Plenarprotokoll 12/240

Deutscher

Stenographischer Bericht

240. Sitzung

Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Inhalt:

Glückwünsche zu dem Geburtstag des Dr. PDS/Linke Liste . . . 21180D, Abgeordneten Martin Grüner 21165A 21187 D Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 21182C Eintritt des Abgeordneten Lothar Hand- Ulrich Irmer F.D.P 21183B, 21189A schack in den Deutschen Bundestag . . . 21165A Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 21184C, Einziger Punkt der Tagesordnung: 21188B Abgabe einer Erklärung der Bundesre- Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . 21185B, gierung: Konsequenzen aus dem Urteil 21192 B des Bundesverfassungsgerichts vom SPD 21185D, 21192D 12. Juli 1994 SPD 21188 C in Verbindung mit CDU/CSU 21190 C Dr. F D P 21193 A Beratung des Antrags der Bundesregie- rung: Deutsche Beteiligung an Maßnah- Dr. Karl-Heinz Hornhues CDU/CSU . 21194A men von NATO und WEU zur Durchset- Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 21195A zung von Beschlüssen des Sicherheits- rats der Vereinten Nationen zum (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE Adria-Embargo und Flugverbot über GRÜNEN 21196B Bosnien-Herzegowina (Drucksache Dr. F.D.P. 21196 C 12/8303) Dr. Karl-Heinz Hornhues CDU/CSU . . 21197C in Verbindung mit Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 21199D Dr. Werner Hoyer F D P 21200 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Fortdauer der Bundeswehrein- Karl Lamers CDU/CSU 21200D sätze zur Embargoüberwachung in der Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 21203 B Adria sowie zur Überwachung und Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 21204B Durchsetzung des Flugverbots über dem Luftraum von Bosnien-Herzego- Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) fraktions wina (Drucksache 12/8320) los 21205A Dr. , Bundesminister AA . 21165C, Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD (Erklä 21197 B rung nach § 31 GO) 21206A Uta Zapf SPD (Erklärung nach § 31 GO) 21206 C Rudolf Scharping, Ministerpräsident (Rheinland-Pfalz) 21169B Ursula Seiler-Albring, Staatsministerin AA - (Erklärung nach § 30 GO) 21207 B CDU/CSU 21174A Stefan Schwarz CDU/CSU (Erklärung nach Dr. Hermann Otto Sohns F.D.P. 21177 D § 31 GO) 21207C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD (Erklä (b — Deutsche Beteiligung an Maßnahmen rung nach § 32 GO) 21210 C von NATO und WEU zur Durchsetzung von Beschlüssen des Sicherheitsrats der Verein- Dr. Peter Struck SPD (zur GO) 21211 A ten Nationen zum Adria-Embargo und Flugverbot über Bosnien-Herzegowina; Namentliche Abstimmungen . 21205D, 21210B c — Fortdauer der Bundeswehreinsätze zur Embargoüberwachung in der Adria sowie Ergebnisse 21208C, 21211 A zur Überwachung und Durchsetzung des Flugverbots über dem Luftraum von Bos- Nächste Sitzung 21213 C nien-Herzegowina) 21216* C

Berichtigung 21213 Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Anlage 1 Horst Kubatschka und Hans Büttner (Ingol- stadt) (beide SPD) zu den Punkten b und c Liste der entschuldigten Abgeordneten . 21215* A des einzigen Punktes der Tagesordnung (b — Deutsche Beteiligung an Maßnahmen Anlage 2 von NATO und WEU zur Durchsetzung von Beschlüssen des Sicherheitsrats der Verein- Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten ten Nationen zum Ad ria-Embargo und , , Hans Martin Flugverbot über Bosnien-Herzegowina; Bury, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Dr. Mar- c — Fortdauer der Bundeswehreinsätze zur liese Dobberthien, Elke Ferner, Monika Embargoüberwachung in der Ad ria sowie Ganseforth, Iris Gleicke, Christel Hane- zur Überwachung und Durchsetzung des winckel, Detlev von Larcher, Christa Lör- Flugverbots über dem Luftraum von Bos- cher, Dorle Marx, Ulrike Mascher, Ulrike nien-Herzegowina) 21217* C Mehl, Albrecht Müller (Pleisweiler), Do ris Odendahl, Bernd Reuter, Horst Sielaff, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Margitta Ter- Anlage 4 borg, Uta Titze-Stecher, Matthias Weisheit, (Wiesloch), Berthold Zu Protokoll gegebene Rede zum einzigen Wittich (alle SPD) zu den Punkten b und c Punkt der Tagesordnung des einzigen Punktes der Tagesordnung Ortwin Lowack (fraktionslos) 21218* A

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240. Sitzung

Bonn, den 22. Juli 1994

Beginn: 11.00 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Liebe Kolleginnen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für und Kollegen! Ich eröffne unsere Sondersitzung. die gemeinsame Aussprache im Anschluß an die Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte Regierungserklärung zweieinhalb Stunden vorgese- ich dem Kollegen Martin Grüner, der am 19. Juli hen. — Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Wir seinen 65. Geburtstag beging, nachträglich die besten können so verfahren. Glückwünsche des Hauses aussprechen. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung (Beifall) hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Klaus Kinkel. Dann möchte ich Sie wissen lassen: Als Nachfolger für den durch Verzicht ausgeschiedenen Kollegen Joachim Graf von Schönburg-Glauchau hat der Abgeordnete Lothar Handschack am 1. Juli 1994 die Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister des Auswärtigen: Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Ich begrüße den neuen Kollegen sehr herzlich. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli hat (Beifall) zur Frage der Auslandseinsätze unserer Klarheit geschaffen. Deutsche Soldaten können in Die heutige Sitzung habe ich nach Art. 39 des Zukunft sicher sein: Ihr Einsatz außerhalb des NATO- Grundgesetzes auf Verlangen der Fraktionen der Gebiets ist von unserer Verfassung gedeckt, auch der CDU/CSU und F.D.P. einberufen. bewaffnete, wenn der Bundestag dem mit einfacher Mehrheit zustimmt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregie- Ein zentrales außen- und sicherheitspolitisches Ziel rung der Bundesregierung ist damit erreicht. Nach Wieder- „Konsequenzen aus dem Urteil des Bundes vereinigung und Wiedererlangung unserer vollen verfassungsgerichts vom 12. Juli 1994" Souveränität ist deutsche Außen- und Sicherheitspoli- tik voll handlungs- und bündnisfähig. b) Beratung des Antrags der Bundesregierung „Deutsche Beteiligung an Maßnahmen von (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) NATO und WEU zur Durchsetzung von Das gilt im Rahmen der UNO wie für NATO, Europäi- Beschlüssen des Sicherheitsrats der Vereinten sche Union und WEU. Nationen zum Adria-Embargo und Flugverbot über Bosnien-Herzegowina" Die Karlsruher Entscheidung ist nicht nur bei uns, sondern ebenso im Ausland mit großer Aufmerksam- — Drucksache 12/8303 — keit verfolgt worden. Ihr Inhalt entspricht nicht nur c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD dem politischen Ziel der Bundesregierung, sondern „Fortdauer der Bundeswehreinsätze zur Em- auch der Erwartung der Völkergemeinschaft sowie bargoüberwachung in der Adria sowie zur unserer Partner und Freunde, daß das wiedervereinte Überwachung und Durchsetzung des Flugver- Deutschland mehr weltpolitische Verantwortung bots über dem Luftraum von Bosnien-Herze- übernimmt. gowina" Die Bundesregierung ist wegen der Einberufung — Drucksache 12/8320 — dieser Sondersitzung kritisiert worden. Zur Regierungserklärung liegt ein Entschließungs- (Zurufe von der SPD: Zu Recht!) antrag der Gruppe PDS/Linke Liste vor. — Zu Unrecht. Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß - an die Aussprache über den Antrag der Bundesregierung (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — und über den Antrag der Fraktion der SPD namentlich Widerspruch bei der SPD — abstimmen werden. [Köln] [SPD]: Peinlich!) 21166 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Bundesminister Dr. Klaus Kinkel Wir sind ein Rechtsstaat. Rechtsstaatlichkeit, Rechts- Die Koalition wollte, unabhängig von unterschied- sicherheit für unsere Soldaten im Ad ria- und AWACS- lichen Auffassungen zur Rechtsgrundlage, von Einsatz verlangen unmittelbare Reaktion. Anfang an friedenserhaltende und friedensschaf- fende Einsätze der Bundeswehr. Das war, ist und (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) bleibt der Unterschied zur SPD. Es ist nicht vertretbar, unsere Soldaten auch nur einen Tag länger als unbedingt notwendig in einem Einsatz (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) zu belassen, für den die erforderliche Zustimmung des Die Bundesrepublik Deutschland ist seit dem Kriege Parlaments gemäß dem Urteil des Bundesverfas- mit Erfolg im Konvoi der euroatlantischen Völkerfa- sungsgerichts nicht vorliegt. milie gefahren. Bündnis- und Partnerschaftsfähigkeit (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) waren und sind die Grundmaximen deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Auch in Zukunft kommen für Im übrigen würde ich all denen, die das kritisiert uns nationale Alleingänge nicht in Frage. haben, gern sagen: Es hat wahrlich in der Vergangen- heit aus nichtigerem Anlaß Sondersitzungen des (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Deutschen Bundestages gegeben. Nach dem Ende des Ost - West - Konflikts stellen sich (Lebhafter Beifall bei der F.D.P. und der die gemeinsamen Friedensaufgaben für NATO, - CDU/CSU) päische Union und WEU jedoch neu. Neben die Diese Sitzung gibt auch die Möglichkeit, die Ein- Bündnisverteidigung ist die Mithilfe bei der regiona- satzregeln für unsere Soldaten in beiden Fällen denen len Konfliktvorbeugung und Konflikteindämmung unserer Partner anzugleichen. Auch das muß umge- getreten. Den Vereinten Nationen und der KSZE hend geschehen, und zwar nicht, weil uns irgend wurden neue Chancen für Friedenssicherung und jemand gedrängt hat oder gedrängt hätte, sondern Friedensschaffung eröffnet. Wer heute weiter im mul- weil wir selbst unserer Verantwortung voll gerecht tinationalen, multilateralen Konvoi fahren will — nie- werden wollen. mand ist mehr darauf angewiesen als Deutschland —, der muß nicht nur die Rechte, sondern eben auch die (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Pflichten eines UNO-Mitglieds voll übernehmen, ein- Meine Damen und Herren, zur herausragenden schließlich der in der UNO-Charta vorgesehenen politischen Bedeutung des Bundesverfassungsge- militärischen Zwangsmaßnahmen. richtsurteils stellt die Bundesregierung folgendes fest. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Erstens. Die Entscheidungen fiber wesentliche Fra- gen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik Karlsruhe hat das für Rechtens erklärt und den Weg werden wieder dort getroffen, wo sie in einer Demo- dafür freigemacht. Deutschl and kann von jetzt an kratie hingehören — in Regierung und Parlament. zusammen mit seinen Freunden und Partnern im Rahmen der Vereinten Nationen notfalls — notfalls! — (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) auch mit bewaffneten Bundeswehreinsätzen Frieden Genau das wollte im übrigen die Bundesregierung. Ihr sichern und Menschenrechte schützen. Vorschlag zu einer Verfassungsänderung, dem die An die Adresse der SPD sage ich: Die Staatenge- Opposition nicht zugestimmt hat, enthielt das Erfor- meinschaft lebt nicht nur davon, daß ihre Mitglieder dernis der parlamentarischen Zustimmung. Das woll- Aggressionen unterlassen, sondern davon, daß sie ten wir also. mithelfen, das Völkerrecht und Menschenrechte zu (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) schützen. Es geht darum, die Stärke des Rechts durchzusetzen, damit nicht das Recht des Stärkeren Zweitens. Das Urteil des Bundesverfassungsge- gilt. richts bedeutet politisch eine klare Absage an einen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) deutschen Sonderweg. Das Bundesverfassungsge- richt hat mit aller Deutlichkeit festgestellt, daß auch Bei dieser Verantwortung für Frieden und Menschen- friedensschaffende Maßnahmen oder Kampfeinsätze rechte darf niemand abseits stehen, auch wir nicht. vom Grundgesetz gedeckt sind. Das ist der politische Gerade weil Deutschland in der Vergangenheit den Kern des Urteils, auch wenn die SPD das jetzt wieder Frieden gebrochen hat, ist es moralisch-ethisch ver- hin und her und vor und zurück zu interpretieren pflichtet, sich an der Verteidigung des Friedens jetzt versucht. mit ganzer Kraft zu beteiligen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die Ablehnung dieser Art von Einsätzen durch die Wenn sich aus der Zeit des Nationalsozialismus eine SPD war der Grund dafür, daß diese Frage in Karls- Lehre geradezu aufdrängt, dann ist es doch die, daß ruhe entschieden werden mußte. Mit dieser Haltung, Gewalt eben leider manchmal nur mit Gegengewalt die sie auch jetzt, nach dem Urteil, aufrechterhält, beseitigt werden kann. Hätten die Alliierten Hitlers stellt sie sich ins Abseits — in den Vereinten Nationen Aggressionen denn tatenlos zusehen sollen? Soll das wie in Europa. der nachträgliche Rat von uns Deutschen an unsere (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — heutigen Freunde sein? Zuruf von der CDU/CSU: Wie immer! — Wer sich wie die SPD verweigert, darf sich nicht als Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das hätten Sie Hüter der Menschenrechte aufspielen. gern! — Walter Kolbow [SPD]: Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens!) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21167

