der folgende Beitrag zieht zwei Jahr- miniert, verhindert eine grundlegende Er- Vereinigten Königreichs. Mit über 600.000 zehnte nach der Wende in der Stadtpolitik neuerung der Region auch bei einer offen- Einwohnern zählt die Kernstadt Glasgow, eine (Zwischen-)Bilanz der Erneuerungs- sichlich krisenhaften Entwicklung, indem das wirtschaftliche Zentrum der Conurba- bemühungen und gibt einen Ausblick auf es alternative Problemlösungen und nicht- tion, trotz starker Bevölkerungsverluste in aktuelle Problemfelder und Tendenzen der milieukonforme Akteure ausfiltert und der Nachkriegszeit immer noch zu den Stadtentwicklung. ausschließt. Erst wenn das traditionelle größten districts (Bezirken) in Großbri- Interessengeflecht in der Region ‘brüchig’ tannien. Die Entwicklung Glasgows in Eine lange Tradition wirtschaftlicher wird und sich desintegriert, kann ein neues den letzten Jahrzehnten stellt in vieler Hin- Innovation und wirtschaftlichen ‘innovatives Milieu’ entstehen. CHECKLAND sicht einen Modellfall für Niedergang und Wandels (1976) benutzt in Zusammenhang mit do- Revitalisierung einer industriell gepräg- In der theoretischen Diskussion um Grün- minierenden Branchen und Milieus in alt- ten Stadt im westlichen Europa dar: Die de des wirtschaftlichen Niedergangs von industriellen Regionen die Metapher vom Conurbation am Unterlauf des Clyde war altindustriellen Regionen und Städten und ‘Upas Tree’, einem tropischen Baum, un- zu Beginn des 20. Jh.s eine der führenden den Chancen ihrer Revitalisierung domi- ter dessen dichter Krone keine andere Industrieregionen der Welt, und Glasgow nierten lange Zeit Erklärungsansätze, die Vegetation heranwachsen kann. bezeichnete sich voller Stolz als ‘the sec- wirtschaftsstrukturelle Faktoren in den Berücksichtigt werden sollten bei der ond city of the empire’. Früher als in Mittelpunkt der Betrachtung rückten. Zu Frage der Revitalisierung altindustrieller anderen Städten erreichte die industrielle nennen sind hier vor allem die Theorie der Städte und dem Wandel traditioneller Mi- Entwicklung – mit ihren Schwerpunkten lange Wellen, das Modell des Produktle- lieus auch politikwissenschaftliche An- im Schiff- und Schwermaschinenbau – benszyklus, Modellvorstellungen von sätze zu urban governance und urban re- einen Wendepunkt, und die Stadt geriet in regionalen Entwicklungszyklen1. In den gimes, die sich mit veränderten Zielset- eine Dauerkrise. Noch vor zwei Jahrzehn- letzten Jahren verlagerte sich die Diskus- zungen der lokalen Stadtpolitik, lokalen ten galt Glasgow als „the most striking sion verstärkt von ökonomischen zu mehr Wachstumskoalition und ihrer Durch- example of metropolitan decline in the soziologisch/sozialwissenschaftlichen setzungsfähigkeit auseinandersetzen (FAIN- United Kingdom“ (REED 1993c, S. 211). Deutungsversuchen. Der neue Zugang zum STEIN 1990; NEWMANN u. THORNLEY 1994). Heute hat die Stadt in ihrem Selbstver- Problem ist vor allem mit Begriffen wie Der strukturell nicht erklärbare Erfolg von ständnis und ihrer Außendarstellung radi- regionaler Vernetzung oder regionalem Revitalisierungsbemühungen ist nach kal mit der industriellen Vergangenheit Milieu verbunden. Besonders prägnant KLETZANDER (1995, S. 6) in wesentlichem gebrochen. Glasgow versucht sich statt- formuliert LÄPPLE (1994, S. 38) den Mi- Maß von den Entscheidungen und Aktio- dessen als eine der ersten postindustriellen lieu-Ansatz. Danach ist nicht eine bestimm- nen der lokalen politischen und wirtschaft- Städte Europas zu präsentieren. Durch te Sektoren- oder Branchenstruktur die lichen Eliten abhängig. kulturelle Großveranstaltungen und Ver- entscheidende Determinante der regiona- In Glasgow hat sich ein radikales Ab- marktung des städtebaulichen Erbes als len Entwicklung, sondern „...die spezifi- wenden von der industriellen Tradition „finest surviving example of a great Victo- schen Bedingungen und Besonderheiten vollzogen, und das ‘sklerotische Milieu’ ist rian City“ (REED 1993b, S. 189) ist es einer Region wie z.B. intraregionale Ver- zumindest teilweise durch neue Ansätze tatsächlich gelungen, das Außenimage flechtungszusammenhänge und Koopera- abgelöst worden. In den siebziger Jahren entscheidend zu ändern. Glasgow gilt in- tionsformen, wirtschaftshistorische und setzten sich in Glasgow Entwicklungsstra- zwischen als Paradebeispiel erfolgreichen kulturelle Traditionen, spezifische Quali- tegien durch, die Innenentwicklung und Stadtmarketings, dem andere Städte nach- fikationsrepertoirs etc. – kurz: das ‘Mi- Dienstleistungsorientierung betonten. In zueifern versuchen. Die Weichenstellun- lieu’ der Region – bestimmen in starkem historischer Perspektive lassen sich vor al- gen für die jetzt sichtbare Revitalisierung Maße die jeweiligen Wachstums- und lem zwei Entwicklungen anführen, die die- der Stadt erfolgten zum großen Teil be- Beschäftigungsentwicklungen der Bran- se Umorientierung verständlich machen: reits Mitte der siebziger Jahre. Schon da- chen in der Region“. erstens die historische Erfahrung erfolg- mals wurde ein Zusammenhang zwischen Aus der Sicht des Milieu-Ansatzes ist reich bewältigter Umbrüche in der lokalen ökonomischem Wiederaufschwung und das Hauptproblem altindustrieller Räume städtebaulicher Revitalisierung betont und nicht eine technologische oder infrastruk- 1 Siehe hierzu u.a. Hamm & Wienert (1990); Burdack eine Wende in der Stadtentwicklungs- turelle ‘Modernisierungslücke’, sondern (1994).

34 EUROPA REGIONAL 5(1997)1 (z.T. Gewerbebrache IfL1997 Karteninhalt: J. Burdack Kartographie: R. Bräuer Stadtteilzentrum Autobahn, geplant Eisenbahn Clyde Tunnel Autobahn, autobahnähnliche Straße zur Nutzung vorgesehen) Brachfläche Wohngebiet Freifläche, Grünfläche Industrie- und Gewerbegebiet großflächige öffentl. Einrichtung Büro- und Einzelhandelsfläche Stadtzentrum (überwiegend Büro- und Einzelhandelsfläche Scottish Conference and Exhibition Centre ehem. Areal des National Garden Festival 1 2 Nutzungsart Maßstab 1 : 110 000 0 1 2 3 4 5 km Shettleston Cambuslang Parkhead Bridgeton Springburn Port Gorbals Dundas Possilpark 1 2 Maryhill Kelvinside Govan

River Clyde Flächennutzung 1996 Glasgow

Abb. 1: Flächenutzung in Glasgow 1996 Quelle: City of Glasgow Planning Department District Plan (1984, ergänzt)

