Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

6. Jahrgang, Nr. 64 Mai 2003 ROTFUCHS T RIBÜNE FÜR K OMMUNISTEN UND SOZIALISTEN IN DEUTSCHLAND Pyrrhussieg Der antike Herrscher Pyrrhus schlug in künftigen Bomberziele zu markieren. Mit den Jahren 280 und 279 v. u. Z. die Römer. Hilfe dieser Armeen legaler Spione wurde Doch seine Siege wurden unter so schwe- Iraks Verteidigungsfähigkeit systema- ren Opfern errungen, daß sie Niederlagen tisch untergraben – die ideale Situation gleichkamen. Seitdem spricht man vom für jeden Aggressor. Ist es da nicht grotesk, „Pyrrhussieg“. daß auch Linke erklärten, man hätte statt In unseren Tagen hat ein hemdsärmliger des militärischen Schlages gegen Irak USA-General namens Tommy Franks, dessen „friedliche Entwaffnung“ betrei- dessen Söldnerheer ein wahnwitziger ben sollen? Präsident zum großen Morden in das alte Die Amerikaner waren davon überzeugt, Kulturland Mesopotamien geschickt hat, einen „Blitzkrieg“ – auch diese Vokabel einen Sieg dieser Art vermelden können. entstammt dem Sprachgebrauch der I NHALT Obwohl er das mit einem in der Geschich- deutschen Faschisten – führen zu kön- te beispiellosen Feuerhagel überschüttete nen. Doch der schnelle Vormarsch ver- Wer ist der Nächste? S. 2 irakische Volk bisher nicht auf die Knie zu sackte im Wüstensand. Die irakische DDR-Chirurg Prof. Kurt Franke zwingen vermochte und jetzt mit einem Armee gehorchte den Befehlen Saddams. an einen USA-Lazarettleiter S. 2 langanhaltenden Krieg gegen „Hecken- Doch sie verteidigte zugleich tapfer und Poster: Begrüßung der „Befreier“ S. 3 schützen“, wie das am Nazijargon geschul- ausdauernd ihre Heimat, ihr Volk gegen Über pseudochristlichen te BRD-Fernsehen formulierte, rechnet, vielfach überlegene Aggressoren: die im- Fundamentalismus S. 4 ist Feldherr Franks als „Gewinner“ in perialistische Hauptmacht USA und die George Dabbelju als Messias S. 4 das zunächst vom Chaos regierte Bagdad alte Kolonialmacht Großbritannien. Sie Erklärung der KP der USA S. 5 eingezogen. Man habe nur marginale Ver- führte einen gerechten Krieg. Irak wurde Kollateralschaden S. 5 luste erlitten, der Gegner (nicht nur aus nach dem Überfall der „Verbündeten“ zum Prinz der Finsternis S. 6 Brennpunkt des antiimperialistischen Soldaten, sondern vor allem aus Zivilisten Übrigens … S. 6 bestehend) sei mit Bomben, Raketen und Kampfes. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der irakische Machtklüngel in Ist Bush ein Faschist? S. 7 Granaten so zugeschüttet worden, daß Platz und Rolle der UNO S. 8 man sich die gefürchteten Bodenkämpfe den Jahrzehnten seiner Herrschaft – lange Zeit als Komplize der USA, als Henker von Licht und Schatten in den Großstädten habe ersparen können, beim Berliner PDS-Parteitag S. 9 verkündete euphorisch das USA-Ober- Kommunisten, als rücksichtsloser Unter- drücker der Kurden – schwere Schuld auf Wo Kurz zu kurz greift S. 10 kommando in der sicheren Etappe von Glückwunsch, Diether Dehm! S. 10 Katar. „Ausgetilgt“, „mit Stumpf und Stiel sich geladen hatte. Die Lüge von der „Wende“ S. 11 ausgerottet“ hätten die Hitleristen so et- Die USA-Aggression zielte nicht in einer einzigen Sekunde auf die Befreiung des Erinnern an Walter Dehmel S. 12 was genannt. irakischen Volkes. Pentagon-General Jay Der fast ohne eigene Opfer „aus dem Feuer Aus der Chronik der FDJ: Garner, der jetzt als Bushs Reichsprotek- Eine Reise mit Hindernissen S. 12 gerissene“ Triumph am Tigris dürfte sich tor in Bagdad residieren soll und die durch : Verliebt in die DDR S. 13 bald als Pyrrhussieg erweisen. Vorerst ihn mitgebrachten CIA-Marionetten aus Anatomie eines „Volksaufstandes“ S. 14 brachte er die arabische Welt, Hunderte dem Abschaum reaktionärer Auslandsira- Millionen Moslems vieler Länder, gro- Erklärung zum 17. Juni 1953 S. 15 ker wollen die Araber und Kurden nur von Politunterricht an der Grenze S. 16 ße Teile der Erdbevölkerung gegen die einem befreien: von den nationalisierten Aggressoren auf die Beine. Nie war der Zehn Jahre GRH S. 17 Ölquellen. Das Mädchen vom Prenzlauer Berg S. 18 Haß auf die Regierenden der Vereinigten Apropros Pyrrhussieg: Noch Tage nach Staaten so groß. Tiefe Risse zeigen sich Worin bestand die Attraktivität dem Einmarsch der Franks-Banden in des DDR-Bildungswesens? S. 19 im Gefüge von Allianzen, Bündnissen und Bagdad setzte die irakische Seite eines Aus unserer LPG (6) S. 20 Staatengruppen, auf die sich die USA noch ihrer schwersten Geschütze ein: Der vor kurzem stützen und blind verlassen Präsidentenberater Amir al Saadi, der Armut bedroht die Gesundheit S. 21 konnten. Der „kollektive Imperialismus“, zuvor im Auftrag Saddams mit Blix und Chinesisches Kaleidoskop S. 22 an den einige Tagträumer gerade noch ge- Badawi – den Spitzen der UNO-Waffenin- „Verteidigung am Hindukusch“ S. 23 glaubt hatten, erwies sich als der alte Im- spektoren – klug und elastisch verhandelt Tschetschenien – wie weiter? S. 24 perialismus des Machtgerangels und der hatte, stellte sich den Amerikanern, um zu Washingtons Warschauer unversöhnlichen Interessengegensätze. erklären, daß es für Bush keinen Kriegs- Komplizen S. 25 Der Angriff auf Iraks nationale Souverä- grund gegeben habe, da von Irak schon vor Serbien im Ausnahmezustand S. 26 nität und territoriale Integrität und nicht Jahren sämtliche aus den USA gelieferten Sudetendeutsches Büro in Prag S. 26 – wie vorgespiegelt – auf das „Regime Sad- Massenvernichtungsmittel zerstört wor- Spanien in Bewegung S. 27 dam Husseins“ war gründlich vorbereitet den seien. Arbeit „u bauera“ S. 27 worden. Jahrelang schwärmten von den Die Terroristen, nach denen Washington in Belarus steht zu Marx und Lenin S. 28 Vereinten Nationen durch die Vereinigten aller Welt so fi eberhaft zu fahnden vorgibt, Grund zur Zuversicht S. 28 Staaten in Marsch gesetzte „Waffenkon- sitzen also am Potomac. Im Weißen Haus, Leserbriefe S. 29 trolleure“ sämtlicher westlichen Geheim- im Pentagon und im State Department. Ihr Termine & Anzeigen S. 32 dienste aus, um jeden Winkel des UNO- Häuptling heißt George W. Bush. Mitgliedsstaates zu durchstöbern und die Klaus Steiniger Seite 2 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 3

Bush-Administration fährt neue Drohkanonen auf Wer ist der Nächste?

In der „International Herald Tribune“ vom sicher und wollen dies festzurren. In ihr wieder einen Verbündeten sichern wollten. 12. April 2003 machte Bush- und Rumsfeld- Kalkül rückt auch immer mehr, daß selbst Die mit diesen Waffen zu ködernden irani- Berater Richard Perle klar, „wie es jetzt ihre Positionen in Saudi-Arabien verwund- schen Militärs erfüllten die amerikanischen weitergehen könnte“. Die nächsten Staaten bar sind. Diese Brocken wiederum dürften und israelischen Hoffnungen jedoch nicht. „auf der Liste“ seien Iran, die KDVR, Syrien zusammen wohl doch zu groß sein. So meint Dieses Ende 1986 aufgeflogene „Geschäft“ und Libyen. „Ich könnte weitere nennen“, Woolsey: „Man kann nicht alle Probleme auf machte als Iran-Contra-Affäre gewaltige fügte der berüchtigte Scharfmacher hinzu, einmal lösen.“ Schlagzeilen. Die israelische Gegenleistung um wörtlich fortzufahren: „Jedes Land der Mit den Taliban und el-Kaida in Afghanistan für Washington war umfassende Unterstüt- Wer-ist-der-Nächste-Liste kann die Bedro- wie mit Saddam Husseins Regime in Irak zung der von den USA ausgehaltenen Contras hung (der USA!) auf friedliche Weise been- haben die USA sich jeweils gegen Kräfte ge- in Mittelamerika, vor allem der Gegner der den. Daher sollte die Botschaft Syrien, Iran, wandt, die sie jahrzehntelang selbst instal- Sandinisten in Nikaragua. Nordkorea und Libyen klar sein: Wenn wir liert, gefördert, unterstützt und bewaffnet Das im gleichen Rang wie Iran in die „Achse keine Alternative haben, sind wir bereit, das hatten – ehemalige Komplizen. Folgt man des Bösen“, in die Reihe der „Schurkenstaa- zu tun, was notwendig ist, um Amerikaner dieser „Logik“, wäre nun Iran an der Reihe. ten“ eingeordnete Syrien hat sich demge- und andere zu verteidigen.“ Das Land war unter Schah Mohammed Reza genüber bisher weder der besonderen Liebe Als wäre es selbstverständlich, ergehen sich Pahlawi einer der engsten und zuverlässig- noch größerer Geschenke der USA erfreuen Politiker und Medien, oft mit kaum zu über- sten Verbündeten der USA im Nahen und können. Während Bushs Strategen bezüglich bietendem Zynismus, über die „Neuordnung Mittleren Osten. Noch kurz vor der „Isla- Irans noch dazu neigen, einen „Reformpro- des Nahen und Mittleren Ostens“. Sie wurde mischen Revolution“, die das Schah-Regime zeß“ im Innern zu unterstützen und die vom kriegsbesessenen Herrscher am Poto- 1979 hinwegfegte, betonte USA-Präsident Gegner der Mullahs mit Geld und Waffen mac jetzt in Angriff genommen mit dem Ziel, Carter Irans Rolle als „stabilisierender Fak- zu fördern, rückt Iraks westlicher Nachbar wie er jüngst selbst androhte, die „gesamte tor in der Welt“. Hier mußten die Amerikaner Syrien ins Fadenkreuz. Denn die Syrer gel- arabisch-islamische Welt“ umzugestalten. nun Schlüsselpositionen aufgeben und bit- ten als unversöhnliche Feinde Israels und Das wiederum soll Bestandteil der „neuen tere Niederlagen wie die mißglückte Geisel- Förderer der Hisbollah-Milizen im Libanon, Weltordnung“ im Sinne des „amerikani- befreiung aus der besetzten US-Botschaft in die ihrerseits US-Militäraktionen ebenso schen Jahrhunderts“ der Rumsfeld, Cheney, Teheran hinnehmen. Zu welcher Perversion fürchten müssen. Perle, Wolfowitz & Co. sein – nach der Devise, amerikanische Falken bereit sind, demon- daß die „Erhaltung einer anständigen und strierte schon die Reagan-Administration Bereits Mitte der 80er Jahre des 20. Jahrhun- annehmbaren internationalen Ordnung … während des irakisch-iranischen Krieges. derts traktierte die Reagan-Administration fortgesetzte amerikanische Führung erfor- Sie unterstützte Saddam Husseins Irak die Welt mit einer unsäglichen Antiterroris- dert“. gegen das damals als Hauptfeind der USA muskampagne gegen Libyen, Syrien, Iran In Washington läßt man keinen Zweifel im Nahen und Mittleren Osten betrachtete und die PLO, um unter Androhung weiterer daran, daß „Irak nur der Anfang“ ist. James Chomeini-Regime (s. „RotFuchs“, Oktober Gewaltmaßnahmen den arabischen Staaten Woolsey, 1993–1995 CIA-Chef und wichti- 2002, S. 18). Gleichzeitig realisierte sie über amerikanische Vorstellungen zur Lösung ger Berater der Bush-Gang, formulierte zu Israel zwischen Mitte 1985 und Oktober 1986 des Nahostkonfliktes aufzuzwingen. Diese Beginn der Irak-Aggression: „Wir müssen geheime Waffengeschäfte mit Iran in einem Politik der USA sowie der Ausbau ihrer mi- dem Nahen Osten die Ölwaffe wegnehmen Gesamtwert von mindestens 1,3 Mrd. Dollar. litärischen Präsenz in der Region verschärf- ... Wir fangen mit Irak an – im Zentrum des Auf Initiative und mit Hilfe Tel Avivs sollte ten schon damals angesichts der Brisanz des Problems.“ versucht werden, in Iran einer gemäßigteren vielschichtigen Konfliktpotentials im Nahen Am liebsten würden sich Bush und seine proamerikanischen Regierung zur Macht zu und Mittleren Osten die Kriegsgefahr. In Spießgesellen nach Unterwerfung Iraks nun verhelfen. Die Israelis setzten auf Teheran, dieser Zeit war es Syrien unter Hafez Assad, Iran und Syrien gleichzeitig vornehmen. Be- weil sie dessen antiarabisches Gewicht aus- das, bestärkt durch die UdSSR, nicht bedin- züglich Kuwaits glauben sie sich momentan nutzen und sich wie unter dem Schah dort gungslos in direkte Gespräche mit Israel ein- willigte. Syrien kristallisierte sich zu einem ernsten Hindernis für die Verwirklichung An den Chefchirurgen des Zentralen amerikanischer Zielstellungen heraus. Ex- USA-Militärhospitals Landstuhl perten des State Department hofften auf Sehr geehrter Herr Kollege, die Zeit nach Hafez Assad und wollten an bestimmte prowestliche Elemente der syri- Sie werden unter Ihren Patienten kaum Opfer von „intelligenten Bomben“ haben, die mit „chirur- schen Politik anknüpfen. Diese Hoffnungen gisch präzisen“ Schlägen ihre Ziele in Irak fanden – mit Ausnahme der vom „friendly fire“ Getrof- fenen. Die meisten Verletzten liegen aber jetzt zu Tausenden in den überfüllten und verwüsteten haben sich unter dem Sohn des verstorbenen Hospitälern Bagdads sowie anderer Städte des Zweistromlandes. Einerlei, ob Kinder, Frauen, Präsidenten aber nicht erfüllt. Greise oder Soldaten – es sind Menschen, die vom Krieg betroffen wurden. Die für die Ursachen Das Beispiel Syrien zeigt, daß Washington ihres Leids gewählten Begriffe enthüllen durch die Infamie der Wortschöpfung zugleich die nichts an einer friedlichen Lösung des Inhumanität der Technokraten im Dienste der von Ihrer Regierung verfügten Aggression. Diese Nahost-Konflikts liegt. Israel, das seit 1967 oben genannten Begriffe diskriminieren unseren jahrtausendealten Beruf, der sich auch aus syrisches Territorium okkupiert hat, ist dem menschlichen Bedürfnis entwickelte, den Opfern von Gewalttätigkeiten zu helfen. der wichtigste Verbündete der USA in der Vom Faustkeil über die Hellebarde bis zum Napalm – das betroffene Individuum litt unter der Präzision der Waffenhersteller stets stärker, als es von der zunehmenden Erfahrung der Chir- Region, und seine Unterstützung bildet die urgen und ihrer sich kontinuierlich verbessernden technischen Ausstattung profitieren konnte. Hauptkomponente der amerikanischen Nah- Das lehrte mich auch mein Berufsleben nach dem 2. Weltkrieg. Ich hatte ständig viele Patienten ostpolitik. Seit 1981 ist Israel auch juristisch mit Amputationen und chronischen Knochenmarkeiterungen nach Schußwunden zu behandeln, formal Bestandteil der nationalen Vertei- deren Leben durch die Folgen des Krieges erheblich beeinträchtigt wurde. Ob Ihre Patienten digung der USA. Dem werden Rechte und nach Verbrennungen oder Verletzungen noch an die Mission als Soldaten im göttlichen Auftrag Interessen der Palästinenser wie der Syrer glauben, möchte ich bezweifeln. und aller Araber gnadenlos geopfert. Eine Für Ihr Handeln wünsche ich Ihnen jedoch eine andere „chirurgische Präzision“, als sie der gerechte Lösung des zentralen Konflikts im Definition der Waffenproduzenten Ihres Landes entspricht. Deren Wortschöpfungen kennzeich- Nahen Osten – mit der Palästina-Frage als nen die mörderischen Möglichkeiten ihrer Produkte und unterstreichen damit das Barbarische Kernstück – ist angesichts der von Bush ver- des Tuns. M IT KOLLEGIALEN E MPFEHLUNGEN folgten Neuordnung der Region nicht in Sicht. em. Prof. Dr. sc. med. Kurt Franke, Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Im Gegenteil. Bernd Fischer Seite 2 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 3

Bagdad, April 2003: Begrüßung der „Befreier“ Seite 4 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 5

Über die Pseudoreligiosität eines „christlichen“ Fundamentalisten Von Geborenen und Wiedergeborenen

Er bezeichnet sich als WIEDERGEBO- leider hat sich Nathans Ringparabel nicht weinen! Zu dieser Bergpredigt/Feldrede RENER und meint damit, er habe durch als dauerhaftes Denkmodell im gesell- gehört auch: Liebt eure Feinde, segnet, die das Wort Gottes eine positive Wandlung schaftlichen Miteinander erwiesen. Auch euch fluchen, richtet nicht, damit ihr nicht erfahren, die ihn zum „neuen Menschen“ im aufgeklärten 20. Jahrhundert stand gerichtet werdet – um nur einige der den werden ließ. Man möchte es ihm gönnen, millionenfach auf den Koppelschlössern Christen empfohlenen Haltungen gegen- wenn er aus der Depression charakterli- deutscher Soldaten jenes fatale „Gott mit über Geborenen zu nennen. Die Würde von chen Versagens heraus- und vom Hängen uns“. Wiedergeborenen bestand jedenfalls vom an der Flasche weggekommen ist. Hier Da es ganz offensichtlich keine Möglich- Beginn des Christentums an darin, sich soll von dem Mitglied der United Church keit gibt, Religion in Gänze auszuschalten für die Würde und Wohlfahrt der (ande- of Methodists (einer verbreiteten soge- oder abzuschaffen, weil sie so viele Miß- ren) Geborenen einzusetzen. nannten Freikirche in den USA) George verständnisse und Mißbräuche zuläßt, Noch einmal zurück zu Jesus, dem Urheber W. Bush die Rede sein. Man könnte alles bleibt uns nichts weiter übrig, als uns in authentischer christlicher Ethik. Er, der wohlgefällig oder auch spöttisch – je nach ihre Strukturen hineinzudenken, nach selber niemanden getauft und auch nicht Geschmack – zur Kenntnis nehmen und dem humanen Sinngehalt in ihnen zu zur Taufe aufgerufen hat, wollte aller- sogleich wieder vergessen, wenn dieser forschen und mit Gläubigen unterschied- dings, daß sich Geborene anders verhalten, „WIEDERGEBORENE“ nicht Bomben und licher Prägung das Gespräch zu suchen. als es vielfach üblich war. Er hat sich – wie Raketen auf lauter GEBORENES Leben Versetzen wir uns zunächst in das fromme viele andere auch – einer Taufhandlung niederhageln ließe. Die davon getroffen Innenleben von Dabbeljuh. Als „Wiederge- unterzogen, die ein gewisser Johannes am werden, verstehen die Welt nicht mehr: borener“ beruft er sich auf seinen Status Jordan vorgenommen hat. Wer auf solche Entweder weil ihnen dabei die Leiber als Getaufter. Nach der Lehre des Theo- Weise wiedergeboren war, dem gab dieser aufgerissen wurden, so daß sie umkamen, logen Paulus (Römerbrief Kap. 6) sind die, Täufer mit auf den Weg: „Wer zwei Hemden oder weil sie mit Qualen und Schmerzen die sich taufen lassen, mit dem Christus- hat, der gebe dem, der keines hat; und wer weiterleben müssen und rasend werden ereignis kompatibel gemacht, das heißt, zu essen hat, tue ebenso.“ (Lukas Kap. 3, 11) bei der Frage, wer ihnen dieses angetan so wie Jesus gestorben ist und vom Tode Hier ist bereits im Kern das Denken und hat. Und jene Hunderttausende und Mil- erweckt wurde, so ist auch ein solcher Verhalten ausgesprochen, das dieser so lionen Moslems, die (vorläufig) nur Zeugen gläubig Getaufter schon jetzt „geistlich“ wiedergeborene Jesus an den Tag gelegt dieses Geschehens wurden, schmähen gestorben (zum Tun alles Bösen unbrauch- hat: solidarisch und mitfühlend. Die ein- haßerfüllt und aus tiefstem Herzen jenen bar, „tot“) und bereits jetzt „geistlich“ er- zige Gewaltanwendung, die ihm nachge- Präsidenten, der ihnen über alle Medien weckt (zum Tun alles Guten beauftragt, sagt werden kann, war eine symbolische: als ein Christ präsentiert wird, also ein wiedergeboren). Abgeleitet wurde diese Er hat die Tische der Valuta-Händler, der „Ungläubiger“ nach den Lehren des Koran. nach-jesuanische, früh-christliche Lehre Bank-Halter umgestoßen und sie aus dem Ich kann jeden verstehen, der angesichts von dem angeblichen „Missionsbefehl“ des Tempel gejagt. des sich aufschaukelnden religiösen auferstandenen Christus: „Geht hin, und Diese johannisch-jesuanische Ethik, ange- Wahnsinns befriedigt an seine Kirchen- macht zu Jüngern alle Völker. Tauft sie auf wandt auf seine politische Verantwortung, austrittserklärung denkt, die er vor Jahren den Namen des Vaters und des Sohnes und die der angeblich wiedergeborene Präsi- einmal ausgefüllt und abgeben hat. Weder des Heiligen Geistes, und lehrt sie befolgen dent des reichsten Landes der Erde hat, der im westlichen Christentum entstande- alles, was ich euch geboten habe“ (Matthäi müßte folglich für ihn heißen: Einleitung ne Fundamentalismus, der solche einfäl- am Letzten). Wenn wiedergeborene Chri- atomarer und konventioneller Abrüstung, tigen Typen wie Bush hervorgebracht hat, sten sich auf diese nicht auf Jesus selbst Festlegung auf Gewaltverzicht in den welcher die Welt beglücken, sprich ame- zurückzuführende Ethik einlassen wollen, internationalen Beziehungen, Einhaltung müssen sie sich – und das ist unumgäng- rikanisieren will, noch die muslimischen von vereinbarten Rechtsnormen zwischen lich, daran werden sie gemessen – an die Geistlichen, die ihre Gotteskämpfer zu den Völkern, Freisetzung von Entwick- von Jesus verkündete Botschaft halten, Selbstmordattentaten aufrufen und ihnen lungshilfe in nie gekannten Größenord- wie sie in seiner Bergpredigt (Matthäus dafür die umgehende Aufnahme ins Para- nungen, Streben nach einer gerechten Kap. 5–7) mit hoher Authentizität überlie- dies versprechen, können bei vernünftigen Weltwirtschaftsordnung, Selbstverpflich- fert ist (mit meinen Worten): Haltet Frie- Menschen mit Sympathien rechnen. tung, als Motor für die Überwindung den, tut Gutes, seid barmherzig, strebt von Hunger, Krankheit und Verelendung Die Geister, die in diesem Krieg der nach Gerechtigkeit! In einer parallelen pseudoreligiösen Wahnvorstellungen mit- Überlieferung, der sogenannten Feldrede im Süden tätig zu werden. Daß er all das einander ringen, haben ihre tödlichen (Lukas Kap. 6) werden sogar Wehe-Rufe nicht tut, sondern der vielfache Mörder Attacken in Europa schon vor vier Jahr- an die Reichen angehängt: Wehe euch, ihr an Geborenen wird, liegt daran, daß er zu hunderten ausgefochten. Damals waren Reichen, die ihr jetzt satt seid, ihr werdet den Reichen und Gewaltigen dieser Welt es Papstgläubige, die gegen Lutheraner hungern, die ihr jetzt lacht, ihr werdet gehört, von denen die mit dem Jesuskind hetzten, Lutheraner, die den Calvinismus schwangere Maria in ihrem Lied singt: bekämpften, Zwinglianer, die die Tauf- „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und gesinnten verfolgten und sich allesamt George Dabbelju spricht erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt darin einig waren, daß Juden, Türken Ich bin der Messias. er mit Gütern und läßt die Reichen leer und Heiden die inkarnierten Teufels- Gott hat mir Macht gegeben. ausgehen.“ (Lukas Kap. 1, 52 f.) Diese Hoff- söhne sind. (Eine rühmliche Ausnahme Ich bin Herr über Tod und Leben. nung ist noch uneingelöst. bildete Thomas Müntzer, der seinerzeit Wir sind die Guten, ihr die Bösen. Es bedarf großer Anstrengungen vieler bereits den interreligiösen Dialog für Ich werde die ganze Welt erlösen. Geborener und wahrhaftig Wiedergebo- wünschenswert hielt.) Was danach end- Nicht von Menschen, rener, bis dieser Traum Wirklichkeit wird. lich folgte, der Westfälische Frieden, das von Gott bin ich erwählt. Ob sich Dabbelju als blindes Werkzeug in schiedlich-friedliche Nebeneinander von Ich allein weiß, was zählt der Hand der Reichsten und Mächtigsten in dieser Welt: Öl, Geld Konfessionskirchen, das Heraufkommen und Massenvernichtungswaffen. dieser Welt zu Recht als wiedergeboren von Aufklärung und Zivilisation, von Re- Damit werden meine Soldaten bezeichnen kann, möge jeder Geborene, ligion und Kultur (trotz lange noch weiter Ordnung schaffen der bei Verstand ist, selber nachprüfen. Es bestehender Inquisition, Hexenprozesse in Schurkenstaaten. gilt jedenfalls die einfache Regel: „Es ist und religiöser Intoleranz), hat die nach- Ich bringe Freedom and Democracy. leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr folgenden Generationen allmählich einen God bless America – and me! gehe, als daß ein Reicher ins Reich Gottes Weg zu Fortschritt, zum Ausgleich und Eva Ruppert komme.“ (Matthäus 19, 24) zu mehr Duldsamkeit finden lassen. Doch Peter Franz, evang.-luth. Theologe Seite 4 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 5

„Aggressivstes, räuberischstes Segment des USA-Imperialismus“ Das Wort der amerikanischen Kommunisten

Das Nationalkomitee der KP der USA hat wie viele Millionen am 15. Februar 2003 US-Kriegskurs gegen Irak Aufschluß über sich am 19. März 2003 mit einem offenen tatsächlich auf die Straßen aller Kontinen- das breite Panorama der Kräfte, die in die Brief an alle kommunistischen und Arbei- te geströmt sind. Der Trommelschlag setzt Antikriegsbewegung einbezogen werden terparteien gewandt. Hier der Wortlaut: sich mit großen und kleinen Aktionen fort. können. Der derzeitige Augenblick birgt die Ein Spektrum sozialer und Klassenkräfte Der Kurs der Bush-Administration auf schwerwiegendsten Gefahren für eine ist dabei in einer breiten Koalition des ununterbrochenen Krieg wird verheeren- Welt, die durch das aggressivste, räube- ganzen Volkes zusammengeflossen. Stark de menschliche und ökologische Konse- rischste Segment des USA-Imperialismus, verwurzelt in der Arbeiterklasse, reichen quenzen nach sich ziehen, die die überall dessen Vertreter die Administration von diese Formationen zunehmend auch in die stattfindenden Kämpfe für ökonomische George W. Bush ist, herausgefordert wird. Mittelschichten und sogar bis zu Teilen und soziale Gerechtigkeit, für Freiheit Sie hat sich entschlossen, Irak unter Miß- herrschender Kreise vieler Länder. und Demokratie gefährden. Die Völker der achtung der großen Friedensmehrheit in Die weltweite kommunistische und Ar- ganzen Welt, einschließlich des amerika- der Welt anzugreifen. beiterbewegung richtet ihr Augenmerk nischen Volkes, werden die Vergeudung Seit ihrer Installierung hat diese Regie- darauf, all diese Volkskoalitionen mit kostbarer Ressourcen für Kriegszwecke, rung einseitige Aktionen verfolgt, um eine aufzubauen, welche das einzige Bollwerk die Zerstörung der Umwelt und weitver- Kriegsmaschine noch mehr auszubauen, gegen den gefährlichsten Imperialismus breitete Verwüstungen erleiden. Dieser deren Potential bereits jetzt das des zu- aller Zeiten sind. Unsere Parteien können Kurs auf Weltherrschaft vollzieht sich vor sammengenommenen Restes der Welt über diesen mobilisierenden Prozeß viel dem Hintergrund einer sich zuspitzenden übertrifft. Sie hat jegliches internationa- voneinander lernen. globalen ökonomischen Krise, deren zer- le Abkommen in Fetzen gerissen, das sie Die breiten Antikriegsbewegungen ha- störerische Wirkungen durch den Krieg daran hinderte, ihren strategischen Griff ben, zusammen mit ökonomischen Erwä- vervielfältigt werden. nach den Energieressourcen rund um den gungen und zwischenimperialistischen Globus sowie deren Kontrolle noch fester Rivalitäten, eine Schlüsselrolle beim Die KP der USA glaubt, daß es in höchstem zu zurren, durch die immer größere Profi- beispiellosen Widerstand von Sicherheits- Grade im Interesse des breiten Antikriegs- te für den transnationalen Konzernsektor ratsmitgliedern der Vereinten Nationen kampfes und der menschlichen Zukunft der USA gesichert werden. Doch die Hoff- wie Frankreich, Deutschland und Ruß- überhaupt liegt, daß unsere Parteien ihre nung, daß es eine ganz andere Welt geben land, denen sich China anschloß, gespielt. Ansichten und Erfahrungen über diesen könnte, entspringt dem beispiellosen und Während sich die Positionen der bürger- großen Prozeß der Schaffung einer Ko- ständig wachsenden erdumspannenden lichen Regierungen unter dem Einfluß alition austauschen, welche einen Damm Widerstand zum Kurs der Bush-Admini- wahrgenommener nationaler Interessen gegen die Flut zu errichten sucht, die durch stration, der auf ständigen Krieg gerichtet und des Druckes aus Washington verla- die gefährlichsten Elemente des USA-Im- ist. Wir werden wohl niemals erfahren, gern können, gibt deren Opposition zum perialismus entfesselt worden ist.

A m 28. April 2003 wäre unser Autor, Kampfgefährte und Freund, der kommunisti- sche Publizist und unerschütterliche Streiter für die DDR,

Karl-Eduard von Schnitzler

85 Jahre alt geworden. An diesem Tag haben wir uns, mit Marta fest verbunden, an einen Mann erinnert, der allen Schmähungen und jeglicher Ehrabschneiderei seiner Feinde mit Standhaftigkeit, Mut und Würde begegnete. Wir sind sehr froh, daß er zu den ersten Mitge- staltern des „RotFuchs“ gehört hat.