Bundesminister Dr. Klaus Kinkel Wer gegen Krieg ist — das sind wir alle —, aber nicht Die Bundesregierung bekennt sich nachdrücklich bereit ist, dem Kriegstreiber notfalls auch militärisch zu der gemeinsamen europäischen Außen- und zu widerstehen, Sicherheitspolitik. Sie ist ein unverzichtbares Element einer freien und handlungsfähigen Europäischen (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS/Linke Liste]: Union und eine Vorbeugung gegen Nationalismus Zuvorzukommen!) und ethnisch-religiöse Auseinandersetzungen. Eine kann weder Frieden stiften noch Menschenrechte Sonderrolle unserer Bundeswehr, wie sie die SPD schützen. Er macht nur Politik der Worte. nach wie vor verlangt, wäre damit — das muß man (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — auch klar und deutlich sagen — unvereinbar. Zurufe von der SPD) Drittens. Auch nach dem Urteil bleibt es bei der Wer der Bundesregierung vorwirft, sie strebe eine bewährten Kultur der Zurückhaltung. Wir werden Militarisierung, interventionistische Aktionen an, der uns nicht nach vorne drängeln. Außen- und sicher- stellt nicht nur die UNO-Charta, der stellt das gesamte heitspolitische Normalität, das heißt, nicht den Welt- neue kollektive Sicherheitssystem unter UNO- und polizisten spielen, das heißt, nicht deutsche Soldaten KSZE-Dach in Abrede und — was für meine Beg riffe überall dorthin zu entsenden, wo es brennt. Einen viel unangenehmer ist — diffamiert auch unsere Automatismus für eine deutsche Beteiligung wird es Partner, die ihre Soldaten uneingeschränkt weltweit nicht geben. im Dienste des Friedens im Einsatz haben. Worum es aber geht, ist: Regierung und Parlament (Anhaltender Beifall bei der F.D.P. und der haben jetzt die Möglichkeit, im Einzelfall und nach CDU/CSU — Klaus Lennartz [SPD]: Das war sorgfältigster Abwägung unserer Interessen, Ver- peinlicher Beifall!) pflichtungen, Möglichkeiten und Grenzen ja oder nein zu sagen. Genau das und nicht mehr will die Damit uns, damit mich niemand falsch versteht: Die Bundesregierung. Bundesregierung wünscht solche Kampfeinsätze nicht. Das wollen wir sowohl unseren Soldaten als (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) auch denen anderer Länder, wenn es irgendwie geht, Der Ruf nach Beistand und Hilfe wird vermutlich ersparen. immer stärker sein als die Fähigkeit der Staatenge- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) meinschaft, zu helfen. Auch wir werden, weil wir Not und Elend dieser Welt nicht allein oder mit anderen Solche Einsätze waren im übrigen auch nie die schultern können, künftig öfter nein als ja sagen Normalität, und sie werden es auch in Zukunft nicht müssen. sein. Keine der derzeit 16 Friedensmissionen der UNO, an denen sich immerhin 68 truppenstellende Die Entscheidung hierüber kann nicht nach einem Länder mit mehr als 70 000 Soldaten beteiligen, ist ein vorgegebenen Raster ge troffen werden, sondern nur Kampfeinsatz. Im Augenblick ist nicht ein einziger nach Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfal- Einsatz der UNO ein Kampfeinsatz! Was aber nach les. Wie auch bei unseren Partnern gibt es eine Reihe Auffassung der Bundesregierung mit einer verant- von Parametern, die in einem bestimmten Fall für oder wortungsbewußten Außenpolitik nicht zu vereinba- gegen eine deutsche Beteiligung sprechen können. ren ist, ist die Weigerung der SPD, an friedensschaf- fenden UNO-Missionen teilzunehmen. Eine Beteiligung an einer internationalen Frie- densmission kommt für uns nur in Frage, wenn sie (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) völkerrechtlich eindeutig zulässig ist. Je höher das Meine Damen und Herren, der europäische Aspekt Risiko für unsere Soldaten, uni so höher muß die des Karlsruher Urteils ist nicht minder bedeutsam. Meßlatte sein. Je mehr es in Richtung Kampfeinsätze Damit wurde ein ernsthaftes Hindernis für unsere geht, um so zwingender müssen die Gründe für eine Bündnis- und Partnerschaftsfähigkeit in der Allianz, in deutsche Beteiligung sein: klares Mandat für den der Europäischen Union und in der WEU beseitigt und Einsatz, Erfüllbarkeit des militärischen Auftrages, der Weg für den Aufbau einer europäischen Außen-, Einbettung der militärischen Komponente in ein über- Sicherheits- und Verteidigungspolitik geebnet. Denn zeugendes politisches Lösungskonzept. Auf all diese eines steht doch wohl fest: Ohne unsere volle Mitwir- Erfordernisse wird es ankommen. Die Somalia-Mis- kung kann eine solche europäische Gemeinsamkeit sion war hier in mancher Hinsicht ein Fingerzeig. nicht entstehen. Viertens. Auch nach diesem Urteil gilt: Eine Milita- Wie dringend notwendig diese ist, schlägt uns doch risierung deutscher Außenpolitik wird es nicht jeden Abend wahrhaftig aus den Nachrichten entge- geben. Militärischer Zwang kann bei der internatio- gen. Man muß, so glaube ich, nicht unbedingt am nalen Friedenssicherung immer nur Ultima ratio Tisch der Außenministerräte der Europäischen Union sein. gesessen haben, um zu sehen: Die mit diesem Urteil (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) jetzt eröffnete Normalisierung unserer außenpoliti- schen Handlungsfähigkeit ist auch ganz wesentlicher, Europa- und weltpolitische Verantwortung wird für wichtiger weiterer Schritt hin zum vereinten Europa, uns auch zukünftig in erster Linie politische und das wir ja alle anstreben, wirtschaftliche Zusammenarbeit bedeuten in Rich- tung unserer neuen demokratischen Nachbarn im (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Osten, aber auch in Richtung Süden zur Bekämpfung und ein Riegel gegen alle Bestrebungen einer Rena- von Armut, Umweltzerstörung und Bevölkerungsex- tionalisierung der Außen- und Sicherheitspolitik. plosion. Mit Panzern und Soldaten kann man diese 21168 Deutscher Bundestag — 12. 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Bundesminister Dr. Klaus Kinkel eigentlichen Herausforderungen unserer Zeit nicht Die KSZE hat sich mit ihren Langzeitmissionen und bewältigen. dem Hochkommissar für nationale Minderheiten neue und durchaus wirkungsvolle Instrumente (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) geschaffen. In Helsinki hat sie aber auch das Mandat Deutschland trägt jetzt bereits politisch und wirt- für eigene friedenserhaltende Opera tionen erhalten. schaftlich erheblich zur weltweiten Sicherheit und Zu einem solchen Einsatz könnte es erstmals im Entwicklung bei. Wir sind drittgrößter Beitragszahler Berg-Karabach-Konflikt kommen. Die Bundesregie- der Vereinten Nationen und haben etwa zwei Drittel rung hat auf Anfrage der KSZE beschlossen, sich an der westlichen Hilfe für Mittel- und Osteuropa und die einer eventuellen Beobachtermission mit bis zu fünf GUS-Staaten aufgebracht. Damit haben wir trotz Bundeswehrsoldaten zu beteiligen. unserer außergewöhnlichen Kräfteanspannung im Die jüngste Erfahrung der Zusammenarbeit zwi- Innern einen enormen, auch von der Welt anerkann- schen NATO, WEU und Vereinten Nationen zeigt, wie ten Beitrag zur weltweiten Sicherheit jetzt schon wichtig es war, die euroatlantischen Sicherheitsinstru- geleistet. mente auf die Erfordernisse der neuen Weltlage aus- und einzurichten. Dieser Prozeß ist insbesondere in (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) seiner europäischen Dimension noch längst nicht Fünftens. Die Bundesregierung sieht in dem Urteil abgeschlossen. Die Vereinigten Staaten werden ihr einen Ansporn, ihre multilaterale Friedenspolitik Engagement auf dem Kontinent, das Europa so sehr verstärkt fortzusetzen. Die Anstrengungen auf dem braucht, nur aufrechterhalten, wenn die Europäer Gebiet der präventiven Diplomatie, der vertrauensbil- größere Eigenverantwortung übernehmen. Der Aus- denden Maßnahmen, der Tatsachenermittlung und bau der operativen Fähigkeiten der WEU und die der Früherkennung von Konflikten müssen verstärkt Schaffung des Eurokorps waren wich tige Schritte auf werden. Die zentrale Aufgabe der internationalen diesem Weg. Organisation muß die Brandverhütung im Vorfeld Meine Damen und Herren, am französischen Natio- bleiben; sie darf nicht das nachträgliche Löschen nalfeiertag defilierten auf den Champs-Élysées neben sein. ihren französischen, spanischen, belgischen und (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) luxemburgischen Kameraden auch 200 deutsche Sol- daten. De Gaulle hat einmal die deutschfranzösische Künftige deutsche Friedenspolitik im Rahmen der Aussöhnung als das eigentliche Wunder der Nach- Vereinten Nationen wird an das kontinuierliche Enga- kriegszeit beschrieben. Am 14. Juli dieses Jahres gement aller Bundesregierungen der vergangenen wurde dieses Wunder in Paris auf bewegende Art und 20 Jahre anknüpfen. Ich erinnere an das deutsche Weise sichtbar. Engagement für eine politische Lösung in Namibia, an unsere Unterstützung der UN-Organisa tion im Liba- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) non oder in Zentral- oder Lateinamerika, an Kambod- Krieg ist in der Europäischen Union Gott sei Dank scha, Somalia, den Westsahara-Konflikt und an das undenkbar geworden. Die historische Aufgabe ist es ehemalige Jugoslawien. nun aber, diese neue Kultur europäischen Zusammen- Wir haben uns für die nächsten beiden Jahre um lebens auf den gesamten Kontinent auszudehnen. einen nichtständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat Deutschland wird der Anwalt einer schnellen Heran- beworben. Für unseren Wunsch nach einem ständi- führung unserer mittel- und osteuropäischen Nach- gen Sitz haben wir in den Vereinten Nationen breite barn an den Stabilitätskern Europäische Union, Unterstützung gefunden, so wie wir die Wünsche NATO und WEU bleiben. Das muß jedoch durch enge einzelner großer und wichtiger Länder der Dritten und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Rußland, Welt nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat voll der Ukraine und den anderen GUS-Staaten flankiert und ganz unterstützen. werden. Wir haben die alten Trennlinien nicht abge- baut, um an anderer Stelle wieder neue zu errich- Mehr Mitverantwortung verlangt auch mehr Mit- ten. sprache. Deshalb wollen wir dort präsent sein, wo Meine Damen und Herren, aus dem Urteil des heute die wichtigsten Entscheidungen über den Welt- Bundesverfassungsgerichts ergeben sich für Bundes- frieden fallen. Das hat nichts mit Großmachtstreben tag und Bundesregierung eine Reihe praktischer oder mit „Wir sind wieder wer" zu tun. Konsequenzen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Erstens. Es gibt nun keinen erkennbaren Grund Zusammen mit meinem niederländischen Kollegen mehr, an den seinerzeit beschlossenen Einsatzbe- Kooijmans habe ich am 17. Mai in Wien Vorschläge für schränkungen bei den Adria- und AWACS-Operatio- das nächste KSZE-Gipfeltreffen in Budapest vorge- nen festzuhalten. Das heißt: In Zukunft sollten sich die deutschen Schiffe auch an der Aufbringung von legt. Diese Vorschläge zielen auf ein engeres Zusam- Embargobrechern beteiligen und die dafür vorgese- menwirken zwischen KSZE und Vereinten Nationen ab. Ohne stärkeren Beitrag der Regionen ist die UNO henen Einsatzregeln anwenden können. Zur Durch- überfordert. Der gemeinsame deutsch-niederländi- setzung des Flugverbotes sollten deutsche Soldaten im Rahmen des NATO-AWACS-Verbandes auch bei sche Vorschlag sieht deshalb in Europa den Vorrang der KSZE bei der Konfliktvorbeugung vor. Die KSZE Flügen außerhalb des NATO-Territoriums mitfliegen soll dem Sicherheitsrat künftig Vorschläge für können. Zwangsmaßnahmen auch ohne Zustimmung der Im Interesse der Handlungs- und Bündnisfähigkeit direkt beteiligten Staaten unterbreiten können. der Bundesrepublik Deutschland bittet die Bundesre- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21169