35 Wirtschaft im 18. und 19. Jh. und zweitens • nördlich des Stadtzentrums um St. Rol- von 1934 und 1937 wurden zu diesem das lange, großenteils vergebliche Bemü- lox und Port Dundas am Forth & Clyde Zweck Betriebsansiedlungen gefördert und hen um eine Erneuerung der industriellen Canal und seinen Seitenarmen mit erste Industrie- und Gewerbeparks einge- Basis während des 20. Jh.s. dem Lokomotiv- und Schwermaschi- richtet. Hatten die Neuansiedlungen zu- Einen ersten wirtschaftlichen Auf- nenbau, nächst noch geringen Umfang, so unter- schwung erlebte Glasgow im 18. Jh., als • im East End mit der Stahlerzeugung nahm man in den fünfziger Jahren mit nach dem Unionsvertrag (1707) schotti- und -verarbeitung und staatlicher Förderung den Versuch, eine schen Kaufleuten der Handel mit den engli- • westlich des Stadtzentrums an beiden neue industrielle Ausrichtung der Clyde- schen Kolonien ermöglicht wurde. Glas- Ufern des Clyde mit dem Schiffbau side Conurbation auf der Grundlage von gow konnte seine verkehrsgünstige Lage und Hafenfunktionen. Stahlerzeugung und Automobilbau zu an der Westküste besonders beim Nord- Diese Industriegebiete sind z.T. auch noch schaffen. Die Stahlwerke bei Ravenscraig amerikahandel ausnutzen. Gegenüber Lon- in der Flächennutzungskarte (Abb. 1) er- in Motherwell im Osten der Conurbation don oder Bristol reduzierte sich die Atlan- kennbar. wurden zu diesem Zweck – trotz ihrer tiküberquerung von Glasgow aus um zwei ungünstigen Lage im Hinterland – zu ei- bis drei Wochen. Binnen weniger Jahr- Wirschaftlicher Niedergang und nem integrierten Stahlwerk mit Warm- zehnte erreichte Glasgow eine dominie- erfolglose Erneuerungsbemühungen walzstraße ausgebaut. Die Rootes Group rende Stellung im britischen Tabakhandel Die industrielle Basis der Stadt stellte sich (Hillman, später Chrysler) errichtete ein (‘tobacco lords’). Zugleich entstanden mit zu Beginn des 20 Jh.s als eng verflochtener Automobilwerk in Linwood westlich von den Gewinnen aus dem Tabakhandel Ma- Schwerindustriekomplex von Schiffbau, Glasgow. Trotz staatlicher Hilfen und nufakturen und Werkstätten, die Exportgü- Metallverarbeitung sowie Maschinen- und Rationalisierungen mußte die Produktion ter für die Kolonien (u.a. Textilien und Lokomitivbau dar. Negativ wirkte sich 1981 schließlich eingestellt werden. Ein Lederwaren) und zur Schiffsausrüstung vor allem das enge Branchenspektrum mit Grund für das Scheitern der Automobil- herstellten. Nach dem amerikanischen Un- einer Spezialisierung auf Investitionsgü- fertigung lag auch darin, daß es nicht ge- abhängigkeitskrieg ersetzte Baumwolle ter statt im dynamischeren Konsumgüter- lungen war, Zulieferbetriebe in der Regi- den Tabak als Haupthandelsgut, und auf sektor aus. Hinzu kam eine starke Export- on anzusiedeln. Noch in den fünfziger dieser Basis entwickelte sich eine abhängigkeit. Jahren war die Clydeside Conurbation der Textilindustrie. Gegen Mitte des 19. Jh.s Ansätze zur Verbreiterung der industri- zweitwichtigste Stahlstandort Großbritan- wurde die Konkurrenz der Baumwollin- ellen Basis waren zwar vorhanden – z.B. niens (DURY 1955). Der Niedergang des dustrie in Lancashire (Manchester, Bol- die Arrol Automobilfabrik oder Singer Schiffbaus hatte jedoch auch erhebliche ton, Oldham etc.) übermächtig. Als neue Nähmaschinen –, konnten sich jedoch nie Auswirkungen auf die Stahlindustrie. Das Leitindustrie bot sich der Ausbau einer richtig entfalten. Ravenscraig Stahlwerk, das in Spitzenzei- Schwerindustrie auf der Basis lokaler Ei- Kurzfristige Konjunkturaufschwünge ten über 10.000 Beschäftigte hatte, schloß senerz- und Kohlevorkommen an. Eine nach dem Ersten Weltkrieg – wie später 1993 endgültig. Damit endete die Stahl- herausragende Bedeutung erlangte in die- auch nach dem Zweiten Weltkrieg – produktion in Schottland. sem Zusammenhang vor allem der Schiff- überdeckten zeitweise die strukturelle Pro- Auch viele andere Zweigniederlassun- bau. Zahlreiche Innovationen der Dampf- bleme der lokalen Wirtschaft. Der Effekt gen ausländischer oder britischer Firmen schiffahrt entstanden in der Region. Die dieser kurzen Blütezeiten war eher „struk- (z.B Singer, Goodyear, Rolls Royce) stell- Schiffbauer am Clyde waren u.a. führend turkonservierend“ und lenkte von der Not- ten in den siebziger Jahren den Betrieb ein. an der Entwicklung von Schiffsrümpfen wendigkeit einer umfassenden Erneuerung Die Diversifizierungsversuche durch Neu- aus Eisen und später aus Stahl beteiligt. der wirtschaftlichen Basis ab. Auch Stra- ansiedlungen waren spätestens zu diesem 1903 arbeiteten über 60.000 Arbeiter in 39 tegien, durch Innovationen in den beste- Zeitpunkt endgültig gescheitert. Trotz zahl- Werften und weitere 40.000 in Zulieferin- henden Leitindustrien eine Zyklenverlän- reicher Ansätze für neue Industrien war es dustrien. Zu dieser Zeit wurde ein Drittel gerung im Sinne des Produktlebenszyklus nicht gelungen mit Hilfe staatlicher Indu- der britischen Schiffstonnage am Unter- zu erreichen, wurden letzlich nicht konse- strieförderung ein breiteres Branchenspek- lauf des Clyde gebaut (750.000 t), was quent genug verfolgt. Im Schiffbau wurde trum in Glasgow zu entwickeln. Der Zweig- zugleich bedeutete, daß etwa ein Fünftel es versäumt, neue Produktionstechniken werkswirtschaft fehlte eine ausreichende des Weltschiffbaus hier konzentriert war einzuführen und sich auf lukrative Teil- regionale Vernetzung mit Zulieferbezie- (KEATING 1988)2. Aus der Tradition von märkte zu spezialisieren. Der Lokomotiv- hungen in der Region. CAMERON (1980) Kessel- und Dampfmaschinenherstellung bau verpaßte den Umstieg von der Dampf- führt außerdem als wichtige Faktoren des entwickelte sich auch der Schwerma- zur Dieseltechnik. Trotz vorhandener Pla- Niedergangs der Industrie in der Clyde- schinenbau. Vor allem der Eisenbahnbau nungen gelang es der Stahlindustrie nicht, side Conurbation die niedrige Produktivi- wurde ein prägendes Element der lokalen sich durch Bau eines Küstenstahlwerks zu tät, das hohe Lohnniveau und die zu gerin- Wirtschaft. Die Werke der North British modernisieren. Die Weltwirtschaftskrise ge Zahl nachwachsender Unternehmen an. Locomotive Company in den industriellen nach 1929 traf die exportorientierte Regi- Die Beschäftigtenentwicklung verdeut- Vororten Springburn und St. Rollox wa- on um Glasgow noch härter als andere licht die krisenhafte Entwicklung der Wirt- ren die damals größten Lokomotivfabri- britische Industriegebiete. schaft in den letzten Jahrzehnten (Abb. 2). ken und beschäftigten um 1900 etwa 8.000 Bereits in den dreißiger Jahren began- Arbeiter. nen die staatlichen Bemühungen, die wirt- Es bildeten sich in der Stadt drei, von schaftliche Basis durch Neuansiedlungen 2 Die Verlagerung der Yarrow´s Werft von der Themse an den Clyde im Jahr 1906 löste in Südengland sogar unterschiedlichen Branchen geprägte In- von Industrien zu verbreitern. Im Rahmen die Furcht vor einem Abwandern der Industrie nach Nor- dustriezonen aus: der Regionalhilfe der Special Areas Acts den aus.