Kollateralschaden Aus god’s own country botschaft kam im märzenlicht Das börsenblatt verlautbart im akuten kursbericht, vom pentagon, es richte hin aus höherm grunde die rüstungsaktien steigen, frieden sinkt auf baisse, als gottes henker iraks volk zur stunde – den maklern wärmt’s das herz, steigt kalt es hoch auch vom gesäße, uns betrifft’s ja nicht und trifft es nicht. magnaten proklamiern die nationale pflicht, humanen krieg zu führn mit bomben für das ideal, Wenn von zerrissnen leibern sie kein wörtchen spricht des heiligkeit rechtfertige der opfer hohe zahl, beim mittagsmahl zum sülzkotelett die radioschnauze die kriegsgewinnler ohne sums addiern, summieren schlicht, der spießer hört’s, speist mit genuß, rülpst: feste haut se – wieviel profite und wie hohe aus wie vielen leichen, ihn betrifft’s ja nicht und trifft es nicht. sie zählen, rechnen, potenziern, es will und will nicht reichen – wenn die andern alle es auch trifft, die drei trifft’s nicht. Zum himmel heben auf im gottvertrauen das gesicht die gläubigen und falten zum gebet die hände, Karl Mundstock daß er da oben, paßt’s ihm, unten die geschicke wende – die betrifft‘s ja nicht und trifft es nicht. Seite 6 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 7

Richard Perle – das teuflische Gehirn des Pentagons Prinz der Finsternis

Er scheint diesen Titel, den ihm die Medien der Vorfall keinen Abbruch getan, im Ge- sen „Ehrenmann“ zu, der Frankreich zwar verliehen, wie eine Auszeichnung zu tra- genteil. Er ist heute noch im Aufsichtsrat boykottieren, aber sein Sommerhaus in gen, denn manchmal macht er sich darüber der Israel-Lobby JINSA, die einen palä- der Provence, also im alten Europa, nicht lustig, für den Teufel gehalten zu werden. stinensischen Staat verhindern will. Die aufgeben will. Ein teuflischer Prophet des Einer, der viele Namen hat und viele Rän- vermutlich gezahlten Silberlinge hat er Unheils, der an die Existenz von Massen- ke schmieden kann und aus allen Ungele- wahrscheinlich profitträchtig eingesetzt, vernichtungswaffen in Irak glaubte, weil genheiten immer mit einem blauen Auge denn risikoscheu ist er nie gewesen. Aber er ja wußte, daß die USA sie dorthin gelie- davonzukommen vermochte. Vielleicht ist den Ruf des guten Amerikaners mußte er fert hatten, als Saddam noch ein „nützli- er ja wirklich ein Jünger Satans, der Geist, sich wohl erneut verdienen. cher Idiot“ im Dienste Washingtons war, der stets verneint: denn alles, was besteht, Offenbar hat er den Verdienst und die Ver- der die Drecksarbeit gegen Iran verrichten ist wert, daß es zugrunde geht. dienste auf meisterhafte Art miteinander durfte. Der Prinz ist also ein Mann, der die Vernichten und Kriege führen und Macht verknüpfen können, denn der Prinz der Führbarkeit von Kriegen nach Umfrageer- ausüben gehören zu seinem Image, wenn Finsternis war ein apokalyptischer Reiter gebnissen bestimmt und keine Skrupel er nicht gerade den Gentleman spielt und par excellence, der seine immer wieder hat, Frauen und Kinder in seine Vernich- seinen Zuhörern einreden möchte, daß er gefragten Fähigkeiten als Vize-Verteidi- tungspläne einzubeziehen. Ein Intellek- zu den „Guten“ gehört, die der „Achse des gungsminister der USA und Berater mit tueller, der denkt, daß man ein Land mit Bösen“ den Garaus machen wollen. Sein eigenen Bedürfnissen verquicken konnte. Bomben überzeugen und die Demokratie Gesicht ist schwammig und aufgedunsen, Krieg, Hunger, Pest und Tod waren seine auf einer Trümmerwüste errichten kann. seine Augen blicken durch den Betrach- Mitstreiter, die er ausschwärmen ließ, um Ein Politikwissenschaftler, der nur den ter hindurch, sein fetter Körper steckt die opportune Botschaft zu verbreiten, die USA das Recht zubilligt, über Krieg und in seidenen Hemden, sein überhebliches er mit hochgestellten Gleichgesinnten ge- Frieden zu entscheiden. Ein Gerechter, Lächeln ist Ausdruck von Unverfrorenheit. fragt und ungefragt verkündete. Er nannte der den UNO-Sicherheitsrat für überflüs- Immerhin nennt er sich „Sicherheitsbera- sie Project for an American Century – Pro- sig erachtet und das Recht des Stärkeren ter“, obwohl seine Ratschläge in Pentagon jekt für ein amerikanisches Jahrhundert. auf seine Totenkopffahnen schreibt. Ein und Weißem Haus dazu geführt haben, daß Seine Tätigkeiten sprechen für sich selbst. Präventivstratege, der die Welt ermuntert, „the ugly American“ – der häßliche Ameri- So traf er sich zum Beispiel mit dem mil- Atomwaffen anzuschaffen, um gegen den kaner – in aller Welt wieder zur Spottfigur liardenschweren Waffenhändler Kashoggi Alleinvertretungsanspruch Washingtons aus Dreck und Feuer geworden ist. und einem saudischen Geschäftsmann in gefeit zu sein. Ein Heuchler und Betrüger, Den Terrorismus, den Amerika bekämpfen Marseille zum Lunch, wie Riads Bot- der immer neue Ausreden erfindet und wollte, hat er zuvörderst zu verantwor- schafter später versicherte, um für die mit immer neuen Drohungen immer neue ten. Die UNO ist vor allem durch ihn zum Firma Trireme, an der er beteiligt ist, in Kriege schüren hilft. Ein politischer Bank- Muster ohne Wert verkommen. Der Demo- erpresserischer Weise Sicherheits- und rotteur, der die Waffengeschäfte seines kratie hat er das Grab geschaufelt, den Kommunikationstechnik zu verkaufen, Lebens macht. Ein geistiger Terrorist, der zwischenmenschlichen Beziehungen die wobei er als Gegenleistung einen Nicht- dem Terrorismus ständig blutige Bahnen Würde genommen, die Freiheit ist durch Angriff versprach. Übrigens hat er Wort eröffnet und am Ende seiner Kriege einem seine Moderation ein Popanz geworden, gehalten, denn Saudi-Arabien ist, obwohl Heer von Terroristen gegenüberstehen vor dem die Vasallen die Mütze zu ziehen die meisten angeblichen Attentäter vom wird, das dem „ugly American“ die Gren- haben. Wenn er jetzt seinen offiziellen 11. September aus diesem Land kamen, zen der Unterdrückung weist. Abschied als Vorsitzender des Pentagon- bisher nicht behelligt worden. Natürlich Es wird den Vereinigten Staaten kaum hel- Beratergremiums nehmen mußte, ohne hat er seine alten Beziehungen zu Tel fen, daß sie sich einen Berater vom Schla- jedoch aus diesem ausgeschieden zu sein, Aviv genutzt, um in den Aufsichtsrat der ge Richard Perles halten, sind doch viele so scheint es, daß der Teufel seinen Hof- israelischen Firma Onset zu gelangen und Berater in vielen Kriegen und Weltreichen staat verloren hat. Doch gemach, gemach. mit deren digitalen Verkaufschlagern der mit jenen untergegangen, die sie zuvor er- Er weiß natürlich, daß seine Kunst viele Kommunikationsbranche politischen Ein- mutigt haben. Gerhard Schmidt Künste übersteigt. Und das Zündeln und fluß zu gewinnen. Von ihm stammt die Intrigieren und Beraten bleibt ihm ohne- Abhör-Information, Hussein habe sich Fritze Schröder meint hin unbenommen in den Vorstandsetagen mit dem World-Trade-Terroristen Atta in und Aufsichtsräten und bei all den Fir- Prag getroffen. In diesem Zusammenhang menanteilen, die ihm schon immer Macht muß der Beratervertrag des Prinzen mit Übrigens ... und Einfluß verschafft haben. der bankrotten Kommunikationsfirma Übrigens: Die Generäle „Winter“ und Es lohnt sich, den Spuren des Prinzen zu Global Crossing genannt werden, für de- „Sandsturm“ sind eineiige Zwillinge ... folgen, der an der renommierten, schon ren Verkauf er 600 000 Dollar bekommen Übrigens: Die einzige Massenvernich- 1746 gegründeten Princeton-Universität, sollte, falls das Pentagon der Lieferung tungswaffe, die in Irak gefunden wur- die sich auch auf Einstein berufen konn- von Sicherheitstechnik an eine asiatische de, war die US-Streubombe ... te, Politikwissenschaften studierte. Dort Company zustimmen würde. Und um die Übrigens: Vom Hoteldach der Presseka- knüpfte er die ersten finsteren Kontakte. marilla sah die Zerstörung Bagdads Aufzählung zu beenden, er verdient auch aus wie eine Silvesterfeier am Bran- Aber die Vorsehung hat es nicht gut mit als Aufsichtsratsmitglied einer britischen denburger Tor ... ihm gemeint, als er am Anfang seiner Firma, die Software zur Überwachung Übrigens: Die einzig mögliche Stei- Karriere ausgerechnet über die vom FBI von E-Mails und Telefongesprächen pro- gerungsform eines bei der Truppe verursachte Affäre stolperte, bei der es duziert. Kunde ist hier ebenfalls das Pen- „eingebetteten Journalisten“ wäre ein um in der israelischen Botschaft über- tagon. „eingewickelter Pressekasper“ ... mittelte brisante Informationen aus dem Der Prinz der Finsternis ist also ein mit Übrigens: In Ramstein wurden nicht Umfeld Senator Jacksons ging. Die Bot- allen Wassern gewaschener Kriegsverdie- nur Verbandspäckchen und Milchpul- ver in US-Flugzeuge verladen ... schaftsräume waren verwanzt, und so ner, dem überdies zugute kommt, daß er Übrigens: Die US-Ölkonzerne freuen wurde der Prinz verdächtigt, ein Spion die Kriege, von denen er später profitiert, sich schon darauf, die Zusicherung des israelischen Geheimdienstes Mossad auch selbst in die Wege leitet. Und wenn Gerhard Schröders im Deutschen zu sein, der er vielleicht auch war, ohne man nur halbwegs ehrbar tut, hat man Bundestag verwirklichen zu können: daß es hinreichend bewiesen werden sie alle unterm Hut, sagt Mephisto in Das irakische Öl muß in des Volkes konnte. Seinen Beziehungen zu Israel hat Goethes Faust, und das trifft auch auf die- Hand ... Seite 6 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 7

Trägt der USA-Imperialismus unter Bush faschistische Züge? Zur „neuen Anti-Hitler-Koalition“

Es ist nicht exakt bestimmbar, wann und Gegenkraft im imperialistischen Hauptland Koalition“ notwendig sei, im Auge hat. Ob es wie der verbrecherische „Präventivkrieg“ der gibt. Die Arbeiterbewegung wurde in Etap- sich dabei um eine realistische Möglichkeit USA und ihrer Vasallen gegen das UNO-Mit- pen schon seit Jahrzehnten niedergehalten handelt, wird sich in Zukunft zeigen. glied Irak „enden“ wird. Eine Kriegserklä- und systematisch zerstört. Ich erinnere an Wir haben es gegenwärtig mit mehreren rung gab es nicht. Es wird auch keine Ka- die McCarthy-Ära, als nicht nur Linke Frei- sich herausbildenden imperialistischen pitulation geben. Es handelt sich um einen wild waren, an die Prozesse gegen Führer Machtzentren zu tun. Sie verfolgen letztlich Krieg, der nach dem Völkerrecht allein als und Mitglieder der KP der USA in den 50er eigene, dem jeweiligen Kapital dienende Zie- Aggression, als eklatanter Verstoß gegen Jahren, an die Zerschlagung der afroameri- le. Eine Entfernung der herrschenden Kreise das Gebot des Gewaltverzichts bezeichnet kanischen Black Panther Party in den 60ern. einiger imperialistischer Staaten von den werden kann. Ist das nicht, wie der frühe- Hinzu kommt, daß es durch die Installierung USA darf deshalb nicht zu der Vorstellung re CIA-Direktor Woolsey meinte, bereits der elektronischen Medien als entscheiden- führen, es handle sich um „nationale“ In- der neue Weltkrieg? Die Welt muß genau der herrschaftserhaltender Macht und deren teressen auch der Werktätigen. Darum ist hinhören. Redet Bush nicht ständig davon, massivem Gehirnwäscheprozeß gelungen ist, es z. B. eine Illusion, in einem von der BRD daß „der Krieg noch nicht zu Ende“ sei? den Bürgern einzuhämmern, daß das ameri- und Frankreich dominierten Europa den Wie meint er das? Muß man nicht nüchtern kanische Gesellschaftsmodell das beste in „friedlichen Gegenpol“ zur US-Strategie zu konstatieren, daß bereits ein permanenter der Welt ist. Was wir im Vorfeld und während vermuten. „Präventivkrieg“ gegen eine ganze Reihe von des Überfalls auf Irak in dieser Hinsicht er- Wie, durch welche Kräfte und mit welchen UNO-Mitgliedsstaaten vor unseren Augen lebt haben, war ein „Meisterstück“ medialer Mitteln kann die Bedrohung der Menschheit abläuft? Nach dem Willen der USA handelt Manipulierung. Eine Bande blutrünstiger gestoppt werden? Gibt es einen Ausweg aus es sich dabei nicht um „selbständige“ Kriege, Aggressoren wurde im gleichgeschalteten der globalen Katastrophe? Trotz allem bejahe sondern nur um eine Abfolge von Kampfs- Sprachgebrauch von Sendern und Zeitungen ich bei gebotener Nüchternheit die Position zenarien auf wechselnden Schauplätzen. So zu „Befreiern“, „Koalitionären“, „Verbün- eines historischen Optimismus. Ich glaube, möchte es Bush. Und die Liste der nächsten deten“, „Alliierten“ usw. umgelogen, denen daß die von den USA praktizierte Weltherr- Kandidaten im „Kampf gegen den internatio- man den Sieg über das „Regime“ Saddam schaftspolitik langfristig keine Aussicht auf nalen Terrorismus“ liegt ja bereits vor und Husseins wünschte. Kein Wort über die Zer- Erfolg hat. Die Vereinigten Staaten werden wird lediglich von Zeit zu Zeit „aktualisiert“. schlagung der staatlichen Souveränität, die sich übernehmen und in wachsende Isolie- Der Zielsetzung entspricht auch die „Nach- Mißachtung der territorialen Integrität, den rung geraten. Der „Rest der Welt“ läßt sich kriegsordnung“, die für Irak vorgesehen ist. Massenmord an unschuldigen Irakern. Das nicht auf Dauer zur Manövriermasse ameri- Sie bildet einen Teil der „neuen Weltordnung“ war nicht zu übertreffender Zynismus und kanischer Interessen degradieren. Washingtons. blanker Hohn, Perversion der Sprache der Aber ich muß gestehen, daß ich bei der kon- Diese Situation setzt ein geschärftes in- Politik. Vergessen wir nicht: Faschismus ent- kreten Beantwortung der Frage, wie und ternationales Bewußtsein voraus. Der Lü- steht nicht im luftleeren Raum, sondern ist durch wen der Wandel zustande kommen genschleier muß zerrissen werden. Die Zeit ein Produkt der bürgerlich-kapitalistischen soll, ziemlich ratlos bin. Sind die Vereinten erfordert Klartext. Dieser Krieg gehört zu Machtausübung und keineswegs deren Anti- Nationen eine solche ernstzunehmende den großen Verbrechen gegen den Frieden, pode. Ich denke an die prophetischen Worte Kraft? Es ist sicher richtig, die UNO-Charta den Kriegsverbrechen des Imperialismus, von Thomas Mann, in den USA werde „der zu verteidigen. Aber ist die umfassendste die seit Hitlers Machtantritt in Europa und Faschismus unter der Losung der Freiheit an internationale Organisation, die nur das vom kaiserlich-militaristischen Japan be- die Macht kommen“. Man lese dazu auch den Kräfteverhältnis in der Welt reflektiert, da- gangen wurden. In diesem Zusammenhang Roman des Nobelpreisträgers Sinclair Lewis zu imstande, jene Rolle zu spielen, die ihr in muß die Frage nach dem Charakter der USA „Das ist bei uns nicht möglich“. der Charta beigemessen wird? Deutet nicht unter Bush beantwortet werden. Es steht mir Natürlich ist es für den antiimperialisti- die zynische Diskussion über die jetzt vorge- nicht an, eine fundierte marxistische Defini- schen Kampf kontraproduktiv, jeden Erzkon- schlagene „Arbeitsteilung“ zwischen den mi- tion zu formulieren. Ich will hier nur meinen servativen als Faschisten und jede reaktio- litärischen Zerstörern und den „humanitären persönlichen Standpunkt darlegen. Wie sind näre Gesellschaftsform als Faschismus zu Aufbauhelfern“ darauf hin, wie fortgeschrit- die Außen- und die Innenpolitik der USA-Ad- bezeichnen. Mit solchen Begriffen muß exakt ten die Zersetzung des Völkerrechts und des ministration, die seit der letzten Präsiden- und vorsichtig umgegangen werden. Es trifft UNO-Systems schon ist? Und wie verhält es tenwahl mit Hilfe der Justiz an die Macht unser Grundanliegen meist genauer, wenn sich mit der Friedensbewegung? Ihre Breite „geschoben“ wurde, einzuschätzen? Welche man die Barbarei des Imperialismus als und Dynamik, vorher kaum so erwartet, hat Gruppierungen des USA-Monopolkapitals, Hauptgefahr für die Menschheit benennt. Im das Weltgewissen wachgerüttelt. Den Krieg die sich auf eine überlegene Militärmaschi- Widerstand gegen etablierten Faschismus vermochte sie aber nicht zu verhindern. Wird nerie stützen können, sind dabei, ihr imperi- ist zu beachten, daß nicht nur antikapita- sie in Zukunft die Kraft entwickeln, die Bu- ales Herrschaftssystem zu installieren? listische Kräfte und Staaten einzubeziehen shisten bei ihrem weiteren Amoklauf zu stop- Die „Bushisten“, zu denen Cheney, Rumsfeld, sind. Es bedarf in einer solchen Konstellati- pen? Dazu wird sie nur imstande sein, wenn Perle, Wolfowitz, Rice, Ashcroft u. a. gehören, on auch bürgerlicher Bündnispartner. ihre aktivsten Kräfte die tiefere Ursache des sind offensichtlich die Protagonisten der Das ist es wohl, was Klaus Steiniger mit sei- Krieges – das Wesen der kapitalistischen reaktionärsten, aggressivsten, am meisten ner Fragestellung, ob eine „neue Anti-Hitler- Ordnung – erkennen und den Massen be- chauvinistischen Elemente der in den USA wußtmachen. herrschenden Klasse. Sie verfolgen das Ziel, Mit anderen ihre internationale Diktatur zu errichten. Worten: wenn Haben wir es schon mit dem „Faschismus es gelingt – or- des 21. Jahrhunderts“ zu tun? Zeigt er sich ganisiert und nur in der amerikanischen Außenpolitik oder weltweit koor- bereits auch in der Aggression nach innen? diniert – Frie- Die Frage wird kontrovers diskutiert. Ich densbewegung teile den Standpunkt von Klaus Steiniger und sozialen (RF 62). Washingtons internationale Politik Widerstand zu unterscheidet sich nicht mehr von der der vereinen. Als Achsenmächte vor und während des Zweiten Kommunisten/ Weltkrieges. Was den repressiv-diktatori- Sozialisten schen Charakter im Innern betrifft, so ist sind wir aufge- das Damoklesschwert bereits aufgehängt. rufen, dafür zu Wenn es vorerst nicht niedersaust, dann ist wirken. das vor allem dem Umstand zu verdanken, daß es z. Z. noch keine ernstzunehmende Dieter Itzerott Seite 8 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 9

Die Vereinten Nationen im Lichte der USA-Aggression gegen Irak Das Völkerrecht verteidigen!

Wenige Tage bevor George W. Bush die Irak schon lange vor dem Anschlag auf das sein. Zwar hätte eine Verurteilung der Kriegsmaschinerie der USA gegen Irak in World Trade Center am 11. September 2001. USA-Aggression durch die Mehrheit der Gang setzte, kam „Der Spiegel“ unter dem Dafür gab und gibt es komplexe Ursachen, UNO-Mitgliedsstaaten keine bindende Titel „Der entfesselte Gulliver“ heraus. Das die den Anspruch auf Weltherrschaft und rechtliche Wirkung, wäre aber von erheb- erinnerte mich an Situationen in den 60er die Kontrolle der entscheidenden Erdöl- licher moralischer Bedeutung. und 70er Jahren, als der Doyen unter den ressourcen einschließen. „Gott sei Dank für den Tod der UNO.“ Völkerrechtlern der DDR, Prof. Dr. Peter Im Hinblick auf die UNO wurde zur Kern- Dieser Satz stammt vom langjährigen Alfons Steiniger, bei uns in Dresden auf frage: Werden die USA für ihre Aggressi- Bush-Berater Richard Perle, der zwar kritische Fragen der Zuhörer reagierte: onspläne die Zustimmung des Sicherheits- inzwischen wegen dubioser Geschäfts- Was nützen die UNO-Charta und Völ- rates erhalten oder nicht? Ist ihnen eine praktiken offiziell aus dem Amt schied, kerrechtsprinzipien angesichts vieler Mehrheit sicher, oder werden sie in die aber nach wie vor der wichtigste Ratge- Konflikte und Kriege, die dennoch vom Minderheit verwiesen? Legt eines der fünf ber von Kriegsminister Rumsfeld ist. Die Zaun gebrochen werden? Steiniger ant- ständigen Mitglieder sein Veto ein? Das Worte Perles widerspiegeln das wahre wortete vor allem mit zwei Argumenten: Ergebnis ist bekannt: Trotz wochenlan- Denken der amerikanischen Führung in Der Imperialismus war, ist und bleibt ein gen Nervenkrieges, trotz Druckausübung, bezug auf die UNO, die ihre Entstehung Raubtier, dessen Charakter auch die UNO Erpressungsversuchen und Bestechungs- auch den Vereinigten Staaten verdankt. nicht ändern kann. Aber Beschlüsse der bemühungen war die Resolution 1441 das Die USA nutzten sie, soweit das ihren Vereinten Nationen, Völkerrechtsnormen Ergebnis, um dessen Auslegung von nun Interessen entsprach; sie sabotierten sie und Verträge können Stricke sein, die an gerungen wurde. Eine ihr widerspre- – auch mit Hilfe von Beitragsverweigerung bei gehöriger Stärke selbst Raubtiere be- chende Kriegsermächtigungsresolution, –, wo immer ihnen die UNO-Struktur und hindern, vielleicht sogar fesseln können. die die USA, Großbritannien und Spanien das Völkerrecht im Wege standen. Der Und: Die UNO ist nicht besser und nicht vorlegten, bekam keine Zustimmung. Be- Streit um die Resolution 1441 und deren wirksamer, als es die Mitgliedsstaaten, merkenswert ist, daß auch nichtständige Auslegung wurde tatsächlich zur Zäsur. vor allem die Großmächte, zulassen. Das Mitglieder wie Angola, Guinea, Kamerun, Den USA ging es einzig und allein darum, Vetorecht hielt er trotz vieler Patt-Situa- Chile und Mexiko sich den USA couragiert hinter der Nebelwand einer „Koalition der tionen für nötig, weil die UdSSR damit der widersetzten. Das ist positiv zu werten. Guten zur Bekämpfung des Terrorismus“ imperialistischen Politik Widerstand ent- Die Bush-Administration konnte sich bei eine Blankovollmacht für zeitlich und gegensetzen konnte. Steiniger warnte vor ihrer Aggression nicht in die Toga schein- räumlich unbegrenzte Militäraktionen zu jeder Unterschätzung des (Völker-)Rechts baren Rechts hüllen, es war möglich, das erhalten. Wie die „Monitor“-Moderatorin als einer Waffe in den Händen der Kräfte Vorgehen der USA als Verbrechen gegen Sonia Mikich am 13. März 2003 versicher- des Sozialismus. Dieses theoretische Erbe das Völkerrecht zu brandmarken. Das gab te, haben die USA bei diesem Ansinnen „ge- ist von Linken gut zu nutzen. dem Aufbegehren der Friedensaktivisten fälscht, getrickst, erpreßt“. Der den Repu- Damit bleibt unbestritten, daß die Ge- Kraft, der Widerstand der Blockfreien blikanern zugehörige USA-Völkerrechtler schichte der Vereinten Nationen sehr artikulierte sich, in der arabischen Welt Alfred de Zayas sprach sich dafür aus, daß widersprüchlich verlief, ihre Höhen und wurde machtvoller Protest erhoben. Die führende USA-Politiker nach ihrer Amts- Tiefen hatte. Es gab Erfolge und Versagen. Langzeitwirkungen dieser Faktoren sind zeit (die ihnen Immunität verleiht) vor dem Vor allem aber Erfahrungen. Zur Bilanz noch gar nicht abzuschätzen. „Der Kaiser Strafgerichtshof in Den Haag erscheinen gehört: Die Prinzipien der UNO-Charta ist nackt.“ Washington wurde weltweit sollen. Wenn der Völkerrechtler Ulrich wurden bis 1990 nicht weltweit und un- isoliert. Fastenrath einen Beitrag „USA schreiben eingeschränkt zur Praxis in der interna- Im Vorfeld war nicht auszuschließen, daß das Völkerrecht in ihrem Sinne um“ titel- tionalen Politik. Doch nach dem Zusam- die USA mit Verlockungen und Drohungen te, muß ihm widersprochen werden. Kein menbruch des Sozialismus in Europa und das „Mandat“ des Sicherheitsrates für ihre Staat hat das Recht, international gültige der UdSSR steht das gesamte UNO- und Aggression doch noch erzwingen würden. Normen „umzuschreiben“. Nachdem Bush Völkerrechtssystem unter massivstem Be- Wäre dann der Krieg völkerrechtskonform erklärte, daß er „niemanden um Erlaubnis schuß, vor allem seitens des USA-Imperia- gewesen? Natürlich nicht. Einziger Maß- bitten müsse“, wenn er zum Krieg schrei- lismus. Der Streit geht um die Frage: Erlei- stab ist die UNO-Charta, die die Drohung te, geht es heute um nicht weniger als det die UNO dasselbe Schicksal wie einst und Anwendung von Gewalt in den zwi- darum, ob die UNO-Charta und die auf der Völkerbund? Bedeutet die „Abstinenz“ schenstaatlichen Beziehungen (Ausnahme ihr beruhenden Völkerrechtsprinzipien des Sicherheitsrates in der „Irak-Frage“ in Art. 51) grundsätzlich verbietet. Genau- gültig bleiben oder Makulatur werden. das Ende des gültigen Völkerrechts? Und: so wie ein Richter Recht verletzen kann, Aus dieser Sicht war der Widerstand des Welche Rolle fällt den Vereinten Nationen ohne daß sich damit das Recht ändert, ist Sicherheitsrates gegen die von den USA, nach dem Ende der Aggression gegen es bei Beschlüssen des Sicherheitsrates Großbritannien und Spanien vorgelegte Irak zu? (im Falle der Interessenübereinstimmung Kriegsermächtigungsresolution ein ermu- Neu ist: Noch nie beschäftigten sich so vie- der Vetomächte) möglich. tigendes Signal, nachdem die UNO im Falle le Menschen mit Fragen des Völkerrechts Bis heute hat der Sicherheitsrat die USA- der NATO-Aggression gegen Jugoslawien und der UNO-Struktur. In der PDS waren Aggression nicht verurteilt. Das ist aber jämmerlich versagt hatte. der Parteitag in Münster, der Dresdner auch wegen des Einspruchsrechts der Ag- Prof. em. Dr. sc. phil. Horst Schneider Parteitag kurz nach dem 11. September gressoren – der USA und Großbritanniens Unser Autor war bis 1990 Mitglied des Prä- 2001 und der Berliner Sonderparteitag An- – gar nicht möglich. Was könnte jetzt ge- sidiums der DDR-Liga für die Vereinten fang April 2003 weitgehend von Debatten schehen? Im Rahmen der UNO bleibt eine Nationen. zu dieser Thematik geprägt. Die Auseinan- Option: Seit dem 3. November 1950 gibt es dersetzung ist berechtigt, weil es in ihr um einen Präzedenzfall für ein Verfahren, das existentielle Fragen der Menschheit geht: bisher zehnmal wiederholt wurde. Damals Wird das Recht des Stärkeren oder wird hat die UN-Vollversammlung mit großer Über 500 im Verein die Stärke des Rechts (in den Grenzen der Mehrheit die Resolution V 377 („Uniting kapitalistischen Gesellschaft) triumphie- for Peace) angenommen, womit sich die Mehr als 500 Genossinnen und Genossen ren? Außenminister Fischer erklärte dazu USA den Einsatz ihrer Truppen in Korea gehören inzwischen dem „RotFuchs“-Förder- in der letzten Sitzung des Sicherheitsrates „mandatieren“ ließen, als der Sicherheits- verein e. V. an. Als 500. Mitglied – unterdessen vor dem Krieg am 14. März 2003: „Wir rat wegen des Boykotts der Sowjetunion sind weitere Mitstreiter hinzugekommen stehen womöglich vor einer epochalen aktionsunfähig war. Die Erfahrungen aus – konnte Dr. Bernhard Igel aus Eisenach, Zäsur.“ Worauf beruht diese Ahnung auch der Wiederholung dieses Modus anläßlich bekannt auch aus seinen Beiträgen für die UZ, anderer? der Besetzung Jerusalems durch Israel, aufgenommen werden. Die politische und militärische Spitze der des Eingreifens sowjetischer Truppen in Herzlichen Glückwunsch! USA wollte und plante den Krieg gegen Afghanistan usw. könnten heute dienlich Seite 8 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 9

Friede ja – doch nichts mit „Freude, Eierkuchen“ Zum Berliner PDS-Parteitag

Mit ihrem Sonderparteitag zur Friedens- Zweifel daran, daß sie nicht ruhen werden, ßern, daß an die Stelle eines inzwischen problematik Anfang April bekräftigte die bis der in Münster gefaßte Parteitags- überflüssig gewordenen Bündnisver- PDS ihren Anspruch als konsequente Anti- beschluß gekippt ist, durch den die PDS haltens gegen die einstige sozialistische kriegspartei. Ohne Zweifel: Keine Formati- prinzipiell Gewalt als Mittel von Politik Staatengemeinschaft nunmehr zwischen- on, die in Deutschlands Parlament vertre- ablehnt – auch wenn sie angeblich zu „frie- imperialistische Konkurrenz und sich ten ist, hat sich so entschieden auf die Seite denssichernden Zwecken“ angewandt und verschärfende Rivalität getreten sind. der Gegner des amerikanischen Überfalls von der UNO sanktioniert wird. Schon hat BRD-Militärminister Struck auf Irak gestellt wie die PDS. Gerade in den Bereits am Vorabend des Friedenspartei- Anspruch auf gravierende Erhöhung sei- Wochen, in denen der kriminelle Klüngel tages hatte Gysi in einer ND-Kolumne von nes Ressorthaushalts angemeldet. Unmiß- im Weißen Haus, im Pentagon und im seiner Partei die „volle Anerkennung der verständliche Begründung: „um mit den State Department die von ihm inszenierte UN-Charta einschließlich des Gewaltmo- Amerikanern gleichziehen zu können“ (!) Irak-Krise zuspitzte und seine Aggression nopols des Sicherheitsrates“ verlangt, was Wie man sieht, ist der Imperialismus mehr entfesselte, war es von den Bundestags- sich eindeutig gegen Münster richtete. denn je die Quelle des Krieges. Als bemer- parteien allein die PDS, die sich nicht Noch direkter wurde der Berliner PDS- kenswert erscheint in diesem Zusammen- mit dem von der Schröder-Regierung ver- Senator Flierl, der sich im Plenum gegen hang eine Äußerung von Michael Brie, der kündeten halbherzigen Verzicht auf eine „Denkverbote“ hinsichtlich der seinerzeit immerhin zu den prominenten Reformern direkte militärische Beteiligung am Krieg beschlossenen Ablehnung der Teilnahme in der PDS gehört. Am 5. 2. 03 schrieb er begnügte. Sie forderte energisch, auch jene an UN-Kampfeinsätzen wandte. Ex-Bun- unter der Schlagzeile „Wer vom Krieg redet, Komplizenschaft zu beenden, die den In- desgeschäftsführer Bartsch deutete an, darf vom Kapitalismus nicht schweigen“ terventen auf vielfältige Weise Unterstüt- daß die PDS ihre Münsteraner Grundsatz- im ND: „Dieser Krieg ist ein Kind des neo- zung gewährte – bis zum „Schmierestehen“ position nun wohl doch nicht beibehalten liberalen High-Tech-Kapitalismus ... Es ist vor Ami-Kasernen. könne. Und die Parteivorsitzende selbst dieser Kapitalismus, der uns zum Kriege Übrigens: So wie sich die PDS – von der wartete mit der einigermaßen verblüf- verdammt … Wer diese Kriege nicht will, Basis bis zur Führung – für den Frieden fenden Ansicht auf, daß sich die in der wird so unbescheiden sein müssen und engagierte, leistete auch die parteinahe PDS „weitverbreitete Vorstellung, die UNO sagen: Eine andere Welt ist nötig, da es Zeitung „Neues Deutschland“ mit ihrer könne für immer und ewig in ein Macht- ohne sie keine friedliche Welt geben wird!“ kontinuierlichen, faktenreichen und ar- instrument der USA verwandelt werden“, Und: „Der Hauptfeind des Friedens steht gumentationsstarken Berichterstattung als unzutreffend erwiesen habe. Ganz so, im eigenen Land ...“ Die einzig mögliche einen bemerkenswerten Beitrag, um die als sei der Sicherheitsrat gegen die „In- Schlußfolgerung daraus – vor allem für ei- Hintergründe der Aggression bloßzulegen terpretation“ seiner Irak-Resolution 1441 ne sozialistische Partei – kann nur lauten: und den Antikriegsprotesten eine publizi- als Mandat für den Präventivkrieg durch Nicht Anpassung an das angeblich „zähm- stische Tribüne zu bieten. Sogar die lange die amerikanisch-britischen Invasoren bare“ kapitalistische System, sondern vermißte Vokabel „USA-Imperialismus“, mit wirklich all seinen Möglichkeiten eine Politik, die auf dessen Überwindung die dem ND schon entfallen zu sein schien, – Vetorecht oder Forderung nach einer abzielt, um Frieden zum Normalzustand tauchte im Leitartikel von Chefredakteur UNO-Sondertagung – vorgegangen. Gabi menschlichen Zusammenlebens werden Jürgens Reents wieder auf. Wir haben es Zimmer ließ ganz außer acht, daß gerade zu lassen. Und das heißt folgerichtig, sich registriert. dieses Gremium mit der vorausgehenden als Systemopposition zu begreifen und zu Dem PDS-Friedenskongreß war zweifellos Entwaffnung Iraks das Risiko für die verhalten. auch eine innerparteiliche Funktion zuge- Angreifer minimiert, seine Waffenin- Davon nicht zu trennen ist der alltägliche dacht. Er sollte, so die Parteivorsitzende, spektoren unmittelbar vor Kriegsbeginn Kampf um die unmittelbaren sozialen einen „identitätsstiftenden“ Effekt haben: abgezogen und so ein Hindernis gegen die Belange derer, die nicht zu den Eliten und Denn besser als jedes andere Thema schien Aggression selbst beseitigt hatte. Auch Nutznießern des Kapitalismus zählen. die Friedensfrage geeignet, den nach dem zu einer eindeutigen Verurteilung der Sich energisch gegen den fortschreiten- Wahldesaster vom September 2002 offen Intervention als Völkerrechtsbruch war den Sozialabbau zu wehren, gehört, wie entbrannten und sich vor dem Programm- das höchste ständige UN-Gremium nicht Christa Luft auf diesem Parteitag betonte, parteitag im kommenden Oktober weiter imstande. zum Friedensengagement. verschärfenden Richtungsstreit zwischen So wünschenswert die Stärkung der Welt- Und so zeigt sich denn, daß der Anspruch, marxistischen Kräften einerseits und Ge- organisation und ihrer Instrumente auch als Friedenspartei zu gelten, nicht einlös- staltungsoppositionellen wie Fundamen- ist – derzeit stößt deren Wirksamkeit an bar ist, ohne zugleich antikapitalistisch zu talopportunisten andererseits zumindest die engen Grenzen der Interessen der sie sein. Ob sich diese Erkenntnis jedoch beim zu entschärfen. Es sah so aus, als sei ein dominierenden Großmächte, wobei die innerparteilichen Ringen um ein neues zeitweiliger Waffenstillstand eingezogen. alleinige Supermacht USA die ihren skru- Programm durchsetzt und auf dem Pro- Wer indes annimmt, auf diese Weise habe pellos durchzusetzen gewillt ist. Auch grammparteitag im Oktober richtungsent- man einen Zustand herbeiführen können, gegen die UNO. scheidend sein wird, ist noch keineswegs der in etwa jener sprichwörtlichen Wen- Die für den Frieden ausgehenden Gefahren gewiß. Zwar scheint die große Mehrheit dung folgt, bei der dem Begriff „Friede“ werden sich absehbar dadurch vergrö- der PDS-Mitgliedschaft bereit zu sein, den dann auch noch spöttisch „Freude, Eier- mit ihrem klaren Nein zum imperialisti- kuchen“ hinzugefügt wird, dürfte einem schen Krieg verbundenen Konsequenzen Trugschluß unterliegen. Bei genauerem Am 9. April 2003 starb im Alter von 78 Jahren auch programmatisch Ausdruck zu verlei- der bewährte Kommunist Hinhören ließen sich schon auf diesem hen. Doch es fehlt nicht an Verhinderern. „Parteitag weitgehender Übereinstim- Dietmar Bartsch – einer ihrer Wortführer mung“ Töne vernehmen, die signalisieren: Wilhelm Fitzner – deutete auf dem Berliner Sonderparteitag Nach der Eintagspause im Meinungsstreit jedenfalls schon einmal an, daß es im aus Wichsenstein in Nordbayern, der sich geht das Ringen um grundsätzliche Rich- mit seinen Büchern zu historischen und Oktober einen (im Sinne der Reformisten) tungsentscheidungen in der PDS weiter. philosophischen Themen selbst ein Denk- programmatischen „und gegebenenfalls Das betrifft selbst die Friedensproblema- mal gesetzt hat. Wir grüßen seine Frau und auch anderen Neuanfang geben“ werde. tik. Obwohl die Exponenten des sogenann- Kampfgefährtin Annemie und entbieten Was von nicht wenigen Delegierten als ten Reformflügels im Plenum sichtlich unserem treuen Leser einen letzten Gruß. Drohung verstanden wurde und so wohl zurückhaltend agierten, ließen sie keinen auch gemeint war. Wolfgang Clausner Seite 10 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 11

