Ingrid Laubrock Octet
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ZÜRICH CONCERT INGRID LAUBROCK OCTET Ingrid Laubrock · Mary Halvorson Tom Arthurs · Ted Reichman · Liam Noble Ben Davis · Drew Gress · Tom Rainey Zu den größten Tugenden des Jazz zählt die Unverwechselbarkeit seiner Stimmen. Nur wer aus der unüberschaubaren Masse von Pianisten, Saxophonisten, Trompetern, Bassisten oder Drummern mit einem eigenwilligen Tonfall hervorsticht, hat eine Chance in- ternational wahrgenommen zu werden. Solch eine charakteristi- sche Klangsprache zu entwickeln gelingt – wie es uns die Tradition des Jazz lehrt – zumeist nur an der Seite von versierten MusikerIn- nen. Während Heerscharen von jungen Jazzern an den Musikhoch- schulen ihre Licks üben, zog es Ingrid Laubrock vor, Deutschland bereits als Achtzehnjährige in Richtung Großbritannien zu verlas- sen, um im F-IRE Collective in London ein weites improvisatori- Zürich Fabrik, in der Roten sches Spielfeld und in Jean Toussaint, einem früheren «Jazz Mes- senger» Art Blakeys, einen erfahrenen Privatlehrer zu finden. Dieser Mut hat sich gelohnt. Denn heute zählt Laubrock zu den si- gnifikantesten Stimmen des jungen Jazz. Und überdies zu einer der kreativsten. Durch eine Musik, die sich stets im Spannungsfeld zwischen kompositorischem Kalkül und improvisatorischer Frei- heit bewegt: wild und kontrolliert, sanft und abgründig zugleich, darin dem Gestus ihres von innerer Kraft vorangetriebenen Spiels ähnelnd, das unvermutet zwischen Präzision und Entgrenzung changiert. Nicht selten entstehen dadurch erregende Albtraum- Cover art: Malene Bach. Diamond – a bench object, 2010 · www.malenebach.dk Meeting beim SWR NEWJazz live Octet Das Ingrid Laubrock Liner notes: Reinhard Kager szenarien, vor allem wenn Laubrock mit dem Drummer Tom Rainey Graphic design: Jonas Schoder und dem Pianisten Liam Noble im Trio Sleepthief frei improvisiert, Photos: Peter Bastian, Søren Rønholt (Artwork) das seit 2007 gleichsam die musikalische Heimat der aus dem Special thanks to Reinhard Kager, Julia Neupert, SWR and Fredi Bosshard, Provinzstädtchen Stadtlohn im deutschen Münsterland stam- Fabrikjazz Rote Fabrik Zürich menden Musikerin bildet. Merkwürdig genug, dass diese unverkennbare Stimme des Jazz in ter Tom Arthurs. Drei Musiker aus den USA komplettieren das neue ihrem Heimatland kaum bekannt war, während sie in London Octet: die Gitarristin Mary Halvorson, die auch in Laubrocks Quin- längst zu einer fixen Größe der reichen britischen Improvisations- tett Anti-House mitwirkt, der Bassist Drew Gress und der Akkorde- szene zählte und vom Schweizer Label Intakt Records verlegt wur- onist Ted Reichman. de. Erst ein Auftritt beim JazzFest Berlin 2007 weckte auch in Deutschland das Interesse einer größeren Öffentlichkeit. Die Aus- Bereits diese instrumentale Besetzung signalisiert, dass es In- zeichnung mit dem renommierten SWR-Jazzpreis 2009 war dann grid Laubrock bei diesem Projekt keinesfalls um herkömmlichen eine fast logische Folge. Power-Jazz geht, sondern um feine Klangstrukturen. Acht Kom- positionen brachte die Saxophonistin zu den Proben ins SWR- Daraus entspann sich jenes Projekt beim alljährlichen NEWJazz Studio in Baden-Baden mit, von denen sieben auf der vorliegen- Meeting der SWR2-Jazzredaktion, das mit einem Konzert in der den CD publiziert sind. Mit Ausnahme von «Blue Line & Sinker», Roten Fabrik in Zürich seinen Abschluss fand. Getreu dem ur- einer frei improvisierten Einleitung zu der Komposition «Red sprünglichen Konzept von Joachim-Ernst Berendt treffen sich bei Hook», sind es teilweise streng durchnotierte Stücke, die infolge diesen «Meetings» in Baden-Baden MusikerInnen, die in diesen ihrer Komplexität – wie etwa im Fall von «Matrix» – sogar (von Konstellationen zuvor noch nicht miteinander zusammengespielt Tom Rainey) dirigiert wurden. Die meisten der Kompositionen ent- haben, um in einem einwöchigen Workshop gemeinsam ein neues halten aber trotz ihrer genau notierten formalen Struktur auch Projekt zu erarbeiten, das danach in einer kleinen Konzerttournee große Freiräume für Improvisationen. Da sich im Verlauf der Kon- der Öffentlichkeit vorgestellt wird. zerttournee dieses NEWJazz Meetings diese improvisatorischen Passagen immer spielfreudiger entwickelten, entschloss sich Das bot Laubrock die Gelegenheit, MusikerInnen ihres neuen Le- Laubrock dazu, trotz perfekter Studioaufnahmen das farbiger ge- bensumfelds in New York, wo sie seit 2009 ansässig ist, mit Musi- lungene Zürcher Live-Konzert auf CD zu veröffentlichen. kerInnen aus London zusammenzuführen, die zuvor schon in ihrer ersten Großformation «nein» mitgewirkt hatten. Wie schon in ih- Es beginnt mit einem Medley aus drei Stücken: «Glasses» ist eine rem früheren Nonett ist auch im Ingrid Laubrock Octet das Trio zarte Improvisation, die von sechs der