UnabhängigkeiI für

UnabhängigkeiI für Namibia Symposium der GRÜNEN IM BUNDESTAG aus Anlaß des 10. Jahrestages der Verabschiedung der Resolution 435 des UN-Sicherheitsrates DIE GRÜNEN IM BUNDESTAG DOKUMENTATION

Herausgeber Innen Ursula Eid, MdB (v.i.S.d.P.) Daniela Zimmermann (Redaktion)

In hLI-t V o r w o r t ...... i Ursula Eid EinfOhrung in die Themenstellung: Ist Namiblas Unabhängigkeit in Sicht? ...... 4...... 4 Theo Ben Gurirab Die Haltung der SWAPO zur Resolution 435 und zu den derzeitigen internationalen Verhandlungen ...... Wie werden die Perspektiven der zukOnftigen Unabhängigkeit innerhalb der namibischen Bevölkerung diskutiert? Vorträge von: Ulrich Eins .... 26 Niko Bessinger ...... 30 Bob Kandetu ...... 35 Joe POtz ------42 Thesen zum Fortgang des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia Vorträge von: Prof. Dr. Manfred 0. Hinz ...... 45 Prof. Dr. Franz Ansprenger ...... 50 Dr. Henning Melber ...... 55 D a v e d e B e e r .....5...... 9...... 5 9 ,,,M a rtin S c h O m e r ...... 6 8 Dr. Winrich KOhne ...... 73 D is k u s s io n ...... 7 8 G ru 3b o tsc h a fte n ...... 1 14 Protokoll

Voc r -w rt Seit DIE GRüNEN 1983 erstmals in den Bundestag einzogen, nimmt die Namibia-Frage einen besonderen Stellenwert in ihrer außen- und entwicklungspolitischen Arbeit ein. So haben wir zahlreiche Anträge gestellt (die ausnahmslos abgelehnt wurden) und Große und Kleine Anfragen formuliert. Eine öffentliche Anhörung der Fraktion beschäftigte sich im September 1985 mit den "Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Namibia" und leistete eine gründliche Aufarbeitung unserer Verbindungen nach Namibia - im Guten wie im Schlechten. (Die Anhörung ist dokumentiert: Im Brennpunkt: Namibia und die Bundesrepublik Deutschland, Informationsstelle Südliches Afrika e.V., Bonn 1987.) Mittlerweile ist die Tür zur Unabhängigkeit Namibias endlich aufgestoßen. Nach über hundertjähriger Fremdherrschaft besteht jetzt die realistische Chance, daß die Menschen in Namibla erstmals nach dem Prinzip "ein Mensch - eine Stimme" wählen und über ihre Verfassung bestimmen können. Möglich wurde dies durch trilaterale Verhandlungen zwischen Angola, Kuba und Südafrika, die durch die UdSSR und die USA aktiv unterstützt wurden. Durch die Unterzeichnung des Protokolls von Brazzaville und des Abkommens von New York im Dezember 1988 wurde ein konkreter Zeitplan für die Unabhängigkeit gemäß Resolution 435 des UN-Sicherheitsrates aus dem Jahre 1978 festgelegt. Während die Verhandlungen zwischen Angola, Kuba und Südafrika ihrem Höhepunkt zustrebten, veranstaltete die Fraktion DIE GRÜNEN IM BUNDESTAG am 19. September 1988 ein erneutes Symposium unter dem Thema "Unabhängigkeit für Namibla". Anlaß war der 10. Jahrestag der Verabschiedung der Resolution 435 durch den UN-Sicherheitsrat, also desjenigen Lösungsplans, der seinerzeit auf Initiative der fünf westlichen Mitglieder des Sicherheitsrates erarbeitet und der von allen Konfliktpartnern Im Grundsatz akzeptiert worden war. Neben einer Einschätzung der konkreten Chancen des damaligen Verhandlungsprozesses war Hauptthema des Symposlums die kritische Analyse der politischen und sozio-ökonomischen Lage Namiblas in der Region des Südlichen Afrikas. Der Wert der in diesem Band dokumentierten Beiträge leitet sich vor allem auch daraus her, daß hier unabhängige Wissenschaftler von zum Teil unterschiedlichen Ausgangspunkten die Thematik im Gespräch miteinander beleuchteten. Vor allem deren Beiträge und die anschließende Diskussionsrunde werden auch über das Datum der Unabhängigkeit Namibias hinaus interessant bleiben. An dieser Stelle möchten wir nochmals allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen an dem Symposium, insbesondere den Referenten, für ihre konstruktive Mitarbeit danken. Wir haben 2 uns besonders darüber gefreut, daß viele ausländische Gäste auch weite Anreisen nicht gescheut haben, um an dem Symposium teilzunehmen. Hoffen wir, daß das Jahr 1989 - hundert Jahre nach Beginn der deutschen Kolonisation des Landes, siebzig Jahre nach der Machtübernahme Südafrikas und zehn Jahre nach Verabschiedung des UN-Lösungsplans - Namibia und seinen Einwohnern/innen endlich die lang ersehnte Unabhängigkeit, Demokratie und Selbstbestimmung bringt. Uschi Eid, MdB Dr. Michael Vesper, Fraktionsgeschäftsführer

Unabhängigkeit für Namibia Programm Symposium aus Anlaß des 10. Jahrestages der Verabschiedung der Resolution 435 des UN-Sicherheitsrates am Montag, 19. September 1988, 10.00 bis 18.00 Uhr 10.00 BegrüBung Dr. Helmut Lippelt, MdB, Fraktionssprecher der GRÜNEN IM BUNDESTAG 10.15 Einführung in die Themenstellung: Ist Namibias Unabhängigkeit in Sicht? Ursula Eid, MdB, DIE GRÜNEN IM BUNDESTAG 10.30 Die Haltung der SWAPO zur Resolution 435 und zu den derzeitigen internationalen Verhandlungen Theo Ben Gurirab, Secretary for Foreign Relations, Member of Central Committee of SWAPO, Luanda 11.00 Wie werden die Perspektiven der zukünftigen Unabhängigkeit innerhalb der namibischen Bevölkerung diskutiert? Beiträge von: Ulrich Eins, Mitglieder der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Südwester Niko Bessinger, Secretary for Foreign Relations of SWAPO, Bob Kandetu, Associate Director of the Council of Churches of Namibia, Windhoek Joe Pütz, Chefredakteur der "Namibia Nachrichten", Windhoek 12.30 Mittagspause 14.00 Thesen zum Fortgang des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia Beiträge von: Prof. Dr. Manfred 0. Hinz, Universität Bremen Prof. Dr. Franz Ansprenger, Freie Universität Berlin Dr. Henning Melber, Gesamthochschule Kassel Dave de Beer, Namibia-Experte, Vlaardingen (NL) Martin Schümer, Angola-Experte, Berlin Winrich Kühne, AFrika-Experte, Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen 15.30 KaFfeepause 16.00 Publikumsdiskussion Volker Weyel, Moderation 17.30 SchlußworL Dr. Michael Vesper, F akLicnsgeschaF[. 4Irer-, VI[ LFE [H III)IISIA Vor, 19. ), 2 2.. ] ibt es ir Hau- nLpnrefef'I Vi 12) fr 1 , r Ir r» 1 i[nehmn!['Irner eir , Empfang. DIE GRÜNEN IM BUNDESTAG

Uschi Eid Einführung in die Themenstellung: Ist Namibias Unabhängigkeit in Sicht? "Ich lag ruhig in meinem Haus und schlief. Da kam das kaiserliche Heer, um mich wachzuschießen. Und das nicht um des Friedens Willen oder um einer Missetat, deren ich mich schuldig gemacht hätte. Sondern darum, daß ich etwas, was allein mein Eigentum ist und worauf ich Recht habe, nicht aufgegeben habe." Dies schrieb Hendrik Witbooi, der legendäre Führer des NamaVolkes im Jahre 1894, zehn Jahre nach dem Beginn der deutschen Kolonialherrschaft über das heutige Namibia. 1894 gelang es dem Bremer Kaufmann Lüderitz - gestützt auf die Interessen der seit 1842 in Südwest-Afrika tätigen Rheinischen Mission -, die Protektoratserklärung durch das deutsche Reich zu erwirken. Gegen den Wunsch der betroffenen Völker wurde das Gebiet zwischen dem Oranje-Fluß im Süden und dem Kunene-Fluß im Norden zur Kolonie "Deutsch-Südwestafrika". Diese erste deutsche Kolonie, an deren Spitze der Reichskommissar Heinrich Ernst Göring stand (Vater des späteren Hitler-Reichsmarschalls), war anderthalb mal so groß wie das damalige Deutschland. Die Nama-Völker wurden zwischen 1893 und 1895 unterworfen, die Herero um wichtige Teile ihres Siedlungsgebietes und große Viehbestände gebracht. 1904 setzten sich die Herero gegen den wachsenden deutschen Druck zur Wehr. Teile der Nama schlossen sich dem Kampf an. In einem dreijährigen gezielten Vernichtungskrieg wurden 80 Prozent der Herero und 50 Prozent der Nama umgebracht. Flüchtende Widerstandskämpfer wurden immer tiefer in die Kalahariwüste getrieben und dort dem Verdursten ausgesetzt. In den Konzentrationslagern starben durch bewußte Vernachlässigung 45 Prozent der Gefangenen. Namibia war der erste Völkermord in der Geschichte der Deutschen. Deshalb haben die Bundesrepublik Deutschland, ihre Regierungen und ihre Bürgerinnen und Bürger, das heißt wir alle, eine besondere historische Verantwortung gegenüber dem namibischen Volk und seiner ersehnten Unabhängigkeit. Denn noch immer ist Namibia ein besetztes Land. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und im Rahmen der Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages von 1919 trat Deutschland als Verlierer seine Ansprüche auf die früheren Kolonien einschließlich der auf Deutsch-Südwestafrika ab. 1920 übertrug der Völkerbund Südafrika das Mandat über Namibia. Was dies be- deutet, wurde in einem Abkommen des Völkerbundes niedergelegt. Dort heißt es: "1. Für Kolonien und Territorien, die als Folge des letzten Krieges nicht mehr der Souveränität der Staaten unterstehen, von denen sie früher regiert wurden und die von Völkern bewohnt werden, die sich angesichts der schwierigen Verhältnisse in unserer modernen Welt noch nicht selbst verwalten können, soll der Grundsatz gelten, daß das Wohlergehen und die Entfaltung dieser Völker ein heiliges Pfand der Zivilisation darstellen; und Garantien für die Ausübung dieser Treuhandschaft sollen in dieser Satzung verkörpert sein. 2. Die geeignetste Methode zur praktischen Anwendung dieses Grundsatzes ist es, die Vormundschaft für diese Völker entwickelten Nationen anzuvertrauen, die dieser Verantwortung aufgrund ihrer Ressourcen, Erfahrung oder geographischen Lage am besten gerecht werden können und die willens sind, sie zu übernehmen; diese Vormundschaft sollen sie als Mandatoren im Auftrag des Völkerbundes ausüben." 1966 wurde dieses Mandat Südafrika von den Vereinten Nationen entzogen. Spätestens seit 1971, als der Internationale Gerichtshof in Den Haag diese Rücknahme bestätigte, ist Namibia völkerrechtswidrig von Südafrika besetzt. Die Tatsache, daß Südafrika in der Vergangenheit dem namibischen Volk seine Selbstbestimmung und Unabhängigkeit verweigert hat, zusammen mit der beschriebenen besonderen Verantwortung der Deutschen, ist Grund für uns GRÜNE, uns seit Beginn unserer Existenz mit besonderem Engagement der Namibiafrage zu widmen. Der Anlaß für das heutige Symposium ist der 10. Jahrestag der UNO-Resolution 435, die am 29. September 1978 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedet wurde. "Dafür" stimmten: Bolivien, Kanada, Frankreich, Gabun, Bundesrepublik Deutschland, Indien, Kuwait, Mauritius, Nigeria, Großbritannien, USA, Venezuela. Gegenstimmen gab es keine. Es enthielten sich: Tschechoslowakei, Sowjetunion. China beteiligte sich nicht an der Abstimmung. Daraus ist ersichtlich, daß diese Resolution sicherlich kein "kommunistisches Machwerk" ist. Was ist der Inhalt der UNO-Resolution 435? Diese Resolution ist ein ganzes Paket eines Friedensplanes. Resolution 435 billigt: 1. den Vorschlag für eine Lösung der Namibia-Frage. Dieser Vorschlag wurde von der sogenannten Kontaktgruppe, bestehend aus Kanada, Großbritannien, den USA, Frankreich und der Bundesrepublik, am 10. April 1978 dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen übergeben.

Resolution 435 billigt: 2. den Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen über die Umsetzung des Vorschlags der Kontaktgruppe. Resolution 435 billigt: 3. die Errichtung einer Unterstützungseinheit (UNTAG). Diese soll den Sonderbeauftragten unterstützen, um freie und faire Wahlen unter Aufsicht und Kontrolle der Vereinten Nationen zu gewährleisten. Da der Vorschlag der westlichen Kontaktgruppe das Kernstück der Resolution 435 ist, möchte ich etwas näher darauf eingehen. Er enthält unter anderem folgende konkrete Punkte: 1) Grundsätzlich wird darin festgehalten, daß freie Wahlen für ganz Namibia im Sinne einer politischen Einheit Vorbedingung sind für eine international anerkannte Unabhängigkeit. 2) Die Gruppe schlägt vor, einen Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen zu benennen, dessen Aufgabe darin besteht, Bedingungen sicherzustellen, die freie, faire und allgemeine Wahlen zulassen. 3) Es geht bei der Wahl darum, Vertreter und Vertreterinnen für eine verfassungsgebende Versammlung zu wählen. 4) In Erfüllung seiner Aufgaben wird der UNO-Sonderbeauftragte mit dem südafrikanischen Generaladministrator zusammenarbeiten, um einen gerechten Übergang in die Unabhängigkeit zu gewährleisten. 5) Im einzelnen werden unter anderem folgende Bedingungen gestellt, die zur Zufriedenheit des UNO-Sonderbeauftragten erfüllt sein müssen: a) Vor Beginn des Wahlkampfes muß der südafrikanische Generaladministrator alle diskriminierenden und restriktiven Gesetze und Verordnungen aufheben. b) Die politischen Gefangenen sind zu entlassen, und allen namibischen Flüchtlingen muß die Rückkehr gestattet werden. Es ist zu gewährleisten, daß sie sich ohne Gefahr am Wahlprozeß beteiligen können. Dem Sonderbeauftragten steht ein international anerkannter Jurist beratend zur Seite, der vom UNO-Generalsekretär ernannt wird. Spezielle Grenzübergänge werden für die rückkehrenden Flüchtlinge bestimmt. c) Der UNO-Sonderbeauftragte wird mit dem Flüchtlingshochkommissar dafür Sorge tragen, daß Namibier im Ausland sich frei entscheiden können, ob sie nach Namibia zurückwollen oder nicht. 6) Feindselige Akte haben von allen Seiten zu unterbleiben. Konkret heißt das: a) Soldaten der südafrikanischen Armee und SWAPO-Kämpfer müssen sich in ihre Basen zurückziehen. b) Die südafrikanischen Truppen müssen sich innerhalb von 12 Wochen und vor Beginn der politischen Kampagnen bis auf 1500 Mann aus Namibia zurückziehen. Diese bleiben in Grootfontein und/oder Oshivello. c) Eine Woche nach der Wahl muß die südafrikanische Armee aus Namibia vollständig abgezogen und die SWAPO-Lager aufgelöst sein. d) In der dreizehnten Woche beginnt der viermonatige Wahlkampf. e) SWAPO-Mitglieder können friedlich durch besondere Grenzübergänge nach Namibia zurückkehren. f) Der militärische Teil der UNTAG (United Nations Transition Assistance Group) wird diesen Prozeß beobachten. 7) Die Verantwortung der Aufrechterhaltung von Gesetz und Ordnung während der Übergangszeit liegt bei der Polizei. Der Generaladministrator hat das korrekte Verhalten der Polizei sicherzustellen. Die Polizei darf nur kleine Waffen tragen. 8) Sofort nach der Bestätigung des Wahlergebnisses wird die Verfassungsgebende Versammlung eine Verfassung ausarbeiten. Warum scheiterte dieser Friedensplan 1978, obwohl die Unabhängigkeit Namibias greifbar nahe war? Obwohl der Lösungsplan der Kontaktgruppe das Ergebnis eingehender Gespräche mit Südafrika, den Frontstaaten, der SWAPO und anderen politischen Parteien in Namibia und folglich ein Kompromiß war, hatten Südafrika und einige interne namibische Parteien Vorbehalte gegenüber diesem Plan (zum Beispiel Fehlen von Bestimmungen für eine korrekte Überwachung von SWAPO-Stützpunkten in den Frontstaaten. Auch die angebliche Voreingenommenheit der UNO zugunsten der SWAPO wurde kritisiert.) Als diese Vorbehalte nicht zu seiner Zufriedenheit geklärt werden konnten, führte Südafrika im Dezember 1978 einseitig eine interne Wahl durch, an der sich weder die SWAPO noch die Namibische Nationale Front (ein Bündnis von politischen Parteien, 1977 gegründet, um sich an Wahlen im Rahmen der Resolution 435 von 1978 zu beteiligen) beteiligten. Der Friedensplan war damit zunächst gescheitert. 1982 wurde, um Vorbehalte zu entkräften, eine Übereinkunft über Grundsätze für eine zukünftige namibische Verfassung getroffen, die zum Beispiel ein Gesetz über grundlegende Menschenrechte, eine unabhängige Justiz, Schutz vor willkürlicher Enteignung, periodische, unverfälschte, geheime und allgemeine Wahlen enthält. Aber gleich nachdem diese übereinkunft zu den Dokumenten des Sicherheitsrates genommen worden war, brachten Südafrika und die USA das sogenannte

"linkage" als neue Vorbedingung zur Umsetzung der Resolution 435. Dieses "linkage" besagte, daß eine feste Abmachung über den Rückzug der kubanischen Truppen aus Angola getroffen werden müsse, bevor mit der Durchführung der Sicherheitsresolution begonnen werden könne. Was kann uns aber heute hoffen lassen, und was macht uns zugleich auch so unsicher, daß Namibia nun tatsächlich an der Wende zu Unabhängigkeit und Frieden stehen könnte? Es ist ja schließlich nicht das erste Mal, daß Südafrika erklärt, Namibia in die Unabhängigkeit entlassen zu wollen. 1979 zerplatzte Südafrikas Ankündigung wie eine Seifenblase. Dann 1981, als die Vereinten Nationen für die Einrichtung der UNTAG in Windhoek die ersten Großaufträge vergaben. Auch dieser Ansatz löste sich in Nichts auf, als die Genfer NamibiaVerhandlungen im Januar 1981 scheiterten. Der letzte Traum liegt kaum zwei Jahre zurück, als Botha den 1. August 1986 zum endgültigen Termin für die Unabhängigkeit Namibias nannte. Es gibt kaum Unsteteres als Südafrikas Politik gegenüber den anderen Staaten der Region. Und daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Sofern denn überhaupt in Pretoria deutlich zwischen Tauben und Falken zu unterscheiden war, die Kräfteverhältnisse waren immer sehr labil. Auch das hat sich nicht geändert. Was also ist neu, was gibt auch mir Anlaß zur Hoffnung, trotz aller negativen Erfahrungen? Ich möchte versuchen, einige dieser Faktoren herauszuarbeiten. Da ist zunächst sicher ein verändertes militärisches Kräfteverhältnis festzustellen. Südafrikas Armee hat in den letzten Monaten eine wichtige Niederlage bei Cuito Cuanavale und später auch in der Cunene-Provinz einstecken müssen. Mit der Niederlage bei Cuito Cuanavale war für alle Seiten der Mythos von der Überlegenheit oder gar von der Unbesiegbarkeit der südafrikanischen Luftwaffe zerstört. Dies war eine wichtige Voraussetzung dafür, daß es zu den bisherigen Verhandlungen kommen konnte. Nicht weniger wichtig, denke ich, sind die Veränderungen auf seiten der beiden Supermächte zu beurteilen. Im Weißen Haus in Washington geht die Ära Reagan zuende. Reagan ist deshalb an einer baldigen Lösung der Konflikte im südlichen Afrika interessiert: Persönlich will er als der Präsident in die Geschichte der Vereinigten Staaten eingehen, dem es gelungen sei, die Sowjetunion zur friedlichen Lösung der wichtigsten regionalen Konflikte zu bewegen. Neben Afghanistan sollen dies Kampuchea und das südliche Afrika sein. Politisch strebt Reagan eine Lösung des Namibia-Problems zu seinen Bedingungen an. Wohlwissend, daß mit einem Wahlsieg von Dukakis möglicherweise sowohl das bisherige linkage als auch die amerikanische Unterstützung der UNITA aufgegeben würde. Für die Reagan-Administration eilt also die Zeit, sie muß auf Erfolg setzen. Die Sowjetunion hat bereits vor längerer Zeit deutlich gemacht, daß sie an einer baldigen friedlichen Lösung der Angola- und der Namibia-Frage interessiert ist. Die finanziellen und politischen Kosten des sowjetischen Engagements etwa im südlichen Afrika scheinen der KPdSU-Führung um Gorbatschow nicht mit den Erfordernissen der Perestrojka vereinbar. Deshalb hatte die Sowjetführung ein großes Interesse und maßgeblichen Anteil am Zustandekommen und an der Fortsetzung der gegenwärtigen Verhandlungen zwischen Angola, Kuba, Südafrika und den Vereinigten Staaten. Angola hat ebenso ein zunehmendes Interesse an einer schnellen Beendigung des Krieges mit Südafrika. Denn seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1975 hat das angolanische Volk keinen Frieden erlebt. Die Wirtschaft des Landes steht vor dem völligen Zusammenbruch. Was an Einnahmen aus den Erdölverkäufen in den Staatshaushalt hereinkommt, geht zur Hälfte für Waffenkäufe und andere Militärausgaben an die Sowjetunion und an Kuba wieder verloren. Zehntausende Tote hat der unerklärte Krieg mit Südafrika bis heute gefordert. Das Land braucht dringend Frieden. Kuba schließlich war noch nie in einer militärisch so günstigen Situation in Angola wie zur Zeit. Es kann von einer Position der Stärke aus verhandeln wie niemals zuvor. Gerade deshalb bedeutet Kubas Verhandlungsbereitschaft auch keinen Prestigeverlust in der Dritten Welt, um den es sonst fürchtet. Kuba steht am wenigsten unter Druck zu verhandeln. Doch auch Kuba hat viele tausend Tote seit seinem militärischen Eingreifen in Angola zu beklagen und muß die Kosten seiner 50.000 Soldaten in Angola nahezu alleine aufbringen. Bei aller Eigenständigkeit kubanischer Entscheidungen bleibt schließlich auch Gorbatschows Wunsch auf eine baldige friedliche Lösung nicht ohne Einfluß auf Kubas Politik. Zum Schluß Südafrika. Hier wirkt sich gewiß der Schock über den Verlust der militärischen Überlegenheit der veralteten südafrikanischen Luftwaffe aus. Südafrika ist zu einer schnellen Modernisierung nicht in der Lage, dank des UNWaffenembargos. Nicht nur von seiten der Schwarzen, auch auf weißer Seite wächst der Widerstand gegen die Nachbarstaaten. Ein Beispiel hierfür ist die wachsende Zahl der Kriegsdienstverweigerer in Südafrika. Die Botha-Regierung gerät aber auch von außen stärker in Bedrängnis. Vor allem befürchtet man in Pretoria einen Sieg des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Dukakis und damit einen zurückhaltenderen Kurs der USA gegenüber Südafrika. Dies veranlaßt auch Pretoria, die Gunst der Stunde zu nutzen. Dennoch ist und bleibt Südafrika der größte Unsicherheitsfaktor. Wegen der Unbeständigkeit seiner Politik, weil nie abzuschätzen ist, wie P. W. Botha sich zwischen den sogenannten Falken und Tauben entscheiden wird. Es fehlt nun noch Namibia selbst. Namibia ist von den laufenden Verhandlungen ausgeschlossen. Trotzdem haben SWAPO und alle Gruppen, die sich für die Verwirklichung der UN-Sicherheitsrats-Resolution 435 einsetzen, die bisherigen Verhandlungsergebnisse ausdrücklich begrüßt. SWAPO-Präsident erklärte, man solle Südafrika die Gelegenheit geben, seine Ernsthaftigkeit unter Beweis zu stellen. Aber was Namibia betrifft, das werden unsere namibischen Freunde nachher selbst ausführlich darstellen. Aus dem gleichen Grund auch verzichte ich darauf, hier auf die bisherigen Verhandlungsergebnisse einzugehen, weil ich hoffe, daß Theo Ben Gurirab dies ausführlich und bestens informiert tun wird. Bleibt letztendlich noch auf einen wichtigen Unsicherheitsfaktor einzugehen: die Rolle der UNITA. UNITA-Chef Savimbi hat gleich nach Abschluß des Waffenstillstands zwischen Angola, Kuba und Südafrika erklärt, daß für ihn der Krieg gegen die MPLA weitergehen werde. Savlmbis UNITA, die etwa ein Drittel des Landes kontrolliert, legt alles darauf an, maßgeblich an einer Koalitionsregierung beteiligt zu sein. Dies will sie mit Waffengewalt erzwingen. Die MPLA-Regierung aber hat jegliche Regierungsbeteiligung der UNITA bisher strikt abgelehnt. Die USA und verschiedene westeuropäische Regierungen aber setzen auf eine Regierungsbeteiligung der UNITA. Savimbis PR-Auftritt in Bonn und sein Empfang im Bundeskanzleramt liegen erst wenige Wochen zurück. Wir GRÜNEN lehnen diese direkte Aufwertung und Unterstützung der UNITA ab. Anstatt sich in die Angelegenheiten der Angolaner einzumischen, sollte sich die Bundesregierung vielmehr bereiterklären, den Unabhängigkeitsprozeß in Namibia aktiv zu unterstützen. Das heißt konkret: Die Bundesregierung muß die UNTAG unterstützen, und zwar finanziell, materiell und wenn dies von den Beteiligten gewünscht wird, auch personell. Diese Unterstützung darf sich aber nur auf die zivile Komponente der UNTAG beziehen und nicht, wie es die CDU fordert, auf die Entsendung von Bundeswehrsoldaten nach Namibia ausgeweitet werden. Wir GRÜNEN wünschen Namibia und den Namibiern - im Sinne von SWAPO- Präsident Sam Nujoma -, daß Südafrika tatsächlich seine Ernsthaftigkeit unter Beweis stellt, damit Namibia bald unabhängig ist.

Theo Ben Gurirab SWAPO's attitude towards Resolution 435 and towards the actual international negotiations I thank you very much. It's a different chairperson from the one who welcomed me. Just the same, I'm indeed very pleased to be here in Bonn and particularly here in Your parliament, the Bundestag. I am grateful that you invited us to participate in this hearing. I am also grateful that you invited other Namibians, members of SWAPO and non-SWAPO members to participate as well. It gives us an opportunity to once again share with you, In this country, our views about our independence and particularly about the subject of this hearing: the Security Council Resolution 435. This will not be the first time that we address the general public through you, the participants on the subject. It is a good thing that we continue to talk about it because the Federal Republic of Germany was one of the authors of what we today refer to as Resolution 435. It's a good thing that we are talking about the subject at a time when the FRG is back in the Security Council. So, four of the original members of the group that we used to affectionately refer to as 'the gang of five' are back in the Security Council. Interestingly Canada too is trying to get back. Canada, we are happy to say, is now plaing a different role, a positive one. I bring greetings to you from Luanda, even though I am coming to you from New York at the present time. We are happy that the Greens are the conveners of these hearings because we have found in no party willingness or seriousness to engage in a meaningful dialogue with us towards finding a peaceful solution to the problems of our country. But before I say my piece I want to convey to you a message given to me by the UN commissionaire for Namibia, Mr. Bernt Carlsson. You did invite him to participate in these hearings, but he regrets that he will not be able to be present here. He is somewhere here next door, I don't know which direction Vienna is, on an official mission, but he sends his best regards and wishes your deliberations here great success. He also hopes that in the future you would once again extend an invitation to him and he would gladly respond to such an invitation. I have been asked to give SWAPO's attitude towards Resolution 435 and also towards the current talks on the situation in the South Western region of Africa. Talking about Resolution 435 I am not going to recount history. Ursula made an excellent summary of the historical context of Resolution 435 and listed the essential features of what Resolution 435 contains, what the UN plan contains. I would simply make a reference to the historical context that is important for us to remember when we consider Resolution 435: The seventies, 1975, 1976 up to 1977, is the period during which the United Nations demonstrated some degree of imagination about what has to be done to speed up Namibia's independence process. That period was the Kissinger-period. Struggles in Southern Africa have assumed a greater momentum: Victory was won in Mopambique. Angola, too, proclaimed independence in 1975. The armed struggle was being intensified in Southern Rhodesia. The people of South Africa also through the sacrifices of their own little children. I have particularly in mind during that period the SOWETO- massacre and the response of the ANC-leadership to that massacre and the anger of the young people, who said liberation now, education tomorrow, and crossed the boarders to ANC camps to get guns to liberate themselves. That was the situation at that time in Southern Africa and one of the phases that Kissinger is said to have quenched is to stem the tide of the radicalization of the situation in Southern Africa. It was therefore necessary, he felt, to get the minds of the leaders of the liberation movements and their commanders away from the battlefield, from the armed struggle to negotiating-tables. So, you saw international conferences on Southern Rhodesia organized in Geneva. It was around that time that Kissinger learned about the word Namibia. He went to Southern Africa, made a major speech in Lusaka, went to South Africa and upon his return to the United States it so happened that my president was in New York and he kindly extended an invitation to us to meet with him and we met him at one of the showcases of American capitalism, a place called Waldorf Astoria - for those of you who know New York. It was on that occasion 29th of August 19.., 29th of September as a matter of fact, 1976. Kissinger thought aloud about ways and means of ushering in a negotiating process. He did not necessarily say that it should take place within the framework of the UN, but he thought that talking was better than fighting. You know elections were held that same year 1976 and President Carter was elected. So, when these wonderful people, the Carters, the Andrew Youngs, the Carus Vances, the Don McHenrys came about this concept was there that negotiating was better than fighting. New actors came on the scene but the basic strategy laid down by Kissinger was updated, reformulated, and so in the spring of 1977 we started with the process of talks about talks. We managed to get over that stage and we started talking about exploratory talks, which meant that people would bump into each other in the corridors of the UN and have tea, perhaps some beer, some snacks, there may be a sumptuous lunch or dinner and so on. That process included or involved the frontline states, five of them at that time... Zimbabwe was not independent, the fifth frontline state was Nigeria. It involved the Western-five, who were the initiators of the process. It included SWAPO, South Africa, the United

Nations, of course. So we talked informally without papers about exploratory talks. Later on we moved on to what I call proximity talks. And I remember asking Professor Don McHenry, I used to call him professor before he actually became Professor, what are 'proximity talks'? I know proximity as a word, I also know talks as a word, so when you put them together what do they mean? So he gave me a professorial answer, saying that we mean that it would be ideal if all the parties were at the same place, at the same time, like being in the same country. Of course, it would be most desireable if they were in the same city in the same country, and better still if they were in the same building even if they were on different floors. At the best of it, of course it would be good If they were in the same room at the same time around the same conference table. That would be the ideal situation, but as a pragmatic man he proceeded that was not possible. It was to get us all at the same time, say in New York or in Lusaka or in Geneva. So we went through that and then we eventually started exchanging papers and so negotiations started. Negotiations started, we made some progress. But there were still major sticking-points. So they came up with another concept. There we had to try to together sort out these major sticking-points. So we were told we should meet in simultaneous high-level consultations. So we went to Geneva in November of 1979. There we discussed the militarized zone and we discussed a number of other things, but I am jumping one year. What is SWAPO's attitude towards Resolution 435? In order to understand Resolution 435 you have to understand or know about Resolution 3P5 of January 1986... 1976, sorry, January 1976. Resolution 385 is among the greatest achievements in the United Nations that we owe to Sean McBride's genius and imagination. In that resolution the requirements are that South Africa must above everything else and before everything else get out of Namibia, because South Africa is an illegal occupier, and has therefore no business in supervising the transition process or supervising Namibia's independence ... that all the political prisoners must be released, all the repressive and discriminating laws repealed, Namibians in exile allowed to return and that United Nations during that transition phase should assume control over the entire territory, and it should be the United Nations and not South Africa which should organize free elections. We were assured that the Western-five would use this resolution and actually their initiative, we were told, was intended to implement Resolution 385 and not supplant it with another resolution as we know it now, Resolution 435. SWAPO had the direct role in the transition envisaged in the Resolution 385, but more than SWAPO the United Nations had the preponderate role in Resolution 385. Slowly but surely the negotiators, the Western-five, started unravelling Resolution 385 and actually succeeded in getting away with murder. We were involved in the negotiations, frontline states were involved, UN was involved. We were not as wise then as we are now. Our friends believed in the bona fides of the Western-five who said that they were serious about what they were doing and that they should be believed. That they had their own interests to protect in Southern Africa and that if need be they would set aside the carrot and use a stick to force South Africa to come along. So, we and our friends sort of believed that, we less than others, but we were encouraged to believe it. We were protesting, remember, but we went along. So what is our attitude towards 435? We accepted the political realities facing us. We decided to talke a calculated risk and we decided to participate in the process and that we would have our own game-plan, we would have our own agenda. When finally we saw the final draft of what if formerly known as 'the western-settlement proposal for the situation in Namibia', we saw some crucial elements of Resolution 385 missing, where actually what was being proposed was an attempt to supplant Resolution 385 with a brand new resolution. But there were some things in it South Africa had up until then maintained. Now the resolution contained the independence for Namibia. Before South Africa had all along treated Namibia as an integral part of South Africe, as a fifth province. South Africa rejected a UN role, in whatever form, in the decolonization process of Namibia and South Africa did not want to hear anything about SWAPO's participation in the political process. But there was a new situation which gave recognition to the demands of the international community as articulated in the resolutions of the UN. There was a role for SWAPO. Not exactly the role envisaged in Resolution 385, but still a significant recognition of SWAPO. That, for example, it would take first SWAPO and South Africa to enter into a cease-fire as a first step towards implementation of Resolution 435. And there are other positive elements. So we agreed, but before we accepted Resolution 435 our President addressed a very important letter to the UN Secretary General, Mr. Waldheim, at that time. It's a letter dated 8th September 1978. In that letter he said our, SWAPO's, views and gave a very sober-minded analysis of the implications of Resolution 435. But at the end, he accepted it as a compromise formula, perhaps the best possible basis for a peaceful solution to the Namibian problem, and therefore SWAPO accepted. Resolution 435: Having accepted Resolution 435, we geared up our resources, whatever material resources we have, financial resources we have and manpower ready to participate in free and fair elections. That was in 1978. Here we are in September 1988, still talking about non- implementation of Resolution 435. I am a born optimist, but I tend to think that we will still be talking about non-implementation of Resolution 435 come September 29th, 1988. I hope it will be a day after that, but before and by that day we will still be talking about it. I hope that a process would have been started, at least in a spirit of what the two leaders of the superpowers committed themselves to; encouraged that on that day a firm agreement would have been reached on those issues that are outstanding and that a serious negotiating process would start - an implementation process would start. So, what do we have for us? 10 years of non-implementation of 435, a full decade during which the western-powers and their transnational corporations have been playing monkey-business with the lives of our people. It has been a decade of a vicious cycle, characterized by the notorious politics of postponement of our independence. It has come to represent in our eyes, a process that has meant more suffering for our.people and promising a solution. It is a period during which the entire society has been militarized. A period during which the very authors of Resolution 435 have remained aloof and are renegating daily on the obligations under it. A child born on 29th September 1978 would be ten years old. One of my sons was born in 1978. He is a very strong young man. That has been Resolution 435. But we have not, at any point, renounced it. We have remained faithful to its letter, to its spirit, and we have said time and again that we are ready to sign a cease-fire, we are ready to participate in free elections. Let me jump and talk just briefly about the current talks. We are not complaining that we are not a party to these talks, because we really have no business participating in these talks. It is not that we feel we should have been invited to participate. Everything about Resolution 435 has already been completed 10 years ago. If there was still anything outstanding in the subsequent meetings and discussions and exchanges of notes, all that has been resolved a long time ago. So there is nothing to negotiate on Resolution 435 - that is a very important point for you to appreciate and also for our friends to appreciate. Very often our friends, pleading on our behalf, feel that it is unfair for people to talk about Namibia and not include representatives of the Namibian people. There is nothing to discuss on Resolution 435. It is just a question of implementation. Once SWAPO and South Africa indicated to the UN Secretary General their readiness to proceed - everything is already, as you know, neatly laid out in the Resolution 435 - procedures for cease-fire, implacement of UNTAG and the beginning of a transition phase - all those things are already done. What has been lacking since 1978 is South Africa's political will to enter into a cease-fire, so as to trigger off the process to the extent that there have been talks now about a situation called the 'Region of South Western Africa'. We have been kept informed at all stages by the Cubans (but I should start first with our neighbours, with the Angolans), by the Cubans, by the Soviets, and we have sought to talk also with the Americans. And we are particularly encouraged by the stance taken by the Angolans and the Cubans that the centrepiece of their present talks is the independence of Namibia. Angola has undertaken a commitment to make a contribution towards achieving that goal. In Geneva in August agreements were reached and announced publically, you know about them. Dates were agreed for the implementation of Resolution 435 that the full implementation of 435 would start on 1st of November this year. 7 months later, June 1st, 1989, there would be elections, a few weeks thereafter there would be proclamation of an independent Namibia. Do I believe that all? Do I believe it will come to pass?. Well, I belive in life and I believe in the struggle and I believe in the final victory - if not in 1989, I know Namibia shall be free and in that, all that matters is freedom fighters. It is not the dates. There were many dates before, you know, on Namibian independence. They were fixed, they passed, the struggle continued. Reasons were mentioned, Ursula mentioned reasons why we can have reason to think that perhaps this time South Africans would be willing to make that commitment that has remained illusive all these many years. My President said, this was quoted, that we want to give South Africa the benefit of the doubt, that she has made commitments for South Africa to show to the Namibian people, to the African people, to the world and to the United Nations particuparly, that she can be trusted. For us as people who are fighting against South Africa to be asked 'do you trust South Africans', 'do you think that they will be sincere this time', those are interesting academic and journalistic questions but really irrelevant for us. There is no cease-fire, there is a de facto cease-fire in places of the region now. It is very loose, is sort of a "Gentlemen's agreement" that is all there is to it, unless there is a formal cease-fire. What we have is merely a suspension of fighting.

17 Our President addressed the letter on 11th of August this year, shortly after the coming into force of this de facto cease-fire, that while we unilaterally undertook to honour that cease-fire we felt that the Secretary General should assume his role to arrange a formal cease-fire between SWAPO and South Africa. And for our part, we stand ready to sign that cease-fire, we stand ready to participate in free and fair elections. So, Resolution 435 is a product of negotiations involving many parties with different and very often conflicting interests. It is not a perfect piece, but maybe it was the only possible agreement we could arrive at in 1978. Maybe I will have the opportunity later to elaborate on some of the things I said. Thank you very much.

Theo Ben Gurirab Die Haltung der SWAPO zur Resolution 435 und zu den derzeitigen internationalen Verhandlungen Vielen Dank! Sie sind aber ein anderer Diskussionsleiter als der, von dem ich begrüßt wurde. Nichtsdestotrotz bin ich sehr froh, hier in Bonn zu sein - und im besonderen hier in Eurem Parlament zu sein, dem Bundestag. Ich bin dankbar, daß Ihr uns eingeladen habt, an dem Hearing teilzunehmen. Ebenso bin ich dankbar, daß Ihr noch andere Namibier dazu eingeladen habt - Mitglieder der SWAPO sowie Nicht-Mitglieder der SWAPO. Dies gibt uns wieder einmal die Möglichkeit, unsere Ansichten über die Unabhängigkeit Namibias mit ihnen auszutauschen. Ein Austausch, der sich hier insbesondere an dem Thema des Hearings orientieren soll: Die Resolution 435 des UN-Sicherheitsrates. Es ist heute nicht das erste Mal, daß wir die Öffentlichkeit durch Euch, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Hearings, über dieses Thema informieren. Es ist gut, daß wir kontinuierliche Gespräche darüber führen, besonders im Hinblick darauf, daß die Bundesrepublik eine der Autorinnen der Resolution 435 war. Ebenso ist es gut, daß wir zu einem Zeitpunkt darüber reden, an dem die Bundesrepublik wieder Mitglied des UN-Sicherheitsrates ist. Heute sind also wieder vier der ehemaligen Gruppe, die wir liebevoll die "Fünfer- Gang" genannt haben, zurück im Sicherheitsrat. Interessanterweise versucht auch Kanada in das Gremium zurückzukommen. Kanada spielt heute eine andere Rolle, eine positive Rolle, und darüber sind wir froh. Obwohl ich gerade aus New York gekommen bin, bringe ich Euch Grüße aus Luanda. Wir sind froh darüber, daß Die Grünen Veranstalter dieser verschiedenen Hearings sind, denn bei keiner anderen Partei fanden wir solche Bereitschaft und solch ernstzunehmendes Engagement, in einen inhaltlich sinnvollen Dialog mit uns zu treten - einen Dialog, der darauf abzielt, eine friedliche Lösung für die Probleme unseres Landes zu finden. Bevor ich jetzt meinen Beitrag beginnen werde, möchte ich Euch noch eine Botschaft von Herrn Bernt Carlsson, UN-Kommissar für Namibia, überbringen. Bernt Carlsson bedauert es sehr, daß er Eurer Einladung zu diesem Hearing nicht folgen konnte, denn er ist zur Zeit .gerade irgendwo hier nebenan auf einer offiziellen Mission. Ich weiß jetzt nicht genau, in welcher Himmelsrichtung Wien liegt, aber von dort sendet er uns viele Grüße und wünscht uns viel Erfolg. Außerdem hofft er, daß Ihr ihn auch in Zukunft weiterhin einladen werdet. Einer solchen Einladung würde er sehr gerne folgen. Ich wurde gebeten, die Haltung der SWAPO hinsichtlich der Resolution 435 darzustellen sowie über die derzeit stattfindenden Gespräche hinsichtlich der Situation in der Süd-WestRegion Afrikas zu sprechen. In meinem Beitrag zur Resolution 435 werde ich nicht über die Geschichte der Resolution reden, denn Ursula hat eine hervorragende Zusammenfassung des historischen Hintergrundes dargeboten. Außerdem hat sie die wesentlichen Inhalte der UN-Resolution 435 zusammengefaßt. Ich möchte mich nur kurz auf einen besonderen Zeitraum des geschichtlichen Kontextes beziehen, der meines Erachtens bei der Betrachtung von 435 wichtig ist. Hierbei handelt es sich um die 70er Jahre - 1975, 1976, bis 1977 - eine Zeit, in der die UN ein gewisses Maß an Vorstellungsvermögen entwickelte, wie man den Unabhängigkeitsprozeß Namibias vorantreiben könne. Diese Zeit war die Kissinger-Periode. Die Kämpfe Im südlichen Afrika hatten eine große Schubkraft erhalten. Mozambique gewann den Kampf. 1975 erklärte Angola seine Unabhängigkeit. Der bewaffnete Kampf im Süden Rhodesiens wurde intensiviert. Der Kampf der Menschen in Südafrika wurde durch die Opfer ihrer eigenen kleinen Kinder intensiviert. Hier denke ich im besonderen an die Zeit der SOWETO-Massaker und die Antwort der ANC-Führung auf diese Massaker sowie die Wut der jungen Menschen, die forderten: "Befreiung Jetzt! Ausbildung Später!" Und sie überquerten die Grenzen, gingen in die ANC-Camps, um sich mit Waffen selbst zu befreien. Dies war die Situation in den 70er Jahren im südlichen Afrika, und Kissinger hielt es für notwendig, die Befreiungsbewegungen und ihre Führer von den Schlachtfeldern weg und an den Verhandlungstisch zu bringen. So kam es zu den internationalen Konferenzen in Gend über Südrhodesien. Ungefähr zu dieser Zeit lernte Kissinger dann auch das Wort Namibia kennen. Er fuhr ins südliche Afrika und hielt eine wichtige Rede in Lusaka. Dann fuhr er nach Südafrika. Bei seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten hielt sich mein Präsident auch zufällig in New York auf. Freundlicherweise lud uns Kissinger dann dazu ein, ihn in einem der Ausstellungsstücke des amerikanischen Kapitalismus - dem Waldorf Astoria - zu treffen. Dies nur am Rande für diejenigen, die New York kennen. Dies war am 29. 9. 1976. Kissinger dachte laut über Mittel und Wege nach, einen Verhandlungsprozeß in Gang zu setzen. Er hat da noch nicht unbedingt gesagt, daß diese Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen stattfinden müßten. Er war aber auf jeden

Fall davon überzeugt, daß es sinnvoller sei, zu verhandeln als zu kämpfen. Wie Ihr wißt, wurden im gleichen Jahr, das war 1976, in Amerika Wahlen abgehalten, die Präsident Carter gewann. Als dann diese wunderbaren Menschen auftauchten, diese Carters, Andrew Youngs, Cyrus Vances, die Don McHenries - da existierte also das Konzept schon, daß Verhandlungen besser als Kämpfe seien. Neue Schauspieler traten auf, doch die grundlegende Strategie Kissingers wurde lediglich aktualisiert und neu formuliert. Daraufhin begannen wir im Frühling 1977, den Prozeß der Gespräche über Gespräche einzuleiten. Wir schafften es sogar, über dieses Stadium hinauszukommen, und so begannen wir über "Sondierungsgespräche" ("exploratory talks") zu diskutieren. Das bedeutete nichts anderes, als daß sich Leute zufällig irgendwo auf den Korridoren der UN begegneten, Tee miteinanderer tranken, vielleicht auch etwas Bier, einige Snacks oder ein luxuriöses Mittagessen zu sich nehmen würden, ein Abendessen, usw. usw. Dieser Prozeß bezog auch die Frontstaaten mit ein. Zu dieser Zeit waren das fünf Staaten. Zimbabwe gehörte noch nicht dazu, da das Land noch nicht unabhängig war. Der fünfte Frontstaat war Nigeria. Außerdem waren die fünf westlichen Staaten beteiligt, die auch gleichzeitig die Initiatoren des Prozesses waren. Natürlich waren die SWAPO, Südafrika und die UN auch beteiligt. Also sprachen wir auf informeller Ebene, ohne offizielle Unterlagen, über "Sondierungsgespräche". Etwas später bewegten wir uns dann noch einen Schritt weiter vorwärts, hin zu einem Stadium, das ich jetzt "Gespräche der Nähe" ("proximity talks") nenne. Und hier erinnere ich mich daran, daß ich Professor Don McHenry - ich nannte ihn schon Professor, als er überhaupt noch keiner war - fragte, was denn "Gespräche der Nähe" seien? "Ich kenne das Wort Nähe und ich kenne auch das Wort Gespräche, aber was bedeuten sie denn zusammengesetzt?" McHenry gab mir eine "professorale" Antwort. Er sagte, "Gespräche der Nähe" bedeute, den Idealzustand zu erreichen, alle Parteien zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu versammeln - quasi als wären viele Menschen in einem Land versammelt. Natürlich wäre es überaus wünschenswert, wenn diese Menschen zudem auch noch in derselben Stadt im selben Land wären, und noch viel besser sei es, wenn sie im selben Gebäude, wenn auch auf verschiedenen Etagen wären. Doch das allerbeste wäre natürlich, wenn sie alle im selben Raum am selben Tisch sitzen würden. Dies wäre dann der Idealzustand. Doch er als Pragmatiker halte dies für unmöglich. Wir sollten also alle zur gleichen Zeit entweder in Genf oder in Lusaka oder in New York zusammenkommen. Also gingen wir diese Vorschläge durch und begannen dann irgendwann auch damit, Unterlagen auszutauschen. So begannen die Verhandlungen. Die Verhandlungen begannen - wir machten Fortschritte hier und da. Doch es gab nach wie vor große Hindernisse. Also haben sie ein neues Konzept entworfen, mit dem wir gemeinsam diese großen Hindernisse beseitigen sollten. Uns wurde mitgeteilt, daß wir uns auf höchster Ebene zu Konsultation treffen sollten. So fuhren wir im November 1979 dann nach Genf, wo wir über die Militärzone und viele andere Dinge sprachen. Jetzt werde ich ein Jahr überspringen. Welche Haltung nimmt die SWAPO gegenüber der Resolution 435 ein? Um die Resolution 435 zu verstehen, ist es notwendig, die Resolution 385 vom Januar 1976 zu kennen. Die Resolution 385 gehört zu den größten Errungenschaften der UN. Wir verdanken sie dem Genius und der Vorstellungskraft von Sean McBride. Diese Resolution stellt folgende Bedingungen fest: - Als oberste Voraussetzung muß sich Südafrika aus Namibia zurückziehen. Südafrika hält Namibia illegal besetzt und hat deshalb weder das Recht, den übergangsprozeß noch Namibias Unabhängigkeit zu überwachen. - Alle politischen Gefangenen müssen freigelassen werden. - Alle repressiven und diskriminierenden Gesetze müssen aufgehoben werden. - Im Exil lebende Namibier haben das Recht, zurückzukehren. - Die Vereinten Nationen übernehmen während der übergangsphase die Aufsicht über das gesamte Territorium - und es muß die UN sein, die die freien Wahlen organisiert und nicht Südafrika. Man versicherte uns, daß die fünf westlichen Länder die Resolution sinnvoll nutzen würden. Sie sagten uns, daß ihre Initiative darauf abziele, die Resolution 385 durchzusetzen, und daß es nicht in ihrem Interesse sei, sie durch eine andere Resolution zu ersetzen - nämlich die uns heute bekannte Resolution 435. Die SWAPO hatte eine direkte Rolle in der übergangsphase, so wie sie in Resolution 385 vorgesehen war. Aber eine noch größere Rolle im Übergangsprozeß spielte die UN. Langsam aber sicher begannen die Verhandlungspartner, die westlichen Fünf, Resolution 385 auseinanderzunehmen, wofür sie nie zur Rechenschaft gezogen wurden. Sowohl die SWAPO als auch die Frontstaaten und die UN waren in die Verhandlungsgespräche einbezogen. Damals waren wir noch nicht so klug wie wir es heute sind. Unsere Freunde vertrauten in die "westlichen Fünf", die sagten, daß sie ihre Rolle ernst nehmen würden und daß man ihnen Glauben schenken solle. Daß diese westlichen Fünf im südlichen Afrika auch ihre eigenen Interessen zu vertreten hätten und daß sie deshalb auch im Falle eines Falles das Zuckerbrot mit der Peitsche tauschen würden, wenn sich Südafrika nicht anders zur Zusammenarbeit bewegen ließe. Wir und unsere Freunde glaubten ihnen. Wir ein bißchen weniger als die anderen, doch man ermutigte uns, ihnen Glauben zu schenken. Wie Ihr Euch erinnern werdet, protestierten wir, doch wir machten mit. Wie also ist unsere Haltung zu der Resolution 435? Wir akzeptierten die politische Realität, der wir gegenüberstanden, und entschlossen uns dazu, ein kalkuliertes Risiko einzugehen. Wir entschlossen uns auch dazu, an dem ganzen Prozeß teilzunehmen, wobei wir unseren eigenen Spielplan sowie unsere eigene Tagesordnung beibehalten würden. Als wir dann endlich die endgültige Fassung dessen sahen, was davor "westliche Lösungsvorschläge für die Situation in Namibia" genannt wurde, mußten wir feststellen, daß einige der wesentlichsten Elemente der Resolution 385 fehlten. Wir mußten feststellen, daß die vorgelegte Fassung tatsächlich der Versuch war, Resolution 385 durch eine brandneue Resolution zu ersetzen. Trotzdem enthielt sie einige Dinge neu, die Südafrika bis dato Immer aufrechterhalten hatte: Jetzt war von der Unabhängigkeit für Namibia die Rede. Davor hatten sie Namibia immer als integralen Bestandteil Südafrikas betrachtet, als fünfte Provinz. Südafrika hatte immer eine Rolle der Vereinten Nationen - in welcher Form auch immer - beim Dekolonisierungsprozeß Namibias abgelehnt, und Südafrika wollte nichts von einer Beteiligung der SWAPO am politischen Prozeß wissen. Es gab jetzt eine neue Situation, die den Forderungen der internationalen Gemeinschaft, wie sie sich in den Resolutionen der Vereinten Nationen artikulieren, zur Anerkennung verhalf. In der neuen Resolution gab es einen Platz für die SWAPO nicht unbedingt den Platz, den die SWAPO nach Resolution 385 hätte einnehmen sollen, aber immerhin wurde anerkannt, daß die SWAPO eine bedeutende Kraft ist. So sollten zum Beispiel Südafrika und die SWAPO als einen ersten Schritt hin zur Realisierung der Resolution 435 einen Waffenstillstand vereinbaren - und es gibt noch einige andere positive Elemente in dieser Resolution. Wir erklärten uns damit einverstanden, doch bevor wir Resolution 435 anerkannten, schrieb unser Präsident einen sehr wichtigen Brief an den damaligen Generalsekretär der UN, Herrn Waldheim. In diesem Brief, datiert vom 8. September 1978, verdeutlichte er die Ansichten der SWAPO und analysierte auf sehr nüchterne Art und Weise die Folgen von 435. Doch zum Ende des Briefes akzeptierte er die Resolution als eine Kompromißformel, als die wahrscheinlich bestmögliche Basis für eine friedliche Lösung der Namibia-Frage. Deshalb hat die SWAPO 435 akzeptiert.