Warum das sozialistische Gemeineigentum Staatseigentum sein muß Wo Kurz zu kurz greift

Erst durch die radikale Lösung der Ei- nach der Staat selbst ein Produkt der Wenn von den Produktionsverhältnissen gentumsfrage, durch die Schaffung von dinglichen Vergesellschaftung sei. Hier die Rede ist, so müssen sie als ständig Gemeineigentum an den wichtigsten wird deutlich, daß es in der Staatsfrage, zu reproduzierende Entwicklungs- und Produktionsmitteln, können die aus dem der staatlichen Leitung ökonomischer Bewegungsform der gesellschaftlichen Kapitalverhältnis resultierenden Wider- Prozesse und in bezug auf das staatliche Produktivkräfte begriffen werden, die sprüche gelöst werden. Problematisch und Eigentum gravierende Positionsunter- diesen freien Raum zu eröffnen haben. zugleich spannend wird die Frage nach schiede gibt. Hier handelt es sich um ein Prüfkriterium den konkreten Formen des Gemeineigen- Antithetisch sei deshalb angemerkt: für die Entwicklung von Wissenschaft tums, zumal hier die Auffassungen ausein- Wenn von der Dialektik von Macht und und Technik im Interesse der Menschen anderdriften. Robert Kurz plädiert dafür, Eigentum ausgegangen wird, dann muß und ihrer Umwelt. Sobald anerkannt wird, das Problem der Vergesellschaftung auf sich auch im gesamtgesellschaftlichen daß allein der sozialistische Staat Reprä- die Tagesordnung des 21. Jahrhunderts Eigentum die wechselseitige Beziehung sentant des Eigentums und der gesamtge- zu setzen, „aber völlig neu formuliert, von Eigentümerfunktion und politischer sellschaftlichen Aneignung ist, dann muß jenseits von Macht und Staat, damit auch Machtausübung manifestieren. Dies auch das staatliche Eigentum unteilbar jenseits der juristischen Illusion“, jenseits kann nur durch den sozialistischen Staat sein. Allerdings hat für den sozialisti- schen Staat charakteristisch zu sein, daß der Staats- und Genossenschaftsillusion. gewährleistet werden. Nicht außerhalb er ein gesellschaftlich arbeitsteiliger, tief Leider bleibt Kurz die Antwort schuldig, der Betrachtungen darf bleiben, daß das wie das Problem der Vergesellschaftung gegliederter Organismus ist und nicht Eigentum an den Produktionsmitteln die anzupacken sei. Zustimmungsfähig ist Ausdruck einer kleinen bürokratischen Kernfrage der Produktionsverhältnisse seine These, daß in der Form des moder- Zentrale, einer Machtelite. Hier ordnet nen warenproduzierenden Systems nicht ist. Wenn wir davon ausgehen, daß in den sich auch folgerichtig die Miteigentü- die Menschen vergesellschaftet sind, son- sozialistischen Produktionsverhältnissen merstellung der Arbeitenden und ihrer dern die von ihnen produzierten Dinge in die gesellschaftlichen Triebkräfte und Kollektive als assoziierter Werktätiger im Gestalt von Waren. In der kapitalistischen Vorzüge des Sozialismus wurzeln und ih- sozialistischen Staat ein. Gesellschaft stehe der vereinzelte Einzel- nen Interessen und Motive des Handelns Auch für die ökonomische staatliche Lei- ne nur in Beziehung allseitiger Konkur- der Menschen entspringen, müssen diese tung ist das Prinzip des demokratischen renz zueinander. Fundamentalpositionen in unserem künf- Zentralismus als organische Verbindung Widerspruch provoziert jedoch seine Auf- tigen Sozialismusbild einen gewichtigen von zentraler staatlicher Leitung und ei- fassung, daß es eine falsche emanzipato- Platz einnehmen. Bekanntlich bringen genverantwortlichem Handeln der Wirt- rische Aufgabe des Sozialismus bisheriger die Produktionsverhältnisse auch das schaftseinheiten (Betriebe) und Werktä- Prägung gewesen sei, „die bewußtlose Verhältnis der Produzenten zueinander tigen bestimmend. Ohne den demokra- Vergesellschaftung der Dinge in eine be- zum Ausdruck. In der DDR waren es trotz tischen Zentralismus ist die Leitung des wußte Vergesellschaftung der Menschen diskussions- und kritikwürdiger Mängel Vergesellschaftungsprozesses, die gesell- zu verwandeln“ und dabei „die juristische Beziehungen eines kameradschaftlichen schaftliche Arbeitsteilung und Koope- Form des Eigentums für den Dreh- und Zusammenwirkens der Werktätigen und ration im Hinblick auf die Entwicklung Angelpunkt des Problems“ zu halten. In nicht wie im Kapitalismus die Vereinze- der Produktivkräfte nicht optimal zu ge- diesem Sinne polemisiert er auch gegen lung und die Konkurrenz der sogenannten stalten. Der nach der sogenannten Wende das Staatseigentum, da seiner Auffassung Arbeitnehmer. politisch befehdete demokratische Zentra- lismus darf nicht als Vollzugsdemokratie, sondern muß als Entscheidungsdemokra- Antiimperialistische Friedensposition vom Wähler honoriert tie unter aktiver Mitwirkung der Betriebs- kollektive verstanden werden. Erst dann kann er als Grund-, Entwicklungs- und Organisationsprinzip der Gesellschaft Glückwunsch, Diether Dehm! auch im Bereich der Wirtschaft seine Op- Der durch die Zeitung „junge Welt“ als PDS- te-Bluhm (CDU) auch diesmal bei reduzier- timierungsfunktion erfüllen. Linker apostrophierte stellvertretende tem Stimmenanteil einen deutlichen Sieg Für die zu schaffenden neuen Eigentums- Bundesvorsitzende Diether Dehm hat En- errang, kam Dehm auf den zweiten Rang. verhältnisse werden einige grundlegende de März bei der Oberbürgermeisterwahl Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei Fragen aufgeworfen, die die sozialistische im badischen Lörrach ein eindrucksvol- 34,1 %, was auch auf den Verzicht der SPD Gesellschaftsordnung tangieren. So muß les Ergebnis erzielen können. Er schnitt mit zurückzuführen sein könnte. das vergesellschaftete Eigentum Basis besser ab als je zuvor ein PDS-Bewerber Doch das mindert nicht die politische und Prüfstein für die Gewährleistung im Westen. Dehm gelang es, einen nicht Leistung des PDS-Bewerbers, der sein der persönlichen und gesellschaftlichen, unerheblichen Teil der 35 000 wahlberech- Abschneiden mit dem Satz kommentierte: der politischen und sozialen Freiheit der tigten Lörracher für die Unterstützung sei- „Es war die Mischung aus antiimperiali- Werktätigen sowie für die bewußte Identi- ner Liste zu gewinnen. Auf sie entfielen stischen Antikriegspositionen und pro- fikation der Arbeitenden mit dem Eigentum 17,73 % des abgegebenen Votums. Bei vor- mittelständischem Programm, die meinen sein. Es handelt sich dabei um eine Frage, angegangenen Kommunalwahlen hatte die Erfolg bewirkt hat.“ Seine Vision, aus der die in der DDR z. T. unterschätzt und als PDS kaum mehr als 1 % erzielt, so daß sie südbadischen Kleinstadt im Dreilände- automatisch gegeben idealisiert wurde. So im Stadtparlament nicht vertreten ist. reck ein Zentrum der europäischen Frie- fiel es den neuen Machthabern leicht, das Der 52jährige Kandidat – er kommt densbewegung und ein „deutsches Porto Denken der Menschen zu korrumpieren ursprünglich aus der SPD und ist im Alegre“ zu machen, sei bei den Lörrachern und sie im Interesse des Kapitals zu ent- Selbständigen-Milieu verwurzelt – hatte offensichtlich auf Sympathie gestoßen. eignen. Prof. Dr. Werner Roß sich mit seiner Bündniskonzeption auf Der Erfolg des PDS-Politikers wiegt in- die soziale Struktur der Lörracher Be- nerparteilich um so schwerer, als er nach Unsere Leser und Vereinsmitglieder völkerung, bei der das kleinbürgerliche dem Geraer Parteitag zur Zielscheibe Element überwiegt, eingestellt. Vor allem übler Verleumdungen seitens des rechten Horst Schröter (75) aber konzentrierte er seinen Wahlkampf PDS-Flügels um Bartsch geworden war. aus Iserlohn und darauf, jene Kräfte beherzt anzugreifen, Die „Reformer“ hatten mit allen Mitteln Klaus-Dieter Trantow (65) die sich mit der direkten und indirekten versucht, ihn aus der Führung der Partei aus Hildesheim Unterstützung der Aggression gegen Irak hinauszudrängen. Aus der Lörrach-Wahl begehen am 4. und 16. Juni 2003 ihre Ge- in den Augen vieler Wähler kompromit- ist er jetzt gestärkt hervorgegangen. burtstage. Wir senden beiden Genossen aus diesem Anlaß herzliche Grüße und solidari- tiert hatten. Während die klare Favoritin Glückwunsch zum Ergebnis, Diether sche Wünsche. und bisherige Rathauschefin Gudrun Heu- Dehm! R. F. Seite 10 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 11

Typen und Formen der bürgerlichen Konterrevolution Die Lüge von der „Wende“

Zur Charakterisierung der Ereignisse von durchaus auch mit parlamentarischen des Sozialismus aufgerufen, da das viele 1989/90 wird selbst von linkssozialisti- Mitteln durchgesetzt werden (Machtüber- Werktätige und vor allem die Mehrheit der schen Kräften verschämt der verschlei- tragungen an Hitler, Mussolini, Petain, Bauernschaft unnötig irritiert hätte. ernde Begriff „Wende“ und nicht die histo- Bildung des Ministeriums für Heimat- Zu den Voraussetzungen der Konterre- risch konkrete und korrekte Bezeichnung schutz in den USA usw.). volution in einem sozialistischen Staat „Konterrevolution“ benutzt. Dieses Wort Konterrevolutionen in sozialistischen gehören neben der revisionistischen Zer- ist keine Erfindung der Kommunisten, Ländern besitzen eine völlig andere Spe- setzung zumindest der Parteiführung vor sondern der Verteidiger der Großen Fran- zifik. Finden sie innerhalb des Prozesses allem auch gravierende Fehler und Defizite zösischen Revolution – also des revolutio- der revolutionären Machteroberung statt, beim Aufbau der neuen Gesellschaft. Ohne nären Bürgertums. Allerdings hat seine dann erfolgen sie stets in militärisch- sie kann man die Massen nicht für einen Anwendung in der heutigen Situation doch terroristischer Form (Frankreich 1871, „besseren“ Sozialismus manipulieren und etwas mit sozialistischer Weltanschauung Deutschland 1918/19, Finnland 1918, mobilisieren. Ohne das zerstörerische und zu tun. Wenn Gregor Gysi behauptet, daß Bayern und Ungarn 1919, Sowjetrußland lähmende Wirken von Revisionisten würde es in der DDR keine Konterrevolution ge- 1918–1920, Polen 1944–1948, Kuba 1961). es wohl kaum zur ersten bzw. kleinbürger- geben habe, weil hier vorher keine sozia- Das ergibt sich daraus, daß die Bourgeoisie lichen Etappe der Konterrevolution, d. h. listische Revolution stattgefunden hätte noch über genügend bewaffnete Anhänger zum Sturz der Diktatur des Proletariats, („Das war’s. Noch lange nicht!“, S. 178), aus der alten Ordnung verfügt. Gelingt es zur Außerkraftsetzung der führenden Rol- dann beweist das bestenfalls, daß jahre- den sozialistischen Kräften innerhalb le der Partei, zur Zulassung bürgerlicher lang dem falschen Mann Beifall gezollt kürzester Zeit nicht, diese Konterrevoluti- Medien und Parteien kommen. Von Beseiti- wurde. Unabhängig davon aber zeigt die on niederzuwerfen, so unterliegen sie, oder gung des Sozialismus ist solange nicht die Diskussion unter früheren DDR-Bürgern, es entwickelt sich ein Bürgerkrieg, dessen Rede, wie die Massen nicht mehrheitlich die immer treu zu ihrem Staat standen, Ausgang über Sieg oder Niederlage beider den konterrevolutionären Kurs objektiv daß es selbst vielen von ihnen schwerfällt, Seiten entscheidet. Auch imperialistische mittragen und die bisher bestehende Ord- den erfolgten politischen Wechsel richtig Aggressionen wie die Kriege gegen die nung sowie deren Verfechter gründlich einzuordnen. Die Besonderheit der Kon- KVDR und die DRV verfolgten konterrevo- diskreditiert worden sind. Jedes Mittel terrevolution 1989/90 in der DDR besteht lutionäre Ziele. der Lüge, Verleumdung und Ausschlach- – im Vergleich mit den anderen antisozia- Nach der Festigung der Diktatur des tung von „Übergriffen“, „Korruption“ usw. listischen Umstürzen in Osteuropa – darin, Proletariats und angesichts der Existenz wird dabei genutzt. In dieser Phase haben daß unser Land dem höchstentwickelten starker Schutz- und Sicherheitsorgane, auch die Revisionisten ausgespielt. Ihre bourgeoisen Staat Europas angeschlossen eines breiten gesellschaftlichen Rück- pseudosozialistischen Vorstellungen fin- wurde. Eine unabhängige DDR – auch eine halts und ausländischer Bündnispartner den bei den meisten keinen Anklang mehr, bürgerliche – hätte ohne entsprechendes blieb die Konterrevolution ohne sofortige da alles, was überhaupt mit dem Sozialis- Hinterland, wie wir inzwischen wissen, Siegeschancen (Polen/Poznan und Ungarn mus zusammenhängt, nun der Ablehnung wirtschaftlich nicht überleben können. 1956). Nun mußten andere Kräfte und verfällt. („Freiheit statt Sozialismus!“ Dennoch: Konterrevolution bedeutet im- Formen gefunden werden, denn reaktio- heißt jetzt die Parole.) Die inzwischen mer einen gesellschaftspolitischen und näre Gewalt führte fast immer zu einer etablierten bürgerlichen Parteien rechnen somit sozialen Rückschritt, selbst dann, Stärkung des Abwehrpotentials der Ver- nun mit den „Verbesserern“ des Sozialis- wenn sich die individuellen Konsumtions- teidiger des Sozialismus. Die ungarische mus gnadenlos ab. „Freie Wahlen“ leiten möglichkeiten vieler Bürger wesentlich Konterrevolution 1956 bildete hierfür eine die zweite bzw. großbürgerliche Etappe verbessern. wichtige Zäsur. In ihr wurden Faktoren ein. Die Machtfrage ist inzwischen zugun- Die meisten Menschen verbinden mit sichtbar, die für die Zukunft mehr Erfolg sten der Bourgeoisie entschieden. Der Ka- dem Begriff Konterrevolution blutigen verhießen: eine kleinbürgerlich geprägte pitalismus wird jetzt ganz legal und in der Terror gegen Linke und andere Methoden Intelligenz, Revisionisten in der Partei, Regel ohne Blutvergießen restauriert. äußerster Gewaltanwendung. Hier wird die Deklassierung großer Teile der Ar- Zur osteuropäischen Konterrevolution von also eine Form der Konterrevolution ver- beiterschaft. Angehörige der Intelligenz 1989/90 gehörten aber auch begünstigen- absolutiert und zugleich deren politischer beeinflußten Parteimitglieder, bis sie für de äußere Faktoren. Wohlstand im Westen, Inhalt nicht erkannt. Die bürgerlichen den Revisionismus reif waren und sorg- bürgerliche Demokratie und proklamier- Konterrevolutionen vollziehen sich auf ten auch bei der Arbeiterklasse für ein ter Verzicht auf Grenzrevisionen konnten verschiedene Weise, um einen wesent- Wachhalten kleinbürgerlicher Wertvor- Millionen Menschen durch die Medien des lichen Inhalt durchzusetzen und treten stellungen. Hat sich der Revisionismus Kapitals glaubhaft vermittelt werden. Ein nicht nur in sozialistischen oder volks- in der Partei erst einmal Positionen ge- Imperialismus heutiger Prägung oder ein demokratischen, sondern selbst in kapi- schaffen, dann ist die Vorhut nicht mehr Adenauer-Revanchismus hätten nicht die talistischen Staaten auf. Jede Errichtung kampffähig, die Staatsmacht paralysiert politische Ausstrahlung der Kohl-BRD ge- einer autoritären, faschistoiden oder offen und außerstande, den Sozialismus zu ver- habt. Von entscheidender Bedeutung aber faschistischen Diktatur ist dem Inhalt teidigen. Ja, sogar die Schutz- und Sicher- war das Verhalten der Sowjetunion. Gor- nach konterrevolutionär gegenüber der heitsorgane verlieren ihr Gewicht. Des- batschow, Jakowlew und Schewardnadse, bürgerlich-demokratischen Herrschafts- halb setzte man in Ungarn und der CSSR die mehrfach klargemacht hatten, daß die form des Kapitalismus. Ihre Ziele sind die zunächst vorrangig auf die Intelligenz und von ihnen geführte UdSSR nicht wie 1953 Beseitigung demokratischer Grundrechte, den Revisionismus. Beim Prager Frühling und 1968 zugunsten von Bruderstaaten staatsbürgerlicher Freiheiten und anderer zeigte sich indes, daß das nicht ausreichte, militärisch eingreifen würde, waren die schwer erkämpfter Errungenschaften des um den Sozialismus zu stürzen. Erhebliche Schutzpatrone aller osteuropäischen Kon- Volkes. Die Intrigen der Royalisten gegen Teile der Arbeiterklasse und der Genos- terrevolutionäre. Bernhard Majorow die Französische Republik, der Kornilow- senschaftsbauern hielten an ihm fest, Putsch in Rußland, Francos Erhebung so daß es möglich war, die sozialistische Zwei Aktivisten des „RotFuchs“-Kollektivs, gegen die Spanische Republik, der Sturz Ordnung unter Führung standhaft geblie- Genosse Bernd Koletzki (65) Allendes in Chile, das Abwürgen der Re- bener Kommunisten wiederherzustellen. aus Hangelsberg und volution in Portugal, der Putschversuch Bei den Ereignissen in Polen (1970, 1976 Genosse Harald Puff (60) in Spanien nach dem Machtwechsel, die und 1980/81) zeigten vor allem Massen aus Dessau Aktivitäten gegen den venezolanischen von Arbeitern, daß sie sich relativ leicht klettern am 3. Juni 2003 und am 17. Juni 2003 die Jahresleiter empor. Genosse Koletzki Präsidenten Chavez und die rechtsextre- gegen die Partei instrumentalisieren lie- hat sich durch stetige Einsatzbereitschaft in mistische Politik von Berlusconi in Italien ßen. Damit stand das Potential für einen unserem Vertrieb ausgezeichnet. Genosse trugen und tragen objektiv konterrevolu- Sieg der Konterrevolution bereit, der ohne Puff ist durch ideenreiche Teilnahme an der tionären Charakter. Dabei können Konter- Massenbasis nicht möglich ist. Dennoch Regionalarbeit hervorgetreten. revolutionen in kapitalistischen Staaten wurde zunächst nicht offen zum Sturz Wir gratulieren beiden Jubilaren! Seite 12 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 13

Dem deutschen Textschöpfer des Weltjugendliedes zum 100. Geburtstag Erinnern an Walter Dehmel

Wie Rudolf Leonhard, Hans Lorbeer, blemen der zeitgenössischen Lyrik“ aus- Walter Dehmel starb nach zehnjähriger Wilhelm Tkaczyk, Erich Weinert und einander. schwerer Krankheit am 20. Juni 1960 in Max Zimmering zählte Walter Dehmel zu Über sein Anliegen als Dichter schrieb Berlin. Seine Freunde und Zeitgenossen den engagierten ostdeutschen Lyrikern Walter Dehmel: „Was ich empfinde und schätzten seine Bescheidenheit, seinen der Nachkriegszeit. Er wurde am 9. Mai leide, / einsam ringend für mich, / was ich Mut und seine Zähigkeit, da er trotz des 1903 in Berlin geboren. Nach dem Besuch in Worte kleide, / Bruder, ich sing’ es für Leidens den Lebenswillen nie verlor. Seine der Volksschule Chirurgiemechaniker Dich!“ Bereits 1947 erschien sein Gedicht- großen Themen waren stets auch Antwor- geworden, war er arbeitslos, dann Noten- band „Aus der Wirrnis dieser Zeit“, den ten auf Fragen einer irregeführten Jugend schreiber, anschließend Kontrolleur und Jan Koplowitz als „Ausdruck eines star- und die Ermunterung für ein besseres letztlich Büroangestellter beim Berliner ken Herzens, das warm schlägt“ bezeich- Handeln. Der Dichter vertrat die Auffas- Magistrat. Dehmel fand früh den Weg zur nete. Walter Dehmel war der Verfasser der sung: „Ich schreibe, weil so vieles gesagt Arbeiterjugendbewegung. Er äußerte über Texte vieler Jugendlieder, die in seiner werden muß. Vielleicht gelingt es mir nicht die Universitäten seines Lebens: „Mein po- Zeit große Resonanz fanden, darunter so, wie es mir vorschwebt. Andere werden litischer Anschauungsunterricht, das war „Diese Zeit ist eine Wende“, „Aus der Enge kommen, die es besser können. Neidlos das Nachkriegselend, die Inflation.“ Von dieser Tage“, „Wir sind die Jungen, die werde ich dann zur Seite treten.“ Dehmel 1928 bis 1933 erschienen seine politischen Unruhevollen“. Er schuf auch die deutsche wandte sich gegen politische Gleichgül- Zeitgedichte und Kurzerzählungen, in de- Nachdichtung des Weltjugendliedes, wor- tigkeit und stellte die Frage: „Ist denn nen er gegen die bestehenden Verhältnisse auf man ihn zum Ehrenmitglied der FDJ schon alles vergessen? / Wie sie sich feige protestierte. Dazu nutzte er die Presse der berief. Eine Jugendherberge erhielt seinen und ehrlos verkrochen, / als dann alles Linken. Der junge Arbeiterdichter warnte Namen. Aus Dehmels Feder stammen weit zusammengebrochen? / Sie, die sich jetzt früh vor den Nazis, was zur Folge hatte, über 100 Gedichte, die in Tageszeitungen schon wieder erfrechen, / offen mit lauter daß er 1933 fristlos entlassen wurde und erschienen. Einige von ihnen fanden da- Stimme zu sprechen / von ihrer Unschuld, untertauchen mußte. mals Eingang in die Schullesebücher. dreist und vermessen – / ist denn schon Nach 1945 forderte er als Dichter leiden- Der Dichter ergriff u. a. Partei für Ethel wirklich alles vergessen?“ Thematisch schaftlich und eindringlich, mit dem und Julius Rosenberg und für Nicos ähnlich mahnende Gedichte sind: „Pres- Faschismus abzurechnen und ein neues Belojannis, die von ihren Häschern um- seempfang im Justizpalast“ (1946), „Be- demokratisches Leben in Angriff zu gebracht wurden. Seine Verse waren schwerdebrief des pp. Hugenberg“ (1946) nehmen. Er baute die Volkshochschule schlicht, volkstümlich und mieden lee- und „Nürnberg“ (1947). in Berlin-Treptow mit auf. In jener Zeit res Pathos. Dehmels Vorbild war Erich wurde Dehmel mit der Leitung der Sektion Weinert, dessen frühen Tod er in einem Der Berliner Dichter Walter Dehmel hin- Lyrik im Deutschen Schriftstellerverband Gedicht betrauerte. Er übersetzte auch terließ ein vom Umfang her schmales Berlin betraut. 1953 setzte er sich in der Romane von Hans Scherfig und Hilmar literarisches Gesamtwerk und ist heute Zeitschrift „Der Schriftsteller“ mit „Pro- Wulff aus dem Dänischen. nahezu vergessen. Dieter Fechner Aus der Geschichte der ersten FDJ-Generation Eine Reise mit Hindernissen Im Sommer 1948 stürzten sich 36 FDJler und aus dem im Gepäcknetz verstauten men.“ Aber sie halfen. Wir erhielten Weiß- aus dem thüringischen Geraberg in ein Rucksack eines Freundes tropfte eine und Rotkohl, Magermilch und Hafermehl, waghalsiges Abenteuer: Sie unternah- wohlriechende blaue Flüssigkeit. Leider auch etwas Käse und nur ganz wenig Fett. men eine damals nicht gerade risikolose dem genau darunter sitzenden Herrn Alle freuten sich riesig. Ach, wie beschei- Ferienreise an die Ostsee. Ihr Ziel war die auf dessen hellen Sommermantel. Der den und wie glücklich waren wir doch Insel Rügen. Ein solcher „Ausflug“ war an- Rucksack gehörte Artur Schmidt, einem damals! In einer Fleischerei konnten wir gesichts der Verkehrs- und Versorgungsla- Koffermacher, der später viele Jahre in zu bestimmten Zeiten den Kochkessel be- ge keine einfache Sache. Noch bestand ja den DDR-Schutzorganen diente. Artur nutzen und unsere Mahlzeit selbst zube- das Kartensystem – und die Lebensmittel, nahm kurzentschlossen ein Stück Papier, reiten. Es waren zwar keine Delikatessen, die wir zugeteilt bekamen, reichten kaum, machte sich an den Mantel und sagte im die dort entstanden, aber gefuttert wurde um unsere hungrigen Mäuler zu stopfen. schönsten Geraberger Dialekt: „Das ist ja trotzdem tüchtig. Das im Krieg heruntergewirtschaftete, nicht so schlimm, es ist doch nur der Saft Wenige Tage vor unserer Heimreise hatten zerbombte, defekte und zum Teil zu von meinen schwarzen Beeren.“ Die ande- wir ein zweites besonderes Vorkommnis, Reparationszwecken demontierte Schie- ren lachten über diese Reaktion, doch für das beinahe tragisch geendet hätte. Trotz nennetz der Eisenbahn „versprach“ eine mich, den Leiter der Gruppe, gab es eine meines Verbots badeten einige Teilnehmer lange und unbequeme Fahrt mit manchen nicht gerade angenehme Auseinanderset- spät abends unterhalb von Stubbenkam- Unwägbarkeiten. Doch wir kannten keine zung mit dem „Opfer“ unserer Konserve. mer in der Ostsee. Erich Kern – er studierte unüberwindlichen Schwierigkeiten. Nach langer Tour wurden wir in der Ju- später und ging dann in den diplomati- Mit guten Wünschen zum Gelingen und gendherberge Bergen herzlich empfangen. schen Dienst – bekam einen Wadenkrampf. Händewinken begann die Reise. Es war ein Müdigkeit und Strapazen waren bald ver- Er rief um Hilfe, und wir konnten ihn ge- herrlicher Augusttag. Wir waren ausgerü- gessen. Als der Leiter des Hauses unser rade noch rechtzeitig an Land bringen. Die stet mit viel Optimismus, besaßen aber „mageres“ Gepäck betrachtete, ließ er die anschließende Standpauke über den Diszi- wenig Kleidung und noch weniger Lebens- Bemerkung fallen, daß 14 Tage Wandern plinbruch verfehlte ihre Wirkung nicht. mittel und Geld. In den Rucksäcken trugen auf Rügen bei dieser knappen Verpflegung Unsere Heimfahrt verlief ohne Zwischen- wir ein paar Kartoffeln, etwas Wurst und wohl einiges von uns abverlangen würden. fälle. Das Versprechen, das ich den Eltern Fett und einige Gläser Heidelbeeren aus Schon nach einigen Tagen trat dann das gegeben hatte, löste ich ein: Wohlbehalten Mutters „eiserner Reserve“. ein, was vorauszusehen gewesen war: brachte ich alle Jungen und Mädchen nach In langsamer Fahrt nahm der Zug die Der Proviant ging zu Ende, und wir hat- Geraberg zurück. Mit Musik hatte man uns vielen Windungen der Eisenbahnstrecke ten nichts mehr zu beißen. Da war guter verabschiedet, mit Musik wurden wir von Ilmenau–Arnstadt. Wir waren froher Rat teuer. Ich ging zum Kreissekretär der der Dorfkapelle auch wieder empfangen. Stimmung, und Gesang erfüllte das Abteil. SED und zum Landrat und bat beide um Mein kleiner Bericht schildert keine Doch auch das erste „besondere Vorkomm- Unterstützung. Die Genossen rückten mir spektakulären Ereignisse. Aber er soll ein nis“ ließ nicht lange auf sich warten. Als den Kopf zurecht: „Das hast Du Dir nicht Mosaiksteinchen aus der Geschichte der der Lokführer plötzlich scharf bremste, gründlich genug überlegt, eine so lange heute legendären „ersten FDJ-Generation“ gab es im Coupé einen mächtigen Schlag, Fahrt in einer solchen Zeit zu unterneh- sein. Helmut Lindenlaub, Sömmerda Seite 12 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 13