36 EUROPA REGIONAL 5(1997)1 75 % entspricht. In Schiffbau und -repara- durch über 1.500 Arbeitsplätze im Büro- Clydeside Conurbation Beschäftigtenentwicklung 1961-1989 tur sind in Glasgow heute nur noch 5.900 komplex der Firma in der Innenstadt und Tsd. Arbeitskräfte beschäftigt, im Maschinen- eine etwa ebenso große Anzahl durch 600 bau (mechanical engineering) noch 6.600. Multiplikatoreneffekte (KEATING 1988). 500 Von den Werften am Unterlauf des Clyde Im Vergleich mit anderen britischen sind heute nur noch drei in Betrieb, davon Regionalmetropolen zeigt sich, daß die 400 liegen zwei (Govan Shipbuilders, Yar- Beschäftigtenentwicklung in den achtzi- 300 row) in der Stadt Glasgow selbst. Die ger Jahren in Glasgow ungünstiger verlief 200 Deindustrialisierung beschränkte sich je- als in den meisten Vergleichsstädten doch in den siebziger und achtziger Jahren (Abb. 4). Nur Sheffield und die krisenge- 100 nicht mehr nur auf einige „traditionelle“ schüttelte Hafenstadt Liverpool schnei- 0 Krisenbereiche, sondern es waren nahezu 1961 1971 1981 1989 den noch schlechter ab. IfL 1997 Glasgow Outer ring Inhalt: J.Burdack alle Branchen von einem massiven Ar- Grafik: K.Ronniger beitsplatzabbau betroffen. Grundzüge der Stadtentwicklung Die Zahl der Beschäftigten im Dienst- nach dem Zweiten Weltkrieg Abb. 2: Beschäftigtenentwicklung in der leistungssektor insgesamt hat sich in der Clydeside Conurbation 1961-1989 Die städtebauliche Entwicklung Glasgows Quelle: Census of Employment Kernstadt seit den sechziger Jahren dage- nach dem Zweiten Weltkrieg wurde stark gen nur wenig verändert (1991: 260.000). vom Wechselspiel zweier gegensätzlicher Innerhalb des heterogenen tertiären Sek- Stadtentwicklungskonzepte geprägt. Bei- Die Zahl der in der Kernstadt Glasgow tors gab es jedoch erhebliche Umschich- de Planungsentwürfe, der Clyde Valley Beschäftigten ging zwischen 1961 und tungen. Starken Zuwachs verzeichneten in Regional Plan (CVP) und der sog. „Bruce- 1989 um nahezu 200.000 zurück, wobei Report“, waren bereits in den vierziger sich dieser Rückgang in den achtziger Jah- Jahren entstanden. Besondere Bedeutung ren noch einmal beschleunigte. Der subur- Regionalmetropolen (Kernstädte) Beschäftigtenentwicklung 1981-1991 erlangten die Stadtentwicklungskonzepte bane Raum (outer ring) entwickelte sich 0 dadurch, daß sie die strategische Grundla- günstiger, was auch darauf zurückzufüh- ge für Standortentscheidungen im öf- ren ist, daß sich neue Industrien bevorzugt -5 fentlichen Wohnungsbau bildeten. Leeds in den Außenbereichen der Conurbation Der Clyde Valley Regional Plan (CVP) ansiedelten. In besonderem Maße profi- -10 war unter Leitung von P. Abercrombie tierten davon die beiden new towns Cum- Newcastle entstanden, der auch die Entwicklungs- bernauld und , wo sich auch -15 pläne für den Londoner Raum und andere eine high tech-Industrie ansiedelte. Die -20 britische Metropolen entworfen hatte. Der Glasgow neu entstandenen Arbeitsplätze an der Pe- Birmingham

Sheffield CVP betonte die Notwendigkeit einer Manchester ripherie konnten jedoch zu keinem Zeit- -25 Liverpool Verringerung der innerstädtischen Bevöl- punkt die Verluste in der Kernstadt ausglei- IfL 1997 kerungsdichte als Voraussetzung für eine -30 Inhalt: J.Burdack chen. Seit den siebziger Jahren ist auch die % Grafik: K.Ronniger Verbesserung der Wohn- und Lebensver- Arbeitsplatzentwicklung im suburbanen hältnisse. Die Einwohnerzahl der Kern- Raum rückläufig. Abb. 4: Beschäftigtenentwicklung in den stadt sollte durch Umsiedlungen von Besonders drastisch verlief der Arbeits- Kernstädten britischer Regionalmetropolen 500.000 Personen – etwa 45% der Bevöl- platzabbau in der Industrie der Kernstadt 1981-1991 kerung – reduziert werden. Eckpfeiler von (Abb. 3). Zwischen 1961 und 1989 gingen Quelle: Pacione (1996) Abercrombies Plan waren: über 175.000 industrielle Arbeitsplätze • die Ausweisung eines Grüngürtels um verloren, was einem Rückgang von über den achtziger Jahren (1981-1991) öffent- die Stadt, der einer Zersiedlung des liche (11,1 %) und produktionsorientierte Umlands entgegenwirken sollte; Glasgow Dienstleistungen (producer services: • die Gründung mehrerer new towns im Industriebeschäftigte 1961-1989 22,0%) (PACIONE 1996). Der Zuwachs an Umland zur Entlastung der Kernstadt; Tsd. IfL 1997 Büroarbeitsplätzen schlug sich vor allem • overspill agreements zwischen Glas- 250 Inhalt: J.Burdack Grafik: K.Ronniger im Stadtzentrum nieder, wo 50.000 neue gow und einigen Umlandgemeinden 200 Arbeitsplätze entstanden. Glasgow ist zum für den öffentlich geförderten Bau von drittwichtigsten Bürostandort Großbritan- Wohnungen für die ‘überschüssige’ 150 niens geworden. Es ist jedoch nur unzurei- Bevölkerung. chend gelungen, neue Firmenhauptverwal- Der Bruce-Report ging im Gegensatz zum 100 tungen anzusiedeln. Die wichtigste Fir- CVP davon aus, daß sich der Woh- menansiedlung im Dienstleistungssektor nungsbedarf der gesamten Stadtbevölker- 50 ist nicht das Ergebnis von Marktmechanis- ung innerhalb der Stadtgrenzen durch ver- men, sondern das Resultat einer politi- dichteten Neubau befriedigen läßt. Der 0 1961 1971 1981 1989 schen Entscheidung. Die staatliche Ansatz, einen Bevölkerungsverlust zu ver- Erdölgesellschaft British National Oil hindern, machte den Plan für die Vertreter Abb. 3: Industriebeschäftigte in Glasgow Corporation, die später unter dem Namen der Stadt Glasgow besonders attraktiv. 1961-1989 Britoil privatisiert wurde, nahm ihren Fir- Befremdlich wirken jedoch für den heuti- Quelle: Census of Employment mensitz in Glasgow. Es entstanden da- gen Betrachter die futuristischen Vorstell-