Bundesminister Dr. Klaus Kinkel gierung den Deutschen Bundestag um Zustimmung Raum die Politik, d. h. dieses Parlament und die zu diesen Beschlüssen. Bundesregierung, zu entscheiden haben. Zweitens. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht (Zuruf von der CDU/CSU: Das kann man verlangt, aber nachdrücklich darauf hingewiesen, daß vorher klären!) es Sache des Gesetzgebers ist, Form und Ausmaß der parlamentarischen Mitwirkung bei Auslandseinsät- Die Beendigung dieses verfassungsrechtlichen zen der Bundeswehr näher auszugestalten. Das eilt Streites ist ausdrücklich zu begrüßen, nicht zuletzt im nicht unmittelbar. Interesse der Soldaten, nicht zuletzt im Interesse der Bundeswehr, nicht zuletzt auch im Interesse der Wir sollten uns gemeinsam das Ob und das Wie Familienangehörigen der Soldaten. gründlich überlegen und prüfen. (Beifall bei der SPD) (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig! — Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Zweitens. Ohne die Entscheidung des Bundesver- Meine Damen und Herren, vor nicht ganz einem fassungsgerichtes wäre diese Sitzung nicht zustande Jahr haben wir den 20. Jahrestag unseres Beitritts zu gekommen. den Vereinten Nationen begangen. Ich habe damals (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.) vor der Generalversammlung in New York daran DaB sie heute stattfindet, ist nicht besonders notwen- erinnert, daß 1973 den Beitritt mit dem dig gewesen. festen Willen der Deutschen begründet hat, zum Frieden in der Welt beizutragen. (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die Bundesregierung hat immer wieder in New — Sie werden Ihre Freude noch deutlich reduzie- York ihre Absicht erklärt, die innenpolitischen Vor- ren. aussetzungen für eine volle Ü bernahme aller Rechte und Pflichten eines UNO-Mitglieds zu schaffen. Das Ich will gerne noch einmal wiederholen: Ohne die Bundesverfassungsgericht hat hierfür die rechtsstaat- Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wäre lichen Voraussetzungen geklärt und den Ball wieder diese Sitzung nicht zustande gekommen. Daß sie an die Politik zurückgespielt. Jetzt ist es Sache von heute stattfindet, ist überflüssig. Das hat die Rede des Bundesregierung und Bundestag, ihrer außen- und Bundesaußenministers sehr nachdrücklich bewie- sicherheitspolitischen Verantwortung für unser Land sen. nachzukommen. (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/ CSU und der F.D.P.) Mit dem Jahrhundertgeschenk der Wiedervereini- gung hat Deutschl and den Hauptgewinn aus dem — Das will ich Ihnen noch ein bißchen genauer Ende des Ost-West-Konflikts, aus dem Wegfall der begründen, damit Sie weiter Grund zur Freude und bipolaren Welt gezogen. Auch in der Außen- und zum Lachen haben, wenn Sie denn Lust dazu verspü- Sicherheitspolitik ist neues Denken und H andeln ren. verlangt. Die Zeit des „Wenn und Aber" ist vorbei; Im Vorfeld dieser Sitzung ist gesagt worden, sie sei nun geht es darum, von unserem größeren Gewicht wegen des Drängens der NATO-Partner notwendig ohne Großmannssucht, aber auch ohne falsche Selbst- geworden. Die haben sich sofort dagegen gewehrt. verleugnung vernünftigen und verantwortungsbe- Herr Bundesaußenminister, Sie werden nicht glaub- wußten Gebrauch zu machen. Das sind wir uns selbst würdiger dadurch, daß Sie im Kabinett das eine schuldig. Das erwarten auch unsere Partner und behaupten und es dann hier im Parlament selbst Freunde. Das erwartet die Völkergemeinschaft von dementieren. uns. Dafür erbitte ich die Mithilfe des Deutschen Bundestages. (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Absolut lächerlich! — Zuruf von der Vielen Dank. SPD: Wo ist denn Herr Schäuble?) (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der Das Zweite ist: Innerhalb dieser Entscheidung des F.D.P. und der CDU/CSU) Bundesverfassungsgerichts ist eine Feststellung von besonderer Bedeutung: Entscheidungen über den Einsatz der Bundeswehr — in welchem Maß, in Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht welchem Umfang und zu welchen Zielen im einzelnen der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, auch immer — müssen unter Beteiligung des Parla- Rudolf Scharping. ments auf der Grundlage seiner konstitutiven Zustim- (Zurufe von der CDU/CSU: Der Freund der mung getroffen werden. Das Gericht sagt ausdrück- PDS! — Der Pate der Volksfront!) lich, die Bundeswehr sei ein Parlamentsheer. Das halte ich für einen großen verfassungspolitischen Gewinn. Ministerpräsident Rudolf Scharping (Rheinland (Beifall bei der SPD) Pfalz): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen Das gilt auch im Zusammenhang mit denen, die in und Herren! Zum Urteil des Bundesverfassungsge- Karlsruhe im übrigen geklagt haben. Herr Bundesau- richtes und den daraus zu ziehenden Konsequenzen ßenminister, wenn ich es richtig weiß, ist Ihre Partei will ich sieben Bemerkungen machen. - diejenige gewesen, die es in der deutschen Parla- Erstens. Dieses Urteil beendet einen verfassungs- mentsgeschichte als erste und bisher einzige fertig- rechtlichen Streit und sagt sehr deutlich, in welchem gebracht hat, in einer Regierung bei Entscheidungen 21170 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Ministerpräsident Rudolf Scharping (Rheinland-Pfalz) dabeizusitzen und mit ihrer Bundestagsfraktion Diese Bündnisse waren und sind Konsequenz friedli- gegen die gleichen Entscheidungen zu klagen. cher Entwicklung, und das soll so bleiben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ So leidenschaftlich wir dafür streiten, DIE GRÜNEN) (Zuruf von der CDU/CSU: Ein leidenschaftli- Im übrigen hat diese Bundesregierung in ihren cher Eiertanz!) Schriftsätzen in Karlsruhe behauptet, die Entschei- dung über den Einsatz der Bundeswehr gehöre zum daß es eine neue Ostpolitik gibt, die nicht nur den Kernbereich der exekutiven Verantwortung, zum Staaten des östlichen Mitteleuropa und anderen für Kernbereich der außen-, verteidigungs- und sicher- ihren großen Beitrag beim Einreißen des Eisernen heitspolitischen Gestaltungsfähigkeit. Auch die Frak- Vorhanges auf die Schulter klopft, so notwendig wäre lion der CDU/CSU hat in Karlsruhe vorgetragen, mit es, ihnen in der sicherheitspolitischen Architektur, diesen Entscheidungen habe das Parlament nichts zu aber gerade auch in der kulturellen, sozialen und tun. Daß jetzt im Parlament entschieden wird, ist auf ökonomischen Zusammenarbeit eine klarere Per- der Grundlage der Entscheidung von Karlsruhe über- spektive ihrer Zugehörigkeit zu Europa zu bieten, als haupt erst möglich geworden — gegen Ihren Wil- es heute der Fall ist. len. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD — Dr. Jürgen Rüttgers Schon die Wortwahl, Herr Bundesaußenminister, [CDU/CSU]: Unfug! — Weitere Zurufe von kann bezeichnend sein. Ich habe die Mitgliedschaft der CDU/CSU: Blödsinn!) Deutschlands in der Europäischen Union und im Daß der S treit über diese Frage — ich füge hinzu; transatlantischen Bündnis noch nie als die Mitglied- leider — bei Ihnen noch nicht beigelegt ist, zeigt die schaft in einem Konvoi empfunden, noch nie! Diskussion darüber, ob man ein sogenanntes Entsen- (Beifall bei der SPD) degesetz erlassen sollte oder nicht. Jeder weiß ja, wie Konvois zustande kommen. Es ist jetzt klargestellt, daß es keine verfassungs- rechtlichen Schranken gegen eine Beteiligung der Man kann ja sagen, daß die deutschen Soldaten auf Bundeswehr im Rahmen von Aktivitäten der Verein- den Champs-Elysées ein bewegendes Bild gewesen ten Nationen gibt, auch dann nicht, wenn sie in deren sind. Auftrag von der NATO, der WEU oder anderen (Zurufe von der CDU/CSU) durchgeführt werden. Ich füge allerdings für mich persönlich hinzu: Es gibt (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Das steht wesentlich bewegendere Bilder der Zusammenarbeit so nicht drin!) und der Völkerverständigung als gemeinsam paradie- rende Soldaten, selbst wenn sie dazugehören. Das aber wirft die Frage auf, was denn in Zukunft die Außenpolitik prägen soll. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Zuruf von der SPD: Richtig!) Wenn wir schon über die Frage reden, was denn Darauf bezieht sich meine dritte Bemerkung. deutsche Außenpolitik in Zukunft prägen soll, dann So leidenschaftlich wir dafür streiten, daß die Bun- will ich Ihnen einmal eine Frage stellen, die ich ja nicht desrepublik Deutschland in Europa integriert ist, daß alleine für meine Person stelle, sondern die viele, viele Europa eine gemeinsame Außen- und Sicherheits- hunderttausend Menschen in diesem Land stellen: politik entwickelt, daß die Konferenz über Sicherheit Was ist von der Außenpolitik eines Landes zu halten, und Zusammenarbeit in Europa gestärkt wird: Die das 10 Millionen DM für eine Maßnahme des Techni- Entscheidung aus Karlsruhe wird uns für absehbare schen Hilfswerkes in Afrika oder andernorts nicht Zeit nicht davon befreien, auf dem Weg hin zu einer aufbringt, aber relativ schnell und unproblematisch tieferen europäischen Integration und bei der Ent- bereit ist, Milliarden zur Finanzierung des Golfkrieges wicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicher- aufzuwen den? heitspolitik eigenständige Entscheidungen zu treffen. (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und Dafür ist Bündnis- und Partnerfähigkeit ein wichtiger Gesichtspunkt, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zustimmung des Abg. Hans-Ulrich Klose Wie wirkt dies auf das Engagement von Menschen? [SPD]) Welche Signale geben wir, wenn das Wort von den globalen Herausforderungen wirklich ernstgemeint aber nicht der alleinige. ist? Uns ist es damit ernst. Dann wäre die erste außenpolitische Verpflichtung, in einem solchen (Beifall bei der SPD) Zusammenhang dafür zu sorgen, daß Deutschland So leidenschaftlich wir dafür streiten, daß die trans- endlich wieder Schritte geht, um die globale Entwick- atlantische Partnerschaft erweitert und vertieft wird: lung voranzubringen und um z. B. das 0,7-%-Ziel zu Wir wehren uns genauso wie bei der europäischen erreichen und damit in der internationalen Staatenge- Integra tion dagegen, daß diese Entwicklung zunächst meinschaft ein Vorbild zu geben. aus den Kategorien der Sicherheitspolitik und des militärischen Einsatzes betrachtet wird. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Beifall bei der SPD) PDS/Linke Liste) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21171