Lin Jaldati, in deren Armen starb Verliebt in die DDR

Eine Liebeserklärung zu schreiben ist Ich wußte zwar mit dem Verstand, daß auch in ungeheizten Räumen aufzutreten. schwierig. Kann ich in meinem Alter ei- viele Deutsche die ersten Opfer der Na- Aber wie reich waren wir, als wir merkten, gentlich noch verliebt sein? Ja, in meinen zis geworden waren. Aber Verstand hie, daß wir mit unserer Kunst die Herzen der Mann. Aber darüber kann man doch nicht Gefühl da – die Gefühle waren noch zu Menschen öffneten. Ich breitete mein Re- so öffentlich in einer Zeitschrift schrei- übermächtig. pertoire aus, sang viele Lieder von Bertolt ben! Und doch, ich muß es tun, denn ER Dann fuhren wir 1947 nach einer Tournee Brecht, , Paul Dessau, Louis ist der Schuldige. Durch IHN liebe ich die durch die Tschechoslowakei in die dama- Fürnberg und Lieder anderer Völker. Der DDR. lige sowjetische Besatzungszone. In Berlin Anfang war schwer, sehr schwer, und oft Ich selbst bin in Amsterdam geboren – eine gaben wir im Kulturbund einen jüdischen glaubte ich schon zu verzweifeln. Aber herrliche Stadt. Wer einmal dort gewesen Abend. Zum ersten Mal nach den „1000 wir spürten, wie die Menschen auftauten, ist, liebt sie. Mein Mann kam 1936 als Jahren“ erklangen öffentlich in Deutsch- wieder neuen Mut bekamen, mithalfen, ein deutscher Emigrant nach Holland. ER land jiddische Lieder. Mitten zwischen besseres Deutschland aufzubauen. haßte die Nazis! Ich lernte IHN lieben, und Trümmern. Wir sahen, wie eine neue, junge Generation wie das so geht, wir haben einander erzo- Als wir wieder in Amsterdam waren, heranwuchs, die mit großer Begeisterung gen und lebten seit 1938 zusammen. 1941 hatten wir viele Gespräche miteinander lernte und arbeitete. Ich unternahm viele wurde unsere erste Tochter geboren. und mit Freunden. Wir wollten in keinem Konzertreisen in Europa und in Asien und Das erzählt sich alles so leicht hin, aber Fall nach Westdeutschland. Wenn schon, habe wohl in allen größeren und kleineren so leicht war das beileibe nicht. Heiraten dann nur nach dem Osten. Die Menschen, Städten der DDR gesungen, im Rundfunk, durften wir nicht wegen der Nürnberger die dort den Wiederaufbau leiteten, hat- im Fernsehen, für die Schallplatte. Ich Gesetze des Herrn Globke. Deutschland ten dasselbe erlebt wie wir; entweder bekam viele, viele Briefe, besonders von war für Holland 1938 noch „befreundetes sie waren in der Emigration, oder sie jungen Menschen, die mich nach meiner Ausland“. ER war Reichsdeutscher und hatten einen Teil ihres Lebens in Hitlers Vergangenheit ausfragten. sogenannter „reiner Arier“, ich dagegen Konzentrationslagern verbracht. In dieser immer größer werdenden Familie bin Jüdin. Am 10. Mai 1940 überfielen die Am 17. Februar 1952 sind wir „abge- sind unsere beiden Kinder aufgewachsen, Nazis Holland. Damit wurde mit einem dampft“. Anfangs war alles sehr schwer. und ich bin glücklich darüber. Sie haben Schlage unsere berufliche Entwicklung, Nahrungsmittel waren noch rationiert. Es sich menschlich frei entfalten können. Sie die gerade so hoffnungsvoll begonnen hat- dauerte lange, bis wir in Eichwalde, einem waren nie den Gefahren ausgesetzt, die te, jäh unterbrochen. Die Kritik schrieb da- südöstlichen Vorort von Berlin, eine Woh- mit Rauschgift, Kriminalität und Perver- mals, der Pianist und die Sängerin haben nung bekamen. sion verbunden sind und die in den letzten „große Zukunftschancen“. Ich lernte viele gute Menschen kennen, die Jahren auch in Holland in erschreckendem Was sollten wir tun? Für uns gab es nur genauso wie wir Trümmer auf den Straßen Maße um sich gegriffen haben. So wurde eines: mithelfen, den Faschismus zu be- und in den Köpfen wegräumten. Wir muß- die DDR ein Stück von mir selber. Vielleicht kämpfen. Wir schlossen uns der illegalen ten viel Begeisterung mitbringen, um oft gerade, weil es anfangs nicht leicht war, Widerstandsbewegung an, arbeiteten für die Menschen liebzugewinnen. Gerade die Organisation „Der freie Künstler“. Wir Am 4. Juni 2003 wird die Mitbegründerin weil ich so darum ringen mußte, ist sie sorgten für andere Menschen, die unter- des „RotFuchs“-Fördervereins und Au- mir ans Herz gewachsen. tauchen mußten, halfen jüdischen Kin- torin unserer Zeitschrift dern, gaben illegale Hauskonzerte. (Aus: Visite, Nr. 3, 1969, herausgegeben Im Juli 1944 wurden wir verhaftet. ER Dr. Annemarie Mühlefeldt vom Nationalrat der Nationalen Front wurde zum Tode verurteilt, konnte aber des demokratischen Deutschland) aus Berlin 75 Jahre alt. mit Hilfe meiner Schwester aus dem Ge- fängniswagen springen und entkommen. Annemarie ist als qualifizierte Ökonomin Unsere Tochter wurde von Freunden der im Universitäts- und Hochschuldienst Biographisches Widerstandsbewegung befreit, denn die – u. a. an der Parteihochschule der SED, Nazis wollten sie als Geisel für ihren ent- an der Humboldt-Universität und an Die große alte Dame des jiddischen Lie- wichenen Vater behalten. Meine Schwester der Hochschule der Deutschen Volks- des“ (Neue Zürcher Zeitung, 1984), wird und ich kamen nach Auschwitz und Ber- polizei – tätig gewesen. Als engagierte am 13. Dezember 1912 im Amsterdamer gen-Belsen. Dort waren wir bis zuletzt mit Kommunistin, die jahrzehntelang zum Judenviertel geboren. Seit 1926 arbeitet Anne und Margot Frank zusammen. Bei Gedeihen wissenschaftlicher Arbeit sie in einem Nähatelier und nimmt Tanz- der Befreiung war ich bewußtlos, schwer in der DDR beitrug, hat sie durch ihre unterricht, wirkt 1930 im Niederländi- typhuskrank und wog 28 Kilo. Fazit: Mei- Lebens- und Kampferfahrungen sowie schen Ballett und 1934 in großen Revuen ne ganze Familie wurde ermordet, so wie durch ihre fachlichen und menschlichen mit. Seit 1938 gibt sie mit dem aus Berlin einhunderttausend andere holländische Qualitäten großen Anteil an der Ent- emigrierten Pianisten Eberhard Rebling Juden. Nur meine Schwester und ich sind wicklung unse- eigene Abende mit jiddischen Liedern und zurückgekommen. res Vereins Solotänzen auf jüdische Themen. Ich kehrte am 27. Mai 1945 heim, gerade g e n o m m e n . als ER an einem Hauskonzert mitwirkte. Dafür gebührt 1942 geht sie mit Eberhard Rebling und So haben wir uns unter den Klängen der ihr unser be- ihrer Tochter Katinka in den Untergrund. Hochzeitskantate von Bach wiedergefun- sonderer Dank. Verhaftung, Verhöre, Gefängnis folgen. den. Ein Jahr später arbeitete ich wieder, Wir wünschen Ende 1945 erster Wiederauftritt in Am- sang im holländischen Rundfunk und ihr maximale sterdam, seit 1946 Reisen in die skan- unternahm Konzertreisen nach Skandina- Gesundheit dinavischen Länder, die Schweiz, nach vien und in andere europäische Länder. ER und viele Ide- Warschau, Prag und Berlin. 1951 wird schrieb Bücher, und ich half ihm dabei. en, uns aber Tochter Jalda geboren. Ein Jahr danach Aber ich sagte mir: ER ist Berliner. ER weiterhin kluge übersiedelt die Familie in die DDR. Mit wollte nach Deutschland zurück, denn Beiträge aus zwei denkwürdigen Konzerten in Berlin ihrer Feder. ER wußte, daß man uns dort dringend nimmt Lin Jaldati nach ihrem 75. Geburts- brauchte. Ich wußte das noch nicht. Ich tag Abschied von der Bühne. Sie stirbt am wollte nicht, denn ich haßte die Nazis. 31. August 1988. Seite 14 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 15

Hans Bentzien seziert den ersten Versuch, die DDR zu vernichten Anatomie eines „Volksaufstandes“

Der Berliner PDS-Kultursenator Thomas quenten Gegen-Macht, die ökonomische wollte, kritisierte das Präsidium mehr- Flierl hat eine ganze Terminliste zur fei- Stärkung der DDR, auch die Schaffung heitlich die versuchte Beschleunigung erlichen Würdigung dessen zusammen- bewaffneter Organe, um die Grenzen des dieses Aufbaus, die unbesonnene Bildung gestellt, was er, der später Geborene, als sozialistischen Lagers nicht von der Elbe von LPGs, die Zurückdrängung des Mit- „Volksaufstand“ betrachtet. „Wir werden an die Oder zurückverlegen zu lassen. Die telstandes, die harte Strafgesetzgebung, wieder die tausendmal gedruckten Bilder DDR ging – mit interner Zustimmung der die administrativen Maßnahmen gegen sehen, wie sich der spontane Volkszorn sowjetischen Führung – zum Aufbau der kirchliche Einflüsse. Berija wäre, wie die Bahn bricht und einige Jugendliche von Grundlagen des Sozialismus über. Daß Vernehmungen vor seiner späteren Ab- Westberlin aus mit Steinen auf sowjeti- dies in unverantwortlichem Tempo ge- urteilung bewiesen, bereit gewesen, die sche T 34 werfen“, schreibt Hans Bentzien schehen sollte – forcierte Entwicklung DDR schon damals – allerdings für einen in seinem Büchlein „Was geschah am 17. einer eigenen Schwerindustrie, versuchte entsprechenden Preis und nicht, wie Gor- Juni? Vorgeschichte – Verlauf – Hinter- Verschiebung des Verhältnisses von Ak- batschow 37 Jahre später, für nichts und gründe“, das kürzlich bei Edition Ost er- kumulation und Konsumtion zu Lasten der wieder nichts – aufzugeben. Wenn man schien. In Wahrheit handelt es sich um den Lebenshaltung der Bevölkerung, höhere Bentzien folgt, war diese Konzeption den Versuch der deutschen Monopolbourgeoi- Pflichtabgaben der Bauern usw. –, rächte Westmächten zumindest bekannt. Das sie, die Entwicklung im Osten des Landes, sich genauso bitter wie die falsche Ein- würde erklären, daß unsere Feinde bei der wo sie Macht und Eigentum verloren hatte, schätzung der Bewußtseinsentwicklung Entfaltung ihrer Aktivitäten im Juni 53 zurückzudrehen. Daß sie diesen Vorstoß der Werktätigen. ursprünglich mit sowjetischer Zurückhal- wagen konnte, hat vielfältige äußere wie Bentziens Buch enthält im Anhang u. a. tung rechneten. innere Ursachen. Denen geht Bentzien, den Beschluß des Präsidiums des ZK der Das Wirken der BRD-Seite, die Instruktio- bekannt als DDR-Kulturminister, Inten- KPdSU vom 27. Mai 1953 über Maßnah- nen des RIAS, die Wühltätigkeit des Ost- dant des DDR-Fernsehens und Historiker, men zur Gesundung der politischen Lage büros der SPD, die Hetzreden des Westber- nach. in der DDR, der einer Delegation der SED liner Gewerkschaftsführers Scharnowski, Die Stalinschen Vorschläge für den (Grotewohl, Oelßner, Ulbricht) übergeben die Aufrufe zum Generalstreik usw. sind Abschluß eines Friedensvertrages mit wurde. In diesem Beschluß, der maßgeb- bekannt. Bentziens Schilderung ist davon Deutschland und die Durchführung ge- lich zu den Korrekturen vom 9. und 16. Juni geprägt, daß er aus eigenem Erleben und samtdeutscher Wahlen hätten zu einer und zum „Neuen Kurs“ beitrug, wird die im Ergebnis intensiver Forschung nach- „Finnlandisierung“ oder Österreich-Lö- „ernste Unzufriedenheit“ unter Arbeitern, zeichnet, wie sich das alles in den jungen sung, zu einem einheitlichen, bürgerlich- Bauern und Angehörigen der Intelligenz volkseigenen Betrieben der DDR darstellte. demokratischen, neutralen deutschen sowie die „massenhafte Flucht von Ein- Er berichtet von Berlin, Jena, Silbitz und Staat geführt. Die strikte Ablehnung die- wohnern der DDR nach Westdeutschland“ – gestützt auf Fritz Selbmann – von Dres- ses Konzepts durch die Westmächte und festgestellt. den, Riesa, Görlitz und Eisenhüttenstadt. die Bonner Regierung, die Eingliederung Bentzien hebt hervor, daß es bei der For- Er zeigt detailliert, wie durch den Einsatz der BRD in die westlichen Militärbünd- mulierung der Schlußfolgerungen daraus von Westberliner Provokateuren aus der nisse, die Wiederherstellung der Macht in der Führung der KPdSU Meinungs- Unzufriedenheit mit Normveränderun- der deutschen Banken und Konzerne und verschiedenheiten gab. Während Berija gen und Preisen Losungen zum Sturz der ihres staatlichen Apparates einschließlich (auch nach Stalins Tod zu dieser Zeit noch Regierung, zu „freien“ Wahlen, zur Liqui- der Streitkräfte unter dem Kommando mächtiger sowjetischer Geheimdienst- dierung der HO, zur Freilassung von Ge- faschistischer Generalstäbler – all das chef) den Kurs der DDR zum Aufbau des fangenen, zum Wegfall der Zonengrenzen verlangte den Schritt zu einer konse- Sozialismus überhaupt verurteilt wissen gemacht wurden. Der RIAS unter seinem damaligen Chefredakteur Egon Bahr über- trug konkrete Anweisungen, und los ging die Randale. Bentzien listet auf, was in Berlin alles abgefackelt wurde: HO-Läden, VP-Dienststellen, Büros, Kraftfahrzeuge, Kioske, das Columbus-Haus und das Haus „Vaterland“ am Potsdamer Platz, Zollbarak- ken. Er zeigt aber auch, wie die Arbeiter in solchen Betrieben, die von ihren Parteior- ganisationen beherzt geführt wurden, den Provokateuren keine Chance ließen, und wie doch am 17. Juni um 13.00 Uhr vom so- wjetischen Militär der Ausnahmezustand ausgelöst werden mußte. Damit hatte man drüben nicht gerechnet. Auch nicht damit, daß die Berija-Leute, die in der SED gewis- se Partner besaßen, kaltgestellt wurden. Die Arbeiter-und-Bauern-Macht der DDR bestand die erste harte Feuerprobe, die Partei korrigierte begangene Fehler und gewann wieder an Vertrauen unter den Werktätigen. Einen Grund, den konterrevolutionären Putsch vor 50 Jahren zu feiern, gibt es nicht, wohl aber viele Gründe, aus dem Geschehen von damals zu lernen. Hans Grafik: Bentzien gibt dazu wichtige Denkanstöße. SHAHAR Ernst Heinz Seite 14 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 15

Berliner Alternatives Geschichtsforum zum 50. Jahrestag des 17. Juni 1953 Aus der Erklärung

Eine Gruppe namhafter Persönlichkeiten sie einfach ab. Die Bundesrepublik sollte außerhalb seiner Grenzen erblickten im – unter ihnen führende Politiker von Par- remilitarisiert und als wichtiger Partner Neuen Kurs ein Zeichen der Schwäche der teien, die in der DDR bestanden – hat sich in das sowjetfeindliche westliche Bündnis DDR und sahen eine Chance, die gespannte aus Anlaß des 50. Jahrestages des 17. Juni integriert werden. Dieser Kurs zementier- Situation für ihre Ziele zu nutzen. 1953 mit einer Erklärung an die Öffent- te die von westlicher Seite betriebene Am 15. Juni 1953 kam es auf der Groß- lichkeit gewandt, aus der wir im folgenden Spaltung Deutschlands. Er schuf die reale baustelle Stalinallee in Berlin – wo eine zitieren: Gefahr, daß der Kalte Krieg in einen heißen Musterwohnstraße im Werden war – zu er- Politiker, Historiker und Zeitzeugen stel- überging. sten offenen Protestaktionen. Nicht ganz len die Ereignisse in der DDR im Juni In dieser Situation entschloß sich die zufällig brach der Konflikt gerade hier aus, 1953 äußerst unterschiedlich dar und SED-Führung 1952 im Einklang mit waren doch unter den Bauarbeitern nicht interpretieren sie je nach ihrem politi- ihrem Gründungsmanifest von 1946, in wenige aus der Nazizeit Belastete. (...) Wäh- schen Standpunkt. Im Mittelpunkt des der DDR ausgehend von der antifaschi- rend noch kontrovers diskutiert wurde, ob Meinungsstreits steht die Frage: Welchen stisch-demokratischen Ordnung schritt- man streiken solle oder nicht, bildete sich Charakter hatten die Demonstrationen weise die Grundlagen des Sozialismus zu ein Demonstrationszug. Er hatte das an und anderen Aktionen im Ostteil Berlins schaffen. (...) Auf der 2. Parteikonferenz der Staatsgrenze zu Westberlin gelegene und in Städten der DDR, die den ostdeut- der SED wurde beschlossen, mit der so- „Haus der Ministerien“ zum Ziel. Im Verlauf schen Staat dreieinhalb Jahre nach seiner zialistischen Entwicklung in der DDR zu des Marsches erhielten die Bauarbeiter Gründung heftig erschütterten? Politiker beginnen. Damit wurden weitgehende einigen Zulauf. Am Haus der Ministerien und Historiker westlicher Prägung spre- gesellschaftliche Veränderungen ein- mischte sich unter die Demonstranten, chen von einem „Arbeiteraufstand“ oder geleitet, die beträchtliche Investitionen die einen Dialog forderten, eine größere gar „Volksaufstand“ gegen das „kommu- erforderten, darunter für den Aufbau Zahl aus Westberlin eingeströmter Per- nistische Regime“. Dagegen setzte die eigener Streitkräfte. Die DDR mußte sich sonen. Unter ihnen waren Provokateure, DDR-Führung sofort die These vom ab- zudem an den wachsenden gemeinsamen die direkt von antisozialistischen Orga- gewehrten „faschistischen Putsch“. Beide Verteidigungslasten der osteuropäischen nisationen mobilisiert worden waren. (...) Charakteristiken sind aus heutiger Sicht Staaten beteiligen. Sie hatte aber auch DDR-Fahnen wurden herabgerissen und unzutreffend. weiter Reparationen zu leisten und Be- verbrannt, Kioske angezündet, Läden und Eine objektive Betrachtung der 50 Jahre satzungskosten zu tragen. Der ärmere öffentliche Gebäude gestürmt, geplündert zurückliegenden Ereignisse erfordert an- deutsche Staat litt von Anbeginn stärker und gebrandschatzt. Es kam zu tätlichen zuerkennen: Erstens: Die Demonstranten als die Bundesrepublik an den durch die Angriffen auf Mitglieder der SED und der und Streikenden gingen anfänglich für Spaltung bedingten Disproportionen der FDJ. Schließlich wurden auch Volkspolizi- legitime Forderungen auf die Straße. Un- Volkswirtschaft: Ihm fehlten fast alle sten angegriffen und beschossen, obwohl gewollt fanden sie bei antisozialistischen wichtigen Rohstoffe. Die Schwerindustrie diese sich befehlsgemäß zurückhielten Kräften Unterstützung. Zweitens: Die war unterentwickelt. (...) Die staatlichen und ihre mitgeführten Waffen nicht westdeutschen und Westberliner Kräfte, Pläne sahen Leistungssteigerungen vor, einsetzten. Insbesondere der Rundfunk darunter Medien, mischten sich völker- die letztlich nicht realisierbar waren. im Amerikanischen Sektor (RIAS) fachte rechtswidrig in die damaligen inneren Auf Kosten der Leicht- und Lebensmit- durch seine betont aufreizende Berichter- Auseinandersetzungen in der DDR ein. Sie telindustrie und damit zu Lasten der stattung die Randale an. (...) leitete das konterrevolutionäre Bestreben, Befriedigung des Bevölkerungsbedarfs Am 17. Juni 1953 erfolgten nicht nur im den jungen sozialistischen Staat zu besei- wurden vorrangig die Grundstoff- und Ostteil Berlins, sondern auch in weiteren tigen. Schwerindustrie entwickelt. Ab Herbst Städten der DDR Arbeitsniederlegungen Drittens: Jene DDR-Bürger, die ihren 1952 erfolgten „wirtschaftspolitische und Demonstrationen. Verschiedentlich Staat und die neue, im Ergebnis des 2. Maßnahmen“: So wurden einige Preise für kam es auch außerhalb Berlins zu gewalt- Weltkrieges in der DDR geschaffene anti- lebensnotwendige Güter erhöht; größere tätigen Ausschreitungen: Dienststellen faschistisch-demokratische Ordnung er- Bevölkerungsgruppen erhielten keine Le- der Volkspolizei, Gerichte, Haftanstalten folgreich gegen den Versuch verteidigten, bensmittelkarten mehr und waren allein und andere öffentliche Gebäude wurden dort die Vorherrschaft kapitalistischer auf Läden mit HO-Preisen angewiesen; für gestürmt und verwüstet. Die Randalierer Eigentums- und Machtverhältnisse wie- Freischaffende, Handwerker, Gewerbe- mißhandelten Bürger, nur weil diese sich derherzustellen, handelten verfassungs- treibende und Großbauern wurden Steu- ihnen entgegenstellten, und ermordeten treu und legitim. ern erhöht, gleichzeitig traten bei der Kre- mehrere Personen. In Einzelfällen wurden Die im Berliner Alternativen Geschichts- ditvergabe an sie Restriktionen in Kraft. von der Justiz inhaftierte Kriminelle auf forum mitwirkenden Historiker und Zeit- Alle Bürger erlebten als Folge gravierende freien Fuß gesetzt. Erst als im Verlaufe des 17. Juni 1953 sowjetische Militärkomman- zeugen stellen fest: Versorgungslücken. (...) danten zunächst örtlich den Ausnahme- Die Entwicklung in der DDR bis zum Som- Als dann am 28. Mai 1953 auch noch admi- zustand ausriefen und sowjetische Panzer mer 1953 war untrennbar in die damalige nistrativ die Arbeitsnormen für Industrie auf die Straßen Berlins und der übrigen internationale Lage eingebettet, vom und Bauwesen um ca. 10 % angehoben betroffenen Städte rollten, endeten die Kalten Krieg, den Auseinandersetzungen wurden und die Arbeiter im Juni 1953 Unruhen schnell. Von den Sowjetbehörden zwischen kapitalistischem und sozialisti- entsprechende Lohneinbußen erlebten, wurde schließlich generell der Ausnahme- schem Lager mit geprägt. (...) schlug die zunehmende Kritik in den fol- zustand verhängt. Die Sowjetarmee setzte Die Sowjetunion und die Führung der genden Tagen in offenen Protest um. (...) zur Wiederherstellung der öffentlichen DDR erstrebten ein militärisch neutrales Am 11. Juni 1953 wurden unvermittelt Ordnung stellenweise Schußwaffen ein. Es Gesamtdeutschland außerhalb der be- die meisten vorher erfolgten Einschnitte gab einige Verletzte und auch Tote. (...) stehenden bzw. sich bildenden Militär- in das Lebensniveau der Bürger zurück- Insgesamt beteiligten sich an den Pro- blöcke. Entsprechende den Westmächten genommen. Über diese als „Neuer Kurs“ testaktionen im Juni 1953 in der DDR unterbreitete Vorschläge, vor allem für bezeichneten Änderungen waren viele mehrere hunderttausend Menschen. Der den Abschluß eines Friedensvertrages Menschen erleichtert. Die Arbeiter in In- von westlicher Seite propagierte General- mit Gesamtdeutschland, die insbesonde- dustrie und Bauwesen verbitterte jedoch, streik blieb jedoch aus und erst recht ein re die sogenannte Stalinnote vom März daß die verfügten Normerhöhungen zu- angeblicher „Volksaufstand“. Die meisten 1952 enthielt, blieben jedoch ungeprüft. nächst nicht zurückgenommen wurden. DDR-Bürger blieben an ihren Arbeitsplät- Adenauer und die Westmächte lehnten Antisozialistische Kräfte im Land und zen, in den Schulen und Hörsälen. (...) Seite 16 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 17

Politunterricht an der Sektorengrenze zu Westberlin An vorderster Front

In wenigen Wochen jährt sich zum 50. gegen 9.00 Uhr konnten wir vom vierten sicher. Sie tobten und brüllten, Steine und Mal der Tag, an dem die Feinde der DDR Stock aus beobachten, daß eine große Knüppel flogen, so daß wir uns fast stän- den ersten Versuch unternahmen, den Menschenmenge, meist jüngere Leute, dig zurückziehen und in Deckung begeben Arbeiter-und-Bauern-Staat mit einer kon- über die Wiener Brücke vom Westberliner mußten. Westberliner Polizisten hielten terrevolutionären Aktion zu beseitigen Bezirk Kreuzberg aus und auf der Bou- sich im Hintergrund auf, schritten nicht und auf dessen Territorium die kapitali- chéstraße aus Neukölln heranrückte und ein. Es bedarf wohl nicht der Erwähnung, stische Ordnung wiederherzustellen. Fast sich vor dem verschlossenen Kasernentor daß wir absolutes Schießverbot hatten. alle Medien der BRD werden mit großem zusammenrottete. Unser Lehrgangsleiter Die Wut und der Haß, die uns derart Aufwand in Wort und Bild ein weiteres erklärte uns, in der Stalinallee streikten massiv entgegenschlugen, machten uns Mal die DDR delegitimieren, diskredi- Bauarbeiter, und Provokateure suchten nachdrücklich bewußt, daß diese Leute tieren und kriminalisieren. Politiker der Unruhen in der Stadt zu schüren. Wir die DDR um jeden Preis beseitigen woll- rechtskonservativen Parteien schließen empfingen Waffen, noch ohne Munition, ten. Es war anschaulicher Politunterricht. sich da mit großen Reden und Erklärun- traten auf dem Appellplatz an und rückten Faschisten, Kapitalisten und Junker, mit gen an, sicher ebenso sozialdemokratische in Marschordnung auf das Kasernentor denen jeder von uns jungen Volkspolizi- Spitzenleute und wahrscheinlich auch in zu. „Nieder mit der DDR!“, „Weg mit Ul- sten vor nicht allzu langer Zeit selbst böse diesem Strom schwimmende Vertreter der bricht und Grotewohl!“, „Russenknechte!“, Erfahrungen gemacht hatte, die uns mit Partei des Demokratischen Sozialismus. „Zieht die Uniformen aus!“ – so und ähnlich ihrer Schreckensherrschaft und ihrem Man wird die Ereignisse vom 17. Juni 1953 schallte es uns entgegen. Dann flogen er- Krieg die schönsten Kinder- und Jugend- einen „Arbeiteraufstand“ nennen, und ein ste Steine über das Tor. Für uns Grenzer jahre, etlichen den Vater, den Bruder, die gewisser Eppelmann wird sie sogar zu ei- war das nichts Neues, Provokationen, Heimat genommen hatten, sollten wie nem „Volksaufstand“ hochstilisieren. Beschimpfungen, tätliche Angriffe aus im Westen wieder an die Macht gebracht Über jenen Tag, seine Vorgeschichte, die dem Westen gehörten zum Alltag unseres werden. Mir stand da ganz konkret Inge- Hintergründe, seine Akteure und ihre Dienstes. Der stellvertretende Schulleiter, nieur Benno Köhler vor Augen, Direktor Absichten, seinen Ablauf und die Folgen ein ehemaliger Spanienkämpfer, ver- der Carl-Bosch-Grube der Riebeck’schen ist seitdem ausführlich geschrieben und suchte die brüllende, geifernde Menge zu Montanwerke, der in diesem Betrieb, in gesprochen worden. Sicher wird man beruhigen. Er forderte die Krawallmacher dem ich tätig war, massenhaft sowjetische sich auch künftig mit ihm befassen und auf, auseinanderzugehen – ohne Erfolg. und serbische Kriegsgefangene hungern auseinandersetzen, ist er doch Teil der Dann ließ er das Tor öffnen. Wir nahmen und sie grausam mißhandeln ließ. 1945 Geschichte des Klassenkampfes zwischen unsere Karabiner zur Hand, marschierten war er zu seinesgleichen in die Westzone Kapitalismus und Sozialismus auf deut- los. Im Nu zog sich die Menge zurück und geflüchtet. Nein, solche Verbrecher sollten schem Boden. verschwand wieder nach Westberlin. nicht zurückkommen dürfen! Ich habe diesen 17. Juni unmittelbar Zur Mittagszeit wurde unsere Einheit in Am Nachmittag, inzwischen waren so- in Berlin erlebt. Damals nahm ich als das Gebäude des FDGB am Michaelkirch- wjetische Panzer in die Stadt eingerückt, 20jähriger Angehöriger der Deutschen platz in Berlin-Mitte verlegt. Der Auftrag wurden 25 Mann unserer Einheit gemein- Grenzpolizei der DDR an einem Weiterbil- lautete, die Sektorengrenze im Abschnitt sam mit Genossen der Schutz- und der dungslehrgang an der VP-Schule in Berlin- Prinzenstraße/Schillingbrücke zu sichern. Kriminalpolizei zum Streifendienst im Treptow teil. Die Kaserne befand sich an Hier war die Situation besonders brenzlig. Bereich Unter den Linden/Wilhelmstraße/ der Kiefholzstraße, nur wenige Meter von Offensichtliche Chaoten befanden sich auf Leipziger Straße eingesetzt, um noch vor- der Sektorengrenze entfernt. Am 17. Juni Westberliner Gebiet und fühlten sich dort handene Gruppen und Ansammlungen von Demonstranten aufzulösen. Das verlief ziemlich gewaltlos, denn diejenigen, die Geschäfte geplündert, Kioske angezündet, Autos umgeworfen oder auf andere Weise randaliert hatten, waren schon längst wieder nach Westberlin verschwunden oder hatten sich anderweitig verkrochen. Bis zum Wochenende versahen wir noch Grenzdienst am Teltowkanal in Johan- nisthal. Es gab keine Vorkommnisse. Die Konterrevolution hatte ihr Ziel nicht er- reicht. Nachtrag. Auch das ist mir vom 17. Juni 1953 in Erinnerung. Mein Vater hat es mir erzählt. Er war zu jener Zeit Gleis- bauarbeiter im Tagebau „Einheit“ bei Hohenmölsen/Bezirk Halle. Dort versuch- ten einige „Aufständische“ unter Führung eines ehemaligen „Zwölfenders“, eines Berufsunteroffiziers der faschistischen Wehrmacht, die Belegschaft zur Arbeits- niederlegung aufzufordern. Sie waren schon auf dem Weg, Aggregate abzuschal- ten. Die Kumpel hatten etwas dagegen und griffen zu „schlagenden Argumenten“. Mit blutigen Nasen mußten die „Frei- heitskämpfer“ den Rückzug antreten. Ihr Häuptling wurde nie wieder gesehen. Die Grafik: Abraum- und Kohleförderung stand keine SHAHAR Minute still. Günter Freyer Seite 16 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 17

GRH-Vorsitzender Prof. Dr. Siegfried Mechler im „RotFuchs“-Interview Zehn Jahre aktive Solidarität