37 Wohnungen in den new towns oder den Glasgow overspill-Gebieten im Umland. Gebiete vorrangiger Förderung (Priority areas) 1995 Die Auswirkungen der Dekonzentrati- on des Wohnungsbaus schlagen sich deut- lich in der intraregionalen Bevölkerungs- entwicklung nieder. Abbildung 6 zeigt den Drumchapel dramatischen Bevölkerungsrückgang in der Kernstadt Glasgow in den letzten Jahr- Maryhill Corridor zehnten. Innerhalb von 30 Jahren war hier ein Bevölkerungsverlust von über 40 % zu River Clyde verzeichnen. Dieser Rückgang ist ganz Springburn überwiegend auf Wanderungsdefizite und nicht auf eine negative natürliche Bevöl- Easterhouse kerungsentwicklung zurückzuführen. Die oben geschilderte Dekonzentrationspoli- Govan tik im öffentlichen Wohnungsbau mit Bau Gorbals G.E.A.R. der beiden new towns und East Kilbride und den overspill agree- ments einerseits und die Abwanderung von Mittelschichten der Bevölkerung in Eigenheimsiedlungen andererseits sind die Pollok Hauptfaktoren der intraregionalen Bevöl- kerungsumverteilung. Überlagert wird die Castlemilk intraregionale Bevölkerungsumverteilung von interrregionalen Wanderungsverlusten der gesamten Conurbation. Die Wirt- schaftskrise im westlichen Schottland hat hier zu langfristigen Abwanderungsten- 012345 km Priority areas IfL1997 denzen nach England geführt. Dies hatte Karteninhalt: J. Burdack Maßstab 1 : 175 000 Kartographie: R. Bräuer zur Folge, daß der outer ring trotz starker Zuwanderung aus Glasgow nur einen ge- ringen Bevölkerungszuwachs hatte, bzw. Abb. 5: Gebiete vorrangiger Förderung (Priority areas) in Glasgow 1995 Quelle: Glasgow City Planning (1995) in den achtziger Jahren sogar einen Bevöl- kerungsverlust aufwies. Eine genauere Analyse der Bevölke- ungen zum Abriß des fast gesamten Stadt- hauptsächlich in den erwähnten peripheral rungsentwicklung auf der Ebene der ein- zentrums. Obwohl der Bruce-Plan nicht estates, untergebracht werden (Glasgow zelnen districts der Clydeside Conurbation implementiert wurde, beeinflußte er die City Planning 1995). Andere erhielten zwischen 1981 und 1991 (Abb. 7) zeigt, Wohnungsbaupolitik der Stadt in starkem daß nur noch ein district, der mittelständi- Maße. Die Empfehlungen des CVP führ- Region Glasgow sche Wohnvorort Eastwood, einen Wan- ten – gegen den Widerstand der Stadt Bevölkerungsentwicklung 1961-1991 derungsgewinn verzeichnen kann. Höhere Glasgow – zum Bau der new towns East Tsd. Geburtenüberschüsse haben vor allem die Kilbride (1947) und Cumbernauld (1956) 1200 new town districts Cumbernauld und East und zahlreichen overspill agreements3. Der Stadt Glasgow Kilbride. Die höchsten Bevölkerungs- und Stadt Glasgow gelang es jedoch, den Bau 1000 Wanderungsverluste weisen nach der einiger randlicher Großwohnsiedlungen Outer ring Kernstadt Glasgow vor allem die industri- (peripheral estates) im geplanten Grün- 800 ell geprägten districts Clydebank, Monk- gürtel innerhalb der Stadtgrenzen durch- lands und Motherwell – der Standort des 600 exurbaner Raum* zusetzen. So entstanden die peripheral geschlossenen Stahlwerks Ravenscraig – estates Castlemilk, Pollok, Drumchapel 400 auf. und Easterhouse (Abb. 5). Abbildung 8 verdeutlicht, daß sowohl Innerhalb der Stadt wurden 29 Stadter- 200 die Stadt Glasgow und ihr Ballungsraum neuerungsgebiete (comprehensive devel- (Strathclyde Region) auch im Vergleich opment areas) ausgewiesen), in denen die 0 mit anderen Regionalmetropolen von re- alte Bausubstanz großflächig abgetragen 1961 1971 1981 1991 lativ hoher Abwanderung und negativer * exurbaner Raum = Districts der IfL 1997 Strathclyde Region (Region Glasgow) Inhalt: J.Burdack werden sollte. Bis 1975, als die Stadt die außerhalb der Clydeside Conurbation Grafik: K.Ronniger Bevölkerungsentwicklung betroffen sind. Politik der „Kahlschlagsanierung“ stopp- te, wurden 95.000 Wohneinheiten abge- 3 Abb. 6: Bevölkerungsentwicklung in der Bis 1960 wurden overspill agreements mit 22 Umland- rissen (PACIONE 1996). Von den 300.000 gemeinden zur Bereitstellung von etwa 31.000 Wohnun- Region Glasgow (Strathclyde Region) 1961- gen abgeschlossen. Die aufnehmenden Gemeinden be- unzusiedelnden Bewohnern konnten nur 1991 kamen im Rahmen der Housing and Town () 120.000 in Ersatzwohnungen in der Stadt, Quelle: Census of Population Act von 1957 finanzielle Unterstützung.

38 EUROPA REGIONAL 5(1997)1 des Stadtzentrums. Schließlich ist auch Clydeside Conurbation IfL 1997 eine Bevölkerungszunahme in Teilen des Bevölkerungsentwicklung 1981-91 Kartographie: M. Zimmermann Stadtzentrums selbst festzustellen. Die in- nerstädtische Bevölkerungsentwicklung deutet darauf hin, daß die städtischen Pro- blemgebiete in zunehmendem Maße am Rand der Kernstadt in den peripheral esta- Strathkelvin tes zu finden sind. In der in den fünfziger Cumbernauld Clyde- Jahren erbauten Großwohnsiedlung Drum- bank Bearsden and Mingavle chappel im Nordwesten der Stadt z. B. ist die Einwohnerzahl zwischen 1971 und Monklands Glasgow 1989 von 34.800 auf 20.000 zurückgegan- Renfrew gen. In einigen Teilgebieten liegen die Wohnungsleerstände über 10% und der Motherwell jährliche Mieterwechsel über 20%. Der Befund randlich gelegener Pro- blemgebiete wird auch durch eine Analyse Hamilton der sozialräumlichen Differenzierung 10 Glasgows bestätigt. Mit Hilfe einer Fakto- renanalyse wurde zu diesem Zweck ein 5 Bevölkerungsentwicklung insgesamt Eastwood East Kilbride komplexer sozioökonomischer Status-In- 4 0 Wanderungssaldo dex konstruiert . In Abbildung 10 ist die Verteilung der Indikatorenwerte auf der

-5 Saldo Ebene der wards dargestellt. Das räumli- der natürlichen Bevölkerungsentwicklung che Verteilungsmuster weist auf eine aus- -10 geprägte soziale Segregation hin. Status- höhere Wohngebiete finden sich vor allem 0 10 20 30 km -15 im West End um die Universität und den Maßstab ca. 1 : 590 00 Park Circus nördlich des Clyde. Hier be- findet sich überwiegend viktorianischer Abb. 7: Bevölkerungsentwicklung in der Clydeside Conurbation 1981-1991 Baubestand von hoher Qualität, der in den Quelle: Census of Population

4 Die Faktorenanalyse diente hier nur dem Zweck einer Während sich bei der oben dargelegten Abweichungen von gängigen Entwick- Datenreduktion und Zusammenfassung von Indikatoren, Analyse von Bevölkerungsdaten auf der lungsmustern hin (Abb. 9). Bemerkenswert die in Beziehung zum komplexen Begriff „sozioökonomi- Ebene der districts im wesentlichen das ist vor allem die relativ positive Bevölke- scher Status“ stehen. Es sollte keine umfassende Fak- torialökologie vorgenommen werden. Verwendet wurden aus vielen europäischen Agglomerations- rungsentwicklung einiger zentrumsnaher die Variablen Anteil selbstgenutzter Eigenheime, Anteil räumen bekannte Muster von starkem Be- Gebiete. Dies betrifft in erster Linie Wohn- der Haushalte mit mindestens einem PKW, Anteil der Haushalte mit Hauptverdiener ‘partly skilled /unskilled’, völkerungsrückgang in der Kernstadt und gebiete westlich des Stadtzentrums mit Anteil der Haushalte mit Hauptverdiener ‘professional/ günstigerer Entwicklung im suburbanen großflächig erhaltenem, hochwertigen, managerial/technical’. Der extrahierte ‘sozioökonomischer Status-Faktor’ erklärt 77,6% der Varianz der Ausgangs- Raum zeigt, weist eine kleinräumlichere viktorianischen Baubestand, zum anderen variablen. Alle Ausgangsvariablen laden den Faktor hoch Betrachtung der innerstädtische Ebene auf aber auch Stadterneuerungsgebiete östlich auf .