Ministerpräsident Rudolf Scharping (Rheinland-Pfalz) Wenn es wirklich ernstgemeint ist mit der globalen verbot der Charta der Vereinten Nationen, dem das- Entwicklung, mit der Bekämpfung von Hunger und Gewaltmonopol gegenübersteht. Wir treten dafür Bevölkerungsexplosion ein, (Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist „wir"?) (Zurufe von der CDU/CSU) — ich sehe, Sie haben keinen Grund zum Lachen auf der Grundlage des Gewaltverbots der Charta der mehr —, dann, meine Damen und Herren, frage ich Vereinten Nationen und des sich daraus begründen- mich, warum es in diesem Bundestag noch im letzten den Gewaltmonopols die Vereinten Nationen zu stär- Jahr abgelehnt wurde, ein Gesetz über die Gründung ken. Unsere Mitgliedschaft in der NATO und unsere eines deutschen Umwelt- und Katastrophenhilfswer- Mitgliedschaft in der Europäichen Union sind der kes auf den Weg zu bringen. kluge Verzicht auch auf Rechte eigener Souveräni- tät. (Zurufe von der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD) Das ist hier abgelehnt worden. Es wäre aber ein gutes Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen bein- Signal dafür gewesen, daß Deutschland seine interna- haltet keinen Verzicht auf Souveränität, wohl aber die tionale Verantwortung auf friedliche Weise wahrneh- Verpflichtung, nach Treu und Glauben und auf der men will. Grundlage der Charta zu prüfen, ob und wie man sich (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ an Aktivitäten der Vereinten Nationen beteiligen DIE GRÜNEN) will. Wenn schon der Bundesaußenminister — ich habe In diesem Zusammenhang ist es erstaunlich, daß der das in einem anderen Zusammenhang hier schon Bundesaußenminister die Agenda für den Frieden des einmal gesagt — aus gewissen diplomatischen Rück- Generalsekretärs der Vereinten Nationen überhaupt sichtnahmen, die ich respektiere, zu bestimmten The- nicht erwähnt hat. Es wäre allerdings für den inneren men nichts sagt, dann erwarte ich jedenfalls, daß die Zusammenhang von Außenpolitik von entscheiden- zur Zeit die Regierung noch tragenden Parteien zu der Bedeutung, klarzumachen, daß die Vereinten einem Thema etwas sagen, das mindestens genauso Nationen, selbst wenn sie es hier und da müssen und viele Menschen bewegt. Der Sicherheitsrat der Ver- entsprechend entscheiden, von ihrer Grundidee her nicht ein Mittel der militärischen Schlichtung von einten Nationen — so schön und wichtig eine Mit- gliedschaft Deutschlands in ihm auch sein mag — wird Konflikten gewesen sind dadurch nicht glaubwürdiger, daß die Staaten, die (Beifall bei der SPD) dort Mitglied sind, fast allein verantwortlich für den internationalen Waffenhandel sind und dadurch die und daß von Dag Hammarskjöld über viele andere wesentlichen Bedingungen dafür mit setzen, daß Überlegungen bis hinein in die Agenda für den Kriege auf der Erde überhaupt geführt werden kön- Frieden des derzeit amtierenden Generalsekretärs nen. Fragen der Prävention, der Bekämpfung von Konflik- ten durch Bekämpfung ihrer Ursachen und des vor- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sorgenden Krisenmanagements wesentlich höher zu der PDS/Linke Liste und des BÜNDNIS bewerten sind als im Zweifel notwendige, aber nicht SES 90/DIE GRÜNEN — Widerspruch bei wünschenswerte, nur als Ultima ratio einzusetzende der CDU/CSU und der F.D.P.) militärische Mittel. Die vorsorgende Sicherung des Friedens ist immer (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Etwas anderes hat der wichtiger als seine Erzwingung! Außenminister nicht gesagt!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Meine fünfte Bemerkung bezieht sich auf die Frage des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der kollektiven Sicherheit. Sie muß Normalität der Im übrigen wissen wir, wie schwierig es werden deutschen Außenpolitik bleiben. An dieser Stelle, kann, internationale Verantwortung ausschließlich Herr Bundesaußenminister, stimme ich Ihnen aus- unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten zu be- drückllich zu. Nicht die Größe oder die Lage eines trachten, so klar und fest wir auch in der Überzeugung Staates sollen über seine Selbstbestimmung oder über sind, daß auf sicherheitspolitische Aspekte jeder seine Sicherheit entscheiden, sondern ausschließlich Außenpolitik Deutschlands nicht verzichtet werden das von der Völkergemeinschaft oder von regionalen kann. Zusammenschlüssen wie der KSZE oder anderen (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie haben garantierte Recht auf uneingeschränkte Selbstbe- doch schon verzichtet!) stimmung des einzelnen Volkes, unabhängig von der Größe oder der Lage des Staates, in dem es lebt. Aber zunächst geht es darum, f riedliche Möglichkei- ten auszuschöpfen und dafür zu sorgen, auch die (Beifall bei der SPD) innere Stabilität der Staaten zu festigen, weil ihre Deshalb nenne ich den Verzicht auf eigene Souverä- innere Stabilität sehr über ihre außenpolitische Ver- nität in solchen integrierenden, zusammenführenden, läßlichkeit entscheidet. gemeinsame Interessen vertretenden Bündnissen die (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ Normalität der deutschen Außenpolitik. CSU: Blabla! — Heiterkeit bei der CDU/ Sie hat Konsequenzen im Zusammenhang mit der CSU) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Nicht Meine Damen und Herren, ich will eine vierte der einzelne Staat alleine wird im Auftrag der Verein- Bemerkung machen. Sie bezieht sich auf das Gewalt ten Nationen tätig werden, auch nicht eine beliebig 21172 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Ministerpräsident Rudolf Scharping (Rheinland-Pfalz) zusammengesetzte Gemeinschaft von Staaten. Es umfassen, konkret auch daran beteiligen sollte, daß kann die Frage auftauchen — vermutlich wird sie bald aggressive Staaten wirtschaft lich blockiert werden, auftauchen —, daß — über Jugoslawien hinaus — daß diese Blockade nicht nur auf Resolu tionen beruht, bestehende Verteidigungsbündnisse im Auftrag der sondern auch überwacht und im Zweifel und nötigen- Vereinten Nationen Aufgaben übernehmen sollen. falls auch militärisch durchgesetzt wird. Also stimmen Auch dann werden wir vor der Frage stehen, ob und in wir dem Einsatz der Bundeswehr in der Adria mit den welchem Umfang wir uns daran beteiligen. Im Zweifel entsprechenden Regelungen zu. sind dann Verträge besser. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß sich das Bundesverfassungsgericht (Michael Glos [CDU/CSU]: Lange hat es ausdrücklich auch mit der Frage beschäftigt hat, wie gedauert! — Weiterer Zuruf von der CDU/ eine faktische Weiterentwicklung z. B. des Vertrages, CSU: Zwei Jahre zu spät!) der die Grundlage der NATO bildet, zu beurteilen sein — Das geschieht nicht zwei Jahre später. Unabhängig würde. von der Klärung verfassungsrechtlicher Fragen soll- Meine Damen und Herren, ich habe immer die ten Sie, selbst wenn der Wahlkampf Sie daran hindert, hier und da das Gehirn mit der nötigen Sorgfalt zu Auffassung vertreten, daß der Konsens fiber Grund- benutzen, orientierungen der Außenpolitik eines Landes im Interesse des L andes selbst von hoher Bedeutung (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der ist. CDU/CSU und F.D.P.) (Beifall bei der SPD) doch zur Kenntnis genommen haben, daß die Sozial- An dieser Auffassung halte ich fest. Weil wir den demokratie diese ihre Auffassung seit langem öffent- Konsens in Fragen der Grundorientierung der Außen- lich vertritt politik für sinnvoll und notwendig halten — wegen der langfristigen Berechenbarkeit unserer Außenpolitik, (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wegen der Verläßlichkeit und Berechenbarkeit deut- — es ist so, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht — scher Politik —, und daß dies die logische parlamentarische Konse- quenz ist, die wir auch aus unseren eigenen Beschlüs- (Zuruf von der CDU/CSU: PDS!) sen ziehen. ist es von ganz zentraler Bedeutung, (Widerspruch bei der CDU/CSU) (Dr. [F.D.P.]: Magdeburg!) Das gleiche gilt für die Überwachung von Schutz- daß wir uns immer darauf besinnen, Maßnahmen der zonen und für die Durchsetzung des Flugverbots über Sicherheit gemeinsam mit anderen zu organisieren, Bosnien-Herzegowina. vertraglich zu vereinbaren und sie nicht auf alleini- gem Wege erreichen zu wollen. (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Das vertre- ten Sie auch schon seit langem, ja?) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Die Beteiligung von deutschen Soldaten in den Flug- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) verbänden halten wir für politisch vertretbar und Das hat praktische Konsequenzen auch im Zusam- deshalb auch für zustimmungsfähig. menhang mit dem Einsatz der Bundeswehr in der Adria, in den AWACS-Flugzeugen, und es hätte sie, (Michael Glos [CDU/CSU]: Na also! — Edu- wäre der Einsatz nicht schon beendet, auch im Zusam- ard Oswald [CDU/CSU]: Warum sprechen Sie eigentlich so lange?) menhang mit Somalia. Es ist wahr, durch die Entschei- dung des Bundesverfassungsgerichts besteht jetzt Meine Damen und Herren, da es Sie so außeror- — einen entsprechenden Beschluß des Parlaments dentlich freut, will ich bei dieser Gelegenheit auf eines vorausgesetzt — Rechtssicherheit. Das kann niemand aufmerksam machen. Es ist mir lieber, wenn in einer bestreiten. Partei wie der meinen über Fragen der praktischen Konsequenzen aus außenpolitischen Grundorientie- (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben Sie rungen sorgfältig geredet und debattiert und dann aber lange bestritten!) entschieden wird, anstatt es im Hauruckverfahren zu Aber es läßt sich auch nicht bestreiten, daß diese machen und in Entwicklungen hineinzulaufen, deren Rechtssicherheit herbeigeführt werden mußte und Konsequenz am Ende niemand übersieht. daß für die zwei Jahre des Einsatzes und für die Bedingungen, politisch wie rechtlich, unter denen er (Beifall bei der SPD) stattfand, Sicherheit für die Soldaten und ihre Famili- Das sage ich auch deshalb, weil meinem Eindruck enangehörigen eben nicht, jedenfalls nicht in ausrei- nach in der Debatte in Deutschland über die Frage der chendem Maße, bestand. Beteiligung Deutschlands an Aktivitäten der Verein- ten Nationen mit einem Akzent diskutiert wird, der (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der uns von internationalen Entwicklungen abzukoppeln CDU/CSU) droht. Diese Rechtssicherheit ist jetzt vorhanden. Es bleibt (Widerspruch bei der CDU/CSU) die Frage, was politisch zu entscheiden ist. Jeder von uns weiß, daß nach den Erfahrungen des Meine Partei ist der Auffassung, daß sich Deutsch- Einsatzes in Somalia nicht mehr damit zu rechnen land neben dem Geschilderten im Zusammenhang ist, mit Aktivitäten der Vereinten Nationen, soweit sie (Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie eine Ultima ratio sind und militärische Dimensionen Ahnung ! ) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21173

