Dies Scheint Mir Unstreitig Als Das Höchste, Was Im Kontrapunkt Neben Den ›Meistersingern‹ in Unserem Jahrhundert, Wie Über - Haupt Seit Bach Geleistet Wurde.«
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»Dies scheint mir unstreitig als das Höchste, was im Kontrapunkt neben den ›Meistersingern‹ in unserem Jahrhundert, wie über - haupt seit Bach geleistet wurde.« Bleistift-Notiz eines „enthusiastischen Brucknerianers“ in einer zeitgenössischen Abschrift des Finales von Bruckners Fünfter Sinfonie B7: Do, 01.03.2012, 20 Uhr | A7: So, 04.03.2012, 11 Uhr | Hamburg, Laeiszhalle Herbert Blomstedt Dirigent Anton Bruckner Sinfonie Nr. 5 B-Dur DAS ORCHESTER DER ELBPHILHARMONIE NDR SINFONIEORCHESTER Das Konzert am 04.03.2012 wird live auf NDR Kultur gesendet Donnerstag, 1. März 2012, 20 Uhr Herbert Blomstedt Sonntag, 4. März 2012, 11 Uhr Dirigent Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal Herbert Blomstedt, in den USA als Sohn schwe - discher Eltern geboren, erhielt seine erste mu- sikalische Ausbildung am Stockholmer Kon- servatorium und an der Universität Uppsala. Dirigent: Herbert Blomstedt Später studierte er Dirigieren an der Juilliard School of Music in New York, zeitgenössische Musik in Darmstadt sowie Renaissance- und Anton Bruckner Sinfonie Nr. 5 B-Dur Barockmusik an der Schola Cantorum in Basel (1824 – 1896) (1875 – 1878) und arbeitete unter Igor Markevitch in Salzburg und Leonard Bernstein in Tanglewood. 1954 I. Introduction. Adagio – Allegro debütierte Blomstedt als Dirigent mit dem II. Adagio. Sehr langsam Stockholmer Philharmonischen Orchester und III. Scherzo. Molto vivace (Schnell) – Trio. Im gleichen Tempo leitete später als Chefdirigent so bedeutende IV. Finale. Adagio – Allegro moderato skandinavische Orchester wie das Oslo Phil- harmonic Orchestra und das Dänische und Schwedische Radio-Sinfonieorchester, letzte- res bis 1983. Von 1975 bis 1985 war er Chef- Neben Blomstedts Verpfl ichtungen bei diesen Einführungsveranstaltung mit Habakuk Traber am 01.03.2012 um 19 Uhr dirigent der Staatskapelle Dresden, die ihm Orchestern führen ihn zahlreiche Gastdirigate im Großen Saal der Laeiszhalle. 2007 die Goldene Ehrennadel verlieh. Ab der zu den bedeutendsten Klangkörpern weltweit. Saison 1985/1986 wurde Blomstedt zum Music Ein spätes Debüt gab er 2011 bei den Wiener Director des San Francisco Symphony Orches- Philharmonikern; diese erste Zusammenarbeit tra berufen, dem er nach seiner zehnjährigen fi ndet ihre Fortsetzung in einer Tournee im Amtszeit bis heute als Ehrendirigent verbunden Juli 2012 sowie mit Konzerten in Wien im Okto- bleibt. Von 1996 bis 1998 wirkte er als Chef- ber 2013. In den vielen Jahren seiner Dirigen- dirigent des NDR Sinfonieorchesters, an des- tentätigkeit entstanden etliche preisgekrönte sen Pult er ebenfalls regelmäßig zurückkehrt. Referenzaufnahmen unter Blomstedts Leitung. Es folgte von 1998 bis 2005 seine Amtszeit Im Rahmen einer aktuellen Gesamtaufnahme als 18. Gewandhauskapellmeister des Gewand- der Sinfonien Bruckners mit dem Gewandhaus- hausorchesters Leipzig, das ihn daraufhin zum orchester liegen bislang die Nummern 3, 5, 6, Ehrendirigenten ernannte. Diese Auszeichnung 7 und 8 vor. Herbert Blomstedt, der im Jahr verliehen ihm auch vier weitere Orchester: 2007 seinen 80. Geburtstag beging, ist ein ge- das NHK Symphony Orchestra in Japan, das wähltes Mitglied der Königlich-Schwedischen Dänische und das Schwedische Radio-Sinfonie- Musikakademie und mehrfacher Ehrendoktor. orchester sowie die Bamberger Symphoniker. 