Regionalmetropolen Bevölkerungsentwicklung 1981-91 Wanderungssalden 1981-91

Birmingham Glasgow Leeds Liverpool Manchester Newcastle Sheffield Birmingham Glasgow Leeds Liverpool Manchester Newcastle Sheffield 0 0 -2 -2 -4 -4 -6 -6 -8 -8 -10 -10 -12 -12 -14 -14 -16 -16 % % IfL 1997 Inhalt: J.Burdack Kernstadt Metropolitan County Kernstadt Metropolitan County Grafik: K.Ronniger

Abb. 8: Bevölkerungsentwicklung und Wanderungssalden in britischen Regionalmetropolen 1981-1991 Quelle: Census of Population

39 letzten Jahrzehnten modernisiert wurde. Glasgow Außerdem finden sich statushohe Wohn- Bevölkerungsentwicklung 1981-1991 gebiete südlich des Clyde um den Pollok (alte Abgrenzung der Wards) Country Park in älteren Einfamilienhaus- Bevölkerungsentwicklung in % gebieten und isoliert im Osten der Stadt in _> 0 neueren Einfamilienhaussiedlungen. Sta- 0 bis -9,9 tusniedere Wohngebiete konzentrieren sich -10,0 bis -19,0 vor allem im Osten der Stadt und außer- <_ -20,0 dem in den Großwohnsiedlungen am Stadt- rand (z.B. Drumchappel, Greater Easter- house). Das räumliche Verteilungsmuster der Arbeitslosigkeit (Abb. 11) weist starke Ähnlichkeiten mit dem des sozioökono- mischen Status auf, d.h. hohe Arbeitslosig- keit findet sich vor allen in statusniederen Wohngebieten.

Beispiele gebietsbezogener Stadter- neuerung in Glasgow In den siebziger und achtziger Jahren wan- delte sich aufgrund der geringen Effizienz der bisherigen Regionalpolitik und knap- per Finanzmittel die Orientierung der raum- bezogenen Politik in Großbritannien. Die großräumig angelegte Förderpolitik der IfL1997 Karteninhalt: J. Burdack regional policy wurde weitgehend durch Kartographie: M.Zimmermann den kleinräumlicheren urban policy-An- Abb. 9: Bevölkerungsentwicklung in Glasgow 1981-1991 satz ersetzt. Hauptziel der urban policy ist Quelle: Census of Population; Glasgow City Council ward factsheets 1995 eine ökonomische Revitaliserung inner- städtischer Problemgebiete (‘inner city problem’). Die urban policy stellt sich Glasgow nicht als umfassender, zusammenhängen- Sozioökonomischer Status der Bevölkerung 1991 (neue Abgrenzung der Wards) der Politikansatz dar, sondern besteht aus einer Folge von bruchstückartigen Einzel- Sozio- ökonomischer programmen und Maßnahmen, was häufig Status Faktorenwert als ‘piecemeal approch’ (PRESTWICH & hoch >0,75 TAYLOR 1990) bezeichnet wird. Als 0,25 bis 0,75 Einzelprogramme sind hier u.a. enterprize -0,25 bis 0,25 zone programme, urban development cor- -0,75 bis -0,25 porations, city action teams, urban pro- < -0,75 niedrig gramme und city challenge zu nennen. Die lokalen Gebietskörperschaften erhielten in diesem Zusammenhang Kompetenzen zur lokalen Wirtschaftsförderung. Ziel der (konservativen) Zentralregierung ist es seit 1979, auch den privaten Wirtschaftssektor in die Erneuerungsmaßnahmen einzubin- den. In Schottland fiel die Neuorientie- rung der Raumpolitik mit der Gründung der öffentlichen Wirtschaftsförderungsge- sellschaft Scottish Development Agency (SDA) zusammen. Aufgabe der SDA war es vor allem, den Wiederaufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu unter- stützen. Die Agentur interpretierte ihre Aufgabe so umfassend, daß sie sich auch massiv in der Stadterneuerung engagierte. IfL1997 Karteninhalt: J. Burdack Die SDA war maßgeblich an der Entschei- Kartographie: M.Zimmermann dung beteiligt, auf den Bau einer weiteren Abb. 10: Sozioökonomischer Status der Bevölkerung in Glasgow 1991 new town in der Conurbation zu verzich- Quelle: Census of Population; Glasgow City Council ward factsheets 1995; eigene Berechnung ten und die Mittel stattdessen für die Er-

40 EUROPA REGIONAL 5(1997)1 neuerung der Innenstadt im GEAR -Pro- jekt (Greater East Area Renewal) einzu- Glasgow setzen. GEAR – über das weiter unten Arbeitslosigkeit 1992 (alte Abgrenzung der Wards) berichtet wird – hatte eine entscheidende Signalwirkung für die weitere Entwick- Anteil der Arbeitslosen in % lung Glasgows. Der innerstädtischer Um- < 10,0 bau erhielt damit Vorrang vor einem 10,0 bis 14,9 randstädtischen Ausbau. Andere Stadter- 15,0 bis 19,9 neuerungsinitiativen, an denen die SDA _> 20,0 beteiligt war, umfaßten u.a. die Einrich- tung und Vermarktung von zwei großen Gewerbeparks (Cambuslang Investment Park, West of Scotland Science Park), den Bau des Ausstellungsgeländes (Scottish Exhibition and Conference Centre) und die Ausweisung einer enterprize zone in Clydebank, westlich von Glasgow. In der Clydebank Enterprize Zone entstanden 2.500 Arbeitsplätze. Während die SDA vor allem Anreize für privatwirtschaftliche Investitionen ge- ben will, konzentrieren sich die Maßnah- men des local government (Glasgow District Council, Strathclyde Region u.s.w.) häufig auf den Abbau von sozialer und ökonomischer Benachteiligung und IfL1997 Karteninhalt: J. Burdack die Förderung von ortsansässigen Klein- Kartographie: M.Zimmermann betrieben. Es entstand so eine Vielzahl von Programmen, die kleinen oder mittle- Abb. 11: Arbeitslosigkeit in Glasgow 1992 ren Betrieben und Kooperativen (workers Glasgow City Council ward factsheets 1995 cooperatives) finanzielle und technische Unterstützung gewährten und Arbeitslo- einander von Wohnungen und Industrie- rein städtebauliche und infrastrukturelle sen und Bewohnern städtischer Pro- anlagen. Außerdem war das Projektgebiet Erneuerung des Gebiets hinaus. blemgebiete (deprived areas) den berufli- von zahlreichen Industriebrachen durch- Die quantitativen Ergebnisse der Er- chen Wiedereinstieg oder berufliche Wei- setzt, die insgesamt 18% der Fläche bean- neuerung waren nach zehn Jahren Lauf- terqualifikation ermöglichen sollten. spruchten. Zwischen 1951 und 1978 ging zeit des Projektes beachtlich. Im Woh- die Bevölkerung von 145.000 auf 45.000 nungsbau waren 12.000 Wohnungen mo- Das GEAR-Projekt zurück. Die Arbeitslosenrate und der An- dernisiert und jeweils 2.000 Wohnungen Das Glasgow Eastern Area Renewal-Pro- teil ungelernter Arbeiter lagen deutlich im privaten und im öffentlichen Woh- jekt (GEAR) stellte in den siebziger Jah- über dem städtischen Durchschnitt, und in nungsbau gebaut worden. Die historischen ren das größte integrierte Stadterneu- einer Vielzahl anderer Sozialindikatoren Kerne der Wohn- und Mischgebiete Bridg- erungsprojekt in Westeuropa dar. Über- schnitt die Eastern Area deutlich schlech- ton, Parkhead, Dalmarnock, Shettelston greifendes Ziel von GEAR war es, in einem ter ab als die Gesamtstadt. Um das Gesamt- und Tollcross wurden erhalten. Neubau- Zeitraum von zehn Jahren eine umfassen- ziel der Revitalisierung zu erreichen, wur- ten fügten sich hier in die traditionellen de Verbesserung der sozialen, ökonomi- den sechs Einzelziele formuliert, zu denen Baufluchten der tenements5 ein. Bezüg- schen, städtebaulichen und ökologischen Problemanalysen und Lösungsmaßnahmen lich der wirtschaftlichen Zielstellungen Situation in einem innerstädtischen Pro- erarbeitet wurden. Die Einzelziele umfaß- konnte die Schafffung von 3.000 Arbeits- blemgebiet des East Ends zu erreichen. ten u.a. das Verhindern eines weiteren plätzen und die Ansiedlung von etwa 300 Unter der Federführung der SDA entstand Bevölkerungsrückgangs, die wirtschaftli- Betrieben erreicht werden. Industriebra- 1976 zu diesem Zweck eine Partnerschaft che Revitalisierung, Verbesserung der chen von 190 ha wurden saniert. Der von acht Gebietskörperschaften und öf- Wettbewerbsfähigkeit des Gebiets und die fentlichen Organisationen (u.a. Glasgow Überwindung von sozialer Benachteili-