Ministerpräsident Rudolf Scharping (Rheinland-Pfalz) daß in naher Zukunft die Vereinten Nationen nach entstanden sind, die wir auch gemeinsam bewahren den Vorschriften ihrer Charta das militärische Ober- sollten kommando über solche oder vergleichbare Operatio- (Dr. [CDU/CSU]: Keine nen übernehmen. Wer aber die Stärkung der Verein- Zusammenarbeit mit Kommunisten!) ten Nationen wünscht, wie wir das tun, der wird ihnen auch die Möglichkeiten zur Verfügung stellen müs- — allem Wahlkampf zum Trotz. sen, damit die Vereinten Nationen selbst und nicht auf (Beifall bei der SPD — Siegf ried Hornung Dauer alleine mit dem Hilfsmittel regionaler Organi- [CDU/CSU]: Der Scharping mit der PDS!) sationen in der Lage sind, Frieden zu schaffen und ihn nötigenfalls auch durchzusetzen. Über einige dieser Grundorientierungen habe ich auch deshalb gesprochen, weil ich sie in der Rede des Meine Damen und Herren, ich bin sehr sicher, daß Bundesaußenministers vermißt habe. Über andere viele dieser Einzelfragen, auch die Frage, ob es einer wäre weiter zu reden, möglicherweise nicht im Rah- zusätzlichen gesetzlichen Regelung für den Einsatz men dieser Debatte, aber ganz sicher nach dem der Bundeswehr auf der Grundlage und im Rahmen 16. Oktober. des Urteils des Bundesverfassungsgerichts bedarf, Wir jedenfalls wollen erreichen, daß die Bundesre- besser frei von den Bedürfnissen und möglicherweise publik Deutschland ihre — möglicherweise gewach- auch Leidenschaften eines Wahlkampfs diskutiert sene, ganz sicher aber veränderte — internationale werden. Für uns bleibt, daß die internationale Verant- Verantwortung als die Aufgabe, die Notwendigkeit wortung Deutschlands vielleicht nicht unbedingt und die Herausforderung begreift, die friedlichen gewachsen ist — darüber kann man streiten —, aber Möglichkeiten unseres Landes in Europa, im Westen auf jeden Fall auf andere Weise wahrgenommen und Osten unseres Kontinentes, konsequent zu entfal- werden muß und kann als in der Zeit der Blockkon- ten und sie der Entwicklung auch auf der südlichen frontation. Hemisphäre der Erde zur Verfügung zu stellen. Außenpolitische Grundorientierungen waren in (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ Deutschland heftig umstritten, so bei der Westintegra- CSU: Das tun wir ja die ganze Zeit!) tion Deutschlands in den 50er Jahren. Wir wollen veränderte, möglicherweise gewach- sene internationale Verantwortung zuerst als Auffor- rt (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Ihr wa derung verstehen, an den bewährten Grundorientie- dagegen! — Michael Glos (CDU/CSU): Die rungen der deutschen Außenpolitik festzuhalten und SPD war immer dagegen!) das Prinzip der kollektiven Sicherheit an die erste Da ich daran schon auf Grund meines Alters nicht Stelle der Sicherheitspolitik Deutschlands zu setzen. persönlich beteiligt war, kann ich daran zwei Feststel- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) lungen knüpfen: Die SPD hat um des Ziels der Wir wollen daran festhalten, daß Deutschl and nicht deutschen Einheit willen diese Westintegration zuletzt wegen der Erfahrungen seiner eigenen bekämpft, und das hat sich später als politisch falsch Geschichte eine Verpflichtung hat, bei der Bekämp- herausgestellt. Warum sollte man das nicht ausspre- fung der Ursachen von Konflikten, chen? Heute ist es allerdings so, daß wir in manchen Einzelfragen die Bedingungen der Westintegration, (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sehr rich- nämlich die nichtmilitärischen, zivilisatorischen und tig! Merken Sie sich das!) humanitären Antriebe der Westintegration, gegen bei der Prävention, bei der Besei tigung von Hunger, manche nationalistische Versuchung aus der Partei Bevölkerungsexplosion und globalen Umweltgefah- verteidigen müssen, die die Westintegration bewirkt ren seine erste internationale Verantwortung wahrzu- hatte. nehmen, und zwar nicht nur durch Erklärungen und schöne Worte, sondern nachprüfbar bis hin in die (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der Zahlen eines Haushaltes. CDU/CSU) (Beifall bei der SPD) Am Ende der 60er und am Anfang der 70er Jahre Weil die Welt nie so ist, wie sich das Parlamente in war die Frage der Ostpolitik heftig umstritten. Beschlüssen oder Parteien auf ihren Parteitagen vor- (Zuruf von der CDU/CSU: Zu Recht!) stellen: (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der Wenn Sie ehrlich und sauber argumentieren, werden CDU/CSU: Das ist wahr!) Sie sagen: Damals waren wir dagegen, und auch das hat sich als falsch herausgestellt. — Es war nämlich ein Es wird nie auszuschließen sein, daß wir uns auch an großer Gewinn für Deutschland, daß diese Politik Maßnahmen der Vereinten Nationen beteiligen. durchgesetzt werden konnte. (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Oh!) (Beifall bei der SPD) Wenn wir das tun, dann sollten dieselben Prioritäten gelten: Konfliktverhütung, Prävention und Beseiti- Es geht mir aber nicht darum, wer nach einer gung von Konfliktursachen. Wenn die Vereinten bestimmten historischen Entwicklung von sich sagen Nationen gestärkt sind — das hoffen wir sehr — und kann, er habe recht gehabt. Viel wichtiger ist, daß auf auf dem Weg dorthin sind, wäre es gut, wenn sich die der Grundlage dieser Politik gemeinsame Grund- Bundesrepublik Deutschland nicht nur um den Auf- orientierungen für die Außenpolitik unseres Landes bau von Krisenreaktionskräften in der NATO bemü- 21174 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Ministerpräsident Rudolf Scharping (Rheinland-Pfalz) hen und sich daran beteiligen würde, sondern wenn Es geht im Kern darum: Bleibt das geeinte Deutsch-- sie auch den Vereinten Nationen speziell ausgebil- land außenpolitisch handlungsfähig? Bleiben wir dete und speziell ausgerüstete Soldaten für ihre Akti- bündnisfähig und fähig zu tragfähigen Partnerschaf- vitäten zur Verfügung stellen würde. ten? Geht Deutschland einen Sonderweg mit der Im Kern bleibt es bei einer festen Grundorientie- Gefahr der Isolierung, so wie es Ihre Partei gewollt rung: Deutschland kann und darf unter Berücksichti- hat? Ich freue mich, wenn Sie heute das a lles ein Stück gung und in kluger Würdigung seiner eigenen Inter- zurechtgerückt haben. essen nicht den ersten und übrigens auch nicht den (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie freuen zweiten Akzent auf die militärische Erzwingung von sich überhaupt nicht!) Frieden setzen. Es bleibt aber auch immer wieder die Frage, vor (Beifall bei Abgeordneten der SPD) allem dann, wenn die Biskys und Gysis Einfluß auf die Deutschland muß immer ein Land bleiben, das aus deutsche Politik bekommen: Wollen wir wieder eine seiner Geschichte, aus der Erfahrung seit dem Zwei- gefährliche Sonderrolle, die uns in der Vergangen- ten Weltkrieg, wegen seiner europäischen Integration heit nicht gut bekommen ist? Nutzt Deutschland die sowie ihrer notwendigen Vertiefung und Erweiterung historische Chance der Einheit, zu einer außenpoliti- seine Kräfte darauf konzentriert, die f riedlichen Mög- schen Normalität zu finden, die uns durch 40 Jahre lichkeiten des eigenen L andes und der Welt zu Teilung infolge des Zweiten Weltkrieges versagt wor- entfalten und darauf seine Priorität zu setzen. den war? (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD) (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Also doch Sonder- rolle !)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht Unser Land ist heute ein ganz normales Mitglied der der Kollege Michael Glos. Völkergemeinschaft — gleichberechtigt, gleichwer- tig, mit den gleichen Rechten und Pflichten wie andere Mitglieder. Jedes andere Verständnis der Michael Glos (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Rolle Deutschlands würde über kurz oder lang zu sehr verehrten Damen und Herren! Ich bewundere einer Entfremdung von unseren Freunden und Part- den Mut des Ministerpräsidenten von Rheinland nern führen. Die unausweichlichen Folgen wären: Pfalz, der gestern dank der Hilfe der PDS einen neuen Beeinträchtigungen unserer äußeren Sicherheit, un-

Kollegen in Sachsen - Anhalt bekommen hat, seres wirtschaftlichen Wohlstandes und unserer (Unruhe bei der SPD) innerstaatlichen Stabilität. an dieser Stelle von Berechenbarkeit zu sprechen und Deutschland muß bereit sein, gerade auch entspre- Berechenbarkeit einzufordern. chend seinem wirtschaftlichen Gewicht Verantwor- tung zu übernehmen, um Frieden und Freiheit in (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Bei Europa und in der Welt zu sichern. fall bei der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ich frage Sie, Herr Scharping: War es für die Wäh- ordneten der F.D.P.) lerinnen und Wähler nach Ihrer Rede bei dem Partei- tag in Halle berechenbar, daß Sie kurz darauf initi- Auch der amerikanische Präsident Bill Clinton, der in ieren, daß ein Ministerpräsident in diesem Land mit der letzten Woche hier zu Besuch war, hat dies noch der Hilfe der Altkommunisten an die Macht kommen einmal eindeutig von den Deutschen eingefordert. sollte? Niemand kann sich dem eindeutigen Urteil des (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei Bundesverfassungsgerichtes entziehen. Die Stunde der SPD — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wie der Wahrheit ist gekommen. Ich freue mich, daß Sie peinlich!) heute beginnen, Farbe zu bekennen, nachdem Sie Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wäre jahrelang in dieser Frage versagt haben. heute nach dem gestrigen Skandal — ich halte das für (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) einen gewaltigen Skandal — Das Urteil des höchsten deutschen Gerichtes hat die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge außenpolitische Handlungsfähigkeit und damit die ordneten der F.D.P. — [CDU/ Haltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein- CSU]: Jawohl, ein Riesenskandal! — Ing rid drucksvoll bestätigt. Deswegen war der 12. Juli ein Matthäus-Maier [SPD]: Deswegen die Son guter Tag für eine friedliche Zukunft, für das Ansehen dersitzung!) und für die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik sehr viel wichtiger, eine Debatte über den künftigen Deutschland. politischen Weg Deutschlands anzustellen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Zuruf von der CDU/CSU: Der Lack ist ab!) ordneten der F.D.P.) als über die Berechenbarkeit der Außenpolitik von Ich bedanke mich bei allen, die diesen Rechtsstand- CDU/CSU und F.D.P. Die Berechenbarkeit dieser punkt stets vertreten und durchgesetzt haben. Ich Außenpolitik zum Wohle Deutschlands war stets erwähne ganz besonders meinen Vorgänger, Wolf- gegeben. gang Bötsch, aber auch Wolfgang Schäuble, dem ich (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — von hier aus gute Besserung zurufe. Peter Hintze [CDU/CSU]: Jawohl, so ist (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. es!) sowie bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21175