Prof. Dr. Siegfried Mechler leitet seit 1995 Europäische Gerichtshof dem deutschen Nur einen einzigen. Fast zur gleichen Zeit die Gesellschaft für Rechtliche und Huma- „Leitrecht“ angeschlossen hatte. wurde der Mörder des Genossen Reinhold nitäre Unterstützung e. V. (GRH), die sich Huhn, ein gewisser Müller, zu einem Jahr für die Opfer der politischen Strafverfol- Lassen Sie sich davon entmutigen? auf Bewährung „verurteilt“ – bei eindeutig gung in der BRD einsetzt. Anläßlich des auch vom höchsten Gericht der BRD aner- zehnjährigen Bestehens der Organisation Keineswegs. Ein Offizier der Grenztrup- kanntem Mord! gewährte er dem RF das folgende Inter- pen erzählte kürzlich, daß 1996, also view: vor 7 Jahren, Anklage gegen ihn erhoben Können Sie etwas zur Mitgliedschaft worden sei. Jetzt bekam er die Mitteilung, und Struktur der GRH sagen? Die ARD-Tagesschau berichtete am sein Verfahren sei „zur Hauptverhandlung 10. April vom Freispruch zweier zugelassen“. Das ist so eine Situation, bei Wir haben z. Z. etwa 1600 Mitglieder. Die MfS- Offiziere, die des Totschlags ange- der wir im Falle der Verurteilung über- GRH vereint sowohl Betroffene als auch klagt waren. Können Sie zu diesem Fall legen werden, ob wir nicht erneut nach Menschen, die einfach helfen wollen, un- etwas sagen? Strasbourg gehen, um Beschwerde wegen abhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. überlanger Ausdehnung des Verfahrens In Westdeutschland haben wir z. B. ein Natürlich. Dahinter steckt die Sache Gar- einzulegen. betagtes Mitglied, das der CDU ange- tenschläger. Das war ein ehemaliger DDR- hört und uns aus ehrlicher Sorge um die Bürger, der wiederholt im Raum Schwerin Wie bewerten Sie die „Erfolgsquote“ Rechtsstaatlichkeit der BRD unterstützt. vom Westen aus versuchte, unsere Grenz- der BRD-Strafverfolgung? Unsere Organisation gliedert sich in 36 sicherungsanlagen zu demontieren. Als er territoriale Arbeitsgruppen, die u. a. in beim dritten Mal von DDR-Grenzposten Also zunächst einmal: Insgesamt wurde den ehemaligen DDR-Bezirksstädten so- gestellt wurde, eröffnete er das Feuer und gegen ca. 100 000 Betroffene ermittelt. Bei wie an besonders wichtigen Standorten wurde im anschließenden Schußwechsel etwa 900 führte das zur Verurteilung – der Grenztruppen bestehen. Darüber hin- getötet. Die beteiligten Grenzsoldaten mit all den Kunstgriffen, die sich die aus haben wir zahlreiche Sympathisanten standen in Schwerin vor Gericht und bundesdeutsche Justiz zur Delegitimie- im ganzen Bundesgebiet. sind dort freigesprochen worden, weil ihr rung der DDR hat einfallen lassen. Das ist Handeln unter Bedingungen der Notwehr schon eine geradezu lächerliche „Erfolgs“- Was ist Ihr größtes Problem? erfolgte. quote – wenn dahinter nicht die vielen Einzelschicksale stehen würden, das Leid, Durch die Medien totgeschwiegen zu wer- Was aber hat das mit dem MfS zu tun? das über ganze Familien gebracht wurde, den. Als am 10. April ein sensationelles allein durch die unglaublichen Summen, Urteil zum MfS erwartet wurde, waren Die Genossen Heckel und Singer waren die den Verurteilten als Gerichtskosten die Journalisten scharenweise zur Stelle Mitarbeiter des MfS und verantwortlich aufgebürdet wurden. Es geht jedoch noch – aber eine unvoreingenommene Informa- für Sicherungsaufgaben an der Staats- um mehr: Im Grunde werden die Verurteil- tion der Leser hat meines Wissens nur die grenze. Man wollte sie als „Hintermänner“ ten benutzt, um den „Unrechtsstaat DDR“ „junge Welt“ gebracht, auch dem „Neuen präsentieren. Und das sollte für eine drei- vorzuführen. Insofern ist das politische Deutschland“ war der Vorgang lediglich einhalbjährige Haftstrafe, die beantragt Anliegen viel weiter gesteckt. eine Notiz von wenigen Zeilen wert. So wurde, ausreichen! Aber einer der „letzten sind wir darauf angewiesen, daß unse- wichtigen Stasi-Prozesse“ (ZDF) ging mit Was waren die höchsten Strafmaße, die re Mitglieder die „richtige Nase“ haben, einem Freispruch und einer Einstellung in einem Prozeß zur politischen Straf- entsprechend reagieren und uns ins Bild des Verfahrens aus. verfolgung verhängt wurden? setzen. Wir selbst geben monatlich ein In- formationsblatt heraus, das vor allem für Sind das u. a. Themen, mit denen sich Eine Reihe von Kundschaftern erhielt unsere Mitglieder bestimmt ist. die GRH beschäftigt? bis zu 12 Jahren Freiheitsentzug. Im Verfahren gegen Erwin G. wurde sogar Welche Aufgaben stellen Sie sich für die Ich muß zunächst sagen, daß die GRH die Höchststrafe – lebenslängliche Haft Zukunft? e. V. eine Organisation ist, die „in Verwirk- – verhängt. Er war Aufklärer, d. h., er ver- lichung der Grundsätze eines sozialen richtete seinen Dienst in dem schmalen Unsere Hauptklientel – die Opfer der po- und demokratischen Staatswesens mit Streifen zwischen der eigentlichen Staats- litischen Strafjustiz der BRD – wird sich politischen und juristischen Mitteln im grenze und den Grenzsicherungsanlagen. immer mehr um ihre Rehabilitierung be- Rahmen des Grundgesetzes der BRD, in Dabei stellte er – mitten in der Nacht mühen müssen. Dazu sind viele Schritte Übereinstimmung mit den internationa- – einen Provokateur und tötete ihn. Das notwendig. Wir fordern: Sofortige Entlas- len Vereinbarungen über die Bürger- und Magdeburger Gericht sprach daraufhin sung der Inhaftierten, Einstellung aller Menschenrechte in der Öffentlichkeit das höchste jemals verhängte Strafmaß noch laufenden Verfahren und Nieder- wirkt“. So heißt es in unserer Satzung. aus, was zur völligen Verzweiflung des Ge- schlagung der Kostenzahlungsverpflich- Wir erhalten natürlich keine Gelegenheit, nossen G. führte. Wir kümmerten uns um tungen. Und dann werden wir darüber etwa direkt auf Verfahren Einfluß zu die Sache, besorgten einen Rechtsanwalt, nachdenken, inwieweit wir uns zu einer nehmen. Unsere Möglichkeiten liegen in trugen die Kosten für die Wiederaufnahme generellen Hilfsorganisation für die von der Solidarität mit den Betroffenen, in des Verfahrens. Schließlich reduzierte das der politischen Klassenjustiz dieses Lan- der Empfehlung von erprobten Anwäl- Dessauer Landgericht das Strafmaß auf des Verfolgten profilieren können. ten – wenn es gewünscht wird –, in der dreieinhalb Jahre. Allerdings ist dieses Mobilisierung der Öffentlichkeit und in Urteil noch nicht rechtskräftig; über die Das Interview führte Frank Mühlefeldt. der Unterstützung bei der Anrufung der Revision muß noch entschieden werden nächsthöheren Instanz – bis zum Stras- – und so geht das nervenaufreibende Spiel bourger Gerichtshof für Menschenrechte. weiter. Das sah manchmal auch recht günstig aus, ein letzter Wunsch ist, den Krieg, die- z. B. im Falle von Egon Krenz, Heinz Keßler, Gibt es vergleichbare Fälle, in denen Mses Wundmal am Körper der Mensch- Fritz Streletz u. a. Aber in der Urteilsver- auch Anschläge auf unsere Grenzer heit, von der Erde verschwinden zu sehen. kündung zeigte sich dann, daß sich der geahndet wurden? GEORGE WASHINGTON Seite 18 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 19

Katja Niederkirchner – Heldin des antifaschistischen Widerstandes Das Mädchen vom Prenzlauer Berg

Längst hat das Flugzeug mit den roten Lehrerinnen, alte monarchistische Tanten, Maschineschreiben, Buchführung. Später Sternen auf den Tragflächen die Front- schimpfen, strafen, prügeln die Kinder, oft besucht sie die MASCH, die Marxistische linie überquert und die Gegend um die aus geringstem Anlaß. Arbeiterschule, hört Vorlesungen bei Käthe polnische Bahnstation Kestiza erreicht. Ende 1919 kehrt der Vater zurück. Er hat und Hermann Duncker, studiert Werke von Unten leuchtet es dreimal auf. Die beiden die Oktoberrevolution erlebt, sich an ihr Marx, Lenin, Bebel. Ihr Wissen setzt sie ab deutschen Kommunisten Theodor Winter beteiligt. Er tritt der USPD bei, wird nur 1925 im KJVD als Kassiererin, Org.-Leite- und Katja Niederkirchner sind am Ziel. Sie Wochen später Mitglied der KPD. rin, Polit-Leiterin ein. überprüfen die Gurte, drücken den sowje- Zehnjährig schließt sich Katja der 12. Kin- Michael Niederkirchner, seit 1927 Mitglied tischen Genossen die Hand und springen. derabteilung des Arbeitersportvereins des ZK der KPD und enger Mitarbeiter Es ist der frühe Morgen des 7. Oktober „Fichte“ an, trainiert fleißig in der Turnhal- Ernst Thälmanns, mahnt seine Kinder zur 1943, Katjas 34. Geburtstag. le Gleimstraße. Ihre zweite Liebe gehört Vorsicht. Noch immer haben die Behör- Das Haus Pappelallee 22 im Berliner Stadt- später den Büchern, Erzählungen und Ro- den trotz mehrerer Anträge der Familie bezirk Prenzlauer Berg gehört zu jenen manen von Jack London, Leo Tolstoi, Ma- nicht die deutsche Staatsangehörigkeit Mietskasernen, die deutsche Kapitalisten xim Gorki. Heines „Wintermärchen“ lernt zuerkannt. Katja tritt trotzdem in die KPD für ihre Arbeitssklaven bauen ließen. Im sie auswendig wie manch anderes Gedicht ein, organisiert Versammlungen, arbeitet düsteren Hintergebäude bewohnt die Fa- auch. Tief beeindruckt ist sie von Rosa im Sportverein „Fichte“, beteiligt sich an milie des Rohrlegers Michael Niederkirch- Luxemburgs „Briefen aus dem Gefäng- Streiks und Demonstrationen. Längst von ner eine Einzimmerwohnung, ohne Bad, nis“. Die ermordete Sozialistin wird ihr der politischen Polizei bespitzelt, wird sie ohne WC. Hier kommt Katja – standesamt- Vorbild. So findet sie bald den Weg in eine Ende 1932 verhaftet und am 27. März 1933 lich: Käthe – als Kind eines deutsch-unga- der ersten kommunistischen Kindergrup- als „Ausländerin“ ausgewiesen, weil sie rischen Arbeiters und einer slowakischen pen Berlins zu Gleichgesinnten, wo man sich staatsfeindlich betätigt habe. Tagelöhnerin zur Welt. Die Eltern haben spielt, singt, wandert, aber auch schon die österreichisch-ungarische Monarchie an politische Arbeit herangeführt wird. Moskau wird zu Katjas zweiter Heimat. verlassen, weil sie hoffen, in Berlin eine Bei einer der Demonstrationen für Brot, Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich sichere Existenz zu finden. Bildung und das Recht auf Arbeit muß sie in einem Bekleidungswerk. Abends und Doch schon fünf Jahre nach Katjas Geburt erleben, wie die sozialdemokratische Poli- an den Wochenenden besucht sie Theater, macht der imperialistische Krieg diese zei scharf schießt, einen Jungen ermordet, Konzerte, Museen. Sie ist überglücklich, Erwartung zunichte. Der Vater, bei der andere Kinder verletzt. Sie selbst kommt als der Vater nach Gefängnis und KZ den kaiserlichen Obrigkeit als sozialdemokra- oft mit Schrammen und blauen Flecken Nazis entkommen kann und die Familie tischer Funktionär und Gewerkschafter nach Hause, kapitalistische Polizeiknüp- in der sowjetischen Hauptstadt wieder unliebsam geworden, wird als einer der pel verschonen auch Kinder nicht. beisammen ist. ersten an die Front geschickt, wo er in rus- 1924 verläßt Katja mit dem Abschlußzeug- Angesichts des herannahenden Krieges sische Gefangenschaft gerät. Weil Mutters nis der achten Klasse die Schule und muß nimmt Katja an vormilitärischen Lehr- Lohn in der Munitionsfabrik nicht aus- eine Lehre als Schneiderin beginnen. Lie- gängen teil, läßt sich in Funk- und Radio- reicht, müssen Katja und ihre Schwester ber wäre sie Krankenschwester geworden, technik ausbilden. Als die Faschisten die Mia fremder Leute Kinder beaufsichtigen, ein Beruf, der Töchtern „besserer“ Famili- UdSSR überfallen, meldet sie sich sofort für zwei Mark in der Woche. In die Schule, en vorbehalten ist. Kaum hat sie ausgelernt, zum Fronteinsatz, wird aber vorerst mit es ist die 79. Volksschule in der Pappelal- entläßt man sie in die Arbeitslosigkeit. Sie politischer Arbeit unter deutschen Kriegs- lee, geht das Mädchen oft widerwillig. Die nutzt die Zeit, belegt Kurse für Stenografie, gefangenen betraut. Schließlich gibt man ihrem Drängen nach, im Hinterland des Feindes abgesetzt zu werden. Politische Nach dem Absprung begibt sie sich auf den Weg nach Berlin. Doch in ihrem Paß Gefangene fehlt ein Stempel, der erst vor kurzem eingeführt worden ist. Sie wird verhaf- der USA tet. Monatelang verhört sie die . Sie setzten sich für die DDR ein Man foltert und quält sie. Katja schweigt, und müssen nun unmensch- nennt nur ihren Namen, sonst nichts. Man liche Strafen de Siegerjustiz liefert sie in das Frauen-KZ Ravensbrück verbüßen. ein. Die Begleitpapiere tragen den Vermerk „r.u.“ – „ Rückkehr unerwünscht“. Es ist ihr Kurt Stand (17 Jahre Haft) Todesurteil. Gef-Nr: 42289-83 – Virginia Im September 1944 wird sie in den Bunker Hall FCC Petersburg Low – geworfen. Es gelingt ihr, Kassiber hin- PO Box 1000 Petersburg auszuschmuggeln. Am 25. schreibt sie: VA 23804 – USA „… Meinem Vater müßt ihr sagen, daß ich ihm keine Schande gemacht habe. Ich habe James Clark (12 Jahre) niemanden verraten … Vergeßt eure Katja Gef.-Nr: 42287-083 Delaware nicht.“ Und am 27.: „Heute früh war der FCC Petersburg Low – PO Box Schutzhaft-Lagerführer bei mir und hat 1000 Petersburg mir mein Urteil vorgelesen … Also wird VA 23804 – USA es wohl heute abend passieren. Ich hätte doch so gerne die neue Zeit erlebt. Es ist so Theresa Squillacote (21 Jahre) schwer, kurz vorher gehen zu müssen.“ Gef.-Nr: 42290-083 FCI Tallahassee – 501 Kapital- In der Nacht zum 28. September 1944 wird circle NE Tallahassee Katja Niederkirchner von einem SS-Ober- FL 32301 – USA scharführer hinterrücks erschossen. Günter Freyer Seite 18 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 19

Worin bestand die Attraktivität des DDR-Bildungswesens? Im Prinzip richtig

Eine Bildungsreform ist in Deutsch- de polytechnische Oberschule stellte land unaufschiebbar! Was aber ge- das Fundament des Bildungswesens schieht? dar; für alle Absolventen, die nicht ein Was die Bildungsminister von Bund Hoch- oder Fachschulstudium aufnah- und Ländern und insbesondere die men, war eine solide Berufsausbildung Kultusministerkonferenz seit dem gesichert. „Forum Bildung“ (2000–2002) und seit  Alle Schüler konnten sich eine solide PISA (seit 2001 ff.) eingeleitet haben, und umfassende Allgemeinbildung verdient den Namen „Bildungsreform“ aneignen, deren Inhalte nicht statisch nicht! Es sind eine Menge Einzelakti- gesehen, sondern verändert wurden, vitäten, gebündelt in den sogenannten wenn neue fachliche und pädagogische Sieben Handlungsfeldern der Kultus- Erkenntnisse das erforderlich mach- ministerkonferenz, und es ist – das ten. spüren Lehrer, Schüler und Eltern Der polytechnische Charakter der ganz unmittelbar – viel Aktionismus. Allgemeinbildung und der spezielle Und was vor allem auffällt: unter polytechnische Unterricht waren ein Berufung auf bei PISA erfolgreiche „Markenzeichen“ der DDR-Schule. Länder wie z. B. Finnland und Schwe-  Im Bildungswesen der DDR wurde die den werden Vorschläge diskutiert und zentrale Rolle des Unterrichts betont; auch einzelne Maßnahmen eingeleitet, gleichzeitig aber gab es umfassende die an die Realität im Bildungswesen und differenzierte Möglichkeiten, au- der DDR erinnern. Pädagogen und El- ßerhalb des Unterrichts und der Schule tern sagen oft: „Das hatten wir doch Interessen und Neigungen nachzuge- schon mal!“ hen, sich zu betätigen und zusätzliche Natürlich muß bei solchen Vergleichen Bildung zu erwerben. immer beachtet werden, daß die ge-  Zur pädagogischen Kultur in der Schule sellschaftlichen Rahmenbedingungen gehörte die Sorge um jedes Kind und heute völlig andere sind als seinerzeit in einer Reihe von Entwicklungsländern als dessen Entwicklung; das schloß aus- der DDR, daß die Entwicklungen von Wis- Beispiel für ein humanistisches Bildungs- drücklich die Förderung all jener ein, senschaft, Technik und Kultur inzwischen wesen betrachtet. die mit Behinderungen leben mußten andere Anforderungen an die Inhalte der In den Jahren 1989/90 war das Bildungs- oder Lernschwierigkeiten hatten, aber Bildung und an die Art und Weise des wesen einer der am meisten diskutierten auch gezielte Maßnahmen für Kinder Lernens stellen als in den 70er und 80er und umstrittenen Bereiche der DDR-Wirk- und Jugendliche mit speziellen Bega- Jahren, daß sich das DDR-Bildungswesen lichkeit. In den meisten Medien überwogen bungen – im Unterricht, durch Olympia- nach dem Prinzip der Einheit von Kon- negative Urteile. Solide wissenschaftliche den, in Spezialschulen. tinuität und Veränderung in ständiger Untersuchungen u. a. des Dortmunder In-  Genannt werden muß auch die Tatsache, Entwicklung befand, und schließlich auch stituts für Schulentwicklungsforschung daß es in der DDR eine vom pädagogi- manches kritisch hinterfragt werden weisen nach, daß sich dieses Bild inzwi- schen Auftrag der Lehrer abgeleitete muß. schen grundlegend verändert hat. Nur und seiner Realisierung dienende Leh- Aber es ist festzuhalten: noch wenige der Befragten (ca. 10 %) ver- rerbildung gab, die sich durch ein hohes Gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle treten die Meinung, daß es richtig gewesen wissenschaftliches Niveau und enge Kinder und Jugendlichen waren nicht nur sei, das Bildungswesen der DDR radikal Praxisverbundenheit auszeichnete. Ziel, sondern auch weitgehend Realität in abzuwickeln. Die überwiegende Mehrheit  In der DDR wurden größte Anstrengun- der DDR! Das alte bürgerliche Bildungs- betont angesichts der PISA-Ergebnisse gen unternommen, um die materiellen, privileg und die traditionelle Rückstän- seine Leistungsfähigkeit und meint, daß finanziellen und personellen Voraus- digkeit des Landschulwesens gehörten die bewährte Schulstruktur der DDR setzungen für das Bildungswesen zu der Vergangenheit an. Als Maxime der hätte beibehalten werden müssen. Kürzer gewährleisten; das bezieht sich sowohl pädagogischen Arbeit in Kindergärten und besser als Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Arbeits-, Lebens- und Lernbe- und Schulen galt die Sorge um jedes Kind – langjährige Bildungsexpertin der FDP, dingungen für Lehrer und Schüler als und jeden Jugendlichen. Die Aneignung vor kurzem dort ausgetreten – kann man auch auf den Schulbau, die Schulaus- umfassender Bildung gehörte zu den her- es kaum sagen: „Die haben im Osten zwar stattung und die Schulbuchversorgung. ausragenden sozialpolitischen Anliegen ein ideologisiertes Schulsystem gehabt,  Das Bildungswesen der DDR hatte na- in der DDR. aber im Prinzip ein richtiges.“ türlich zuerst die Kinder und Jugendli- Das Bildungswesen der DDR ist ohne das Worin zeigt sich nun, daß das Bildungs- chen und deren bestmögliche Entwick- Engagement der Pädagogen und der El- wesen der DDR „ein im Prinzip richtiges“ lungsbedingungen im Auge, besaß aber tern, ohne die aktive Mitwirkung vieler war? zugleich eine wichtige soziale Funktion, gesellschaftlicher Kräfte nicht denkbar;  Das Ringen um (annähernd) gleiche Ent- nämlich die Verwirklichung der Gleich- vor allem volkseigene Betriebe und land- wicklungs- und Lebensbedingungen für berechtigung von Frau und Mann zu wirtschaftliche Produktionsgenossen- alle Kinder und Jugendlichen war die unterstützen und dazu beizutragen, schaften hatten einen großen Anteil. Die Voraussetzung für die Orientierung auf daß objektiv vorhandene soziale Unter- Leistungen des Bildungswesens waren gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle. schiede nicht zu einer sozialen Spaltung – ungeachtet vieler kritischer Hinweise im  Grundlage für die Realisierung dieses führten. Prof. Dr. habil Günter Wilms Alltag – in der Öffentlichkeit anerkannt; Ziels war der einheitliche Aufbau des das zeigte sich nicht zuletzt auch in der Bildungswesens – vom Kindergarten Unser Autor war von 1970 bis 1980 Vize- hohen Wertschätzung, die Pädagogen und über Schule, Berufsausbildung und präsident der Akademie der Pädagogi- Wissenschaftlern entgegengebracht wur- Hochschule bis zur Weiterbildung – oh- schen Wissenschaften und stand danach de. Und nicht zuletzt bleibt auch Tatsache: ne sogenannte Sackgassen. an der Spitze des Instituts für die Leitung Das Bildungswesen der DDR genoß inter-  Die von allen Kindern und Jugendlichen und Organisierung des Volksbildungswe- national Ansehen und wurde vor allem in besuchte zehnjährige allgemeinbilden- sens der DDR. Seite 20 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 21

Die Füße auf dem Boden, den Kopf in den Büchern Als Bauer in der DDR (6)

Weihnachten 1962 bleibt mir unvergessen. Mengen Kalziumlösung. Sieben Kühe Die LPG beauftragte mich mit der Betreu- In der Nacht zum ersten Feiertag setzte konnte er nicht mehr retten. Vom Melker ung der zwei Sebnitzer Oberschulklassen, ein gewaltiger Sturm ein, und der Strom ließ ich mir den Harnstoffvorrat zeigen. die ihren polytechnischen Unterricht bei fiel bis zum nächsten Tag aus. Mein erster Er hatte den Kühen zu viel verabreicht. Es uns erhielten. Mir hat diese Arbeit mit Gedanke früh galt den LPG-Kühen, die ge- war zum Weinen: Die besten Tiere zogen Schülern und Lehrern immer viel Spaß ge- molken werden mußten. Ich marschierte wir aus dem Stall und fuhren sie zum macht. Fünf Abiturienten der Erweiterten durch die Schneewehen. Als ich zum Jung- Notschlächter. Noch am gleichen Abend Oberschule Sebnitz hatte ich zu Fachar- vieh-Offenstall kam, sah ich dort statt des kam die Kreistierärztin. Sie brachte gleich beitern der Rinderzucht auszubilden: vier Giebels die Mondsichel stehen. Ich stol- eine Frau von der Kriminalpolizei mit. Sie Jungen und ein Mädchen. Sie gingen mit perte über Mauerbrocken. Trümmer der wollten meine Fütterungsanweisungen Lust und Liebe an die Arbeit. „Mit Euch Mauer lagen umgerissen im Gelände. Gott sehen. Zum Glück hatte ich dem Melker würde ich die LPG zu einem Musterbe- sei Dank, die Tiere standen unversehrt im die Dosierung des Harnstoffs genau auf- trieb aufbauen“, sagte ich zu ihnen. Als sie Stall. Die Stromleitung hatte im Sturm hin geschrieben und ihn das mit seiner Unter- bei Nieselregen zum Kartoffeln-Nachlesen und her geschwankt und die Mauer aus schrift bestätigen lassen. Ich sagte es ihm eingesetzt werden sollten, suchte ich sie der Verankerung gerissen. Natürlich war auf den Kopf zu: „Du hast tagelang keinen anfangs vergeblich. Dann fand ich sie im auch der Kuhstall ohne Strom. Ich lief zum Harnstoff zugefüttert und dann, damit es Offenstall in der Futterkrippe, mit leeren Erbgericht in den Pferdestall und holte nicht auffällt, mehrere Tagesrationen auf Papiersäcken zugedeckt. Sie fanden es eine Sturmlaterne. Damit suchte ich die einmal gegeben.“ Natürlich versuchte er unter ihrer Würde, als Rinderzüchter Kar- Melker nacheinander auf. Eva, gebürtige sich herauszureden. toffeln aufzusammeln. „Auf, junge Erbau- Ostpreußin, rief aus dem Kammerfenster: Nach fast 13 Ehejahren fuhren Ilse und ich er des Kommunismus!“, rief ich, nachdem „Iss doch keen Strom da!“ Willy, der Betreu- im März 1963 das erste Mal gemeinsam in ich sie endlich entdeckt hatte. er des Jungviehs, und seine Frau waren den Urlaub. Zwei schöne Wochen erlebten Alle damaligen Lehrlinge haben ihren bereits wach. Wir saßen bei Kerzenschein wir im Ferienheim des Freien Deutschen Platz im Leben gefunden. Zwei von ihnen in ihrer Küche und warteten, bis es Tag Gewerkschaftsbundes (FDGB) in Frauen- promovierten sogar. Die jungen Leute lo- wurde. Dann besahen wir den Schaden. wald. Im März war dort noch Winter, hohe gierten damals bei der Rentnerin Liddy Wir konnten vorläufig nichts weiter tun, Schneewände lagen an den Straßen. Wir Dathe, die sie sehr gern betreute. Sie holte als das Jungvieh zu füttern. Anschließend erholten uns gut bei Wanderungen und das letzte Eingemachte aus dem Keller, inspizierte ich den Milchviehstall. In besuchten die traditionellen Glasbläser- da konnte ihr Emil schimpfen, so viel er ganzer Länge war die provisorische Wand werkstätten. wollte. aus Strohballen eingestürzt. Der Wind Die schönen Tage waren schnell verflogen. Die Alltagsprobleme gingen nicht spur- blies ungehindert in den Stallraum. Ich Zu Hause erwarteten uns dieselben Sor- los an mir vorüber. Im Juni 1967 wurde alarmierte sofort Helfer. Alle waren bereit gen. Viel Kraft und Zeit beanspruchte es, ich wiederum zu einer Heilkur geschickt. zum Einsatz. Gegen Mittag hatten wir die die LPG zu einem Rinderaufzuchtbetrieb Ich fuhr für vier Wochen nach Bad Fran- offene Stallseite wieder zugebaut. Ich aß mit hoher Milchproduktion zu entwik- kenhausen. Die Kur im Solebad und die nur kurz etwas und kümmerte mich sofort keln. Mein Weidenutzungsplan diente als Umgebung mit dem Kyffhäuser und dem wieder um die Ställe. Inzwischen hatten Vorlage für unseren Weidekomplex mit Schlachtberg, auf dem einst der letzte wir eine Melkmaschine mit Benzinmotor einer Melkzentrale. Trotz aller Probleme große Zusammenprall des Bauernkrieges herangeschleppt. Gegen 17.00 Uhr konnten konnte ich mich selbst verwirklichen, und stattgefunden hatte, boten genügend Gele- wir endlich melken. Anfangs ging alles gut. deshalb erledigte ich die Arbeit gern. Sie genheit, Körper und Geist zu entspannen. Beim Benzin-Nachfüllen hielt ich die La- und mein Hobby bildeten eine glückliche terne zum Leuchten hoch. Plötzlich brann- Einheit. Alles geschah unter hohem per- Im selben Jahr feierte die LPG ihr 15jäh- ten sie und der Benzinkanister. Überall lag sönlichem Einsatz, anders hätte ich meine riges Bestehen. Unser Kindergarten zeigte Stroh. Geistesgegenwärtig rannte Peter Kollegen nicht mitreißen können. Wir ein schönes Programm. Die größeren Hunziger mit dem brennenden Kanister fuhren zum Erfahrungsaustausch mit den Schulmädchen – unter ihnen Margitta – zum Ausgang. Das war knapp. Motorrädern sogar bis ins Erzgebirge. bedienten die Gäste. Die beiden Genossen- Im Winter 1962/63 war in der Lohsdorfer Bei einem Besuch des Grünlandspezia- schaften im Ort kamen einander immer nä- LPG nicht nur die Versorgung der Milch- listen Dr. Wünsche von der LPG-Hoch- her. Nach mehreren Beratungen schlossen kühe mit Grundfutter miserabel. Selbst schule Meißen wurde mir klar, daß wir sie sich zur LPG „Vereinte Kraft Lohsdorf“ für das Erhaltungsfutter fehlte es an die Produktion nur unter Einbeziehung zusammen. Der bisherige Vorsitzende der Nährstoffen. Wir fuhren bis in die Gegend der noch in Typ I wirtschaftenden Bauern LPG vom Typ I Willy Forker übernahm die von Torgau, um Stroh zu kaufen. Die Wis- – dort wurde allein das Ackerland in die Leitung. Die jungen, leistungsfähigen Mit- senschaft empfahl zur Aufwertung der Ra- Genossenschaft eingebracht – weiterent- glieder brachten frischen Wind mit. Der tionen, Futterharnstoff zu geben. Die Tier- wickeln konnten. Wir mußten den künf- Milchviehstall wurde vergrößert, neue ärzte wiegten bedenklich die Köpfe. Wir tigen Weg mit ihnen gemeinsam beraten. Silos entstanden. Wir ernteten große Men- probierten – es klappte. Aber nicht im Erb- Es war schön, die landwirtschaftliche gen Klee. Um die Verluste beim Trocknen gerichtsstall, dort kam es zur Katastrophe. Produktion im Großen zu organisieren. gering zu halten, wurde er gereutert, also An einem Sonntagmorgen kontrollierte ich Dabei ging es nie um einen Mehrwert, zwischen zwei Drahtseilen getrocknet, wie üblich die Anlagen. Im Erbgerichts- der nur dem einzelnen zugute kam. Es die an Pfählen befestigt waren. Außerdem stall sah ich, daß der Vorrat an Harnstoff ging um das Mehrprodukt. Oft beriet ich verstärkten wir unsere eigene Technik nicht abgenommen hatte. Ich stellte den mich mit meinem Vater. Manchmal war zur Silage-Gewinnung und sicherten so Melker zur Rede. Er behauptete, nach An- es schon spät, und er wollte eigentlich zu eine stabile Futtergrundlage. Als Sieger weisung zu füttern. Am nächsten Morgen Bett gehen. Es waren Gespräche zwischen im Kreismilchwettbewerb erhielten wir betrat ich wieder den Stall. Einige Kühe einem alten und einem jungen Bauern. In die „Goldene Milchkanne“. waren offensichtlich ernsthaft krank. Sie den 60er Jahren pflanzte mein Schwieger- Ein wenig stolz fühlte ich mich schon, als lagen, atmeten schwer und schwitzten. vater entlang der Wassergräben unter der mir der angesehene LPG-Vorsitzende von Das waren Vergiftungserscheinungen. Scheune Erlenstecklinge. Ich fragte ihn, Saupsdorf Arno Hempel zum Kreisernte- „Harnstoff!“, schoß es mir durch den Kopf. was er vorhabe, und er antwortete: „Damit fest im Erbgericht Dittersbach beim Tan- Ich rief sofort den Tierarzt. Dr. Fischer später mal Feuerholz da ist.“ So sorgte eine zen „Milchkönig!“ zurief. gab den Tieren Infusionen mit großen Generation für die nächste. Werner Döring, Hohnstein Seite 20 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 21

„Deutsches Ärzteblatt“ entdeckt Schattenseiten der Gesellschaft Armut bedroht die Gesundheit