Nachdem wir die Resolution 435 angenommen hatten, verstärkten wir alle unsere Ressourcen - alle die uns zur Verfügung stehenden materiellen Ressourcen, finanziellen Ressourcen und Arbeitskräfte, um bereit zu sein, an freien und fairen Wahlen teilzunehmen. Das war 1978. Jetzt ist September 1988, und wir reden immer noch über die Nichterfüllung der Resolution 435. Ich bin ein geborener Optimist, aber ich neige augenblicklich dazu, zu glauben, daß wir auch noch über die Nichterfüllung reden werden, wenn der 29. September 1988 gekommen ist. Vielleicht können wir schon am Tag danach von der Erfüllung der Resolution reden - ich hoffe das -, aber ich glaube, daß wir an diesem Tag und davor weiter über die Nichterfüllung sprechen werden. Ich hoffe, daß ein Prozeß in Gang gesetzt wurde, der zumindest Im Sinn dessen ist, wozu sich die zwei Supermächte verpflichtet haben, nämlich zumindest an diesem Tag eine feste übereinkunft zu den noch strittigen Fragen erreicht zu haben, so daß ein ernsthafter Verhandlungsprozeß beginnen kann. Was heißt das für uns? Es sind jetzt zehn Jahre, in denen die Forderungen der Resolution immer noch nicht erfüllt worden sind. Eine ganze Dekade, in der die Westmächte sowie ihre transnationalen Unternehmen faulen Zauber mit dem Leben unserer Menschen getrieben haben; eine Dekade, die sich als Teufelskreis präsentierte, charakterisiert durch eine hartnäckige Politik des Aufschiebens unserer Unabhängigkeit. Für uns repräsentiert dieser Prozeß eine Zeit, in der unser Volk noch größerem Leiden ausgesetzt war, und in der uns lediglich Versprechungen gemacht wurden, eine Lösung zu finden. Es ist eine Dekade, in der unsere gesamte Gesellschaft militarisiert worden ist, eine Dekade, in der sich ausgerechnet die Autoren der Resolution 435 abseits gehalten haben, und in der sie täglich ihren Verpflichtungen aus der Resolution abtrünnig geworden sind. Ein Kind, das am 29. September 1978 geboren wurde, ist heute zehn Jahre alt. Einer meiner Söhne, ein junger, starker Mann, wurde im Jahre 1978 geboren. Das sind die Realitäten der Resol ution 435. Aber wir haben zu keinem Zeitpunkt diese Resolution verleugnet. Wir haben immer an den Gehalt, an Wort und Sinn der Resolution geglaubt. überdies haben wir immer wieder betont, daß wir dazu bereit sind, einen Waffenstillstand zu unterzeichnen, und daß wir dazu bereit sind, an freien Wahlen teilzunehmen. Ich möchte jetzt an dieser Stelle einen kleinen Sprung machen und kurz etwas zu den momentanen Gesprächen sagen.

Wir beklagen uns nicht darüber, daß wir an diesen Gesprächen nicht teilnehmen. Sie sind nicht unser Geschäft. Wir haben nicht das Gefühl, daß man uns zu diesen Gesprächen hätte hinzuziehen sollen. Alles was die Resolution 435 betrifft, wurde schon vor 10 Jahren ausgearbeitet und beschlossen. Nach der Verabschiedung der Resolution gab es noch ein paar Treffen und Diskussionen und den Austausch von Noten zu offenen Punkten. Aber auch das wurde schon vor langer Zeit gelöst. Es gibt also heute bezüglich der Resolution 435 nichts mehr zu verhandeln, und das solltet Ihr sowie unsere anderen Freunde immer im Auge behalten, das ist ein ganz zentraler Punkt. Viele unserer Freunde, die sich unseres Anliegens annehmen, denken, daß es ungerecht sei, über Namibia unter Ausschluß der Vertreter des namibischen Volkes zu sprechen. Aber es gibt zu 435 nichts mehr zu besprechen. Die Resolution muß lediglich erfüllt werden. Sobald die SWAPO und Südafrika dem Generalsekretär der Vereinten Nationen ihre gemeinsame Bereitschaft bezeugen, mit dem Prozeß zu beginnen, liegt bereits alles fest, sauber ausgearbeitet in der Resolution 435: - die Durchführung des Waffenstillstands, - die Installation von UNTAG sowie - der Beginn der übergangsphase. Alle diese Aspekte sind schon festgelegt. Was aber seit 1978 fehlt, ist Südafrikas politischer Wille, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Es soll alles in eine andere Richtung laufen. Das geht so weit, daß es jetzt Gespräche gab über eine sogenannte "Region des Süd-Westlichen Afrika". Wir sind zu allen Zeiten von den Kubanern über die verschiedenen Phasen der Verhandlungen informiert worden - aber eigentlich sollte ich an dieser Stelle zuerst unsere Nachbarn, die Angolaner, nennen. Wir sind also durch die Angolaner, die Kubaner, die Sowjets unterrichtet worden, und wir haben uns bemüht, auch mit den Amerikanern zu sprechen. Wir sind besonders ermutigt worden durch die Position, die die Angolaner und Kubaner bei diesen Verhandlungen vertreten haben, nämlich daß das Herzstück der derzeitigen Gespräche die Frage der Unabhängigkeit Namibias ist. Angola hat sich sehr dazu verpflichtet, einen Beitrag zu leisten, um dieses Ziel zu erreichen. In Genf wurden im August Übereinkünfte erreicht und öffentlich verkündet - Ihr kennt sie. Für die Duchführung der Resolution 435 wurden Termine vereinbart. Die vollständige Durchführung von 435 sollte am 1. November 1988 beginnen, sieben Monate später, am 1. Juni 1989, sollten Wahlen stattfinden, ein paar Wochen darauf würde dann die Unabhängigkeit Namibias erklärt werden.

Glaube ich an all das? Glaube ich, daß das alles so passieren wird? Nun, ich glaube an das Leben, an den Kampf, und ich glaube an den letztlichen Sieg - wenn nicht 1989, dann, so bin ich sicher, wird Namibia zu einem späteren Zeitpunkt frei sein. Alles, was dabei zählt, sind die Freiheitskämpfer und nicht die Termine! Es gab schon viele Termine für die Unabhängigkeit Namibias, das wißt Ihr. Diese Termine wurden festgesetzt, und die gesetzten Zeitpunkte verstrichen, ohne daß etwas passierte. Der Kampf wurde fortgesetzt. Ursula hat Gründe genannt, warum wir Anlaß haben könnten zu glauben, daß sich Südafrika vielleicht dieses Mal tatsächlich bewegt und ernsthafte Anstrengungen macht, Anstrengungen, die die gesamten Jahre über nie wirklich stattfanden. Mein Präsident sagte einmal, und dies wurde zitiert, daß Südafrika die Gelegenheit erhalten soll, zu beweisen, daß es tatsächliche Anstrengungen unternimmt. Südafrika soll den Namibiern, den Afrikanern, ja der ganzen Welt und besonders den Vereinten Nationen zeigen, daß es vertrauenswürdig ist. Für uns, die wir gegen Südafrika kämpfen, ist die Frage, ob wir Südafrika vertrauen, ob wir an die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen dieses Mal glauben, wirklich irrelevant. Dies sind interessante Fragen für Akademiker und Journalisten. Momentan gibt es keinen offiziellen Waffenstillstand. In einigen Regionen gibt es lediglich einen "de facto"-Waffenstillstand, sozusaggen ein locker vereinbartes "Gentlemen's Agreement", nicht zu kämpfen. Mehr gibt es nicht im Moment, es sei denn, wir könnten einen formellen Waffenstillstand erreichen. Was zur Zeit existiert, ist lediglich eine Unterbrechung des Kampfes. Am 11. August, kurz nach dem Zustandekommen dieses "de facto"-Waffenstillstandes, richtete unser Präsident einen Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen. Denn wir hatten das Gefühl, daß während wir uns nun schon als einseitige Vorleistung an diesen Waffenstillstand hielten, nun auch der Generalsekretär das für ihn Mögliche tun sollte, um jetzt auch einen formellen Waffenstillstand zwischen der SWAPO und Südafrika herbeizuführen. Was uns angeht, sind wir bereit, diesen Waffenstillstand zu unterzeichnen. Wir sind bereit, an freien und fairen Wahlen in Namibia teilzunehmen. Zusammengefaßt: Die Resolution 435 ist das Produkt von Verhandlungen, die viele Parteien mit unterschiedlichen und oftmals entgegengesetzten Interessen einschlossen. Sie ist mit Sicherheit nicht perfekt, aber vielleicht war das die einzig mögliche Übereinstimmung, die wir 1978 erzielen konnten. Vielleicht habe ich ja später noch die Möglichkeit, einiges von dem, was ich gesagt habe, genauer auszuführen. Vielen Dank.

Ulrich Eins Südafrikas Einflußnahme auf die Haltung der weißen Bevölkerung zur künftigen Unabhängigkeit Namibias Wir sind bei uns gewohnt, nicht zehn Minuten, sondern nächtelang über diese Frage zu diskutieren, aber ich habe die Botschaft bekommen. (Dies als Entgegnung auf die Ermahnung des Moderators, sich in der Rede doch bitte auf 10 Minuten zu beschränken.) Sehr verehrte Damen und Herren, comrades and compatriots, ich darf mich für die Gelegenheit bedanken, die Sie mir geboten haben, als Hauptvorstandsmitglied der NPP 435, Kontaktund Studiengruppe, sowie als Mitglied der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Südwester mir mit Ihnen sowie mit meinen Brüdern und Schwestern und Gesinnungsgenossen im Exil einige Gedanken über die Zukunft Namibias und auch des südlichen Afrikas zu machen. Mein Thema ist die Haltung der namibischen Bevölkerung zur Resolution 435, hauptsächlich aus der Perspektive der weißen Bevölkerung, also aus meiner Perzeption und aus der meines Kontaktkreises. Ich möchte vorausschicken, daß die Haltung der übergroßen Mehrheit der Weißen in Namibia sehr stark und in direkter Weise durch die konsequente Propaganda und Desinformation Südafrikas beeinflußt wird, durch die direkte Kontrolle des Radio und Fernsehens sowie durch die verschiedenen systemtreuen Zeitungen und Propagandabroschüren, die von _ verschiedenen Instanzen veröffentlicht- werden. Das Gros der weißen Gemeinschaft hat keine eigene Meinung. Kritische und differenzierte Diskussionen finden selten statt, dann aber lange, wie ich schon erwähnt hatte. Beziehungsweise sie werden eigentlich ungern geduldet und mit Vorsicht geführt, da man dadurch als Befürworter des totalen Anschlags auf das südliche Afrika und als naiver Pilger beziehungsweise als nützlicher Idiot im Auftrag der marxistischen Freiheitsbewegung ausgemacht werden könnte. Man kann grundsätzlich drei relevante Gruppen unter der weißen Bevölkerung unterscheiden. Die erste Gruppe ist eine extrem konservative Minderheit, die sich mit dem Unabhängigkeitsgedanken überhaupt nicht abfinden kann. Ihre Haltung bleibt die konsequente Durchführung der Apartheidspolitik und die Bindung an Südafrika. Sie ist ein unrealistischer Fremdkörper in unserer politischen Entwicklung, aber keine irrelevante Gruppe und obendrein, nach meiner Ansicht, ein zukünftiges Sicherheitsrisiko. Die zweite Gruppe ist die große Mehrheit der weißen Bevölkerung. Innerhalb dieser Mehrheit gibt es ein breiteres Band von Konservativen, das heißt südafrikanische Regierungsnahe und die Gemäßigten in unserem Sinne, das heißt also demokratische Turnhallenallianz- und Interimsregierungsunterstützer. In dieser Gruppe machen die Gemäßigten wiederum die Minderheit aus. Die dritte Gruppe könnte man als Liberale und Progressive beschreiben. Sie machen einen bis jetzt noch kleinen Prozentsatz von schätzungsweise 5 - 8 Prozent aus, aber mit wachsender Tendenz, und das ist erfreulich. Diese Gruppe setzt sich bewußt und konsequent, aber auch teils mit Vorsicht, für den international anerkannten Unabhängigkeitsprozeß ein oder bietet zumindest moralische Unterstützung und Schutz an. Damit ist eigentlich die Haltung unter den weißen Namibiern im breiten beschrieben. Aber es fehlen vielleicht gerade hier noch einige detaillierte Beobachtungen. Ich möchte die erste Gruppe, die extrem Konservativen, jetzt auslassen. In der zweiten Gruppe der Konservativen und Gemäßigten wird die UNO-Resolution 435 als Friedensplan mit erheblicher Skepsis betrachtet. Ich glaube, daß sich diese Gruppe mit der Unvermeidlichkeit einer Unabhängigkeit von Südafrika abgefunden hat. Jedoch hoffen die meisten auf eine lange Verzögerung der Durchführung oder auf einen graduellen Übergangsprozeß. Südafrika hat ja die Resolution 435 wieder salonfähig gemacht, nachdem man jahrelang versucht hat, das Konzept als undurchführbar und später als tot zu erklären, obwohl die Gründe für einen Rückzug aus Namibia noch nicht klar sind und man deshalb noch auf die alternative Lösung mit entsprechenden Garantien hofft. Viele, wenn nicht die meisten, sehen 435 in ihrer heutigen Form leider noch als das böse Werkzeug, mit dessen Hilfe der SWAPO - das ist der klar identifizierte Feind - der Weg zur Macht gebahnt wird, das heißt, das wäre aus dieser Sicht das Ende des demokratischen Prozesses. Die Tatsache, daß wir noch nie in der bekannten Geschichte Namibias und Südafrikas eine Demokratie erlebt haben, spielt hierbei keine Rolle. Allerdings geht man davon aus, daß die SWAPO eine Wahl unter internationaler Aufsicht gewinnen wird. Inzwischen verläßt man sich auf die Südafrikaner in der Hoffnung, daß sie in unserem Interesse handeln und verhandeln werden und macht sich eher - auf dem Lande vor allem - über Rinder- und Schafpreise Sorgen, und über die Aussichten einer guten Regensaison im Sommer. Die optimale Landverteilung und -nutzung ist ein heikles Thema, welches nach ihren Wünschen mit Garantien und Minderheitsrechten vor der Unabhängigkeit klargestellt werden sollte. Man muß dazu sagen, daß Namibia sehr stark von der Landwirtschaft abhängig ist und daß die Farmer, wie wir sie nennen, deshalb auch einen sehr starken Einfluß auf die politische Gesinnung des Landes haben.

Die Beamten, und davon haben wir in Relation sehr viele, scheinen sich ernsthafte Gedanken über die Durchführung der Resolution zu machen, weil sie generell sehr kritisch eingestellt sind und weil ihnen das jetzige System Privilegien und Machtpositionen bietet, wie sie sie nie wieder haben werden. Man hört, daß sich viele von ihnen vor allem in letzter Zeit im südafrikanischen Beamtendienst rückversichert haben - die meisten stammen ursprünglich aus dem südafrikanischen öffentlichen Dienst -, obwohl sich das Image Südafrikas in aller Augen drastisch geändert hat und die überlegene Haltung einen kräftigen Knacks bekommen hat. Die Geschäftsleute beschäftigen sich neuerdings wieder bewußter mit dem Thema der Unabhängigkeit, da sie immer stärker von Sanktionen, Währungszerfall, Arbeitsunruhen und der generell prekären Wirtschaftslage in Südafrika betroffen sind. Obwohl ihnen klar ist, daß ein kapitalistisches System von einer zukünftigen Regierung, so wie sie sie sich auch vorstellen, nicht akzeptiert werden kann, sind ihnen die angebotenen Alternativen zu unklar und verursachen eher Unsicherheit. Ich glaube, das ist international so in der Geschäftswelt. Im Gegensatz zu 1978 ist jedoch keine Panik entstanden. Damals haben viele Leute möglichst schnell gesehen, was sie noch alles zusammenpacken könnten oder in irgendeine bewegliche Form ummünzen könnten. Das läßt sich vielleicht dadurch erklären, daß ein gewisses Bewußtsein entstanden ist, beziehungsweise daß man noch hoffnungsvolle Zweifel hinsichtlich der Durchführung haben kann, oder daß viele sich inzwischen anderweitig absichern konnten. Das--ist auch ganz klar in- Südafrika geschehen.Für diesen großen Prozentsatz der konservativen und gemäßigten Gruppe stehen viele Fragen offen in Hinsicht auf die Unabhängigkeit. Zum Beispiel, wie werden das Erziehungswesen, die Gesundheitsdienste, das Wirtschaftssystem, der EinParteien-Staat, die Minderheiten-Garantien, die Glaubwürdigkeit der SWAPO und die Überlebenschancen mit oder ohne Südafrikas Koppelung und viele andere Aspekte aussehen, die durch die Beängstigungskampagne der Südafrikaner gefördert wurden. In diesen Dingen mischen allerdings die Deutschen, also die deutschsprachigen Namibier, auch kräftig mit. Sie haben sehr viele Bedenken zu äußern. Man fragt sich auch, was der enorme militärische Aufbau der Südafrikaner an der namibischen Grenze für unsere Zukunft zu bedeuten hat. Ich glaube aber, daß wir dafür andere Experten haben, die dazu heute noch Stellung nehmen werden. Außerdem wird In diesen Fragen die sogenannte Unfähigkeit der schwarzen Bevölkerung betont, ohrie in irgendeiner Weise die Hintergründe, nämlich die Auswirkungen der jahrelangen Unterdrückungspolitik und die Mißachtung der Entwicklungsaufgabe Südafrikas, zu beachten. Die allgemeine Haltung bleibt, auf politischem, sozialem und wirtschaftlichem Gebiet Entschuldigungen zu suchen, um den Prozeß zur Unabhängigkeit zu verhindern. Leider muß man feststellen, daß in vielerlei Hinsicht die Schwierigkeiten und Schmerzen Zimbabwes wiederholt werden. Man holt gerne bei Stammtischdiskussionen die schlechten Beispiele aus Afrika und sonst woher herbei, um die negativen Erwartungen zu unterstreichen. Die Fronten werden dadurch nicht aufgeweicht. Die dritte genannte Gruppe, nämlich die fortschrittlichen und zuversichtlichen Namibier, hat allein wenig Einfluß in dem Reifungsprozeß, da öfter die Mittel, die Erfahrung und das Wissen sowie manchmal auch die Motivation fehlen, um gegen die breite Masse der Weißen anzukommen, beziehungsweise ihr aus der Verwirrung und Beängstigung herauszuhelfen. Um den Mitbürgern aus der Ignoranz und Apathie und dem unrealistischen Wunschdenken herauszuhelfen, muß formell und informell noch sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. Das ist kein positives Bild, aber da liegt auch die Herausforderung. Die härteste Nuß bleibt jedoch nach meiner bescheidenen Meinung das südafrikanische, das gesamtsüdafrikanische Dilemma. Solange wir keine Lösung für den südafrikanischen internen und externen Konflikt finden, werden wir keine wirkliche Befreiung und Versöhnung bei uns haben; es wird schwierig, vielleicht auch unmöglich sein, diese zu erreichen. Die Verhältnisse und Aussichten in Südafrika verschlechtern sich ständig, die Lage steuert auf eine Katastrophe zu, die für alle Beteiligten im südlichen Afrika noch sehr schmerzhaft sein wird. Trotz schärfster diktatorischer Maßnahmen wird man den Drang nach Freiiheit und Gerechtigkeit jedoch nicht verdrängen oder eliminieren können. Und deshalb ist die Solidarität und die Aufklärungsarbeit unter den kleinen aktiven Gruppen von Weißen in Namibia und Südafrika äußerst wichtig, um die Machthaber zu effektiver Handlung und zur Beschleunigung des Freiheitsprozesses zu bringen. Und deshalb müssen wir alle helfen, um das gemeinsame Ziel "One Namibia - One Nation" zu erreichen. The struggle must continue but on a wider scale because victory will then be inevitable.

Niko Bessinger The evil heritage of Apartheid for Namibia I think I have a very difficult task. We have had a speech in English and we have had a speech in German, now I have to decide which language to use. But in the spirit of compromise, if I speak German you will be having difficulties understanding me. ... if I speak my own language you will not understand me. So, in the spirit of compromise we will have to use the language of her Majesty the Queen. So much has been said by my comrade and Ulli Eins. I want to address myself to what the nation is at the moment. Firstly, we must realize that Namibia is not only a colony of South Africa. It is not just a normal colonial history that is being rewritten. We are dealing here with colonialism that has been linked to Apartheid. And Apartheid is not a dead horse, but a living phenomenon which Is going to leave its scars in a deranged society. We are unfortunate in the sense that we will have to inherit where Apartheid has come to conclusion. We will inherit a people that have been divided on ethnic terms. We will inherit a people that has been educated through the process of Apartheid. Many of you, I am sure, have heard about Bantu-ed ucation, White-education, Coloured-education, Ovambo- education. These are the different education processes that were being used to divide people of Namibia. Now, we all know that the pheonomenon of-Apartheid has been one that has been conceived when the Nationalist Party took over in South Afri-ca. -And central to the idea of Apartheid was the idea of divide and rule as a principle. And in many quarters in the world it is seen just as that, i.e. a division of people on ethnic lines or on skin colour and to rule. But Apartheid goes a little bit further, and I said we will be inheriting a situation that has come to its conclusion in Namibia. Not only are people now divided along ethnic lines, but we find that the country has been fragmented just like the European colonial powers, in 1884 1 think it was, sat in Berlin to draw pencil lines across the map of Africa. So, the South Africans have taken a pencil and have drawn lines on the map of Namibia. So, what has been regarded purely as ethnic division has now taken a geographic shape. People have then been forcefully moved to these areas where they are located and we today talk about Ovambo-Land and Okavango-Land and Damara-Land and Nama-Land. This, of course, has had further consequences. I said Apartheid was divide and rule, but there is another phenomenon that is also central to the notion of Apartheid, of the practice of Apartheid. It creates dependency. Not only do you divide and rule, but divide in such a way that your creation, the people, these ethnic units that you have created are dependent on the colonial master. A situation has been created whereby we have a figure of 1.5

Mio. people and (I will not state that as scientific fact, because that is not the issue I am addressing) that these 1.5 Mio. people are being governed by 11 governments. Now, you know that if you create governments you create some form of dependency. Although you preach that "I am granting you autonomy", "I am granting you a sort of independence so that you can decide on your own matters", I am still - as colonial power - in charge. So, whereas one can argue that the people are being given autonomy I argue the other way around and I say people are being made dependent. The formation of these eleven ethnic governments of course makes you have to have eleven Health Departments, you have eleven Education Departments, you have eleven whatever times eleven. Every Department you find in your normal government you have to multiply by eleven when you come to Namibia. Now, that, in itself, creates the situation where a large number of the Namibian population are in one way or another dependent for their income through the state. Now, the tactic is not a new one. When the Nationalist Party took over in South Africa it is exactly the same strategy, it was exactly the same strategy that was imployed; it is to make as many people as possible dependent to work for the state. And we have a hierarchy where 40 % of the population work for the state. It means you can manipulate 40 % of the population when it comes to elections. Now, that situation has been created in Namibia. As I said, Apartheid is a living phenomenon, it is not something that has come to an end. Now, this is the situation we are going to inherit. Come elections the chances are, I think, favourable for SWAPO to win. You will then have people that have been actually dependent on the state. They cannot, because they have not been programmed accordingly, go into business. They have had privileges like 100 % loans, or housing. They have been provided with motor-cars, they have had all privileges that one associates with people that work for the state. And, of course, if you inherit that you are inheriting a problem. And I think our friends all over the world, here in Bonn, the Federal Republic of Germany, we shall together begin to address those problems. I think I have already spent more time than I was supposed to take. If there is time for questions, we will go further. Thank you.

Niko Bessinger Das schwierige Erbe der Apartheid für Namibia Ich glaube, ich habe jetzt eine schwierige Aufgabe. Vor mir wurde ein Vortrag in Englisch gehalten und danach ein Vortrag auf Deutsch. Jetzt muß ich mich entscheiden, welche Sprache ich benutzen soll. Aber im Geist des Kompromisses werde ich die Sprache Ihrer Majestät der Königin sprechen, denn wenn ich Deutsch spreche, werdet Ihr mich nur unter Schwierigkeiten verstehen, und wenn ich meine Muttersprache spreche, werdet Ihr mich überhaupt nicht verstehen. Mein Genosse und Ulli Eins haben schon so viel gesagt. Ich möchte mich also jetzt auf die Frage nach der Lage unserer Nation beziehen. Zu allererst müssen wir verstehen, daß Namibia nicht nur eine Kolonie Südafrikas ist. Das ist nicht die normale Kolonialgeschichte, wie wir sie in anderen Fällen kennen. Wir haben es in Namibia mit einer Form des Kolonialismus zu tun, der mit Apartheid verbunden ist. Und die Apartheid ist kein toter Gaul! Sie ist ein lebendes Phänomen, das seine Narben auf einer zerrütteten Gesellschaft zurücklassen wird. Wir befinden uns in der unglücklichen Situation, daß wir heute erben werden, was Apartheid schon vollendet hat: Wir werden ein oik-erben, das durch ethnische Aufteilung gespalten Worden ist. Wir werden ein Volk erben, das von der Apartheid erzogen worden ist. Ich bin sicher, viele von Euch haben schon einmal etwas von der Bantu- Erziehung, der Erziehung für Weiße, für Mischlinge und von der Ovambo- Erziehung gehört. Dies sind verschiedene Formen des Bildungssystems, die benutzt wurden, um die Namibier zu spalten. Nun, wir alle wissen, daß das Phänomen der Apartheid ausgeklügelt wurde, als die Nationale Partei in Südafrika an die Macht kam. Ein zentraler Aspekt bei der Apartheid-Idee war das Prinzip des "Spaltens und Herrschens". In vielen Ländern der Welt wird Apartheid auch lediglich als solches verstanden, das heißt zu herrschen und die Menschen aufgrund ethnischer Unterschiede oder aufgrund der Hautfarbe zu trennen. Aber - Apartheid geht etwas weiter als das. Ich sagte, daß wir einen Zustand erben werden, der in Namibia abgeschlossen ist. In Namibia sind die Menschen jetzt nicht nur nach ethnischen Gruppen getrennt. Wir haben dort eine Situation, in der das ganze Land in kleine Einzelteile zerstückelt worden ist, und dies nach dem gleichen Prinzip, wie es 1884 geschah, wenn ich mich recht erinnere. Damals saßen die euro- päischen Kolonialmächte in Berlin und teilten Afrika mit Lineal und Bleistift in kleine Einzelteile auf. Genauso haben die Südafrikaner mit Bleistift und Lineal Grenzen in die Karte Namibias gemalt. Das, was irgendwann einmal als reine ethnische Aufteilung betrachtet wurde, hat heute eine geographische Forrarig-e nommen. Menschen wurden daraufhin in die Gebiete, in denen sie heute leben müssen, zwangsumgesiedelt, und so kommt es, daß wir heute von Ovambo-Land, Okavango-Land; DamaraLand und Nama-Land sprechen. Das hatte natürlich noch weiterreichende Konsequenzen. Ich sagte schon, daß Apartheid nach dem Prinzip "Spalte und Herrsche" konzipiert wurde, doch es gibt noch ein anderes wichtiges Phänomen, das bei der praktischen Durchsetzung der Apartheid auftritt: Apartheid schafft Abhängigkeit. Es ist nicht nur so, daß man spaltet und herrscht, sondern daß die Spaltung der Gesellschaft auf eine solche Art und Weise vorgenommen wird, daß die entstehende Kreation - das heißt die Menschen, diese sogenannten ethnischen Einheiten, die geschaffen wurden - in einer Abhängigkeit vom Kolonialherren gehalten wird. Es wurde eine Situation geschaffen, wo wir jetzt 1,5 Millionen Einwohner haben (die Zahl steht wissenschaftlich nicht genau fest, aber das ist hier nicht der Punkt), die von elf Regierungen regiert werden. Ihr wißt, daß man durch die Entstehung von Regierungen immer auch eine gewisse Form der Abhängigkeit schafft. Obwohl gepredigt wird, daß durch die Schaffung von Regierungen Autonomie gewährleistet werde, daß eine gewisse Form von UnabhängFgkeit gewährleistet werde, so bleibt es doch eine Tatsache, daß die Kolonialmacht die verantwortliche Macht im Staat bleibt. So, wie man argumentieren kann, daß das Volk Autonomie erhält, so argumentiere ich genau andersherum und sage, daß die Menschen abhängig gemacht werden. Wenn man elf ethnische Verwaltungen einrichtet, so heißt das nichts anderes, als daß man auch elf Gesundheitsministerien, elf Bildungsministerien und alles andere auch elfmal hat. Jedes Ministerium, das unter jeder normalen Regierung existiert, muß in Namibia mit elf malgenommen werden. Das schafft dann die Situation, daß ein großer Teil der namibischen Bevölkerung in der einen oder anderen Weise einkommensmäßig vom Staat abhängig geworden ist. Diese Taktik ist natürlich nicht neu! Als die Nationale Partei in Südafrika an die Macht kam, wandten sie genau dieselbe Strategie an: So viele Menschen wie nur irgendwie möglich werden vom Staat abhängig gemacht, indem er ihnen Arbeitsplätze bietet. Wir haben so eine Hierarchie, bei der 40 Prozent der Bevölkerung für den Staat arbeiten. Das heißt, daß 40

Prozent der Bevölkerung manipuliert werden können, wenn es Wahlen gibt. Genau diese Situation wurde in Namibia geschaffen. Wie ich schon sagte, Apartheid ist ein lebendes Phänomen. Apartheid ist noch nicht tot. Dies ist also die Situation, die wir erben werden. Ich glaube, die Chancen, daß die SWAPO die Wahlen gewinnen wird, wenn sie erst einmal abgehalten werden, sind sehr groß. Aber natürlich werden wir es dann auch mit diesen Menschen zu tun haben, die vom Staat abhängig gemacht wurden. Diese Menschen können jetzt nicht einfach ein Geschäft aufmachen, weil sie so nicht "programmiert" worden sind. Denn im alten Staat hatten sie ja alle erdenklichen Privilegien, zum Beispiel 100-prozentige Kredite, die ihnen der Staat verschaffte, Wohnungen; sie hatten Autos - also alle Privilegien, die man mit Menschen assoziiert, die für die Regierung arbeiten. Da haben wir natürlich ein ganz schönes Problem geerbt. Ich glaube, daß wir zusammen mit unseren Freunden in der ganzen Welt, hier in Bonn, der BRD, diese Probleme thematisieren sollten. Ich habe schon mehr gesagt, als mir zeitlich zugestanden hat. Wenn nachher noch Zeit für Fragen da sein sollte, so können wir ja weiter darüber reden. Vielen Dank!

Bob Kandetu The role of the churches in Namibia My task is to speak a little on the churches and the United Nations Security Council Resolution 435, specifically on the attitude of the churches or the NamilTian pe6ple, vis-a-vis the current peace talks. Now, while the church movement in Namibia had welcomed Resolution 435 for as long as it has existed, we have received the current peace talks or peace negotiations in Southern Africa with mixed feelings. We have been encouraged by reported progress made, but at the same time we have been puzzled by South Africa's approach towards the said negotiations in which South Africa is involved. For instance, the very day the South African Foreign Minister was announcing their peace proposals, the South African Administrator General inside Namibia who is running Namibia for South Africa was announcing the holding of ethnic and local elections inside Namibia. While the South African government tells the world of their withdrawal out of Southern Angola as a gesture of good will, as they are saying, more South African troops and military equipment have been shipped into Namibia, and specifically in Northern Namibia, the area that has been caught in war for so many years. And to us, to the ordinary Namibians it seems like the fate of the Namibian people is bound to continue being sealed in blood. These realities which are coupled with experience of the past make it hard to believe South Africa's sincerity visa-vis these negotiations and it seems to us that the government in Pretoria will or is likely to negotiate as long as their desired interests are not met. The Namibian churches have supported the peace negotiations, as I said, and we have urged the Namibian people to pray for the talk to succeed. At the same time we have warned for premature optimism, especially as I said in view of South Africa's dual approach towards these negotiations. Namibians have waited for the implementation of the United Nations Resolution 435 for more than a decade now and they continue to do so. The latest talks have rekindled new hopes and a lot of discussions are going on in Namibia. Some of the questions that Namibians are grappling with, are trying to address are among others: Can South Africa be trusted? How far can South Africa walk along in this latest search for peace? Should internationally supervised elections come about? What could be South Africa's role? What will happen if these talks do not succeed? What will happen if the elected Namibian government, i.e. if they succeed, is not sympathetic to South Africa's interest? And if the elected Namiblan government supports the struggle for justice in South Africa? In other words, what will be South Africa's attitude towards that kind of approach? Most importantly, Namibians have started to seriously discuss issues such as national reconciliation after or at independence; strategies for national reconstruction and potential nation-building problems, i.e. if Namibia becomes independent on the basis of or by virtue of or as a result of or a subsequence of the talks as they are going on now. Also some of the pertinent issues we are dealing with among the churches are how do we prepare to receive, resettle and rehabilitate our exiles at independence if the current talks are something to go by. A lot of facilities will be needed and we have started to draw strategies of sensitizing our local congregations throughout the country to the possibility, towards the possible reality of freedom and the role that the church will necessariliy have to play in the transitional period. The church as an institution will not participate in the elections and she therefore will need to help as far as possible, so that elections are really fair and free. We therefore feel that in the event of elections being held in Namibia the church may have to establish human rights-substructures that would serve as watch-dogs against intimidation of the civilian population. And more so, since by virtue of the provisions of Resolution 435 the South African police will still have a role to play in the process of or in the election period. Now I am saying this because those of us who come from Namibia - and I know it is sometimes puzzling to friends around the world when you talk about not trusting the police - I remember once being in England and my host's child was crying and the mother was so angry and she said: "Man, go to the police!", and I was so puzzled to see a parent saying or sending a child to the police. The same example I can give once we were traveling through Zimbabwe and while we were traveling with friends - it had been a long travel throughout the day - we saw an army truck and as we stopped our comrades from Zimbabwe rushed to this army truck and they came back with water and everything that we needed at the time. They were surprised to see me refusing to eat from this food that we were given by the army, and at that time when one of them wondered: "But, comrade, why are you not eating?", I told them that well, in our country we don't eat with the army and the police. As soon as you see the army or the police you get angry. And that is the situation we find ourselves in.

Now, in this context it is, we feel, very important that if and whenever elections will come to Namibia - and I must make it clear that we do not trust the role that the South African police will play - whatever role it will be - because we know the hardships that our people are going tl__ijgh_u nder theSouth African police, it will be very difficult for the average Namibian to really believe that the police, the South African police somehow have a role to play. Let alone, you know, not to talk about the Administrator General himself, by virtue of the provisions of Resolution 435 the South African appointed Administrator General will have a role to play in conjunction with the United Nations representative. Our experience through the years with the South African Administrator General and specifically the current one does not enable us really to believe that this person has a positive role to play - and now we are talking about the same person and the police and the whoevers having to somehow have a hand In running this machinery with our friends through UNTAG, having to supervise these people and knowing how cunning they can become, we are really concerned about what will come out of this kind of process. But nevertheless this is reality of Resolution 435. So, these are some of the concerns that the churches are dealing with, but all within the realm of reality. We are dealing with all these concerns, but we know that whatever we have to do we will have to do within the realm of reality. In conclusion may I reiterate that the Namibiarn people have waited for freedom and they want to be free. But South Africa's double dealings in Namibia do not promise a lot of hope for the Namibian people. Also, knowing how important a role South Africa must play in the decolonization process, we have no choice but to take a "wait and see" attitude and to relate, to prepare, to deal with the situation as it unfolds. It is thus incumbent upon the world community, especially those nations who's governments still have some leverage on the government in Pretoria to use their influence appropriately for Namibia's freedom and independence not to be delayed yet for another decade. The time is now for us to act and let us act collectively and decisively. Thank you so much.

Bob Kandetu Die Rolle der Kirchen in Namibia Meine Aufgabe ist es, ein wenig über die Kirchen sowie über die Resolution 435 des UN-Sicherheitsrates, das heißt besonders die Haltung der Kirchen und des namibischen Volkes zu den derzeit stattfindenden Friedensgesprächen zu sagen. Die namibische Kirchenbewegung hat die Resolution 435 immer gutgeheißen. Die derzeitig stattfindenden Friedensgespräche betrachten wir allerdings mit gemischten Gefühlen. Die Mitteilung, daß in bezug auf die Gespräche Fortschritte gemacht wurden, hat uns ermutigt. Doch wir sind gleichzeitig über die Haltung, die Südafrika hinsichtlich der Gespräche, an denen es ja selbst beteiligt ist, einnimmt, verwirrt. Hierfür möchte ich folgendes Beispiel geben: Genau am gleichen Tag, als der südafrikanische Außenminister seine Friedensvorschläge ankündigte, machte der südafrikanische Generaladministrator in Namibia, der Namibia für Südafrika regiert, die Mitteilung, daß ethnische und lokale Wahlen abgehalten werden sollten. Während Südafrika also der Welt erzählt, daß es seine Truppen aus dem südlichen Angola zurückzieht - und dies sozusagen als Ausdruck seines guten Willens -, werden in Wahrheit aber immer mehr Truppen sowie militärische Ausrüstung nach Namibia verschifft - besonders in die nördliche Region, ein Gebiet also, das schon seit so vielen Jahren im Kriegszustand ist. Für uns, die ganz gewöhnlichen Namibier, erscheint es, als würde das Schicksal des Volkes weiterhin mit Blut besiegelt. Diese Realitäten sowie die Erfahrungen, die wir mit Südafrika in der Vergangenheit gemacht haben, machen es uns sehr schwer, hinsichtlich der Gespräche an die Ernsthaftigkeit der Südafrikaner zu glauben. Für uns sieht es so aus, als würde Südafrika so lange verhandeln, bis ihren Interessen nachgegeben wird. Die namibischen Kirchen haben die Friedensverhandlungen unterstützt, und wir haben das namibische Volk dazu angehalten, für den Erfolg der Gespräche zu beten. Gleichzeitig haben wir jedoch auch vor voreiligem Optimismus gewarnt, besonders in Anbetracht von Südafrikas zweigleisiger Herangehensweise an diese Gespräche. Das namibische Volk hat über zehn Jahre auf die Durchführung von Resolution 435 gewartet, und das wird es auch weiterhin tun. Die jüngsten Gespräche haben neue Hoffnungen geweckt, und in Namibia finden derzeit viele Diskussionen statt.

Die Namibier stellen sich Fragen wie zum Beispiel: - Können wir Südafrika vertrauen? - Wie weit wird Südafrika und wie weit kann Südafrika auf der Suche nach Frieden mit uns gehen? - Können als Ergebnis international überwachte Wahlen stattfinden? - Welche Rolle könnte Südafrika dabei spielen? - Was wird passieren, wenn die Gespräche nicht erfolgreich sein werden? - Was wird passieren, wenn die gewählte namibische Regierung, das heißt wenn sie die Wahlen gewinnt, nicht die Interessen Südafrikas vertritt? - Und was wird passieren, wenn die gewählte Regierung den Kampf um Gerechtigkeit in Südafrika unterstützt? Mit anderen Worten: Welche Haltung wird Südafrika gegenüber einer solchen Vorgehensweise einnehmen? Aber noch viel wichtiger ist es festzustellen, daß die Namibier begonnen haben, über eine nationale Versöhnung nach der Unabhängigkeit ernsthafte Diskussionen zu führen sowie Strategien für einen nationalen Wiederaufbau des Landes zu entwickeln. Sie diskutieren darüber, welche potentiellen Probleme bei der Errichtung eines Staates entstehen können das heißt wenn Namibia aufgrund der oder als Resultat der gegenwärtigen Gespräche unabhängig wird. Innerhalb der Kirche beschäftigen wir uns hinsichtlich dieser Fragen mit dem Problem, wie wir uns schon heute darauf vorbereiten können, die Wiederaufnahme und Wiedereingliederung der im Exil lebenden Namibier zu erleichtern, das heißt wenn die Gespräche erfolgreich sein werden. Dazu benötigen wir viele besondere Einrichtungen. Wir haben schon damit begonnen, Strategien zu entwickeln, um unsere Ortsgemeinden auf die mögliche Realisierung unserer Freiheit vorzubereiten und herauszuarbeiten, welche Rolle die Kirche in der Übergangsphase notwendigerweise einnehmen muß. Da die Kirche eine Institution ist, wird sie nicht an den Wahlen teilnehmen. Aber deshalb müssen wir soweit wie nur irgend möglich dazu beitragen, daß die Wahlen auch tatsächlich freie und faire Wahlen sein werden. Für den Fall von Wahlen müßten wir wahrscheinlich Strukturen zur Einhaltung der Menschenrechte schaffen, Organisationen, die dafür Sorge tragen, daß die Zivilbevölkerung nicht eingeschüchtert wird. Dies um so mehr, als aufgrund der Bestimmungen von 435 die südafrikanische Polizei nach wie vor eine Rolle im Verlauf der Wahlperiode spielen wird. Dies sage ich aus dem Blickwinkel eines Namibiers. Ich weiß, daß es für einige unserer Freunde manchmal verwirrend ist, wenn wir sagen, daß wir der Polizei nicht vertrauen. Ich er- innere mich noch einmal, wie einmal meine englische Gastgeberin zu ihrem schreienden, weinenden Kind sagte: "Wenn du nicht gleich still bist, hole ich die Polizei!" Ich war sehr verwirrt darüber, daß Eltern ihren Kindern mit der Polizei drohen. Ein ähnliches Beispiel kann ich aus Zimbabwe erzählen. Nach einer langen Tagesreise mit unseren Freunden sahen wir ein Militärfahrzeug. Wir hielten an, und die zimbabwischen Genossen liefen zu dem Lastwagen hinüber und brachten Wasser und alle notwendigen anderen Dinge mit zurück. Sie waren überrascht, als Ich es ablehnte, von dem Essen zu nehmen, das uns die Leute vom Militär gegeben hatten. Einer der Genossen fragte mich: "Aber Genosse, warum ißt du denn nichts?" Und ich antwortete ihm, daß wir in unserem Land weder gemeinsam mit der Polizei noch dem Militär essen würden. Denn sobald du das Militär oder die Polizei auch nur siehst, wirst du schon wütend. Das ist die Situation, in der wir uns in Namibia befinden. Wir glauben, daß es in diesem Zusammenhang für den durchschnittlichen Namibier schon sehr schwierig wird, daran zu glauben, daß die Polizei, die südafrikanische Polizei, auch nur irgendeine positive Rolle spielen kann, wenn es in Namibia Wahlen gibt. Ich muß hier deutlich sagen, daß wir der Rolle, die die südafrikanische Polizei spielen wird, nicht vertrauen - was immer es für eine Rolle sein mag. Wir kennen die Not und die Qualen, die unser Volk durch die südafrikanische Polizei erfährt. Dabei wollen wir gar nicht erst über die Rolle des Generalverwalters selbst sprechen. Auf der Grundlage der Vereinbarungen der Resolution 435 wird der von Südafrika eingesetzte Generalverwalter eine Rolle in der Zusammenarbeit mit dem UN-Repräsentanten spielen. Unsere langen Erfahrungen mit diesem südafrikanischen Generalverwalter - und hier insbesondere mit dem derzeitigen - können uns nun wirklich nicht davon überzeugen, daß gerade diese Person eine positive Rolle spielen kann. Und jetzt reden wir von genau derselben Person und der Polizei und demselben "wem-auch-immer", die zusammen mit unseren Freunden an diesem ganzen komplizierten Prozeß beteiligt sein werden. UNTAG wird die ganze Maschinerie leiten und es wird überaus nötig sein, jene Leute genau im Auge zu halten. Die sind clever. Wir sind also wirklich besorgt, was bei diesem ganzen Prozeß herauskommen wird. Aber trotz alledem, dies sind die Tatsachen, und dies ist die Wirklichkeit von 435. Dies sind also einige der Bedenken, mit denen sich die Kirche auseinandersetzt, realistisch auseinandersetzt. Wir wissen, daß wir bei all unseren überlegungen realistisch bleiben müssen.