Michael Glos Jetzt stünde auch ohne diese Sondersitzung das fest, Die SPD steht als Partei der Neinsager mit einer was wir immer gesagt haben: Die Beteiligung der solchen außenpolitischen Erblast als nicht regierungs- Bundesmarine an der Überwachung des UN-Embar- fähig da. gos in der Adria, die Teilnahme unserer Soldaten der Bundesluftwaffe an der AWACS-Flugüberwachung (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — über dem Balkan und die Teilnahme unserer Streit- Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das entscheidet kräfte an UNOSOM II in Somalia stehen eindeutig im der Wähler, Herr Kollege!) Einklang mit unserer Verfassung. Ein SPD-Kanzler, der das Bundesverfassungsgericht braucht, um für Deutschland nötige Entscheidungen (Beifall bei der CDU/CSU) zu treffen, wäre eine Gefahr für die Zukunft Deutsch- Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich namens lands. der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei allen Soldaten (Beifall bei der CDU/CSU) für ihre mutigen Einsätze zu bedanken. Sie dienen Herr Scharping hat bei seinem Besuch in den Verei- damit auch der Sicherung des Friedens in Deutsch- nigten Staaten davon gesprochen, daß es zwischen land. der Außenpolitik der Regierung und (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) seiner Politik keine Unterschiede gäbe. Er wäre glaubwürdig geworden, wenn er nach Hause gegan- Die Bundesregierung hat dem Parlament einen gen wäre und die Klage vor dem Bundesverfassungs- Beschlußvorschlag zugeleitet, der die Routen, die die gericht zurückgenommen hätte. AWACS-Maschinen fliegen dürfen, und gleichzeitig auch den Auftrag der Schiffe in der Ad ria zur Durch- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — setzung des Embargos erweitert. An der Zustimmung Zuruf des Abg. Detlev von Larcher [SPD]) der Koalitionsfraktionen dazu hat es nie einen Zweifel gegeben. Ich freue mich, daß Sie, Herr Scharping, nun Das Verfassungsgericht hat jetzt klar entschieden. signalisiert haben, daß auch Ihre Fraktion dies tut. Es Wir begrüßen diese Entscheidung. Mit der Auflage, hat lange gedauert, bis dieser Erkenntnisprozeß bei daß jetzt die konstitutive Zustimmung des Parlaments der SPD gedämmert ist. nötig ist, können wir sehr gut leben. Wir haben Ihnen schon sehr viel früher angeboten, das Parlament daran (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) zu beteiligen. Es war ein bemerkenswert schwieriger Lernprozeß. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es ist gut, wenn die SPD jetzt endlich nicht mehr will, Wir hatten in unseren Fraktionen nie Probleme damit, daß deutsche Offiziere und Soldaten in den integrier- geschlossene Zustimmungen für die friedenssichern- ten Verbänden abseits stehen und sich in den Augen den Einsätze zu finden, meine sehr verehrten Damen ihrer Kameraden lächerlich machen. und Herren. Es war doch die Angst vor Ihren eigenen Reihen, die Sie davon abgehalten hat, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ( [CDU/CSU]: So ist es!) Sie haben versucht, davon abzulenken. Ich komme noch zur Parlamentszustimmung. diese Themen im Parlament zur Abstimmung zu stellen. Im Grunde ist die Karlsruher Entscheidung eine dramatische Niederlage, ja sogar eine Ohrfeige für die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und SPD, der F.D.P. — Detlev von Larcher [SPD]: So ein Schmarren!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Widerspruch bei der SPD) Mit diesem Urteil und mit dieser Auslegung der Verfassung ist das Bundesverfassungsgericht aller- die in zentralen Fragen der Außen- und Sicherheits- dings auch ein Stück weit von seiner bisherigen politik versagt hat. Diese Niederlage reiht sich in eine Rechtsprechungspraxis zu diesen Fragen abgerückt. Kette vieler Fehler ein: die Ablehnung der Westinte- Noch bei der Entscheidung über die Stationierung der gration der Bundesrepublik, der Widerstand gegen Pershing-Raketen war es der Meinung, daß die Bun- den Aufbau der Bundeswehr — auch daran muß desregierung, nachdem sie — genau wie das Parla- erinnert werden —, der Sturz von im ment — den NATO-Beitritt ratifiziert hat, eigenstän- Kampf gegen den NATO-Doppelbeschluß dig entscheiden kann. Auch bei der Vorabentschei- dung beim Eilantrag war noch nicht sichtbar, daß die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — konstitutive Zustimmung des Parlaments eingeholt Widerspruch bei der SPD) werden soll. Wenn das nun so vorgeschrieben ist, können wir damit gut leben. Wir werden auch heute — Sie haben Helmut Schmidt gestürzt, weil Sie seine aus unseren Reihen eine geschlossene Zustimmung Politik nicht mehr mitgetragen haben — bringen. (Beifall bei der CDU/CSU — Ing rid (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Matthäus-Maier [SPD]: Lächerlich!) der F.D.P.) und jetzt die Weigerung — ich habe immer noch kein Aber eines ist auch sicher: Nach dem Urteil besteht klares Wort zu Kampfeinsätzen gehört —, gleichge- kein Anlaß mehr zu einer Grundgesetzänderung. Das wichtig deutsche Verantwortung für Friedenssiche- Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festge- rung zu übernehmen. stellt: Zur Beschlußfassung im Deutschen Bundestag 21176 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Michael Glos über Auslandseinsätze genügt die einfache Mehrheit. Sie, Frau Matthäus-Maier, haben selbst noch nach - Daran werden wir uns auch künftig halten. dem Urteil, nämlich am 16. Ju li, im „Mitteldeutschen Expreß" gesagt — Sie sind ja bekanntlich eine aner- (Zustimmung der Abg. Dr. Wolfgang Frei kannte Verteidigungsexpertin —, ich zitiere: herr von Stetten [CDU/CSU] und Hans Rai del [CDU/CSU]) (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir wollten in dieser Frage Einigkeit mit der Opposi- „Für die Bundesregierung scheint die Frage Vorrang tion. Es ist ja nicht so, daß wir nicht gutwillig gewesen zu haben: Wie schicke ich möglichst schnell unsere wären. Ursprünglich wären wir bereit gewesen, für Jungs rund um den Globus?" bestimmte Einsätze eine Zweidrittelmehrheit vorzu- (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS/Linke Liste]: Sehr sehen. Sie haben auch dazu nein gesagt, und jetzt gut!) besteht kein Grund mehr, das Grundgesetz zu ändern. Wer so reagiert, der hat das ganze so wenig verstan- den wie Herr Opel, der in einer Presseerklärung am (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 12. Juli gesagt hat: „Karlsruhe hat die Interventions- Deswegen ist auch heute das, was im Vorfeld von träume der Koalition gestoppt". zu dieser Sondersitzung gesagt Sozialdemokraten Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir worden ist, vollkommen unglaubwürdig. haben keine Interventionsträume. Wir wollen nicht, (Anke Fuchs [SPD]: Sagen Sie doch gleich: daß die Bundeswehr eine Interventionsarmee zu Ein- „überhaupt überflüssig"!) sätzen überall und in der ganzen Welt wird. Jeder Es steht fest, daß die SPD bisher eine Einigung im mögliche Einsatz wird sorgsam geprüft und sorgsam Parlament nicht gewollt hat. Sie haben nicht das erwogen. Es muß feststehen, ob er deutschem Inter- Parlament gefragt, sondern Sie haben das Bundesver- esse dient. fassungsgericht gefragt. Ohne Bezug zu Tatsachen wird bewußt verdreht. (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf der Abg. Die Bundesregierung hat bisher jede Bitte der Verein- Ingrid Matthäus-Maier [SPD]) ten Nationen um militärische Unterstützung verant- wortungsbewußt, vor allen Dingen auch im Blick auf Ich kann verstehen, warum die SPD heute nicht die Sicherheit unserer Soldaten geprüft. Dabei hat die gern nach Bonn gekommen ist, denn sie ist auch nach Bundesregierung — und sie wird es weiterhin tun — dem Urteil weiter in dieser grundsätzlichen Frage der jede nur denkbare Sorgfalt walten lassen. deutschen Außen- und Sicherheitspolitik innerlich tief gespalten. (Detlev von Larcher [SPD]: Hat sie nicht!) (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Besonders In Ruanda haben belgische Fallschirmjäger einge- der Vorsitzende!) schlossene Deutsche ohne Zögern gerettet. Ich will Sie — oder den nächsten Redner, der jetzt antwortet — Ich bin gespannt, wie Sie die heutige Zustimmung mit konkret fragen: Sollen deutsche Soldaten nach dem Ihren Parteitagsbeschlüssen von Wiesbaden in Ein- Willen der SPD in Zukunft untätig bleiben, wenn die klang bringen, bei denen die Solidarität unter Genos- Chance besteht, belgische Mitbürger zu retten? sen höhergestellt wird als die Solidarität mit unseren Soldaten in UN-Missionen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Zurufe von der SPD: Oh! — Zurufe von der Was will die SPD tun, wenn Deutsche wiederum in F.D.P.: Hört! Hört!) Gefahr sind? Wir vergessen auch nicht, wie führende Sozialde- Der feinsinnigen, mehr SPD-internen Unterschei- mokraten nach der Entscheidung der Bundesregie- dung zwischen friedenserhaltenden Blauhelmeinsät- rung zur Adria- und zur AWACS-Beteiligung Bun- zen und friedensschaffenden Aktionen hat das Bun- deskanzler Kohl in scharfer Form Verfassungsbruch desverfassungsgericht eine bemerkenswe rt klare Ab- vorgeworfen haben. Die SPD hat damals aller- sage erteilt — ich zitiere aus dem Urteil —: schlimmste Verdächtigungen in die Welt gesetzt. Eine unterschiedliche Behandlung der verschie- Nachdem Sie es nicht getan haben, Herr Ministerprä- denen Einsatzformen von Friedensgruppen ver- sident, erwarte ich vom nachfolgenden Redner, der für bietet sich, weil die Grenzen zwischen den tradi- den Bundestag sprechen wird, daß Sie sich vor dem tionellen Blauhelmeinsätzen und solchen mit der Deutschen Bundestag bei Bundeskanzler Helmut Befugnis zu bewaffneten Sicherungsmaßnahmen Kohl entschuldigen. in der Realität fließend geworden sind. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU — Vielleicht hat die SPD auch den Kommentar von Lachen bei der SPD — Zuruf der Abg. Ingrid Herrn Prantl in der „Süddeutschen Zeitung", der Matthäus-Maier [SPD]) schreibt: — Frau Matthäus-Maier, zu Ihnen komme ich noch. Nach dem Urteil soll Art. 24 der Bundeswehr (Heiterkeit bei der CDU/CSU) sogar die Ausübung des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta Besonders übel ist die Unterstellung von seiten der gestatten. SPD, die Bundeswehr solle künftig eine Interventions- armee werden und im Ausland in Kriegseinsätzen Dies ist das selbstverständliche Recht auf internatio- verheizt werden. Solche Äußerungen kamen doch aus nale Nothilfe. Aber die SPD verneint bisher katego- Ihren Reihen. risch auch diese Nothilfe. Ich bin gespannt, ob m an Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21177

