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e i s o d o s – Zeitschrift für Literatur und Theorie Herausgegeben von Bettina Bohle und Lena Krauss Erscheinungsort: Berlin ISSN: 2364-4397 eisodos erscheint unter dem Copyright CC BY. www.eisodos.org Wissenschaftlicher Beirat Manuel Baumbach Ruhr-Universität Bochum Stefan Büttner Universität Wien Jonas Grethlein Universität Heidelberg Hans Ulrich Gumbrecht Stanford University Rebecca Lämmle University of Cambridge Peter von Möllendorff Justus-Liebig-Universität Gießen Melanie Möller Freie Universität Berlin Gernot Michael Müller Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt Heinz-Günther Nesselrath Universität Göttingen Maria Oikonomou Universität Wien Gerhard Poppenberg Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Christiane Reitz Universität Rostock Christoph Riedweg Universität Zürich Arbogast Schmitt Philipps-Universität Marburg Thomas A. Schmitz Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Monika Schmitz-Emans Ruhr-Universität Bochum Linda Simonis Ruhr-Universität Bochum Jörn Steigerwald Universität Paderborn Martin Vöhler Aristotle University of Thessaloniki Michael Weißenberger Universität Rostock Zandro Zanetti Universität Zürich eisodos ist eine peer-reviewed, open-access, online-Zeitschrift für B.A.-, M.A.- und Lehramts-Studierende sowie Doktoranden noch ohne peer-reviewed Publikation. Thematischer Schwerpunkt von eisodos sind Fragen der Interpretation von antiker Literatur und des Theorievergleichs. Eine Übersicht der in eisodos verwendeten Abkürzungen griechischer und lateinischer Autornamen und Werktitel findet sich unter folgendem Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Abkürzungen _antiker_Autoren_und_Werktitel Das eisodos-Titelbild zeigt den Marmorkopf Odysseus’ aus der Villa des Tiberius in Sper- longa (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b4/Head_Odysseus_MAR_ Sperlonga.jpg). e i s o d o s – Zeitschrift für Literatur und Theorie 2017 (2) Herbst Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeberinnen.............................. 1 Niemanden überlisten Ein Essay von Xaver Römer............................. 2 Female Voices and Values in Epigrams of Mourning Amanda Kubic .................................... 13 The function of direct speech in Bacchylides’ poetry Elisa Nuria Merisio.................................. 24 Augustus purpureo bibet ore nectar – Horace’s Praise Poetry Katharina-Maria Schön................................ 37 Book Review Sonia Francisetti Brolin ............................... 57 Vorwort der Herausgeberinnen Liebe Leserinnen und Leser von eisodos, fast könnte man meinen, die von drei auf zwei reduzierte Anzahl von Ausgaben der Zeit- schrift solle durch einen umso größeren Umfang der Einzelausgaben kompensiert werden: mit dieser Herbstausgabe zu Beginn des neuen Semester legen wir die seitenstärkste Aus- gabe von eisodos seit Bestehen der Zeitschrift vor. Ganze 64 Seiten und drei Beiträge umfasst die vorliegende Ausgabe. Dazu kommt ein Interview mit dem Musiker und Schrift- steller Xaver Römer und eine Rezension. Das Interview ist diesmal eher ein Essay: Xaver Römer zieht einen großen, gedanken- und detailreichen Bogen von seinem eigenen Künstlernamen zur Bedeutung des Odysseus, der sich in der Polyphem-Episode als „x“, als niemand herausstellt. In den Beiträgen un- tersucht zunächst Amanda Kubic von der Washington University Anyte von Tegea und Emily Dickinson, die jeweils neue Perspektiven und Werte in das Genre des Epigramms bringen. Elisa Nuria Merisio von der Università Sapienzia Rom stellt die Funktion di- rekter Rede in zwei von Bacchylides Oden heraus, die eine Aufspaltung des Zuschauer- vom Erzählerwissen mit sich bringt, die an die zeitgleich entstehende Tragödie erinnert. Katharina-Maria Schön von der Universität Wien zeigt, dass Ovid trotz oberflächlicher Enkomiastik auf den Herrscher Augustus immer noch viele subversive Untertöne enthält, gerade in den allegorischen Passagen in seinem Werk. In ihrer Rezension schließlich be- spricht Sonia Francisetti Brolin den Sammelband The Author in Middle Byzantine Litera- ture, der die Anwendung verschiedener Literaturkonzepte in der byzantinischen Literatur des 9.–12. Jh. zum Thema hat. Zu guter Letzt, wer es noch nicht bemerkt hat: der Untertitel unserer Zeitschrift hat sich dem von der bisherigen Beschränkung auf antike Literatur nun auf Literatur aus allen Zeiten erweiterten thematischen Fokus angepasst. Und so wünschen wir jetzt viel Vergnügen bei der Lektüre der Herbstausgabe von eisodos – Zeitschrift für Literatur und Theorie. Die Herausgeberinnen Bettina Bohle Universität Bonn Lena Krauss Universität Zürich und die Redaktionsassistentin Helen Neutzler Ruhr-Universität Bochum eisodos – Zeitschrift für Literatur und Theorie 2017 (2) Herbst Niemanden überlisten Odysseus, Namen und magische Algorithmen Ein Essay von Xaver Römer Schriftsteller Warum Xaver Römer? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Willy Brandt, Homer und Kratylos, Natalie Portman und Pol Pot: Wen unter diesen Personen, so Sie sie treffen könnten, würden Sie nach der Herkunft ihres Namens fragen? Würden Sie das tun? Kämen Sie überhaupt auf die Idee? Warum bzw. warum nicht? Die Frage nach meinem Namen wird von Menschen gestellt, die entweder um meinen bürgerlichen Namen wissen oder denen ein bayrischer Name für einen Westfalen spanisch vorkommt. Gewöhnlich umschiffe ich den Themenkomplex so weitläufig wie Odysseus Ithaka, da er auf Eigentlichkeitsvorstellungen abzielt, die ich weder teile noch anderen in ihrer Ansprache an mich aufbürden möchte. Denn das Selbstverständliche, die Anrede, wird ihnen zur psychologischen Hürde. Plötzlich tauchen Frage auf wie: Was ist die mir zustehende Anrede des Anderen? Darf ich ihn beim „eigentlichen“ Namen nennen oder muss ich seinen Entwurf respektieren? Verspricht die bürgerliche Anrede mehr Nähe? Oder welchen Zugriff wähle ich via welchen Namens auf die Person? Dass ich nun aber doch auf die Frage eingehe, liegt a) an der Möglichkeit, mich in diesem Text an einer glücklichen Irrfahrt zu versuchen, b) an dem Phänomen problemati- scher Anrede, die gewöhnlich versteckt und unthematisch bleibt, trotzdem sie eine tägliche und fortwährende Hürde darstellt und c) sie in meinem Falle tatsächlich mit Rom zu tun hat. Benutzt habe ich den Namen zuerst zeitens eines Chansonprogrammes, mit dem ich auf Kleinkünstbühnen aufgetreten bin. Künstlernamen sind in Kleinkunstbühnenkreisen Usus. Der Schritt war also leicht. Für mich war es ohnehin eine Zeit des persönlichen Umbruchs und statt nun den ganzen Ballast, der mit mir und meinem Namen assoziiert war, weiter durch die Lande zu schleppen, schien es mir leichter, einen neuen Entwurf anzulegen. Einen Entwurf auf ein leeres Blatt und ins Nichts. Deswegen der Xaver. Xaver, so meine damalige Recherche, hat keine Bedeutung, ist eher ein Füllsel oder Anhängsel, in Doppelnamen wie Franz Xaver etwa, klingt gut und besitzt dieses phäno- menale X am Anfang. Toll, wenn das eigene Initial zunächst einmal in einem X besteht. Ein X ist doch trotz Alpha und Omega so etwas wie das erste Zeichen und in seiner Bedeu- eisodos – Zeitschrift für Literatur und Theorie 2017 (2) Herbst NIEMANDEN ÜBERLISTEN tung so eingeschränkt wie ein Knoten im Taschentuch. In einer Welt allseits prasselnder Bedeutungen benimmt sich ein X zunächst zurückhaltend, steht es doch für niemanden und sagt nichts bzw. Nichts. Es ist vielleicht das leerste Zeichen, gleichzeitig aber auch der erste Stellvertreter eines unbestimmten Namens. Man erinnere sich an die Verträge, die Kolonialherren mit Vertretern Kolonialisierter abschlossen, wobei das X der Kolonialisier- ten als rechtsgültiges Einverständnis in eine für sie weder verständliche noch erschließbare, erst recht nicht via Schrift erschließbare Welt galt. Mitte/Ende der 90er Jahre beschäftigte ich mich mit einigen Aspekten griechischer Antike. Ich weiß nicht mehr, ob es wirklich der Ausgangspunkt gewesen ist, als solcher ist mir aber Le Corbusiers Ausblick auf eine Architektur und seine Beschreibungen der Akropolis in Erinnerung. Die Spannung gekrümmter Achsen, so meine Erinnerung, war mir ein wichtiges Thema. (Das musikalische Pendant zur Achse ist vielleicht der Beat, der Taktschlag. Ein exakter Beat ist trostlos, häufig genug beweisen das computergenerierte Musiken. Erst mit Dehnung und Stauchung des Beats oder mit Unregelmäßigkeiten im Mikrotiming (Das Laid Back im Bossa Nova oder man höre mal auf Charly Watts HiHat in Fool to cry der Rolling Stones) entstehen Spannungen – Groove im Musikerjargon). Skulpturen waren Thema, die gemeißelten Gewänder der griechischen Klassik, die den Blick auf einen nackten Körper freigaben, dorische Säulen, die das tun, was sie zeigen. Solcherart waren meine erotisch-konstruktiven Gedanken. Statt nach Athen bin ich dann nach Rom gefahren. In Rom ist alles auf einem Haufen. Rom ist kollosal. Aber wo ist das Leben, fragte der Romstipendiat Paul Nizon, und fokussierte das Unkraut in den Ritzen zwischen Steinen und Betonplatten. Was mich im Baedeker interessierte, bin ich abgelaufen. Steine, Steine, Skultpuren, Gemälde, der überspannte Bernini, der gewaltige Moses, Steine, Steine, Steine und noch mehr Steine, Colloseum, Kirchen, Steine, Kirchen, Steine, Ausstellung hier, Ausstellung dort, ein zweisamer Abend mit einem italienischen Architekten auf der spanischen Trep- pe bei strömenden Regen, er sprach kein Englisch, ich kein Italienisch, also wichen wir auf lateinische Brocken aus, unterstützt durch seinen Weinkanister, dann wieder Steine, Kirchen, Museen, Fellinis Via Veneto, die reale Via Veneto, heilige Pforten und so weiter und so fort. Habe ich