Die Armut in Deutschland nimmt kontinu- Die Ursachen für Armut werden sowohl ierlich zu und betrifft immer mehr Grup- von WHO als auch EAPN vor allem in der pen in der Gesellschaft. Die WHO definiert Arbeitslosigkeit gesehen. Arbeitslose sind Armut nach dem Einkommen. Danach besonders anfällig für Depressionen und ist arm, wer monatlich weniger als die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hälfte des durchschnittlichen Einkom- Aber nicht nur der Zustand der Arbeits- mens seines Landes zur Verfügung hat. In losigkeit und die daraus resultierende Deutschland sind das etwa 600 Euro. Rund Armut machen krank. Auch die Angst um elfeinhalb Millionen Menschen leben z. Z. den Arbeitsplatz, die besonders in wirt- unterhalb der Armutsgrenze. Dabei ist für schaftlich unsicheren Zeiten verbreitet ist, viele Betroffene die schlechte finanzielle schadet der Gesundheit. Die WHO sieht Situation auch eine gesundheitliche Be- darin einen vermehrten psychosozialen drohung. Denn unter Experten ist nahezu Streß. Die Folgen sind ähnlich denen bei unbestritten, daß Armut auch das Risiko tatsächlicher Arbeitslosigkeit. Arbeitslose zu erkranken erhöht. haben ein schlechteres Gesundheitsver- Erika Biehn, stellvertretende Spreche- halten; sie rauchen mehr und bewegen sich Jobsicherheit hat bei mir Vorrang. rin des europäischen Armutsnetzwerks weniger; sie haben daher häufiger starkes Der Boß. (EAPN), wies auf den Zusammenhang Übergewicht. Hypertensive Blutdruck- Aus „The Guardian“, Sydney zwischen Armut und Gesundheit hin: werte und ein erhöhter Cholesterinspie- „Nach unseren Schätzungen haben arme gel sind deshalb oft die Folge. Außerdem rung eingezahlt hatten und im Alter auf Menschen ein zehnmal höheres Gesund- nutzen arbeitslose Eltern gesundheitliche Sozialhilfe angewiesen waren, benötigen heitsrisiko als Nicht-Arme.“ Im „Euro- Vorsorgeuntersuchungen für ihre Kinder jetzt immer mehr jüngere Frauen und pean Health Report 2002“ der WHO wird um bis zu 30 % weniger als berufstätige deren Kinder Hilfe zum Lebensunterhalt. Armut als größte Einzelbedingung für Eltern. Darunter leidet insbesondere die Das liegt daran, daß es wesentlich mehr einen schlechten Gesundheitszustand be- Zahngesundheit der Kinder. Deren Karies- Frauen gibt, die entweder nicht mit dem zeichnet. „Armut ist mit einer geringeren rate ist mit 44 % mehr als doppelt so hoch Vater ihrer Kinder zusammenleben, oder Lebenserwartung, höherer Kindersterb- wie die von Kindern berufstätiger Eltern aber der Vater verdient selbst kein Geld. lichkeit und einem höheren Ansteckungs- (20 %). Prof. Dr. phil. Ulrike Maschewsky-Schnei- risiko bezüglich Infektionskrankheiten, Frauen sind nach der WHO in der armen der vom Institut für Gesundheitswissen- vor allem HIV und Tbc, assoziiert“, heißt Bevölkerung in Europa überrepräsentiert. schaften der TU Berlin erklärte gegenüber es in dem Report. Finanziell schwierige Si- Das durchschnittliche Einkommen von dem „Deutschen Ärzteblatt“: „Vor allem tuationen führen zu weiteren Belastungen: Frauen beträgt lediglich 60 bis 70 % des Frauen mit mehreren Kindern können So nimmt zum Beispiel der psychosoziale Einkommens der Männer. Gesundheitlich nicht arbeiten gehen und sind damit auf Streß zu, wodurch das subjektive Wohl- gefährdet sind Frauen außerdem durch Sozialhilfe angewiesen. Dadurch werden befinden armer Menschen weiter belastet die Doppelbelastung in Beruf und Familie, Kinder zum Armutsrisiko, und Erziehung wird. Durch das schlechtere psychische in der es häufig notwendig ist, daß beide – vor allem mehrerer Kinder – wird zum Allgemeinbefinden wird ein breites Spek- Partner arbeiten gehen. Die Wahrschein- Stigma.“ trum von Krankheiten begünstigt. Die lichkeit, an Depressionen oder einer Kinder sind darüber hinaus in besonderer WHO nennt in diesem Zusammenhang Angststörung zu erkranken, ist für Frauen Weise betroffen: „Früher hatten wir einen Bluthochdruck und Magengeschwüre als höher als für Männer. Armutstrend bei älteren Frauen, heute direkt von Armut verursachte Krankhei- Ein relativ neues Problem ergibt sich aus haben wir ihn bei Kindern“, sagte Ma- ten und spricht in ihrem europäischen Ge- der wachsenden Anzahl alleinerziehender schewsky-Schneider. Nach Schätzungen sundheitsreport von einem „Teufelskreis Frauen. War früher eher maßgeblich, daß sind in Deutschland mehr als eine Million aus Armut und schlechter Gesundheit“. Frauen lange nicht in die Rentenversiche- Kinder unterdurchschnittlich begütert und haben damit ein um ein Drittel hö- heres gesundheitliches Risiko als andere Kinder. Das bedeutet: Jedes siebte Kind in Deutschland ist arm. Nach Untersuchungen der Arbeiterwohl- fahrt unter armen Kindern in Kinderta- gesstätten (Kitas) ist jedes dritte Kind in mehreren Lebensbereichen durch die schwierige wirtschaftliche Lage seiner Eltern benachteiligt. Demnach sind die betroffenen Kinder häufiger krank, ver- nachlässigt und kommen oftmals hungrig in der Kita an. Etwa 10 % sind körperlich unterentwickelt. Das hat psychosozial gravierende Auswirkungen: Mittellose Kinder und Jugendliche sind ängstlicher, fühlen sich häufiger hilflos und haben ein geringeres Selbstvertrauen als wohlha- bendere Gleichaltrige. Diese in der Kind- heit erlittenen Nachteile wirken sich bis ins Erwachsenenalter aus. Wer als Kind unter Armut gelitten hat, ist als Erwach- sener eher chronisch krank. Astrid Barrera Pesek (gekürzt aus: „Deut- sches Ärzteblatt“, Heft 47, 22. 11. 2002) Seite 22 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 23

Hamburger „RotFüchse“ diskutierten mit Botschafter a. D. Rolf Berthold Chinesisches Kaleidoskop

Am 28. März 2003 führten wir eine weitere chen Wirtschaftsreformen würden auch die entlegensten Winkel verteilt. Wenn erfolgreiche Veranstaltung in Zusammen- Reformen am politischen System vorge- das nichts helfe, lege man Frauen bei ei- arbeit mit der DKP-Gruppe Westliche nommen. Die Stellung der Parlamente ner Zweitschwangerschaft den Abbruch Innere Stadt durch. Entwicklungen in der und die sozialistische Rechtsstaatlichkeit nahe; letztlich reagiere der Staat auch Volksrepublik China bildeten das Thema seien gestärkt worden. Es entstünden Ge- mit finanziellen Restriktionen ab zweitem des Abends. Mit Rolf Berthold, dem über setzesgrundlagen, wo es noch nie welche Kind. Die individuelle Freiheit müsse hin- viele Jahre dort tätigen DDR-Botschafter, gab. Dabei scheue man sich in China auch ter dem Interesse der Gesamtbevölkerung, begrüßten wir einen äußerst kompetenten nicht, Normen aus kapitalistischen Län- letztlich auch dem der Weltbevölkerung Referenten. dern zu nutzen, wenn sie von Vorteil seien. zurückstehen. Wie viele Menschen könne Anlaß waren die vielen Fragen und auch (So habe man z. B. Teile des Patentrechts China ernähren? 1,5 Mrd., 2 Mrd.? Wer Sorgen über den Kurs der VR, über den der BRD übernommen.) In China seien alle solle die Lebensmittelversorgung über- in den BRD-Medien äußerst sparsam Parallelitäten der Macht (Partei/Staat) nehmen, wenn der eigene Boden nicht berichtet wird, wobei in der Hauptsache abgeschafft worden. Der Fünfjahrplan mehr ausreiche? Die Ein-Kind-Politik, von Verfälschendes und Geringschätziges zu werde heute z. B. von Wirtschaftsverbän- der Minderheiten ausgenommen seien hören und zu lesen sind. Genosse Berthold den aufgestellt. Die KP Chinas besetze nur (aber auch Fischer, wegen der immer noch konnte im Referat und während der span- noch vier zentrale Felder: Ideologie, Pro- berufsbedingten hohen Sterberate), werfe nenden Diskussion viel Klarheit schaffen paganda, internationale Beziehungen zu enorme gesellschaftliche Probleme auf. und auch manche Sorgen kompetent zer- Bruderparteien und Einheitsfrontpolitik. Unter anderem verschiebe sich die Alters- streuen. Die Frage einer Genossin rief Schmunzeln struktur dramatisch. Überlagert war der Abend natürlich von hervor, machte aber auch deutlich, was Fazit: Es gibt noch viel zu erfahren und zu der völkerrechtswidrigen Aggression der für riesige Probleme ein Land mit 1,3 Mrd. diskutieren über die VR China, und es ist USA gegen Irak. Darauf bezogen sich auch Menschen und die Partei zu lösen haben. den chinesischen Genossen nur zu wün- die ersten Anmerkungen zur Außenpolitik Die Fragestellerin wollte wissen, wie schen, daß sie ihre Probleme, nicht zuletzt der VR. Warum hat sich Chinas Führung die Ein-Kind-Politik in China praktisch zum Wohle der gesamten Menschheit, zu nicht an die Spitze der Bewegung gegen durchgesetzt werde. Genosse Berthold lösen imstande sind und daß sie unbeirr- den Krieg gestellt? Rolf Berthold erklärte erklärte, das bedürfe großer Überzeu- bar den sozialistischen Weg weitergehen. die chinesische Position: Unmißverständ- gungsarbeit, da es jahrhundertelang sehr liche Verurteilung des Überfalls auf Irak. kinderreiche Familien gegeben habe. Ko- J. P., Regionalgruppe Allerdings ist die Situation eine andere als stenlos würden Verhütungsmittel bis in Hamburg des RF-Fördervereins ehemals für die Sowjetunion und deren Bündnispartner. Es gibt heute kein mili- tärisches Gleichgewicht zweier Systeme (Chinas Wehretat ist in etwa so groß wie der der BRD; ein Siebzehntel des Etats der USA). Die VR strebt eine multipolare Welt mit verschiedenen Machtzentren an: Chi- na, Rußland, Europa, Indien, USA usw. Einen großen Raum nahmen die Fragen zur wirtschaftlichen Entwicklung in der VR ein. Wie verhält es sich mit dem neuen Unternehmertum, mit dem ausländischen Kapital, welches nach China drängt? Holt es sich nicht über diesen Weg die Konter- revolution ins Haus? Wie kann es angehen, daß es Arbeitslose in einem sozialistischen Staat gibt? Auch hier äußerst sachkundige Antworten des Genossen Berthold, die ein wenig beruhigten. Heute sind ein Drittel der Unternehmen gesellschaftliches und ein Drittel kollektives Eigentum (Land- wirtschaft), während ein Drittel privat- wirtschaftlich betrieben wird, wobei die VR die Zügel auch des kapitalistischen Teiles der Volkswirtschaft auf gewisse Weise in der Hand behält. Grund und Bo- den dürfen nicht privatisiert werden, auch nicht zugunsten ausländischer Firmen. Die KP Chinas sei eine flexible Partei, die den Mut habe, eigene Fehler zu korrigie- ren, allerdings nicht durch abrupte Wen- dungen; da habe sie aus der Geschichte gelernt (großer Sprung, Kulturrevolution). Es gehe um behutsames, aber konsequen- tes Handeln. In China denke man in viel größeren Zeiträumen, als wir es gewohnt seien, sagte Rolf Berthold. So werde die Entwicklung über mehrere Jahrzehnte vorausgeplant. Dingen, die Zeit brauchten, räume man diese ein. Außer umfangrei- Ku Jüan: Ein Baum wird gepflanzt Seite 22 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 23

Zur Rolle der BRD bei der „Neuordnung“ Afghanistans Verteidigung am Hindukusch

Die Aprilrevolution 1978 in Afghanistan Die Rüstungsgüter sollten ihnen auf dem Zeitung „Die Welt“. Dafür wird u. a. auch wurde zum Prüfstein der Beziehungen zur Flughafen der Stadt Qandahar, wo sich der Kabuler Wiederaufbauminister Mir westlichen Welt, u. a. auch zur Bundesre- das Hauptquartier der Taleban befand, Mohammad Amin Farhang sorgen, dessen publik. War man schon seit Mitte 1979 in übergeben werden. Nähe zur deutschen Wirtschaft bekannt Bonn deutlich auf Distanz zu Afghanistan Erst nach den Anschlägen vom 11. Septem- ist. Die Ausbildung der afghanischen Poli- gegangen, so eröffneten die bundesdeut- ber 2001 veranlaßte die Bundesregierung zei und des Geheimdienstes, seit den 20er schen Medien seit 1980 einen wahren Pro- die Schließung der Taleban-Vertretung. Jahren des letzten Jahrhunderts mit nur pagandafeldzug gegen das Land und seine Der Bundeskanzler und sein Vize forder- kurzfristigen Unterbrechungen in deut- Regierung, allen voran das ZDF-Magazin ten jetzt vehement die Beseitigung des scher Hand, ist schon längst von Deutsch- mit seinem pathologisch antikommunisti- Terrorregimes der Taleban, dabei waren land wieder aufgenommen worden. schen Leiter Gerhard Löwenthal. Sie stili- diese – wie erst jetzt bekannt wurde – Die erste hochrangige Wirtschaftsdelega- sierten den afghanischen Modjahed, der noch am 17. Juli 2001 zu Geheimverhand- tion, die am 9. 2. 2002 in Kabul eintraf, kam „gegen das kommunistische Regime in Ka- lungen nach Berlin eingeladen worden, aus Deutschland. Unternehmer fast aller bul“ kämpfte, zu einem „echten Freiheits- und das, obwohl die UN seit Anfang des Branchen, vom Infrastrukturbereich wie kämpfer“ und wahren Helden hoch. Bei Jahres verschärfte Sanktionen gegen das Straßenbau und Elektrizitätsversorgung diesem unablässigen Trommelfeuer inter- Talebanregime verhängt hatten. bis hin zu Logistik und Transport sowie essierte nicht, daß die Modjahedin für die Auf dem Petersberg bei Bonn haben die Maschinenbau, trafen mit Wiederaufbau- reaktionärste Variante der afghanischen westlichen Länder im Rahmen der „Talks minister Farhang zu Beratungen zusam- Politik einstanden, was sie dann auch seit on Afghanistan“ vom 27. November bis men. Der Auftrag für das aufzubauende 1992 tatkräftig unter Beweis stellten, als 5. Dezember 2001 unter der formalen Telefonnetz wurde bereits an den Siemens- sie zunächst einen islamischen und seit Federführung der Vereinten Nationen Konzern vergeben. 1996 dann einen mittelalterlichen, extrem eine sogenannte Interimsregierung für Während sämtliche bundesdeutschen frauenfeindlichen, unmenschlichen „Got- Afghanistan zusammengestellt. Die Bun- Parteistiftungen bereits in Kabul ver- tesstaat“ der Taleban errichteten. desregierung war nicht nur Gastgeber der treten sind, wird die Wiedereröffnung Als die Banden der Modjahedin, die jah- vier afghanischen Delegationen sowie der des Goethe-Instituts seit Ende Septem- relang von der BRD und anderen kapita- zahlreichen internationalen Beobachter, ber 2002 vorbereitet. Ihm benachbart listischen Ländern finanziell, politisch sondern sie war auch die erste, die einen haben sich die Geheimdienste der BRD, und propagandistisch unterstützt worden Sieben-Punkte-Plan für Afghanistans Zu- Bundesnachrichtendienst (BND), Bundes- waren, im Jahre 1992 in Afghanistan mit kunft ausgearbeitet hatte. Es schien so, als kriminalamt (BKA) und der Militärische unvorstellbarer Brutalität die Herrschaft ob die Vorbereitung vom Auswärtigen Amt Abschirmdienst (MAD) eingerichtet. Um übernahmen und in der Folgezeit in Kabul geleistet wurde, doch eigentlich war es den German Way of Life zu propagieren, ein wahres Blutbad anrichteten, wobei – der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt senden sowohl die Deutsche Welle TV als die afghanische Hauptstadt in Schutt und – die der SPD nahestehende Friedrich- auch der Radiosender der Bundeswehr täglich vierundzwanzig Stunden teils auf Asche versank, gratulierte Bundespräsi- Ebert-Stiftung. Sie hatte die afghanischen Paschto, teils Dari für Afghanistan. Die dent Richard von Weizsäcker den neuen Monarchisten seit Jahren um sich gesam- Nachrichten der Deutsche Welle TV wer- Machthabern zum afghanischen Natio- melt und betreut. den sogar unverändert vom afghanischen Auf der Petersberg-Konferenz wurde sei- nalfeiertag. Fernsehen übernommen. tens der Bundesregierung massiv Duck auf Seit 1978 bestand zwischen der BRD und Der Versuch der Bundesregierung, militä- den afghanischen Modjahedin eine konti- die afghanischen Teilnehmer ausgeübt. risch am Krieg gegen Afghanistan beteiligt nuierliche Kooperation. Ihre Führer wur- Außenminister Fischer drohte schon in zu werden, scheiterte, und auch die per- den nicht nur von der Stahlhelm-Fraktion seiner Eröffnungsrede den Afghanen da- sönliche Nachfrage des Bundeskanzlers in der bundesdeutschen Politik, von Leuten mit, daß es ohne Einigung keine finanzielle Washington, als das USA-„Hilfsersuchen“ wie Franz Josef Strauß, Alfred Dregger, Unterstützung für die künftige Regierung an Berlin ausblieb, war erfolglos, brachte Ernst Albrecht usw. empfangen, sondern in Kabul geben werde. jedenfalls nicht die erhoffte Beteiligung. auch von Helmut Kohl und Willy Brandt. Der Wiederaufbau des völlig zerstörten Man wurde mit Nebenschauplätzen ab- Sie erhielten finanzielle, politische und Landes wird viele Milliarden kosten. Für gespeist. Nur die von den USA weniger logistische Unterstützung aus dem Budget die westliche Wirtschaft geht es dabei um begehrte Teilnahme an der sogenannten des Auswärtigen Amtes – entweder direkt riesige Profite. Der Kampf um das Afghani- Internationalen „Schutztruppe“, Interna- als humanitäre Hilfe deklariert – oder Lei- stan-Geschäft wurde auf dem Petersberg tional Security Assistance Force (ISAF) stungen über pakistanische Kanäle. Die vorerst zugunsten der USA entschieden; für Kabul wurde großzügig gewährt, den meisten dieser islamistischen Gruppie- sie konnten sich bei der Benennung des Deutschen war sogar die Führungsrolle rungen unterhielten auch Büros in Bonn neuen Interimsministerpräsidenten mit angeboten worden. Im Rahmen dieser für ihre politisch-propagandistischen ihrem Wunschkandidaten Abdul Hamed „Schutztruppe“, die lediglich für die Sicher- Aktivitäten. Karsei durchsetzen. heit der Kabuler Regierung sorgen soll, ist Als die Taleban, die seit September 1994 Auch wenn es so aussieht, als ob die deut- die Bundeswehr seit dem 11. Januar 2002 die Eroberung Afghanistans einleiteten, sche Wirtschaft ein weiteres Mal in ihrer in Kabul stationiert, ausgestattet mit ei- am 27. September 1996 die Hauptstadt Geschichte zu spät kommt, soll dennoch nem „robusten Mandat“. Ab Februar 2003 Kabul einnahmen, plädierte der ARD- den anderen das Feld nicht kampflos übernahm sie gemeinsam mit den nieder- Korrespondent in Neu-Delhi Martin Fritz überlassen werden. Die Bundesrepublik ländischen Streitkräften die Führung der für ein Arrangement der Bundesregierung Deutschland eröffnete am 1. Januar 2002 ISAF und verdoppelte nahezu die Zahl mit ihnen, sogar für ihre internationale ihre Botschaft in Kabul. Obwohl mehr als ihrer stationierten Soldaten. Anerkennung. ein halbes Dutzend Länder ihre Vertre- BRD-Verteidigungsminister Peter Struck Nach einer Meldung von Radio Stimme tungen schon früher eingeweiht hatten, informierte im November 2002 die Ver- Afghanistans, gestützt auf die afgha- ist BRD-Botschafter Rainer Eberle als treter der Parteien im Verteidigungsaus- nische diplomatische Vertretung in der erster akkreditiert worden. Daß dies so schuß des Bundestages über die Erwei- BRD, war im September 1995 eine geheime außergewöhnlich schnell erfolgte, wurde terung der Zuständigkeit des seit dem 10. Waffenlieferung aus der Bundesrepublik vom Auswärtigen Amt in Berlin als „Geste, Dezember 2001 in Afghanistan operieren- für die Taleban aufgedeckt worden, u. a. die zeigt, wie willkommen Deutschland den Kommandos Spezialkräfte (KSK), das Panzerfäuste und 146 verschiedene Zu- ist“, interpretiert. inzwischen sein eigenes Operationsgebiet behörteile sowie Nachrichtengeräte im Für den Wiederaufbau werden Kosten von erhalten hat. Somit ist diesmal das Ziel, in Werte von 34,5 Mio. DM. Der Deal wurde mehr als 16 Mrd. Euro veranschlagt. „Die Afghanistan militärisch Fuß zu fassen, von Balal Safdar, einem Offizier des paki- Chancen, daß deutsche Firmen von diesem das weder im Ersten noch im Zweiten stanischen Militärgeheimdienstes „Inter Kuchen ein großes Stück abbekommen, Weltkrieg realisiert werden konnte, schon Service Intelligence“ (ISI), abgewickelt. stehen gut“, hieß es Ende Januar in der erreicht. Dr. Matin Baraki Seite 24 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 25

Zum Tschetschenienproblem im heutigen Rußland (2 und Schluß) Mythen, Irrtümer und Lösungswege

Der Krieg in Tschetschenien begann nicht in normale Lebensverhältnisse bieten. Ende 2002 fand in Gudermes ein Kongreß erst 1994 mit dem Einsatz von Truppen Es ist daher äußerst fraglich, mit wem der Völker Tschetscheniens statt. Die durch den Kreml, sondern bereits im Som- überhaupt Verhandlungen geführt wer- 392 Delegierten aus der Bevölkerung, mer 1991. Die Gruppe um General Dudajew den können, um die Wiederholung einer von Parteien und Bewegungen, religi- ergriff damals, gestützt auf sich selbst fehlerhaften Chassavjurt-Vereinbarung ösen Organisationen, tschetschenischen bewaffnende Verbände und die finanzi- zu vermeiden. General Lebed handelte Landsmannschaften in anderen Regionen elle Hilfe tschetschenischer und auslän- damals im Auftrag des Kreml einen Ver- der RF erörterten Verfassungsentwürfe, discher Geschäftskreise, gewaltsam die trag lediglich mit dem bewaffneten Teil sprachen sich für das Verfassungsrefe- Macht. Von Moskau eingeleitete Verhand- der tschetschenischen Gesellschaft aus, rendum aus und stellten in einer Resolu- lungen scheiterten an der ausufernden der ja an Stabilität und Rechtsordnung tion ausdrücklich fest: „Tschetschenien Gewalt gegen die friedliche Bevölkerung in keiner Weise interessiert war. Zivile, wünscht vollgleichberechtigtes Mitglied und russische Militärs. Allein im Zeit- gesellschaftliche Kräfte waren von den der Russischen Föderation zu sein.“ Die Be- raum Januar – Juni 1992 flüchteten 40 000 Gesprächen ausgeschlossen. Wozu dies völkerung wurde „zur Konsolidierung um Menschen aus der Region, etwa 5000 Op- in den Jahren 1996–99 geführt hat, ist die bestehenden Organe der Macht“ aufge- fer waren unter der Zivilbevölkerung zu bereits oben dargestellt worden. Schein- rufen. An alle Vertreter des tschetscheni- beklagen. Dudajew und seine Anhänger ergebnisse können somit nur zur weiteren schen Volkes erging der Appell „angesichts zeigten sich von Anfang an auf eine völlige politischen und religiösen Radikalisie- der schwersten Tragödie Tschetscheniens Unabhängigkeit Tschetscheniens bedacht rung im Nordkaukasus führen. ihren Gram, ihre gegenseitigen Vorwürfe und akzeptierten keine Gespräche über Ein großer Irrtum besteht darin, daß das beiseite zu lassen, ihre Ambitionen und andere Lösungen. Verhandlungen waren tschetschenische Problem einfach, schnell ihren Stolz zu mäßigen, sich namens der für den Militär Dudajew eine Waffe der und schmerzlos zu lösen sei. Dafür werden Wiedergeburt unserer Heimat zusammen- Schwachen. Er zeigte sich überzeugt, daß 10–15 Jahre benötigt und ein ganzer Kom- zuschließen“. nach dem Zerfall der UdSSR auch Rußland plex von Maßnahmen sowohl in Tschet- Im Vordergrund stehen nunmehr Be- auseinanderbrechen würde, und rechnete schenien und seitens der Tschetschenen mühungen um die Stabilität in und um sich Führungspositionen im Nordkauka- und ihrer eigenen zu schaffenden Admi- Tschetschenien. Risiken sind nicht zu sus aus. nistration als auch seitens der föderalen übersehen. Die Aufstellung einer Reihe Ein großer, an den Realitäten vorbeige- Zentralmacht. von Präsidentschaftskandidaten birgt die hender Irrtum ist anzunehmen, daß nur Welche Elemente einer möglichen schritt- Gefahr des Rückgriffs jener Bewerber, die die volle Unabhängigkeit Tschetscheniens weisen Stabilisierung in und um Tschet- scheitern, auf Gewalt nach den Wahlen. In dem Krieg und dem inneren Zerwürfnis schenien zeichnen sich gegenwärtig ab? jedem Falle geht es um einen Kandidaten ein Ende setzen könnte. Praktisch war ja Entsprechend dem Vorschlag einer Gruppe mit Autorität in der Republik und mit Tschetschenien in den Jahren 1996–99 von Autoritäten in der tschetschenischen Unterstützung des Kreml. Er muß ohne unabhängig. Die Folgen des vom separati- Gesellschaft wurde Ende 2002 ein reales negative Belastungen durch Kontakte stischen Regime errichteten grenzenlosen Verhandlungszeichen gesetzt, auf das auch mit Separatisten und darf kein Feind des Zentrums in Moskau sein. Und dies unter Willkürsystems nach innen und außen Putin mit folgenden Erklärungen reagier- sind weitgehend bekannt: Einführung Bedingungen, da es dort zuviel geteilte te: „Den Beginn des politischen Prozesses mittelalterlicher Gerichtsbarkeit (Schiri- Verantwortung für Tschetschenien, z. B. darf man nicht hinauszögern“, „die Armee jat), Sklavenhandel, an dem ca. 10 % der auch keinen Chefkoordinator für alle muß in den Kasernen bleiben“, aber „ein Männer direkt teilnahmen, Drogen- und Dienste unter Putin, gibt. zweitens Chassavjurt wird es nicht geben“. Waffenhandel, religiöser Extremismus, Auch einige Kompromißformeln in der Umschlagregion für Banditen vieler Her- Mit Erlaß des Präsidenten der RF wurden neuen Verfassung – sie beziehen sich auf ren Länder, Geiselnahmen und Terrorakte, die „Grundsätze über die Durchführung die durch gemeinsame Vollmachten der RF militärische und religiöse Expansion ge- des Referendums der Tschetschenischen und TschR „beschränkten“ Souveränität gen Nachbarrepubliken und Regionen, wie Republik über den Entwurf der Verfas- und den Begriff „Staatsbürgerschaft der z. B. der Einfall nach Dagestan, Bedrohung sung der Tschetschenischen Republik“, Tschetschenischen Republik“ – enthalten des ganzen Südens Rußlands. Man kann über die Entwürfe der Gesetze „Über die Widersprüche zur föderalen Gesetzge- sich kaum vorstellen, zu welchen Folgen Wahlen des Präsidenten der Tschetsche- bung und liefern damit Zündstoff. die Anerkennung eines solchen separati- nischen Republik“ und „Über die Wahlen Viel wird davon abhängen, inwieweit es stischen und dazu noch in sich zerstritte- zum Parlament der Tschetschenischen gelingt, eine möglichst breite Koalition po- nen Regimes führen würde. Republik“ bestätigt. Das Referendum zur litischer Kräfte in Tschetschenien für die Oft ist zu hören, daß bedingungslose Ver- Verfassung fand wie geplant am 23. März Rückkehr zu friedlichen Verhältnissen zu handlungen die einzige Möglichkeit zur 2003 statt. Die Beteiligung lag bei 65,5 %. gewinnen, auf dieser Grundlage und unter Lösung des tschetschenischen Problems Die Zustimmung war überwiegend. Die Nutzung von Traditionen eine legitimierte seien. Zweifellos haben Bandenchefs Präsidentschaftswahlen sind gleichzei- Regierungsstruktur zu schaffen, die sich internationale Organisationen und auch tig mit den Dumawahlen im Dezember auf eigene bewaffnete Kräfte stützen kann den Terrorakt in Moskau genutzt, um den 2003 vorgesehen. Tschetschenien soll (z. B. ein eigenes Innenministerium), die Kreml zu Verhandlungen zu zwingen. Of- künftig eine Präsidentenrepublik mit terroristischen Banden und deren finan- fensichtlich hat sich die Situation um Ma- einem Einkammerparlament sein. Die zielle Hilfsquellen zu liquidieren und schadow und Bassajew verschlechtert. Die Verfassung von 1992 wurde faktisch 1993 zugleich durchdachte Maßnahmen zur Kontrolle des Finanzflusses an die Terro- von Maschadow außer Kraft gesetzt. Alle Wiederherstellung des normalen Lebens risten beginnt zu wirken. Viele Sponsoren Rechte des Parlaments gingen auf den Prä- einzuleiten. Das ist ein komplizierter und aus arabischen Ländern werden vorsich- sidenten über. Das Verfassungsgericht der langwieriger Prozeß. Es wird sich in näch- tiger. Effektiver als große Militäropera- Republik wurde ebenfalls aufgelöst. Die ster Zeit zeigen müssen, in welchem Grade tionen erwiesen sich strenge Maßnahmen lokale Macht übten durch den Präsidenten Putin zur Suche politischer Lösungen ent- gegen private Banken, über die nach persönlich ernannte Präfekten aus. Unter schlossen ist. Ein Grunderfordernis sollte Tschetschenien kriminell oder halbkrimi- Maschadow gab es nur eine zugelassene jedoch unbedingt eingehalten werden: Je- nell erworbene Finanzmittel aus Rußland gesellschaftliche Bewegung – „der tsche- de Einmischung von außen im Interesse flossen. Verhandlungen scheinen somit tschenische islamische Staat“. Vertreter eigennütziger Ziele dieser oder jener Mäch- vor allem den Bandenchefs angesichts anderer Glaubensrichtungen wurden te, die nur den Separatisten und Terrori- dieser Situation nützlich zu sein. Weder vertrieben. Mit der Wiederherstellung sten dienen könnte, das bewußte Schüren Maschadow noch die „Feldkommandeure“ einer verfassungsgemäßen Ordnung sol- des Konflikts, müssen unbedingt zurück- können jedoch ihren Anhängern und schon len Glaubensfreiheit und verschiedene gewiesen werden. Sie liegen keinesfalls im gar nicht der friedlichen Zivilbevölkerung Parteien und gesellschaftliche Organisa- Interesse der so wichtigen Stabilisierung eine akzeptable Zukunft, die Rückkehr tionen wieder zugelassen werden. in dieser Region. Bruno Mahlow Seite 24 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 25

Renegaten aus der einstigen PVAP schickten polnische Truppen nach Irak Washingtons Warschauer Komplizen