Michael Glos anschließend von weiteren Rednern Klarheit be- die grundsätzliche außenpolitische Handlungsfreiheit- kommt. der Bundesregierung durch starre Gesetze weiter Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die auszuhöhlen und einzuschränken. Das wird für uns CDU/CSU-Bundestagsfraktion bedeutet das Urteil der Maßstab auch für künftige Regelungen sein. keineswegs die generelle Freiheit für die Beteiligung (Beifall bei der CDU/CSU) der Bundeswehr an möglichst vielen Blauhelmeinsät- Meine sehr verehrten Damen und Herren, die zen. Vorrangige Aufgabe unserer Streitkräfte bleibt Umstrukturierung der Bundeswehr, insbesondere der die Landesverteidigung und die Verteidigung der Aufbau von Krisenreaktionskräften, schafft die nöti- NATO-Partner. Deutschland hat sich im Blick auf die gen Voraussetzungen dafür, daß die Bundeswehr Aufgabenstellung seiner Streitkräfte in den vergan- gemeinsam mit unseren Verbündeten Frieden und genen Jahrzehnten politische Zurückhaltung aufer- Freiheit auch in Zukunft sichert. Eine Teilnahme von legt. Dies steht unserem Land auch bei künftigen Wehrpflichtigen an Krisenreaktionskräften und bei Einsatzentscheidungen gut an. Einsätzen der Bundeswehr auf Grund der UNO- (Dr. Alfred Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!) Charta wird allein auf freiwilliger Grundlage erfol- gen. CDU und CSU werden an dieser Praxis festhalten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Ich appelliere deswegen heute an alle Seiten dieses ordneten der F.D.P.) Hauses, hinter unserer Bundeswehr, hinter diesem Für die Einsätze der Bundeswehr gelten für uns Friedensdienst und vor allen Dingen hinter dem, was klare Grundsätze. Obenan steht der Schutz der die Bundesregierung bisher veranlaßt hat, zu stehen Sicherheit unserer eigenen Bürger und der Bürger der und da, wo Irrtümer vorhanden waren, auch diese mit uns verbündeten Länder. Wir sehen für unsere Irrtümer einzugestehen und auf diesem falschen Weg Streitkräfte vor allen Dingen unsere Rolle in Europa. umzukehren. Bei entfernter gelegenen Krisenherden ist zunächst (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) einmal die Frage zu stellen und zu erörtern, ob nicht andere Länder mit größerer geographischer Nähe Verantwortung übernehmen können und sollen. Das gilt — ich spreche jetzt stärker für mich und für Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster hat der die CSU-Landesgruppe; aber ich glaube, auch da Fraktionsvorsitzende der F.D.P., Dr. Hermann Sohns, können wir Konsens finden — beispielsweise für das Wort. Ruanda, wo wir selbstverständlich im nötigen Umfang humanitäre Hilfe leisten. Ich bedanke mich für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ausdrücklich beim Bundesverteidigungsminister, daß er so schnell tat- Dr. (F.D.P.): Frau Präsidentin! kräftige Hilfe geleistet hat, indem Hilfsgüter nach Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kritik Zaire für die Flüchtlinge dort geflogen werden. an der Einberufung der Sondersitzung heute ist gänz- lich unberechtigt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der F.D.P. — Anke Fuchs [Köln] Wir wissen auch, daß Deutschland als Regional- [SPD]: Berechtigt!) macht nicht die Rolle eines Weltpolizisten überneh- men kann. Wir wissen, daß wir künftig sehr oft nein Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil sagen müssen, wenn wir gefordert werden. Aber wir eindeutig gesagt, daß für die Rechtmäßigkeit des dürfen uns nicht generell verweigern, so wie Sie es Einsatzes deutscher Soldaten außerhalb des Bündnis- bisher getan haben, wenn eine Ch ance besteht, durch gebietes nicht nur der Beschluß der Bundesregierung, unser Eingreifen Leben und Freiheit von Menschen sondern auch die Zustimmung des Deutschen Bun- schützen zu können und dies besser tun zu können als destages notwendig ist. es andere tun können. (Beifall bei der F.D.P. — Zuruf der Abg. Anke (Beifall bei der CDU/CSU) Fuchs [Köln] [SPD]) Es besteht — lassen Sie mich das bitte noch Wenn das so ist, dann ist die Rechtssicherheit eben abschließend sagen — auch für uns kein Grund, jetzt dann nur gegeben, wenn Sie beide Elemente vorher abstrakte Regelungen durch den Deutschen Bundes- geschaffen haben. Sie können es, wenn Sie es mit dem tag aufzustellen. Heute geht es um die Anpassung der Rechtsstaat ernst meinen, nicht zulassen, daß die Einsatzregeln in zwei ganz konkreten Einsatzfällen, Soldaten weiter bei AWACS und in der Adria einge- über die das Verfassungsgericht entschieden hat. In setzt werden, ohne daß Sie die Voraussetzungen welcher Form die Beteiligung des Parlaments im geschaffen haben, die das Bundesverfassungsgericht einzelnen künftig ausgestaltet ist, erfordert sorgfältige ausdrücklich vorgeschrieben hat. Beratung. Ich glaube, das bleibt dem nächsten Bun- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- destag vorbehalten. Insofern weiß ich mich auch mit ten der CDU/CSU) der Bundesregierung einig. Das kann man eben nicht irgendwann tun, wann es Maßgeblich ist die flexible und zügige Entschei- gerade bequem ist. Das Bundesverfassungsgericht hat dung im Einzelfall. Das hat auch das Bundesverfas- nicht gesagt: Macht das irgendwann einmal, sondern sungsgericht so gesehen. Es läßt eine einfache Mehr- es hat gesagt: Es muß gemacht werden, damit die heit genügen. Vor allen Dingen besteht kein Grund, verfassungsrechtliche Absicherung für die Soldaten 21178 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Dr. Hermann Otto Solms — und im übrigen auch für ihre Familien, Herr ten herauszuhören, daß er sich um die eigentliche - Ministerpräsident Scharping — geschaffen ist. Stellungnahme zur wirklichen Problematik herumge- drückt hat. (Beifall bei der F.D.P. — Widerspruch bei der SPD) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die Soldaten sind nun weiter eingesetzt, und ihre Er hat laufend neue Nebenkriegsschauplätze eröffnet, Absicherung ist notwendig. Das ist die einzig legi time als würden wir eine entwicklungspolitische oder eine Begründung für diese Sondersitzung. umweltpolitische Debatte führen, Herr Ministerpräsident Scharping, der Vorwurf an (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Herrn Kinkel, er habe die NATO-Partner für die sich aber um die eigentliche klare Beantwortung des Einberufung dieser Sondersitzung in Anspruch Themas und die Einstellung der sozialdemokrati genommen, ist nun wirklich falsch. Das haben andere schen Partei und Bundestagsfraktion dazu ge- getan. Er war es nicht. drückt. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Ich kann das auch verstehen. Ich weiß nämlich, daß Als Parteivorsitzender der F.D.P. und früherer Justiz- es unter den Sozialdemokraten viele gibt, die dieses minister ist es völlig selbstverständlich, daß es ihm Urteil prima finden. Jemand, der verantwortlich han- mehr und entschlossener delt und gegebenenfalls auch Regierungsverantwor- tung übernehmen will, kann eigentlich nur dankbar (Zuruf des Abg. Karsten D. Voigt [Frankfurt] sein, daß ihn das Bundesverfassungsgericht davon [SPD]) befreit hat, mit der populistischen Mehrheit der SPD um den Rechtsstaat und um die rechtliche Absiche- den Weg zur vollen Handlungsfähigkeit deutscher rung der Soldaten geht und nicht um andere Argu- Politik zu verhindern. mente. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P.) Also, Herr Scharping, es wäre möglicherweise Meine Damen und Herren, man kann jetzt keine unzumutbar, von Ihnen zu fordern, klar zu sagen, ob vordergründige Polemik führen, die Einberufung sei Sie das Urteil gut finden oder nicht. Ich kann mir aber zu teuer und störe den Urlaub. Ich habe gestern abend vorstellen, daß Sie in Ihrer Posi tion nicht ganz unzu- im Fernsehen gehört, Herr Struck sei in Anspruch frieden sind mit dem, was das Bundesverfassungsge- genommen worden und habe tatsächlich drei Stunden richt ausgesagt hat. Autofahrt benötigt, um wegen der Sondersitzung von ( [F.D.P.]: Er strahlt sogar!) Lothringen hierher zu kommen. Als ob das nicht zumutbar wäre, meine Damen und Herren! Eines aber muß unmißverständlich klar sein: Diese Sondersitzung ist notwendig. Die Rechtsklarheit kann (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne nur so hergestellt werden. Wir können es nicht ver- ten der CDU/CSU) antworten, daß die Soldaten ohne diese Klarstellung Sie können den Rechtsstaat nicht billig haben. Er ist weiter in den Einsatzgebieten tätig sind. nicht preiswerter zu haben, als er ist. Entweder Sie (Beifall bei der F.D.P. — Ing rid Matthäus- haben ihn ganz oder gar nicht. Maier [SPD]: Das wird durch Wiederholun- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne gen auch nicht besser!) ten der CDU/CSU — Anke Fuchs [Köln] Es gibt überhaupt keinen Grund, anzunehmen, die [SPD]: Haben Sie sonst nichts zu sagen?) „rules of engagement" seien geändert worden. Sie Im übrigen haben auch Sie mit Ihrer eigenen Klage werden nicht geändert. Das einzige, was getan wird, beim Bundesverfassungsgericht bewirken wollen, ist: Die Einschränkungen, die gegenwärtig für deut- sche Soldaten gelten, werden aufgehoben, so daß (Zuruf von der SPD: Haben Sie nicht auch deutsche Soldaten nun gleichberechtigt mit den ande- geklagt?) ren Streitkräften der NATO-Staaten sind und nicht — ja, sicher haben wir geklagt; darauf komme ich umkehren müssen, wenn es unangenehm wird. gleich zurück —, daß rechtliche Klarheit hergestellt Meine Damen und Herren, die F.D.P. als Partei der wird. Es wäre doch eigentlich nur konsequent, wenn Legalität Sie, auch wenn Ihnen das Urteil in vielen Passagen nicht paßt, das, was das Bundesverfassungsgericht als (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Der was?) zwingend notwendig erachtet, umgehend realisier- — der Legalität — ten. (Beifall bei der F.D.P.) ( [SPD]: Die haben wir Ihnen doch nie abgesprochen!) Ich verstehe allerdings, meine Damen und Herren, daß die Sozialdemokraten diese Debatte heute nicht nimmt des weiteren den Auftrag des Gerichtes ernst, haben wollten. Sie wollten sich die innere Auseinan- daß es Sache des Gesetzgebers ist — ich zitiere hierbei dersetzung mit dem Urteil ersparen. aus dem Urteil, weil das ein Thema ist, das uns gemeinsam noch beschäftigen wird —, „jenseits der (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne im Urteil dargelegten Mindestanforderungen und ten der CDU/CSU) Grenzen des Parlamentsvorbehalts für den Einsatz Als ich die Rede des Parteivorsitzenden der SPD bewaffneter Streitkräfte die Form und das Ausmaß aufmerksam angehört habe, war zwischen den Wor der parlamentarischen Mitwirkung näher auszuge- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21179