41 Abschließend möchte ich noch einmal wiederholen, daß das namibische Volk auf seine Freiheit gewartet hat und daß es entschlossen ist, frei zu sein. Aber die Doppelrolle, die Südafrika einnimmt, gibt dem namibischen Volk keine großen Hoffnungen. Da wir aber auch wissen, welch wichtige Rolle Südafrika im Dekolonialisierungsprozeß spielen wird, haben wir keine andere Wahl, als abzuwarten, die Situation einzuschätzen, uns darauf vorzubereiten und im Rahmen der Möglichkeiten damit umzugehen. Der Weltgemeinschaft obliegt hierbei die Verantwortung, Einfluß auf Pretoria auszuüben, damit die Freiheit und die Unabhängigkeit Namibias nicht für weitere zehn Jahre verschoben wird - und hierbei denke ich besonders an die Länder, deren Regierungen noch Einfluß auf Pretoria ausüben können. Für uns ist die Zeit des Handelns gekommen. Laßt uns gemeinsam und entschlossen handeln! Vielen, vielen Dank.

Joe Pütz über die Haltung der weißen Bevölkerung zur künftigen Unabhängigkeit Naibias Es lag mir auf der Zunge, in einer respektablen deutschen Tradition zu sagen, meine Damen und Herren, liebe Grüne. Ich werde mir aber solche Bemerkungen verkneifen. Ich möchte allerdings den GRÜNEN und allen anderen Organisationen in Europa und im Ausland für diese Gelegenheit danken, die es Namibiern ermöglicht hat, sich zu treffen und eine offene Debatte der Problematik zu führen. Ich mache im Augenblick eine Zeitung, die fast ausschließlich von Weißen gelesen wird, und obwohl Ulli Eins das Thema der Weißen relativ ausführlich abgedeckt hat, möchte ich doch eine Einschätzung der schwarzen Meinungsbildung lieber namibischen Bürgern überlassen, die besser qualifiziert sind, sie zu beschreiben und zu diskutieren. Ich würde gerne eine gewagte Prognose des weißen Benehmens nach der Unabhängigkeit versuchen, die wohl von vielen als wichtig betrachtet wird. Es gibt sehr verschiedene Meinungen darüber, ob die Weißen Namibias bereit sind, sich mit einer Unabhängigkeit zu befrieden, die bedeutet, sich mit Frau, Kind, Geld, Hund und Haus in die Unabhängigkeit zu wagen. Die weißen Meinungen und die weiße Haltung war 1978 viel leichter abzuschätzen, als in der weißen Bevölkerung eine Art Explosion des politischen Aktivismus entstand, als sich die Weißen enthusiastisch in alle Richtungen stürzten, von liberal-progressiv bis ultrarechts. Es gab eine starke republikanische Partei, die weiße nationale Partei. Es gab eine vitale weiße Widerstandsbewegung. Man war sehr aktiv. Inzwischen ist bei den Weißen ein Zynismus eingetreten, sie sind politisch abgestumpft. Man ist taub geworden, und die weiße Gemeinschaft in Namibia stolpert fast führerlos in einer politischen Wüste herum. Man kann eine sehr kleine progressivees Gruppe identifizieren, die das Konzept einer Unabhängigkeit voll umarmt hat. Die Zahl, die ich nennen kann, beschränkt sich auf möglicherweise zwischen 500 und 600 Leute, möglicherweise Familien, das heißt man kann mal drei rechnen. Dann gibt es ein weiteres Element, das immer noch sehr klein ist, die mit dem Konzept der Unabhängigkeit wenigstens flirten, und höchstens zu Hause im stillen Kämmerlein, wenn sie alleine im Bett liegen, zweifeln. Aber sie setzen sich in der öffentlichkeit für das Konzept der Unabhängigkeit ein. Da handelt es sich um 1000 oder 2000 Leute vielleicht, mit Familienanhang wieder um 5000 oder 6000. Wir reden insgesamt von einer weißen Bevölkerung, die zwischen 70.000 und 80.000 Menschen umfaßt.

Dann gibt es einen beträchtlichen Teil der namibischen Bevölkerung, für die die Unabhängigkeit überhaupt nicht zur Debatte steht, die jetzt schon fest wissen, daß sie am Tag der Unabhängigkeit oder wenn die ersten Blauhelme in Windhoek auftauchen, sich nach Südafrika absetzen werden. Dazu gehört ein großer Teil des Staatsapparates, die weißen Beamten, die sich mit dem Konzept eines schwarzen Chefs, der möglicherweise ihrer Meinung nach ein Ex-Terrorist ist, unmöglich abfinden können oder die um ihre Karriere fürchten müssen. Und da reden wir von einem beträchtlichen Teil der weißen Bevölkerung. 7000 bis 10.000 Leute sind es, die sich möglicherweise absetzen werden, wiederum als Familieneinheiten gerechnet reden wir von beträchtlich mehr. Dann gibt es natürlich die harten Rechten, die sowieso in Fluchtstellung sind und die meiner Meinung nach, da widerspreche ich Ulli Eins, keine Gefahr für das unabhängige Namibia darstellen, weil sie dann nicht mehr im Land sein werden. Und es ist wohl auch klar, daß wir in einem unabhängigen Namibia wohl lieber ohne diese Leute auskämen. Da bleibt dann die Mitte noch übrig. Das sind Leute, die von den weißen politischen Führern in den letzten zehn Jahren mehr oder weniger enttäuscht worden sind und die weder einem Kosie Pretorius der nationalen Partei noch einem Dirk Mudge viel Vertrauen schenken. Die Aufgabe eines unabhängigen Namibia, die Aufgabe des Wahlkampfes im übergangsprozeß und die Aufgabe der Meinungsmacher in Namibia muß heute sein, eine politische Erziehung an diesem Teil der weißen Bevölkerung so effektiv wie möglich zu vollziehen und diese Leute aus der Indifferenz, der Skepsis, auch dem Wunschtraum herauszuholen, daß möglierweise alles so bleiben kann für immer im tausendjährigen Reich, diese Leute an dem Prozeß zu beteiligen und mit dem Konzept einer Unabhängigkeit zu befreunden. Namibia braucht zweifelsohne die weiße Gemeinschaft aus wirtschaftlichen und vielen anderen Gründen. Die Kluft zwischen den Gemeinschaften in Namibia heute ist leider noch extrem groß. Ich nehme seit zehn Jahren an fast allen politischen Versammlungen teil und stelle immer wieder zu meinem Entsetzen fest, daß die Kluft zwischen Schwarzen und Weißen gewaltig und fast unüberbrückbar ist. Ob sie zur HNP- Versammlung, zur SWAPO-Versammlung, NP, DTA, RP oder dergleichen gehen, SWANU, SWAPO-D, United Party, ganz egal. Sie sehen entweder fast nur Schwarze oder fast nur Weiße, und man weiß nicht, wie die andere Gruppe denkt. Die Debatte um die Unabhängigkeit unter den Weißen ist kaum vorhanden, besteht aus Wunschdenken, Aberglauben und einem oft erschütternden Mißverständnis der internen politischen Lage in Namibia. Die Debatte auf der schwarzen Seite der Be-

44 völkerung ist lebendig, intensiv und von einem sehr hohen Niveau. Das wissen aber die meisten Namibier nicht. Um zusammenzufassen: Es ist eine klare Aufgabe derjenigen, die Einfluß auf die weiße Gemeinschaft haben, denen die weiße Gemeinschaft noch zuhört, ein gewisses Vertrauen entgegenbringt, so bald wie möglich eine politische Erziehungsarbeit zu vollziehen. Ob das bis zum 1. November möglich ist, ist sehr fragwürdig, muß aber trotzdem unternommen werden. Auch wenn die Unabhängigkeit zum 2. Februar oder zum 1. Juni kommt, es muß unternommen werden. Danke.

Prof. Dr. Manfred 0. Hinz Namibia auf dem Weg In die Unabhängigkeit? Bemerkungen zur Zwischenbilanz 1. Seit Frühjahr 1988 ist in das Bemühen um die Implementierung der Sicherheitsratsresolution (SRR) 435 (1978) Bewegung geraten: Am 3. und 4. Mai trafen sich Vertreter Angolas, Kubas, Südafrikas und der USA, um über Möglichkeiten einer Friedenslösung im Südlichen Afrika (das heißt Angola und Namibia) zu sprechen. Diesem ersten außergewöhnlichen diplomatischen Ereignis waren eine Reihe von Vorgesprächen biund trilateraler Art vorangegangen. Im Februar hatten sich Angola, Kuba und die USA zu einem Gespräch zusammengefunden; Im März hatte eine US-StateDepartment-Delegation Südafrika und Angola besucht, und ebenfalls im März war es zu einer Begegnung zwischen Crocker und Außenminister Botha gekommen. Auch von direkten Gesprächen zwischen Angola und Südafrika wird berichtet. Und: Der erste Gipfel zwischen Gorbatschow und Reagan vor zweieinhalb Jahren in Genf, bei dem eine "regelmäßige Diskussion über regionale Krisenherde" vereinbart worden war, dürfte einen weiteren entscheidenden weltpolitischen Hintergrund für das angegeben haben, was mit den Londoner Vierergesprächen zum ersten Mal öffentlich wurde. Dem Londoner Treffen folgten in kurzen Abständen weitere: in Brazzaville (3. Mai - ohne USA), in Kairo (24. Juni), in New York (11. Juli), auf den Kapverden (24. Juli - nur zwischen Angola, Kuba und Südafrika), in Genf (5. August), in Brazzaville (24. - 27. August) und nochmals in Brazzaville (7. -9. September). Nachdem vom ersten Gorbatschow/Reagan-Gipfel die Rede war, muß auch vermerkt werden, daß das Bemühen um eine Friedenslösung im Südlichen Afrika auch ausdrücklicher Gegenstand des Moskauer Gipfels (29. Mai - 2. Juni) war, wobei da bereits vom 29. September - dem 10. Jahrestag der Verabschiedung der SRR 435 - als Tag der Implementierung dieser Resolution gesprochen worden ist. Bei keinem dieser Gespräche war die SWAPO direkt beteiligt. Desgleichen gab es auch keine Beteiligung der UNITA. Die Sowjetunion war ebenfalls nicht direkt beteiligt, aber in ähnlicher Weise wie die SWAPO deutlich indirekt durch Entsendung von speziellen Regierungsbeauftragten an dem Ort der Verhandlungen präsent. Versucht man die positiven Ergebnisse der Verhandlungen zu benennen, so läßt sich insbesondere auf folgendes hinweisen:

- das "New Yorker Abkommen zwischen Angola, Kuba und Südafrika", das immerhin ein in vielen Richtungen zu konkretisierendes Rahmenwerk darstellt, - den zunächst faktischen und dann förmlichen Waffenstillstand zwischen Angola und Südafrika sowie die Vereinbarung des Abzugs der südafrikanischen Truppen aus Angola und die gemeinsame Grenzüberwachung, - die Ankündigung, am 1. November 1988 mit der Implementierung der SRR 435 mit dem Ziel, am 1. Juni 1989 UN-beaufsichtigte Wahlen durchzuführen, zu beginnen, - die Ankündigung der SWAPO, den Rückzug der südafrikanischen Truppen aus Angola nicht zu behindern sowie am 1. September in Namibia keine Kampfhandlungen durchzuführen, sofern auch Südafrika zu einem entsprechenden Verhalten bereit ist. Gleichzeitig wird die Erwartung eines förmlichen Waffenstillstandsabkommens für Oktober ausgedrückt, - den vollzogenen Abzug der südafrikanischen Truppen aus Angola und den Beginn der Grenzüberwachung. Auf der Negativseite ist insbesondere anzumerken, daß - die letzten Verhandlungsrunden keine weiterweisenden Konkretisierungen des New Yorker Abkommens erbracht haben, - die erklärte Absicht, bis zum 1. September einen Plan über den Rückzug der kubanischen Streitkräfte aus Angola zu vereinbaren, nicht zum Erfolg geführt hat, - Südafrika schon hat deutlich werden lassen, daß der 1. November als Beginn der Implementierung der SSR 435 nicht zu halten sein wird, und - das Problem der UNITA als verlängertem Arm-,Südafrikas in Angola in jeder Hinsicht-offengeblieben ist. 2. Insbesondere mit Blick auf die Presse, die seit Beginn des Jahres Namibia beachtlich thematisiert hat, wird man sagen können, daß die Verhandlungen mehr als vieles andere der Sache des namibischen Befreiungskampfes und der Rolle der SWAPO als der "einzigen und authentischen" Führungskraft Namibias darin gedient haben. Gedient haben im Sinne also von Bewußtmachung, Schärfung des Blickes für die Situation im Lande heute, wie aber auch für die Situation nach einer Unabhängigkeit mit einer zu erwartenden SWAPO-Regierung. Dennoch darf dies nicht davon entlasten, die Frage zu stellen, wer, gewissermaßen nach Punkten gezählt, faßbare Gewinne aus den Verhandlungen gezogen hat. Vieles spricht dafür, daß Südafrika zumindest kurzfristig der unmittelbare Gewinner ist. Mehr als die USA, die sich einiges auf ihre Vermittlerrolle zugutehalten werden (vgl. Punkt N des Abkommens von New York), mehr als die Sowjetunion, die in Abstimmung mit den USA und im Hintergrund der Verhandlungen diese zu fördern suchte, mehr als Angola, für das sich der Abzug der Südafrikaner aus Südangola positiv auswirken wird, und mehr auch als Kuba, dessen militärischem

Engagement in der Auseinandersetzung überhaupt zu danken ist, daß die Verhandlungen begannen. Warum also ist von Südafrika als dem kurzfristigen Gewinner nach Punkten zu sprechen? Spätestens seit Juni diesen Jahres hatte sich die militärische Auseinandersetzung in Angola auf eine Weise entwickelt, die für Südafrika innenpolitisch, ökonomisch und militärisch so nicht mehr durchzuhalten war. Südafrika drohte einen Krieg zu verlieren, bei dem es aus eigener Sicht gar nicht ums Gewinnen oder Verlieren gehen sollte, sondern um seine Aufrechterhaltung als destabilisierender Faktor bei möglichst geringen eigenen Kosten (Kosten "weißen Lebens" eingeschlossen). Die angolisch- kubanischen Streitkräfte waren der angolanisch-namibischen Grenze bedrohlich nahe, eine strategisch wichtige Stadt in Südangola, Cuito Cuanavale, mußte trotz erheblicher Einsätze in angolanischer Hand bleiben, die Lufthoheit im angolanisch-namibischen Grenzbereich war seit Juni diesen Jahres eindeutig auf die Angolaner beziehungsweise Kubaner übergegangen, eine südafrikanische Einheit von vermutlich 6900 Mann scheint nördlich von Cuito Cuanavale bei Cuemba (an der Benguela-Eisenbahn gelegen) man spricht von 2 - 3 Monaten - eingeschlossen gewesen zu sein. So gesehen war die Vereinbarung des Abzugs der Südafrikaner aus Angola für Südafrika willkommener, gewünschter Ausweg aus einer Situation, die letztlich für Südafrika militärische Niederlage bedeutet. Gleichzeitig brachten die Verhandlungen auf eine Weise diplomatisch-politischen Gewinn für Südafrika, der über das, was die anderen Verhandlungspartner aus diplomatisch-politischen Gewinn aus diesen Verhandlungen ziehen können, zumindest mittelfristig hinauswirken könnte: die südafrikanische Delegation bei den Pyramiden, Botha auf einem Kamel, Bilder und Szenen von den Begegnungen mit Regierungsvertretern im Kongo, die durchaus deutlich zu hörenden Interessen Südafrikas nach Ausweitung seiner wirtschaftlichen Kontakte. Vollends sichtbar wird der politische Gewinn Südafrikas, stellt man die Ergebnisse der bisherigen Verhandlungen dem politisch-strategischen Konzept Südafrikas gegenüber, wie es sich insbesondere in den letzten Jahren herausgebildet hat. Vergleicht man das New Yorker Abkommen mit dem zwischen Südafrika und Mozambique geschlossenen Nkomati-Abkommen, so zeigt sich, daß erhebliche Nähen bestehen. Dies gilt insbesondere für Punkt E des Abkommens über die "Nichteinmischung in interne Angelegenheiten von Staaten", der Südafrika nicht nur zusätzliche Legitimation verschafft, sondern auch außer Kraft setzen möchte, was in der Feststellung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in der Formulierung der Bedrohung des Weltfriedens durch das Apartheidregime zum Ausdruck kam und eine entscheidende Voraussetzung für Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen darstellt. Südafrika dürfte also mit dem New Yorker

Abkommen etwas erreicht haben, was es im Lusaka-Abkommen mit Angola noch nicht erreicht hatte. Im übrigen deutet einiges darauf hin, daß auch in Angola Einflußmöglichkeit ä la Renamo erhalten bleiben. Zwar ist die Rolle, die der Chef der UNITA, Savimbi, in den letzten Monaten gespielt hat, das von ihm in bestimmten Kreisen wohlgepflegte Bild als Alternative zur "marxistischen" MPLA-Regierung, erheblich angeschlagen; doch existiert die UNITA weiter und kann bis auf weiteres US-amerikanischer Unterstützung sicher sein. Hinzu kommt, daß die Art der zwischen Südafrika und Angola vereinbarten Grenzüberwachung immer noch wichtige Ein- und Ausfalltore für Interventionen nach Angola offen läßt. Nach südafrikanischen Angaben werden von der ca. 950 km langen Grenze zwischen Angola und Namibia nur 475 gemeinsam überwacht. Insbesondere gehört die Grenze von Bagani ostwärts bis zur zambischen Grenze zum unbewachten Teil. 3. Der so gezeichnete zumindest kurzfristige Gewinn für Südafrika darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die in den Verhandlungen deutlich gewordene Situation mittel- und längerfristig sehr wohl zu Veränderungen zu Lasten Südafrikas führen kann. Im wesentlichen dürften es vier Faktoren sein, die die möglichen weiteren Entwicklungen bestimmen: - die militärische Lage an der angolanisch-namibischen Grenze (wichtig wird auch sein, inwieweit es den angolanisch-kubanischen Streitkräften gelingt, die neue militärische- Läge zu halten beziehungsweise auszubauen), --die-wirtschaftliche Isolierung Südafrikas (wichtig wird sein, inwieweit es gelingt, die bereits jetzt erheblich spürbaren Folgen der begonnenen wirtschaftlichen Isolierung Südafrikas zu halten beziehungsweise auszubauen), - die Position der UNITA (wichtig ist, inwieweit die UNITA die bisher für sie bestehende Unterstützung weiter erhält), und - die Widerstandskraft der SWAPO. Daß insbesondere die Faktoren 2 und 3 wiederum erheblich vom Ausgang der Wahlen in den USA abhängen, ist offensichtlich. Zur Zeit, das heißt unter Beachtung der Verhandlungssituation, lassen sich wohl drei Möglichkeiten unterscheiden, die in der weiteren Entwicklung maßgebend sein können: 1) Die erste und gleichzeitig der Taktik Südafrikas nächstliegende ist die, in Angola mit leichten Änderungen "Mozambique" zu wiederholen, also aus dem New Yorker Abkommen tatsächlich Nkomati II zu machen. Diese Möglichkeit entspricht auch am ehesten der südafrikanischen Verhandlungsführung. Eine Verhandlungsführung, die schon als SRR 435 verabschiedet wurde, vor allem aber später und insbesondere nach Er- flndung des Cuban linkage auf Zeitgewinn und gegen substantielle Zugeständnisse ausgerichtet ist. 2.) Die zweite Möglichkeit beruht auf der militärischen Konsolidierung an der angolanisch-namibischen Grenze und schließt damit die Wiederherstellung des südafrikanischen Modells der Destabilisierung innerhalb der an Südafrika und Namibia angrenzenden Staaten bei möglichst geringen eigenen Kosten für Südafrika selbst aus. Diese Möglichkeit bedeutet für Südafrika, die Bedrohung des eigenen Systems an der eigenen (wenn auch namibischen) Grenze zu haben und erfordert gleichzeitig erhöhte Verteidigungs- beziehungsweise Angriffspräsenz im Norden Namibias. Was zur Zeit in Namibia geschieht, weist in diese Richtung: Berichte aus Namibia sprechen davon, daß der Norden eine Militarisierung erlebe, wie sie noch nie dagewesen ist. Was hier allerdings als zusätzliches Element ins Spiel kommt, ist die von Südafrika längst gemachte und taktisch umgesetzte Erfahrung, daß gegen die Art von Widerstand und bewaffnetem Kampf, wie er von der namibischen Bevölkerung und der SWAPO insbesondere im Norden geübt wird, Militarisierung nur hilft, wenn letztlich eine Politik der verbrannten Erde und "verbrannten Menschen" (also Völkermord) als Ziel akzeptiert wird. 3) Die dritte Möglichkeit ist eine, die auf die zweite folgt, weil auch für Südafrika klar sein dürfte, daß die zweite Möglichkeit nicht ernsthaft, das heißt mittel- und langfristig in Betracht kommen kann. Sie kann gewissermaßen nur übergangscharakter haben, wonach entweder der Weg zurück zum Status quo ante oder zur Vorbereitung einer veränderten Landschaft führt, einer Landschaft, die allerdings mit einer möglichst wenig gefährdenden Unabhängigkeit Namibias rechnen wird. Ein Namibia also, das aus südafrikanischer Sicht ohne , mit akzeptierten Schulden an Südafrika und ohne ANC-Stützpunkte besteht. Nicht nur die jüngsten Militärbewegungen in Walvis Bay, sondern auch zahlreiche Stellungnahmen in den Medien belegen, daß Südafrika in Kategorien dieser dritten Möglichkeit zumindest hilfsweise denkt. Wie weit es tatsächlich denkt und handeln wird, ist, um es noch einmal zu erinnern, von den Faktoren abhängig, die genannt wurden. Selbst die dritte Möglichkeit, die immer noch nicht das ist, was mit SRR 435 oder gar SRR 385 beabsichtigt war, hängt von diesen Faktoren ab, und damit um einiges mehr das Erreichen eben dieser Lösung, das heißt die nach SRR 435. Nur Druck im Land, in der militärischen Auseinandersetzung und international wird Südafrika zu substantiellen Kompromissen bringen. Wenn es also politischen Kräften heute mit dem, was zumindest verbal gemeinsame Plattform der gegenwärtigen Verhandlungsrunde ist, ernst ist, dann sollten sie sich klarmachen, daß es jetzt mehr denn je darauf ankommt, auf Südafrika Druck auszuüben.

Prof. Dr. Franz Ansprenger Thesen zum Fortgang des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia Kritische Fragen an Südafrika und an die SWAPO Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, ich möchte mich bei der Fraktion "DIE GRÜNEN" für ein Treffen bedanken, das einen Fehler, den wir in Deutschland in Sachen Südafrika viel begehen, vermieden hat. Wir begehen viele Fehler, aber einer fällt mir besonders auf: daß sich nur noch solche Leute treffen, die einer Meinung sind; Leute, die überzeugt davon sind, daß sie recht haben und immer schon recht gehabt haben, auf beiden Seiten. Entweder es treffen sich sagen wir mal Leute der Strauß-Linie, oder es treffen sich Leute dieser Linie hier. Und hier habe ich den Eindruck, daß doch nicht alle derselben Meinung sind. Ich will ein bißchen dazu beitragen, auch divergierende Meinungen hier zum Ausdruck zu bringen. Im Grunde mache ich es genau wie der Kollege Hinz, ich spekuliere über die Zukunft. Das ist uns von den Organisatoren aufgetragen worden. Und ich richte dabei Fragen in erster Linie an Südafrika, aber ich möchte auch ein paar Fragen in Richtung SWAPO stellen, und ich möchte dann mit einer Frage an uns schließen. Fragen an Südafrika: Ich bin nicht voll der Meinung von Herrn Hinz, daß Südafrika eindeutig der Gewinner der Verhandlungen und desAJ bkommens von New York ist. Der eindeutige Gewinner sind die USA. Chester Crocker hat das Cubaner-Linkage 1981 erfunden, unmittelbar nachdem er in der Reagan- Administration das für Afrika, das heißt für das Südliche Afrika, zuständige Amt übernahm. Das CubanerLinkage ist aus amerikanischer Sicht jetzt akzeptiert und zum Erfolg gebracht. Akzeptiert selbst von der SWAPO, akzeptiert von Angola und schweigend natürlich auch akzeptiert von Hans Dietrich Genscher und den anderen, die sich bisher immer geweigert hatten, es zu akzeptieren. Daraus schließe ich, daß die Reagan-Administration versuchen wird, diesen Erfolg auch wirklich durchzuziehen, um ihrem Nachfolger Bush beim Wahlkampf zum Wahlsieg zu verhelfen. Und das New Yorker Abkommen allein reicht da nicht ganz aus. Deswegen glaube ich oder spekuliere ich, daß vielleicht doch amerikanischer Druck auf Südafrika ausgeübt werden wird, den 1. November ernst zu nehmen. Denn die *Wahlen in Amerika sind bekanntlich auch im November, aber erst Ende November. Wenn in der unmittelbaren Vorwahlsituation in den USA der Eindruck entstehen könnte, das wird doch nichts und die Reagan-Regierung läuft da wieder ins Leere, hat da keinen unmittelbaren Erfolg, so wie sie es in dem INF-Vertrag deutlich hatte, dann könnte ich mir denken, daß das nicht so günstig ist für Herrn Bush, und infolgedessen könnte Druck von den USA und dann eben auf Südafrika kommen. Alles

Spekulation. Aber wir können jetzt hier heute nachmittag nichts anderes tun. Ich bin aber nicht sicher, daß Südafrika wirklich bereit ist, diesen Kurs mitzugehen. über viele Gründe dafür ist hier schon gesprochen worden. Ich nenne nur die Stichworte Cuito Cuanavale, militärische Tellniederlage, möglicherweise ein stärkerer Einfluß dessen, wofür in Südafrika die "endconscription-campaign" steht, das heißt Unwillen bis in weite Kreise des konservativen Africaans sprechenden Volkes hinein, darüber, daß die Söhne in Angola und Namibia kämpfen und viele von ihnen fallen oder verwundet werden. Das spricht dafür, daß Südafrika vielleicht doch mitzieht. Außerdem - das ist hier noch nicht so deutlich angesprochen worden -, wenn die Kubaner wirklich abziehen, könnten die Südafrikaner sich eine Chance ausrechnen, daß Herr Savimbi mit seiner UNITA in Luanda mitregiert oder ganz an die Macht kommt. Und dann könnten sie unter Umständen auch ein unabhängiges, von der SWAPO regiertes Namibia so in die Zange nehmen, daß sie es behandeln könnten wie - sagen wir mal nicht ganz so wie - Lesotho, aber etwa so wie sie Mozambique behandeln. Nkomati II., Herr Hinz hat vorher das Stichwort ausgegeben, ich weiß nicht genau, ob er dasselbe gemeint hat wie ich. Aber ich sehe die Gefahr, daß man in Pretoria so kalkuliert. Momentan aber würde das dazu beitragen, daß Südafrika sich vielleicht doch darauf einläßt, 435 zu realisieren. Dagegen spricht aber, beziehungsweise dafür, daß die Südafrikaner doch noch abspringen oder irgendwann mauern werden, möglicherweise auch nach dem 1. November, falls es dann losgeht mit UNTAG und so weiter, dafür sprechen doch sehr erhebliche Gründe. 1. Ich glaube, daß die Einschätzung in Pretoria, was machbar ist und was nicht, sich mit dem Sieg Mugabes in Zimbabwe Anfang 1980 fundamental geändert hat. Vorher, unmittelbar vorher, hatte man in Pretoria noch ernsthaft geglaubt, man könnte bei einer Wahl in Namibia unter den Blauhelmen, unter UNO- Überwachung, der DTA zum Sieg oder so etwas ähnlichem verhelfen. Nach Zimbabwe 1979/80 kann das eigentlich selbst ein konservativer Weißafrikaner an irgendeinem Schreibtisch nicht mehr glauben, daß seine Klienten in Namibia siegen könnten. Das ist, glaube ich, ein Punkt, der dafür spricht, daß die südafrikanische Regierung irgendwann mauern wird. Und dann spricht natürlich dafür, wie wir heute von Herrn Eins und Herrn Pütz gehört haben, wenn ein erheblicher Prozentsatz der Weißen Namibias sich in Südafrikas Regierungsämtern ausbreiten wird und die dann erzählen werden, Botha hat uns verraten. Das ist mit allen Folgen, die ich nicht auszumalen brauche, ein Argument in der Richtung, Südafrika wird es vielleicht doch nicht ernst meinen.

über die praktischen Möglichkeiten - zweiter Punkt -, welche Stolperdrähte Südafrika denn noch ausgelegt hat und vielleicht aktivieren kann, darüber kann man sehr lang spekulieren. Einiges ist auch dazu gesagt worden. Ich will nur einen Punkt noch verdeutlichen. Gerade die SWAPO-Sprecher haben heute gesagt, daß man sich schon vor zehn Jahren damit abgefunden hatte, daß zwar die südafrikanische Wehrmacht, Defence Force, aus Namibia verschwinden oder vorher schon konzentriert und ausgedünnt werden würde, die Polizei aber bleiben würde. Bitte, was ist das, diese Polizei, das wissen vielleicht doch nicht alle hier im Raum. Ich brauche nur das Stichwort Koevoet zu nennen: Die Polizei ist die paramilitärische oder eigentlich militärische Truppe, die den Krieg seit vielen Jahren schon faktisch in mindestens so starkem Maße führt, wie die eigentlichen Militärtruppen. Und dann gibt es die südwestafrikanische Territory-Force, die offiziell nicht in 435 und den folgenden Dokumenten erwähnt ist, weil es sie damals noch gar nicht gab. Auf diesem Gebiet, welche südafrikanischen Truppen überhaupt von den in 435 aufgeführten Einschränkungen betroffen sind, gibt es viele Möglichkeiten, wo die südafrikanische Seite Stolperdrähte auslegen kann. 435 spricht nur von den ethnischen Truppen, also von den Truppen, die von den ethnischen Behörden von Namibia vielleicht eingesetzt werden könnten und die eingeschränkt oder auch aufgelöst werden sollten. Aber solche gibt's eben nicht. Aber die Koevoet und andere sind keine ethnischen Truppen, sondern sind südafrikanische Polizeieinheiten oder sagen wir mal I-nterimsregierungstruppen. Nun aber Fragen, die sich meiner Ansicht nach eher an die SWAPO richten müssen. 1. Kann die SWAPO sicher sein, daß sie wirklich überall in Namibia, nicht nur im Norden, in der Kampfzone, die ja das relativ dichtest bevölkerte Gebiet Namibias ist, oder unter den Flüchtlingen, die zurückkehren dürfen und die natürlich die letzten Jahre unter SWAPO-Verwaltung gelebt haben, daß sie nicht nur unter diesen, sondern geographisch gesehen überall in Namibia die Wahlen gewinnen kann. Wie solide ist der Zugriff der Herero-Häuptlinge auf ihre eigenen Leute usw., abgesehen natürlich von den Weißen, von denen wir gehört haben, daß nur eine verschwindende Mehrheit vermutlich, wenn gewählt wird, SWAPO wählen wird. Es ist die Frage, wie der Wahlsieg ausfallen wird, ob er der SWAPO erlauben wird, wirklich mit dem Schwung an die Führung eines unabhängigen Namibia heranzugehen, mit dem Robert Mugabe das in Zimbabwe konnte - und selbst in seinem Fall hat ja der relative, allerdings sehr ethnische Wahlerfolg von Nkomo und der ZAPU, die aber auch eine anerkannte, kämpferische Befreiungsbewegung war, für ihn die ersten Schritte sicherlich nicht gerade erleichtert. Hat die SWAPO recht oder agiert sie faktisch richtig, sagen wir lieber so, wenn sie alles das, was Südafrika in seiner Propaganda über innere Zerwürfnisse der SWAPO behauptet, leugnet, z.B. die Geschichte mit den 100

Gefangenen, die Aktivitäten des Elternkomitees, ob nun Herr Nujoma in Straßburg eine Ohrfeige ausgeteilt hat oder nicht, interessiert mich überhaupt nicht in diesem Zusammenhang. Mich interessiert, daß die SWAPO so tut, als gäbe es diese Leute nicht. Und ich fürchte, es gibt sie doch. Und ich würde ihren Einfluß nicht ohne weiteres für völlig nebensächlich und vernachlässigenswert halten. Damit hängt die nächste Frage zusammen, die sich auch im wesentlichen an die SWAPO richten muß: Ist das Wahlverfahren, das Verfahren, nach dem die verfassungsgebende Versammlung unter UNO-Kontrolle gewählt werden soll, ist das wirklich endgültig geklärt. Sicher, wir haben einen Brief des UNO- Generalsekretärs an die Südafrikaner von 1985, der und das ist im wesentlichen die SWAPO-Position oder eine Position, der die SWAPO vorher schon zugestimmt hatte besagt, daß wir uns jetzt alle einig sind, daß nach Verhältniswahlrecht gewählt wird. Aber Verhältniswahlrecht - und mehr steht da nicht drin in diesem Brief - kann verschiedenes bedeuten. Es kann eine landesweite Liste, es kann regionale Listen mit Verrechnung und ohne Verrechnung und alles Mögliche bedeuten. Das sind technische Einzelheiten der sogenannten Demokratie, aber sie sind nicht ganz unwichtig gerade im Zusammenhang damit, ob die SWAPO sicher sein kann, regional in Namibia überall die eindrucksvolle Mehrheit zu gewinnen, von der sie landesweit offenbar voll überzeugt ist. Sam Nujoma hat kürzlich noch mal etwa von Zweidritteln gesprochen, das hängt mit dem Wahlrecht zusammen. Letzte Frage: Die SWAPO hat sich in der letzten Phase der Kontaktgruppenverhandlungen auf Diskussionen über Verfassungsgrundsätze eingelassen, sozusagen eine Vorabbindung der zu wählenden Nationalversammlung an gewisse Grundsätze, sollte die SWAPO in dieser Nationalversammlung die Mehrheit haben. Das gehört zu den Kröten - Gurirab hat heute morgen nicht von Kröten gesprochen, aber ich würde das so übersetzen, was er gesagt hat: 'Wir haben Kröten geschluckt beim Übergang von 385 auf 435' - und ich füge jetzt hinzu: auch in den Gesprächen, die nach der Verabschiedung von 435, bis sie sich eben 1981/82 festgelaufen haben, stattfanden. Eine wesentliche Kröte war, daß 435 - und noch viel mehr natürlich 385 - gesagt hatten, daß Wahlen, die neue freie verfassungsgebende Versammlung, alles das, wie ein unabhängiges Namibia aussehen sollte, das Volk durch diese Versammlung entscheiden würde. In der letzten Phase der Kontaktgruppengespräche aber haben die Westmächte vorher von der SWAPO wieder eine bindende Erklärung verlangt hinsichtlich - ich fasse jetzt einfach zusammen - unabhängiger Gerichtsbarkeit, der Garantie eines Mehrpartelensystems im unabhängigen Namibia und unmittelbar rechtswirksamer Grundsätze, so wie wir sie aus der Bundesrepublik Deutschland kennen, das heißt daß jeder einzelne Bürger den Grundrechtskatalog direkt vor unabhängigen Gerichten einklagen kann. Meines Wissens hat die SWAPO in diesem Stadium der Verhandlungen sich nur darauf eingelassen zu sagen, daß sie einer Garantie von Mlnderheitenrechten in einem freien Namibia zustimmt, aber sie hat nichts zu den anderen und meiner Ansicht nach sehr viel wesentlicheren Punkten gesagt. Wie ist da der Stand? Wie ist überhaupt der Stand? Das wiederum ist mehr eine Frage an Südafrika. Wird man am 1. November da anfangen, wo man 1982 mit den ausführlichen Verhandlungen aufgehört hat, oder wird man - back square one - mit dem nackten Text der Resolution 435 und des zehn Jahre oder jetzt schon elf Jahre alten Vorschlags der Westmächte anfangen. Ein Fall dazu, der kürzlich durch die Presse ging: Unter den Staaten, die UNTAG zusammensetzen sollen, unter diesen Staaten war der Iran, der Iran des Schahs damals; jetzt ist es der Iran, den wir kennen. Da ist es normal, daß Südafrika sagt, nein aber diesem Iran haben wir nicht zugestimmt. In allen diesen Dingen können wieder Stolperdrähte ausgespannt werden. Letztes Wort an uns selbst hier: Wir in Westeuropa und in Deutschland haben von der SWAPO immer wieder verlangt, sie soll Garantien für die wirtschaftliche Zukunft, insbesondere für die wirtschaftlichen Interessen der Weißen in Namibia geben. Wir haben uns sehr wenig darum gekümmert, wie Namibia nach der Unabhängigkeit politisch aussehen soll. Ich finde, es liegt nicht nur an der SWAPO, wenn sie zu diesen ,Dingen relativ wenig gesagt hat, sondern es liegt vor allem an uns, daß wir über die unmittelbaren Finanzinteressen der Weißen in Südwestafrika, Namibia, hinaus diese politischen Fragen meiner Ansicht nach sträflich vernachlässigt haben. Ich danke Ihnen.

Dr. Henning Melber Die Rolle Südafrikas für den Unabhängigkeitsprozeß in Namibia Liebe Namibier, liebe Nicht-Namibier, ich werde- relativ wenige Fragen stellen und die ganz zum Schluß und die dann auch an die bundesdeutsche Adresse. Vorab erst mal ganz kurz einige wenige Zahlen, die heute noch nicht genannt worden sind, die meines Erachtens aber wichtig sind. Die südafrikanische Auslandsverschuldung beläuft sich derzeit auf etwa 23 Mrd. Dollar, das sind nach dortiger Währung ungefähr 50 Mrd. Rand. Allein der jährliche Schuldenzins beläuft sich auf knapp 2 Mrd. US-Dollar. Die Inlandsverschuldung ist in den letzten sechs Jahren angestiegen auf etwa 12 Mrd. US-Dollar, also etwa knapp 30 Mrd. Rand. Die südafrikanische Leistungsbilanz hatte im 1. Quartal 1988 ein Minus von 410 Mio. Rand, während im Vergleichsjahr 1987 das 1. Quartal einen Außenhandelsüberschuß von 6,5 Mrd. Rand aufzuweisen hatte. Die südafrikanischen Goldreserven sind unter 4 Mrd. Rand gesunken, das heißt sie betragen weniger als die jährlichen Kriegskosten, die nach Schätzungen für das Abenteuer in Angola ausgegeben werden. Mit anderen Worten, der Koloss ist ökonomisch angeknackst - selbst das Ifo-Institut für Wirtschaftforschung München kam vor wenigen Tagen zu einer ähnlichen Schlußfolgerung -, denn diese labile ökonomische Situation ist nicht zuletzt auf die Sanktionsmaßnahmen zurückzuführen, auch wenn diese nur zaghaft, zögerlich und halbherzig waren. Das halte ich für ein ganz wichtiges Element, auf das ich am Schluß zurückkommen werde. Der Krieg in Angola ist aus südafrikanischer Sicht im Moment schlicht und einfach nicht mehr finanzierbar. Wesentliche andere Aspekte sind bereits genannt worden in militär-strategischer Hinsicht, Veränderungen des Kräfteverhältnisses etc., so daß ich dazu nichts mehr sagen will. Die Quintessenz ist für mich allerdings, daß eine Beendigung der unmittelbaren südafrikanischen Präsenz in Angola die eine Sache ist, eine Implementierung von 435, also freie und faire Wahlen in Namibia, aber eine gänzlich andere. Ich glaube im Moment, daß man die Behauptung nicht aufstellen kann, daß das eine mit dem anderen untrennbar verknüpft ist. Ich gehe eher von der Grundannahme aus, daß, solange es eine weiße Minderheitsregierung in Südafrika gibt, es diese Minderheitsregierung um der eigenen überlebensinteressen willen nicht zulassen kann, daß an ihren Grenzen In den Nachbarstaaten, und damit auch in Namibia selbst, ernsthafte gesellschaftliche Alternativen aufgebaut werden und sich entwickeln dürfen, sofern nicht - und das ist eine grundsätzliche Einschränkung, die Manfred Hinz schon angedeutet hat -, sofern nicht der Druck von außen, sprich von den westlichen Industrie- staaten, in einem Maße zunimmt, daß sich die überlebensfrage von dieser Seite her ebenfalls stellt. Noch Ende August hat Verteidigungsministerr Malan in einer Parlamentsdebatte zu Angola und Namibia in Südafrika erklärt, daß die rote Flagge über Windhoek mit Südafrikas Auffassung über die Entwicklung dieses ehemaligen Mandatsgebietes unvereinbar wäre. Mit einem SWAPO-Wahlsieg, so Malan weiter, werde man sich nicht abfinden. Zugleich vermag auch in Südafrika niemand in Zweifel zu ziehen, daß auch nur halbwegs freie und allgemeine Wahlen genau dieses Ergebnis zeigen würden, zwar nicht die Hissung einer roten Flagge, wohl aber einer blau-rot-grünen Flagge über Windhoek, sprich einen überwältigenden Wahlsieg der SWAPO. Wenn dies bekannt ist, und es ist bekannt, dann ergibt sich daraus eigentlich nur die eine Schlußfolgerung, daß es zu solchen Wahlen nicht kommen darf. Oder es ergibt sich die Schlußfolgerung - auch darauf werde ich noch kurz eingehen -, daß, sollte es doch zu Wahlen kommen, vorher'alles getan werden muß, daß das Ergebnis dieser Wahlen nicht darin münden kann, daß solche gesellschaftlichen Alternativen tatsächlich aufgebaut werden können, selbst wenn die formale Macht wechselt. Doch zunächst noch einige Hinweise zu einem formalen Prozeß. Es sind dies Beispiele verschärfter Repression, die sich erst in diesen Wochen und Monaten in Namibia herauskristallisieren. Während international verhandelt wird, immer auch explizit mit dem Anspruch, daß eine Friedensregelung in Angola zur Folge hat, daß in Namibia gemäß Resolution 435 gewählt werden kann, wird die ohnehin unerträgliche Repression im Land selbst noch zusätzlich verschärft. Ein interessantes Beispiel ist, daß Ende Juli dieses Jahres die Zensurbehörde in Kapstadt erstmals - man höre und staune - das politische Programm der SWAPO auf den Index gesetzt hat. Der Besitz des politischen Programms der SWAPO bedeutet in Namibia seit Ende Juli 1988, daß eine Geldstrafe von maximal 10.000 Rand oder 5 Jahre Haft verhängt werden können. Eine Entscheidung, die selbst der Marionettenminister der Übergangsregierung für Justiz, Kozonguisi, als dumm und unpassend bezeichnet hat. Es hat Meldungen gegeben, daß die südafrikarische Luftwaffe Mitte August größere Gruppen von Schü,ilern und Schülerinnen, die sich auf dem Weg ins Exil befunden haben, aus der Luft bombardiert hat. Es sind Zahlen genannt worden, daß dieser Angriff 50 bis 60 Tote unter den Jugendlichen und Kindern gefordert hat. Ein drittes Beispiel aus dem Monat August ist, daß 37 Studentinnen und Studenten an der Academy for Nursery Education verhaftet worden sind und möglicherweise angeklagt werden, weil sie demonstriert haben, und zwar nach einem

Gesetz, das auch erst im August verabschiedet wurde, das sich die Protection of Fundamental Rights Act nennt. Ein Gesetz, das vorgibt, eine realiter nicht vorhandene, eigentlich also nur fiktive Demokratie und entsprechende Grundrechte dadurch zu schützen, daß jegliche Meinungsäußerung verfolgt und bestraft werden kann-.Die Frankfurter Rundschau nannte diese- Gesetz sehr treffend die Verabschiedung des Grundrechts auf Gefängnis. Wie gesagt, Zweifel sind meines Erachtens angebracht. Und da ich von Dave de Beer gerade erfahren habe, daß er auf diese Zweifel näher eingehen wird, kann ich eine Karteikarte ad acta legen. In der Tat ist die Frage, warum zehn Jahre nach Verabschiedung von Resolution 435 die Südafrikaner tatsächlich nun ernsthaft gewillt sein sollten, Namibia in die Unabhängigkeit zu entlassen. Ganz sicher nicht aus Nächstenliebe. Die Stolpersteine sind teilweise schon erwähnt worden. Zum einen die Existenz von Walvis-Bay, das als südafrikanische Enklave beansprucht wird. Wir wissen, daß Walvis-Bay als Militärstützpunkt massiv ausgebaut wird. Erst nach Verabschiedung von Resolution 435 hat sich die Southwestafrican Territorial Force gegründet, mit dem Anspruch, eine eigenständige südwestafrikanische Armee zu sein. über diese Einheit gibt es folglich keine Bestimmungen in der Resolution. Und der wesentliche und meines Erachtens eigentlich entscheidende Prozeß, der durch die zehn Jahre Zeitgewinn, den die westliche Kontaktgruppe seit Verabschiedung der Resolution 435 den Südafrikanern zugebilligt hat, stattfinden konnte, ist, daß in diesen zehn Jahren außer dieser Militäreinheit Massenstrukturen geschaffen worden sind, die, zum Teil durchaus erfolgreich, darauf abzielten, den klar kolonialen durch einen neokolonialistisch geprägten Antagonismus abzulösen. Niko Bessinger hat darüber heute morgen ja schon berichtet. Seit einigen Jahren wird durch elf administrative Einheiten erfolgreich eine Kooptationsstrategie betrieben, die den Faktor Ethnizität mit Klasseninteressen verknüpft und schon längst nicht mehr die Lösung des sogenannten Namibiaproblems zu einem Schwarz-Weiß-Problem gerinnen läßt. Es ist das Problem eines nationalen Befreiungskampfes, der gewisse Klasseninteressen gegenüber anderen antagonistischen Klasseninteressen vertritt. Und diese sind eben nicht mehr rein weiß. In den restlichen anderthalb Minuten Redezeit möchte ich die grundsätzlichen Konsequenzen andeuten. Die eine, die für mich wichtig ist, ist dann auch die innenpolitische Frage an die Bundesregierung. Die Verhandlungen haben bisher eindeutig gezeigt, was wir eigentlich alle, die wir hier sitzen, das kann ich jetzt so selbstgerecht mal sagen, schon immer gewußt haben, daß nämlich diese Marionettenregierung, die so- genannte Interimsregierung absolut bedeutungslos ist, denn sie hat von nichts gewußt. Das heißt, diese Interimsregierung, die immer beansprucht hat, wenigstens einen Teil der Bevölkerung zu repräsentieren, wurde im Nachhinein von Südafrika darüber informiert, was zu verhandeln beabsichtigt war. Die Konsequenz für hier heißt, daß diese Bundesregierung es sich eigentlich nicht mehr leisten kann, immer wieder darauf hinzuweisen, daß es außer der SWAPO ja noch mindestens eine relevante Kraft in Namibia gibt, die man berücksichtigen muß und mit der man auch einen politischen Dialog führen muß. Die Südafrikaner selbst haben durch ihre Verhandlungsführung deutlich gemacht, daß es außer der SWAPO keine relevante politische Kraft in Namibia gibt. Und die andere Sache ist die - und da komme ich zurück zu der angeschlagenen ökonomischen Situation Südafrikas -, wenn man in der westlichen Kontaktgruppe tatsächlich der Meinung ist, daß wenigstens jetzt, zehn Jahre später, die Resolution 435 angewendet werden sollte, dann kann man dies eigentlich am ehesten dadurch sicherstellen, daß man Südafrika keinerlei Schonfrist mehr gewährt. Das heißt, eben in der Sanktionsfrage nicht mit wenn und aber zu argumentieren. Genau diese Sanktionen haben nämlich zu der Situation geführt, daß Südafrika einen Krieg in Angola unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht mehr führen kann. Deswegen müssen die Sanktionen verschärft werden, damit es sich Südafrika nicht mehr leisten kann, in der Namibia-Frage Tricks zu starten. Zum Schluß ein Zitat, das ich den Namibia-Nachrichten entnommen habe, und das Joe Pütz heute nicht erwähnt hat, das ich aber als Bild ganz witzig und wichtig finde. Joe Pütz beschloß einen Kommentar zu diesen Verhandlungen mit einem Satz, der für alle Verhandlungsparteien, die mit Südafrika zu tun haben, sicherlich wichtig ist, und den man nicht vergessen darf, der da lautet: Wer mit den Buren Skat spielen will, muß deren Pokerregeln kennen. Ich danke Ihnen.