District Council, Strathclyde Regional gung. Das vorgeschlagene Maßnahmen- 5Der historisch dominierende Geschoßwohnungsbau (ten- Council, Scottish Special Housing Asso- bündel beinhaltete u.a. Wohnungs- ements) unterscheidet Glasgow physiognomisch deut- lich von englischen Metropolen mit ihren Reihenhäusern ciation). Das GEAR-Gebiet umfaßte ein modernisierung und Wohnungsneubau, (terraced housing) und verleiht der Stadt ein eher konti- östlich des Stadtzentrums gelegenes Areal Förderung von Betriebsansiedlungen, Un- nentaleuropäisches Gepräge. Hierfür sind hauptsächlich von 16 km² (Abb. 5). Das East End ist kein terstützung von Kleinbetrieben, Aufberei- schottische Gesetzesregelungen verantwortlich, die z. B. durch hohe Landnutzungsgebühren eine stärker verdich- einheitlich strukturierter Raum, sondern tung von industriellen Brachflächen, Ver- tete Bauweise in den Städten förderten. Auch das Vor- besteht aus älteren, industriell überform- besserung der sozialen Infrastruktur sowie handensein eines guten Baustoffs, des lokal anstehenden Sandsteins, dessen rötliche Färbung das Erscheinungs- ten Siedlungskernen wie Bridgeton, Park- Umschulung und Weiterbildung von Ar- bild der Stadt noch heute prägt, trug dazu bei, daß sich head oder Calton mit einem engen Neben- beitslosen. GEAR ging also weit über eine die tenement-Bauweise in Glasgow durchsetzte.

41 Glasgow - City Centre Nutzungsdifferenzierung im Stadtzentrum 1996

IfL1997 Karteninhalt: J. Burdack Kartographie: R. Bräuer

COWCADDENS GARNETHILL

1

BLYTHSWOOD STRATHCLYDE UNIVERSITY CORE AREA CAMPUS

ANDERSTON 3

MERCHANT CITY Bildungseinrichtungen öffentliche Einrichtungen BROOMIELAW und Verwaltung Gewerbe (z.T. mit ST. ENOCH erheblichem Leerstand) 2 Bahnhof Gebiet in Umstrukturierung Einzelhandel einschl. Gastronomie (gemischte Nutzung) (z.T. mit Büros in den Obergeschossen) Grünfläche Fußgängerzone Büros 1 Konzerthalle 0 500 m 2 St. Enoch’s Einkaufszentrum Wohnungen 3 Maßstab 1 : 14 300

Abb. 12: Nutzungsdifferenzierung im Stadtzentrum von Glasgow 1996 Quelle: Glasgow City Council (1990, ergänzt)

Bevölkerungsrückgang hatte sich stark wandelt, der heute vielfach günstigere In- programmes“ wurde nach den positiven verlangsamt. Mit Ausgaben des öffentli- dikatorenwerte aufweist als die Großwohn- Erfahrungen in der Eastern Area in ähnli- chen Sektors von 316 Mio. £ konnten siedlungen am Stadtrand. Die weiteren cher Form im Maryhill-Corridor (Abb. 5) private Investitionen von 184 Mio. £ mo- Bemühungen um die Erneuerung des East fortgesetzt. bilisiert werden (PACIONE 1996). Ends nach dem offziellen Abschluß von Die wirtschaftliche Erneuerung des East GEAR führten u.a. dazu, daß in den neun- Strategien für die Erneuerung des Ends litt stark unter den ungünstigen Rah- ziger Jahren auf dem Industriegelände der Stadtzentrums menbedingungen der britischen Wirt- ehemaligen Parkhead Forge ein großes In den achtziger Jahren trat das Stadtzen- schaftsentwicklung. Die Projektstrategie, Einkaufszentrum mit 32.000 m² Verkaufs- trum in zunehmendem Maße in den Mittel- die darauf ausgerichtet war, Engpaßstruk- fläche eröffnet wurde, das als Stadtteil- punkt der Stadterneuerungsbemühungen. turen auf der Angebotsseite z.B. bei der zentrum einen neuen Mittelpunkt für das Den wirtschaftlichen Hintergrund für die Infrastruktur und der Qualifikation der Gebiet bilden könnte. verstärkten Erneuerungsaktivitäten bildet Arbeitskräfte zu beseitigen, führte so letzt- Noch immer ist das East End durch das Ziel, Glasgow als internationalen Büro- endlich nicht zum erwarteten Erfolg. Auch ausgedehnte Brachflächen gekennzeich- und Dienstleistungsstandort zu profilie- die Nachfrage nach sanierten Gewerbeflä- net und vermittelt nicht das Gefühl von ren. Zugleich konzentrierten sich die Be- chen durch die Wirtschaft blieb weit hinter Urbanität. Zu den wichtigsten Erfolgen mühungen zur Aufwertung der histori- den Prognosen zurück. von GEAR zählen nach PACIONE (1996) schen Bausubstanz auf das Stadtzentrum. Dennoch hat sich die Stellung der Ea- die Stabilisierung des Gebiets und die Tat- Dies führte zur Abgrenzung einer ausge- stern Area im Vergleich zu anderen Stadt- sache, daß das Gefühl der Hoffnungslo- dehnten Central Conservation Area teilen deutlich verbessert. Das Gebiet hat sigkeit einem neuen Selbstbewußtsein der (Denkmalschutzgebiet) mit mehreren hun- sich von einem extremen Problemgebiet Bewohner gewichen ist. Der Ansatz der dert Einzeldenkmälern. Ein Fassadener- zu einem nahezu „normalen“ Stadtteil ge- umfassenden Erneuerung der „area based neuerungsprogramm ließ viele der histori-