2003 erhielt er das „Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“. 2 3 NDR SINFONIEORCHESTER Original und Fälschung Anton Bruckner und seine Fünfte Sinfonie Im Jahr 1868 übersiedelte Anton Bruckner um sich zu überzeugen, ob das Gehörte nicht für Generalbass, Kontrapunkt und Orgel am von Linz nach Wien, wo ihm in der Nachfolge etwa das Produkt selbsteigenen Fiebers sei.“ Konservatorium vermittelt, doch war dieser Simon Sechters die Professur für Harmonie- Anschließend vergingen Jahre, bevor die 1874 Posten zu schlecht bezahlt, als dass Bruckner lehre, Kontrapunkt und Orgelspiel am Konser- in erster Fassung vollendete Vierte Sinfonie davon seinen Lebensunterhalt hätte bestreiten vatorium der Gesellschaft der Musikfreunde erstmals unter dem Dirigat von Hans Richter können. Das Gesuch, an der Universität als angeboten worden war. Zu diesem Zeitpunkt zur Aufführung gebracht wurde. Und obwohl Musiktheorielehrer zu unterrichten, wurde im hatte der Komponist bereits viel erreicht, war das Werk – gleichgültig, ob man den program- Mai 1874 von einem Ausschuss unter Leitung vom Schul gehilfen zum Hauptschullehrer und matischen Bezügen Bedeutung beimisst oder Hanslicks mit den Worten zurückgewiesen: schließlich zum Dom- und Stadtpfarrorganisten nicht – im weitesten Sinn von einer tendenziell „Man sieht, daß Herr Bruckner über das Fach, ernannt worden und konnte – nach Anregung leichter zu erschließenden romantischen das er lehren will, sich selbst nicht ganz klar ist, des kunst begeisterten Linzer Beamten Moritz Naturimpression mit Hornsignal und Vogelruf sondern nur über den Zweck, zu welchem das von Mayfeld – auf die „Linzer Fassung“ seiner bestimmt wird, befand Johannes Brahms: Ministerium ihm eine Lehrkanzel gründen soll, Ersten Sinfonie zurückblicken, über die in „Alles hat seine Grenzen. Bruckner liegt jen- nämlich damit Herr Bruckner sich ungestört Eduard Hanslicks „Neuer Freier Presse“ eine seits, über seine Sachen kann man nicht hin dem Componiren hingeben könne.“ Zudem kurze, aber positive Rezension erschien. Mit und her, kann man gar nicht reden.“ kündigte man dem Komponisten wegen „un- der Unterstützung von Bruckners Förderer gebührlichen Verhaltens“ seine Stelle an der Johann Herbeck, den Hanslick später als das Auch Bruckners Bestrebungen, eine gut dotier- Wiener Mädchenschule St. Anna, an der er „Perpetu um mobile des Wiener Musiklebens“ te Anstellung zu erlangen, waren wenig erfolg- in der Zeit von 1870 bis 1874 als Klavier- und bezeich nete, sollte die österreichische Metro- reich. Zwar hatte ihm Herbeck eine Professur Orgellehrer tätig war. pole der Ausgangspunkt für Bruckners Kom- ponistenkarriere werden – ein Vorhaben, das Bruckner war verzweifelt und ahnte, dass sein jedoch auf ganzer Linie zu scheitern schien. Anton Bruckner, Gemälde von Hermann Kaulbach (1885) Umzug von Linz nach Wien wohl ein Fehler ge- Denn Bruckners sinfonische Werke, die in Form, wesen war. In einem Brief vom 12. Januar 1875, Ausmaß, Instrumentierung, Melodiebildung gerade als