Dave de Beer Did the position of South Africa towards Namibia change since 1978? Thank you, Mr. chairman, and I would also like to take this opportunity of thanking the Greens for the invitation to be here this afternoon. On my way, early this morning, from The Hague,-from the Netherlands, I had all the time to read this morning's newspaper and there is one very small paragraph in one of these Dutch papers this morning which says: Perez de Cudlar, the Secreatry General of the United Nations, is leaving tomorrow to visit South Africa to discuss the question of Namibia with the South African government. And that brought back for me all sorts of personal memories, because when in March 1972 the then new Secretary General of the United Nations, Kurt Waldheim, decided he would quickly solve the Namibian problem at the beginning of his term of office, he decided he would also visit Namibia, and at that point South Africa decided that several church-leaders should not be in Namibia when Waldheim came, and so they expelled four of us from the country in one day's notice. And so I have some emotional links to visits of the Secretary General to South Africa over Namibia. We in fact still saw him in Cape Town - Waldheim. So, the seminar has its own special timing, but as Henning Melber said, and what I think I would really like to discuss this afternoon is what factors may or may not be present, now which would allow Resolution 435 to be implemented, which were or were not there ten years ago in 1978 when it was adopted. In other words: What is our analysis of the political situation surrounding Resolution 435? And I would like to go back a little bit to understand this how Resolution 435 was adopted. It came as a culmination, Ben Gurirab said, of a long series of negotiations. The western contact group finally had its plan fixed. South Africa agreed in July 1978. South Africa had agreed in April and SWAPO finally agreed in July 1978 that elections should be held in Namibia. And there was therefore an agreement for a short period of a few months. The South African government being under force to have said "Yes" and as SWAPO had said "Yes", the question was: How were those elections going to be held? And it was clear through the attacks on Cassinga in May 1978 that the South African military were not pleased with the thoughts of having an election. And we must not forget that on the 20th of September 1978, tomorrow that is exactly ten years ago, Prime Minister John Vorster made a speech in which he said two things: He said,

South Africa is withdrawing its support for immediate resolutions in Namibia under United Nations supervision and secondly he said, I am resigning immediately. He said that in one speech, and within 48 hours Botha who had already served twelve years as Minister of Defence was elected Prime Minister in Vorster's place. I think we can quite rightly speak of a military coup d'bat in South Africa over the question of Namibia. The South African military forced Vorster out, because they were not prepared to let Namibia go and let SWAPO take over Namibia. It has already been said, Vorster may have believed his own propaganda that SWAPO would not win an election, but the military on the ground fighting SWAPO knew they would. And I would like to quote nobody less than P. W. Botha himself on this issue. Botha said, in the South African parliament, much later on the 14th of August 1987 he said: "Although I abide by the decision taken by the government in relation to Resolution 435 under the leadership of my predecessor I personally have never been in favour of the acceptance of Resolution 435. When my predecessor called for a cabinet decision, I stated my standpoint very clearly and forcefully. To tell the truth, there was an argument in the cabinet about it." The military does not want elections in Namibia, certainly that was the case ten years ago. When South Africa rejected plans for the election Resolution 435 was passed and immediately the West decided to send the most forceful delegation ever to South Africa. It was meant to be five foreign ministers from the contact-group, but the French saw that it would propably not achieve anything and only sent their deputy minister, so it was four and 1/2 foreign ministers, and they met a Botha who had been in office less than two weeks. And Botha ran rings around the foreign ministers. He just said "No, I am not interested in having immediate elections under UN supervision", and he left them with nothing. And the day they left he said to them "Let's have coffee", and all he said to them was "Come back next year and we can talk again". Nothing more. But the five western ministers came back to Europe blowing their own trumpets. The Canadian who was chairing the group said "We have had a unique diplomatic break through". The German chancellor Schmidt congratulated Genscher who was there for his unique diplomatic achievement, so did James Callaghan congratulate David Owen for his unique diplomatic achievements. In other words, South Africa who knew they had not conceded one inch saw that the West was dead scared to confront them. And Botha in the first days of his leadership of the South African parliament knew he could rely on the West not to undermine his authority. And I am quite sure had the foreign ministers come back to Europe and said we are calling a Security Council debate and we are going to demand sanctions, Namibia would now be free. But it was the weakness of the West in punishing South Africa in the initial days of Botha's administrations that gave Botha the knowledge and the confidence that he could do what he liked in Namibia and later in Angola and no one was going to stop him. And that has cost hundreds if not thousands of people's lives. So what has changed since then? Certainly, and earlier speakers have shown it, the military balance has changed. The Angolan army has developed incredibly; the arms-embargo against South Africa has taken its toll regarding the air-force and I think more than anything else South Africa realizes it can no longer afford to fight the war in Angola, for military, political and economic reasons. I think that it is important that we realize that. It is a military reason, the strength of the Angolans supported by the Cubans, it is an economic reason as Henning Melber has pointed out, and it is a political reason that even the Dutch Reformed Church, the white Dutch Reformed Church in South Africa were saying "Why are we fighting in Angola?", "Why are our young boys dying in Angola?". And these three factors have caused South Africa to withdraw from Angola. The negotiations only started because South Africa wanted to get out in an honourable fashion. It did not want to be seen to be the loser. And any one who saw the television pictures of the South African army pulling out of Angola with that big sign saying "Welcome Winners" will know how important that psychological aspect is to white South Africans. But the real question is: How have things changed now with regard to Namibia? The expense of occupying Namibia is certainly far more than it was at the end of the 1970ies, when Namibia was still largely a profitable venture for South Africa. The collapse of the fish industry, the collapse of the copper price, the difficulties in the uranium market have all made economic development in Namibia for South Africa less profitable than it was. The costs of governing Namibia are considerably more than they were, as Niko Bessinger said, you have eleven governments with eleven bureaucracies and most of them totally corrupt as well. So, South Africa is paying an awful lot of money at the moment to occupy Namibia, and I think what must be. done at the moment to try to enforce Resolution 435 is to put up the price yet further for occupying Namibia. Militarily, economically and politically. And therefore I think it is essential at this juncture to impose sanctions against South Africa, because of its illegal occupation of Namibia. I think future generations will look back at the history of the United

Nations and say "How is it possible that South Africa was in illegal occupation in Namibia for twenty years without ever being punished for that illegal occupation?" Sanctions in force against South Africa at present are in force because of Apartheid in South Africa, not because of the illegal occupation. And I think if we want to point at South Africa's real intentions we must look to what is happening in Namibia itself. And if we look at the military build-up in the country, it is not indicative that South Africa is planning to leave Namibia. If we look at the political attitude in South Africa itself, they are not preparing (i.e. the whites in South Africa) to leave Namibia. And so, on the whole I don't want to become optimistic because I don't see in the West a growing perception that South Africa needs to be punished for its illegal occupation of Namibia to increase the price still more. And South Africa has very, very skillfully used the negotiations to maneuver itself into a position where it almost has the initiative regarding Namibia. It gained what it wanted from Angola - an honourable withdrawal but it has not put SWAPO on the spot. SWAPO not wanting to disrupt the only chance the negotiations may have, declared a cease-fire, as from September the 1st. But what is SWAPO going to do if on November the 1st no UN forces move into Namibia? As they presumably won't. If it doesn't do anything South Africa can say "You see SWAPO stopped fighting, the multi party conference can continue to govern. They can try to undermine the support SWAPO has in Namibia." If SWAPO does resume the armed struggle South Africa will say "You see, SWAPO does not want a solution, it started fighting again". And the South Africans have been very, very clever and I think SWAPO needs to consult very closely with its allies on this whole question. Because what South Africa wants is to drag the whole thing out ten years longer, knowing pretty safely it is not likely to be punished by its western allies.

Dave de Beer Hat sich die Position Südafrikas gegenüber Namibia seit 1978 geändert? Ich möchte die Gelegenheit nutzen, der Grünen Partei für meine Einladung zu diesem Hearing zu danken. Als ich mich heute morgen von Den Haag in den Niederlanden auf den Weg machte, hatte ich viel Zeit, die Tageszeitung zu lesen. In einer der niederländischen Zeitungen fand ich eine sehr kleine Notiz des Inhalts, daß Perez de Cullar, der UNGeneralsekretär, morgen nach Südafrika fliegt, um dort mit der südafrikanischen Regierung über Namibia zu sprechen. Diese Notiz weckte in mir eine Reihe persönlicher Erinnerungen: Als im März 1972 der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kurt Waldheim, beschloß, daß die NamibiaFrage direkt zu Beginn seiner Amtszeit gelöst werden müsse, entschloß er sich dazu, auch Namibia zu besuchen. Daraufhin ordnete Südafrika an, daß während des Waldheim-Besuchs in Namibia verschiedene führende Kirchenkräfte das Land verlassen müßten. Sie verwiesen vier von uns innerhalb eines Tages des Landes. Aus diesem Grund habe ich immer ganz besondere Gefühle, wenn der UN-Generalsekretär wegen der Namibia-Frage nach Südafrika fährt. Wir haben Waldheim aber dann trotzdem noch in Kapstadt getroffen. Das Seminar hat also ein ganz eigenes "timing". Aber worüber auch schon Henning Melber sprach, und worüber ich auch gerne heute nachmittag reden möchte, ist die Frage, ob es Faktoren gibt oder eben nicht gibt, die jetzt die Erfüllung der Resolution 435 ermöglichen. Faktoren, die 1978 noch nicht vorhanden waren oder vielleicht doch? Mit anderen Worten: Wie sieht unsere Analyse der politischen Situation rund um die Resolution 435 aus? An dieser Stelle möchte ich gerne einen kleinen Blick in die Vergangenheit werfen, um zu sehen, wie es überhaupt zu der Annahme von 435 kam. Wie Ben Gurirab schon sagte, war 435 das Resultat einer langen Serie von Verhandlungsgesprächen. Ganz am Schluß hatte die westliche Kontaktgruppe endlich ihren Plan fertig. Südafrika stimmte im Juli 1978 zu. Im April hatte sich Südafrika bereits damit einverstanden erklärt, Wahlen in Namibia durchzuführen. Dem stimmte schließlich auch die SWAPO im Juli 1978 zu. Für ein paar Monate bestand also eine übereinkunft zwischen den verhandelnden Parteien. Südafrika hatte sich durch seine eigene Zustimmung zu diesem Plan selbst unter Zugzwang gestellt, und nachdem dann auch die SWAPO diesen Vorschlägen zugestimmt hatte, mußte als nächster Schritt überlegt werden, auf welche Weise die Wahlen durchgeführt werden sollten.

Nach dem Kassinga-Massaker im Mai 1978 wurde sehr klar, daß sich das südafrikanische Militär überhaupt nicht mit dem Gedanken von Wahlen anfreunden konnte. Wir sollten nicht vergessen, daß Premierminister John Vorster am 20. 9. 1978 und das ist morgen genau zehn Jahre her - eine Rede hielt, in der er zwei Dinge sagte: Zum einen, daß die südafrikanische Regierung ihre Zustimmung zu einer sofortigen Lösung der Namibia-Frage unter der Obhut der Vereinten Nationen zurückziehen werde, und zum anderen verkündete er seinen Rücktritt. Er verkündete beide Beschlüsse in einer einzigen Rede, und nur 48 Stunden danach wurde Botha, der bereits zwölf Jahre als Verteidigungsminister tätig gewesen war, anstelle von Vorster zum Premierminister gewählt. Ich denke, die Interpretation, daß das ein militärischer Staatsstreich wegen der Namibia- Frage war, ist korrekt. Das Militär hat Vorster dazu gewzungen, zurückzutreten, weil es nicht dazu bereit war, Namibia aufzugeben und der SWAPO zu überlassen. Es ist möglich, daß Vorster seiner eigenen Propaganda, daß die SWAPO die Wahlen in Namibia niemals gewinnen werde, Glauben schenkte. Das Militär aber, das die SWAPO in Namibia bekämpfte, wußte, daß die SWAPO gewinnen würde. Hierzu möchte ich an dieser Stelle niemand geringeren als P. W. Botha selbst zitieren, der am 14. 8. 1987, also sehr viel später, im südafrikanischen Parlament sagte: "Obwohl ich an der von meinem Vorgänger getroffenen Regierungsentscheidung hinsichtlich der Resolution 435 festhalte, so muß ich doch gestehen, daß ich selbst nie für die Annahme von 435 war. Als mein Vorgänger im Kabinett abstimmen ließ, machte ich meinen Standpunkt sehr klar und deutlich. Um die Wahrheit zu sagen, über die Frage der Resolution 435 gab es im Kabinett eine Auseinandersetzung." Es ist offensichtlich, daß das Militär in Namibia keine Wahlen haben will. Auf jeden Fall war das vor zehn Jahren der Fall. Als Südafrika die Vorschläge zur Durchführung von Wahlen in Namibia ablehnte, wurde Resolution 435 angenommen. Sofort entschloß sich der Westen dazu, eine gewichtige Delegation nach Südafrika zu schicken - die gewichtigste Delegation, die jemals dort war. Ursprünglich sollte sie sich aus den fünf Außenministern der Kontaktgruppe zusammensetzen. Die Franzosen aber sahen wohl schon voraus, daß die Delegation wahrscheinlich überhaupt nichts erreichen würde, und schickten dementsprechend nur ihren stellvertretenden Außenminister. Es waren also lediglich 4 1/2 Außenminister, die einen Botha trafen, der nicht einmal ganz zwei Wochen im Amt war. Doch Botha brüskierte die Außenminister. Er sagte einfach "Nein". Er sei an sofortigen Wahlen in Namibia unter Aufsicht der Vereinten Nationen nicht interessiert. Er ließ sie mit Nichts im Regen stehen. Als die Delegation wieder nach Hause flog, lud er sie noch zum Kaffee ein, und alles, was er ihnen sagte, war, daß sie im nächsten Jahr zurückkommen sollten. Dann könne man noch einmal über dieses Thema sprechen. Das war alles. Als die fünf westlichen Minister aber nach Hause kamen, verkündeten sie stolz, wie erfolgreich sie angeblich gewesen waren. Der Leiter der Gruppe, ein Kanadier, sagte, man habe "einen einzigartigen diplomatischen Durchbruch" erzielt. Der deutsche Kanzler Schmidt gratulierte Genscher, der auch mit war, für seine einzigartigen diplomatischen Leistungen - Dawid Owen wurde mit denselben Worten von James Callaghan gefeiert. Südafrika, das nicht ein einziges Zugeständnis gemacht hatte, muß das als Indiz dafür gewertet haben, daß der Westen eine Todesangst hatte, sich mit Südafrika anzulegen. Botha konnte sich natürlich aufgrund dieser Vorkommnisse schon in den ersten Tagen seiner Amtszeit darauf verlassen, daß der Westen seine Autorität nicht untergraben würde. Ich bin mir sehr sicher, daß Namibia heute frei sein würde, wenn die Außenminister damals zurückgekehrt wären und eine Debatte im Sicherheitsrat und Sanktionen gefordert hätten. Aber diese Schwäche des Westens gegenüber Südafrika gab Botha in seinen ersten Amtstagen das Wissen und das Vertrauen, daß er sowohl in Namibia als auch später in Angola alles tun könne, was er nur wollte. Keiner würde ihn aufhalten. Das hat hunderten, wenn nicht tausenden Menschen das Leben gekostet. Was hat sich seit dieser Zeit verändert? Etwas, das sich seit dieser Zeit mit Sicherheit verändert hat - und meine Vorredner haben das auch schon geäußert -, ist das militärische Gleichgewicht. Die angolanische Armee hat sich enorm entwickelt; das Waffenembargo gegen Südafrika fordert seinen Tribut im Bereich der Luftwaffe, und ich glaube mehr als alles andere hat Südafrika heute realisiert, daß es sich den Krieg in Angola aufgrund von militärischen, politischen und wirtschaftlichen Gründen nicht mehr leisten kann. Ich glaube, daß es für uns wichtig ist festzustellen, daß es militärische Gründe sind - die Stärke der Angolaner, die durch die Kubaner unterstützt werden -, daß es wirtschaftliche Gründe sind - wie sie schon von Henning Melber deutlich gemacht wurden -, und daß es politische Gründe sind, warum Südafrika zu Verhandlungen bereit ist. Wir müssen bedenken, daß es politischen Einfluß hat, wenn sogar schon die weiße niederländisch-reformierte Kirche in Südafrika fragt, warum Südafrikaner in Angola kämpfen, und wozu die jungen Männer in Angola sterben. Es sind diese drei Faktoren, die Südafrika dazu gezwungen haben, sich aus Namibia zurückzuziehen. Der einzige Grund, warum sich Südafrika überhaupt dazu bereit erklärte, an den Verhandlungen teilzunehmen, ist der, daß sie sich auf ehrenhafte Art und Weise aus Angola zurückziehen wollten. Südafrika will nicht als der Verlierer die- ses Krieges gesehen werden. Jeder, der die Bilder der südafrikanischen Truppenrückzüge gesehen hat und die großen Schilder gesehen hat, auf denen geschrieben stand: "Willkommen, Ihr Sieger!", der weiß, wie wichtig dieser psychologische Aspekt eines ehrenhaften Rückzugs für die weißen Südafrikaner ist. Doch die eigentliche Frage ist: Wie haben sich die Dinge für Namibia verändert? Die Ausgaben für die militärische Besetzung Namibias sind heute mit Gewißheit viel höher als Ende der 70er Jahre, als Namibia immerhin noch eine profitable Investition für Südafrika war. Doch nach dem Zusammenbruch der Fischindustrie, nach dem Verfall des Kupferpreises und den Schwierigkeiten auf dem Uranmarkt wirft die namibische Wirtschaft für Südafrika weniger Profit ab als vorher. Wie Niko Bessinger schon sagte, sind die Kosten, die anfallen, um Namibia zu regieren, heute wesentlich höher als früher. Es existieren elf verschiedene Regierungen mit elf Bürokratien, und darüber hinaus sind die meisten davon auch noch total korrupt. Südafrika muß also heutzutage eine Unmenge an Geld zahlen, um die Besetzung Namibias aufrecht erhalten zu können. Um Resolution 435 durchzusetzen, ist es wichtig, den Preis für die Besetzung Namibias noch weiter in die Höhe zu treiben; militärisch, politisch und wirtschaftlich. Meines Erachtens wäre es gerade jetzt äußerst wichtig, Sanktionen gegen Südafrika zu verhängen, mit der Begründung, daß es Namibia illegal besetzt hält. Ich glaube, daß im Rückblick auf die Geschichte der Vereinten Nationen zukünftige Generationen fragen werden, wie es möglich sein konnte, daß Südafrika Namibia länger als 20 Jahre illegal besetzt halten konnte, ohne jemals dafür bestraft worden zu sein? Die Sanktionen, die gegenwärtig gegen Südafrika in Kraft sind, wurden verhängt, weil in Südafrika Apartheid existiert, aber nicht, weil es Namibia illegal besetzt hält. Ich glaube, um die tatsächlichen Absichten Südafrikas zu erkennen, müssen wir einen Blick darauf werfen, was in Namibia selbst passiert. Wenn wir uns die militärische Aufrüstung im Land ansehen, dann ist sie kein Indiz für die Bereitschaft Südafrikas, sich aus Namibia zurückzuziehen. Und wenn wir uns die politischen Einstellungen in Südafrika selbst ansehen, dann bereiten sich die weißen Südafrikaner nicht darauf vor, Namibia aufzugeben. Im Ganzen betrachtet möchte ich nicht allzu optimistisch werden, denn ich sehe im Westen keine steigende Bereitschaft, Südafrika aufgrund der illegalen Besetzung Namibias zu bestrafen und den Preis für diese Besetzung weiter in die Höhe zu treiben. Südafrika hat die Verhandlungen auf äußerst geschickte Weise genutzt, es hat fast schon die Initiative gewonnen bezüglich Namibia. Südafrika hat von Angola bekommen, was es wollte - einen ehrenhjten Rückzug - und hat damit gleichzeitig die SWAPO unter lugzwang gesetzt. Um nicht die ohnehin geringen Erfolgsiussichten der Verhandlungen zusätzlich zu gefährden, erkgrte die SWAPO vom 1. September an einen Waffenstillstand. Aber was wird die SWAPO machen, wenn am 1. November die UN-Truppen nicht in Namibia einziehen werden - und daoach sieht es ja aus? Wenn die SWAPO nichts macht, wird 5üdafrika sagen: "Sehr Ihr, die SWAPO hat ihren Kampf beendet. Die Multi-Party Conference kann also weiterregieren!" Die Südafrikaner können auf diese Weise versuchen, die Unterstützung, die die SWAPO in Namibia hat, zu untergrapen" Wenn aber die SWAPO den bewaffneten Kampf wieder gufnimmt, wird Südafrika sagen: "Sehr Ihr, die SWAPO will ja überhaupt keine Lösung. Sie haben den Kampf wieder aufgenommen!" Die Südafrikaner sind sehr, sehr geschickt gewesene und ich glaube, die SWAPO muß sich jetzt zu engen Konsültationen mit ihren Verbündeten zusammensetzen, um diese g$nze Frage zu diskutieren. Denn Südafrikas Ziel ist es, die gOnze Namibia-Frage noch um weitere zehn Jahre hinauszuzögein und sie sind sich dabei ziemlich sicher, daß sie von ilren westlichen Alliierten wahrscheinlich nicht bestraft werden.

Martin Schümer Die Interessenlage und Rolle der USA in den derzeitigen internationalen Verhandlungen Die USA haben in der Gestalt Chester Crockers, des Assistant Secretary for African Affairs im State Department, eine Verhandlungsrolle übernommen. Insofern kommt der Frage, wie die Verhandlungskonzeption der USA aussieht, eine besondere Bedeutung zu. Ich will mich hauptsächlich auf die Frage des Verhältnisses der USA bezüglich der UNITA konzentrieren, weil ich meine, daß das eine der zentralen Schlüsselfragen ist. Ich gehe von der Fragestellung aus, die Herr Ansprenger vorher aufgeführt hat: Ist der bisherige Verhandlungsprozeß ein Erfolg für die USA und inwieweit? Ich stimme ihm in dem einen Punkt zu: Die Ergebnisse von New York, die Erklärung über die 14 Prinzipien haben vor allen Dingen zwei Ergebnisse gebracht, nämlich die Anerkennung des Junktims zwischen dem Abzug der kubanischen Truppen aus Angola und dem Beginn des Unabhängigkeitsprozesses für Namibia entsprechend Resolution 435. Auf der anderen Seite mußte Südafrika die Forderung aufgeben, daß erst nach dem Abzug dieser kubanischen Truppen der Unabhängigkeitsprozeß für Namibia begonnen werden kann. Zwei entscheidende Fragen wurden bei den Genfer Verhandlungen aber nicht gelöst. Das ist einmal der Terminplan für den Abzug der kubanischen Truppen und zweitens das Verhältnis zwischen der MPLA und der UNITA, vor allen Dingen auch was die zukünftige Politik der USA gegenüber der UNITA angeht. In einem weiteren Punkt möchte ich Herrn Ansprenger, wenn auch nur partiell, zustimmen, und zwar was den Druck angeht, den die USA bereit sind auf Südafrika auszuüben. Die USA gingen bei ihrer Verhandlungskonzeption von einer relativ günstigen Lage aus, nämlich der veränderten Lage in drei Bereichen; erstens das militärische Patt in der Krisenregion, zweitens die Kriegsmüdigkeit aller Konfliktparteien und drittens die Kooperationswilligkeit der Sowjetunion und - das ist ein neuer Faktor - auch Kubas. Ich möchte von diesem Punkt aus die Frage aufrollen, inwieweit die USA überhaupt Druck ausüben kann, wenn sie eine verschärfte Sanktionspolitik gar nicht wirklich ausüben will. Ich meine, daß die USA die neuen militärischen Rahmenbedingungen sehr geschickt genutzt haben, die der kubanische Vorstoß nach Süden, im Süden Angolas, geschaffen hat. Und es zeigt sich, daß die USA spätestens seit März diesen Jahres darüber informiert waren, daß Kuba eine Konfrontationsstrategie gegenüber Südafrika plante, nicht nur über den Angriff in Cuito Cuanavale, sondern auch daß der Angriff auf Calueque geplant war. Die Sowjetunion hat offensichtlich diese Konfrontationsstrategie Kubas zu verhindern versucht, aus der Angst heraus, daß damit das neu gewonnene Kooperationsverhältnis zwischen der Sowjetunion und der USA bei Regionalkonflikten gestört werden könnte. Kuba hat sich in dieser Frage durchgesetzt. Es kam dann am 27. Juni zu dem spektakulären Angriff auf den Calueque-Damm. Das Ergebnis im diplomatischen Bereich war, daß Südafrika sehr schnell in New York und dann in Genf zu konkreten Verhandlungen mit konkreten Ergebnissen bereit war. Was für mich nun wichtig ist, ist, daß die USA offensichtlich diesen kubanischen Vorstoß nicht ausdrücklich mißbilligt haben. Sie haben ihn für sich genutzt, die öffentliche Haltung war sehr moderat in dieser Frage. Jetzt zur Frage, wie die USA die Interessenlage der wichtigsten Konfliktparteien sehen. Ich frage jetzt weniger danach, ob diese Einschätzung realistisch ist, sondern wie die USA die Interessenlage zur Zeit sehen. über Südafrika ist hier bereits sehr viel gesagt worden. Ich will das hier ausklammern und mich auf Kuba, Angola und die Sowjetunion konzentrieren. Was Kuba angeht, sehen die USA klar, daß der militärische Vorstoß vorläufig indirekt den diplomatischen Durchbruch gebracht hat, denn vorher hat Südafrika nie konkret verhandelt. Wenn es zu einem Abzug der kubanischen Truppen aus Angola käme, könnte sich Kuba insofern als Sieger dieser Auseinandersetzung betrachten. Das hieße in bezug auf Angola, daß das Prestige Kubas erhalten, möglicherweise eher gestärkt würde, der Einfluß Kubas in Angola wäre sichergestellt. Auf der anderen Seite bestünde die Aussicht für Kuba, daß das Verhältnis zu den USA erheblich verbessert werden könnte. Auf der anderen Seite hat Kuba bei dieser Konfrontationsstrategie demonstriert, daß es dazu bereit ist, ein militärisches Risiko einzugehen, und hat sich damit zumindest partiell unabhängig von dem Einfluß der Sowjetunion gezeigt. Der zweite Punkt: die Sowjetunion. Die Sowjetunion kann, ähnlich wie bei dem Afghanistanmodell, auch im Falle Angolas demonstrieren, daß sie mit ihrer Kooperationsstrategie in enger Zusammenwirkung mit den USA konkrete Erfolge verbuchen kann. Als Beispiel ist anvisiert, daß, sollte es zu einem Abkommen kommen, die Sowjetunion als Garantiemacht auftreten kann. Damit ist die Rolle der Sowjetunion im südlichen Afrika auch gegenüber den USA legitimiert, insofern also die Sowjetunion indirekt aufgewertet. Über Angola braucht man nicht viele Worte zu verlieren. Wenn es entsprechend den Prinzipien von New York zu einem Nichtangriffsvertrag mit Südafrika kommt, dann ist zwar nicht gewährleistet, aber zumindest die Chance gegeben, daß die UNITA-Unterstützung von seiten Südafrikas eingedämmt wird oder möglicherweise verhindert wird, ich würde eher sagen eingedämmt wird. Die Größenordnung soll sich angeblich auf etwa 100 Mio. Dollar pro Jahr belaufen. Das ist, wie wir alle wissen, ein ganz erheblicher Betrag. Auf der anderen Seite hat Angola die Chance, das Verhältnis zu den USA grundsätzlich zu verwandeln, indem die MPLA-Regierung von der Reagan-Administration oder ihren Nachfolgern auch offiziell anerkannt würde. Vor allen Dingen aber könnte Angola dann auch Mitglied des INF und Mitglied der Weltbank werden. Damit würden die Chancen steigen, daß das neue Wirtschafts- und Finanzprogramm, das seit Januar diesen Jahres läuft, wirklich Erfolg hat. Ein Konfliktpartner ist aus der Sicht der USA der große Verlierer, und das ist die UNITA. Das heißt, man muß das Verhältnis der USA zu der UNITA unter dem Aspekt sehen, wie die UNITA in den ganzen Verhandlungsrahmen eingebaut werden kann. Dabei gehen die USA wiederum von dem Afghanistanmodell aus, das heißt, auf der einen Seite erkennen die USA an, daß die Sowjetunion beim Zustandekommen der Ergebnisse in New York und in Genf sehr kooperativ gewesen ist. Auf der anderen Seite ist die Sowjetunion offensichtlich weiterhin gewillt, die MPLA-Regierung militärisch zu unterstützen. Die USA nennen eine Größenordnung von 1 Mrd. Dollar pro Jahr. Ob das realistisch ist oder nicht, ist eine andere Frage. Von daher, aufgrund des Prinzips der Symmetrie, wie es dem Afghanistanmodell zugrundeliegt, sehen die USA ihre militärische Hilfe für die UNITA als legitim an. Und sie sehen eine Verdoppelung der Militärhilfe für das nächste Jahr auf 40 Mio. Dollar vor. Weiterhin gehen die USA davon aus, daß, sollte die MPLA einen Frieden mit Südafrika zum Beispiel durch einen Nichtangriffspakt anvisieren, aufgrund der Unterstützung der Sowjetunion für die MPLA-Regierung und aufgrund der bisherigen Abkommensergebnisse die zweite entscheidende Frage einer politischen Annäherung oder möglichen Versöhnung zwischen der MPLA und der UNITA auch geklärt werden muß, da sonst dieses Friedensabkommen keinen Sinn hat und zusammenbrechen wird. Wie aber geht nun die USA konkret vor? Die Amerikaner versuchen, die UNITA von Südafrika abzukoppeln, und zwar durch mehrere Instrumente. Auf der einen Seite ist nach dem Irangate-Skandal nicht mehr gewährleistet, daß die UNITA die Militärhilfe aus den arabischen Staaten bekommen. Diese Militärhilfe wurde in einer Größenordnung von etwa 60 - 70 Mio. Dollar gewährt. Zweitens muß man die Größenordnung der südafrikanischen Finanz- und Militärhilfe von 100 Mio. Dollar pro Monat bedenken. Insofern sehen es die USA als gerechtfertigt an, wenn sie realistischerweise in der Lage sein sollen, die UNITA von Südafrika abzukoppeln, ihre eigene Militärhilfe an die UNITA auf 40 Mio. Dollar pro Jahr zu verdoppeln. Ein anderes Instrument ist die Verlagerung des Aktionsraumes der UNITA vom Südosten in den Nordosten. Dazu diese spektakulären Informationen, ob sie stimmen oder nicht, bezüglich der Verlagerung des Jamba- Hauptquartiers in den Norden nach Quimbele. Es kommt den USA also hauptsächlich darauf an, die Infrastrukturverbindungen sicherzustellen und zu kontrollieren, z.B. über den Hafen von Matadi in Zaire, über Kinshasa-Flughafen, über die Kamina- Militärbasis in der Shaba-Provinz. Dadurch, daß sie diese Infrastrukturverbindungen kontrolliert, hoffen die USA auch eine größere politische Kontrolle über die UNITA ausüben zu können, und vor allen Dingen die Konfrontationsstrategie, die die UNITA fährt, von einer konventionellen Kriegführung, wie sich das zum Beispiel bei dem Angriff auf Cuimba im Zusammenhang mit den südafrikanischen Streitkräften gezeigt hat, wieder auf eine reine Guerillastrategie zurückzuführen, mit der die UNITA ja im Norden und im Zentrum sehr viel günstigere Ergebnisse hatte. Auf der anderen Seite muß man sehen, daß die UNITA in Washington politisch an Einfluß verloren hat. Man beachte diesbezüglich den Unterschied des spektakulären Empfangs, den Savimbi im Februar 1986 erhielt, als er von Reagan und Außenminister Shultz empfangen wurde und seinen großen Auftritt im Kongreß hatte, zu dem jetzigen Empfang Savimbis in Washington in diesem Sommer. Da ist ein eklatanter Unterschied. Das ist auch dadurch gekennzeichnet, daß zur gleichen Zeit eine hochrangige angolanische Delegation unter Führung des zweiten Mannes der MPLA, Pedro de Castro Van Dunem, in Washington war. Das heißt, das Verhältnis der USA vor allen Dingen auch im Kongreß gegenüber der UNITA ist nach dem Abflauen des Einflusses der Reagandoktrin ein anderes als noch vor zwei Jahren. Insofern hat die UNITA politisch an Einfluß verloren. Zum Schluß noch eine kurze Warnung bezüglich der Frage, wie sich die Situation nach den Wahlen möglicherweise ändert. Ich bin sehr skeptisch, ob das, was Dukakis angekündigt hat, zum Tragen kommt. Ich möchte daran erinnern, daß auch Präsident Carter vor seiner Amtsübernahme erklärt hat, er werde das MPLA- Regime anerkennen. Das ist nicht geschehen, und Außenminister Vance hat in seinen Memoiren deutlich gemacht, daß diese Nichtanerkennung des MPLA- Regimes einer der entscheidendsten Fehler der amerikanischen Afrika-Politik gewesen ist. Auch die Äußerung von Dukakis über Südafrika, "Terroristischer Staat', man sollte die Sanktionspclitik verschärfen, sollte nicht beim Nennwert genommen werden. Die UNITA hat innerhalb der Demokratischen Partei, vor allen Dingen unter den Süddemokraten, weiterhin starken Anhang. Man muß damit rechnen, daß auch eine Regierung Dukakis die UNITA-Hilfe in irgendeiner Form weiterführen wird, vielleicht reduziert, mit anderen Mitteln, aber sie wird möglicherweise nicht sofort gestoppt werden. Außerdem ist die Frage, ob Dukakis an die Macht kommt, ja offen. Bei Bush kann man sicherlich davon ausgehen, daß er die Unterstützung der UNITA weiterführen wird. Nur eine Fußnote gewissermaßen hierzu: Die Lobbyfirma, die die UNITA in Washington vertritt, Black and Rutherford, ist eine der wichtigen Lobbygruppen, die für die Kampagne von Bush eingesetzt wird. Insofern also muß man hier meines Erachtens skeptisch sein. Damit will ich meinen Beitrag schließen.

Dr. Winrich Kühne Welche Rolle spielt der Wandel in der sowjetischen Außenpolitik für die Konfliktlösung im Südlichen Afrika? Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie haben noch etwas Platz in Ihrem Kopf für die Behandlung einer eigentlich sehr komplizierten Frage, nämlich inwieweit die Veränderung in der sowjetischen Politik zu einer Veränderung im südlichen Afrika beiträgt. Uschi Eid hat heute morgen schon ansatzweise beschrieben, daß ohne diese Änderungen es die Situation möglicherweise, über die wir im Moment diskutieren, gar nicht gäbe. Und ich glaube, einem aufmerksamen Beobachter ist nicht entgangen, daß kein Zufall besteht, daß die Dinge sich in Angola und Namibia in dem Moment bewegt haben, als klar war, daß die sowjetischen Truppen aus Afghanistan abziehen würden, daß heißt man sich hierüber geeinigt hatte. Das hat für die Dynamik einen unmittelbaren Zusammenhang. Ich will in der kurzen Zeit versuchen, einige Hintergründe zu bringen, denn meistens wird der Fehler gemacht, den Wandel in der sowjetischen Afrikapolitik aus den afrikanischen Bedingungen zu erklären. Der Wandel hat aber mit Afrika relativ wenig zu tun. Und auch das gewandelte Vorgehen der Sowjetunion im südlichen Afrika hat mit den Ereignissen im südlichen Afrika relativ wenig zu tun, sie sind die unbedeutendsten. Ich werde versuchen, stichwortartig die grundsätzlichen Fragen, die zu diesem Wandel geführt haben, anzureißen. Das erste Mißverständnis in unserer öffentlichen Debatte ist ganz generell, daß es sehr fashionable geworden ist, Gorbatschow und den Wandel der sowjetischen Politik für identisch zu halten. Das ist falsch. Der Wandel in der sowjetischen Politik und vor allem in der sowjetischen Dritte-Welt-Politik existiert schon viel länger. In Afrika ist nicht Gorbatschow die Wende gewesen, sondern schon das Jahr 1981, also Anfang der 80er Jahre, als der Ostblock, der RGW, also die östliche EG, erst Mozambique 1981 und dann Äthiopien 1985 die Aufnahme in den östlichen Wirtschaftsblock verweigert hat und damit klargestellt hat, daß sie an einer Hegemonie in Afrika nicht interessiert ist. Entgegen allem, was viele im Westen denken. Sie hat sich dann auch geweigert, 1982 in Mozambique trotz Anfrage nachhaltig militärisch einzusteigen. Das entsprach auch nicht dem konventionellen Verständnis im Westen. Sie hat sich auf gleiche Weise in Zimbabwe geweigert. Zweitens: Bei dem Wandel der sowjetischen Dritte-Welt-Politik und speziell im Hinblick auf Afrika geht es für die sowjetische Außenpolitik in erster Linie um etwas viel Grundsätzlicheres, nämlich sich außenpolitisch zugunsten eines intensiveren Angehens der internen Probleme in der Sowjetunion zu entlasten. Mit anderen Worten: Man will Ballast abwerfen, weil man glaubt, daß man die Kräfte auf die internen Probleme der

Sowjetunion reduzieren muß. Das ist ein Hauptbestandteil des Neuen Realismus. Und das südliche Afrika, das Engagement in Äthiopien, Angola und Mozambique wird heute ganz überwiegend als Ballast angesehen. Vor allen Dingen das starke militärische Engagement. Das erklärt einen erheblichen Teil des Sinneswandels. Dieser Sinneswandel, und das verbindet sich mit dem, was Martin Schürmer gesagt hat, trifft zusammen mit dem derzeitigen Wunsch in Moskau, kein allzu gestörtes Verhältnis zu den USA zu haben. Das heißt, das Interesse, zur Klärung globalpolitischer Fragen, sprich Rüstungskontrolle, sprich Wirtschaftszusammenarbeit mit dem Westen etc., gute und kooperative Beziehungen zu den USA zu unterhalten, ist ihnen weit wichtiger als das südliche Afrika. Im Gegenteil, in Moskau gibt es erhebliche Befürchtungen, daß es zu Eskalationen der Konflikte im südlichen Afrika kommen könnte, da man weiß, wie hoch die Empfindlichkeitsstufe an diesem Punkt in Washington ist. Der Wunsch wird auch in Zukunft so bestehen, daß es möglichst nicht zu Eskalationen kommt. Ich war Ende 1986 in Moskau und habe da ziemlich rundrum Gespräche geführt. Ich war überrascht, wie ablehnend man zum Beispiel der Eskalation in den Townships gegenüber stand. Man wollte diese Aufstände nicht haben, weil man sie für unkontrolliert und schädlich, letzten Endes für einen Störfaktor der globalpolitischen Interessen der Sowjetunion hielt. Drittens: Das alles hängt mit einer noch grundsätzlicheren Entwicklung zusammen. Sie werden in Moskau kaum noch jemanden finden - und immer mehr Leute schreiben das sogar ganz offen, prominente sowjetische Dritte-Welt- Autoren wie Kewa, Mirski und andere Leute -, der ernsthaft daran glaubt, daß es in Afrika um eine Auseinandersetzung Sozialismus versus Kapitalismus geht. Das heißt, daß der Spruch, der in der Chruschtschow-Ära eine große Rolle spielte: "Wir werden den Westen in der Dritten Welt und speziell in Afrika begraben", dieser Spruch hat heute in Moskau keine Gültigkeit mehr. Das heißt, die sowjetische Politik in Afrika wird nicht mehr von der Erwartung getragen, daß man das Kap, die Kap-Route, Mineralien und Rohstoffe und alles, was da dranhängt, beherrschen kann. Das ist kein Faktor mehr in der sowjetischen Politik, jedenfalls kein entscheidender. Das alles hat natürlich die Ausgangslage für Moskau und für die sowjetische Politik vollkommen verändert. Es erklärt, warum man heute ein so nachhaltiges Interesse an Verhandlungen hat. Allerdings - und das ist eine Fehleinschätzung, der die Südafrikaner wohl unterlegen sind - heißt das nicht, daß die sowjetische Politik sich aus Afrika zurückzieht, das heißt vor allen Dingen nicht, daß die sowjetische Politik ihren Anspruch aufgibt, eine den USA ebenbürtige militärische Großmacht zu sein. Das heißt für Südafrika, daß man einerseits jetzt auch mit den Weißen sprechen will, andererseits aber den ANC und den bewaffneten Kampf nicht kurzfristig fallenlassen wird. Es heißt für Angola, daß man selbst - und da.: trifft für Moskau und für Kuba zu - nur unter Bedinguingen gehen wird, die die sowjetische Glaubwürdigkeit als glzbale Macht erhalten. Es bedeutet außerdem die Verwirkliclhung von Resolution 435. Of-fensichtlich hatten die Südafrikaner geglaubt - und es gibt in der Washington Times von Anfang des Jahres Interviews mi-t Präsident Botha, wo er gesagt hat, daß er jetzt auch gehZ5rt hätte, daß Gorbatschow ein sehr vernünftiger Mann wäre urnd daß die Russen jetzt endlich zur Vernunft kommen und sahnell ihre Koffer packen und aus Afrika verschwinden würden. Danach haben sich die südafrikanischen Truppen in Cuanmvale festgefahren, und im Juni standen zur überraschung dEr südafrikanischen Militärs die Kubaner an der Grenze Nami blas. Im Gegensatz zu Martin Schümer glaube Ich nicht, daß es grundlegende kubanisch-sowjetische Differenzen bei diesem Vorgehen gibt. Es stimmt, daß die Kubaner sehr viel aktiver ur-d offensiver sind und daß die Sowjetunion wohl an einer schnelleren Lösung interessiert ist als die Kubaner. Die Sowjetunion hat aber diesen ganzen Zeitraum hindurch ihre W-ffenlieferungen an Angola und natürlich auch an Kuba fortgfsetzt. Wenn die Sowjetunion das stoppen will, weil es ihr nicht paßt, kann sie das jederzeit tun. Ich glaube, da bestehEn auf südafrikanischer Seite falsche Hoffnungen über kubanie sch-sowjetische Divergenzen. ZLim Schluß einige Worte direkt zu den Angola-Verhandlungen urid über die sowjetische Rolle dabei. Der Durchbruch in der sowjetisch-amerikanischen Annäherung ist am 18./19. Mai dieses Jahres in Lissabon bei einem Treffen zwischen dem sowjetischen Außenminister Adamischin und Chester A. Crocker gekczmmen. Sie haben in einer zweitägigen Arbeitssitzung einen bis heute gültigen Konsens gefunden, wie man den Konflikt in Atngola und Namibia lösen will. Dieser Konsens ist inzwischen auch sichtbar geworden und sieht folgendermaßen aus: Die S

Drittens hat die Sowjetunion wohl akzeptiert, daß ein Preis der Namibia-Lösung die Auflösung der ANC-Lager in Angola sein wird. Die sechs oder sieben ANC- Lager in Angola sind die eigentlich wichtigen. Sie sind hier noch nicht zur Sprache gekommen. Die ANC-Lager in Namibia sind militärisch vollkommen uninteressant. Wer die Landkarte kennt, sieht, daß Namibia kein InfiItrationsgebiet ist. Und es spricht alles dafür, daß Moskau es akzeptiert, daß als Teil einer Verwirklichung von 435 diese Lager aufgelöst werden. Man muß es mal ganz deutlich sagen: Den Preis für eine Namibia-Lösung wird der ANC bezahlen und niemand anders, mehr noch als die UNITA. Viertens hat, wie angedeutet, Moskau sich bereit erklärt, hier auch eine leichte Abweichung von Martin Schümer, innerhalb einer Sicherheitsrats-Lösung, nicht als Einzelmacht, eine internationale Lösung mit zu garantieren. Da sind wir uns einig. Daß die Sowjetunion direkt garantiert, geht nicht, sondern nur über den Sicherheitsrat. Dieses Papier ist dann so wie es vorgelegt worden ist von Reagan und Gorbatschow Ende Mai/ Anfang Juni bei dem Gipfeltreffen in Moskau akzeptiert worden. Gleichzeitig wurde auch der berühmte 29. September als Stichdatum angesetzt, der, wie wir alle wissen, nicht realistisch ist. Zum Schluß drei Thesen: Im Grunde hat diese eher weltpolitische als regionale Veränderung die Dinge im südlichen Afrika auf eine ironische Weise auf den Kopf gestellt. Ich würde sagen, viele Grundannahmen, die vor einigen Jahren noch galten, gelten nun nicht mehr, sondern sie haben sich zum Teil genau umgekehrt. Deswegen rätseln wir wahrscheinlich heute auch so, was eigentlich passieren wird. Zum Beispiel ist es so, daß Crocker für seine unglückliche Politik des "constructive engagement" zum Schluß natürlich leicht einen Erfolg oder einen Teilerfolg für sich verbuchen kann, aber es besteht kein Zweifel, daß dieser Erfolg - Martin Schümer hat das angedeutet - mit Mitteln erreicht wurde, die genau das Gegenteil von dem sind, was er mit "constructive engagement" ursprünglich wollte. "Constructive engagement" war eine Politik, die gegen die kubanische Präsenz und gegen Sanktionen im amerikanischen Kongress ausgezogen war. Die Realität ist, daß die Verhandlungen gerade durch die kubanische Offensive und durch die umfassende Sanktionsgesetzgebung, die dem amerikanischen Kongress vorliegt und die das Repräsentantenhaus bereits passiert hat, in Schwung gekommen sind. Das ist die eine Ironie, die andere Ironie ist, daß die Sowjetunion, aber auch Kuba, sich heute darüber im klaren sind, daß sie nur noch auf der Basis des Reagan- linkage mit gewahrtem Gesicht aus Angola herauskommen. Das heißt für sie, auch für ihr innenpolitisches Publikum, ist wichtig, daß sie zurückkommen und sagen können, unsere Präsenz, unser Einsatz und die Kosten und Verluste waren nicht umsonst, sondern unser Ziel, die Verwirklichung von Resolution 435, haben wir erreicht. Deswegen auch plötzlich die einfache Verständigung mit den USA über das linkage. Die große Unsicherheit im Rahmen des Wandels der sowjetischen Politik betrifft eigentlich Südafrika. Langsam und mit der üblichen Zeitverzögerung wird dieser Wandel auch in Südafrika bekannt und sogar sehr heftig diskutiert. Denn vor allem in der weißen Politik entfällt damit eigentlich der Hauptpfeiler für die totale Strategie zur Verteidigung des weißen Systems, der berühmt-berüchtigte communist onslaught. Man muß sich vergegenwärtigen, daß durch ein südafrikanisches Gesetz, das Antikommunismus-Gesetz von 1950, zwischen der Verteidigung des weißen Minderheitenregimes und dem Antikommunismus nicht nur eine politische, sondern auch eine gesetzliche Verbindung besteht. Der Kampf gegen den Kommunismus und die Verteidigung des weißen Minderheitsregimes ist in Südafrika gesetzlich identisch. Diese Politik bricht jetzt zusammen und damit bricht in gewisser Weise langfristig gesehen, psychologisch gesehen - man redet in Südafrika bereits von dem Vietnam-Effekt - möglicherweise die militärische Regionalstrategie zusammen. Ich bin der überzeugung, daß man in Pretoria selbst noch nicht weiß, ob Südafrika nun implementieren wird oder nicht, deswegen werden wir hier weiter rätseln, weil man sich nicht darüber im klaren ist, ob die Implementierung von 435 eine Art psychologische Vorentscheidung über Südafrika selbst ist. Vielen Dank.

Disk ussion Theo Ben Gurirab: Thank you very much, Mr. chairman, I will try to be brief, because I too hope to benefit from the subsequent cross-federalization of ideas generated by very worthy and concentrated discussions that preceeded my taking the floor at this point. Some specific questions were put to us, SWAPO that is, and I thought I would run through them. I probably would not do justice to them because that would require an independent hearing, because some of them are quite substantive. But I must confess right at the outset that I get a bit perturbed sometimes, I get even confused about some of the questions. They reflect a certain degree of ignorance, simply in the sense that some people are not involved as I would like them to be involved in the Namibian discussion, and continue to raise issues that were long resolved, that not even South Africa is asking anymore. That we should divert from the agenda which is very much stimulating to try to answer these questions is a waste of time and that adds up to unfortunately contributing further towards delay of Namibia's independence. But I will try to attempt to answer some of the questions. One was, probably I did not get all of them down, one question was whether SWAPO believes that it enjoys country-wide support in all regions and among all the ethnic groups of Namibia, including whether SWAPO thinks it enjoys support among refugees, Namibian refugees that is. Yes, we do! Yes, we do, and very much so indeed! The way to test that claim on our part is to do what we can individually and collectively to convince South Africa that the best way to test SWAPO is to allow free elections in Namibia, so that the Namibian people themselves can decide. There is no point in debating the point and for the past ten years we have said and repeated ourselves ad infinitum that we are ready for free elections in Namibia. South Africa knows what we are saying. We know that they themselves have carried out secret elections, not elections assembling goals, and they convinced themselves that if free and fair elections are held, SWAPO will indeed win hands down. That is why South Africa and their friends, when Reagan came about, decided to engage us in yet another round of negotiations which led to the production of the principles for the constituent-assembly and for the constitution of independence of Namibia. So as to bind us in advance of elections so that we do not gain 2/3 majority. So, the champions of democracy are sabotaging democracy even in advance of its fruition in Namibia.