acht MusikerInnen an ge- Sleepthief mit dem britischen Pianisten Liam Noble und dem ame- stimmten, mit Wasser gefüllten Gläsern gespielt wird. Aus den zarten rikanischen Drummer und Perkussionisten Tom Rainey integriert. Glasharmonika-Klängen entwickelt sich dann ein melancholischer, Hinzu kommen aus London der Cellist Ben Davis und der Trompe- dem trüben Winterwetter während der Konzerttournee entsprechen- der «Novemberdoodle», bei dem der Klang des Akkordeons bestim- The unmistakability of its voices is one of Jazz’s greatest virtues. mend ist, das auch in der abschließenden Improvisation «Blue Line & Only the one who stands out of the almost bewildering number of Sinker» dominierend bleibt. «Chant» gibt wiederum der Gitarristin piano players, saxophonists, trumpet players, bassists or drum- Mary Halvorson Gelegenheit, eines ihrer schräg-verzerrten Soli aus- mers through his own characteristic sound has a chance of being zuspielen – die übrigens in jedem der vier öffentlichen Auftritte des recognized on an international level. The tradition of Jazz has Oktetts völlig verschieden gestaltet wurden. shown that developing this kind of characteristic musical lan- guage in most cases only works in collaboration with experienced Wem diese Kompositionen zu stark auf Klangprozesse konzentriert artists in the field of improvisation. While legions of young musi- zu sein scheinen, der wird im zweiten, rhythmischeren Teil des Kon- cians practice their licks at music school, Ingrid Laubrock chose in the Rote Fabrik, Zürich Fabrik, in the Rote zerts auf seine Rechnung kommen. Dieser beginnt zwar mit fein to leave Germany already at the age of eighteen and head for ausgehörten Duetten, die der Trompeter Tom Arthurs zuerst mit dem Great Britain in order to find a broader improvisational playing Schlagzeuger Tom Rainey und danach mit Ingrid Laubrock am Te- field in the F-IRE collective in London and an experienced private norsaxophon spielt, mündet danach jedoch in jene bereits erwähn- teacher in Jean Toussaint, a former Art Blakey Jazz Messenger. te, rhythmisch intrikate «Matrix», die vor allem an Tom Arthurs, Ted Reichman und Mary Halvorson hohe Anforderungen stellt. Darauf This courage has been well worth-while. Nowadays Laubrock can folgt mit «Nightbus» das groovigste Stück dieser Aufnahme: eine be seen as one of the most significant voices of the younger Jazz schlingernde Fahrt durchs nächtliche Dunkel, die von einem boh- players. And, furthermore, as one of the most creative. All this rend wiederholten Leitmotiv begleitet wird. Auch das Schlussstück, with a kind of music which continuously moves back and forth «Der Zauberberg», ist nach einer anfänglichen Glasharmonika-Pas- between the poles of compositional calculation and improvisa- sage rhythmisch angelegt, wenngleich es weniger an Jazz als viel- tional freedom: wild and controlled, gentle and enigmatic at the mehr an Minimal Music erinnert. Und genau das macht die Stärke same time, in this respect comparable to the gestures in her von Laubrocks Musik aus: dass sie sich nicht in bereitstehende playing, driven by an inner energy, which unexpectedly switches Meeting the SWR NEWJazz at live Octet The Ingrid Laubrock Schubladen einordnen lässt, sondern Impulsen aus den verschie- between precision and dislimitation. Not uncommonly, this re- densten Genres folgt. Auf solch eine erfrischende Vielseitigkeit sults in thrilling nightmarish scenarios, most notably when Laub- kommt es eben an in der heutigen Improvisationsmusik! rock improvises freely, together with drummer Tom Rainey and pianist Liam Noble, in the trio Sleepthief which, since 2007, has Reinhard Kager been something of a musical homeland for the musician hailing from the small provincial town of Stadtlohn in the Münsterland cians from the USA: guitar player Mary Halvorson who is also a region of Germany. member of Laubrock’s quintet Anti-House, bass player Drew Gress and accordionist Ted Reichman. Curiously enough, this distinctive voice in Jazz was hardly known in her native land while in London she was long-since considered This instrumental line up already indicates that for Ingrid Laub- an integral part of the rich British improvisation scene and had rock this project is by no means about standard Power Jazz, but recorded for the Swiss Intakt label. It was only her performance about subtle sound structures. The saxophone player brought on the JazzFest Berlin 2007 which aroused the interest of a wider eight compositions to the rehearsals in the SWR studio in Baden- public in Germany. The award of the prestigious SWR Jazz Prize in Baden, seven of which are to be found on this present CD. With the 2009 was an almost logical consequence. exception of “Blue Line & Sinker” which is a freely improvised in- troduction to the composition “Red Hook”, some