Im Vorfeld der USA-Aggression gegen nicht vergessen werden, daß die 363 400 „Opposition“ war schon immer extrem pro- Irak kam es in Polen zu heftigen Debatten. Mann umfassende Polnische Volksarmee amerikanisch. Allein die linksbäuerliche Anlaß dafür war die Versicherung der die zweitstärkste Militärgruppierung des „Selbstverteidigung“ unter Andrzej Lep- „linken“ Minderheitsregierung, den von Warschauer Vertrages darstellte. Seit ih- per spricht sich als einzige große Partei Frankreich und der BRD abgelehnten im- rer Auslieferung an die NATO war damit entschieden gegen die US-Aggression aus perialistischen „Präventivschlag“ vorbe- zu rechnen, daß sie einen besonderen Platz („Unsere Soldaten sofort zurück, dafür haltlos zu unterstützen. Damit schränkte in den Planungen Washingtons und Brüs- Kwasniewski und Miller in die Wüste!“). Warschau seinen außenpolitischen Hand- sels einnehmen werde. Doch sie hatte erst in letzter Zeit wochen- lungsspielraum in Europa beträchtlich Auf einer Pressekonferenz am 21. März lang mit spektakulären Massenblockaden ein. Bemühungen, das im nachhinein versuchten Präsident Kwasniewski und gegen die Landwirtschaftspolitik der Re- durch Besuche des polnischen Außenmi- Premier Miller (früher Mitglied des Po- gierung protestiert und braucht jetzt eine nisters in Berlin und Paris auszutarieren, litbüros der PVAP) die Bevölkerung zu Erholungspause. Die pragmatisch denken- blieben ergebnislos. EU-Anhänger in beruhigen. Gefahr für Polen bestünde den Bauern sehen überdies in der nahen EU Polen betrachten die einseitige Parteinah- nicht, der Luftraum sei ungefährdet, die und nicht in den fernen USA ihren haupt- me für die USA als schweren politischen Lage an den Grenzen stabil usw. So spre- sächlichen Widerpart. Sie werden kaum Fehler, der vor allem deutsche und fran- chen keine Staatsführer, deren Land nicht gegen Washington demonstrieren. Den zösische Investoren abschrecken könnte. irgendwie kriegsbeteiligt ist. Die Realität Krieg lehnte auch die kleinste parlamen- Als dann hierzulande bekannt wurde, die sieht übrigens anders aus: Verschärfte tarische Gruppierung Polens ab: die reak- meisten Deutschen hätten bei Umfragen Kontrollen an den Grenzen und erhöhte Po- tionäre klerikal-politische Liga Polnischer einen polnischen EU-Beitritt für nicht lizeipräsenz in den Städten fielen ins Auge. Familien (LPR). Ähnlich verhielten sich wünschenswert gehalten, fühlten sie sich Wochenlang wurde über die Gefahr von mehrere nationalistische Splittergruppen. in ihrer Meinung bestätigt. Immer offener Massenvernichtungswaffen gesprochen, Die Bauernpartei PSL kritisierte allein das wird davon gesprochen, die Warschauer man zeigte Bunker und erteilte entspre- fehlende Einverständnis des Sejm. Wie in Regierung erweise sich als Lakai der USA, chende Hinweise. Truppenschutzmasken einer verkehrten Welt rechtfertigen also was auf die Dauer nicht gutgehen könne. gingen weg wie warme Semmeln. ehemalige hohe PVAP-Funktionäre die In diesem Zusammenhang wird auch der Unbehagen rief auch die Ankündigung des USA-Aggression, während gestandene Kauf zeitlich überholter, aber teurer ame- Präsidenten hervor, Polen werde sich am Antikommunisten sie z. T. verurteilen. rikanischer Militärmaschinen als völlig Wiederaufbau des besiegten Irak beteili- So weit hat die „Demokratisierung“ einer unnötig kritisiert. Angeblich sollten ihm gen. Wo kommt das Geld dafür her, fragen früher marxistischen Partei also geführt. großzügige US-Investitionen folgen. sich viele. Aus den stark gekürzten EU- Es versteht sich von selbst, daß Polens we- Nachdem George W. Bush dem Präsidenten Mitteln, mit denen die Anschlußbefürwor- nige aufrecht gebliebene Kommunisten in Kwasniewski versichert hatte, Polen sei der ter um Zustimmung für das bevorstehende bezug auf den Kriegskurs der USA korrekte treueste Verbündete der USA in Europa (!), Referendum werben? Nur wenigen ist klar, Positionen einnehmen. fühlte sich dieser übergelaufene einstige daß höchstwahrscheinlich polnische Sol- Eine besonders üble Rolle spielt das Minister Volkspolens in die Pflicht genom- daten als Besatzer für amerikanische Ölin- Fernsehen. In den knappen Informations- men, seinen Beitrag zur „Befreiungsopera- teressen ihren Kopf hinhalten sollen. sendungen erfuhr man kaum etwas über tion“ in Irak zu leisten. Eine Spezialeinheit Dabei war die Mehrheit der Polen nach den realen Verlauf der Kämpfe. Die mit der chemischen Truppen und die Antiter- Umfragen von Beginn an gegen diesen Lügen gespickte Berichterstattung war roreinheit „Grom“ wurden in die Golf-Re- Krieg. Immerhin hatte sich selbst der verschwommen und chaotisch. Hohe pol- gion entsandt. Diesen Einsatz begründete polnische Papst für den Frieden enga- nische Militärs veranstalteten ohne jede man fadenscheinig mit der „Erfüllung giert. Doch im Gegensatz zu anderen Kenntnis der Lage vor Ort Sandkasten- von Bündnisverpflichtungen gegenüber Ländern hielt sich der öffentliche Protest spiele am Bildschirm. Sie rechtfertigten den USA“. Ein Truppeneinsatz außerhalb in Grenzen. Schließlich sollte man nicht den Feldzug von Bush und Blair. Über An- Polens verlangt laut Verfassung aber das vergessen, daß Polen wahrscheinlich tikriegsproteste wurde in den polnischen Einverständnis des Parlaments. Gegen das einzige Land Osteuropas ist, in dem Medien kaum berichtet. Angegebene Teil- den Präsidenten richtete sich daher so- eine regelrechte Massenfaszination in nehmerzahlen waren nach unten korri- fort der Vorwurf des Verfassungsbruchs. bezug auf die USA herrscht. Immerhin giert. Kritische Positionen ließ man selten Kwasniewski wiegelte jedoch ab, da es leben in den Vereinigten Staaten etliche zu oder zerredete sie. Die antiirakische sich lediglich um Truppen handele, die Millionen Bürger polnischer Abkunft. So „Information“ überschlug sich. „unterstützend“, nicht aber kämpfend im könnte Bush in Warschau unbelästigt von Unterdessen überziehen neue Protestak- Einsatz wären, so daß sich Polen nicht Protesten ein „Bad in der Menge“ nehmen. tionen gegen den massiven Sozialabbau im Krieg befände. Genau das aber wird Denn es gehört Mut dazu, hier offen gegen das Land. In allen niederschlesischen von polnischen Völkerrechtlern vehe- die USA aufzutreten. Zudem gibt es keine Krankenhäusern kam es wegen des ment bestritten. Die „Grom“-Leute sind einflußreiche politische Kraft, die die Mangels an Medikamenten und anderen zur Brechung besonders hartnäckigen Massen auf die Straßen bringen könnte. Mitteln zu Streiks. Eine mächtige Wider- Widerstands in Ortschaften vorgesehen. Die regierenden „Linken“ sind inzwischen standswelle Arbeitsloser mit über 500 000 Inzwischen gaben die Amerikaner peinli- hoffnungslos den USA verfallen, und die Teilnehmern ging durch ganz Polen. Schon cherweise bekannt, daß neben ihren Leu- jetzt zeichnet sich nach Umfragen ab, daß ten, Briten und Australiern auch Polen im die sogenannten Linken der SLD bei den Kampfeinsatz gestanden hätten. So wurde nächsten Wahlen einbrechen dürften. Kwasniewski Lügen gestraft. Angesichts Das würde für Kommunisten und andere des unerwarteten irakischen Widerstan- sozialistische Kräfte die Chance eröffnen, des kündigte der Verteidigungsminister wieder stärker zum Zuge zu kommen und (er war in Volkspolen Vorsitzender des im wahrsten Sinne des Wortes Flagge Sozialistischen Jugendverbandes) die zu zeigen. Wie man sieht, ist die oben Entsendung weiterer polnischer Verbän- beschriebene relative „Ruhe“ an der An- de an. Schon am 6. Kriegstag wurden tikriegsfront trügerisch. Die Leute um zusätzliche Soldaten ins Kampfgebiet Miller sollten sich nicht in allzu großer beordert. In diesem Zusammenhang darf KP Griechenlands: Raus aus dem Krieg! Sicherheit wiegen. Stefan Warynski Seite 26 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 27

Djindjic-Attentat löste innenpolitische Terrorwelle aus Serbien im Ausnahmezustand

Der Beginn des Krieges gegen Irak er- gerkolonnen für seinen Putsch bezahlten, Anschlägen von der NATO gehätschelter innerte daran, daß sich fast zeitgleich, hat das Land als Regierender schamlos Separatisten hat sich ausgebreitet. am 24. März, der feige Überfall von 19 verkauft und verwüstet – bis hin zur Auf- All diese „Demokratisierungsfolgen“ gehen NATO-Staaten auf die BR Jugoslawien lösung des Staates Jugoslawien. Fabriken, auf das Konto der Politik von Zoran Djin- zum vierten Male jährte. Die Schröder-Fi- Kombinate, Handelsunternehmen, Presse, djic. Das hat ihn zum meistgehaßten Mann scher-Regierung, damals völlig unbeirrt Banken, die ganze Wirtschaft – zuvor teil- des Landes werden lassen. „Hitlers Enkel“ vom fehlenden UNO-Mandat, das sie dies- weise noch in Arbeiterselbstverwaltung nannten ihn manche in Belgrad. Wie Um- mal einforderte, hatte einen maßgeblichen – wurden, wenn nicht zerschlagen, zu fragen zeigten, konnte er sich auch keiner Anteil an der Aggression und handfeste Spottpreisen an westliche Konzerne ver- Wahl mehr stellen. Als sein Kandidat für eigene Balkaninteressen. Das tödliche schachert. Ein großer Teil ging in die Hän- das serbische Präsidentenamt im Herbst Attentat auf den serbischen Ministerprä- de von BRD-Monopolgruppen über. Die 2002 durchfiel, wurden die Wählerlisten sidenten Zoran Djindjic hat seine Hinter- Rede von der „neuen deutschen Invasion“ mit etwa 800 000 „toten Seelen“ so aufge- gründe auch in diesem Bestreben des neu- gehört heute in Belgrad zu den geflügelten bläht, daß die Beteiligung unter 50 % sank, en Großdeutschland nach Zerstückelung Worten. Zur Durchsetzung ihrer Interes- womit die ganze Abstimmung ungültig und Kolonialisierung Jugoslawiens. Gab sen haben sich diese Invasoren eine kleine wurde. es Kräfte anderer imperialistischer Staa- Schar von Kollaborateuren herangezüch- Was seit dem Attentat geschieht, spricht ten, die den deutschen Vorherrschafts- tet, die in Luxus lebt und im Stil mafiöser eine klare Sprache. Die Hysterie des 11. drang in der Region stoppen wollten? In Gangsterbanden agiert. September 2001 fand ihre Neuauflage. Belgrad wurde Djindjic nämlich wegen Die breiten Volksmassen hingegen vege- Über ganz Serbien wurde sofort der Aus- seines BRD-Stallgeruchs auch „Zoran, der tieren unter kaum vorstellbaren Bedin- nahmezustand verhängt. Man begann mit Deutsche“ genannt. Das lag nicht nur an gungen. Hier soll nicht vom NATO-okku- der Fahndung nach Angehörigen eines den vom CDU-Lobbyisten Hunzinger be- pierten und von Serben, Juden und Roma ominösen, dem organisierten Verbrechen zahlten Maßanzügen, die er trug. Es gab weithin „ethnisch gesäuberten“ Kosovo ge- zugerechneten „Zemun-Clans“. Massen- auch andere Gründe für diesen Namen: Die sprochen werden, wo ein serbisches Wort verhaftungen setzten ein. Bis Ende März Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD stellte unter Umständen tödliche Folgen haben arretierte man über 4000 Menschen, von in ihrem Jahresbericht 2000 in bezug kann. In den beiden Republiken Serbien denen 1000 in Haft blieben. Darunter be- auf den Putsch gegen Slobodan Milosevic und Montenegro ist von über 50 % Arbeits- finden sich nicht nur führende Mitglieder unumwunden fest: „Dabei konnte die FES losen auszugehen. Während Löhne und der Sozialistischen Partei Serbiens und – in enger Zusammenarbeit mit deutschen Renten fast unverändert blieben, stiegen der Jugoslawischen Linken (JUL), Vertre- Regierungskreisen – auf die langjährige die Lebenshaltungskosten, vor allem für ter der Milosevic-Verteidigungskomitees Partnerschaft mit wichtigen Leitfiguren einfache Grundnahrungsmittel wie Brot und Personen, die als „Nationalisten“ des Umsturzes zurückgreifen: Zoran Djin- und Öl, ins Astronomische. Gewerkschaft- gelten oder von den herrschenden Kräf- djic, General Vuk Obradovic, Zarko Korac, liche Rechte wurden beiseite gefegt. Das ten als anderweitig „politisch gefährlich“ Branislav Canak, Goran Svilanovic und früher vorbildliche Gesundheitswesen ist eingestuft werden. Festgenommen oder die Wissenschaftler der Gruppe G 17 um zusammengebrochen, Armutskrankhei- mit hohen Geldstrafen belegt wurden 30 Miroljub Labus.“ ten und Kindersterblichkeit grassieren. Verlagsleiter und Journalisten. Man ver- Der „demokratische Erleuchter“ Djindjic, Eine bis zum Sturz von Milosevic unge- bot – ganz oder zeitweilig – oppositionelle dem die NATO-Aggressoren und westliche kannte Angst vor Verbrecherbanden und Medien; am 18. 3. zum Beispiel die gesamte Geheimdienste Propaganda wie Schlä- – vor allem in Südserbien – terroristischen Auflage von „Novosti“, der größten Tages- zeitung Serbiens. Der Anschlag auf Djindjic und der Ausnah- Zur Einrichtung eines Büros der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Prag mezustand wurden für eine umfassende politische Säuberung des Staatsapparates von „Resten des alten Regimes“ genutzt, Erklärung der KSCM hieß es in einem Radiokommentar. In- In der tschechischen politischen Szene en oder Antipathien zum Ausdruck; er ist zwischen feuerte man etwa drei Dutzend wiederholen sich ständig Versuche, Hal- auch Vertreter seiner Wähler und sollte verfassungstreue Richter und Staatsan- tungen durchzusetzen, die sudetendeut- deren Interessen wahrnehmen. wälte. Entlassen wurde auch der Chef des schen Forderungen entgegenkommen. Die Teilnahme zweier Senatoren und eines Inlandsgeheimdienstes, der als Vertrau- Sie gehen nicht nur vom Ausland, sondern Abgeordneten erhoben die Eröffnung des ter des „gemäßigt nationalistischen“, je- auch von heimischen Quellen aus. Die ab- Büros irgendeiner Interessenvertretung denfalls den Totalausverkauf des Landes solute Mehrheit der tschechischen Bürger de facto zu einem politischen Akt. Es wur- ablehnenden Präsidenten Kostunica gilt. ist mit einem derartigen Vorgehen nicht de versucht, erzkonservativen deutschen Gefahndet wird aufgrund konstruierter einverstanden, aber für manche Politiker Kreisen den Zutritt zur tschechischen poli- Beschuldigungen nach Mirjana Markovic, zieht das nur eine Veränderung in der Tak- tischen Bühne zu erzwingen – einschließ- der Frau von Milosevic, die sich allerdings tik nach sich. lich der Forderungen nach Entschuldi- in Rußland aufhält. Doch „das Beste“ zum Die Sudetendeutsche Landsmannschaft gung auf CR-Seite und vor allem nach Schluß: Der angeblich meistgesuchte konnte jetzt in Prag ein Büro etablieren. Rückgabe von Eigentum. Mit Befremden Mann Serbiens, der „spurlos verschwun- Sie tarnte es als gewerbliche Einrichtung, registrierten wir auch die Teilnahme des dene“ Anführer des „Zemun-Clans“ und um damit tschechische Gesetze zu umge- EU-Botschafters Ramiro Cibriano. Chefplaner des Attentats ist Milorad hen. Aber schon zur Eröffnung hielten die Das Exekutivkomitee des ZK der Kommu- Lukovic – ehemaliger Kommandeur jener Repräsentanten der Landsmannschaft nistischen Partei Böhmens und Mährens Elitepolizeitruppe, die beim Putsch gegen mit ihren politischen Ambitionen nicht (KSCM) ist überzeugt, daß eine Neuschrei- Milosevic auf die Seite von Djindjic über- hinterm Berge und sprachen sogar von bung der Geschichte, die in die Revision lief, was das Kräfteverhältnis zugunsten ihrer „Botschaft“. Es ruft Verwunderung der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges der prowestlichen Kreise kippte. Er leitete hervor, daß sich dieser höchst politische münden würde, nicht zugelassen werden auch das gescheiterte Kommandounter- Vorgang in Anwesenheit zweier Senato- kann. Die Revanchisten – einschließlich nehmen, bei dem das Haus von Milosevic ren des Parlaments der Tschechischen der tschechischen – müssen politisch gestürmt, der Präsident entführt und Republik (Jan Ruml, Union der Freiheit; isoliert und zurückgewiesen werden. Wir ermordet werden sollte. Zwar verhaftete Frantisek Mezihorák, CSSD) und eines schätzen es als unannehmbar ein, daß es man den Nachfolger von Lukovic und Abgeordneten (Vladimír Riha, KDU-CSL) der Senat des Parlaments der Tschechi- dessen Stellvertreter als vermeintliche abspielte. Auf diese Weise waren alle Par- schen Republik auf seiner ordentlichen Attentäter, doch bleibt die Frage, in wel- teien der Regierungskoalition bei dieser Sitzung abgelehnt hat, zu den Aktivitäten chen Geheimdienstzentralen der „freien Aktion vertreten. Ein verfassungsmäßiger zweier seiner Mitglieder Stellung zu be- Welt“ statt der Gedenkkerze für „Zoran, Repräsentant – als der jeder Senator oder ziehen und auf diese Weise die politischen den Deutschen“, Champagner getrunken Abgeordnete zu betrachten ist – bringt kei- Zusammenhänge auf das rechte Maß zu wurde. Vielleicht in Langley? neswegs nur seine persönlichen Sympathi- bringen. Übersetzung: Klaus Kukuk Werner Hoppe Seite 26 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 27

Kräht Aznar von einem fast abgesägten Ast? Spanien in Bewegung

Bei Berichten über Massendemonstra- zu bringen. Bei all dem blieb die weiter an- Stadt gegen Bushs, Blairs und Aznars tionen gegen den Irak-Krieg stachen die dauernde Ölpest stets im Bewußtsein: „Sie Krieg. Am 30. März wurden auf der Plaza Teilnehmerzahlen, die aus Spaniens gro- sollen nach Galicien kommen, wenn sie Öl de Catalunya, dem größten Platz der ka- ßen Städten gemeldet wurden, besonders wollen – wir haben genug davon!“, rief man talanischen Metropole, 50 000 schwarze hervor: 1,2 Millionen in Madrid, über auf Demonstrationen an der verseuchten Luftballons bei Sirenengeheul zum Plat- 1 Million in Barcelona, 250 000 in Sevil- Atlantikküste Nordwestspaniens. Und zen gebracht. In einer kleinen Stadt mit et- la, Zehntausende in Valencia, Zaragoza, überall wurde mit dem Nein zum Krieg wa 10 000 Einwohnern demonstrierte die Bilbao, Albacete, Ungezählte vor den unüberhörbar auch das Wort „Dimisión!“ Hälfte der Bevölkerung. Die Bürgermei- USA-Stützpunkten Rota bei Cadíz, Torejón verbunden – die Forderung nach Rücktritt ster, auch in einem 200-Seelen-Dorf, riefen bei Madrid und und und ... Der Sprecher der Regierung. dazu auf, sich auf den zentralen Plätzen eines Nachrichtensenders stellte fest, der Als besonders stark und einmütig erwies zu Schweigeminuten zu versammeln, und Widerstand gegen den Krieg sei in Spanien sich der Widerstand der Katalanen. Er viele erschienen, während die Kirchen ihre der umfassendste und konsequenteste von reichte dort bis in die kleinsten Dörfer. Glocken läuteten. Massive Proteste gab es allen Ländern Europas. Am 26. März gab es einen ersten, 15 Mi- Das hat zweifellos auch Gründe in der nuten dauernden Generalstreik; Busse auch nach der Ankündigung der USA, eine kriecherischen Unterwürfigkeit von Re- und Eisenbahnen fuhren nicht mehr, Be- Übertragungsstation von „Radio Liberty“ gierungschef Aznar gegenüber seinen triebe, vor allem Großunternehmen, lagen bei einem kleinen katalanischen Ort für Washingtoner Kriegsherren sowie in sei- still. Schüler blockierten Autobahnen und Hetzsendungen in die arabische Welt zu ner maßlosen Arroganz und Ignoranz in große Nationalstraßen; einige hielten dort nutzen. Die komplette Fußballmannschaft bezug auf die Interessen des Volkes und sogar Unterricht ab – über die Geschichte des FC Barcelona demonstrierte vor Spiel- die Lage im eigenen Land. Wegen seiner Iraks! Doch nicht nur die Jugend, buch- beginn am 23. 3. mit einem Transparent zunehmend diktatorischen Manieren stäblich Menschen jeden Alters, standen „Barca für den Frieden“. Und mehr als wird er von immer mehr Menschen mit in der Frage des Krieges contra Madrid. jemals in den vergangenen Jahren erin- Franco, bei dem er einst politisch in die So wäre es nicht richtig, von einer Pola- nert man sich an den Bürgerkrieg und die Schule ging, verglichen. risierung des Landes zu sprechen. Den Intervention des deutsch-italienischen Nach übereinstimmenden Umfragen er- Krieg bejahte nur eine winzige Minderheit Faschismus. klärten sich 92 % der Spanier gegen den von Bonzen und Bossen, unterstützt durch Krieg – also auch die überwiegende Mehr- eine plumpe Kriegspropaganda der regie- Am 10. April fand der zweite Generalstreik heit jener, die Aznar und dessen rechtskon- rungstreuen Medien. Einen Kontrast dazu gegen den Krieg statt. Er dauerte zwei servativ-faschistoide „Volkspartei“ einst bildeten die katalanischen Sender und Zei- Stunden und kam trotz des Boykotts von wählten, unter ihnen selbst große Teile der tungen, die die Antikriegsbewegung aktiv Teilen der einstmals kommunistisch ge- Polizei. Für zusätzliche Empörung sorgte unterstützten. führten Gewerkschaftszentrale Comisio- daher die Tatsache, daß sich zivile Poli- Jeden Mittwoch seit Kriegsbeginn wurde nes Obreras (C. C. O. O.) zustande, deren zeiagenten unter die Menge mischten, um es in Barcelona für 15 Minuten sehr laut: Spitzenkräfte sich inzwischen zum Teil durch gewalttätige Provokationen den Wi- Mit Autohupen, Töpfen, allem, was Lärm den Positionen der Volkspartei Aznars derstand der Friedenskräfte in Mißkredit macht, protestierten die Bewohner der angenähert haben. Werner Hoppe

Wie polnische EU-Gegner ein Nazi-Plakat ummünzten Arbeit „u bauera“

Die polnische Regierung sieht im EU- benen Zwangsarbeiter waren vor Beitritt das Allheilmittel. Stunde für allem für die Sklavenarbeit in der Stunde wird in den elektronischen Rüstungsindustrie bzw. auf den Medien dafür geworben. Ein Refe- Feldern von Nazi-Gutsbesitzern rendum soll im Juni darüber ent- vorgesehen. Für die Groß- und Mit- scheiden. Besonders intensiv wendet telbauern hingegen reichte ihre Zahl man sich an die lebensunerfahrene nicht aus. Daher wurden im besetz- Jugend und gaukelt ihr eine glänzen- ten Polen „Freiwillige“ geworben, um de Zukunft in der EU vor. Mit leeren „u bauera“ (beim Bauern) zu arbeiten. Versprechungen und der Verbreitung Tatsächlich meldeten sich viele hun- von Illusionen wird nicht gegeizt. gernde junge Polen, weil sie glaubten, Erst jüngst – am 24. März – sugge- so eine Möglichkeit zum Überleben rierte man einem jugendlichen Pu- zu finden. Nach der Befreiung kehr- blikum zu bester Fernsehsendezeit, ten sie genauso arm in ihre Heimat EU-Mittel würden nach Polen fließen zurück, wie sie gekommen waren. wie weiland aus der BRD nach Ost- Jetzt wurde das erwähnte Propa- deutschland. gandaplakat der Faschisten einfach EU-Gegner warnen vor einem Beitritt. aktualisiert. Über einem glücklich Dabei lassen sie sich etwas einfallen. dreinschauenden jungen Landar- Auch ein umgemünztes Werbeplakat beiterpaar kann man lesen: „Es gibt aus faschistischen Okkupationsta- Arbeit beim Bauern, jetzt also auf in gen wird geschickt genutzt. Während die EU!“ Und darunter stehen die des Zweiten Weltkrieges fehlten in Worte: „Jeder Pole erhält nach dem Hitlerdeutschlands Landwirtschaft Beitritt einen Mercedes ... zum Wa- Arbeitskräfte. Die zusammengetrie- schen.“ Stefan Warynski Seite 28 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 29

Alexander Lukaschenko über die belorussische Staatsideologie Festhalten am Marxismus-Leninismus

Belorußlands Präsident Alexander Luka- verbrannt und auch nicht schenko hat auf einer der turnusmäßigen die Absicht, das in Zukunft Sitzungen des Seminars für Mitarbeiter zu tun. zentraler und örtlicher Staatsorgane die Auf einer Sitzung des Ra- „Grundlagen der belorussischen Staats- tes der Union Kommuni- ideologie“ formuliert. Er erklärte, daß stischer Parteien-KPdSU die kommunistischen Ideen leben werden, erklärte dessen Vorsit- solange es Menschen gibt. Die Ideologie sei zender Gennadi Sjuganow, für einen Staat das Immunsystem. Wenn der auch Vorsitzender des dieses zerstört werde, könne jede noch so ZK der KPRF ist, unter unbedeutende Infektion zum Tode führen. anderem: „... In Beloruß- Das zeigten auch die bitteren Erfahrungen land sind die Grundlagen des Untergangs der Sowjetära, als die In- des Sozialismus erhalten fektion durch Nationalismus, Geistlosig- geblieben ...“ keit und Konsumdenken diese Immunität Eberhard Bock zerstört habe. Die Kommunisten hätten es zwar verstanden, das System der ideologi- schen Arbeit gut zu organisieren und zur Vollkommenheit zu führen, es dann aber durch Formalismus zugrunde gerichtet. Hinzugekommen sei eine „völlige Zerrüt- tung in den Köpfen der neueren Generation kommunistischer Führer“. Lukaschenko Warum man trotz allem zuversichtlich sein kann sagte wörtlich: „Sie haben den Glauben an den Marxismus-Leninismus verloren (wenn sie überhaupt je an ihn geglaubt Über Bewußtseinswandel haben) ... Einige haben wohl niemals auch nur ein Büchlein über ihn gelesen ...“ Soll sich in der politischen Praxis etwas erheblicher Bewußtseinsschub erforder- zum Positiven verändern, so hängt das lich, bis wirkliches Klassenbewußtsein Der Präsident stellte dann die Frage, von entsprechenden Wandlungen im entstehen kann. welche die weltanschaulichen Grundla- Bewußtsein der Menschen ab. Anders ge- Ich entsinne mich, daß ich vor einigen gen der belorussischen Staatsideologie sagt, immer mehr von ihnen müssen sich Jahren, als ich noch der PDS angehörte, sein müßten. „Die für alle in diesem Saal fortschrittlich entwickeln. Dazu einige in einer Gruppenversammlung sagte: Sitzenden verständlichste und natürlich Gedanken. Die bürgerliche Regierung ist im Grunde nächststehende Ideologie ist die kommu- Es war zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. nichts anderes als das Büro der Konzerne nistische“, sagte er. Das Fiasko des Sozia- Meine Mutter und ich (wir beide waren und des Finanzkapitals. Diese Formulie- lismus bedeute nicht deren Tod ... Mit der erst wenige Jahre zuvor aus Zuchthaus- rung überraschte die Genossen, sie wur- haft und KZ entlassen worden) standen am kommunistischen Weltanschauung habe den nachdenklich. Wenige Jahre später ist Straßenrand inmitten einer zahlreichen das Allgemeingut von Millionen. Belorußland große Siege über Armut, An- Menge, die zuschaute, wie ein Trupp Sol- alphabetentum und Nazismus errungen. Der Überfall auf Irak hat vollends das daten zu einem Sammelpunkt marschier- Geheimnis bloßgelegt, in dem Kriege ent- Mit ihr sei der Weg in den Kosmos gebahnt te. Mit Zorn und Erbitterung beobachteten stehen. Jetzt ist es kein „Geheimnis“ mehr. worden. „Immer hat Belorußland solchen wir, wie die Menschen ihre „patriotische“, Große Teile der Erdbevölkerung wissen, Prinzipien wie Kollektivismus, Patriotis- siegessichere Gesinnung zum Ausdruck daß es der USA-Regierung allein um die mus und soziale Gerechtigkeit entspro- brachten, indem sie den „Kriegern“ im- Macht in der Welt und um den Besitz von chen. Das hohe Prestige der Bildung, die mer wieder Blumensträuße überreichten. Bodenschätzen geht. Vor allem ums Öl. Wir Formen des moralischen Anreizes und vie- Kaum jemand hatte wohl eine Ahnung können also eine enorme Veränderung im les andere, was Teil unseres Lebens wurde davon, um was es in diesem Krieg wirklich Bewußtsein der Menschen feststellen. ging, welchen Charakter er besaß. Das – all das muß organisch eingehen in das Das haben die Massendemonstrationen politische Bewußtsein der meisten befand ideologische Fundament der modernen der Friedenskräfte bewiesen, die größten sich unter dem Einfluß der nazistischen belorussischen Gesellschaft ... Die kom- Propaganda auf dem Tiefpunkt. seit Vietnam, vielleicht seit dem Ende des munistische Ideologie, gegründet auf die Auch in späteren Zeiten machte ich ähn- Zweiten Weltkriegs. Natürlich handelt es Weltanschauung des Marxismus-Leninis- liche Beobachtungen. Und heute zeigt sich hierbei nicht um Klassenbewußtsein. mus, muß zu einem der Hauptbestandtei- sich das schwach entwickelte politische Als ich im November 2002 meinen 90. le der belorussischen Ideologie werden ...“ Bewußtsein z. B. darin, daß Wähler, die Geburtstag im Kreise von Genossen und Freunden beging, glaubten viele noch Die nicht allzu große Republik Belarus von der CDU enttäuscht sind, beim näch- sten Mal für die SPD stimmen. Da auch nicht daran, daß eine ernsthafte Kraft (an deren Spitze der von der einheitlichen diesmal die Enttäuschung nicht ausbleibt, gegen die vor allem militärisch übermäch- KP und allen Patrioten Belorußlands entscheiden sie sich beim übernächsten tigen USA entstehen könnte. Im Bericht unterstützte Präsident steht) sei „das Mal wieder für die CDU. Das geht immer aus meinem Leben, den ich auf der Feier letzte Aufmarschgebiet, die letzte Bastion so weiter. Dem Wahlvolk ist nicht bewußt, kurz vortrug, brachte ich die Zuversicht geblieben, die auf staatlicher Ebene die daß beide Parteien ebenso wie die anderen zum Ausdruck, daß sich im Augenblick geistigen Hauptwerte des belorussischen, zur Regierungsbeteiligung strebenden der Notwendigkeit neue Friedens- und des russischen und aller anderen Völker Stimmenbewerber keinerlei Interesse Klassenkräfte entwickeln würden. Das ist auf dem Gebiet der einstigen UdSSR ver- daran haben, die Anliegen der Lohnemp- inzwischen eingetreten. teidigt ...“ fänger, Arbeitslosen und kleinen Rentner Die USA sitzen auf einem Pulverfaß. In zu vertreten. Machtausübung oder Regie- gar nicht allzu ferner Zukunft werden die Man sollte wissen, daß Alexander Luka- rungsverantwortung heißt nun einmal im Volksmassen, die Friedenskräfte, die Lin- schenko in einem Interview nach seiner bürgerlichen Staat dafür zu sorgen, daß ke, die kommunistischen Parteien wieder Wahl zum Präsidenten Belorußlands auf das Großkapital Maximalprofite einfah- eine wesentlich größere Rolle spielen. Ich eine entsprechende Frage erklärte, er habe ren kann. Da das von den meisten vorerst bin da ganz optimistisch. niemals sein kommunistisches Parteibuch nicht wahrgenommen wird, ist noch ein Herbert Thomas Seite 28 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 29