Yes, we are confident we will gain total support of our people. Same question: Is SWAPO confident that it will win 2/3 majority? Let's put the question to test. We believe we can. We know we can. The best way to test us is to open the doors for free elections in Namibia. There was a question about Constitution of Principles. Constitution of Principles were adopted in 1982. It was not our idea, it was the idea that came out of Chester Crocker's head contrary to the letter and spirit of Resolution 435. The elections in Namibia as provided for under 435 are about constituent-assembly which will conceive, draw up and adopt the constitution. A constitution that will be drawn up by elected representatives of the Namibian people. But later he suggested the way to induce South Africans to allow elections in Namibia is to agree to these principles. '82 we did - six years later we are still talking about the constitution of principles. The question of how many elections, whether after the election for the constituent-assembly another round of elections would be held, the resolution is silent on that question. The same constituent-assembly which by whatever majority is confident to adopt the constitution can recommend as to what should be done next. And nobody has brought up that question, at least not in the negotiations. The matters relating to independent judiciary, frequent elections, the nature of the organization of the government, the parliament and so on, these things have long been resolved. Probably interesting questions for academics and scholars, but at the level of our negotiations these issues have been resolved. SWAPO has never said that other groups do not exist, because that would be again a contradiction in terms. Already in 1975 I was asked a lot of questions by our friends in the UN when we accepted the concept of free elections in Namibia, even before Resolution 385 was adopted in 1976, people who have mobilized international support for SWAPO, who considered SWAPO as the sole and authentic representative could not understand why SWAPO would want to participate in elections, which by implications meant that we would be competing against others. People wanted to know, are you crazy? You are already enjoying international support, we are confident that you enjoy the support of your people, why would you want to participate in elections? I had to try to convince our friends why we wanted to participate in elections. I said that all that we are asking the international community to do is to ensure that elections are free and fair, not supervised by South Africa but by an interna- tional body. The idea of United Nations came up later. Any other international body that would appear in the eyes of our people as being impartial. We were ready to submit to the veto of our people. We have been repeating ourselves saying that. The fact that we are saying we want to campaign and participate in elections does mean we recognize the existence of others. What we are saying, however, is that before those wonderful things happen, before democracy is born in Namibia, our country is presently occupied by a colonial power, and Namibian people have the duty to fight to liberate themselves until a cease-fire is signed. In that struggle we find very few organised Namibians standing along with us, side by side with us, fighting against that illegal occupation and militarization of our country. We find ourselves alone in that battle! Yes, there are churches fighting alongside with us, but in terms of those who call themselves political parties, political organizations, we are still looking for patriots to come and join us to fight. In that fight we find ourselves standing alone! But we have never said that other groups do not exist who do not consider themselves to be fighting against us. The question of minority rights and the protection of the minority interests ... the more these kind of questions are raised, the more one begins to wonder whether the suffering of our people, the cries of-our people are not heeded by the international community. Different speakers have characterized the misery, the anguish, the victimization that the Namibian people are forced to go through daily. And instead of talking about the suffering that we see now we are imagining suffering that minorities, so called, would be subjected to by a SWAPO government. What about the suffering of the black people now? The total denial of their basic political, civil and human rights? Why don't we sometimes call meetings to talk only about that and not imagine. Our record is clean! We have been spending so much time. We are not talking about our compatriots, compatriots representing the white population. We wish we were treating them as human beings and not worry about what colour they are. I consider this man here a Namibian. He is a Namibian. I don't care about his colour. But since we are living under the realities of Apartheid, we have to make an extra effort to organize meetings to ask our friends to spend money to bring us together so that we can talk to them, because they have been made to believe, i.e. some of them, they are victims, too, of Apartheid. To that extent, yes, we are talking to them, but we don't want to be seen to be preoccupying ourselves about convincing them. We would be lying to them that business is as usual. Yes, just go ahead! Even after independence you will have business as usual. That would not be true! When change comes it must be seen as change by all of us. As we, as some of us are sacrificing now for the liberation of our country, we will be calling upon some of our communities to also do some sacrificing for better, for good, for all of us in Namibia. The last point: Composition of UNTAG, that problem has been solved. Maybe now we have to go back, because some of the countries that were earlier designated to serve on the military side of UNTAG are now triying to swim themselves out of floods. So I will run down the seven countries which agreed earlier: Finland, Panama, Bangladesh, Malaysia, Sudan, Togo, Yugoslavia. There is something called "equitable, geographical distribution" In the UN. So you have to get somebody from everywhere, and these are safe countries that both SWAPO and South Africa can live with. Thank you! Theo Ben Gurirab: Vielen Dank. Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen, denn ich hoffe, auch ich werde von dem folgenden Gedankenaustausch profitieren, der durch die sehr wertvollen und konzentrierten Diskussionsbeiträge in Gang gesetzt wurde, die meinem jetzigen Beitrag vorausgingen. Uns, das heißt der SWAPO, wurden einige spezifische Fragen gestellt, und ich will diese jetzt hier durchgehen. Wahrscheinlich werde ich den Fragen in meinen Antworten nicht gerecht werden. Das würde ein eigenständiges Hearing erfordern, denn einige Fragen sind sehr tiefgehend. Ich muß aber direkt zu Beginn sagen, daß mich einige Fragen doch sehr beunruhigen, ja sogar zum Teil sehr verwirren. Sie reflektieren ein gewisses Maß an Unwissenheit. Es wird klar, daß sich einige Leute mit der Namibia-Frage nicht so tiefgreifend auseinandersetzten, wie ich es mir wünsche. Diese Leute stellen Fragen, die schon längst geklärt sind, Fragen, die noch nicht einmal Südafrika mehr stellt. Diese Fragen hier beantworten zu wollen, ist vertane Zeit und hält uns von der spannenden Tagesordnung ab. Unglücklicherweise trägt so etwas dazu bei, Namibias Unabhängigkeit noch weiter hinauszuzögern. Aber ich will trotzdem versuchen, einige Fragen zu beantworten. Ich habe wahrscheinlich nicht alle Fragen notiert, aber unter anderem wurde die Frage gestellt, ob die SWAPO glaubt, daß sie in Namibia landesweite Unterstützung unter allen ethnischen Gruppen und in allen Regionen genießt, ob die SWAPO glaubt, daß sie diese Unterstützung auch unter den namibischen Flüchtlingen genießt? Ja, das denken wir schon. Ja, wir glauben sogar, daß die Unterstützung für uns sehr groß ist. Der einfachste Weg, das zu beweisen und die SWAPO zu testen, ist, Südafrika davon zu überzeugen - und hier jeder einzelne und wir alle gemeinsam -, freie Wahlen in Namibia durchzuführen, damit das namibische Volk selbst entscheiden kann. Das macht keinen Sinn mehr, das zu debattieren. Wir haben in den letzten zehn Jahren bis zum Überdruß gesagt, daß wir bereit sind, uns freien Wahlen in Namibia zu stellen. Immer wieder haben wir das wiederholt. Südafrika weiß das! Wir wissen, daß Südafrika bereits geheime Wahlen hat durchführen lassen - sinnlose, ziellose Wahlen. Aber sie wurden durch diese geheimen Wahlen davon überzeugt, daß die SWAPO freie und faire Wahlen gewinnen würde, ohne auch nur den kleinen Finger dafür zu krümmen. Das ist der Grund, warum Südafrika zusammen mit seinen Freunden, zur gleichen Zeit, als Reagan an die Macht kam, beschloß, uns mit noch einer weiteren Verhandlungsrunde zu beschäftigen. Dies führte zur Aufstellung eines Grundsatzprogramms, das schon jetzt für die noch zu wählende verfassungsgebende Versammlung sowie für die Verfassung eines unabhängigen Namibias ausgearbeitet vorliegt - und dies nur, um uns vor den Wahlen zu bändigen, damit wir bei den Wahlen die Zweidrittel-Mehrheit nicht erreichen. Die Verfechter der Demokratie sabotieren also die Demokratie, noch bevor sie in Namibia verwirklicht werden kann. Ja, wir sind überzeugt, daß wir die volle Unterstützung unseres Volkes gewinnen werden. Die nächste Frage ist inhaltlich gleich: Ist die SWAPO davon überzeugt, daß sie bei Wahlen die Zweidrittel-Mehrheit erreichen wird? Laßt uns doch den Test machen! Wir sind davon überzeugt, daß wir diese Mehrheit erreichen könnten. Wir wissen, daß wir sie erreichen können. Welches ist die beste Methode, uns zu prüfen? öffnet die Tür für freie Wahlen in Namibia! Eine andere Frage bezog sich auf die "Constitution of Principles". Diese "Constitution of Principles" wurde 1982 angenommen. Es war nicht unsere Idee. Die Idee entstand in Chester Crockers Kopf - eine Idee, die im Gegensatz zu Buchstaben und Geist der Resolution 435 steht. In 435 ist festgelegt, daß aus den Wahlen eine verfassungsgebende Versammlung hervorgehen soll, die dann die Verfassung für Namibia entwirft und verabschiedet, das heißt die Verfassung wird von den gewählten Repräsentanten des namibischen Volkes erarbeitet. Aber Crocker schlug später vor, daß man Südafrika dazu veranlassen könnte, Wahlen in Namibia durchzuführen, wenn wir uns mit der "Constitution" einverstanden erklären würden. 1982 erklärten wir uns dann einverstanden. Heute, sechs Jahre danach, reden wir noch immer über die "Constitution of Principles". Es geht darum, wieviele Wahlen es geben soll, ob es nach den ersten Wahlen für die verfassungsgebende Versammlung noch weitere Wahlen geben soll - darüber schweigt sich die Resolution aus.

Wir können davon ausgehen, daß die verfassungsgebende Versammlung - egal mit welcher Mehrheit - die Verfassung annehmen wird. Die Versammlung kann dann vorschlagen, welcher Schritt als nächster getan werden soll. Mit dieser Frage hat sich bis heute noch niemand beschäftigt, zumindest nicht im Rahmen der Verhandlungen. Fragen, die sich auf ein unabhängiges Rechtswesen beziehen, die sich mit den Wahlen beschäftigen, der Organisation der Regierung, des Parlaments etc. - diese Fragen sind schon längst gelöst. Das sind interessante Fragen für Akademiker und Gelehrte, doch im Rahmen unserer Verhandlungen sind sie schon lange gelöst worden. Die SWAPO hat niemals behauptet, daß andere Organisationen nicht existieren würden. Das wäre ein Widerspruch in sich. Als wir 1975 das Konzept freier Wahlen in Namibia akzeptierten, stellten uns unsere Freunde in den Vereinten Nationen viele Fragen; Leute, die für die SWAPO auf internationaler Ebene große Unterstützung mobilisiert hatten; Leute, die die SWAPO als die einzige authentische Repräsentantin ansahen. Sie konnten nicht verstehen, warum die SWAPO an Wahlen teilnehmen wollte - Wahlen, die bedeuten würden, daß die SWAPO gegen andere Organisationen antreten müßte. Die Leute fragten uns, ob wir denn verrückt seien? Sie sagten: "Ihr genießt internationale Unterstützung, wir vertrauen darauf, daß Ihr diese Unterstützung auch bei Eurem Volk genießt, warum wollt Ihr an Wahlen teilnehmen?" Ich mußte mich bemühen, unsere Freunde davon zu überzeugen, daß es einen guten Grund für unser Einverständnis gab. Ich sagte, daß alles, worum wir die internationale Gemeinschaft bitten, die Sicherstellung freier und fairer Wahlen ist; Wahlen, die nicht von Südafrika, sondern von einer internationalen Organisation kontrolliert würden. Daß das die Vereinten Nationen sein würden, ergab sich erst später. Es sollte eine internationale Organisation sein, die unser Volk als unparteiisch anerkennen würde. Wir waren bereit, das Votum unseres Volkes zu akzeptieren. Das haben wir immer wieder gesagt. Wenn wir sagen, daß wir dazu bereit sind, an Wahlen teilzunehmen, so bedeutet das auch gleichzeitig, daß wir die Existenz anderer Organisationen anerkennen. Aber bevor all diese wunderbaren Dinge geschehen, bevor also die Demokratie in Namibia geboren wird, muß unser Land, das zur Zeit noch von einer kolonialen Macht besetzt gehalten wird, befreit werden. Das namibische Volk hat die Verpflichtung, für die Befreiung solange zu kämpfen, bis ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet ist. In diesem Kampf für unsere Befreiung sind nur ganz wenig organisierte Namibier an unserer Seite - wenige, die Seite an

Seite mit uns gegen die illegale Besetzung und Militarisierung unseres Landes kämpfen. In diesem Kampf stehen wir alleine! Ja, es gibt Kirchen, die zusammen mit uns kämpfen, doch im Bereich der sogenannten politischen Parteien, der politischen Organisationen, sehen wir uns nach wie vor nach Gleichgesinnten um, die bereit sind, Seite an Seite mit uns zu kämpfen. In diesem Kampf sind wir ganz alleine! Aber wir haben nie behauptet, daß andere Gruppen nicht existieren, das heißt Gruppen, die sich nicht als unsere Feinde verstehen. Die Frage nach den Minderheitenrechten und der Schutz der Interessen von Minderheiten ... je öfter diese Fragen gestellt werden, desto häufiger beginnt man sich darüber zu wundern, ob das Leiden unseres Volkes, die Aufschreie unserer Menschen von der internationalen Gemeinschaft nicht beachtet werden? Die verschiedenen Sprecher und Sprecherinnen haben auf die Misere, die Qualen, die Verfolgungen, die das namibische Volk tagtäglich durchleiden muß, hingewiesen. Aber anstatt über das Leiden zu sprechen, das wir heute sehen können, versuchen wir uns vorzustellen, wie sehr diese sogenannten Minderheiten unter einer SWAPO-Regierung zu leiden hätten. Doch ich frage, wie steht es heute um das Leiden der schwarzen Menschen? Und wie um die totale Negierung jeglicher politischer, ziviler Rechte sowie der Menschenrechte? Warum werden nicht manchmal Konferenzen einberufen, die sich ausschließlich mit diesen Dingen beschäftigen, anstatt sich viele andere Dinge lediglich vorzustellen? Unsere Akte ist sauber! Wir haben viel Zeit vergeudet, und jetzt sprechen wir hier über unsere Landsleute, die die weiße Bevölkerung repräsentieren. Wir werden sie als menschliche Wesen behandeln und uns keine Gedanken darüber machen, welche Hautfarbe sie haben. Ich betrachte diesen Mann hier als Namibier. Er ist Namibier. Seine Farbe ist mir egal! Aber da wir unter den Realitäten der Apartheid leben, müssen wir uns besonders anstrengen, um überhaupt zusammenzukommen. Wir müssen unsere Freunde darum bitten, Geld in Konferenzen zu investieren, damit wir miteinander reden können, denn einigen von ihnen wurde immer erzählt, sie wären auch Opfer der Apartheid. Ja, was diesen Bereich betrifft, so sind wir bereit, mit ihnen zu sprechen. Doch wir weigern uns, unsere Zeit in pure überzeugungsarbeit zu investieren. Wir würden lügen, wenn wir behaupten würden, daß die Geschäfte so weiterlaufen könnten wie bisher. Nach dem Motto: Nur weiter so! Auch nach der Unabhängigkeit werdet Ihr Eure Geschäfte weiter abwickeln können - so wie immer, so als hätte sich nichts verändert. Nein, das wäre unehrlich! Wenn sich in Namibia die Umstände verändern, so muß das eine Veränderung für uns alle bedeuten. So wie wir, so wie einige von uns schon heute

Opfer für die Befreiung unseres Landes bringen müssen, so werden wir einige unserer Gemeinschaften dazu auffordern, ebenfalls Opfer zu bringen, damit es allen in Namibia besser geht. Der letzte Punkt: die Zusammensetzung von UNTAG. Dieses Problem wurde gelöst. Aber vielleicht muß das jetzt noch einmal diskutiert werden. Einige Länder versuchen nämlich gerade, sich aus der Verantwortung zu stehlen, das heißt einige der Länder, die dazu ausersehen waren, im militärischen Bereich von UNTAG zu dienen. Die sieben Länder, die sich zuvor bereit erklärten, an den UNTAG-Streitkräften teilzunehmen, sind Finnland, Panama, Bangladesh, Malaysia, Sudan, Togo, Jugoslawien. Es gibt in der UN so etwas wie eine "gleichberechtigte geographische Verteilung"; das bedeutet, daß aus jedem Teil der Welt sogenannte vertrauenswürdige Länder ausgewählt werden, die sowohl von der SWAPO als auch von Südafrika akzeptiert werden können. Vielen Dank! Prof. Helmut Bley: Ich glaube, es war sehr wichtig, daß wir nach einem langen Nachmittag, wo die Frage: "Wird abgekoppelt, wird nicht abgekoppelt? Geht die namibische Unabhängigkeit in diesen Verhandlungen den Bach herunter oder nicht? Meinen es die Großmächte beide ernst oder nicht? Wollen die Südafrikaner letztendlich ja oder nein?" die Stimme der SWAPO noch mal mit Nachdruck gehört haben, damit das nicht vergessen wird in diesem Elefentenrennen. Man kann aus den Expertenergebnissen, welche Tendenz diese Verhandlung hat, glaube ich, sehr verwirrt herausgehen. Die Stimme der Namibier, die im Moment in ihrem Heimatland leben können, hat ja sehr düster und sehr pessimistisch geklungen. So pessimistisch hat sie auch auf dem Weltkirchentag geklungen. Und ihr Pessmismus ist natürlich auch eine Nachricht für uns. Was übrig bleibt, wenn man nicht weiß, ob die Großmächte es wirklich ernst meinen in dieser Frage, besonders die Amerikaner, und ob die Südafrikaner den Spielraum auszuweichen bekommen, ist die Frage an uns als eine Mittelmacht im Westen, was zu tun ist. Und ich glaube, eine wichtige Nachricht, die wir hier bekommen haben, ist, daß die Sanktionen Südafrika an den Verhandlungstisch gezwungen haben, weil sie schon mit dem Minimum an Sanktionen weder ökonomisch noch militärisch In der Lage sind, gegen einen Staat wie Kuba und Angola einen Krieg zuführen, der auch noch ein Krieg ist mit Beteiligung der SWAPO. Das, glaube ich, ist ein ganz wesentlicher Punkt, daß wir uns keine Gedanken machen müssen, ob der Witwatersrand zusammenbricht oder ob es Massenarbeitslosigkeit in Südafrika gibt, sondern die Zahlungsbilanz und die militärische Hardware sind es, die in ganz kurzer Zeit mit sehr geringer Tiefenwirkung auf die ökonomie in Südafrika (das heißt ohne allzu große Auswirkungen auf das zivile Leben) dieses Land kriegsunfähig machen werden. Und genau das ist es, was wir anstreben sollten. Das wird sie an den Verhandlungstisch bringen. Und ich glaube, daß das hier eine Frage ist, die wir gegenüber der Bundesrepublik in bezug auf die Sanktionsfrage mit Härte bringen müssen. Der andere Punkt ist sicherlich die Abkoppelungsfrage. Jedes Abkoppeln Namibias und das Fallenlassen von 435 gefährdet meiner Meinung nach die Kooperationsbereitschaft der Sowjetunion und der USA miteinander. Das wäre dann einer der Krisenherde, in denen ausgetrickst und die Ernsthaftigkeit der Sowjetunion getestet wird, ob sie sich als Weltmacht versteht. Und das geht schief. Der weitere Punkt ist, daß dieser Konfliktherd dann nicht bereinigt wird, und die Prognose der namibischen Redner dieser Tagung, daß die Explosion in Südafrika verheerende Folgen auch für die Entwicklungsfolgen in Namibia haben wird, wenn der Konflikt dort eskaliert, weist uns auch darauf hin, daß wir zunächst und so schnell wie möglich in Namibia Frieden schließen lassen sollen. Dementsprechend kann man nur sagen, daß wir die Sanktionsfrage mit dieser Frage viel enger verknüpfen müssen und die Abkoppelungsfrage ganz eindeutig dahingehend klären, daß sie unter keinen Umständen stattfinden darf, denn sonst wird ein wichtiger Regionalkonflikt nicht entschärft, sondern er wird mit der Endfrage in Südafrika verkoppelt, und die ganze Sache geht dann insgesamt für die Weltpolitik schlechter aus. Frank Thomas Gatter: Ich-kann Helmut Bley nur ganz nachdrücklich unterstützen für das, was er eben gesagt hat. Ich möchte das um einen Punkt ergänzen. Ich glaube nicht, daß wir so optimistisch sein können, zu glauben, daß man jetzt schon überlegen muß, ob man die Arbeit in bezug auf das südliche Afrika einstellen soll, weil ja offenbar die Lösung der Probleme vor der Tür steht. Ich glaube das überhaupt nicht, sondern ich glaube, daß diese Probleme uns noch die nächsten Jahre beschäftigen werden, und zwar unabhängig davon, ob mit der Implementierung von 435 angefangen wird. Die historischen Erfahrungen mit formaler Unabhängigkeit zeigen, daß unsere Freunde aus Namibia, wenn wirklich formal die Unabhängigkeit eingeleitet wird, in der Übergangsphase dann umso stärker unsere Solidarität brauchen. Und ich glaube, daß wir die nächsten Jahre noch sehr wachsam sein müssen und weiter an der Lösung der Probleme mitarbeiten müssen. Weil ich das glaube, denke ich, daß wir in 1992 ein wichtiges Datum vor uns haben. Das bedeutet, daß wir nicht mehr nur ausschließlich in den Dimensionen 'Mittelmacht Bundesrepublik' denken dürfen, sondern wir müssen uns alle verstärkt in den nächsten Jahren überlegen, welche politischen Konsequenzen dieses Datum 1992 - ich spreche vom Binnenmarkt Europa - für alle diese Fragen haben wird. Wenn wir von Sanktionen sprechen, dann sprechen wir von Wirtschaftskraft. 1992 wird bedeuten - und da sind sich viele von uns noch nicht darüber im Klaren -, daß die Wirtschaftsmacht Europa in unvergleichlicher Form stärker werden wird, sehr viel stärker, und sie wird unberechenbar sein. Der Binnenmarkt wird in dieser Hinsicht sehr viele Konsequenzen für uns bringen, die wir heute vielleicht noch gar nicht absehen können. Deswegen würde ich dem Appell von Helmut Bley den Appell hinzufügen: Laßt uns gemeinsam darüber nachdenken, was da für Konsequenzen kommen, und wie wir das in solche Fragen wie zum Beispiel die Sanktionsdebatte einbeziehen müssen. Reinhard Kössier: Der heutige Nachmittag hat für mich in sehr eindrucksvoller Weise Jie Effektivität von Sanktionen bestätigt. Das bedeutet eigentlich auch einen Schritt vorwärts für die Debatte in der Bundesrepublik, daß Sanktionen tatsächlich effektiv sind, selbst auf diesem lächerlich erscheinenden Niveau. Und das wird für mich eigentlich durch einen Punkt verstärkt, an dem ich vielleicht mit Helmut Bley nicht ganz einer Meinung bin. Wie denn die Frage Namibia von der Frage Südafrika abgekoppelt werden soll. Ich glaube, wir haben gerade von den namibischen Freunden heute vormittag eigentlich das Gegenteil gehört, daß es fast nicht möglich ist, die Frage Namibia von der Südafrikas abzukoppeln. Und wenn das richtig ist, daß das ein ganz großes Problem ist, was die Legitimität der Nationalen Partei in ihrer eigenen Wählerschaft betrifft, dann glaube ich, daß diese Frage der Sanktionen sich verstärkt stellt, weil nämlich dann der Punkt des punishment by sanctions tatsächlich sehr relevant wird, um nämlich die südafrikanische Regierung von einem Kurs abzubringen, den sie mit großer Konsequenz die letzten zehn Jahre verfolgt hat. Ich glaube, daß da tatsächlich für die Bundestagsparteien, und sehe ich sie auch mit den Oppositionsparteien durchaus nicht an einem Strick ziehen, sehr wichtige Aufgaben liegen werden in nächster Zeit, nämlich die Hürde dieser Sanktionen zumindest niedriger zu machen. Ingolf Diener: Ich wollte zwei Punkte zur Sprache bringen. Erstens eine Anmerkung zu den Sanktionen, die nötig sind. Daß die EG Namibia bisher von ihren Sanktionen, soweit sie gegen Südafrika angewendet werden, ausgenommen hat, im Gegensatz zu den US-Sanktionen. Und das, glaube ich, ist ein wichtiger Punkt, der darf nicht in Vergessenheit geraten. Dave de Beer sagte heute, daß Südafrika wegen der Apartheid in Südafrika mit Sanktionen bestraft wird, und eben nicht wegen Namibia. Es wäre doch schon wichtig, mit den vorhandenen politischen Mitteln darauf zu dringen, daß Namibia eingeschlossen wird, und daß das Argument, so wie es Kohl damals gebracht hat, nun nicht gehen kann. Er hat gesagt, wir können in Namibia keine Sanktionen gegen Südafrika ergreifen, denn dann würden wir ja die illegale Präsenz Südafrikas in Namibia anerkennen. Wir können sie nicht da schlagen, wo sie eigentlich gar nicht sein dürfen. Soweit zu den Sanktionen. Ein anderer Punkt: Ich wollte die hier anwesenden Namibier fragen, wie die politische Haltung der neuen Mittelklasse, die Südafrika nun seit gut zehn Jahren als Alternative zur SWAPO heranzubilden trachtet, wie die denn nun aussieht. Es gab schon ein paar Hinweise heute, daß es diese neue Mittelklasse offenbar gibt. Daß also die südafrikanische Strategie der Derationalisierung der sozioökonomischen Hierarchie, wie sie in der Apartheid geschaffen worden ist, mit ihren immensen Disparitäten, daß die nun so weitergeführt wird. Daß es plötzlich auch unter der nicht-weißen Bevölkerung Klassseninteressen gibt, eben eine SWAPO abzuwerben, die sich großteils gebildet, oder zum Teil auch als quasi Gewerkschaft der Wanderarbeiter, der Unterprivilegiertesten der namibischen Bevölkerung gebildet hat. Wie sieht es aus mit der politischen Haltung dieser Mittelklasse. Dr. Ruppert Neudeck: Ich finde bei der Dürftigkeit deutscher Politik oder europäischer Politik in dieser Frage jedes Pathos unheimlich verkehrt, und ich bedauere - deshalb ich mich jetzt gemeldet -, ich bedauere zweierlei. Einmal, daß wir lernen müssen, daß Sanktionen was bringen. Das _kon-te man aus dem Fall Rhodesien schon wissen, daß sie etwas bringen, wenn auch nicht sofort. Wir haben uns ja angewöhnt, in Legislaturperioden zu denken, und wenn Asylbewerber oder Flüchtlinge sich nicht in vier Jahren, das heißt in einem Budgetzeitraum, wie man deutsch so schön falsch sagt, eingegliedert haben, dann ist das auch schon ziemlich für die Katz. Sanktionen haben immer was bewirkt. Und daß sie heute was bewirken und daß uns das so furchtbar erstaunt, ist eigentlich ein Lehrbeispiel dafür, daß wir politisch vielleicht nicht allzuviel lernen. Das zweite, was ich bedauere, deshalb gebe ich Uschi Eid nicht recht, ist, daß die Politik, und zwar auch das Auswärtige Amt, nicht hier ist. Denn wenn es in einer Frage bei dem Durcheinander deutscher auswärtiger Politik ein furchtbares Pathos gibt, dann ist das im Fall Kampuchea und Vietnam die Frage, auf die mir ein Mann vom Auswärtigen Amt mit unglaublicher Überzeugungskraft antwortete, Okkupanten dürfen nie belohnt werden, sie müssen bestraft werden. Wenn man sich dann bei dieser Dogmatik, die deutsche Politik vorgeblich vertritt, auf der Welt umschaut, dann sieht man, daß es zweierlei Klassen von Okkupanten gibt, nämlich die richtigen und die falschen. Und die richtigen oder die falschen werden bestraft, und die falschen und die richtigen werden nicht bestraft, sondern belohnt, beziehungsweise man sieht dar~ber hinweg. Deshalb meine ich, es ware besser gewesen, wir hatten hier einige hochrangige Vertreter der Bundestagsparteien, wie zum Beispiel Herrn Hornhues und wie zum Beispiel jemanden von der SPD, wir hdtten Herrn Minister Schafer oder einen Staatssekret&r hier, die wir fragen k6nnten. Wenn es darum geht, praktisch etwas zu tun und Ober Sanktionen nicht nur Worte zu machen, die wir europdisch sowieso kaum machen, dann ist es eine Aufgabe der GRONEN, heute oder morgen oder n&chste Woche mal eine Frage an das Auswdrtige Amt zu stellen, wie weit denn die grunds~tzliche Bereitschaft, Okkupanten zu sanktionieren und nicht zu belohnen, sich nur auf Vietnam beschrdnkt, oder ob das eine Frage ist, wie das Auswdrtige Amt vorgeblich sagt, die grundsdtzlich, dogmatisch und immer so beantwortet wird. Meine Bitte ist also, die Fragen da praktisch anzugehen, wo wir sie aufgrund der Vergangenheit deutscher Politik verdienstvollerweise ansetzen k6nnen. Francis Kelly, Namibia Support Committee / Great Britain: We are concentrating very much today on the political level and the policies of state, but I think it is worth focusing our attention a little on the need for detailed word on the economic interest and in particular the role of transnational corporations who dominate the Namibian economy and have plundered the Namibian resources for so many years on the policy of our government. Thatcher & Kohl have key-responsibility for excluding both uranium and Namibia from sanctions, the EEC sanctions. And the link between both states is of course the purchase of Namibian uranium from Rssing. And this raised questions both on Britain's Rio Tinto Zinc in influencing Thatcher's policy, but also the question on the other hand, are they purchasing uranium in order to fund the South African's very expensive occupation, because, of course, uranium as the largest export by value from Namibia means the money paid over in taxes is quite significant. And I think we ought to also look at the role of transnational corporations in the run up to elections, if they take place, and the role afterwards. Will they play a role wrecking the economy? We know what the companies did in Mozambique, we know what companies did to Allende's government, and this needs detailed work and detailed research and support and there is now not much time if these talks come to fruition. And I think it is notable also that we must look not only at sanctions, legislative sanctions at the level of states or whole regions such as Europe, but also look to support-action by smaller groups of people. We have now examples all over the world. There are very small bunches of courageous workers taking action, and we here must not neglect the legal and political instruments that actually lie in wait ready to trap those workers and to be used to attack them for taking these important and international responsibilities on their shoulders. Francis Kelly: Wir konzentrieren uns heute sehr stark auf die politische Ebene und die Diskussion über die Staatspolitik. Ich glaube aber, daß es wichtig ist, unsere Aufmerksamkeit ein wenig auf einen anderen Bereich zu richten: Es besteht die Notwendigkeit, detaillierte Arbeit hinsichtlich der Wirtschaftsinteressen zu leisten. Hierbei ist es besonders wichtig zu erklären, welche Rolle die transnationalen Gesellschaften spielen, die schon seit Jahren Namibias Rohstoffe ausbeuten und dies aufgrund der Politik, die unsere Regierungen praktizieren. Thatcher und Kohl sind die Hauptverantwortlichen dafür, daß das Uran sowie das Land Namibia von den EGSanktionen ausgeklammert wurde. Die Verbindung zwischen den beiden Staaten sind natürlich die Urangeschäfte, die mit der Firma Rössing durchgeführt werden. Dies wirft natürlich die Frage auf, ob Thatchers Politik von der britischen Firma Rio Tinto Zinc beeinflußt wird. Die andere Frage ist, ob das namibische Uran gekauft wird, um auf diese Weise die kostspielige Besetzung Namibias durch Südafrika zu finanzieren? Denn die Summe, die hierbei an Südafrika in Form von Steuern abgeführt werden muß, ist sehr beachtlich, da Uran die größte Exporteinnahmequelle Namibias ist. In Anbetracht der anstehenden Wahlen - das heißt wenn sie auch tatsächlich stattfinden werden - müssen wir die Rolle der transnationalen Konzerne heute im Vergleich zu der Rolle sehen, die sie nach den Wahlen einnehmen könnten. Werden sie sich daran beteiligen, die Wirtschaft des Landes zu zerstören? Wir wissen, welche Rolle die Firmen in Mozambique spielten, und wir wissen, was die Firmen der Ailende-Regierung antaten. Dies bedarf detaillierter Arbeit, detaillierter Nachforschungen sowie der Unterstützung hierfür. Und wenn die Gespräche erfolgreich sein sollten, werden wir hierfür nicht mehr allzu viel Zeit haben. Ich glaube, für uns ist es genauso wichtig zu registrieren, daß kleinere Unterstützergruppen eine wichtige Rolle in dIer Durchsetzung von Sanktionen spielen können. Diesbezüglich sollten wir uns nicht nur auf die Durchsetzung von Sanktionen auf der gesetzlichen Ebene von Staaten oder ganzer Regionen wie Europa konzentrieren. Heute gibt es in der ganzen Welt Beispiele dafür, daß sehr kleine Gruppen mutiger Arbeiter und Arbeiterinnen die Initiative ergreifen. Wobei wir nicht vergessen sollten, daß es bereits schon eine Reihe gesetzlicher und politischer Maßnahmen gibt, um die Initiative dieser Arbeiter und Arbeiterinnen einzuschränken, ja sie dafür an- zugreifen, daß sie eine so wichtige und internationale Verantwortung auf sich nehmen. Martin Schümer: Ich wollte eine kurze Bemerkung machen zu dem, was Herr Neudeck über die sofortige Wirkung von Sanktionen gesagt hat. Der amerikanische Rechnungshof hat gerade Mitte dieses Monats einen Bericht vorgelegt, wonach Südafrika infolge der amerikanischen Sanktionen genau 469 Mio. Dollar Einbußen gehabt hat. Noch ein paar Zahlen ergänzend zu dem, was Herr Melber gesagt hat. Die Neue Zürcher Zeitung hat ein paar Daten gebracht zur südafrikanischen Wirtschaft, und die Neue Zürcher Zeitung gilt ja als relativ konservativ. Die Gold- und Devisenreserven im August diesen Jahres beliefen sich auf 2,2 Mrd. Dollar. Im Dezember letzten Jahres wares es noch 3.2 Mrd. Dollar. Die Neue Zürcher geht davon aus, daß es nicht völlig ausgeschlossen ist, daß Südafrika wieder ein Schuldenmoratorium durchführen muß. Es hat im Juni ein Goldswap von 1 Mrd. Dollar gegeben, und anläßlich der Kapitalflucht kann nicht ausgeschlossen werden, daß es zu einem erneuten Zusammenbruch des Rand kommt. Bezüglich der Zahlen zum Wirtschaftswachstum in Südafrika: Von der anvisierten Zahl von 4 - 5 Prozent, die in Südafrika notwendig wären, um die Neuzugänge auf dem Arbeitsmarkt zu inkorporieren, kann überhaupt gar keine Rede mehr sein. Man schätzt, daß in diesem Jahr eine BIP-Wachstumsrate von ungefähr 2,5 Prozent erreicht wird und im nächsten Jahr nur noch 1 Prozent. Soweit zu den Zahlen. Auf der einen Seite unterstütze ich voll das, was Herr Bley gesagt hat, aber auf der anderen Seite möchte ich auch wiederum etwas zur Vorsicht mahnen, und zwar bezüglich der Wirksamkeit amerikanischer Sanktionen jetzt unmittelbar, insofern als dieses ganze Sanktionspaket, das hier vorgelegt worden ist, zwar im Repräsentantenhaus angenommen wurde und jetzt im außenpolitischen Ausschuß des Senats mit 10 zu 9 akzeptiert worden ist, aber alle Parteien, die Demokraten wie die Republikaner, sind übereingekommen, daß das Paket nicht mehr in diesem Jahr verabschiedet wird, nicht mehr diskutiert wird. Das heißt also, die Frage des Vetos (...) der Reagan-Administration steht gar nicht mehr zur Debatte, weil diese Frage gar nicht mehr in den Senat hineinkommt. Damit wird das ganze Gesetzgebungsverfahren für den nächsten Kongreß wieder erneut einzubringen sein, und das kann noch Jahre dauern. Dazu auch noch ein Punkt bezüglich Großbritannien und der Nervosität, die hier in Europa herrscht. Sie wissen, daß es innerhalb des Sanktionspaketes diese Drittländerklausel gibt, und Sie wissen, daß Großbritannien eine Gegendrohung aus- gesprochen hat, daß, sollten in diesem Verfahren englische Erdölgesellschaften benachteiligt werden, Großbritannien mit Sanktionen gegenüber amerikanischen Multinationalen antworten würde. Es ist nicht auszuschließen, daß eine ähnliche Haltung in Zukunft auch von Japan eingenommen wird. Da sieht man die Gegenstrategie. Das nur als Bemerkung zur Vorsicht. Dr. Winrich Kühne: Zur Sanktionsdebatte möchte ich ebenfalls eine kritische Anmerkung machen. Ich selbst bin seit vielen Jahren Anhänger substantieller und selektiver Sanktionen und ich teile auch völlig die Auffassung, die Dave de Beer geäußert hat, daß, wäre 1978 im September bei dem Besuch der 4 1/2 westlichen Außenminister der Sanktionsplan, den die Kontaktgruppe oder genauer die Berater der Kontaktgruppe im Gepäck hatten, also Unterbrechung von Frachtflugverkehr und solche Dinge, verwirklicht worden, wir heute wahrscheinlich eine andere Situation hätten. Aber ich glaube, daß sich in der Diskussion eben die Bedeutung von Wirtschaftssanktionen für die Frage von Angola und Namibia völlig auf den Kopf gestellt hat. Es sind nicht die Wirtschaftssanktionen in erster Linie gewesen - sie sind es an dritter Stelle gewesen , die den Durchbruch gebracht haben. Durch Wirtschaftssanktionen alleine hätte sich nichts geändert. Ich teile allerdings vollkommen Martin Schümers längerfristige Einschätzung. Der entscheidende Faktor war die militärische Lage, die steigenden Verluste unter den weißen Wehrpflichtigen, die in Südafrika zu einem beginnenden Vietnameffekt auch unter der burischen Bevölkerung geführt haben. Man weiß, daß Ende Januar, nachdem sich die südafrikanische Offensive vor Cuitc Cuanavale festgefahren hatte, es unter den südafrikanischen Militärs Pläne gab, eine frontale Infanterieoffensive gegen Cuito Cuanavale zu machen und es auf diesem Wege einzunehmen. Das strategische Ziel war damals, sich ganz im Süden Angolas festzusetzen, das Reagan-linkage aufzubrechen und es durch ein neues zu ersetzen. über Namibia sollte überhaupt nicht mehr verhandelt werden, sondern nur noch über den Abzug kubanischer Truppen aus Angola, im Austausch gegen den Abzug südafrikanischer Truppen aus Angola, nicht aus Namibia. Namibia sollte von der Agenda ausgeschlossen werden - darum ging es bei Cuito Cuanavale. Die Überlegungen der Militärs haben dann aber zu der Einsicht geführt, daß diese Offensive 300 - 600 weiße Wehrpflichtige das Leben kosten würde, von den tausenden von schwarzen Swaft-Angehörigen war natürlich wie üblich nicht die Rede. Deshalb hat man im State Security Council von dieser Offensive Abschied genommen. Im Grunde sind Ende Januar die Würfel gefallen für das, was passiert ist. Im Mai hat es in London dann nämlich das Treffen gegeben, ist der ganze Prozeß in Gang gekommen.

Das heißt für die Sanktionsfrage - und das ist jetzt nicht gegen Wirtschaftssanktionen gerichtet, sondern das ist eine Alternative, aber die, glaube ich, kurzfristig wichtigere Schiene - tatsächlich Druck auszuüben, daß die in der Bundesrepublik relativ nicht so effektive Durchführung des Waffenembargos verschärft und vor allen Dingen auf Güter des zivilen Bereichs, die aber vorrangig militärisch genutzt werden, wie Schwerlastwagen, die Unimogs und alles, was da so rumfährt in Südafrika und Namibia, ausgeweitet wird. Ich glaube, daß diese Maßnahmen viel entscheidender sind und sogar auch leichter durchzuführen. Eins wird nämlich völlig übersehen - da ist die bundesdeutsche Diskussion generell hinterher -, daß die südafrikanischen Militärs die ökonomische Frage überhaupt nicht interessiert. Ein Großteil von ihnen versteht sie nicht einmal. Ein südafrikanischer General hat im State Security Council auf die Frage, wie denn bestimmte Sachen finanziert werden sollen, gesagt: 'Das ist nicht die Angelegenheit meiner Abteilung.' Da liegt auch der Unterschied zum Denken des südafrikanischen Außenministeriums, das ja sehr viel wirtschaftsorientierter ist. Das heißt, die südafrikanischen Militärs werden vorerst nur auf harte Fakten im militärischen Bereich reagieren. Und deswegen mein Appell, sozusagen eine Art Cocomliste - das Stichwort läuft ja auch in der kirchlichen Diskussion, das ist von dem Hamburger Lorkes, von mir und anderen bei anderer Gelegenheit vorgeschlagen worden - eine Art Cocomliste aufzustellen, das heißt eine Liste von zivilen Gütern, die vorrangig für die militärische Stärke Südafrikas verantwortlich sind, und die unter Sanktionen zu stellen. Das ist wahrscheinlich viel effektiver, zumindest mittelfristig. Dr. Michael Vesper: Ich teile Deine Bemerkungen bezüglich der Bedeutung des militärischen Faktors, finde aber, daß der Faktor der Sanktionspolitik von Euch beiden eigentlich doch zu sehr heruntergespielt wird, wenn man die Ursachen analysiert, die Südafrikas Verhandlungsbereitschaft angehen. Ich habe immer Schwierigkeiten damit gehabt zu versuchen, die Sanktiönseffekte in Mark und Pfennig oder Rand und Dollar auszudrücken, wie Martin Schümer das eben referiert hat. Ich glaube, damit nimmt man nicht alle Effekte der Sanktionspolitik wirklich zur Kenntnis. Denn es gibt darüber hinaus ideologische Effekte, global- politische Effekte, die in diesem Fall meines Erachtens sehr wichtig sind. Ich glaube, daß man schwer entscheiden kann, wer nun auf der Hitliste weiter oben steht, die militärische Lage oder - ich will nicht sagen die Sanktionsfrage - aber die wirtschaftiliche Lage Südafrikas. Henning Melber hat in seinem Beitrag die völlig desolate wirtschaftliche Lage Südafrikas herausgestellt. Ich glaube, auch unsere Freunde, die aus Namibia gekommen sind, könnten uns Beispiele dafür nennen, wie sich die wirtschaftliche Lage im täglichen Leben auswirkt, soweit ist es nämlich mitt- lerweile gekommen. Und ich denke, daß diese wirtschaftliche Lage ebenso hoch zu veranschlagen ist, wenn man nach den Ursachen für die derzeitige Verhandlungsbereitschaft von Südafrika forscht, wie die militärische Lage. Auf beiden Feldern steht Südafrika mit dem Rücken an der Wand. Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, daß Südafrika nur gezwungenermaßen dazu zu bringen ist, sich aus Namibia zurückzuziehen und nicht aufgrund irgendwelcher Versprechungen oder irgendwelcher schönen Verhandlungen oder der zweifellos geschickten Verhandlungstaktik von Theo Ben Gurirab. Das reicht glaube ich nicht. Sondern es sind immer nur die ganz konkreten wirtschaftlichen und militärischen Interessen, die natürlich miteinander zusammenhängen. Nur ich bin einfach dagegen, das jetzt so abzustufen. Ich würde es ganz hart sagen, ich würde sagen, die ganzen Vorbehalte, die wir gegen die Sanktionsforderungen, gegen die Sanktionspolitik hören, werden durch den Verlauf der letzten Monate - aus meiner Sicht sage ich das jetzt mal so deutlich, um auch eine Gegen-These zu setzen - werden durch den Verlauf der letzten Monate widerlegt. Ich glaube, daß die Sanktionspolitik, schon die eingeschränkte Sanktionspolitik der USA und die Drohungen, die auf diesem Feld gelaufen sind, daß die wesentlich dazu beigetragen haben, daß Südafrika sich an den Verhandlungstisch setzen mußte. Ich sehe natürlich nicht das allein seligmachende Heil in Sanktionen, und ich sehe auch die Probleme, die damit verbunden sind, aber ich glaube, daß sie ein ganz wesentlilcher Faktor in der derzeitigen internationalen Situation sind. Dr. Heribert Weiland: Ganz kurz noch ein Wort zu den Sanktionen. Ich glaube, es ist nicht sinnvoll, da sehr viel drüber zu sprechen, aber wir haben es jetzt schon mehrmals angesprochen, und jetzt ist das noch mal aufgegriffen worden: 1. Südafrikas Wirtschaft geht seit 1981 den Bach runter. Also müssen wir aufpassen, alles auf die Sanktionen zurückzuführen. 2. Natürlich wäre es eine völlige Fehleinschätzung der politischen Kultur der Afrikaner, der Buren, wenn man glaubt, daß tatsächlich durch Sanktionen das politische Ruder herumgeworfen werden kann. ich sage das, obwohl ich mich für Sanktionen ausgesprochen habe. Anton Hütz: Ich möchte an sich die Vertreter der SWAPO auffordern zu sprechen, die reden mir eigentlich zu wenig hier. Wird nicht - und das ist auch gleichzeitig ein Symptom unserer Diskussion hier heute - wird nicht letztendlich die SWAPO-Position mit der weltpolitischen Interpretation, wie wir sie heute gehört haben, demontiert. Die Frage, die ich habe, bezieht sich hauptsächlich auf den Befreiungskampf. Der fällt ja hier bei uns heute total weg. Hat die Situation sich schon so weit entwickelt, daß die SWAPO auf ihre Funktion als Partei nach der Unabhängigkeit gedrückt wird? Wie sieht die SWAPO selbst heute ihre Position bei den internationalen Verhandlungen? Florian Sorkale: Ich wollte in dem Zusammenhang nur kurz daran erinnern, daß die Frage nach der Einschätzung der von Südafrika aufgebauten oder angestrebten Mittelschicht gestellt wurde. Die Frage ist noch nicht beantwortet worden. Daran wollte ich bloß noch mal erinnern. Jochen Bertram: Ich hätte noch eine kurze Frage zu dem Referat von Prof. Ansprenger, das jetzt schon etwas zurückliegt. Er hat an die SWAPO-Vertreter Fragen gestellt nach der Verfassung von Namibia. Ich will ihm nichts unterstellen, aber wenn ich das von einem von uns höre, dann habe ich immer das Gefühl, daß da eine gewisse europäische Arroganz daraus spricht, gerade wenn wir als Bundesdeutsche das äußern. Daß wir Vorschläge machen, wie die Namibier ihre Verfassung gestalten sollen, und das, obwohl wir wissen, daß es bundesdeutsche Entwürfe gibt, und daß unsere Verfassung, die hier gilt, als Vorbild hingestellt wird. Ich finde, das namibische Volk sollte diese Entscheidung wirklich selbst treffen. Und die SWAPO hat ja ihre Position dazu geäußert. Die Verfassung, so wie die SWAPO sie plant, wird alle Menschen in Namibia gleich welcher Hautfarbe, gleich welcher überzeugung miteinbeziehen. Ich glaube, wir sollten uns da wirklich von Ratschlägen fernhalten. Theo Ben Gurirab: Yes, briefly about the current talks and SWAPO's position in them. T thought I answered that question earlier, but I realize now that it was in the press-conference. So, the gentleman who asked the question obviously was not there. In the first place there are really no negotiations going on involving let's say 435, we are here to talk about 435, to the extent that the South Africans and later on the Reagan administration contracted problems. We have been involving ourselves in a process between 1981... We have participated in some if you will, negotiations between 1981 and let's say 84, even though the 84 meeting in Lusaka was not really necessary to try to address those problems raised by South Africa, on issues such as the question of UN impartiality. South Africa made a big issue out of it that UN is a friend of SWAPO, so how can the UN be trusted to be an impartial referee supervising controlled elections. Now South Africans know that when they say that they are lying, but they are taking advantage of either ignorance of people or they are deliberately seeking to distort. The person or the one party that will be effectively in control of the transition organization and supervision of 435 elections is not the UN special representative. It is South Africa's colonial governor by the name of Administrator General. We are the ones who are supposed to be worried about the impartiality of the process, not South Africa. The South African army will be there, the police will be there, their colonial governor. The day that we will sign a cease-fire SWAPO would cease to be sole and authentic representative. We will be just one of the parties - and will you remind that - if in fact from there to go on to have free elections. South Africans know that, but to the extent that these were supposedly problems we sat down and resolved them. South Africans know that. The question of impartiality was resolved once and for all in 1982. Just two days ago I was in the office of the UN Secretary General. He summoned the South African ambassador at the UN and asked him what is this noise about impartiality? Are you reviving this issue? He said, No, No, No, we are not. But I think it would be a good thing if the UN were to make statements, it would be helpful for the endangered situation, you see. So some journalists go around and say, well it is true South Africans have a point, you know, and so on. There were other issues, the question of SWAPO bases, the question of the electoral system, all these things have been resolved. So we are not really involved in the present talks. What the present talks have contributed to Resolution 435 is that the parties agreed in Geneva that November 1st would be the day on which 435 would be implemented; that June 1st would be the day free elections would be held. I enumerated all those things and I asked myself: Do I believe tfhcse things that they will come about? And I said that I am an optimist and I will continue to be an optimist. So, we have made it a point and our friends have talken us in confidence, i.e. the Angolans, the Cubans, and they have kept us informed. I am on my way now to Brazzaville. I am going to stay out there in one of the smaller hotels. I am not going to participate in the talks, but I will be around, and I will make sure that everybody knows that I am in Brazzaville. And I will distribute my telephone number, you know ... hang around at street-corners and I will bump into my old friends and so on, that is how you do it, your know. No, I will not be in Brazzaville, but I will be there! So, they have kept us informed and through this process if there are ideas that we want to share with them, you know, we have an opportunity to express ourselves to them. We are just awaiting for the parties to work out an agreement on the time-table for the withdrawal of Cuban troops from Angola. We want Cubans to leave when Angolans are sure that South Africans will not come back. We are supporting them in that. We are glad that Cubans are there and assisting the Angolans to ensure that. Once the parties have worked out an agreement on that issue then we would once again indicate to the UN Secretary General that we are ready to sign a cease-fire and off we go. So, we don't feel left out, because we really do not want to be party to discussion of the time-table for the withdrawal of Cuban troops. It is, if we accept the linkage, it is not because we saw wisdom in it. It is one of those things the Reagan administration decided on to delay further Namibia's independence by throwing this big rock in the way of our independence. So, we simply have accepted to help to remove that rock and to proceed to Namibia's independence. Thank you! Theo Ben Gurirab: Ich werde jetzt ganz kurz Uber die gegenw~rtigen Gespr~che reden sowie Uber die Haltung der SWAPO in dieser Frage. Eigentlich dachte ich, ich h&tte diese Frage schon eben beantwortet, doch mir ist aufgefallen, dar3 das wdhrend der Pressekonferenz war. Also war der Herr, der diese Frage jetzt hier stellte, dort nicht anwesend. Die Gesprdche, die jetzt stattflnden, beziehen 435 nicht aufsolche Weise mit ein, wie sie von S dafrika und spdter von; der Reagan-Administration problematisiert worden ist - qirsind ja hier zusammengekommen, um ber 425 zu sprechen.. Zwischen 1981 und 1984 haben vr an einiyen Ver,,,dlu,,2e.. teilgenommen, obwohl das 34-2er Treffen in Lusaka eigentLoh1 nicht notwendig war, denn dort wurden hauptsachlich The-menbereiche behandelt, die SUdafrika unn5tigerweise proble-matisier!te - zum Beispiel die Frage nach der Unparteilichkeitt der UN. S(dafrika machte es zu einem riesigen Problem, dat zwischen der UN und der SWAPO freundsohaftiche 'SeiehUJgen bestehen, und wie wdre es unter den Umstdnden fQr SUdafrika m6glich, der UN in ihrer Rolle als unparteiischerr Schiedsrichter zu vertrauen? Wdre die Objektivitdt beil derOberwachung der Wahlen Uberhaupt noch gewdhrleistet? Die SUdafrikaner wissen ganz genau, da3 sie lugen, wenn si,% so etwas sagen. Aber entweder nutzen sie die Unwissenheiit der Menschen aus, oder sie versuchen absichtlich, Tatsachei4 zu verdrehen. Denn die Person oder die Partei, die dii tatsdchliche Kontrolle sowohl wdhrend der Obergangsphase allZ auch wdhrend der Wahlen haben wird, ist der sUdafrikanischi.