42 EUROPA REGIONAL 5(1997)1 schen Gebäude in neuem Glanz erstrahlen bauten entstehen, während im östlichen sessener Bevölkerung folglich kaum ge- und bewirkte ein Umdenken vieler Be- Teil denkmalgeschützte Gebäude zumin- geben. wohner. dest in ihrer Fassadengestaltung erhalten Nach den Vorgaben der Zentralregie- bleiben sollen. Die Attraktivitätssteigerung Großprojekte und die Vermarktung rung sollte der private Wirtschaftssektor des Flußuferbereichs war ein weiteres der Stadt als Teil der Erneuerungs- stärker in die Erneuerung des Stadtzen- Anliegen des Central Area Local Plan. strategie trums einbezogen werden. Auf Initiative Ausgebaut wurde eine Promenade entlang Ein Hemmnis für eine Ansiedlung neuer der SDA wurde hierzu Glasgow Action des Flußufers, der Clyde River Walkway. Industrien und moderner Dienstleistung gegründet, eine Arbeitsgruppe von füh- Die Entwicklung der ‘river front’ nach war das traditionelle Image von Glasgow. renden Geschäftsleuten und Vertretern der amerikanischen Vorbild stagniert z.Z. auf- Eine Langzeitstudie ergab, daß Glasgow öffentlichen Verwaltung. Glasgow Action grund der schlechten Marktlage für Büro- in den britischen Medien stereotypisch als ist eine local growth coalition nach ameri- flächen. Insgesamt ist der Büroflächen- dreckig, verslumt, gewalttätig und poli- kanischem Vorbild. Strategien für die bestand im Stadtzentrum zwischen 1987 tisch radikal dargestellt wurde (DAMER Revitalisierung des Stadtzentrums sollten und 1993 von 1,06 Mio. m² auf über 1990). Dieses Ergebnis bestätigen auch partnerschaftlich erarbeitet und umgesetzt 1,24 Mio. m² angewachsen (Strathclyde Untersuchungen über das Bild von Glas- werden, wobei ein attraktives Stadtzen- Regional Council 1994; Glasgow City gow in Südostengland in den achtziger 6 trum als Voraussetzung für das wirtschaft- Council 1990) . Die Nachfrage nach Bü- Jahren (PACIONE 1996). Eine erste Image- liche Wohlergehen der Gesamtstadt ange- roraum ist in den neunziger Jahren jedoch fördernde Kampagne wurde vom City sehen wird (KLETZANDER 1995). Glasgow rückläufig. 1995 standen 16% der Büro- Council 1983 initiiert („Glasgow´s miles Action initiierte u.a. Werbekampagnen und flächen im Stadtzentrum leer (Glasgow better“). Sie sollte die Stadt national und plädierte für eine Aufwertung der Bucha- City Planning 1996). international aufwerten und auch ein neu- nan Street zur zentralen Geschäftsachse. Die Merchant City entstand im 18. Jh. es Selbstbewußtsein der Bevölkerung för- Der schließlich 1986 erarbeitete Central als bevorzugtes Wohngebiet der ‘tobacco dern. Area Local Plan sah den Ausbau der Bucha- lords’. Im 19. Jh. entwickelte sich die Die Vermarktung der Stadt als Konfe- nan Street als Fußgängerzone und domi- Merchant City dann zu einer „Speicher- renzort erhielt durch den Bau des Ausstel- nanter Achse zwischen den historischen stadt“ mit zahlreichen Lagerhäusern und lungs- und Konferenzzentrums (Scottish new towns aus dem 18. Jh. (Merchant City, Großhandelseinrichtungen. Diese Funkti- Exhibition and Conference Centre) eine Blythwood) vor. Städtebauliche Höhe- on blieb bis in die sechziger Jahre des 20. neue Basis. Die Einrichtung sollte als punkte sollten die Achse an beiden Enden Jh.s dominierend, danach verfiel das Ge- Schaufenster der schottischen Wirtschaft abschließen. Im Süden wurde ein attrakti- biet zunehmend. Der Leerstand in der fungieren. Als Standort wurde das aufge- ver Endpunkt mit dem innerstädischen Ein- Merchant City erreichte schließlich 60 % lassene Queen´s Dock am Clyde, westlich kaufszentrum St. Enoch´s Centre geschaf- (REED 1993, S.197). Bis 1980 war etwa ein der Stadtzentrums, gewählt. Das Projekt fen, am nördlichen Endpunkt entstand eine Drittel der Grundstücke in den Besitz der wurde mit privater Beteiligung als public Konzerthalle. Heute verbindet die Bucha- öffentlichen Hand gelangt. Die Stadt Glas- private partnership durchgeführt, obwohl nan Street die beiden traditionellen gow konnte so die Inititive zur Erneuerung dem öffentlichen Sektor (SDA, Glasgow Einkaufsstraßen zu einer Einkaufsachse übernehmen. Durch preisgünstige Ange- District Council) die entscheidende Rolle (Abb. 12). In den Jahren 1985-1990 wurde bote für öffentlichen Grundbesitz, Zu- zukam. ca. 1 Mrd. £ in Baumaßnahmen im Stadt- schüsse für Wohnungsbau und Planungser- Ein weiteres Großprojekt stellte das – zentrum investiert (LEVER 1991). Größere leichterungen wurde die Merchant City mit der Bundesgartenschau vergleichbare Einzelprojekte umfaßten die erwähnte schließlich attraktiv für private Investo- – National Garden Festival dar, das 1988 Konzerthalle an der Buchanan Street, das ren. Zur „Initilalzündung“ der Revitalisie- rund 4,3 Mio. Besucher anzog. Der ent- exklusive Princes Square Einkaufszen- rung trat die Stadt Glasgow in eine public scheidende Wandel in der Außenwahr- trum, den Bürokomplex Cent- private partnership beim Projekt des In- nehmung der Stadt ist jedoch vor allem mit re, das St. Enoch Einkaufszentrum und das gram Square ein. Hier wurde ein gesamter der Ernennung Glasgows zur Europäischen Geschäftszentrum Italian Centre. Die Be- Baublock zu Wohnzwecken umgestaltet. Kulturhauptstadt 1990 verbunden. Mehr deutung der Innenstadt als Hauptgeschäfts- Die Gebäudekartierung von 1996 zeigt, als 9 Mio. Besucher kamen zu den Veran- zentrum der Stadt als auch der gesamten daß der bauliche Erneuerungsprozeß be- staltungen, und Glasgow konnte sich end- Region konnte mit den Erneuerungsmaß- reits weit fortgeschritten ist (Abb. 13). Es gültig als Ziel des Städtetourismus eta- nahmen gefestigt und ausgebaut werden. sind inzwischen über 1.100 Wohnungen blieren. Die Touristenzahlen sind in den Im Stadtzentrum sind in den achtziger entstanden. Das Gebiet verzeichnete einen letzten 10 Jahren um 150% gestiegen. 1995 Jahren 50.000 neue Arbeitsplätz entstan- Zuzug von über 2.000 Einwohnern, die kamen 800.000 britische und 460.000 aus- den (LEVER 1991). Das Stadtzentrum von Candleriggs-Markthallen wurden wieder- ländische Touristen nach Glasgow. Insge- Glasgow ist damit der dynamischste Wirt- eröffnet. Das exklusive Italian Square Ge- samt geben Touristen – einschließlich der schaftsraum in der Conurbation. schäftszentrum und zahlreiche neu ent- Tagestouristen – etwa 376 Mio. £ (über Die Bau- und Investitionstätigkeit kon- standene Restaurants geben dem Gebiet 900 Mio. DM) jährlich in Glasgow aus. zentriert sich z.Z. in zwei Teilgebieten, das geeignete Ambiente für „gehobenen Inzwischen sind etwa 22.000 Arbeitsplät- dem am Flußufer gelegenen Stadtteil Broo- Konsum“. Die Merchant City ist ein Bei- ze vom Tourismus abhängig (Glasgow mielaw und der Merchant City. Im Teilge- spiel für den Prozeß der gentrification in City Planning 1996). Die Stadt ist inzwi- biet Broomielaw sind vor allem Bürobau- Glasgow. Da das Gebiet vorher fast unbe- ten, zum Teil gemischt mit Wohnungen, wohnt war, hat es hier die für die Gentrifi- 6Rund 70% der Büroflächen der Stadt liegen im Stadt- geplant. Im westlichen Teil sollen Neu- kation typische Verdrängung alteinge- zentrum.

43 GEORGE STREET Rathaus

Post Post Bank Univ. Post

Hotel Bank

QUEEN STREET

Biblio- thek HIGH STREET

Park- haus 0 100 m ARGYLE STREET Maßstab 1 : 4000

Glasgow - Merchant City IfL1997 Karteninhalt: J. Burdack Gebäudezustand und Gebäudenutzung 1996 Kartographie: M.Zimmermann

Gebäudezustand Gebäudenutzung Neubau Altbau Wohnen Gewerbe modernisiert Freifläche Einzelhandel (einschl. Gastronomie; öffentliche Verwaltung z.T. mit Büros in den Obergeschossen) im Umbau Büro leerstehend