unmenschliches Mittel – welcher – Politik? fl ießen denn über die Gräber der in den Leserbriefe an Haben die Kriegsverbrecher nicht Namen Vernichtungslagern der Nazis umgebrach- und Gesicht? ten Andersrassigen und Andersgläubigen ROTFUCHS Porsch verkündete auch eine faszinieren- lyrische und epische Tränenbäche hin. Wi- de Utopie: „Es mag utopisch, ja verrückt derstand? Totgeschwiegen oder delegiert klingen: Für mich wäre die beste Lösung auf eine Offi zierselite, die vom Naziregime im aktuellen Fall gewesen, die Iraker hät- abrückte, als es mit ihm unaufhaltsam zu ten die Amerikaner mit samt ihren Waffen Ende ging. (...) Karl Mundstock, Berlin Liebe Genossen, seit einiger Zeit erhalten freiwillig ins Land gelassen, ohne daß ein wir regelmäßig den „RotFuchs“. Ich freue Schuß abgegeben wird. Das wäre ein toller Die Veranstaltung mit Prof. Rüter, über die mich immer, wenn die Zeitschrift ankommt. Job für den Chef der Waffeninspekteure, Dieter Skiba in Nr. 63 berichtet hat, war in Denn der Inhalt ist lehrreich, meist gut Herrn Blix, gewesen: Alle irakischen und der Tat wie Labsal. Es ist schon erfreulich, geschrieben und bestätigt zum Großteil amerikanischen Waffen – Schießgewehre, wenn die Kraft der Tatsachen gelegentlich unsere eigenen Gedanken in bezug auf Bomben, Raketen und Flugzeuge – werden gewinnt und Wissenschaftler die Wahr- das, was in der Welt vor sich geht, wie auch in der Wüste auf einen Haufen geworfen heit vermitteln. Es bleibt zu hoffen, daß hinsichtlich des Weges zum Sozialismus, und friedlich zerstört.“ Die Vision Bertha das Material der Konferenz vom Oktober des Weges aus der Misere, zu Frieden und von Suttners „Die Waffen nieder!“, die über 2002 veröffentlicht wird. Glücklicherweise Gleichberechtigung. Ich habe allerdings einhundert Jahre alt ist, als aktuelle Auf- haben sich auch altbundesdeutsche Bür- eine Kritik, und zwar in Sachen von Mei- gabe? Die Vision ist nicht „verrückt“, aber ger mit der schonenden Behandlung ehe- nungsverschiedenheiten. Da wird mir oft im Falle Irak realistisch? Zunächst eine maliger Nazis in der BRD nicht zufrieden zu sehr polemisiert, d. h., man beschäftigt Analogie (die jetzt oft mißbraucht wird, u. a. gegeben. Ich erinnere hier nur an Günther sich mehr mit Formulierungen als mit dem von Angela Merkel, Paul Spiegel, Michael Schwarbergs Beitrag „Die Mörderwasch- Wesen der Sache. (...) Wolffsohn usw.): Hätte nicht auch Hitler es maschine“ in einem Buch zu Ehren von Ist es möglich, ein Freiexemplar der Zeitung als „beste Lösung“ gewünscht, wenn die Robert Kempner (1989). Das Material trug an eine Freundin in Bochum (Adresse bei- faschistischen Aggressionen nach dem den Untertitel: „Wie die bundesdeutsche gefügt) zu schicken? Muster von „München“ hätten fortgesetzt Justiz die Verbrechen der Faschisten mit Maximilian und Hannelore Stand, werden können? Würden es Bush und Hilfe von Einstellungsbeschlüssen bewäl- Croton-on-Hudson, N. Y., USA die Seinen nicht auch als „beste Lösung“ tigte“. Es sei auch vermerkt, daß nach 1990 betrachten, wenn sie ihre Weltherrschafts- Veröffentlichungen erschienen, die kritisch Bemerkung der Redaktion pläne „nur“ mit der (völkerrechtswidrigen) darstellten, wie NS-„Personal“ in bundes- Androhung von Gewalt durchsetzen könn- deutschen Sphären ungestraft und unver- Die Genossen Hannelore und Maximilian ten? Dann würde ein Stirnrunzeln einiger Stand, Eltern des zu 17 Jahren Haft ver- folgt wirken konnte. Ich erinnere an den Politiker in Washington genügen, um auch Kriminaldirektor Dieter Schenk: „Auf dem urteilten deutsch-amerikanischen Antifa- Staaten wie Deutschland an ihre Rolle als schisten Kurt Stand, sind dem „RotFuchs“- rechten Auge blind. Die braunen Wurzeln „tributpfl ichtige Vasallen“ (Brzezinski) zu des BKA“ (Köln 2001), der für die Beamten Förderverein beigetreten. Wir heißen sie erinnern. (...) herzlich willkommen. des Bundeskriminalamtes konstatierte: Prof. Dr. sc. Horst Schneider, Dresden „Sie zeigten weder Mitleid noch schworen Obwohl Eure Leserkonferenz nun schon sie ihrer Gesinnung ab.“ einige Zeit her ist, fi nde ich erst heute (...) Devotes Schweigen oder resignative Es versteht sich, daß der schonungsvolle die Gelegenheit, diese Zeilen an Euch zu Zustimmung zum Unrecht wollen die Impe- Umgang mit den Nazis in der BRD verdeckt schreiben. Beginnen möchte ich mit einem rialisten von uns! Dafür loben und zahlen sie werden soll, wenn seit dem Anschluß im Zu- ganz großen Dankeschön an alle, die uns sogar. Dafür verleihen sie Kofi Annan den ge der Delegitimierung der DDR auch deren diesen Auftritt bei Euch ermöglicht und sich hochdotierten Friedensnobelpreis. Der läßt Antifaschismus infrage gestellt wird. Dazu so liebevoll, auch während unseres Aufent- sich für Mammon mundtot machen. WIR gehört die Aufforderung, wir sollten ruhig halts in Berlin, um uns gesorgt haben. Sei NICHT! Schweigen heißt sich abfi nden, und sein, denn auch in der DDR hätten Nazis es der Parkplatz, die Versorgung und nicht das dürfen wir, die wiedererweckte Frie- ihren Platz an führender Stelle gehabt. Ge- zuletzt die Hilfe beim Auf- und Abbau un- densbewegung, nicht! Wir sind waffen-, gen diese Verleumdung habe ich 2002 das serer Technik im Veranstaltungssaal selbst aber auch illusionslos! Wir haben nur die Buch „Nazis in der DDR“ veröffentlicht. – es war eine tolle Erfahrung, besonders Straße, uns müssen alle Straßen der Welt Prof. Dr. Detlef Joseph, Berlin für unsere jüngeren Mitglieder. Aber das gehören. Wir werden es hinausschreien, Schönste waren natürlich die Teilnehmer müssen brüllen, daß wir PEACE wollen, um Herzliche Grüße kommen aus Wernigerode der Konferenz, unsere Zuschauer. Eigent- Menschen zu bleiben. (...) und die Mitteilung, daß sich die „RotFüch- lich stimmt das ja gar nicht, es waren ja Hans-Dieter Hesse, Recklinghausen se“ auch im Nordharz vermehren. Auch hier Mitsängerinnen und Mitsänger. Auch für wächst die Zahl der Vernünftigen, Denken- uns ist es leider nicht – oder sagen wir noch Zwar sehe ich meinen Aufklärungsbedarf den und Besonnenen – auch dank unserer nicht wieder – die Regel, daß unser Publi- vom „RotFuchs“ ausführlich gedeckt, guten Zeitung, die von Hand zu Hand geht. kum mitsingt. Bei vielen Veranstaltungen jedoch durch ein Übermaß detaillierter Werner Hoppe hat sehr deutlich die ölige fragen uns aber heute schon Zuschauer Leitartikelei. Wenn Ihr mit den zwei Er- Bush-Connection entlarvt. Öl ist der Le- nach Texten und Noten von Liedern, damit lebnisberichten der letzten Nummer das benssaft der kapitalistischen Wirtschaft. sie das nächste Mal mitsingen können. (...) zu ändern begännt und auch sprachliche An ihm klebt seit über einem Jahrhundert Wir beobachten mit Freude, daß die Akzep- Eindringlichkeit dabei mit einbezögt, könn- unendlich viel Blut – bis zu Irak. Es geht um tanz und der Wunsch nach gemeinsamem te ich Euch beglückwünschen. Ihr geht es Milliarden. (...) Singen politischer Lieder wieder zuneh- ja schon an, mit den auf so wenig Raum Karl Marx zitierte einen englischen Öko- men. Das macht uns Mut für weitere Jahre. beeindruckenden Grafi ken und mit den drei nomen: „Bei 5 % Profi t wird Kapital aktiv; Übermittelt bitte allen „RotFuchs“-Lesern Seiten Leserzuschriften. Warum lief ich in bei 10 % lebhaft“ ... Und er steigert dann unsere Grüße und unser Dankeschön bis meiner Jugend schon vor dem Frühstück die Profi trate bis 300 % und sagt: „Bei zum nächsten Mal. nach der trotz Verdopplung der Aufl age im- 300 % begeht das Kapital jedes Verbre- Euer Singeclub „Ernesto Che mer rasch vergriffenen Wochenendausga- chen – selbst auf die Gefahr des Galgens.“ Guevara“ e. V. aus Dresden be der ROTEN FAHNE? Erraten, wegen der Seine Erkenntnisse sind von großer Aktua- Wolfgang Klötzer, Clubleiter illustrierten Beilage ROTER STERN, genau- lität. Deshalb werden wir – die demokrati- er, wegen dessen von John Heartfi eld wie schen Sozialisten in Wernigerode – auch an Auch Peter Porsch, der PDS-Vize, hat für mich Jungproleten gestalteter Titelseite. diesem 5. Mai – wie in jedem Jahr unsere dankenswerterweise am Tag nach Kriegs- Bei unseren Treffs auf dem Zickenplatz Ehrung vor der Karl-Marx-Büste durchfüh- beginn die USA-Aggression gegen Irak ging so manches Mal die ROTE FAHNE mit ren. Diese Marx-Skulptur war die erste, die verurteilt. Seine Überlegungen wurden im aufgeschlagener Seite von Hand zu Hand: nach 1945 in der DDR aufgestellt wurde. „parlament von links“ (Informationen der Verse von Erich Weinert. (...) 1990 haben sie Gewissenlose vom Sockel PDS-Fraktion des sächsischen Landtags) Ihr habt Erich Weinert eine Seite gewidmet gestoßen und – nach der Wiederherstel- 03-04/2003 abgedruckt. Auf die Titelsei- – wer außer Euch noch? Im ND keine Zeile, lung – dann in einem Teich bei Wernigerode te wurde das Zitat übernommen „Krieg auch in der „jungen Welt“ keine mehr. Groß versenkt. Später wurde sie in einem Keller will die Welt regieren, gegen den Willen in Mode ist z. Z. die Mode der Toleranz ins der Stadtverwaltung deponiert. Mit Hilfe der Völker, wider alles Recht, wider alle Verrecken. Klar, warum. Der Faschismus unserer PDS-Stadtratsfraktion haben wir Vernunft, entgegen jeglicher Menschlich- ist in Gestalt des Amerikanismus erneut sie hervorgeholt und mit Spendenmitteln keit“. Porsch ist Linguist. Ich frage ihn: Ist auf dem Vormarsch zur Weltherrschaft aus ganz Deutschland restauriert. Jetzt Krieg etwa Subjekt der Weltpolitik oder und hat diesmal die Nuklearausrottung ist sie so fest verankert, daß man sie nicht völkerrechtwidriges, vernunftfeindliches, aller Widerspenstigen im Zielfernrohr. So mehr umstürzen kann. Seite 30 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 31

Indem wir Karl Marx ehren und über seine aktuelle Bedeutung sprechen, möchten wir auch künftigen Generationen helfen, die- sen großen Denker besser zu begreifen. Egon Eismann, Wernigerode

Der Theologe Peter Franz wünscht sich in seinem Beitrag „Ein Revolutionär ohne Seele?“ einen Sozialismus mit „Fluores- zenz und Anziehungskraft“, in dem statt „erbittertem Grimm leichtfüßiger Humor“ herrsche, mit einer psychologisch versier- ten „Menschenführung“ und Funktionären, die endlich begriffen, daß der Mensch nicht nur aus „Kopf“ bestehe, sondern auch ein „fühlendes“ und „hoffnungssuchendes“ Wesen sei. Herr Franz empfiehlt als Vorbild für eine „mentale Formung“, die „mitrei- ßend“ und „verlockend“ wäre, die Seelsor- ge der Kirchen, die da in der Tat über eine langjährige Erfahrung verfügen. Unter Fluoreszenz versteht man ein unbe- stimmtes Leuchten nach Einwirkung einer äußeren Lichtquelle. Das paßt nun besser zu einer Offenbarungsreligion als zu einer Lehre, die auf einer wissenschaftlichen Die Marx-Büste in Wernigerode Welterklärung fußt. Anziehen, mitreißen und verlocken sind Verben, die sich an ein pas- sives Gegenüber, an ein Opfer richten, nicht kamen und kommen wir nicht an, heute Fertigstellung des Mahnmals gegen Krieg an einen Menschen, der zu selbständigem schon gar nicht. und Faschismus zu erinnern. Denken erzogen werden soll. (...) Marxisten daran zu erinnern, daß der Mensch nicht Zeigt nicht gerade der völkerrechtswidrige Peter Franz, Weimar nur aus Kopf besteht, entbehrt nicht der und verbrecherische Bush-Krieg gegen Irak, von welch großer Bedeutung Psyche, Obwohl ich von Filmkritik nicht viel verstehe Komik, ist diese Erkenntnis doch der Aus- und sie hier auch nicht üben will, möchte gangspunkt für ihre Lehre. (...) Gefühle und Erfahrungen für die politische Haltung dazu sind? ich einige Bemerkungen zu Wolfgang „Ein neues Lied, ein besseres Lied, / o Beckers „Good bye, Lenin!“ machen. Der Freunde, will ich euch dichten! / Wir wollen Die Menschen wollen ernstgenommen, nicht „belehrt“, aber gut, wahrheitsgemäß kulturelle, historische und künstlerische hier auf Erden schon / das Himmelreich Wert eines Films steht mit Sicherheit nicht errichten.“ Diese Verse stammen von dem informiert werden. Und wollen wir als Sozialisten/Kommunisten sie von unserer notwendigerweise im Zusammenhang mit Dichter, der auch das Ossietzky-Zitat von der Anzahl der Kino-Besucher. (...) Meine Herrn Franz gedichtet hat. Das Heine-Ge- guten Sache überzeugen, dann müssen wir zuallererst Menschlichkeit vorleben. Frau und ich, die wir 40 Jahre in dem Land dicht, aus dem Herr Franz zitiert, behandelt (der DDR) gelebt und gearbeitet haben, das in spaßiger Weise die Unvollkommenheit Was nun die Seele betrifft, so könnte man scherzhaft sagen: Kommunisten brauchen im Film als „sozialistische Realität“ Darstel- einer Welt, in der z. B. eine Frau schön und lung finden soll, wollten schon gern wissen, dennoch seelenlos sein kann. In einem eine Seele, um sie auch einmal baumeln lassen zu können. Ludwig Renn meinte, wo wir uns darin wiederfinden können. Seit ungleich ernsteren Gedicht behandelt dem Herbst 1989 haben wir erlebt, wie es auch Bert Brecht eine Unvollkommenheit, er glaube zwar nicht an die Seele in dem Sinne, daß man sie irgendwo finden und möglich ist, eine geschichtliche Zeit von nämlich die, daß diejenigen, welche eine zwei, drei Menschengenerationen völlig Revolution zu machen und durchzusetzen analysieren könnte, aber er sehe nicht recht, wie er imstande wäre, sich zu freuen, entstellt wiederzugeben, zu verleumden, haben, sich um vieles Schöne nicht küm- zu schwärzen, zu kriminalisieren und dem mern können. Dort heißt es: „Auch der Haß wenn er keine Seele besäße. Na, so geht’s doch auch. Günter Steudten, Berlin Spott, der Häme oder der Belustigung gegen die Niedrigkeit / Verzerrt die Züge, / preiszugeben. (...) Was mir kurz und knapp Auch der Zorn über das Unrecht / Macht zu diesem Film einfällt, läßt sich in wenige die Stimme heiser. Ach, wir / Die wir den (...) Der erste helle Kopf, den wir seit langer Sätze bringen. Nahezu alle bekannten Le- Boden bereiten wollten für Freundlichkeit / Zeit haben, ist Peter Franz, der Theologe, genden, Un- und Halbwahrheiten, Lügen Konnten selber nicht freundlich sein.“ dem für seine Erkenntnisse zu danken ist. und Entstellungen finden wir in den Hand- Eine aufgebrachte Feministin hielt mir ein- Sonst hatten wir, glaube ich, eine Menge lungsabläufen wieder. Ein Unterschied: mal in einem Streitgespräch vor, Goethe unbeweglicher Geister, hier wie dort. Beim Verpacken der „Botschaften“ an hätte sich, statt den „Faust“ zu schreiben, Wolfgang Wallenwein, Düsseldorf den Kino-Besucher war man bemüht, sie mehr und besser um seinen Sohn kümmern etwas liebevoll-sentimental zu gestalten, sollen. Ich denke, wir können nicht ernstlich Werner Hoppe berichtete im März-RF über wenn das so umschreibbar ist. Auffallend wünschen, der „Faust“ sei unvollendet ge- Relikte des Militarismus in seiner Heimat- war, was über die „Genossin Kerner“, ge- blieben und dafür August von Goethe mög- stadt Hamburg, aber auch über andere spielt von Katrin Saß, Vermittlung fand. licherweise kein Alkoholiker geworden. düstere Vorhaben, etwa einen „Tansania- Menschen, die bewußt zu diesem Land, Eine seelenvollere Revolution ist eben Kolonialpark“ anzulegen. (...) Doch es gibt zum Sozialismus standen, die gern und schwer zu machen. (...) auch Erfreuliches und Mutmachendes aus engagiert dort lebten, kann und darf es Heidi Urbahn de Jauregui Hamburg zu berichten. Das Kriegerdenk- nicht gegeben haben. Wenn ja, dann nur Montpellier (Frankreich) mal am Dammtorbahnhof – der von Werner aus persönlicher Verzweiflung, wie bei der beschriebene „Klotz“ – muß bereits seit Darstellerin, die sich letztlich auch noch ih- Die Gedanken und Hinweise, die Peter einigen Jahren mit einem Gegen-Denkmal res Irrtums bewußt zu werden scheint. Franz im März-Heft des RF unter der koexistieren. Der österreichische Bildhau- Es wäre naiv, etwas anderes zu erwarten. Überschrift „Ein Revolutionär ohne See- er und Sozialist Alfred Hrdlicka bekam als Was uns bisweilen weit mehr bewegt, ist le?“ äußert, sind inspirierend und aktuell. Sieger in einem Ideenwettbewerb 1982 eine Frage, die damit in engstem Zusam- Tatsache ist doch, daß gerade unter den vom damaligen Kultursenator den Auftrag, menhang steht. Warum gefallen sich so heutigen Bedingungen sozialistisch-kom- einen Kontrapunkt zur Umgestaltung des viele ehemalige DDR-Bürger in der miesen munistische Ideen und Programme die nationalistischen Klotzes zu schaffen. Nun Rolle der Selbstbeschmutzung? Wie ist es Menschen nur erreichen, wenn sie deren stehen seit 1986 die Teile I und II des aus zu begreifen, wenn sich so viele die dümm- Psyche, Gefühle, Mentalitäten und Er- vier geplanten Elementen bestehenden sten Legenden zueigen machen und sich fahrungen berühren. Und da ist auch der Gegendenkmals zur Uminterpretierung der daran belustigen? (...) Hinweis auf die ernsten Mängel und Fehler Heldenverehrung. Leider kam es zwischen Roland Winkler, Remseck in der propagandistischen Arbeit zur DDR- Künstler und Senat zum Zerwürfnis, so daß Zeit voll berechtigt. Mit einer Grundhaltung die Aufstellung der Teile III und IV bis heute Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen meinen Dank oder -auffassung vom Kommunisten als ei- auf sich warten läßt. Vielleicht ergibt sich für die Zusendung des „RotFuchs“ auszu- nem Menschen von „besonderem Schlag“ jedoch für die Hamburger Linke wieder sprechen. Mit Begeisterung lese ich die Ar- oder von der Partei, die immer recht hat, einmal die Gelegenheit, den Senat an die tikel, deren Inhalt meiner Einstellung zu Ge- Seite 30 ROTFUCHS / Mai 2003 ROTFUCHS / Mai 2003 Seite 31

genwart und Vergangenheit entspricht. An der Völker!“, „Schluß mit dem Irak-Krieg seiner jetzigen Form auch unter junge einige gute Freunde reiche ich die Zeitung – jetzt!“ Den Auftakt hatte Werner Döring, Leute zu bringen. Allerdings wird der Erfolg weiter und freue mich über ihr Interesse. Zu den RF-Lesern durch seine „DDR-Bauern- – wenn ich von meinen eigenen Enkeln aus- gegebener Zeit diskutieren wir über das Berichterstattung“ bekannt, gegeben. Er gehe – wahrscheinlich nicht berauschend Gelesene. Ursula Kieback, Coswig trug ein Gedicht von Tucholsky vor, das sein, da das Studium der meisten Texte die Verbrechen des 1. Weltkrieges geißelte. außer allgemeiner politischer Aufgeschlos- Den folgenden Brief schrieb ich an den Und ich sagte zum Schluß, jetzt könnte ich senheit auch einige theoretische Kenntnis- Direktor des für mich zuständigen Arbeits- dem Mitglied unserer Antifa-Spurensu- se voraussetzt. Woher sollen die aber unter amtes. Vielleicht ist er von allgemeinem chergruppe Kurt Jellinek aus Israel mittei- den gegebenen Verhältnissen kommen? Interesse. len, daß immer mehr Deutsche gegen Krieg Sehr geehrter Herr Dr. T., ... ich spare mir und Faschismus marschieren. Gegen das Als vielfache Oma wünsche ich mir seit langes Moralisieren. Was sind die men- Geschrei der Neo-Nazis. langem spezielle, aufgelockerte und allge- schenfeindlichen Hartz-Gesetze gegen die Dr. Heinz Senenko, Sebnitz meinverständliche Publikationen, durch die Barbarei, die dieses System schon heute sich Jugendliche mit den Grundlagen unse- weltweit produziert. Die Rechnung ist noch Ich schicke Euch die neue Ausgabe unserer rer marxistischen Weltanschauung vertraut nicht geschrieben, die die Menschheit für „Lupe“, der DKP-Zeitung im Kreis Limburg- machen können – natürlich in Verbindung die Zerschlagung des Sozialismus zahlen Weilburg. Sie beschäftigt sich natürlich vor mit aktuellen politischen Problemen, den muß. In dieser Entwicklung liegen Hoffnung allem mit dem Krieg in Irak. historischen Erfahrungen und Errungen- und Gefahr jedoch nah beieinander. Wie es Als es die UdSSR und die DDR noch gab, schaften der internationalen Arbeiterbewe- ist, bleibt es nicht. Dann wird sich auch hätten sich die Amis diesen Krieg nicht gung sowie der DDR. Ungeachtet mancher die Frage der Verantwortung stellen. Ich erlauben können. Es ist wichtig, sich das Meinungsverschiedenheiten auch unter bin kein Idealist und weiß, daß jeder – bei immer wieder in Erinnerung zu rufen und in „RotFuchs“-Lesern überwiegen gemein- Gefahr seines persönlichen Untergangs Diskussionen darauf hinzuweisen! same Auffassungen. Das wäre eine gute – in diese Verhältnisse eingebunden ist. Erst Hubert Bachhofen, Weilburg Ausgangsbasis für linke Gesellschaftswis- recht, wenn ein ordentlicher Palastputsch senschaftler, Pädagogen, Schriftsteller in der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (...) Bekannt wurde mir der „RotFuchs“ usw., sich an dieser Aufgabe zumindest nochmals allen die Richtung gibt. Trotz- durch meinen Nachbarn, Genossen M. zu versuchen. Denn bekanntlich leisten die dem ist ein Arbeitsamtsdirektor in Rente ... Gelesen habe ich mit zunehmendem linken Parteien, speziell die PDS, wenig kein Pförtner i. R. Und nicht zuletzt wird er Interesse. (...) Im RF finde ich eindeutige oder nichts dafür, der in Zeiten imperialisti- für seine „Treue“ ja auch finanziell belohnt. Aussagen zu vielen Problemen. Das gefällt scher Aggression und des Abbaus sozialer Fürstlich aus Sicht eines Arbeitslosen, er- mir. Die Zeitung macht wieder Mut zum Rechte sichtbar in Bewegung geratenen bärmlich aus Sicht derer von Quandt. Alles Handeln. Ich bin in der DDR aufgewachsen, Jugend theoretische Angebote zu machen. ist relativ. Vor vielen Jahren gab es ein Zitat habe studiert, war Offizier der Volksmarine, Ohne sie werden ihr nach meiner Überzeu- von Ihnen in der Zeitung. Es hätte in jedem Funktionär der sozialistischen Wehrorgani- gung der Schlüssel zur Vergangenheit und linken Blatt gedruckt werden können: Ar- sation und Genosse seit 1954. Doch dann der Kompaß für die Zukunft fehlen. (Die beit braucht zwei Dinge, sie muß jedem kam der Hammer. Der Auftritt der Sieger „junge Welt“ ist zwar eine hervorragende seine materielle Existenz sichern und hat weh getan. linke Zeitung für das aktuelle politische zugleich seine Interessen und Neigungen Ich würde gern den „RotFuchs“ beziehen. Geschehen und teilweise auch für die hi- berücksichtigen. Das klang schon damals Besteht die Möglichkeit, die Nummern storische Analyse. Aber die systematische wie aus Tausend und einer Nacht, ver- 60, 61 und 62 noch nachgeliefert zu be- Vermittlung von Grundlagenwissen gehört diente aber – gemessen an Ihrer Position kommen? Ich werde eine Spende auf das eben nicht zu ihren Aufgaben.) – ehrliche Anerkennung und Achtung. Wie angegebene Konto überweisen. lesen sich dagegen Ihre Statements heute, Horst Rogge, Neustadt-Glewe Für den Anfang genügte es m. E. schon, wenn es z. B. um die ohnehin verhöhnten den einen oder anderen „RotFuchs“ mit ei- Jugendlichen geht. Zynismus ist ein harm- Liebe Genossen! Ist das die richtige Anre- ner losen Jugendbeilage (einem „RotFuchs- loser Ausdruck dafür. Aber die Jugend hat de? Dr. Werner Ettelt hatte versprochen, mir Kessel“) herauszubringen, die Oma oder auch viel Kraft. Sehen Sie sich doch mal die den „RotFuchs“ zukommen zu lassen. Und Opa, Mutter oder Vater dem wißbegierigen Straßen Europas an: Florenz, Madrid, Rom, nun erreichten mich gleich drei Ausgaben Nachwuchs in die Hand drücken können, Lissabon. Macht Ihnen das Hoffnung? Ha- der Zeitschrift. Vieles habe ich schon ge- bevor er sich vielleicht später auch mal für ben Sie keine Enkelkinder? ... Ich will nicht lesen, anderes bleibt noch. Die Texte stim- den „eigentlichen“ RF interessieren läßt. mit „Rechten und Pflichten“ enden, die wir men mit meinen Erfahrungen und Ansich- Arbeitslosen uns gefallen lassen müssen. ten überein. Das tut gut. (...) Ursula Münch, Strausberg Die Demütigung erträgt man oft schwerer Lisbeth Fuchs, Dresden als manchen finanziellen Verlust. Aber läßt sich aus der Gehaltsstratosphäre eines Wer in diesen Tagen des Irak-Krieges Der Beitrag „Deutschlands progressivstes Amtsdirektors wirklich nachvollziehen, was den „RotFuchs“ liest, dem wird Mut, Kraft Grundgesetz“ (im März-RF) zum 35. Jah- für ein täglicher Kampf das ist? und Zuversicht im Kampf gegen den restag der sozialistischen Verfassung der Mit freundlichen Grüßen Imperialismus vermittelt. Besonders die DDR ist m. E. sehr aufschlußreich. Kritik- Ron Wiesner, Dahlen Leserkonferenz zeigte, wie viele Freunde würdig scheint mir allerdings die Tatsache und Genossen inzwischen beim RF ihre zu sein, daß der sozialistische Block, zu Man dürfte gespannt sein, welche Kon- politische Heimat gefunden haben. In der dem auch die DDR gehörte, vor dem Im- zepte Wahlkampfleiter André Brie für die März-Ausgabe fand ich den Beitrag von perialismus bedingungslos kapituliert hat. kommende Kampagne vorlegen wird, Prof. Zbigniew Wiktor zur Lage in Polen Die DDR war der kapitalistischen BRD wenn er nach wie vor behauptet, die PDS besonders aufschlußreich. (...) um eine ganze gesellschaftliche Epoche sei mit dem Geraer Parteitag in ein Loch Günther Bauch, Fraureuth voraus. „Ihre Liquidierung stellte daher gefallen und habe sich so Chancen in der Natürlich kann und muß man alle Anstren- einen Akt der Konterrevolution und des Bundespolitik verbaut. Und dann liest man gungen unternehmen, den „RotFuchs“ in historischen Rückschritts, nicht aber eine in Gregor Gysis ND-Gastkolumne, die Lin- ,Wende‘ dar“, heißt es richtig im RF. Da frage ke solle einer „gemeinsamen europäischen ich mich nur, ob die zum Schluß in der DDR Außen- und Sicherheitspolitik“ zustimmen. Der Gefangene Regierenden ebenfalls noch um eine gan- Weiß Gysi überhaupt, was er hiermit los- ze Epoche voraus waren? Sie sahen keine tritt? Ein solcher Kurs schließt doch auch Ich hab’s mein Lebtag nicht gelernt, andere Möglichkeit, als diesen gewaltigen Militärpolitik ein und bedeutet gemeinsame mich fremdem Zwang zu fügen. gesellschaftlichen Fortschritt einfach dem Streitkräfte, Eingreiftruppe usw. (...) Jetzt haben sie mich einkasernt, Klassengegner in die Hände fallen zu las- Dr. Erhard Reddig, Berlin von Heim und Weib und Werk entfernt. sen! Was ging in ihren Köpfen vor, als sie Doch ob sie mich erschlügen: sich für die sofortige Preisgabe der DDR an Sich fügen heißt lügen! Das Ergebnis unseres Politischen Früh- das große Kapital entschieden? Statt einen schoppens war so: Über 50 junge Men- Ich soll? Ich muß? – Doch will ich nicht Staatenbund, eine Konföderation zwischen schen zogen durch die Kunstblumenstadt, nach jener Herrn Vergnügen. BRD und DDR, vorzuschlagen!!? Hatten jugendfrisch, als wollten sie ganz Sebnitz Ich tu nicht, was ein Fronvogt spricht. sie dazu keine Courage? Wir erinnern im Sturmschritt erobern. Allen voran ein Rebellen kennen beßre Pflicht, uns: „Deutschland, einig Vaterland“ hieß Junge mit dem weltbekannten Bild von Che als sich ins Joch zu fügen. auf einmal die Parole ... Das war blanker Guevara. Auf seinem Rücken trug er die Lo- Sich fügen heißt lügen! Ausverkauf. sung: „Viva la Revolución!“ Auch er stimm- Erich Mühsam te den Rufen zu: „Bush vor das Gericht Joachim Kaschig, Berlin-Reinickendorf Seite 32 ROTFUCHS / Mai 2003

Der Kreuzzug des George W. Bush Grafik: Klaus Parche

Die Berliner Regionalgruppe erinnert noch Der „RotFuchs“ einmal an die wichtige Veranstaltung mit IN RA Prof. Dr. Erich Buchholz zu dem Thema EIGENER in Strausberg SACHE Die Redaktion bittet alle Autoren, ihre Beiträge – Am Sonnabend, dem 24. Mai 2003, findet um Als bei Möglichkeit – auf Diskette oder per E-Mail 10.00 Uhr in der „Stätte der Begegnung“, ([email protected]) zu übermitteln. Gerhart-Hauptmann-Straße 6, eine Veranstal- Strafverteidiger tung des RF-Fördervereins statt. Aus gegebenem Anlaß weisen wir darauf hin, daß wir in Zukunft Leserbriefe, die nach Chefredakteur Dr. Klaus Steiniger spricht in politischen dem Prinzip einer Postwurfsendung an ver- zum Themenkomplex schiedene Adressaten gleichzeitig versandt „Irak – USA – UNO – NATO – Völkerrecht“ Prozessen werden, nicht mehr berücksichtigen können. Wir bitten um Zuschriften, die nur an den RF Alle Mitglieder des Vereins, Leser, Freunde Sie findet am Dienstag, dem20. Mai 2003, gerichtet sind. und Sympathisanten des RF, Kommunisten um 16.30 Uhr, in der Begegnungsstätte der und Sozialisten mit und ohne Parteibuch aus Die Redaktion dankt allen Spendern, die Monat Volkssolidarität, Torstraße 203–205, statt. Strausberg und Umgebung sind herzlich ein- für Monat dazu beitragen, unsere kostenlose geladen. Stuhlgeld: 1 Euro Stuhlgeld: 1 Euro Zeitschrift über Wasser zu halten. 

IMPRESSUM

Gegründet im Februar 1998 Autorenkreis: Gerda Klabuhn Künstlerische Mitarbeit: als Zeitung der Gruppe Berlin-Nordost Dr. Matin Baraki Prof. Dr. Eike Kopf (Peking) Karlheinz Effenberger der Deutschen Kommunistischen Partei Rolf Berthold Dr. Hans-Dieter Krüger Arno Fleischer Isolda Bohler (Valencia) Wolfgang Metzger Heinz Herresbach Herausgeber: Dr. Vera Butler (Melbourne) Dr. Annemarie Mühlefeldt Klaus Parche RotFuchs-Förderverein e. V. Wolfgang Clausner Frank Mühlefeldt SHAHAR Chefredakteur: Dr. Klaus Steiniger (V.i.S.d.P.) Dr. sc. Gerhard Feldbauer Sokrates Papadopoulos (Thessaloniki) Internet-Redakteurin: Teterower Ring 37, 12619 Berlin, Bernd Fischer Dr. Norbert Pauligk Iris Rudolph Walter Florath Prof. Dr. Werner Roß Webmaster der Vereinsseite: Tel. 030/561 34 04, Fax 030/56 49 39 65 Peter Franz (Redaktionsadresse, an die bitte auch alle Rainer Rupp Dr. Hartwig Strohschein Günter Freyer Versand und Vertrieb: Post zu richten ist) Dr. sc. Kurt Gossweiler Prof. Dr. Horst Schneider Dr. Ernst Heinz Fritz Teppich Armin Neumann Layout: Egon Schansker Hans-Dieter Hesse Herbert Thomas Salvador-Allende-Straße 35 12559 Berlin 030/654 56 34 Herstellung: Druckerei Bunter Hund Werner Hoppe Dr.-Ing. Peter Tichauer Prof. Dr. Ulrich Huar Prof. Dr. Ingo Wagner [email protected] Internet: www.rotfuchs.net Dieter Itzerott Stefan Warynski (Warschau) Marianne Ahrens, Sonja Brendel, Bruni Büdler, E-Mail-Adresse: [email protected] Konto für Spenden und Beiträge: W. Metzger / RotFuchs Sylvia Feldbinder Redaktionsschluß ist jeweils der 25. des Monats. Berliner Sparkasse (BLZ 100 500 00), Konto-Nr. 220 160 759 Bernd Koletzki Die Mitarbeit weiterer Autoren ist erwünscht. Die in namentlich gezeichneten Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Auffassungen müssen nicht immer mit denen der Redaktion übereinstimmen.