Kolonialverwalter selbst, genannt Generaladministrator, und eben nicht ein besonderer UN-Repräsentant. Eigentlich sind wir diejenigen, die sich Sorgen machen müßten über die Gewährleistung der Objektivität in diesem Prozeß und nicht Südafrika! Das südafrikanische Militär wird anwesend sein, die Polizei wird anwesend sein, und auch ihr Kolonialverwalter. An dem Tag, an dem wir das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnen, wird die SWAPO nicht mehr die einzige authentische Vertretung des namibischen Volkes sein - und ich bitte Euch, das im Auge zu behalten, wenn wir dann überhaupt noch freie Wahlen haben werden. Die Südafrikaner wissen das, aber da dies ja angeblich große Probleme waren, setzten wir uns also mit ihnen zusammen und lösten sie. Südafrika weiß das ganz genau! Die Frage der Unparteilichkeit wurde 1982 ein für alle Male gelöst. Erst vor zwei Tagen war ich im Büro des UN-Generalsekretärs. Er lud den südafrikanischen Botschafter bei der UN vor, um ihn zu fragen, was dieses ganze Getöse hinsichtlich der Unparteilichkeit zu bedeuten hätte. - Wollen Sie dieses Thema wiederbeleben? - Nein, nein, nein, das wollen wir nicht! Ich glaube, es wäre sinnvoll, wenn die UN einige klare Statements abgeben würde. Das könnte in der momentan so gefährdeten Situation sehr hilfreich sein. Aber jetzt im Moment versuchen mal wieder ein paar Journalisten den Eindruck zu erwecken, als habe Südafrika in der Frage der Unparteilichkeit relevante Gründe geltend zu machen. Da waren aber noch andere Fragen: Die Frage bezüglich der SWAPO-Basen, die Frage nach dem Wahlsystem - alle diese Fragen sind schon lange beantwortet. Deshalb sind wir auch in die momentan stattfindenden Gespräche nicht miteinbezogen. Die gegenwärtigen Gespräche haben aber zur Realisierung von 435 etwas Konkretes beigetragen: Die Parteien in Genf stimmten darin überein, daß am 1. November die Resolution 435 erfüllt werden solle, und daß am 1. Juni freie Wahlen stattfinden sollten. Ich begann, alle diese Dinge aufzuzählen. Dann fragte ich mich selbst, ob ich tatsächlich daran glaube, daß das alles tatsächlich geschehen wird? Nun, ich sagte schon, daß ich ein Optimist bin, und ich werde auch weiterhin ein Optimist bleiben. Also haben wir uns positiv darauf bezogen, und unsere Freunde, die Angolaner, die Kubaner, haben uns ins Vertrauen gezogen und informieren uns über den Stand der Gespräche.

Ich bin jetzt auf der Durchreise nach Brazzaville. Ich werde dort in einem dieser kleineren Hotels wohnen. Ich werde nicht an den Gesprächen teilnehmen, aber ich werde dort sein und ich werde dafür sorgen, daii jeder weiß, daß ich in Brazzaville bin. Ich werde meine lelefonnummer verteilen ... Ihr wißt schon, man steht hier uncl da an den Straßenecken herum und zufällig trifft man hier und da ein paar alte Freunde - ja, so macht man das! Nein, ich werde nicht in Brazzaville dabei sein - und doch werde ich da sein! Wie ich schon sagte, haben uns die Angolaner und Kubaner auf dem laufenden gehalten. Dadurch hatten wir die Möglichkeit, ihnen unsere Vorstellungen Uber bestimmte Dinge mitzuteilen. Jetzt warten wir nur noch darauf, daß die Parteien zu einem Ergebnis kommen, welches las Rückzugsdatum für die kubanischen Truppen in Angola fe4stlegt. Wir möchten, daß die Kubaner Angola zu dem Zeitpunkt Verlassen, wenn die Angolaner sich sicher sind, daß die Sülafrikaner nicht wieder zurückkehren werden. In dieser Hinsicht unterstützen wir die Angolaner. Wir sind froh, daß die kubanischen Truppen in Angola sind, um das angolanische Volk zu schützen und den Rückzug Südafrikas sicherzustellen. Sobald die Parteien ein Datum festgelegt haben, werden Wir dem UN- Generalsekretär noch einmal mitteilen, daß wir bereit sind, ein Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen. Und dann kann es losgehen! Wir fühlen uns also nicht ausgeschlossen, denn wir wollen eigentlich überhaupt nicht Teil dieser Diskussion sein, wann der Zeitpunkt für die kubanischen Truppen gekommen ist, sich aus Angola zurückzuziehen. Das bedeutet nicht, daß wir die Linkage-Politik akzeptieren wÜrden, weil sie uns klug und sinnvoll erschiene. Die Linkage-Politik ist einer von vielen Akten, die die Reagan- Administration initiierte, um Namibias Unabhängigkeit weiter zu verschieben. Das war ein großer Stein auf dem Weg zu unserer Unabhängigkeit. Wir haben also lediglich eingewilligt, dabei zu helfen, diesen Stein wieder wegzuräumen und voranzuschreiten mit der Unabhängigkeit Nami bias. Vielen Dank! Prof. Manfred Hinz: Ich würde ganz gerne einen Aspekt noch mal besonders aufgreifen, den ich in meinem Eingangsstatement heute nachmittag angesprochen habe und den auch einige, die nach mir gesprochen haben, aufgegriffen haben. Wir haben uns sehr lange mit dem Problem der Sanktionen beschäftigt, und sicherlich ist das Problem der Sanktionen ein wichtiges, und sicherlich ist es auch wichtig zu konstatieren, welche Erfolge die Sanktionspolitik bisher hatte. Was wir da- bei aber nicht vergessen sollten - und ich habe das Gefühl, daß wir in diesem Zueammenhang diesen Aspekt nicht so wahrnehmen, wie wir ihn eigentlich wahrnehmen sollten - ist die Tatsache, daß diese ganze Verhandlungsrunde eben nicht ohne die militärische Entwicklung zustandegekommen wäre. Ich denke, das muß man noc mal betonen, weil es mindestens das gleiche Gewicht beanspruchen kann wie die Sanktionsdebatten. Wenn es die vereinte argolanisch- kubanische Offensive nicht gegeben hätte, hätte es diese Verhandlungsrunde nicht gegeben. Und wenn es den fortdauernden Kampf auch des bewaffneten Flügels der SWAPO nicht gegeben hätte, der in Namibia und auch außerhalb Namibias in Südangola immerhin über 100.000 südafrikanische Soldaten gebunden hat, dann hätte es diese Verhandlungen nicht gegeben. Und ich finde, daß in diesem Zusammenhang bei uns einiges an Nachholbedarf auch im politischen Denken stattzufinden hat. Immer noch haben einige von uns zumindest Schwierigkeiten zu begreifen, daß und warum es zu einem bewaffneten Kampf kommt. Und einige haben immer noch Schwierigkeiten, die Rolle der Kubaner einzuschätzen. In diesem Zusammenhang nochmals: Ohne das kubanische Involvement, das kann man eigentlich nicht oft genug sagen, ohne das kubanische Involvement wäre es zu dem, was uns jetzt hier beschiftigt, nicht gekommen. Und ich finde es sehr, sehr problematisch, wenn in einem Großteil unserer Medien die Kubaner entweder als verlängerter Arm Moskaus oder als verrückt gewordener, nicht mehr unter Kontrolle zu haltender Arm Moskaus abgehandelt werden, oder aber, wie ich es in einer Zeitung elesen habe, das Thema der Kubaner im Hinblick auf die mögliche oder nicht mögliche oder nicht gewünschte Reintegration Aids-kranker Kubaner, die in Angola kämpfen, abgehandelt wird - und das keineswegs in einer Hintertreppenzeitung in dieser Republik. ich finde, das ist ein wichtiges Thema, aus dem wir politisch klare Konsequenzen ziehen sollten, mindesters so klar wie im :usammenhang mit der Sanktionsdebatte. Danke schön. Niko Bessinger: Thank you, Mr. chair. I am not Just talking because we have been auked to talk, but the problem is that instead of asking us the questions people are making speeches. So, it is not our fault that we do not get all the messages across. 1 want to address myselfto a question that was asked by two people, and that deals with the issue of a middle class. I do not know politically what that implies. I never had the privilege to study Marxisn and Leninism because that kind of literature is not available and in fact is banned in my part of the world. But I have isited some cities from time to time and I make sure that I get to a library when everybody is sleeping. What is happening? I think I earlier this morning tried to explain the artificial, and I put stress to the word "artificial", creation of what some people would refer to as a middle class. Now, to me it creates a problem. We talk about middle class then I think we are talking about a class that --has--emerged through production relatiOns. So there is a material base to a middle clasS. What we are dealing with in Namibia is that the Apartheid policies that were applied exactly undermine the establishment of a middle class through production relations. What has beeil done is that a statebureaucracy has been established and that is artificial. And I stated this morning that about 40 % of the population is bound to the state-bureaucracy. Now, what is going to happen if we have elections in Namibia and we will have to revert our economy and we will have to be based on material that we own? There will have to be a material-base to the society. Of course, the structure that we inherit is going to collapse, because it is not real. It is artificially stimulated. It has no real base. It is asking for desaster. That is the reply I wanted to give to that question relating to the middle class. Thank yoLJ. Niko Bessinger: Ich spreche hier jetzt nicht, nur weil wir gebeten wurden zu sprechen. Doch unser Problem ist ganz einfach, daß keine Fragen gestellt werden, sondern daß die Leute hier lange Reden halten. Es ist also nicht unser Fehler, daß wir nicht alle Informationen austauschen können. Ich möchte mich jetzt auf eire Frage beziehen, die vzn zwei verschiedenen Teilnehmern gestellt wurde: Gilt es in Namibia eine Mittelkalsse? Ich weiß nicht so recht, was das politisch alles impliziert - ich habe nie das Privileg gehabt, Marxismus oder Leninismus zu studiereri. Diese Art der Literatur ist in dem Teil der Welt, aus dem ich komme, nicht zugänglich. Diese Literatur ist bei uns gebannt. Aber ich habe schon andere Städte besucht, und dabei stelle ich immer sicher, daß ich in eine Bibliothek komme, dann, wenn alle anderen schon schlafen. Was passiert in Namibia? Ich glaube, ich habe schon heute morgen versucht, die künstliChe - und hierbei betone ich das Wort "künstlich" - Schaffung einer Klasse zu erklären, die einige Leute als "Mittelklasse" bezeichnen würden. Für mich schafft das ein Problem. Wenan wir uns über eine Mittelklasse auseinandersetzen, so sprechefn wir doch von einer Klasse, die aufgrund von Produktionsverhältnissen entstanden ist; für eine Mittelklasse muß es ali.so eine materielle Basis geben. Womit wir es aber in Namibia zu tun haben, ist das Gegenteil: Die in Namibia praktizierte A~partheidpolitik untergräbt genau diese Entstehung einer Mitlelklasse aufgrund von Produk- tionsverhältnissen. In Namibia wurde eine Staatsbürokratie geschaffen, und das ist etwas Künstliches. Ich sagte schon heute morgen, daß ca. 40 Prozent der Bevölkerung von dieser Staatsbürokratie abhängig sind. Was wird also passieren, wenn in Namibia Wahlen stattfinden und wir unsere Wirtschaft verändern müssen, das heißt, daß wir auf unsere eigenen Rohstoffe angewiesen sein werden? Die neue Gesellschaft muß doch auf einer materiellen Basis stehen. Natürlich werden die momentan existierenden Strukturen, die wir erben, zusammenbrechen, denn es sind künstlich geschaffene Strukturen, die keine richtige Grundlage haben. Das sieht ganz nach einem Desaster aus. Dies ist die Antwort, die ich auf die Frage bezüglich der Existenz einer Mittelklasse in Namibia geben kann. Danke! Ulrich Eins: Diese Frage ist eigentlich durch Niko schon beantwortet worden. Ich gehe da mehr oder weniger mit ihm konform. Ob die Zahlen, die er genannt hat, stimmen oder nicht, darüber werden wir uns nicht streiten. Welche Mittelklasse ist denn entstanden? Und welche sollte entstehen? Und durch weiche Formeln sollte die zustande gebracht werden? Meiner Ansicht nach war das von vornherein ein Wunschdenken, das man schon damals durchschauen konnte. Die einzige Möglichkeit, die es gab und die wahrscheinlich auch genutzt wurde, ist, daß die Korruption unter Leuten, die zugreifen konnten, zugenommen hat, und daß die sich dann unter nicht direkter Zustimmung, aber auch nicht Ablehnung des bestehenden Systems, in die Mittelklasse hineingearbeitet haben. Das hat uns in der heutigen Zeit oder in der Übergangszeit sehr viel Geld gekostet und kostet uns weiterhin viel Geld. Und die Propagandamaschine, die dahinter steckt, um uns da weiter was vorzumachen, kostet wahrscheinlich noch mehr Geld. Meine Antwort wäre, eine Mittelklasse aufzubauen ist nur dann möglich, wenn wir erst mal eine Unabhängigkeit haben, wenn wir überhaupt wissen, wie die Möglichkeiten einer namibischen Wirtschaft aussehen, und wenn wir dann auch wissen, welches Wirtschaftssystem von der zukünftigen Regierung als das richtige vorgetragen wird. Soweit zur Mittelklasse. Dann gab es noch eine andere Frage. Ich glaube, Prof. Ansprenger hat sie schon früher gestellt, und sie ist dann noch mal wiederholt worden, die Frage nach den Garantien und Grundrechten nicht nur für Minderheiten, sondern generell. Ich glaube, dieses Thema ist heute auch schon einige Male behandelt worden, daß durch die Nachträge der Resolution 435 1981 das, was uns vielleicht vorher gefehlt hat, in den Prozeß hineingebracht worden ist. Nun kann man natürlich -

103 mit Verlaub gesagt - die Details bis ins kleinste zu erarbeiten versuchen, nur darf man dann nicht vergessen, daß, wollten wir vor der Unabhängigkeit jedem die Möglichkeit geben, seine Vorstellung im Konsens zuerarbeiten, wir dann nicht nur die elf ethnischen Gruppen hätten, die unterschiedliche Garantien und Absicherungen wollen, sondern 1,5 Millionen verschiedene Absichten. Das ist unmöglich. Man muß, glaube ich, als zukünftiges Element einer Nationsbildung irgendwo auch Vertrauen zu seinem Mitmenschen haben. Ich möchte hier nicht irgendwie blauäugig klingen, aber irgendwo kommt der Punkt, daß, wenn wir lange genug miteinander geübt und rumexerziert und diskutiert haben, daß man irgendwo auch Abstriche machen muß, und daß man irgendwo auch Vertrauen haben muß zu seinem Mitmenschen, der ja eine Verfassung nicht nur für mich, sondern auch für sich, für seine Gruppe und für meine Gruppe, erarbeiten muß mit noch mal der Unterstreichung, daß die hauptsächlichen Anliegen eines Volkes einer Verfassung schon gegeben sind und quasi in die zukünftige Verfassung hineingeschrieben sind. Dr. Jörg Baumgarten: Ich bin heute darin bestätigt worden, daß es wahrscheinlich noch eines langen Atems bedarf, und ich bin auch darin bestätigt worden mit vielen, für mich deutlicher werdenden konturenreichen Sachargumenten, daß gerade in der Wechselwirkung von ökonomischen, militärischen und politischen Faktoren möglicherweise ein Schlüssel liegen könnte. Meine Frage richtet sich in Aufnahme dessen, was Frau Kelly aus London gesagt hatte, noch mal mit Blick darauf, wie denn die Implementierung von Sanktionsma3nahmen in der Zukunft organisiert werden soll. Daß die Frage nach den TNC hier nicht wieder aufgegriffen worden ist, ist vielleicht nicht ganz zufällig, aber vieles von dem, was wir heute gehört haben, kennen viele schon ziemlich lange. Man kann die akademische Diskussion, ob ausgewählte Sanktionen wirksamer seien als umfassende bindende, akademisch noch ein bißchen weiterführen. Dazu haben wir hier in der Bundesrepublik und vielleicht auch in den Vereinigten Staaten offenbar noch Zeit und Kraft. Meine Frage ist ganz konkret, sind wir, die wir hier in diesem Raum sind, aus verschiedenen Spektren kommend, in der Lage, zukünftig Schritte nach vorn auch zu tun, das, wovon wir reden, von mir aus ausgewählte wirksame Sanktionen oder umfassende bindende Sanktionen, nun auch wirksamer durchzusetzen. Dazu fehlt mir noch ein bißchen die Perspektive. Das ist nicht als Kritik an den Veranstaltern gemeint, sondern nur als Frage, die wir uns hier und heute noch stellen müssen. Danke. Dr. Henning Melber: Ich habe mich aber nicht zu diesem Punkt gemeldet. Das Stichwort für mich waren die Mittelschichten oder wie immer man sie nennen will. Denn ich glaube, daß da eine Zeitbombe tickt, die man nicht unterschätzen sollte, und die wiederum auch mit der etwas unglücklichen bundesdeutschen Rolle in Namibia im Zusammenhang zu sehen ist, auf die ich bei dieser Gelegenheit auch kurz eingehen möchte. Ich denke schon, daß in den zehn Jahren, in denen die Anwendung von Resolution 435 erfolgreich verhindert worden ist, versucht wurde, wenn auch sehr halbherzig, in Namibia durch eine Politik des social engineering - ich finde keinen passenden deutschen Begriff dafür, vielleicht die übersetzerin, also die Anwendung von Sozialtechniken von oben her gesellschaftliche Strukturen manipulativ in eine bestimmte Richtung zu verändern, wenn auch sehr selektiv, und das zur Klarstellung - um den Preis der verstärkten Marginalisierung der Bevölkerungsmehrheit. Das heißt, wenn wir von der Herausbildung rudimentärer Mittelschichten in Namibia sprechen, dann heißt das nicht, daß es der Gesamtbevölkerung unterm Strich besser geht, sondern es heißt, daß dieser Prozeß, der in der Tat nach meiner Auffassung schon im Gange ist, auf Kosten der Bevölkerungsmehrheit erfolgt, der es mittlerweile schlechter geht als vor zehn Jahren, als ein klarer Kolonialismus herrschte, der weitgehend als Rassengegensatz, wenn auch damals schon fälschlicherweise, eingestuft werden konnte. Und Kooptierung heißt eben einerseits, wie das gesagt worden ist, durch ethnische Verwaltungseinheiten das Apartheid-Prinzip so auszulegen, daß über die verschiedenen Administrationen ein Beamtenstaat und -klüngel geschaffen wird, der an das System der Apartheid existentiell gebunden ist. Das heißt durch die Abschaffung dieser Apartheidstrukturen sind auch die Klasseninteressen der schwarzen Bevölkerungsgruppen nach diesem ethnischen Teilungsprinzip betroffen. Das ist ein Machtblock, oder sind diverse ethnischregionale Machtbtöcke, die systematisch geschaffen worden sind. Parallel dazu, da komme ich dann auf die Multis, gibt es einen zweiten Prozeß, der eigentlich von der Tendenz her gegensätzlich ist, nämlich das Interesse einer in Anführungszeichen aufgeklärten Wirtschaft, tendenziell farbenblinde Kapitalverhältnisse zu schaffen, die nicht mehr danach, ob ein Arbeiter weiß ist und deshalb das Zehnfache verdient, sondern nach Qualifikationen geht, und das Rassensystem ablöst durch ein Entlohnungssystem, das auf Qualifikation und Integration basiert und gezielt auch eine Minderheit der afrikanischen Bevölkerung integriert. Die Vorreiter dieser Politik waren ab Mitte der 70er Jahre eindeutig diese Multinationalen, nämlich CDM und IMCOR Zink. Sie haben schon vor 15 Jahren angefangen, über massive Ausbildungsprogramme schwarze Namibier als Stipendiaten ins Ausland zu schicken, damit sie sich qualifizieren, um sie nach ihrer Rückkehr in der Konzernstruktur, und zwar auf der Ebene des mittleren Managements, zu integrieren. Auch da entwickelt sich natürlich ein Kapitalinteresse oder ein Klasseninteresse, das nicht unbedingt identisch ist mit den Interessen der nationalen Befreiung, deren Interesse auf soziale Umverteilung abzielt. Und die Rolle der Bundesrepublik, die ich dabei wichtig finde, besteht einfach darin, daß seit der berüchtigten Wende 1982, Entwicklungshilfe in Namibia zu betreiben eben verstärkt zu einem Thema gemacht worden ist, wenn auch nicht offiziell, so doch zumindest über die NGOs. Und NGOs, also Nichtregierungsorganisationen, das heißt in diesem Fall Otto-Benecke-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung, Hanns-Seidel-Stiftung, um nur die drei wichtigsten zu nennen, die alle drei interessanterweise und ich erinnere an das eben gesagte - eindeutige Prioritäten im Bildungsbereich setzen. Es werden beziehungsweise sollen zumindest von der Otto-Benecke-Stiftung qualifizierte Handwerker ausgebildet werden, die dann entsprechend verdienen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung betreibt ein Institute for Social Advancement und die Hanns-Seidel-Stiftung ein Institute for Management and Leadership Training. Das heißt, das Credo der freien Marktwirtschaft, das so natürlich in Namibia bislang überhaupt nicht existiert, wird von der Weichenstellung her schon programmiert, und das heißt eben soziale Karrieren unabhängig von der Hautfarbe. Auch wenn diese zahlenmäßig relativ gering sind, so sind sie in bezug auf Machtstrukturen sicher nicht zu unterschätzen. Ich wollte das mit zwei Zitaten abschließend unterstreichen, um deutlich zu machen, daß es natürlich auch aus der Praxis Anzeichen gibt, die diese Thesen unterstützen. Das erste Zitat ist aus einem Aufsatz von einem gewissen Kozonguisi. Kozonguisi war Präsident der SWANU und galt - er war in den 60er Jahren im Exil tätig - als jemand, der mit dem Maoismus sympathisierte; er kehrte Mitte der 70er Jahre nach Namibia zurück, stieg aus der Exilpolitik aus und ist mittlerweile in der Marionettenregierung Justizminister. Kozornguisi hat 1385, also unmittelbar vor Errichtung der sogenannten Interimsregierung, in einem Aufsatz geschrieben: "Outside of a small highly educated somewhat inzestous circle of political elites and a slightly !arger group of officebarers and organizers most Namibians are as most people everywhere elso more concerned with economic and other practical matters such as the education of their children than they are with political theory." Im Klartext: Erst kommt das Fressen und dann die Moral. Das heißt, wenn überhaupt Überlebenschancen für diese übergangsregierung bestehen, dann durch den Versuch, über das, was als Entwicklungshilfe und Projekte angeleiert wird, Leute zu kooptieren. Das zweite Zitat ist aus dem Oktober 1985, als Hans Erik Stabi in Bonn war. Stabi war auch mal und ist wohl noch IG deutschsprachiger Südwester, das sollte man auch erwähnen, er ist gleichzeitig Vertreter der DTA und in der Interimsre-

106 gierung. Sein Anliegen, das er in Bonn vorbrachte, mit dem er offensichtlich in Regierungskreisen auch auf Wohlwollen stieß, hat die Allgemeine Zeitung vom 18. Oktober 1985 in einem Bericht folgendermaßen zusammengefaßt: "Wenn einer Beteiligung breiterer Schichten an der Wirtschaft des Landes der Weg bereitet werden soll, so bedarf es einer außerordentlich Anstrengung auf dem Bildungs- und Ausbildungssektor. Er führte aus, daß dazu Hilfeleistungen besondes wichtig seien. Mit den begrenzten Mitteln der übergangsregierung können nicht alle Ziele aus eigener Kraft verwirklicht werden. Es wird deutlich, daß Entwicklungshilfe im Ausbildungsbereich vonnöten ist, bevor es in diesem Land zu spät ist." Mit "zu spät ist" ist natürlich die vielbeschworene Machtübernahme der SWAPO gemeint. Das heißt, man kann zumindest nicht leugnen, daß es gezielte Versuche gibt, eine Gegenmacht aufzubauen. Sie sind insofern bis heute widersprüchlich, als daß sie sich unterscheiden lassen in zum einen den Versuch, über ethnisch-regionale Machtstrukturen, also durch Festhalten an der Apartheid-Verwaltung und Ausweitung der Beamtenebene, diese Gegenmacht aufzubauen, und zum anderen im tendenziellen Widerspruch dazu über die Durchsetzung eher farbenblinder Kapitalinteressen diese Machtstrukturen zu etablieren. Aber ich denke, daß es wichtig ist, dieses Faktum zu konstatieren, und es wird auch insofern eine Zeitbombe sein, den Begriff hatte ich schon mal gebraucht, als daß natürlich nicht am Tag des Machtwechsels diese Strukturen, so embryonal sie auch sein mögen, vom Tische wären, sondern natürlich dieses Know-how, das als Gegenmacht aufgebaut wird, auch als Gegenmacht im Lande bestehen bleibt. Das müssen wir uns sicher,, k'larm' ,achen. Und das heißt eben auch, wiederum an die Adresse der Solidaritätsbewegung gerichtet, daß natürlich mi noch lange nicht befreit ist, wenn die SWAPO den Wahlsieg errungen hat. Dann beginnt der Kampf um die Befreiung Namibias. Ursula Eid: Ich möchte die Frage nach der Implementierung von Santionen beantworten. Ich muß dazu sagen, daß wir ein Außenwirtschaftsgesetz haben. Es gibt ein UNO-Waffen-Embargo, von dem wir meinen, daß es völkerrechtsbindend ist. Die CDU/CSU hat da eine andere Interpretation. ich weiß d., weil sie einen Völkerrechtler in den U--Ute,.ucu,'sausschuß eingeladen haben, der dem U-Boot- Untersuchungsausschuß eine Lektion erteilt hat, daß eben UN-Embargos nicht völkerrechtsbindend sind. Es ist so, daß laut unserem Außenwirtschaftsgesetz keine Lizenzen oder Güter nach Südafrika verkauft werden dürfen, die im militärischen Bereich angesiedelt sind. Wenn solche Güter exportiert werden sollen, muß man beim Bundesamt für Wirtschaft einen Antrag stellen, daß heißt eine Genehmigung erbitten. Daß dies umgangen wird, zeigt die Alltagspraxis.

10 C7 Spätestens seit bekannt geworden , ist, daß U-Boot-Blaupausen nach Südafrika verkauft worden sind, wurde deutlich, daß diese Blaupausen geliefert wordenIn waren, ohne für sie eine Genehmigung beim Bundesamt für Wirtschaft erbeten zu haben. Das heißt, es gibt in der E Bundesrepublik Deutschland Mittel und Wege, Rüstungsgüter rInach Südafrika zu bringen, ohne eine Genehmigung einzuholeen. Das heißt, es gibt hier Politiker, die bei einem täte ä t4tbte oder beim Gläschen Sekt auf irgendwelchen Empfängen odeler auch durch Telefonanrufe grünes Licht der Bundesregierung g signalisieren. Das soweit. Als wir im Februar 1987 zum U-Ietoot-Untersuchungsausschuß eine Zwischenbilanz gezogen haberbn, haben wir die Diskussion aufgegriffen, ob man nicht darübeAer nachdenken sollte, die Cocomliste auch für Südafrika einzuffordern. Es gibt über diesen Punkt innerhalb der Grünen ein4en Konflikt. Manche sagen, das US-Embargo und auch das ALLußenwirtschaftsgesetz reicht aus. Ich gehöre zu denen, die dals Einfordern der Cocomliste für richtig hielten, konnte mich a1ber in der Fraktion mit diesem Vorschlag nicht durchsetzen. Wir müssen diese Diskussion sicheferlich weiter führen, weil ich finde, wir haben sehr gute Argumtente, die Cocomliste auf den Tisch zu bringen und für Südaefrika anzuwenden, und ich weiß nicht, was für Argumente die CDU/CSU und die FDP dagegen haben werden. Das heißt, , um es noch mal auf den Punkt zu bringen, im Prinzip gitebt es Instrumente innerhalb unserer Gesetze, die solche Sank,-tionen ermöglichen. Es fehlt am politischen Willen, das ist der- Punkt. Hinzu kommt immer das Argument, wenn schon Sankttionen, dann müssen es die USA, Japan, Frankreich, Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland zusammen machten. 4eine Position dazu ist, wir sollten da nicht nur als Buindesdeutsche rangehen und praktisch die Sanktionsdebatte ad absurdum führen, -~,ei! sowieso klar ist, daß wir diese 'länder- alle untr einen. Hut bringen. Politisch argumentier-t h±ben gerade wir als Deutsche eine moralische Verpfich- itung, völlig losgelöst davon, ob Japan oder USA oder England oder Frankreich nachziehen, mit unserer eigenen Geschichte, Gei es der Völkermord in Namibia, was ich heute morgen versucht habe darzulegen, sei es, daß wir hier einen Hitlerfaschi¾smus mit einem Rassistenregime hatten. Wir können es un% moralisch überhaupt nicht leisten, ein solches System weiter-hin zu unterstützen. Das ist ein anderes Argument. Losgelöst *von der Debatte, ob Sanktionen wirksam sind oder nicht, müSsen wir als GRÜNE uns auch aufgrund unserer eigenen Geschichte dazu verhalten. Prof. Helmut Bley: Ich würde die Konzentration auf die Cocomliste nicht aufgeben. Ich ýhabe den Eindruck, daß die Debatte in der evangelischen Kir--che läuft. Herr Ansprenger, Herr Kühne und ich waren beim Bundespräsidenten, und wir haben den Eindruck, daß das bei ihm eingeschlagen hat. Da kann man nachbohren. Wenn solche Bündnispartner in Sicht sind, sollte man jetzt keine innerparteiliche Debatte darüber führen, welchen Sinn das hat. Es ist eine zusätzliche Möglichkeit. Ingeborg Wick: Ich möchte gerne die Frage der Entschädigungsforderungen einer zukünftigen namibischen Regierung ansprechen. Ich finde die Frage vor dem Hintergrund wichtig, weil in der letzten Zeit viel darüber geredet wird, was eine unabhängige Regierung als Ballast aus der Vergangenheit ökonomisch übernehmen soll, wie verschuldet das Land werden wird. Die Frage wird sehr wichtig sein, was die Gegenseite an Forderungen für Entschädigungen aufstellen kann. Es gibt in den letzten Jahren recherchierte Erarbeitungen und genaue Daten darüber, was eine Regierung in Namibia, eine zukünftige unabhängige Regierung, an Entschädigungsforderungen erheben kann. Ich fände es ganz gut, wenn dazu Daten angegeben werden könnten. Es gibt unter Juristen, es gibt bei internationalen Organisationen und von der SWAPO bereits Erarbeitungen, was in einen solchen Katalog von Entschädigungsforderungen einfließen soll. Diese Frage ist besonders wichtig vor dem Hintergrund des Dritten Reiches, der Schlußfolgerungen, die hier gezogen wurden aus den Verbrechen des Rassismus während des Dritten Reiches. Es ist ja bekannt, daß es eine historische Parallele gibt zwischen den beiden Regimes, dem Apartheid-Regime und dem Dritten Reich. Es ist zu erinnern daran, welche Diskussionen kurz vor der Unabhängigkeit Zimbabwes während der Lancasterhouse-Verhandlungen entstanden. Auch da wurde von einer Verschuldung geredet, von einem Investment-Fond, einem internationalen Fond, der errichtet werden sollte, um diese Frage der ökonomischen Verpflichtungen anzugehen. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, daß wir damit operieren, daß wir diese Forderungen in unsere Argumentation und unser politisches Vorgehen aufnehmen. Ingolf Diener: Als ich vorhin Manfred Hinz zum zweiten Mal hörte, fiel mir ein, daß ich mich beim Lesen dieses Aufrufs zum Hearing eigentlich über einen Satz geärgert hatte, und das möchte ich doch den Veranstaltern noch sagen. Da steht nämlich, "andererseits aber werden, was bislang Angola und Kuba strikt ablehnten, Verbindungen gezogen zwischen dem Unabhängigkeitsprozeß in Namibia und dem Abzug der kubanischen Truppen aus Angola, die kurz nach der Unabhängigkeit Angolas von der Regierung im Kampf gegen die von Südafrika gestützte UNITA zu Hilfe gerufen worden waren". Soweit ich weiß, stimmt das doch nicht. Ob die angolanische Regierung mit oder ohne Kubaner mit der UNITA fertig wird oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Aber soweit ich

109 weiß, kamen doch die Kubaner damals, weil die Südafrikaner mit gepanzerten Kolonnen schon kurz vor Luanda standen. Daß da auch noch UNITA-Leute drin waren, die glaubten, sie könnten jetzt schnell an die Macht getragen werden, ist gebont, trotzdem ist da was verdreht, es sei denn ich irre mich da. Volker Weyel, Moderation: Zu den historischen Korrekturen, die gegebenenfalls notwendig sind, wird Michael Vesper nachher noch etwas sagen. Mir bleibt es nun, diese Sitzung vor dem Schlußwort von Michael Vesper abzuschließen. Es ist sehr schwer nach dieser Diskussion, eine Art Zusammenfassung zu finden. Das möchte ich eigentlich auch gar nicht versuchen. Ich möchte nur auf drei oder vier Punkte hinweisen, die sich mir doch als Ergebnis dieser Diskussion ins Gedächtnis eingeprägt haben, notwendigerweise vielleicht selektiv. Ein Punkt, der mir sehr wichtig erscheint, ist, daß sehr viel stärker als bisher gerade im Angesicht des Binnenmarktjahres 1992 und der verstärkten europäischen Integration Überlegungen der Solidaritätsbewegung notwendig sein werden, eine gesamteuropäische Antwort auf die Probleme zu finden. Der zweite Punkt: Sanktionen, ob selektiv oder umfassend, darüber kann man wiederum streiten, haben sich im Konsens wohl der meisten Teilnehmer zumindestens - vorsichtig gesagt - als nützlich zur Beförderung des Gesamtprozesses erwiesen. Ein weiterer Punkt, der mir - in anderer Richtung - aber nicht minder wichtig scheint, auf den Henning Melber zum Schluß hingewiesen hat, ist der, daß eine ganze Reihe von gesellschaftlichen, von sozialen und ökonomischen Problemen Namibias erst so richtig anfangen werden, wenn die Unabhängigkeit einmal erreicht ist. Eine offene Frage bleibt schließlich noch, die ich auch nicht beantworten, kann, die auch das Auditorium hier weiterhin spalten wird, ob nämlich das Problem der Unabhängigkeit Namibias für sich gelöst werden kann, ohne daß das größere Problem der Apartheid in Südafrika gelöst wird. Ich glaube, hier werden zumindest tendenziell die Einschätzungen noch etwas auseinandergehen, und dabei werden wir es auch belassen, es sei denn, Michael Vesper teilt uns in seinem Schlußwort - das ich hiermit ankündige - die endgültige Lösung mit. Dr. Michael Vesper: Selbstverständlich! Obwohl Du mir ja eigentlich schon meinen Job weggenommen hast, denn ich wollte auch den Versuch machen, diese Diskussion in einigen Worten zusammenzufassen und auch gleich am Anfang sagen, daß das natürlich außerordentlich schwierig ist. Aber immerhin ist es doch so, daß wir hier ein sehr breites Band von verschiedenen Beiträgen gehört haben, und zwar sowohl von Namibiern, die im Land leben, von Theo Ben Gurirab, der seit vielen Jahren diesen internationalen Verhandlungsprozeß mitverfolgt und auch aktiv an der Erstellung der Resolution 435 beteiligt war, bis hin zu den Beiträgen der Experten, die eben auch nicht nur, wie ich meine, deklamatorisch das übliche gebracht haben, sondern ganz verschiedene Aspekte dieses Themas aufgeworfen haben. Von der Beteiligung der beiden Großmächte an diesem Thema bis hin zu internen Prozessen in Namibia. übrigens zu dem, was Du eben gesagt hast, Ingolf, über die Tatsache, weshalb die kubanischen Soldaten nach Angola gerufen wurden: Es mag sein, daß der Gesamteindruck der letzten 10 bis 15 Jahre die Anfangssituation etwas überdeckt hat, aber ich glaube, daß es insgesamt wenig Unterschied macht, denn wir sind uns wohl alle darin einig, daß die UNITA ohne die südafrikanische Unterstützung ein Nichts, ein Nullum wäre in dieser Region, jedenfalls in den letzten 15 Jahren. Vielleicht ist es ein bißchen zu bedauern, daß etwas zu viel über die externen politischen Faktoren heute gesprochen wurde und zu wenig über die internen Faktoren Namibias. Was die externe Situation angeht, denke ich, sind hier viele Fragen gestellt worden, aber letztlich offen geblieben. Die wichtigste Frage scheint mir zu sein, in welchem Verhältnis der derzeitige Unabhängigkeitsprozeß zu der Befreiung Afrikas von der Geißel Apartheid steht. Winrich Kühne hat sehr deutlich gesagt, daß den Preis für eine Namibia-Lösung der ANC bezahlen wird. Auf der anderen Seite ist es so, daß ich davon ausgehe, daß die südliche Grenze Namibias kaum geschützt werden kann. Sicherlich ist das eine Frage, die besprochen werden muß, welche Rolle der ANC dort spielen wird. Auch die Frage nach der künftigen Rolle der UNITA in dem einen oder anderen Szenario ist offen geblieben. Welche Rolle wird ihr möglicherweise von Südafrika oder auch von den USA nach Einleitung des Unabhängigkeitsprozesses zugewiesen? Was die internen politischen Faktoren angeht, die meines Erachtens leider ein wenig zu kurz gekommen sind, so habe ich hier Einigkeit darüber feststellen können, daß Namibia seine volle Unabhängigkeit erst dann wird entfalten können, wenn Südafrika auch befreit ist, wenn Südafrika frei von Apartheid ist. Das zeigt zum Beispiel nicht nur das Datum Walvis Bay, also der Hafen, der immer noch unter südafrikanischer Kontrolle ist, sondern einfach die totale ökonomische und sonstige Abhängigkeit von Südafrika. Vorher jedenfalls werden meines Erachtens alle Versuche, sich von Südafrika abzukoppeln oder stärker mit den SADCC- Ländern zu kooperieren, leider im Sande stecken bleiben. Wie weit ein unabhängiges Namibia kommen wird, hängt von verschiedenen Faktoren auch innerhalb des Landes ab. Ich halte folgende vier Punkte für wichti g:

1. Werden die Vertreter der derzeitigen ökonomischen und politischen Macht eine Blut-und-Boden-Politik betreiben und Namibia verwüstet, ausgelaugt und seiner wichtigsten Ressourcen beraubt hinterlassen? Werden sie ein auf diese Weise zerstörtes Namibia hinterlassen? Oder gewinnen diejenigen die Oberhand in Namibia, die im gemeinsamen Interesse eine Politik des nationalen Wiederaufbaus mittragen. Werden sich also diejenigen durchsetzen - Ulli Eins hat das in seinem Beitrag, glaube ich, auf den Punkt gebracht -, die auf Destruktion setzen, oder werden sich diejenigen durchsetzen, die ein konstruktives Miteinander der jetzt Privilegierten und der jetzt Unterdrückten unter einer freigewählten schwarzen Regierung ermöglichen werden. Mich machen eigentlich drei Ereignisse in dieser Hinsicht relativ optimistisch. Das eine sind die erwähnten Gespräche in Stockholm, als beide Seiten praktisch drei Tage in einem Raum eingeschlossen wurden, um miteinander zu sprechen. Zum anderen die Arbeit der Bürgerinitiative Namibia Peace Plan 435, die Ulli Eins hier repräsentiert, die beispielsweise am letzten Wochenende ein Seminar in Namibia durchgeführt hat, an dem Vertreter der SWAPO, Vertreter anderer Parteien und bekannte weiße Farmer teilgenommen haben und miteinander ins Gespräch gekommen sind. Und drittens, denke ich, daß die SWAPO auch auf dieser Konferenz, auf diesem Symposium wieder positive Signale ausgesandt hat und gesagt hat, daß es hier keineswegs darum geht, die Weißen sozusagen herauszutreiben, wie immer unterstellt wird. 2. Ein weiterer Faktor, den ich für sehr wichtig halte, ist das Problem der tatsächlichen wirtschaftlichen Umsetzung von Unabhängigkeit. Die zukünftige unabhängige Regierung Namibias steht vor sehr vielen ökonomischen und politischen Dilemmata. Eins hat Niko Bessinger in der Pressekonferenz heute mittag am Beispiel der Rössing-Mine in Namibia deutlich gemacht. Da steht die SWAPO oder die künftige unabhängige Regierung Namibias vor der Alternative, ob sie nun die Ressourcen des Landes auf Kosten ökologischer Probleme, die damit verbunden sind, nutzen soll, wie das bei einer Uranmine zweifellos der Fall ist - Ihr/Sie wissen alle, daß wir grundsätzlich gegen den Abbau, den Verkauf und die Nutzung von Uran für Atomkraftwerke sind -, oder soll sie eine saubere ökologische Weste behalten, um den Preis sehr viel größerer wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Nach der Unabhängigkeit wird sich das Problem stellen, daß diejenigen, die für ihr Land gekämpft haben, dann möglicherweise lange auf ihr Land warten müssen, das würde natürlich zu Recht zu Unzufriedenheit führen. Ich denke, daß eine Landreform in Namibia einerseits eine der wichtigsten Aktionen ist, die nach der Unabhängigkeit durchgeführt werden muß, aber auch eine der schwierigsten, denn es stellt sich die Frage der Finanzierung. Und so kritisch wir als GRÜNE sonst gegenüber Entwicklungshilfe eingestellt sind, hier, denke ich, müssen wirklich die Westmächte und auch ganz besonders die Bundesregierung helfen.

112 3. Ein anderer Punkt, der für die tatsächliche Umsetzung der Unabhängigkeit wichtig ist, betrifft die Frage des Personals. Wird am Tage der Unabhängigkeit genügend Personal zur Verfügung stehen? Wird die manpower und die womanpower zur Verfügung stehen? Namibia hat sicherlich gegenüber anderen afrikanischen Ländern einen Vorteil - auch wenn es sich vielleicht zynisch anhört -, daß es mehr Zeit hatte, sich auf diese Unabhängigkeit vorzubereiten, und ich denke, daß außerhalb des Landes, aber auch innerhalb des Landes sehr viel getan wurde. 4. Der letzte Faktor, der mich etwas skeptisch macht, ist die Frage der Southwestafrican Territorial Force, also der seit einiger Zeit aufgebauten internen Armee, die faktisch nichts anderes ist als Teil der südafrikanischen Streitkräfte. Es könnte sein, daß Südafrika versuchen wird, diese Kräfte aus dem 435-Prozeß auszugliedern. Denn als 435 vor zehn Jahren geschrieben wurde, gab es diese internen Streitkräfte in dem Sinne noch nicht. Uill Eins sprach vom Sicherheitsrisiko der rechten Weißen. Ich sehe ein deutlicheres Sicherheitsrisiko in diesen bewaffneten Kräften, und ich denke, daß da alle Beteiligten Vorsorge treffen müssen. Wenn man sich die derzeitigen internationalen Verhandlungen ansieht, dann ist allen klar, und ich glaube, darin haben auch alle Redner und Rednerinnen übereingestimmt, daß es eigentlich zwei klare Verlierer gibt, wenn dieser Prozeß zu Ende geführt ist. Das sind einmal die UNITA und zum anderen die rechten Weißen, also die rechten bis rechtsextremen Weißen in Namibia und Südafrika. Aber wer sind die Gewinner des Verhandlungsprozesses? Da wurden eigentlich in der Diskussion alle Beteiligten genannt. Ist es Angola, weil der Krieg dadurch auf seinem Territorium beendet werden kann? Ist es Kuba, weil letztlich Kuba, wie eben auch noch mal gesagt wurde, dafür verantwortlich ist, daß es zu diesem militärischen Erfolg über Südafrika kam? Ist es Südafrika, weil es auf diese Weise die enormen Kriegskosten sparen kann? Oder ist es die SWAPO, weil die Unabhängigkeit Namibias erreicht wird? Ich neige eigentlich am ehesten dazu, die USA als Gewinner zu betrachten, die - wie ja auch einige Redner hier gesagt haben - daran interessiert sind, vor den Präsidentschaftswahlen sozusagen eine außenpolitische Leistung, die Bereinigung eines Konfliktherdes vorweisen zu können, und ich bin daher vorsichtig optimistisch. Auf der anderen Seite ist auch klar, daß Südafrika schon oft sozusagen nach dem Dessert vor der Tasse Kaffee solche internationalen Verhandlungen abgebrochen und damit letztlich noch zum Scheitern geführt hat. Ich denke, daß in Anbetracht der derzeitigen Verhandlungen unsere Aufgabe in der Bundesrepublik auf zwei Ebenen zu sehen ist, zum einen, wie Dave de Beer es ausgedrückt hat,

113 den Preis für die Besetzung Namibias durch Südafrika noch höher zu treiben, um Südafrika noch stärker dazu zu zwingen, die Verhandlungen ernsthaft zu Ende zu führen und nicht abzuspringen, und zweitens schon jetzt mit den Namibiern zu überlegen, wie wir zum Wiederaufbau Namibias aktiv beitragen können. Denn die Solidarität mit Namibia darf nicht - wie das teilweise in anderen Fällen passiert ist - am Unabhängigkeitstag aufhören, sondern eigentlich muß sie dann erst beginnen. Auch 435 ist für mich kein Endpunkt, sondern ist für mich Anfangspunkt eines ganz wichtigen Prozesses. Ich bedanke mich bei allen für die rege Teilnahme, für Euer Hiersein, für Euer dadurch zum Ausdruck gekommenes Interesse.