Abb. 13: Gebäudezustand und Gebäudenutzung in der Merchant City in Glasgow 1996 Quelle: eigene Kartierung; Glasgow City Planning (1995) schen nach London und Edingurgh zum Wohnungsbaus der Nachkriegszeit. Glas- Impulse der Erneuerung der Stadt ausge- drittwichtigsten Ziel des Städtetourismus gow zeigt deutlich die Umrisse einer „dua- gangen sind, in die dann der private Sek- ausländischer Besucher geworden. len Stadtstruktur“, d. h. einer Polarisie- tor, z.B in Form von public private part- Heute versucht man den ‘Festivalef- rung der städtischen Gesellschaft, die von nerships, eingebunden wurde. Dies unter- fekt’ durch weitere Großveranstaltungen einigen Kommentatoren als kennzeichnend streicht die Notwendigkeit einer (projekt- zu wiederholen. 1999 wird sich Glasgow für postindustrielle oder ‘post-fordistische’ und durchführungsorientierten) Stadt- und als ‘British City of Architecture’ präsen- Städte beschrieben wird. Regionalplanung auch im Zeitalter von tieren. Erklärtes Ziel des City Councils ist es, Deregulierung und schlanker Verwaltung. diesem ‘tale of two cities phenomenon’ Das Beispiel Glasgow zeigt die Mög- Schlußbemerkungen entgegenzuwirken (Glasgow City Council lichkeiten und Grenzen lokaler/regionaler Glasgow ist heute eine Stadt mit gegen- 1991, S. 10) und eine ökonomische und Handlungsstrategien altindustrieller Städ- sätzlichen Entwicklungstendenzen. Dem soziale Abkoppelung ganzer Stadtteile zu te als Antwort auf die ökonomischen Re- sektoralen Aufschwung in Teilen des ter- verhindern. Der Erfolg der lokalen Bemü- strukturierungsprozesse. Weder kann sich tiären Sektors steht eine anhaltende Krise hungen ist jedoch nur begrenzt. Trotzdem die Stadt gegen die Auswirkungen wirt- im sekundären Sektor gegenüber. Räum- ist die Revitalisierung einiger innerstädti- schaftlichen Wandels immunisieren, noch lich schlägt sich dies u.a. in der gestiege- scher Gebiete gelungen. ist sie bloßer Spielball global wirkender nen Attraktivität des Stadtzentrums und Glasgow ist ein Beispiel für die Bedeu- Kräfte. Die Stadt scheint für den interna- dem Verfall alter Industrieareale und Arbei- tung der lokalen/regionalen Ebene (local tionalen Wettbewerb europäischer Metro- terwohngebiete nieder. Die städtischen government) im Erneuerungsprozeß. Es polen gut gerüstet zu sein. Die ‘’Vision’ Problemgebiete finden sich mehr und mehr waren vor allem Initiativen des öffentli- des Glasgow Congress für die Stadtent- in den Randbereichen der Kernstadt in den chen Sektors (SDA und local govern- wicklung im 21. Jahrhundert hat sich je- Großwohnsiedlungen des öffentlichen ments), von denen die entscheidenden doch für einen großen Teil der Stadtbevöl-

44 EUROPA REGIONAL 5(1997)1 kerung (noch ?) nicht erfüllt: ‘As Glasgow GIBB, A. (1983): Glasgow. The Making of a to economic change in West Central Scot- moves into the 21st Century it will flourish city. London. land. In: Urban Studies 29, S. 935-948. as an international city where people will Glasgow City Council (1990): Glasgow cen- LEVER, W. F. (1993): Reurbanisation – The live, learn, work and play’. tral area local plan. Glasgow. (Manus.) policy implications. In: Urban Studies 30, Glasgow City Council (1991): City planning S.267-284. aims for the next decade. Glasgow. NEWMANN, P., u. A. THORNLEY (1994): London, Glasgow City Planning (1995): Let Glasgow Paris, Berlin: economic competition and the Literatur Flourish! Glasgow´s bold approach to urban new urban governance. In: European Spatial BURDACK, J. (1994): Niedergang, Erneuerung renewal. Research and Policy 1, S. 7-22. und intraregionale Entwicklung in einem Glasgow City Planning (1996): Glasgow Facts- PACIONE, M.(1996): Glasgow. The Socio-spa- altindustriellen Raum. Das Beispiel der Re- heets 1995-96. Glasgow. tial development of the city. New York u.a. gion Nord-Pas-de-Calais. In: Europa Regio- HAMM, R., u. WIENERT H.(1990): Strukturelle PRESTWICH, R., u. P. TAYLOR (1990): Introduc- nal 2, Heft 3, S. 1-9. Anpassung altindustrieller Regionen im in- tion to regional and urban policy in the CAMERON, G.C.(1980): The economics of the ternationalen Vergleich. Berlin. United Kingdom. London,New York. conurbations. In: Cameron, C.G. (Hrsg.): KEATING, M. (1988):The city that refused to REED, P. (Hrsg.) (1993a): Glasgow. The for- The future of the British Conurbations. die. Aberdeen. ming of the city. Edinburgh. London.S. 54-71. KLETZANDER. A. (1995): Urbane Regeneration REED, P. (1993b): The post-industrial ciy?. In: CHECKLAND, S.G. (1976): The Upas Tree. Glas- in Nordengland. Die Erneuerung altindu- Reed (1993a), S. 187-201. gow 1875-1975. Glasgow. strieller Stadträume im Kontext neokon- REED, P. (1993c). Beyond the centre? In: Reed DAMER, S. (1990): Glasgow: Going for a song. servativer Politik. Augsburg. (= Beiträge (1993a), S. 202-223. London. zur Angewandten Sozialgeographie 34). Strathclyde Regional Council (1994): Struc- DONNISON, D., u. A. MIDDLETON (1988) (Hrsg.): LÄPPLE, D. (1994): Zwischen gestern und über- ture plan review. Glasgow. Regenerating the inner City. Glasgow´s ex- morgen. Das Ruhrgebiet – eine Industriere- perience. London. gion im Umbruch. In: Kreibich, R., et al. DURY, G.H. (1955): The British Isles. A syste- (Hrsg.): Bauplatz Zukunft. Dispute über die Autor: matic and regional Geography. London u.a. Entwicklung von Industrieregionen. Essen, PD Dr. Joachim Burdack, (2.Auflage). S. 37-51. Regionale Geographie Europas, FAINSTEIN, S.S. (1990): Economics, politics and LEVER, W.F. (1991): Deindustrialisation and Institut für Länderkunde, development policy: the convergence of New the reality of the post-industrial city. In: Schongauerstr. 9, York and London. International Journal of Urban Studies 28, S. 983-999. 04329 Leipzig. Urban and Regional Research 14, S. 22-33. LEVER, W. F. (1992): Local authority responses

Zur Diskussion

Assessment of ”Berlin’s Position im europäischen Verkehr des 21. Jahrhunderts” WILLIAM R. STANLEY

It has been suggested that generals all too ”windows” through which great change the very moment that national and regio- often use tactics from the last war in prepa- came about. Europe’s colonization of the nal integration and co-operation are reali- ring for the next. So might the same Americas and Antipodes comes to mind stic goals rather than some philosophical blinked mentality be said for the public at when the technological or numerical gap exercise. Collectively, all of this augers large and its leadership; our views of the between colonizer and those about to be well for far reaching changes in regional future are anchored in events from the colonized was so profound as to almost and international surface and air transport. past. Were one to get too far ahead of guarantee success for the former. The final A unified Berlin, soon once again to be whatever particular consensus prevails, decade of this century gives every indica- Germany’s capital, is the tool that W. then that individual runs more the risk for tion of being another such ”window”. Only TIETZE has chosen for modelling this new ridicule than platitude for foresight. Wolf this time the issue is political-economic- transport landscape wherein national and TIETZE warrants the latter. His essay is of technological change rather than a questi- physical boundaries will have much less the eye-opening genre and offers the op- on of colonizing new lands and where one importance to deter integration and where portunity to discard outdated ideas during of the most important and far-reaching economies of scale can and in all likeli- a period of geopolitical and economic tran- issues of technology is in the transport hood will influence the location of key sition and, not least, technical innovations sector. Almost unexpectedly, a landscape transportation hubs and the significant and deployment opportunities once consi- has appeared where but a few years ago corridors through which they are connec- dered only in dreams. change was thought to be almost hopeless. ted to the whole. Three themes relating to History is filled with spurts of intense This is a Central-East Central Europe freed Berlin’s emerging transport role are dis- activity moored in a larger sea or time of its former military and doctrinaire ma- cussed: frame of slow, almost imperceptible chan- sters, a landscape moving toward integra- 1. The city’s new main railroad station ge. Few are those who have had the oppor- tion with Western Europe on several fronts and all that this implies in a restruc- tunity to witness first hand those short by way of instruments such as the Euro- turing of rail connections including periods or spurts of meaningful transfor- pean Union or more selectively, through the S-Bahn system; a new North – mation. This honor usually is left for those NATO. A unified Germany stands ready South rail-road corridor partially un- viewing events after the fact. Put another to reassert its domnant political-economic derground whereby Berlin would way, our world has recorded relatively few role in the middle of Europe and does so at more quickly regain its former role

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