er die Arbeiten am Adagio der und Harmonik kaum dem Stil ihrer Zeit ent- Wiener Misserfolge Fünften Sinfonie begonnen hatte, schrieb er sprachen, stießen bei Publikum und Presse auf an Moritz von Mayfeld: „Alles ist zu spät […] wenig Begeisterung. Bruckners Zweite Sinfonie Nicht besser erging es Bruckners Dritter Sinfo- Fleißig Schulden machen, u. am Ende im etwa, die ihre Uraufführung in Wien erlebte, nie, bei deren Uraufführung große Teile des Schul denarreste die Früchte meines Fleißes wurde nach einer Durchspielprobe der Wiener Publikums den Saal verließen; Hanslick schrieb genießen, und die Thorheit meines Übersie- Philharmoniker vom Dirigenten Otto Dessoff für über das Werk, die Musik schließe mit „Wagners delns nach Wien besingen, kann mein endliches „unspielbar“ erklärt und als „Unsinn“ abgetan. ‚Walküre‘ Freundschaft“, um schließlich „unter Los werden.“ Einen Monat später hieß es in Und auch Hanslick war der Meinung, dass hier die Hufe ihrer Pferde“ zu geraten. In der Wiener einem weiteren Brief an Mayfeld: „Ich habe nur „der Totaleindruck durch eine unersättliche Abendpost vom 17. Dezember 1877 konnte Eduard Hanslick und Anton Bruckner treffen sich auf der das Conservatorium, wovon man unmöglich Rhetorik und allzu breite, mitunter haltlos man zudem lesen: „Man kommt bei dieser Straße in Wien (Karikatur von Otto Böhler). Obwohl (bzw. ge- leben kann. Mußte schon im Sept. und später rade weil) Hanslick sein schärfster Kritiker war und ihm durch zerfallene Form beeinträchtigt“ werde. Musik aus dem Kopfschütteln nicht heraus, seinen Einfl uss viele Wege in der Musikmetropole verbaute, wieder Geld aufnehmen, wenn es mir nicht greift sich wohl auch zeitweilig an den Puls, begegnete Bruckner ihm stets höfl ich und respektvoll ... beliebte, zu verhungern. Kein Mensch hilft mir. 4 5 NDR SINFONIEORCHESTER lehrte“ Stil einen so großen Raum einnimmt In den ersten Takten des Kopfsatzes, in dem wie in diesem Werk, mag insofern kaum über- über den Streicherpizzicati eine ausholende raschen, musste die fast spröde anmutende Choralmelodie den anfänglich richtungslos Polyphonie und der allgemein konservativ- wirkenden, gezupften Klängen Orientierung klassische Gestus des Werkes ihn doch als einen und Halt gibt, wird eine weitere Dimension Musiker ausweisen, der die Beherrschung der der Sinfonie erkennbar. Denn die an Vorbilder traditionellen Form mit einer zeitgenössischen sakraler Musik erinnernden Elemente, die Klangsprache zu verknüpfen wusste. das gesamte Werk durchziehen, bilden ein transzendentales Gegenbild zur „diesseitigen“ Beeindruckende Kontrapunktik fi ndet sich vor Verarbeitung der Motive und Themen. Besonders allem in der gigantischen Doppelfuge, die im deutlich wird dies im Adagio, wenn eine elegi- Finale (einer höchst kunstvollen Synthese von sche Melodielinie der Oboe von einem Wärme Sonaten- und Fugenform) die Funktion einer verstrahlenden Streicherchor aufgefangen wird. Durchführung übernimmt. Das kontrapunktische Anschließend wird die neu gewonnene Sicher- Moment zeigt sich in der Sinfonie allerdings heit vom eng mit dem Adagio verknüpften, auch in einem übergeordneten Sinn, und zwar energischen Scherzo ausformuliert. Am Ende insofern, als Themen und Motive nicht nur des Werkes stehen sich dann „weltliches“