114 Grul3botschaft von Bernt Carlsson On the occasion of your seminar in Bonn on 19th September 1988 on independence for namibia, wish to express appreciation for the initiative of the Green Party - DIE GRONEN for giving this question priority on both a national and international level. The case of Namibia is unique in the sense that it is so clear cut an issue. The extent of complexity of international problems often seem to give rise to a tendency to study things in greater detail. However, with the case of Namibia, the situation is the reverse. The more it is studied, the more it is obvious that the case of independence for Namibia is a call for justice. All member states of the United Nations except of South Africa agree on both the origin and the solution of the problem of Namibia. Namibia is a mandate of the United Nations. Namibia must be given independence. Any disagreement which exist are about the means to achieve this independence, how to overcome South African intransigence and how the United Nations should exert its authority over the man d ate. The current talks between Angola, Cuba and South Africa with the United States as mediator is an expression of renewed international interest in achieving independence for Namibia. Their stated objective is to bring peace to Angola and independence to Namibia in the framework of resolution 435 (1978). The next round of talks is expected to begin in Brazzaville on 27th september. There is still hope that the United Nations plan for independence of Namibia can begin to be implemented on 1st november 1988. This would be in line with United Nations' aspirations. One of the tasks of the United Nations is to resolve conflicts. Sometimes conflicts are solved peacefully by individual United Nations member states. Such efforts must be welcomed and supported. The independence of Namibia is now 22 years overdue. Ten days after your seminar the tenth anniversary of the adoption of resolution 435 (1978) by the United Nations Security Council will be noted. It remains to be seen whether that day will be a day of celebration or a day of sadness. The members of the United Nations should not allow any game of procrastination on the independence of Namibia to go into the next millenium. The process should start this year.

115 The seminar of the Gr-een Party - DIE GRONEN - will contribute to build suPolport for a peaceful transition to independence for Namibia. Yours sincerely Bernt Carlsson United Nations Commissiorier for Namibia

.Grußbotschaft der GEW Der stellvertretende Vorsitzende der GEW, Joachim Albrecht, ist leider aus terminlichen Gründen verhindert, der Einladung zum Symposium der GRÜNEN am 19. 9. 1988 Folge zu leisten, um zusätzlich zu den in der Einladung ausgedruckten Fachleuten eine Stellungnahme persönlich abzugeben. In der Folge übermitteln wir ein schriftliches Statement mit der Bitte um Einbeziehung in das Symposium. "Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft begrüßt die Initiative der GRÜNEN, durch ein öffentliches Symposium die Verantwortung der Bundesrepublik für die zukünftige Entwicklung Namibias ins Bewußtsein der öffentlichkeit zu heben. Viel zu oft wird in der Bundesrepublik vergescen, daß die in Namibia vorherrschenden Strukturen von Deutschland ausgingen. Die GEW verfolgt mit Sorge und Kritik die Aktivitäten der Bundesrepublik insbesondere im Bildungsbereich in Namibia. Die GEW vertritt die Auffassung, daß die Initiative der OttoBennecke-Stiftung, indirekt im Auftrag des Auswärtigen Amtes und ausgestattet mit Millionenbeträgen aus Bundesmitteln, die die Bundesregierung bereitgestellt hat, um in Namibia ein Berufsschulzentrum zu errichten, der erklärten Politik der Nichtanerkennung der sogenannten übergangsregierung entgegensteht. Konsequent hat ja auch der Namibische Kirchenrat eine Zusammenarbeit mit der Otto-Bennecke-Stiftung beim Aufbau dieses Berufsschulzentrums abgelehnt. Die GEW ist der Auffassung, daß eine konsequente Vorbereitung Namibias auf eine nichtrassistische, unabhängige Zukunft glaubwürdig nur in der Form betrieben werden kann, daß die von der internationalen Völkergemeinschaft als einzige repräsentative Vertretung Namibias anerkannte SWAPO mit Mitteln ausgestattet wird, um zum Beispiel in Angola, aber auch in den anderen frontline-states ein Bildungswesen so aufzubauen, daß nach der Befreiung Namibias qualifizierte Techniker, Lehrerinnen und Lehrer, Verwaltungsbeamte zur Verfügung stehen. Darüber hinaus fordert die GEW, daß die Bundesregierung jegliche Zusammenarbeit mit Einrichtungen einstellt, die sich innerhalb oder außerhalb des Landes darum bemühen, vorbei an der SWAPO Stipendiaten in der Bundesrepublik aus Steuermitteln der Bundesregierung finanzieren zu lassen. Ein besonderes Problem spielt in Namibia, wie auch in Südafrika, die Funktion der deutschen Auslandsschule in Windhoek. Sie stellt in besonderer Weise einen Kristallisationspunkt konservativer weißer Kultur dar. Die Bundesregierung sollte alles unternehmen, um dafür zu sorgen, daß die deutschen Schulen in Namibia und Südafrika vom Verdacht der

Kollaboration mit der südafrikanischen Regierung befreit werden. Dazu gehört beispielsweise eine intensivere, über die Vorbereitung für andere Länder hinausgehende politische Vorbereitung bundesdeutscher Austauschlehrer vor ihrer Entsendung nach Namibia und Südafrika, dazu gehört auch die Sicherstellung, daß aus Steuermitteln finanzierte bundesdeutsche Lehrerinnen und Lehrer, die nach Namibia und Südafrika entsandt werden, eindeutig Partei nehmen gegen jede Form von Rassismus. Insofern bedürfen die deutschen Auslandsschulen insbesondere der Aufmerksamkeit des deutschen Bundestages und seiner Fraktionen. Wenn nicht sichergestellt werden kann, daß die deutschen Schulen in Namibia und Südafrika eindeutig gegen Rassismus Partei nehmen, dann müßte die weitere Finanzierung dieser Schulen aus bundesdeutschen Steuermitteln energisch überprüft werden. Eine Alternative stellt eine ausschließliche Finanzierung dieser Schulen durch die Bundesrepublik dar und ein Verzicht darauf, unter den besonderen Bedingungen Namibias und Südafrikas, diese Schulen durch örtliche Schulträgervereine finanzieren und damit auch deren Einfluß aussetzen zu lassen. Wenn wir davon ausgehen, daß kurz- und mittelfristig deutschsprachigen Bewohnern Namibias und Südafrikas ein Schulangebot nicht vorenthalten werden und daß dies auch aus der Bundesrepublik mitfinanziert werden soll, bleiben nur zwei Möglichkeiten: entweder die volle Finanzierung und damit auch volle Kontrolle dieser Schulen durch die Bundesrepublik, oder aber die überlassung dieser Aufgabe an die jeweils vorhandenen Schulträgerverei ne. Die GEW wird ihre Initiativen zur Unterstützung der namibischen Bevölkerung und der südafrikanischen Bevölkerung, insbesondere durch die Unterstützung von Aufklärungsarbeit in den bundesdeutschen Schulen, fortsetzen." Joachim Albrecht 1. Stellvertretender Vorsitzender der GEW

118 Namibia Peace Study & Contact Group - (NPP) 435 On behalf of Namibia Peace Plan Study and Contact Group (NPP 435), I convey to you our warm greetings and best wishes. We hope your conference/symposium will be a great success and that it will make more people and governments aware of the need for the speedy implementation of the Namibian Peace and Settlement Plan known as United Nations Security Council Resolution 435 of 1978. Namibians have waited since the inception of the sacred trust of civilisation in 1920 to achieve nationhood and nationally and internationally recognised independence. We also wish to use this opportunity to thank the Green Party once again for their concern and friendship and for their kind assistance in deeds as well as in words. Adv Bryan O'Lynn Chairman: NPP 435

119 Grußbotschaft des Hauptvorstandes der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Südwester Die Interessengemeinschaft möchte Ihnen zu Ihrer Initiative der heutigen Veranstaltung gratulieren und herzliche Grüße übermitteln. Die Interessengemeinschaft hat bereits seit einigen Jahren die UN-Resolution 435 als Rahmen eines Lösungsplans zur international anerkannten Unabhängigkeit Namibias akzeptiert. Es ist uns jedoch auch bewußt, daß die Lage um Resolution 435 noch teils festgefahren ist, und wir sind deshalb der Meinung, daß Gespräche, Diskussionen und nicht zuletzt auch die heutige Veranstaltung die besten Resultate in Konfliktsituationen erreichen können und Differenzen entschärfen. Dem sinnlosen Blutvergießen und der Verachtung von Menschenrechten muß Einhalt geboten werden, um endlich mit dem Aufbau eines neuen Namibias beginnen zu können. Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Ablauf des Seminars. Der Hauptvorstand deutschsprachiger Südwester, Windhoek/ Namibia i.A. Ulli Eins

Deutscher Bundestag - 11.Wahlperiode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 Auszug aus dem Plenarprotokol 1 des Deutschen Bundestages vom 24. Februar 1989 Präsidentin Dr. Süssmuth: Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung und Zusatztagesordnungspunkt 6 auf: 17. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil, Dr. Hornhues, Dr. Pinger, Frau Geiger, Fefilcke, Hedrich, Höffkes, Dr. Kronenberg, Dr. Kunz (Weiden), Frau Männle, Frau Fischer, Dr. Pohlmeier, Schreiber, Schwarz, Dr. Stercken, Graf Huyn, Vogel (Ennepetal) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hoppe, Frau Dr. HammBrücher, Dr. Feldmann, Irmer, Dr.-Ing. Laermann, Dr. Hirsch, Ronneburger, Dr. Hoyer, Nolting, Beckmann, Frau SeilerAlbring, Bredehorn, Lüder, Dr. Hitschler, Frau Folz-Steinacker, Dr. Solns, Timm, Frau Walz, Zywietz, Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktion der FDP Die besondere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für Namibia und alle seine Bürger - Drucksache 11/3934 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Toetemeyer, Verheugen, Dr. Ehmke (Bonn), Bahr, Bindig, Brück, Duve, Gansel, Dr. Glotz, Dr. Hauchler, Dr. Holtz, Koschnick, Luuk, Dr. Niehuis, Dr. Osswald, Renger, Schanz, Dr. Scheer, Schluckebier, Dr. Soell, Stobbe, Dr. Timm, Voigt (Frankfurt), Wieczorek-Zeul, Wischnewski, Würtz, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Unabhängigkeit für Namibla - Drucksache 11/3996 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit ZP6 Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Förderung des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia - Drucksache 11/4039 Oberweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Beratung dieser Tagesordnungspunkte 90 Minuten vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Bundesminister Klein. Klein, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! In 35 Tagen soll der Unabhängigkeitsprozeß Namibias beginnen. Konkret: Ab 1. April 1989 sollen 4 650 UNO-Soldaten, vermutlich 500 Polizisten und 1 000 internationale Wahlbeobachter auf Grund des in der vergangenen Woche vom Weltsicherheitsrat einstimmig gebilligten Vor- 9494

Deutscher Bundestag - 11. Wahlpenode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 Bundesminister Klein (A) schlags von UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar in Namibia stationiert werden. Südafrika und SWAPO beachten bereits den ausgehandelten Waffenstillstand. Der Abzug der kubanischen Truppen aus Angola hat - wenn auch zunächst nur mit einem symbolischen Kontingent - begonnen. Die UNITA hat eine angeblich vorbereitete Offensive ausgesetzt. Die weltpolitischen Rahmenbedingungen begünstigen eine friedliche, demokratische und auf wirtschaftlichen wie sozialen Erfolg zielende Lösung. Der Wille der Völkergemeinschaft richtet sich entschieden gegen Gewalt und Krieg, gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Dies sollten die Menschen in Namibia, über deren Schicksal in den letzten Jahrzehnten stets von Mächten und Kräften außerhalb des Landes verhandelt wurde, als ein Zeichen der Ermutigung erkennen. Namens der Bundesregierung danke ich den Fraktionen des Hohen Hauses für die Namibia-Anträge, die wir heute behandeln. Sie alle heben, wiewohl mit unterschiedlichen Akzenten, die besondere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für Namibia und seine Menschen hervor. Der Antrag der Koalitionsfraktionen deckt sich in allen, der Antrag der SPD-Fraktion in den meisten, der Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN zumindest in einigen Punkten mit der Auffassung der Bundesregierung. Für die Finanzierung der Übergangshllfegruppe - United Nations Transition Assistance Group, UNTAG - stellt die Bundesregierung zunächst 60 Millionen DM als Pflichtanteil bereit. (B) (Frau Eid [GRÜNE]: Wann?) Darüber hinaus wird sie etwa 50 Wahlbeobachter entsenden sowie rund 170 Fahrzeuge für UNTAG und an die 60 Kfz-Mechaniker stellen. Die Bundesregierung wird selbstverständlich gemeinsam mit ihren internationalen Partnern alle Anstrengungen unternehmen, um die wirtschaftlichen Grundlagen Namibias zu erhalten und auszubauen, und sie wird bei der Regierung der Republik Südafrika darauf drängen, daß diese den Verpflichtungen gerecht wird, die ihr aus über 70jähriger Besetzung des Landes erwachsen sind. Es entspricht dem von der Bundesrepublik Deutschland seit jeher beachteten Grundsatz der Nichteinmischung, daß die Bundesregierung im Gespräch mit allen wichtigen politischen Kräften Namibias die Übergangszeit bis zur Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung Anfang November nutzen wird, um unbeschadet parteipolitischer Profilierungsnotwendigkeiten der einzelnen namibischen Gruppierungen ein Klima der Vertrauensbildung, der Zusammenarbeit und der Aussöhnung zu befördern, um die Verwirklichung rechtsstaatlich demokratischer Verhältnisse und die Gewährleistung der Menschenrechte einzufordern, wie sie in dem sogenannten Prinzipienkatalog für eine Friedenslösung im südwestlichen Afrika festgeschrieben sind, und um schließlich die strukturellen Voraussetzungen für eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit zu erörtern. ,Unsere besondere Hinwendung zu dem Land, das dreieinhalb mal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland ist, aber nur knapp 1,2 Millionen Ein. wohner hat, entspringt historischer und moralische Verantwortung. Als Bismarck 1884 die Erwerbungen des Bremer Kaufmanns Adolf Lüderitz unter den Schutz des Deutschen Reiches stellte, war die von dem deutschen Missionar Carl Hugo Hahn gegründete Ausbildungsstätte für Herero-Lehrer in Otjimbingwe bereits 20 Jahre alt. Schon 1814 hat der deutsche Missionar Johann Heinrich Schmelen im westlichen Nama-Land eine später von der Rheinischen Mission weitergeführte Station gegründet. (Dr. Lippelt [Hannover]. [GRÜNE]: Wollen Sie jetzt die Kolonialgeschichte vortragen?) Als erster Deutscher hat vermutlich der Nürnberger Kartograph und Schöpfer des berühmten ersten Globus Martin Behaim 1486 als Begleiter des portugiesischen Seefahrers Diego Cao an der Skelettküste Fuß auf namibischen Boden gesetzt. (Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Wollen wir die Rede nicht in den alten Reichstag verlegen?) Mit der Inbesitznahme Südwestafrikas, das jetzt als Namibia endlich seiner Unabhängigkeit entgegensieht, war Deutschland in den Kreis der Kolonialmächte eingetreten, als letzter europäischer Staat, ein innen- wie außenpolitisch umstrittenes Statussymbol für das überhitzte Selbstbewußtsein des Kaiserreichs. Wirtschaftlicher Gewinn und strategische Vorteile, die vorgeblichen Gründe für das koloniale Engagement, standen indes in keinem Verhältnis zu dem enormen finanziellen und militärischen Aufwand. Nach gut drei Jahrzehnten war alles vorbei. In Deutsch-Südwest kapitulierten am 9. Juli 1915 die 2 000 Berufssoldaten und 7 000 Reservisten der deutschen Schutztruppe vor 40 000 bestens ausgerüsteten und ausgebildeten Soldaten der mit England verbündeten Südafrikanischen Union. (Frau Eid [GRÜNE]: Was ist mit dem Völkermord an den Hereros?) So unsinnig ehedem die hemmungslose Glorifizierung dieser Epoche war, so undifferenziert ist heute ihre hemmungslose Diffamierung. Deutsche Farmer, Handwerker, Techniker, Gelehrte und Missionare haben eindrucksvolle Pionierleistungen vollbracht. Zugleich aber gab es rücksichtslose Ausbeutung und mörderische Kolonialkriege. Doch nicht nur das beispielhafte Schul- und Berufsausbildungssystem, die Straßen, die Eisenbahn, das eigene Bergrecht und das traulich-idyllische LudwigRichter-Erscheinungsbild der Städte haben dem Land in den 31 Kolonialjahren deutsche Züge gegeben. Die Menschen haben - unbeeindruckt von Südafrikas Militärregierung, Mandatsverwaltung, Annexionsversuchen, Apartheid und dem nun schon über ein Jahrzehnt währenden kriegsähnlichen Übergangszustand - eine innere Bindung an die Deutschen. Das galt für den ermordeten Herero-Führer Clemens Capuo wie es für den Ngandjera-Ovambo Sarn Nujoma, den Kwanjama-Ovambo Peter Kalangula, den Buren Dirk Mudge oder den Damara Justus Garoeb gilt. Und es gilt für ungezählte Kavango, Nama,

Deutscher Bundestag - 11.Wahlperiode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 Bundesminister Klein ,) Farbige, Caprivier, Buschmänner, Rehoboth-Baster und Tswana. Wir werden sie nicht enttäuschen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP Dr. Lippelt [Hannover) [GRÜNE]: Sie können doch nicht im Ernst den Widerstand für deutsche Positionen in Anspruch nehmen) Die Bundesrepublik Deutschland wird nach Kräften an einer schiedlich- friedlichen Entwicklung des Landes mitwirken. Dabei ist unser aller moralischer und materieller Einsatz gefordert. (Frau Eid [GRÜNE]: Wo war Ihre Moral, als Sie bei den Einsetzungsfeierlichkeiten der Interimsregierung in Windhuk waren?) Am Schluß des weltweiten Entkolonisierungsprozesses darf nicht noch einmal der Schreckensablauf stehen, der die ersten Jahrzehnte der Unabhängigkeit so vieler Staaten auf dem schwarzen Kontinent gekennzeichnet hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die amerikanisch-sowjetischen Bemühungen um einen Abbau des für die Dritte Welt so folgenschweren Ost-West-Konflikts und die Abkehr der UdSSR von einer Politik des Revolutionsexports haben auch dem konfrontativen Afro- Kommunismus den Boden entzogen. (Frau Eid [GRÜNE): Und was machen die USA mit der Unterstützung der Unita?) Ein unabhängiges Namibia hat alle Chancen, zum Modell eines rasch aufblühenden Entwicklungslan(B) des zu werden. Und es liegt auch im wohlverstandenen Interesse der Republik Südafrtika, den Erfolg dieses Modells zu befördern, (Zuruf von der SPD: Das ist richtig!) so wie es im Interesse Namibias liegt, die lebenswichtigen Verbindungslinien mit dem wirtschaftsstarken südlichen Nachbarn nicht zu kappen. Und gelingt den Namibiern der friedliche Ausgleich zwischen Rassen und Bevölkerungsgruppen, wird das seinen positiven Eindruck auf die letzten Apartheidsanhänger nicht verfehlen. (Dr. Pinger [CDU/CSU]: Sehr richtigl) Der Bundeskanzler hat den Bundesaußenminister und den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit beauftragt, die notwendigen Vorbereitungen für umfassende deutsche Hilfe beim Aufbau eines unabhängigen Namibia zu treffen. Die Bundesregierung wird schon in allernächster Zeit eine Gruppe von Fachleuten aus renommierten Forschungsinstituten nach Namibia entsenden, um eine solide Bestandsaufnahme aller Entwicklungsmöglichkeiten, vom Fischereiwesen über den Bergbaubereich, die Landwirtschaft, die gewerbliche Wirtschaft, den Tourismus bis zu den Notwendigkeiten für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, zu machen. Denn das Land verfügt über bedeutende Potentiale hochbegabter, fleißiger Menschen und wertvoller Bodenschätze. (Frau Eid [GRÜNE]: Uran vor allem!) Es hat eine hervorragende Infrastruktur. Und seine (C) einmaligen, bewahrenswerten Naturschönheiten, seine vielfältige Fauna und Flora gehören zum Schönsten, was der afrikanische Kontinent zu bieten hat. Den rund 25 000 Namibia-Deutschen, viele von ihnen Nachfahren der vor 100 Jahren eingewanderten Siedler oder Schutztruppler, fällt bei der Entwicklungszusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland eine wichtige Brückenfunktion zu. Sie haben auch in schweren Zeiten die kulturelle Verbindung zum Land ihrer Vorfahren aufrechterhalten. Und sie waren unter den ersten Weißen in Namibia, die vor mehr als einem Jahrzehnt schon für den Ausgleich zwischen Rassen und Stämmen eintraten. Die Fürsorge für sie gehörte zu den entscheidenden Beweggründen dafür, daß sich die Bundesrepublik Deutschland in der sogenannten Fünfergruppe für den in der UNO-Resolution 435 formulierten Lösungsvorschlag so stark engagiert hat. Was immer auf dem langen Weg bis zu ihrer Verwirklichung über diese Resolution gesagt werden konnte, eines hat sie mit Sicherheit bewirkt: In der hochexplosiven Lage zu Ende der 70er Jahre hat sie wesentlich dazu beigetragen, einen Krieg um Namibia zu verhindern. Jetzt - unter günstigen internationalen Vorzeichen - gilt es, den Frieden zu gewinnen. Dabei werden die Menschen in Namibia die Bundesrepublik Deutschland an ihrer Seite finden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsidentin Dr. Süssmuth: Das Wort hat der Abge- ) ordnete Toetemeyer. Toetemeyer (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der Präsenz im Plenum darf ich sagen: Liebe Namibia-Freunde! (Zuruf von der SPD: Das gilt nicht für alle!) Ich möchte gleich zu Anfang unserer Aussprache deutlich machen, daß mir daran liegt, daß aus den unterschiedlichen Anträgen aller Fraktionen am Ende ein, so hoffe ich, einmütiger Antrag hier im Plenum wird. (Frau Eid [GRÜNE]: Nein!) Zehn Jahre, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist die Implementierung der UNO-Resolution 435 eingefordert worden. Als wir vor etwa Jahresfrist das letzte Mal über dieses Thema diskutiert haben, hat keiner unter uns ahnen können, daß es auf einmal so schnell gehen würde. Ich möchte, um einer Legendenbildung vorzubeugen, hier noch einmal deutlich machen, daß es überhaupt keinen Zweifel darüber gibt, daß ohne die Einigung zwischen Reagan und Gorbatschow im Mai letzten Jahres in Moskau es zu diesem Zustand nicht gekommen wäre. (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!) Beide Großmächte wollten die Belastungen loswerden, mit unterschiedlichen Motiven, die USA aus innenpoliüschen Gründen, die Sowjetunion wegen der Aufgabe ihrer finanziellen Belastungen in Angola. Deswegen halte ich es für so wichtig, daß wir die 9496

Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 Toetemeyer (A) Großmächte in dieser Frage im Obligo behalten; denn es wird noch eine schwierige Zeit kommen. Wenn daher im Annex zum Protokoll von Brazzaville vom 13. Dezember letzten Jahres die USA und die UdSSR als Mitglieder der dort festgelegten sogenannten Joint Commission genannt werden, so bewerte ich das nicht negativ, sondern positiv. Damit bleiben sie im Obligo. Und das halte ich für wichtig. Wer heute, meine Damen und Herren, als Deutscher über Namibia spricht - und das hat auch Herr Bundesminister Klein gerade getan - , der kann die Vergangenheit nicht ausklammern. Nur würde ich sie anders bewerten als der Kollege Klein. (Zustimmung bei der SPD und den GRÜNEN) Daher der Hinweis in unserer Begründung. Herr Kollege Klein, Herr Minister, es geht nicht um hemmungslose Diffamierung - der würde ich widersstehen -, es geht aber auch nicht um eine falsche Glorifizierung. Das will ich sehr deutlich sagen. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN Zuruf von der CDU/CSU: Hat er doch nicht gemacht!) Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, aus diesem Grunde, weil dieses Thema nicht neu in der deutschen Parlamentsgeschichte ist, aus zwei Debatten unserer Kollegen im Deutschen Reichstag Anfang unseres Jahrhunderts zitieren. Ich zitiere hier ganz bewußt - Sie werden nachher merken, warum - aus der 126. Sitzung des Reichstags vom 19. März 1908, Protokoll Seite 4116. Hier hat der Erbprinz zu Hohen(B) lohe-Langenburg von der Reichspartei folgendes ausgeführt - ich zitiere -: Nun fragt es sich: wird der Eingeborne im Stande sein, sich auf diese höhere Kulturstufe aus eigener Kraft hinaufzuarbeiten, oder wird das nicht möglich sein? Ich glaube, das wird im verneinenden Sinne zu beantworten sein. Eine lange Geschichte hat gezeigt, daß die schwarze Rasse - möge sie auch in vielen Beziehungen begabt sein - in ihrer Begabung und eigenen Entwicklungsfähigkeit weit hinter der weißen Rasse zurücksteht. (Koschnick [SPD]: Hat er Rasse' gesagt, oder hat er die Schwarzen" gesagt?) -Rasse". Man braucht ja kaum darauf hinzuweisen, wenn man bedenkt, daß im Laufe vieler tausend Jahre die Neger eigentlich ganz auf demselben Standpunkte geblieben sind und erst allmählich zu höherer Kultur erweckt worden sind, als die europäischen Nationen kolonisierend zu ihnen kamen. In der nächsten Legislaturperiode ist in der 50. Sitzung des Reichstags über das gleiche Thema erneut diskutiert worden. Ich zitiere aus der Sitzung vom 29. April 1912, Protokollseite 1520, meinen Kollegen von damals, den Abgeordneten Henke: ... nun haben wir (hier) ... Äußerungen gehört, die verraten, daß es auch im Reichstag Abgeordnete gibt, die den Neger nicht für einen Menschen halten. Das Protokoll vermerkt hier: (Hörtl hört! bei den Sozialdemokraten.) Der Herr Vizepräsident Paasche war es, der vex den Negern als von Arbeitstieren sprach. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ob das christlich ist, weiß ich nicht; ich meine, das Christentum muß sehr merkwürdig sein bei einem Mann, der solche Urteile über die Eingebe. renen abgibt. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dieses Denken ist in Namibia nicht ausgestorben. Die Resolution 435 wird von der Mehrheit der Weiße" und leider auch unserer deutschen Landsleute nicht akzeptiert. (Lowack [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!) Ich zitiere aus der kürzlichen Befragung einer namibianischen W0chenzeitung. Da sagt ein Farmer aus der Gegend von Otjimbingue: Das Beste wäre es, das Flugzeüg mit der SWAPOFührung schon beim Anflüg auf Windhoek vor Himmel zu holen. Ein anderer Farmer aus der Gegend von Karibib sagt - ich zitiere -: Wenn 435 tatsächlich eingesetzt wird, dann knallt es, dann passiert was. Wenn es tatsächlich zu einer SWAPO-Regierung kommen sollte, dann gehen wir in den Busch und führen Krieg. (Dr. Pinger [CDU/CSU]: Herr Toetemqer, was soll denn das hier? - Lowack [CDU/ CSU]: Sie hetzen doch nur auf!) Als erstes müssen wir dann die weißen SWAPOMitglieder liquidieren. Meine Damen und Herren, ich meine, daß das ganze Haus einem solchen Denken entschieden entgegentreten muß. Denn sonst wird es zu einer friedlichen Lösung in Namibia nicht kommen. (Beifall bei der SPD und der FDP - Dr.-lng. Kansy [CDU/CSU]: Wir folgen aber nicht Ihren Verallgemeinerungen!) - Ich verallgemeinere nicht, Herr Kollege, ich zitiere. (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Woraus denn? Wann? Wo?) - Ich nehme an, Sie nehmen die Kollegen im Reichstag genauso ernst wie ich. Die Gerüchteküche in Namibia - das werden die, die vor kurzem da waren, bestätigen - brodelt über. Ich will nur einige aus vielen Beispielen hier anführen. Erstes Beispiel. 40 000 Hereros kommen jetzt aus Botswana zurück. Das ist der Versuch des divide et impera": Hereros gegen Ovambos auszuspielen. (Frau Eid [GRÜNE]: Die seit 1904 dort sind!) Zweitens. 80 000 Ovambos kehren zurück, die ihre Waffen mit einschmuggeln.

Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 12G9. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 Toetemeyer Drittens. Das Land wird ýzwischen Hereros und Ovambos aufgeteilt. Viertens. Am 1. April wird Nujoma in Windhuk Präsident. Fünftens. Am 1. April wird gewählt. Das sind lauter Gerüchte. Was zeigen diese Gerüchte, meine Damen und Herren? Das ist ein ganz ernster Punkt, der hier in der Debatte angesprochen werden muß. Nur ganz wenige Weiße und Schwarze kennen den Inhalt der Resolution 435. (Frau Eid [GRÜNE]: So ist es!) Unwissenheit führt zu solchen Legenden und Gerüchten. (Frau Eid [GRÜNE]: Auch bei manchen Regierungsmitgliedern!) Das sind Folgen - meine Damen und Herren, das ist eindeutig - der staatlichen gelenkten Propaganda durch die Medien in Namibia, Folgen der Desinformation. Unsere Aufgabe, unsere entscheidende Aufgabe ist es daher, für Information zu sorgen. Nur bei einem friedlichen Wandel wird Namibia eine Chance haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Frau Eid [GRÜNE]) Hier fällt den politischen Stiftungen, die ja schon tätigsind, hier fällt insbesondere den Kirchen in Namibia eine große Aufgabe zu. 90% aller Schwarzen sin Mitglieder einer christlichen Kirche. Hier haben die Kirchen mit dafür zu sorgen, daß Information geschieht, um friedlichen Wandel zu erreichen. Aber, meine Damen und Herren, das alles ist zwecklos, wenn nicht die Rahmenbedlngungen verbessert werden. Wir wissen, daß die Republik Südafrika ab 1. April dieses Jahres mit Beginn des neuem Haushalts ihren Zuschuß an den Haushalt in Namibim von ursprünglich 500 Millionen Rand im Haushaltsjahr 1986/87 über 308 Millionen Rand im Haushaltsjahr 1987/88 auf nunmehr 83 Millionen Rand kürzt. Das führt dazu - das müssen wir wissen -, daß ab 1. April in Namibia keine staatlichen Investitionem mehr stattfinden können. Das ist ein schlechter Start. Das bedeutet, daß in große Erziehungsinstitutionera, beispielsweise in die Akademie in Windhuk, kein;; Zuschüsse mehr gezahlt werden können. Das bedeutet einen schlechten Start. Wir werden im Ausschujß sehr darüber nachzudenken haben, wie wir das verhindern. Denn wenn das so bleibt, wird es keinem friedlichen Wandel in Namibia geben. Ich sage das hier und heute schon sehr deutlich. (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Sehr gut, Herr Kollege!) Auch die Stärke der UNO-Überwachungstruppe ist in diesem Zusammenhang wichtig. Deswegen haben wir das in unseren Antrag bewußt aufgenommen. Wir wissen zwar inzwischen - unser Antrag ist in diesexn Punkt vielleicht überholt -, daß der Sicherheitsrat a.-n 16. Februar, vor etwa einer Woche, beschlossen hatt, zunächst - im Text heißt es: initially - 4 650 Soldaten nach Namibia zu schicken und 2 350 in Reserve zu halten. Damit wäre die alte Zahl 7 000 wieder erreichtt. Aber, meine Damen und Herren - der Minister hat es richtig ausgeführt -, Namibia ist so groß wie die Bundesrepublik plus Frankreich plus Schweiz zusammen mit nur 1,2 Millionen Einwohnern, wovon 80% auf dem Lande leben. (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: In der NamibWüste brauchen wir keine Beobachter!) - Seien Sie vorsichtig. Sie kennen sich nicht gut aus. (Frau Eid [GRÜNE]: So ist es!) Die Buschleute sind aus der Namib-Wüste, (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Nicht so gut wie Sie!) und die sind gerade mißbraucht worden: als Fährtensucher gegen die Ovambos. Ich will Sie ein bißchen aufdären, Herr Kollege, damit wir hier mit gleichem Wissensstand diskutieren. Sie müssen wissen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, daß die Hälfte der so gefürchteten Koevoet - die Waffen-SS der Südafrikaner habe ich sie immer genannt - in die Polizeitruppe der 6 000, die im Lande verbleiben, integriert worden sind. Das sind Schwarze, die dazu erzogen worden sind, andere Schwarze umzubringen, grausam umzubringen, wie wir wissen. 6 000 Mann, davon die Hälfte Koevoet, plus 1 500 von der südafrikanischen Armee bleiben, und denen stehen nur 4 650 Blauhelme gegenüber. Man muß die Zahlen und die Größe des Landes in Relation bringen. Ich teile die Auffassung des Vertreters des Auswärtigen Amtes, Herrn Dr. Sulimma, die er vor wenigen Tagen in Namibia geäußert hat. Ich habe heute vom Minister zwar eine andere Zahl, was den Beitrag zur UNTAG angeht, gehört, aber ich gehe jetzt einmal von der optimistischeren Zahl aus, die Sie, Herr Dr. Sulimma, genannt haben, nämlich von 93 Millionen DM. Die Bundesregierung sollte das noch intern abstimmen. Sie haben die Zahl der Kfz genannt, und Sie haben die Zahl der Kfz-Mechaniker genannt, die den UNOApparat unterhalten sollen. Ich teile - das wird verständlich auf dem Hintergrund dessen, was ich soeben gesagt habe - auch ausdrücklich die Hinweise zur Neutralität der Medien, zu einer Änderung der Haltung der Medien. Ich hoffe sehr, daß wir da Erfolg haben werden. Schon jetzt, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, müssen wir die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit schaffen. Deswegen haben wir unseren Antrag so formuliert. Ich hoffe, daß wir uns am Ende darüber verständigen. Die Nichtregterungsorganisatlonen sind in diesem Zusammenhang unentbehrlich. Ich freue mich, daß die uns nahestehende Stiftung inzwischen begonnen hat, die Übersetzung der UNO-Resolution 435 in die Eingeborenensprachen zu unterstützen, weil ich Information an diesem Punkt für unglaublich wichtig halte. Ich bitte die Bundesregierung, alle politischen Stiftungen, die etwas Ähnliches tun, hier nachhaltig zu unterstützen. 9498

Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 Toetemeyer (A) Meine Damen und Herren, in einem Punkte folge ich dem Minister. Ich folge ihm, wenn er, wie geschehen, sagt, dieser Ansatz eines friedlichen Miteinanders von Weißen und Schwarzen in einem afrikanischen Land darf nicht scheitern. (Beifall bei allen Fraktionen) Die Republik Südafrika wartet nur darauf, daß er scheitert. (Frau Eid [GRÜNE]: So ist es!) Deswegen, meine Damen und Herren, sollten wir militanten Tönen von allen Seiten widersprechen. (Frau Eid [GRÜNE]: Auch die von der CSU!) Wir sollten den Weißen widersprechen, wenn sie jetzt in einer großen Informationskampagne durch die südafrikanische Armee über die kommunistische Gefahr, die uns angeblich droht, aufklären wollen, und wir sollten allen Weißen widersprechen, die heute noch sagen: Der Kampf gegen die SWAPO ist nötig. Wir sollten all den Weißen widersprechen, die sagen: Wir müssen jetzt die Stämme in Namibia gegeneinander ausspielen. Wir sollten allen widersprechen, die heute sagen: Wir wollen das Land verlassen. Ihre Anwesenheit im Lande ist lebensnotwendig. Wir sollten auch der SWAPO widersprechen, wenn sie sagt - ich nenne nur zwei Beispiele -: Wir werden nach der Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung keine weitere Wahl durchführen. Dem sollten wir widerstehen; denn wer eine Verfassung erarbeitet, muß nach dieser Verfassung wählen lassen. (B) (Beifall bei allen Fraktionen) Wir müssen der SWAPO zweitens widersprechen, wenn - im Überschwang des bevorstehenden Sieges - gesagt wird: Jetzt wollen wir beispielsweise die DHPS, die deutsche private höhere Schule in Windhuk, auflösen. - Dies wäre schlecht. Dies würde nicht zum Frieden zwischen Weißen und Schwarzen beitragen. (Frau Eid [GRÜNE]: Aber geändert werden muß sie doch!) - Liebe Uschi Eid, wir müssen militanten Tönen von Weißen und von Schwarzen widersprechen. Es gibt an der DHPS vieles zu ändern; darüber sind wir uns einig. Aber man darf nicht sagen: Es gibt keine Chance mehr für weiße deutsche Kinder in dieser Schule. Darum geht es mir. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte schließen, indem ich noch einmal das zitiere, was der Kirchenrat, der CCN, in Namibia zu dem, was sich jetzt abspielt, gesagt hat - ich schließe mich dem ausdrücklich an -: ,Wir hoffen und beten', so hat er formuliert, ~daß alle Beteiligten es ehrlich und ernst meinen." - Dies heißt im Blick auf die deutsche evangelisch-lutherische Kirche, daß ihr Auszug aus dem gemeinsamen Kirchenrat mit den Schwarzen nicht in die Landschaft paßt. Auch das sollte hier und heute deutlich gesagt werden. Von der weiteren friedlichen Entwicklung im südlichen Afrika hängt hinsichtlich der Entwicklung Namibias vieles ab. Wir sollten alle Anstrengungen unternehmen - auch in der Beratung im Auswärtigen Aus- schuß, von der ich hoffe, daß sie bald stattfindet, damit (C) es noch aktuell bleibt - , (Frau Eid [GRÜNE]: Heute abstimmen, das wäre das Richtige!) um diesen Prozeß des friedlichen Wandels, den ich zu skizzieren versucht habe, zu unterstützen. Mich stimmt die Meldung von vorgestern optmi. stisch, wonach der Sprecher der südafrikanischen Armee in Namibia bekanntgegeben hat, daß die Ausgangssperre im Norden des Landes seit gestern auf. gehoben ist; es handelte sich um eine Ausgangssperre von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Dies ist ein hoffnungsvolles Zeichen. Als offizielle Begründung der Armee wird angegeben: Die SWAPO hat ihre Tätigkeit im Norden Namibias eingestellt.' Ein hoffnungsvolles Zeichen, ein Zeichen auf einem Wege am Beginn eines friedlichen Prozesses. Wir sollten alles tun, um diesen Prozeß zu unterstützen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei allen Fraktionen) Präsidentin Dr. Süssmuth: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Homhues. Dr. Homhues (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Beginn des Unabhängigkeitsprozesses für Namibia steht am 1. April 1989, also unmittelbar, bevor. Für meine Fraktion begrüße ich diese Entwicklung. Ich möchte namens meiner Fraktion allen danken, die zu den Protokollen von Brazzaville und dem Abkommen von New (5) York beigetragen haben. Ich möchte - ich will dies nicht verhehlen - insbesondere dem amerikanischen Chefunterhändler Chester Crocker danken, der sich persönlich erheblichen Anteil daran erworben hat, daß diese Lösung am Ende nun doch so kommen konnte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind sicher, daß damit der Weg in die Unabhängigkeit Namibias gebahnt ist, und wir hoffen, daß auch für Angola bald eine Beendigung des Krieges möglich ist. Die Frage, ob andere Wege zur Unabhängigkeit Namibias denkbar gewesen wären, ob eine Unabhängigkeit, international anerkannt, eher erreichbar gewesen wäre, auf anderem Wege erreichbar gewesen wäre, dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollte heute für uns Schnee von gestern sein. Jetzt geht es darum, alles zu tun, damit das ehemalige DeutschSüdwest, das heutige Namibia eine gute Zukunft hat. Die Bundesregierung, die Fraktionen dieses Hauses haben, wenn ich richtig zugehört habe, in der Vergangenheit und heute immer die besondere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für Namibia und alle seine Bürger betont. Mit dem vorgelegten Antrag der Koalitionsfraktionen fordern wir die Bundesregierung auf, dieser besonderen Verantwortung nunmehr gerecht zu werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich werte die Tatsache, daß heute morgen - ein wenig ungewöhnlich - der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit als erster zum Antrag des Parlaments gesprochen hat, als einen Hinweis darauf, daß

Deutscher Bundestag - 11. Wahlpenode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Febriur 1989 Dr. Hornhues die Bundesregierung tatsäc4lich entschlossen ist, dieser Verantwortung nunmehr gerecht zu werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP Frau Eid [GRÜNE]: Was hat München mit Namibia zu tun?) Wir erwarten von Südafrika, wir erwarten von den Vereinten Nationen, daß sie sich in dem Prozeß zur Unabhängigkeit unparteilich verhalten, alle Anstrengungen unternehmen, um faire und freie Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung und später zur Nationalversammlung entsprechend den eingegangenen Verpflichtungen zu garantieren. Wir erwarten, daß unsere Regierung alles tut, um dies nach Kräften zu unterstützen. Wir erwarten insbesondere von Südafrika, daß es während des Übergangsprozesses seiner Verantwortung gegenüber allen Namibianern gerecht wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf vielen Seiten - das ist eben schon angeklungen - gibt es mit dem beginnenden Unaibhängigkeitsprozeß in Nai'ibia Sorge und Angst. Diese Sorgen und Ängste sind sowohl bei den aus dem Ausland zurückkehrenden Namibianern gegeben wie bei denjenigen, die im Lande leben. Auf vielen Seiten ist tiefes Mißtrauen vorhanden. Es wirkt eben noch nach, daß bis gestern, bis eben, bis vor kurzem noch Gewalt und Gegengewalt die Auseinandersetzung b5stimmten. Für manchen kommen da die Terroristen und Handlanger des Kommunismus ins Land zurück, für andere heißt das Feindbild weiter Rassist; Unterdrücker, Kolläborateur des Rassismus, für manch dritten ist die Dominäliz einer ethnischen Gruppe das Bedrohliche, das er mit dem Stichtag und dem beginnenden Prozeß verbindet. Zudem steht ein Wahlkampf bevor, dir Emotionen in gefährlichem Ausmaß schüren kann. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieser Situation ist es für einen friedlichen Übergang in die Unabhängigkeit von entscheidender Bedeutung, daß nicht nachgekartet, nicht auf- und nicht abgerechnet wird, sondern daß Prozesse der Aussöhnung, der Versöhnung, der Vertiäuensbildung eingeleitet werden, je eher, je besser. (Beifall bei allen Fraktionen) In diesem Zusammenhang kommt den Kirchen in Namibia ob ihrer hohen'Autorität im Lande eine überragende Bedeutung zu. Vor allem da die Kirchen die Reintegration der aus dem Ausland zurückkehrenden Namibier übernommen haben, appellieren wir an die deutschen Kirchen, ihre Schwesterkirchen in Namibia bei diesen Aufgaben zu unterstützen. An die Bundesregierung richten wir die Aufforderung, in Vertiefung von Kontakten und Gesprächen mit den politischen Kräften Namibias zu einem solchen Prozeß der Vertrauensbildung beizutragen. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang, daß in wenigen Tagen, Anfang kommenden Monats, die Beobachtungsmission der Bundesrepublik Deutschland in Namibia eintreffen wird. Insgesamt geht Namibia in eine durchaus kritische Phase von einem Jahr bis zur Unabhängigkeit, wenn denn alles klappt. Hier zu helfen, hier zu unterstützen, hier zu versöhnen, hier mitzuwirken, daß man zusammenfindet, nachdem man weit voneinander entfernt war, halte ich für eine der zentrealen Aufgaben nicht (C) nur der offiziellen deutschen Politik, sondern auch von uns allen, die wir uns hier im Plinium des Deutschen Bundestages immer wieder für dieses Land einzusetzen versucht haben. (Beifall bei der CDU/CSU,

Deutscher Bundestag - 11 Wahlperiode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 Dr. Hornhues (A) Weißen würde angesichts der gegebenen Wirtschaftsstruktur einen Zusammenbruch der Wirtschaft Namibias bedeuten können. Von daher nehmen wir mit Befriedigung vor allen Dingen die Stimmen zur Kenntnis - man muß auch einmal, Herr Toetemeyer, andere Stimmen zur Kenntnis nehmen, nicht immer nur die, die einen ärgern -, vor allem aus dem Bereich der schwarzen Mehrheit, die in den letzten Monaten immer lauter und deutlicher den Appell und die Bitte an die bisher dominierende weiße Minderheit richten, im Lande zu bleiben, gemeinsam an der Zukunft des Landes mit allen anderen zu arbeiten. In diesem Sinne appellieren wir auch an die deutsche Minderheit im Lande, den Unabhängigskeitsprozeß nicht nur zu erdulden, zu ertragen, abzuwarten, sondern konstruktiv mitzutragen und mitzugestalten. Sie, die deutsche Minderheit in Namibia, hat dieses Land immer auch als ihre Heimat begriffen. Wir werden das, was in unseren Kräften steht, tun, daß dies so bleiben kann. Im Rahmen einer neu und weiter zu entwickelnden auswärtigen Kulturpolitik mit einem unabhängigen Namibia werden wir uns für die berechtigten Interessen der deutschsprachigen Minderheit in Namibia einsetzen. Der Kollege Toetemeyer hat bereits einige Punkte in diesem Zusammehang konkret angesprochen. Dies alles und auch dieses Eintreten für die Deutschen im Lande wird für uns um so leichter sein, je mehr sich die Deutschen in Namibia für die Entwicklung des Landes und für eine gemeinsame Zukunft (B) mit allen im Lande engagieren. An dieser Stelle möchte ich vielen, auch vielen Deutschen, im Lande danken, die, oft scheel angesehen, ja von manchen beschimpft und verspottet, seit vielen Jahren sehr konkret für die Beseitigung der Apartheid gewirkt haben und die sich für Verstehen und Verständigung eingesetzt haben. Ich möchte sie auffordern, gerade in dieser historischen Phase ihres Landes mit aller Kraft in diesem Bemühen fortzufahren. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind daran interessiert, daß Namibia ein freiheitliches Land mit demokratischen Strukturen und einer vernünftigen Wirtschaftsordnung wird. Wir sind daran interessiert, daß sich Namibia zu einem Land entwickelt, in dem verschiedene Rassen gleichberechtigt und, wenn es geht, harmonisch in einem Zustand wachsenden Wohlstandes miteinander leben können. Wir sind in diesem Sinne daran interessiert, daß auf diese Weise Namibia gut in die Unabhängigkeit kommt und eine gute Zukunft nach der Unabhängigkeit hat. Wir verpflichten uns selber, zu tun, was in unseren Kräften steht, um an einer solchen Zukunft Namibias mitzuwirken, und wir erwarten dies auch von der Bundesregierung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD) Präsidentin Dr. SOssmuth: Das Wort hat die Abge. (C) ordente Frau Eid. Frau Eid (GRÜNE): Frau Präsidentin! Kollegen und Kolleginnen! Elf Jahre nach der Verabschiedung der Resolution 435 scheint es nun endlich soweit zu sein: Namibia steht vor dem letzten Stück des Weges zu seiner Unabhängigkeit. Die Resolution 435 soll verwirklicht und die vor mehr als hundert Jahren mit dem deutschen Kolonialismus begonnene Fremdherr. schaft soll beendet werden. Wir freuen uns gemeinsam mit den Menschen innerhalb und außerhalb Namibias, die nun darauf warten, ihre Geschicke selbst zu bestimmen und selbst zu gestalten. Wir freuen uns mit allen, die zu diesem bevorstehenden Erfolg beigetragen haben. Der vorletzte große Kolonialkonflikt in Afrika geht mit dem am 1. April beginnenden Prozeß wohl endgültig seinem Ende entgegen. Wir GRÜNEN teilen die Feststellung von Perez de Cuellar, daß dieser Tag ein historischer Tag der Vereinten Nationen ist. (Toetemeyer [SPD]: Sehr wahr!) Vor einem Jahr noch hatte niemand eine solche Entwicklung für möglich gehalten. Eingeleitet wurde der unaufhaltsame Rückzug der südafrikanischen Besatzer durch deren militärische Niederlage bei Cuito-Cuanavale in Angola. Denn mit dieser Niederlage war für alle Seiten der Mythos von der Überlegenheit oder gar der Unbesiegbarkeit der südafrikanischen Luftwaffe zerstört. Nicht weniger wichtig waren die Veränderungen auf Seiten der beiden Supermächte. Die Sowjetunion hatte ihre Bereitschaft zur friedlichen Regelung der großen Regionalkonflikte signalisiert. Die USA griffen dies auf, um ihre Linkage-Politik im südlichen Afrika doch noch verwirklichen zu können. Diese beiden Faktoren begünstigten die schwarze und weiße Opposition in Südafrika bis tief hinein in das burisch-konservative Lager. Südafrikas Kriegsund Besatzungspolitik gegen Angola und Namibia forderte zu hohe menschliche und finanzielle Opfer. Trotzdem, alle bisherigen Erfahrungen mit Südafrikas Politik gegenüber den Nachbarn lehren: Südafrika bleibt weiterhin der unkalkulierbare Unsicherheitsfaktor in der weiteren Entwicklung des Unabhängigkeitsprozesses. Hier ist die Bundesregierung gefordert. Jahrelang hat sie, außer Lippenbekenntnisse abzugeben, nichts zur Verwirklichung der Resolution 435 unternommen. Jetzt möchte sie auf der Seite der Gewinner stehen. Noch vor weniger als vor einem Jahr hat sich der Koalitionspartner CSU massiv gegen die Einlösung der Resolution 435 gestellt. Ich bin nicht Ihrer Meinung, Herr Kollege Hornhues, (Zurufe von der SPD: Der ist nicht in der CSU) daß man jetzt nicht zurückschauen, sondern vergessen und nur nach vorne schauen soll. Nein, ich denke, man muß auch die Geschichte und die Entwicklung bis zum heutigen Tage berücksichtigen.

Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 Frau Eid In der ersten großen Afrika-Debatte des Bundestags nach der Verabschiedung der Resolution 435 am 18. Januar 1980 erklärte Dr. Jaeger für die CDU/CSUFraktion, es gehe in Namibia - ich zitiere - ~nicht um die Vorherrschaft einer weißen Minderheit, sondern um die Frage: Demokratie oder Diktatur". Keiner der CDU/CSU-Redner ging in dieser Debatte auf das Selbstbestimmungsrecht des namibischen Volkes ein. Vergessen wollen wir auch nicht, daß der heutige Bundesminister Klein gemeinsam mit dem damaligen FDP-Abgeordneten Rumpf und dem CDU- Abgeordneten Hedrich und dem damaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Zeidler von der SPD an den Einsetzungsfeierlichkeiten der illegalen Interimsregierung teilgenommen hat. Daß Sie, Herr Minister Klein, heute morgen hier das Wort ergreifen - ich finde, da fehlt Ihnen ein bißchen Schamgefühl. Ich hätte erwartet, daß Sie heute zumindest ein kritisches Wort zu Ihren damaligen Tätigkeiten sagen. (Beifall bei den GRÜNEN - Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Diese Regierung wird dort heute wesentlich besser beurteilt als Sie wahrhaben wollen!) Wir erinnern uns aber ebenso nur allzu deutlich, in welchen Hasenspningen sich die damalige Bundesregierung z. B. kurz vor der Unabhängigkeit Zimbabwes ,umorientiert" hat. Dieses opportunistische Schauspiel erleben wir jetzt wieder: jungfräulich und - schuldiges Augenklimpern auf allen Seiten, wenn in wenigen Tagen Sam Nujoma auch von Regierungsvertretern empfangen wird; (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Den habe ich schon oft getroffen, da wußten Sie noch gar nicht, wie der heißt!) zugleich aber - wie auch vor der Unabhängigkeit Zimbabwes - eine besonders widerliche Hetzkampagne gegen die SWAPO. Da streuen CDU-Funktionäre wie etwa der Vertreter der Konrad-Adenauer- Stiftung in Windhuk Parolen vom absoluten Chaos und womöglich sogar Bürgerkrieg" nach der Unabhängigkeit. Namhafte CDUund CSU-Politiker arbeiten mit der Bonner Filiale der Propagandaabteilung der völkerrechtswidrigen Interimsregierung zusammen. Da werden Greuelmärchen etwa über die mögliche Wirtschaftspolitik der SWAPO verbreitet, anstatt sich mit dem Positionspapier der SWAPO ernsthaft auseinanderzusetzen (Lowack [CDU/CSU]: Lesen Sie sich das bitte mal durch!) - bevor Sie einen Zwischenruf machen, Herr Kollege Lowack -, das diese am 28. November vergangenen Jahres veröffentlicht hat. (Beifall bei den GRÜNEN) Da werden Horrorgeschichten aufgetischt, die nur zur Kapitalflucht weißer Unternehmer führen sollen, anstatt den nüchternen Feststellungen etwa der Bundesstelle für Außenhandelsinformation zu folgen, die von kurzfristigen Übergangs- und Anpassungsschwiengkeiten" spricht. Da wird von der bevorstehenden SWAPO-Diktatur geredet und bewußt unterschlagen, daß die SWAPO sich rechtsverbindlich auf die 1982 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen Grundsätze für die Verfassunggebende Versammlung und für das Grundgesetz eines unabhängigen Namibia" gestellt hat, wo es u. a. heißt - ich zitiere, damit diejenigen, die nicht wissen, was die Resolution 435 bedeutet, endlich einmal informiert werden -: Eine Erklärung der Grundrechte hat folgendes einzuschließen: das Recht auf Leben, persönliche Freiheit und Freizügigkeit; Gewissensfreiheit; Meinungsfreiheit inklusive Rede- und Pressefreiheit; Versammlungsfreiheit, auch für politische Parteien und Gewerkschaften; das Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren und Gleichheit vor dem Gesetz; Schutz gegen willkürliche Enteignung von Privateigentum oder Enteignung ohne gerechte Entschädigung; Schutz vor rassischer, ethnischer, religiöser oder geschlechtlicher Diskriminierung... Die Hetzkampagne ist unhaltbar. Die Glaubwürdigkeit der Liebeserklärungen der Bundesregierung an Namibia ist auch daran zu messen, wie sie mit solcher Propaganda umgeht. (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Hetzen tun nur Sie jetzt, sonst niemand!) Sie ist zweitens daran zu messen, ob die Bundesregierung nun all ihre Möglichkeiten nutzt, jeder Verzögerung oder anderen Störung des Unabhängigkeitsprozesses durch Südafrika entgegenzuwirken. Die bevorstehenden Monate bis zur schließlichen Unabhängigkeit des Landes sind voller Schwierigkeiten. Das haben die verschiedenen Redner schon gesagt. Auf einige konkrete Schwierigkeiten möchte ich kurz hinweisen. Erstens. Die vorgesehene Reduzierung der UNTAG: Wir sind strikt gegen diese Reduzierung und fordern gemeinsam mit dem Namibischen Kirchenrat die Beibehaltung der ursprünglichen Zahlen. (Dr-Ing. Kansy [CDU/CSU]: GRÜNE fordern mehr Soldaten!) Zweitens. Es gibt heute bereits genügend Beispiele dafür, daß die südafrikanische Armee bzw. die sogenannten südwestafrikanischen Territorialstreitkräfte die Bevölkerung einzuschüchtern versuchen. Selbst Mordanschläge zur Einschüchterung der Wähler sind nach allen bisherigen Erfahrungen zu befürchten. (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Einschüchtern tun ganz andere!) Drittens. Die südwestafrikanlschen Territorialstreitkräfte mit ihren über 20 000 Mann müssen entwaffnet und aufgelöst werden. (Zuruf von der SPD: Richtig!) Die Tatsache, daß es diese Marionettentruppen bei Verabschiedung der Resolution 435 noch nicht gab, kann nicht heißen, daß über deren Verbleib neu zu verhandeln wäre. Hierzu fordern wir eine eindeutige Stellungnahme der Bundesregierung. Viertens. Südafrika muß unverzüglich die noch fehlenden drei Kontrollposten entlang der angolanisch- 9502

Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 129, Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 (A) Präsidentin Dr. Süssmuth: Nein. Irrmer (FDP): Ich bedanke mich. Außerdem muß ich es eigentlich gestatten, nachdem ich sie so angemacht habe. Frau Eid (GRÜNE): Herr Kollege, sehen Sie einen Unterschied zwischen den folgenden beiden Formulierungen: Wir machen aus Namibia einen Modellfall bundesdeutscher Entwicklungshilfe" und: Wenn die Namibier es wollen, dann bieten wir ihnen an, sie zu unterstützen, damit sich ihr unabhängiges Land zum Besten hin entwickelt"? Sehen Sie darin einen Unterschied? Irrer (FDP): Liebe Frau Eid, ich sehe selbstverständlich den Unterschied. (Frau Eid [GRÜNE]: Gut!) Ich sage sogar, daß die zweite Formulierung wesentlich besser ist. Ich bitte aber um Verständnis: Es verfügt ja nicht jeder über Ihre Sprachgewalt, ich zumindest nicht. (Heiterkeit bei der FDP) Ist die Frage damit befriedigend beantwortet? (Frau Eid [GRÜNE]: Dann müssen Sie unsere Anträge eben genau lesen! Da steht es nämlich so drin!) - Die habe ich ja gelesen. (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Es kann auch (B) nicht jeder so genau lesen!) Wir sind für das Modell für Entwicklungszusammenarbeit. Die Voraussetzungen sind günstig. Ich bin auch der Meinung, daß wir schon jetzt im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft Namibia ganz klar ankündigen sollten, daß es nach der Unabhängigkeit als Partner des Lome-Abkommens hochwillkommen sein wird. Die wichtigste Voraussetzung dafür, daß auch eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung Namibias auf Dauer erwartet werden kann, ist aber, daß der innere Friede im Land geschaffen und gesichert werden kann und daß die Wunden der Vergangenheit geheilt werden können. Hier trägt insbesondere die SWAPO, die stärkste politische Kraft in Namibia, ein hohes Maß an Verantwortung. Ich möchte hier eigentlich das Beispiel eines anderen Landes empfehlen, das erst vor kurzer Zeit die Unabhängigkeit erlangt hat: Simbabwe. Zwar sind nicht alle Hoffnungen in Erfüllung gegangen, die man an das unabhängige Simbabwe geknüpft hatte - zum Teil auch wegen der Destabilisierungsversuche seitens Südafrika -, (Toetemeyer [SPD]: Sehr wahr!) trotzdem war die Basis der Politik des unabhängigen Simbabwe von Anfang an die Aussöhnung, reconciliation. Mugabe hat allen Bevölkerungsgruppen im Lande, auch früheren Gegnern, auch Minderheiten, die Hand zur Versöhnung hingestreckt und hat versucht, allen im Land eine Hoffnung und eine Zukunft zu geben. Daran sollte sich Sam Nujoma ein Beispiel nehmen. 9505 Wenn auf diese Weise das unabhängige Namibia zt einem Modell werden kann, dann meine ich: Es könnte auch ein Modell für das Funktionieren einer gemischrassigen Gesellschaft werden, in der die Menschen- und auch Minderheitenrechte gewahrt werden. (Toetemeyer [SPD]: Jawohl!) Das wiederum hätte dann nämlich ganz entscheidende Auswirkungen auch auf die Situation innerhalb der Republik Südafrika. Dies könnte nämlich dort von der weißen Mehrheit, von den Vernünftigen inner. halb der weißen Mehrheit zum Anlaß genommen werden, zu sagen: Bitte, so geht es auch. Es könnte diejenigen, die immer sagen, ob ein Mensch gut oder schlecht ist, ob er Rechte haben darf oder nicht, hänge von der Hautfarbe ab, dazu bringen, anzuerkennen: Ja, die Schwarzen können es auch, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt. - Und es ist möglich, daß Menschen verschiedener Hautfarbe friedlich miteinander leben. Machen wir uns doch nichts vor: Wir freuen uns über die neuen Entwicklungen in und um Namibia, aber das südliche Afrika wird erst dann zur Ruhe kommen, wenn das Apartheidregime endgültig und restlos beseitigt ist. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. (Beifall bei allen Fraktionen) Präsidentin Dr. Süssmuth: Das Wort hat Staatsmnister Schäfer. Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 1. April 1989 ist der Tag, an dem die Anwendung der Resolution 435 und des hierauf gestützten westlichen Lösungsplans für Namibia beginnt. Damit ist die Unabhängigkeit Namibias endlich in greifbare Nähe gerückt. Der Weg dahin war nicht einfach, Frau Kollegin Eid. Gewalt und regionaler Unfrieden, Rückschläge und oftmals enttäuschte Hoffnungen auf schnelle Lösungen waren die Etappen eines zehnjährigen Weges, der von der Erarbeitung der Resolution 435 1978 bis zu der am 16. Februar 1989 beschlossenen Ermächtigungsresolution des Sicherheitsrates geführt hat. Die Bundesregierung hat diesen historischen Prozeß von Anfang an aktiv und konstruktiv begleitet. Herr Kollege Irmer, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie insbesondere auf die Rolle von Bundesaußenminister Genscher hingewiesen haben. (Frau Eid [GRÜNE]: Aha! Man höre genau auf die Betonung!) Er war zusammen mit den Außenministern der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Kanadas sowohl einer der Väter dieser Resolution als auch einer der Initiatoren des diese Resolution ergänzenden westlichen Lösungsplans. Wir haben, ungeachtet aller Schwierigkeiten - wenn ich in die Besucherloge sehe, dann weiß ich, wovon ich bei dem Begriff ,,Schwierigkeiten" rede -, die uns hier gemacht worden sind, an diesem Plan entschlossen festgehalten und unbeirrt auf seine Ver-

Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 Staatsmini ter Schäler wirklichung hingearbeitet. Die Entwicklung bestätigt, daß eine erfolgreiche Politik eine klare Konzeption und einen langen Atem verlangt. Die Resolution 435 und der Lösungsplan entsprechen in allen Teilen einem verpflichtenden Grundprinzip demokratischer Politik: der Ausübung des Selbstbestimnungsrechtes des namibischen Volkes. Dieses Ziel hat die Bundesregierung zu keinem Zeitpunkt aus den Augen verloren. Die Resolution 435 wurde überdies stets von der überwältigenden Mehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen unterstützt und getragen. Die Interimsregerungen, die uns gelegentlich angedient wurden, konnten nie eine Alternative zur Unabhängigkeit Namibias sein. (Frau Eid [GRÜNE]: Hat das Herr Bundesminister Klein auch so gesehen?) Wir können jetzt sagen: Wenn die Unabhängigkeit Namibias jetzt mit dem Beginn der Implementierungsphase der Resolution 435 in Sichtweite gerückt ist, so ist dies nicht zuletzt auch ein Erfolg kontinuierlicher deutscher Außen- und Afrikapolitik. Unsere Genugtuung über die jetzt bevorstehende Namibia-Lösung darf uns allerdings nicht den Blick für die fortdauernden Probleme in der Region verstellen. Der Abzug der südafrikanischen und kubanischen Soldaten aus Angola bringt diesem Land noch nicht den inneren Frieden. (Frau Eid [GRÜNE]: Solange die Unita durch die USA unterstützt wird!) Das Vertragswerk von New York sieht vor, daß es in Angola keine fremden Militärinterventionen mehr geben soll. Nach wie vor stehen sich Angolaner aber in einem blutigen Bürgerkrieg gegenüber. Angola erhält jetzt jedoch die Chance, seine inneren Probleme aus eigener Kraft zu lösen. Wir hoffen, daß der Bürgerkrieg in Angola, der bereits so viele Menschenleben gefordert und ein ganzes Volk ins Unglück gestürzt hat, schnell beendet wird. (Frau Eid [GRÜNE]: Dann wirken Sie auf die USA und Zaire ein!) Wir unterstützen alle Bemühungen, insbesondere der afrikanischen Regionalstaaten, zur Herbeiführung des Friedens in Angola. Dieses Ziel, Frau Kollegin Eid, wäre leichter zu erreichen, wenn jede militärische Unterstützung von außen beendet würde. (Beifall bei allen Fraktionen) Dies gilt sowohl für Waffenlieferungen und militärische Unterstützung an die MPLA-Regierung als auch für die UNITA. Das namibische Volk soll Anfang 1989 in freien, fairen und international überwachten Wahlen - meine Damen und Herren, es klang ja heute morgen an: das heißt es erst noch sicherzustellen; Herr Kollege Toetemeyer, auch wir sehen hier manche Klippe, die noch zu überwinden ist - eine verfassunggebende Versammlung wählen, die über die zukünftige staatliche und gesellschaftliche Ordnung entscheiden soll. Wir vertrauen darauf, daß diese Staatsordnung entsprechend den Verfassungsprinzipien gestaltet wird, die von der Kontaktgruppe erarbeitet und von den Vereinten Nationen, der SWAPO und Südafrika aner- kannt worden sind. Das unabhängige Namibia wird eine demokratisch legitimierte Regierung erhalten. Es braucht eine Verfassung, die von Pluralismus, Recht und Demokratie getragen wird. (Zustimmung bei der CDU/CSU) Südafrika wird gemäß dem Lösungsplan während der Übergangszeit bis zur Unabhängigkeit für eine geordnete Verwaltung Nanibias verantwortlich sein. Dazu gehört auch die Sicherstellung der finanziellen Grundlagen (Sehr gut! bei der SPD) für eine funktionierende öffentliche Verwaltung. (Sehr richtig! bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, dieser Verantwortung kann und darf sich Südafrika weder unter Hinweis auf eigene Haushaltsprobleme noch unter Hinweis auf internationale Schulden noch unter irgendeinem anderen Vorwand entziehen. (Beifall bei allen Fraktionen) Die Bundesregierung hat sich immer zu einer besonderen Verantwortung für Namibia bekannt. Unsere Beteiligung an der westlichen Kontaktgruppe, die Periode deutscher Kolonialherrschaft in Namibia und nicht zuletzt die beträchtliche deutsche und deutschstämmige Minderheit sind die Gründe für diese Haltung. Die Bundesregierung wird - darauf hat der Kollege Klein hingewiesen - durch ihre finanziellen und personellen Beiträge sowie durch Sachleistungen die Friedensbemühungen der Vereinten Nationen nach besten Kräften unterstützen. So werden wir unseren Pflichtbeitrag für die Kosten der - wie es so schön heißt - United Nations Transition Assistance Group, UNTAG, in voller Höhe unverzüglich bereitstellen. (Frau Eid [GRÜNE]: Wann ist ,unverzüglich"?) - Die Mittel stehen schon bereic. Zusätzlich stehen uns noch Mittel für freiwillige Leistungen zur Verfügung. Davon werden Kraftfahrzeuge geliefert. Sie werden noch im März, also vor Beginn der Implementierung von Resolution 435, in Namibia eintreffen. Weiter bemühen wir uns, zur Wartung des Wagenparks von UNTAG Kfz-Mechaniker zur Dienstleistung bei den Vereinten Nationen zu entsenden. Auch das ist auf dem Wege. Darüber hinaus haben wir dem UN-Sekretariat angeboten, uns an der Wahlbeobachtergruppe der Vereinten Nationen zu beteiligen. Die Rückführung der namibischen Flüchtlinge in ihre Heimat ist ein weiteres besonderes Problem. Die Bundesregierung prüft deshalb, ob weitere Mittel für einen freiwilligen Beitrag zu dem Programm des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen bereitgestellt werden können. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ab Anfang März 1989, also schon in wenigen Tagen, werden wir eine diplomatische Beobachtermis- 9506

Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 95c Staatsminister Schäfer (A) sion in Windhuk errichten, um den Unabhängigkeitsprozeß vor Ort zu verfolgen. (Toetemeyer [SPD]: Sehr gut!) Diese Entscheidung soll auch der Vertrauensbildung in der schwierigen Zeit des Übergangs zur Unabhängigkeit dienen. Die mit der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 16. Februar 1989 endgültig beschlossene Verwirklichung des Friedensplans für Namibia bedeutet einen tiefen Einschnitt in der Geschichte dieses Landes. Erforderlich ist die Schaffung von Vertrauen über ethnische und politische Grenzen hinweg, damit in Namibia ein Staat entstehen kann, in dem Menschen verschiedener Rassen und unterschiedlicher Stammeszugehörigkeit friedlich zusammenleben können. Die Bundesregierung hat stets den Dialog mit allen politischen Kräften Namibias gefördert und selbst den Dialog mit ihnen gesucht und geführt. Wir werden diese Politik fortsetzen. Wir wollen ebenso mit der SWAPO wie mit den anderen Parteien in Namibia sprechen. Wir messen den Gewerkschaften, den Kirchen und anderen gesellschaftlichen Gruppen wie z. B. der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Südwester eine bedeutende Integrationskraft zu. (Sehr gut! bei der CDU/CSU) Sie ist unerläßlich, um Ausgleich und Versöhnung in Namibia zu erreichen. Vorhin ist auf die Übergangsphase in Rhodesien/ Simbabwe hingewiesen worden. Da waren ja einige (B) Kollegen und ich als Beobachter dabei. Dort haben uns am Abend vor der Wahl einige gesagt: Wenn Mugabe gewinnt, werden wir das Land verlassen. Ich glaube, man sollte aus der Entwicklung in Afrika lernen. Solche Befürchtungen sind sicher auch in diesem Falle übertrieben. Man soll bleiben, und man soll daran mitwirken, daß ein Zusammenwirken aller Kräfte in Namibia zustande kommt, (Beifall bei allen Fraktionen) statt schon vorher sozusagen die Flinte ins Korn zu werfen, wenn die Partei, die einem nicht liegt, gewählt wird. (Sehr gut! bei der CDU/CSU - Toetemeyer [SPD]: Nicht ins Korn geworfen, sondern in den Schrank gestellt haben sie die Flinte; das ist das Schlimme!) Das wäre der falsche Weg. Man kann schon jetzt sagen: Wer auch immer die Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung für sich entscheiden kann, er trägt eine große Verantwortung für die Entwicklung der namibischen Gesellschaft zu Pluralismus und Demokratie und damit für die Zukunft des Landes. Die Verfassungsprinzipien, die 1982 einvernehmlich von allen Beteiligten vereinbart worden sind - sie wurden vorhin verlesen -, bilden ein solides Fundament für eine demokratische Verfassungsentwicklung Namibias. Es ist nun an den Parteien Namibias, diesen Rahmen in einer Weise auszufüllen, daß die Voraussetzungen für eine friedliche und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft Namibias geschaffen werden. Noch ein Wort zur Rolle der Deutschen und dgr Deutschstämmigen in Namibia: Wir wollen, daß sie in diesem Lande bleiben. (Zustimmung bei der CDU/CSU) Wir hoffen, daß sie ein dynamisches Element einer neuen namibischen Nation werden. Es wird dabei das Anliegen der Bundesregierung sein, ihnen zu helfen, ihre kulturelle Identität zu bewahren. (Sehr gut! bei der CDU/CSU) Herr Kollege Lowack, ich weiß, daß das Ihnen persön. lich ein besonders großes Anliegen ist. Die Bundesregierung hat die Absicht, mit einem unabhängigen Namibia intensiv und eng zusammen. zuarbeiten. Hierauf bereitet sich die Bundesregierung derzeit vor. Sie bereitet ein Programm vor, das nach Inhalt und finanziellem Einsatz der Größenordnung unseres politischen Engagements für das unabhängige Namibia gerecht wird. Sie soll sich auf die Bereiche der politischen Zusammenarbeit, der Entwicklungshilfe und der wirtschaftlichen Kooperation sowie auf eine möglichst umfassend angelegte kulturelle Zusammenarbeit ei-strecken. Wir rechnen auf eine breite Zustimmung und Unterstützung zu diesen Plänen im Deutschen Bundestag. Wir alle wollen, daß Namibia ein geachtetes Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft wird und ein Beispiel gibt für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Rassen. Eine solche Entwicklung Namibias wird zugleich ein wichtiges Signal für die innere Entwicklung Südafrikas setzen. Die Bundesregierung wird alles in ihren Kräften Stehende tun, dazu beizutragen, dieses Ziel zu erreichen. Vielen Dank. (Beifall bei allen Fraktionen) Präsidentin Dr. Süssmuth: Das Wort hat der Abgeordnete Verheugen. Verheugen (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, in diesem Raum haben wir ganz besonderen Anlaß, sehr sorgfältig mit der deutschen Geschichte umzugehen, Frau Kollegin Eid; darum muß ich mich noch einen kurzen Augenblick mit Ihrem Vorwurf der Verharmlosung der deutschen Kolonialgeschichte In Namibia auseinandersetzen. (Frau Eid [GRÜNE]: Es fehlt einiges!) In dem Antrag Ihrer Fraktion, Frau Eid, steht zum Punkt der deutschen Kolonialgeschichte in Südwestafrika folgender Satz: Diese Verantwortung ergibt sich nicht nur aus der Tatsache, daß das Deutsche Reich es war, das mit der Kolonisierung des damaligen Südwestafrika vor über 100 Jahren den Grundstein für die bis heute bestehende Fremdherrschaft legte, und daß immer noch viele deutschsprachige Menschen dort leben.

Deutscher Bundestag - 11 Wahlpenode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 Verbeugen A) Das ist alles, was in Ihrem Antrag zu diesem Thema steht. (Frau Eid [GRÜNE]: Sagen Sie etwas zu der Ausbeutung der Ressourcen!) Im Antrag der SPD heißt es: Von 1884 bis 1918 war das Deutsche Reich Kolonialmacht im damaligen Deutsch-SüdwestAfrika. In dieser Zeit hat es im Kolonialkrieg von 1904 bis 1907 mehr als ein Viertel der Menschen des Herero-Stammes ausgerottet, Zehntausende von Namas umgebracht und die Überlebenden total unterworfen. - Frau Eid, in welchem Antrag wird die deutsche Kolonialgeschichte in Südwestafrika verharmlost, in Ihrem oder in unserem? (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU - Frau Eid [GRÜNE]: Sie hört aber doch nicht 1904 auf!) Aber wir brauchen uns darüber nicht zu streiten. Ich weiß ja, daß wir beide uns einig sind, daß am Anfang der neueren Geschichte dieses unglücklichen Landes ein Völkermord gestanden hat und daß für diesen Völkermord eine Politik verantwortlich war, die immer noch mit einem ganz gefährlichen Mythos umgeben ist, dem Mythos der deutschen Kolonialgeschichte, die heute noch immer so dargestellt wird, als sei sie besser gewesen als die der anderen Kolonialmächte. Ich glaube, wir sollten das vergessen: Sie ist nicht nur nicht besser gewesen, sondern sie hat sich durch besondere Grausamkeit, durch besondere Menschenverachtung ausgezeichnet. Das muß hier festgestellt werden, weil anders kaum zu verstehen ist, warum wir auch heute noch eine wirklich ganz besondere, auch moralische Verantwortung für dieses Land, Namibia, und seine Menschen empfinden müssen und warum das nicht einfach in Mark und Pfennig ausgedrückt werden kann. Meine Damen und Herren, man wagt es kaum zu glauben, aber man muß es wohl, wenn hier alle Fraktionen und die Bundesregierung so übereinstimmend den Prozeß, der in Gang gekommen ist, loben und sich zu ihm bekennen. Trotzdem frage ich mich: Haben wir in den letzten Jahren denn geträumt? Ist das alles gar nicht wahr gewesen, was es hier an Diskussionen gegeben hat? Hier sitzen eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, deren Äußerungen in dem Werk des von Südafrika finanzierten fleißigen Public-Relations-Büros ,Namibia Information Office» dokumentiert sind; zu Dutzenden sind Sie dort zitiert, wie Sie alle die Resolution 435 für überholt und falsch erklären und die Bundesregierung kritisieren, daß sie daran festhält. Ich frage mich: Woher kommt der plötzliche Meinungswandel? Tatsache ist jedenfalls, daß die in den 70er Jahren konzipierte Namibia-Politik der Bundesregierung, die damals zur Resolution 435 und zur Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland in der Kontaktgruppe geführt hat, in den letzten Jahren von der Opposition dieses Hauses gegen Widerstand aus den Regierungs- fraktionen verteidigt werden mußte; so ist es gewe- (C) sen. (Zustimmung bei der SPD) Sie werden sich selber damit noch auseinandersetzen müssen, wie Sie damit umgehen wollen, wenn Sam Nujoma als Präsident von Namibia nach Bonn kommt - ich hoffe, daß er kommt - und wenn er sich dann natürlich daran erinnert, welche Diskussionen es hier bei früheren Besuchen gegeben hat - Herr Bötsch liest so interessiert die Zeitung; Sie wissen, daß ich Sie meine -, wer hier den künftigen Präsidenten dieses Landes als Mörder und Terroristen bezeichnet hat, wer noch im vergangenen Jahr hier auf den Straßen in Bonn Demonstrationen-organisiert und Flugblätter gegen den Terroristen Nujoma und die SWAPO verteilt hat. (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Wer? Ich?) - Nein, nicht Sie persönlich. Nein, Sie sollten das nicht so ohne weiteres abtun; denn das wird Ihnen in der vor Ihnen liegenden Zeit noch Schwierigkeiten machen. (Widerspruch bei der CDU/CSU) Wir können es Ihnen nicht durchgehen lassen, daß Sie hier heute so tun, als sei die Politik der Koalitionsfraktionen in irgendeiner - auch nur der geringsten Weise dafür ursächlich, daß das Volk von Namibia nun die Chance zur Unabhängigkeit bekommt. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Es ist gegen Ihren Willen geschehen; Sie haben etwas anderes gewollt. (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Vielleicht haben Sie (D) uns überzeugt!) Und wenn Sie es nicht glauben wollen: Dem Deutschen Bundestag (Irner [FDP]: Herr Verheugen, wieso haben Sie denn gerade gesagt: ,Koalitonsfraktionen"?) - das gilt auch für Sie, Kollege Irmer (Zustimmung bei der SPD) haben in den letzten Jahren Dutzende von Anträgen vorgelegen, in denen der Bundestag dazu aufgefordert worden ist, sich zur Resolution 435 zu bekennen. (Koschnick [SPD]: Richtig!) Nicht eine einzige dieser Resolutionen hat eine Mehrheit in diesem Bundestag gefunden, (Frau Eid (GRÜNE]: So ist es!) auch nicht die Stimmen Ihrer Fraktion, Herr Irmer. (Beifall bei der SPD) Präsidentin Dr. SÜssmuth: Herr Abgeordneter Verheugen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Irmer? Verheugen (SPD): Aber gerne! (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Dann beruhigt er sich auch wieder! - Weiterer Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU]) i9508

Deutscher Bundestag - 11. Wahlpenode - 129. Sitzung, Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 (A) Irmer (FDP): Herr Kollege Verheugen, können Sie mir einmal, nachdem Sie das soeben so pauschal gesagt haben, so ein, zwei, drei, vier Zitate nennen, in denen aus den Reihen der FDP etwas gegen die Resolution 435 gesagt worden wäre? Es wäre doch ganz nett, wenn man solche Behauptungen belegen könnte, wenn man sie schon aufstellt. Verheugen (SPD): Ja selbstverständlich! Die Äußerungen Ihres früheren Kollegen und heutigen Staatssekretärs in Rheinland-Pfalz, Rumpf, in dieser Hinsicht (Frau Eid [GRÜNE]: Sprechen Bände!) sind in vielen Publikationen des Namibia Information Office dokumentiert. (Irmer [FDP]: Haben Sie nicht von der Politik der Koalitionsfraktionen" gesprochen?) - Ja. Die ergibt sich - (Irmer [FDP]: Nennen Sie mir eine Äußerung eines Fraktionssprechers hierzu oder gar des Außenministers! - Gegenruf von der SPD: Sie haben unsere Anträge abgelehnt!) - Herr Kollege Inmer, das ergibt sich daraus, daß sich auch Ihre Fraktion nicht in der Lage gesehen hat, im Bundestag Anträgen zuzustimmen, in denen es um die Unterstützung der Resolution 435 gegangen ist. Ich meine, wir kennen ja die Regeln des Geschäfts. Ich weiß auch, daß Ihr Grund dafür gewesen ist, daß Sie hier nicht mit wechselnden Mehrheiten operieren wollen. Aber Sie sollten nicht so tun, als seien Sie die großen Kämpfer gewesen, (Frau Eid [GRÜNE]: Ja, so ist es!) während in Wahrheit innenpolitische, taktische Rücksichtnahmen Sie davon abgehalten haben, sich hier im Bundestag zu dem zu bekennen, was Sie für richtig halten. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Ich möchte einmal wissen, was dies den Leuten in Namibia hilft!) Meine Damen und Herren, es ist in dieser Frage nach wie vor Wachsamkeit geboten. Die Republik Südafrika ist ja, was das Verhältnis zu ihren Nachbarn angeht, nicht gerade als besonders vertragstreu bekannt. In der vergangenen Woche hat es in Harare eine Zusammenkunft der Präsidenten der Frontstaaten mit den Führern der Befreiungsbewegungen in Anwesenheit von sozialdemokratischen Parteien aus Europa gegeben. Bei dieser Gelegenheit haben die Präsidenten von Zimbabwe, Sambia, Botswana und Mosambik ihre Erfahrungen mitgeteilt und sich mit der SWAPO intensiv unterhalten. Bei den schwarzen Führern in der Region überwiegt Skepsis. Und ich denke, dazu haben sie allen Anlaß. Denn das Verhalten der südafrikanischen Regierung ist ja jetzt schon mehr als zweifelhaft. Ich finde es sehr merkwürdig, daß die südafrikanische Regierung an der Finanzierung eines unabhängigen Namibia - auch in der Übergangsperiode - nicht mehr mitwirken will, nachdem sie dieses Land jahrzehntelang ausgebeutet hat, (Beifall des Abg. Toetemeyer [SPD]) bis an die Grenzen des Raubbaus und darüber hinaus. Es wird sich ja erst noch zeigen müssen, was für wirt. schaftliche Möglichkeiten und Überlebenschancen das unabhängige Namibia überhaupt noch hat, was die Südafrikaner überhaupt übriggelassen haben werden. Es ist richtig, daß darauf hingewiesen wurde, daß in diesem Zusammenhang auch die Bundesrepublik nicht sehr gut dasteht Ich habe es, Herr Kollege Schäfer, immer für einen Mangel der von mir an sich für richtig gehaltenen Namibia- und Südafrikapolitik Ihrer Seite gehalten, daß Sie nicht bereit gewesen sind, das Dekret Nr. 1 des Namibia-Rates der Vereinten Nationen und diesen Namibia-Rat der Vereinten Nationen selbst in seiner völkerrechtlichen Verantwortung für Namibia zu akzeptieren. Wir würden heute besser dastehen, wenn wir es getan hätten. (V o r s i t z: Vizepräsident Stücklen) Und unsere Chancen, mit denjenigen vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, die in Namibia die Politik künftig bestimmen werden, wären sicher etwas besser. (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Woher wissen Sie eigentlich so genau, wer da alles die Politik bestimmen wird?!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben einiges über entwicklungspolitische Zusammenarbeit gesprochen. Das war sicher notwendig. Aber wir wollen nicht übersehen, daß es natürlich auch politische Einwirkungsmöglichkeiten jenseits der Entwicklungshilfe gibt. Wir haben ja in unterschiedlichem Ausmaß Kontakte nach Namibia. Ich habe schon beobachtet, daß der Reiseverkehr der jüngsten Zeit wieder ziemlich hektisch gewesen ist. Das ist auch nicht schlimm, wenn wir uns dabei darüber eihig sind, daß wir, jeder auf seine Weise und jeder mit den Gesprächspartnern, die er hat, gute Dienste in Namibia leisten wollen. Wir sind dazu bereit, mit der SWAPO, mit der uns eine sehr lange Zusammenarbeit verbindet, mit der wir regelmäßige vertrauensvolle Kontakte haben, sehr ernsthaft auch in der Zukunft zu reden und, wenn sie unseren Rat annehmen will, ihr den Rat auch zu geben, den wir jetzt für nchtig halten, nämlich den, mit allen Kräften in Namibia dafür zu sorgen, daß eine demokratische und pluralistische Gesellschaft entsteht, daß Namibia nicht den Weg einer Einparteiendiktatur geht, sondern daß es wirklich ein Modell einer demokratischen, nichtrassistischen Zusammenarbeit wird. (Frau Eid [GRÜNE]: Einparteiensystem muß nicht unbedingt Diktatur heißen!) Wir sind bereit, das zu tun, obwohl ich durchaus weiß, daß eine gewisse Zumutung für die SWAPO darin liegt, wenn sie sich von uns Ratschläge anhören soll, nachdem sie allzulange auf Unterstützung durch die offizielle Politik dieses Landes hat warten müssen. Was die andere Seite angeht: Der Kollege Schäfer hat mit Recht auf die positive Rolle hingewiesen, die die Interessengemeinschaft der deutschsprachigen Südwester spielen kann. Ich teile Ihre Meinung. Ich glaube, da können sie eine Menge tun. Und hier sehe ich einige andere, die haben noch andere Kontakte in 9509

Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 129. Sitzung. Bonn, F"'reitag' den 24. Februar 1989 Verheugen Namibia. Auch die können sicher eine Menge dafür tun, daß es eben nicht zu dem kommt, was der eine oder andere vielleicht eben doch wünscht, (Frau Eid [GRÜNE]: Insgeheim wünscht!) daß die Weißen das Land verlassen oder daß die Flinte doch wieder aus dem Schrank genommen wird, so daß man jedenfalls nach ein paar Jahren sagen kann: Namibia ist den Weg der ganzen Region gegangen. Namibia hat mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie Angola und Mosambik. Wir müssen ja diese Namibia-Frage ganz sicherlich im Kontext der gesamten Politik im südlichen Afrika sehen. Für die Republik Südafrika ist das, was jetzt geschieht, wirklich eine Flammenschrift an der Wand. Vor ein paar Jahren noch war Südafrika von kolonialen Territorien umgeben. Inzwischen ist die Apartheid auf das Kernland Südafrika selbst zurückgedrängt. Die Luft zum Überleben für die Apartheid wird dünner; daran kann es keinen Zweifel geben. Es kann ein weiteres positives Modell entstehen, so daß sich die Weißen in Südafrika fragen werden: Wäre es denn wirklich so schlimm, wenn die Schwarzen in diesem Land gleiche politische, soziale und ökonomische Rechte hätten? Wir müssen uns vor einer falschen Einschätzung der Lage in Südafrika heute hüten. Südafrika verdient in meinen Augen für die Zustimmung zur Namibia-Lösung keinen internationalen Kredit und kein Honorar. Sie haben das nicht getan, weil sie zu einer besseren Einsicht gekommen wären, sondern sie haben es gemacht, weil die politischen und ökonomischen Kosten des Krieges in Angola und Namibia für Südafrika sel(B) ber nicht mehr vertretbar gewesen sind. Es wäre ganz fatal, wenn wir der südafrikanischen Propaganda auf den Leim gingen, die sagt: Na, seht doch, wir sind in Südafrika doch schon ganz vernünftig geworden. Angola, Namibia haben wir gemacht. Die Sharpeville Six haben wird begnadigt, und im Delmas-Prozeß hat es auch keine Todesurteile gegeben. - Dem muß man entgegenhalten, daß gerade dieser letzte Prozeß jede bisher legale Opposition in Südafrika gegen das Apartheidssystem für kriminell erklärt hat. Es ist richtig, was Herr Schäfer und auch Herr Irmer gesagt haben: Das Problem in der Region ist größer als das der Unabhängigkeit Namibias. Eine friedliche Zukunft für Namibia, eine friedliche Zukunft für die ganze Region südliches Afrika kann es nur geben, wenn es einen substantiellen, grundlegenden Wandel in Südafrika selber gibt. Südafrika ist die Quelle der Gewalt, des Unfriedens und der Unfreiheit in diesem Teil der Welt. Da muß die Politik geändert werden. Dann kann auch Namibia die Chance zu einer glücklichen Zukunft haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Vizepräsident Stücklen: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf von Waldburg- Zeil. Graf von Waldburg-Zeil (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, eine Klarstellung sollten wir vorweg treffen: Am deutschen Wesen soll die Welt mit Sicherheit nicht genesen,. , auch in Namibia nicht. Es ist nur umgekehrt so, daß -es eine Flucht aus weltpolitischer Verantwortung fü4r einen Staat, dessen Lebensstandard vom Export albhängt, ebensowenig geben darf. (Dr. HOrnhues [CDU/CSU]: Sehr wahr!) Heute haben wir uns unserer besonderen Verantwortung in NZamibla zu stellen. Wir sind - und wir preisen uns däeswegen selig - keine Kolonialmacht. Aber wir war-,en einmal eine und haben Spuren hinterlassen. UnEere Geschichte beginnt weder mit 1949 noch mit 19L9, noch übrigens mit 1870, was heute nicht nur die Reden von Herrn Bundesminister Klein, von Herrn Tc etemeyer und von Ihnen, Frau Eid, gezeigt haben, im Guten wie im Bösen. Ich fand es beeindruckend., wie deutlich geworden ist, daß Geschichte nichzts Versteinertes ist, sondern in die heutige Politik fc:rtwirkt. Unsere bsondere Verantwortung für Namibia brauchen witr aber nicht so lange zurückzuverfolgen. Die Bundesr-epubllk Deutschland hat sich insbesondere im RalTrmen der westlichen Kontaktgruppe besonders für <:ias Zustandekommen und die Implementierung der UN-Resolution 435 eingesetzt. Sie trägt nun auch NM tverantwortung für das Gelingen der Akton. (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: So ist es!) Natürlich tr.agen wir auch geschichtliche Verantwortung aus urlserer kolonialen Zeit. Wir tragen schließlich Veranticortung für eine beachtliche deutschstämmige Minderheit' der wir helfen wollen, ein konstruktives Elemnt beim Aufbau eines unabhängigen Namibia zu W4erden. (Beifall bei der CDU/CSU) Niemandk Politik- und Geschichtsbewußter wird eine besonrjere, eine Schwerpunktverantwortung der Bundesrep.ýblik Deutschland für Namibia glattweg verneinen wollen, wird uns vorschlagen, hier nicht mehr eng&giert zu sein als irgendwo anders. Wenn W-ir nun aber schon besondere Verantwortung tragen, dann treffen wir auf einen einmaligen Glücksfall- Entwicklungspolitik hat einen langen Weg von %'ersuch und Irrtum hinter sich. Wie oft hätten wir geK-ne noch einmal angefangen, um Irrwege zu vermeider--, die begrenzten Finanzmittel besser einzusetzen unea vernachlässigte Fragen des soziokulturellen Umfelles einzubeziehen. Hier ist die Chance. Hier können %%-ir - vorausgesetzt, die künftigen Partner wollen dies, Frau Eid - zeigen, daß wir aus Erfahrungen gelernt haben. Dann können wir erfolgversprechende NIodelle realisieren. Wir würden damit nicht nur Nambia helfen, sondern auch Mißtrauen im benachbartn Südafrika abbauen. (Beifell des Abg. Dr. Hornhues [CDU/CSU]) Herr Krllege Toetemeyer, natürlich gibt es in Südafrika Lebte, die meinen: Herrlich, wenn der Fall mißlingt; daXm ist die Wagenburg um so wirksamer! Aber wir dürfen nicht vergessen, daß es in Südafrika auch vieIke gibt, die mit Hoffnung auf dieses Modell schauen. Das möchte ich hinzugefügt haben. Vielleicht darf ich eine kleine Bemerkung dazumachen. Hrr Kollege Toetemeyer - man darf das über 9510

Deutscher Bundestag - 11. Wahlpenode - 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1989 95I Graf von Waldburg-Zeil (A) Parteigrenzen hinweg sagen -, mir hat Ihr Vortrag ganz ausgezeichnet gefallen. Man merkt, daß Sie von dieser Region nicht nur viel wissen, sondern auch ein bißchen mit dem Herzen daran hängen. Deshalb haben Sie es vermieden, innenpolitischen Streit in diese wichtige außenpolitische Frage zu tragen, (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD) Hier könnte das Beispiel gelingen, daß viele Gruppen harmonisch miteinander leben und zum Wohle aller zusammenwirken. Wir könnten den friedlichen Wiederaufbauprozeß in Angola fördern. Wir könnten Impulse für das gesamte südliche Afrika setzen helfen. Ein weiterer Glücksfall kommt hinzu. Ohne die Amerikaner und ohne die Sowjetunion - das möchte ich ganz ausdrücklich sagen - hätte die UNO-Resolution 435 weiter vergeblich auf ihre Verwirklichung gewartet. Herr Verheugen, ich glaube, man sollte hier eines dazusagen: Wenn es diese außenpolitische Sternstunde nicht gegeben hätte, hätte es sein können, daß es noch sehr lange gedauert hätte. Was bei uns immer wieder diskutiert worden ist, war die Frage: Was machen wir während dieser Zeit? Können wir da gar nichts tun? Oder können wir nicht z. B. mit freien Trägern anfangen, diesem Lande zu helfen? (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Sehr wahr!) Beide Weltmächte wollen Frieden in dieser Region. In solcher Atmosphäre kann Entwicklungszusammenarbeit auch Früchte tragen. (B) Nun ist gewiß kein Grund zur Euphorie gegeben. In Namibia stehen sich viele Gruppen mit Mißtrauen gegenüber. Dieses Mißtrauen abbauen zu helfen ist die zunächst wichtigste Aufgabe, an der auch wir uns beteiligen sollten, und zwar von allen Seiten her. Wir wollen weiterhin Kontakte und Gespräche zwischen allen politischen Kräften Namiblas fördern. Wir wollen auf die Garantie der Menschenrechte sowie auf die Einhaltung der in den Verfassungsprinzipien von 1982 festgelegten Grundsätze rechtsstaatlich- demokratischer Verhältnisse drängen. Wir wollen das Uberparteilichkeitspaket der Vereinten Nationen für die Parteien und Organe der UNO auch für uns selbst ernst nehmen. Ich meine, wir sollten, da sich die Situation geändert hat, vielleicht auch den Kirchen empfehlen, jetzt neutral zu sein. Mißtrauen herrscht in Namibia aber nicht nur zwischen Gruppen und Parteien. Es geht auchAngst um, zwar feierlich von vielen in die Unabhängigkeit begleitet zu werden, aber dann wirtschaftlich hängengelassen zu werden. Wir müssen deshalb auch Mitverantwortung dafür übernehmen, die wirtschaftlichen Grundlagen Namibias zu erhalten und auszubauen, und wir müssen uns unverzüglich darauf vorbereiten, sofort nach Implementierung der Resolution 435 in den Dialog mit der frei gewählten Regierung Namibias einzutreten und, wenn diese es will, in diesem Lande einen Schwerpunkt deutscher Entwicklungszusammenarbeit zu setzen und es vom Erfolg her zu einem besonderen Modellfall deutscher Entwicklungshilfe zu machen. Aber es geht nicht darum, diesem Land etwas aufzuoktroyieren. Ich freue mich, daß neben dem Antrag der Koa]i. (c) tionsparteien CDU/CSU und FDP auch die SPD und die GRÜNEN in eigenen Anträgen auf unsere besondere Verantwortung hingewiesen haben. Die Anträge differieren hinsichtlich der Begründung dieser Verantwortung, ergeben aber insgesamt gesehen eine sehr positive Schnittmenge in der politischen Willens. bekundung, Namibia nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten zu unterstützen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident StÜcklen: Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Anträge auf den Drucksachen 11/3934 und 11/3996 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Weiter ist interfraktionell vereinbart worden, daß über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN - ,Förderung des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia" -, anders als in der Tagesordnung vorgesehen, sofort abgestimmt werden soll. Ich nehme diesen Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe - Enthaltungen? - Bei vier Ja-Stimmen für den Antrag der GRÜNEN und ohne Enthaltungen ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.