Dr. Hermann Otto Solms stalten". Hierbei handelt es sich um einen vom Parla- dürfen! — Ing rid Matthäus-Maier [SPD]: Sie - ment sehr ernsthaft und gewissenhaft zu prüfenden hätten handeln können!) Hinweis. Zu erinnern ist vor allem an die beiden Beschlüsse des Die F.D.P. ist der Auffassung, daß es der intensiven Bundessicherheitsrates vom September und Novem- und besonnenen Klärung bedarf, in welcher Form die ber 1982. Bekannterweise war der erste Beschluß notwendige parlamentarische Mitwirkung, beispiels- noch getragen von der Regierung Schmidt/Genscher weise durch ein Gesetz, künftig näher ausgestaltet und der zweite von der Regierung Kohl/Genscher. In werden sollte. Die F.D.P. strebt in dieser Frage auf beiden Sitzungen ist die genannte Rechtsauffassung jeden Fall einen möglichst breiten Konsens mit beiden bestätigt, jedenfalls nicht bestritten worden. Seiten in diesem Hause an; denn es geht um eine Der damalige Innenminister und damit Verfas- grundlegende zukunftsweisende Entscheidung deut- sungsminister Zimmermann — das richte ich jetzt an scher Politik und deutscher Außenpolitik. den Kollegen Waigel, der uns und Herrn Kinkel (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne öffentlich kritisiert hat — hat damals diese Haltung ten der CDU/CSU) bestätigt. Deswegen ist die Kritik, die öffentlich erho- Es ist richtig, bei einer solchen Entscheidung, die weit ben worden ist, völlig unberechtigt. über den Horizont von Legislaturpe rioden hinaus- (Beifall bei der F.D.P.) geht, zu versuchen, die allgemeine Zustimmung der Nur deshalb ist vor gut einem halben Jahr die F.D.P. demokratischen Parteien zu erreichen. den der Öffentlichkeit schwer verständlich zu (Ina Albowitz [F.D.P.]: Sehr wahr!) machenden Weg gegangen, den sie als Hüterin der Dabei wird es angesichts des komplizierten Sach- Verfassung und auch der Interessen unserer Soldaten verhaltes sicherlich erst in der nächsten Legislaturpe- gehen mußte. Wir konnten eine aktive Politik der riode zu einer abschließenden Bewertung kommen. internationalen Mitverantwortung nur auf eindeuti- ger rechtlicher Grundlage befürworten. Aus diesem (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wenn Sie dann Grunde mußte sie durch eine Klage gegen den noch da sind!) AWACS-Einsatz den Weg für eine einstweilige Das kann in einer halben Sitzungswoche, die wir noch Anordnung freimachen, welche dieses dann auch haben, sicher nicht geregelt und geklärt werden. gestattet hat. Frau Matthäus-Maier, da kann ich Sie beruhi- (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Und gen: — — gleichzeitig in der Regierung bleiben!) (Zuruf von der F.D.P.: Frau Fuchs!) — Ja, und zwar deshalb in der Regierung bleiben, weil unsere politische Zielsetzung identisch war. Wir woll- — Entschuldigung, Frau Fuchs war es. Da kann ich Sie ten es aber nicht verantworten, Soldaten mit dem beruhigen: Die F.D.P. wird dem nächsten Bundestag Risiko einzusetzen, dabei Verfassungsbruch zu bege- angehören, und zwar mit mehr Abgeordneten, als Sie hen. es gegenwärtig glauben. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) (Lachen bei der SPD) Es gibt eben nur zwei Wege dieses auszuschalten. Der Sie wird in der nächsten Legislaturpe riode wieder natürliche geborene Weg ist der, eine Verfassungsän- bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Ich bin derung herbeizuführen. sicher, daß die Mehrheiten für die Koalition dafür (Beifall bei der F.D.P.) ausreichen werden. Dieses Angebot haben wir Ihnen in vielerlei (Beifall bei der F.D.P.) Gesprächen — Herr Klose, Sie erinnern sich ja — Meine Damen und Herren, wir werden immer gemacht, mit weitgehendem inhaltlichen Entgegen- wieder gefragt, und ich als Klageführer werde immer kommen. Sie haben den Kompromißvorschlag, die wieder von Bürgern, die die Zusammenhänge nicht so goldene Brücke hin zu einer Verfassungsänderung, genau beurteilen können, weil sie die Hintergründe die wir Ihnen gebaut haben, nicht akzeptiert. Sie nicht so kennen, gefragt, haben diesen Weg nicht mitbeschritten. Deswegen (Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE blieb kein anderer Weg, als die Klage zu führen. GRÜNEN]: Nicht nur die!) (Beifall bei der F.D.P.) warum wir denn diese Verfassungsklage gegen die Das Ergebnis dieser Klage und des Urteils stellt uns eigene Bundesregierung angestrengt haben. Dazu nachträglich zufrieden, denn wir sind auch ganz will ich einige Bemerkungen machen. Die F.D.P. als persönlich ein ganz erhebliches und großes Risiko bei Partei, die sich zuallererst als Hüterin der Verfassung diesem gewagten Manöver eingegangen. Nun hat das versteht, sah sich daran gehindert, einen Rechtsstand- Bundesverfassungsgericht die zentralen Zielsetzun- punkt aufzugeben, nach dem Auslandseinsätze der gen, die wir uns vorgenommen hatten, bestätigt. Bundeswehr vom Grundgesetz nicht gedeckt seien. Es lag nicht allein in unseren Händen, einen Standpunkt Das erste war aufzugeben, der über Jahrzehnte die Haltung sämtli- (Zuruf des Abgeordneten Karsten D. Voigt cher Bundesregierungen war, und zwar aus wohler- [Frankfurt] [SPD]) wogenen rechtlichen und politischen Gründen. — das Urteil des Verfassungsgerichts sagt es ja (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Dann eindeutig aus —: Deutsche Soldaten dürfen bei Frie hatten Sie in der Regierung nicht zustimmen denseinsätzen der Völkergemeinschaft auch außer- 21180 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Dr. Hermann Otto Solms halb des Bündnisgebietes mitwirken. Damit ist die Einsatz deutscher Soldaten als eine Art Ultima ratio in - volle Handlungsfähigkeit deutscher Außenpolitik Frage kommen. hergestellt. Das ist auch notwendig, weil wir seit März (Beifall bei der F.D.P.) 1991 ein souveräner Staat sind. A lles andere wäre nicht akzeptabel. Ein automatisches Nein aber, wie es von Teilen der SPD, den GRÜNEN und der PDS proklamiert wird, (Beifall bei der F.D.P.) kommt für uns nicht in Frage und ist durch das Gericht auch in Zukunft ausgeschlossen. Diese Diskussion ist Zweitens. Wir haben erreicht, daß die Notwendig- beendet. Und viele in der SPD sind in Wirklichkeit froh keit der Mitwirkung des Bundestages vom Bundes- darüber, daß das Urteil so ausgefallen ist. verfassungsgericht bestätigt worden ist. Damit haben wir das erreicht, was wir als wichtigstes Ziel wollten, Wir fordern die Führung der SPD im Interesse eines daß nämlich über Einsätze, wo es auch um Leben und möglichst breiten politischen Konsenses in dieser für Tod gehen kann, nicht nur die Regierung allein die Zukunft unseres Landes äußerst bedeutsamen entscheiden kann, sondern die Volksvertretung dem Frage auf, die Sozialdemokratische Partei endlich zustimmen muß. wieder als Ganzes in den Kreis der handlungsethisch verantwortlichen Politikauffassung der westlichen (Beifall bei der F.D.P.) Demokratien zurückzuführen. Ich glaube, dafür ist die Zeit jetzt gegeben. Schon vor mehr als einem Jahr hatten Sie die Möglichkeit, mit uns gemeinsam eine Verfassungsän- (Beifall bei der F.D.P.) derung durchzuführen. Sie haben das nicht gemacht. Ich will abschließend sagen, meine lieben Kollegin- Nun haben Sie weniger bekommen, als Sie damals nen und Kollegen: Ich bin der festen Überzeugung, hätten bekommen können. Das ist nun einmal die daß die zentrale Position der liberalen Partei in der Ironie der Geschichte. Mitte des politischen Spektrums kaum besser bewie- sen werden konnte als durch unser erfolgreiches (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Eintreten für die Herbeiführung höchstrichterlicher ten der CDU/CSU) Klarheit zu diesem bedeutsamen Aspekt unserer Trotzdem — und das habe ich vorhin gesagt — wollen Außen- und Sicherheitspolitik. Die F.D.P. und die wir mit Ihnen über das, was in Zukunft zu tun ist, zu F.D.P.-Bundestagsfraktion sehen ihre politischen Gesprächen kommen — das wird in der nächsten Ziele mit diesem Urteil nachhaltig bestätigt. Wir Legislaturperiode notwendig sein —, um abzustim- werden in Zukunft in großer Verantwortung an der men, wie wir gemeinsam dieser Politik in diesem Ausfüllung dieses Urteils mitwirken. Bereich gestalten. Zuallererst möchte ich sagen: Ich hoffe, daß zukünf- tige Regierungen nicht ge tragen oder abhängig sein Ich möchte doch noch einmal an das erinnern, was werden z. B. von der Person, die jetzt nach mir hier Willy Brandt in seiner Rede anläßlich des Beitritts zu sprechen wird. den Vereinten Nationen gesagt hat — ich zitiere —: Vielen Dank. Wir sind gekommen, um — auf der Grundlage (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- unserer Überzeugungen und im Rahmen unserer ten der CDU/CSU) Möglichkeiten — weltpolitische Mitverantwor- tung zu übernehmen. Meine Damen und Herren, jetzt ist möglich, was ein Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht dem deutschen Volk sein Leben lang verpflichteter der Abgeordnete Dr. Gregor Gysi. Bundeskanzler und Pat riot damals als Programm ver- (Dr. [CDU/CSU]: Herr kündet hat: Deutschl and kann sich diese Aufgabe in Scharping, jetzt kommt der Partner!) vollem Umfang und mit voller Souveränität stellen. Wenn dies nun der Fall ist, so ist dies in überwiegen- dem Maße auch Erfolg der von der F.D.P. geführten Dr. Gregor Gysi (PDS/Linke Liste): Frau Präsidentin! Außenpolitik der verschiedenen letzten Regierun- Meine Damen und Herren! Herr Glos hat sich hier gen. bemüßigt gefühlt, als erstes zu der Wahl des Minister- (Beifall bei der F.D.P.) präsidenten in Sachsen-Anhalt Stellung zu nehmen, Allerdings muß die Politik jetzt entscheiden zwi- (Zuruf von der CDU/CSU: Das war gut so!) schen „Ja, wir tun etwas" oder „Nein, wir lehnen es und hat in diesem Zusammenhang darauf hingewie- ab". Die Politik wird dadurch nicht leichter, sie wird sen, daß Berechenbarkeit und andere Dinge auf gege- schwerer. Das müssen wir wissen. Beide Haltungen ben worden sind. Ich glaube, Sie haben einfach sind von vornherein möglich. Die jeweilige Entschei- Schwierigkeiten, Wahlergebnisse zu akzeptieren. dung muß mit großer Ernsthaftigkeit und im Bewußt- sein um die Verantwortung für Leben und Sicherheit (Widerspruch bei der CDU/CSU) der Soldaten ge troffen werden. Das Problem ist nämlich, daß die CDU-Regierung in Für die F.D.P. geht es jetzt gerade darum, eine Sachsen-Anhalt abgewählt worden ist. Das ist das Kultur der Zurückhaltung zu entwickeln, die objek- Entscheidende, und Sie sind nicht bereit, das zur tive Hürden für eine deutsche Beteiligung hoch hält; Kenntnis zu nehmen. denn nur in ernstesten Fällen — und ich freue mich, (Michael Glos [CDU/CSU]: Es waren Aussa- daß wir hier völlig übereinstimmen — kann der gen vorher von Herrn Scharping in Ha lle!) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21181

Dr. Gregor Gysi Die F.D.P. ist ja nun ganz und gar aus dem Landtag solchen Herausforderung auch nur politisch, ökono- hinausgewählt worden und sollte sich darüber viel- misch, sozial, kulturell und zivilisatorisch begegnet leicht einmal Gedanken machen. werden kann und genau nicht militärisch. Das zweite: Sie haben ja von „Altkommunisten" (Beifall bei der PDS/Linke Liste) gesprochen. Dieser Dritte-Welt-Konflikt wird sich militärisch (Zuruf von der CDU/CSU: Das sind Sie!) nicht lösen lassen. Das ist der Versuch, den die Ich darf Sie vielleicht darauf hinweisen, daß die Bundesregierung im Bündnis mit anderen Regierun- Gruppe PDS/Linke Liste im Altersdurchschnitt we- gen der westlichen Welt unternimmt. Das hat sich sentlich jünger ist als die Fraktion der CDU/CSU. beim Golfkrieg gezeigt, das zeigt sich in Ruanda; das Darüber sollten Sie einmal nachdenken und auch zeigte sich in Somalia und auf den verschiedensten darüber, daß sehr viele junge Menschen die PDS nicht anderen Schauplätzen dieser Welt. zufällig wählen, besonders in den neuen Bundeslän- Krieg ist leider wieder zu einem normalen Mittel dern, aber nicht nur dort. Daß Sie das stört, verstehe der Politik geworden, und die Bundesregierung sagt: ich; ändern werden Sie es nicht können, und schon gar Auch wir wollen dieses normale Mittel der Politik nicht durch Ihre gegenwärtigen Aktionen. einsetzen dürfen. Hier wird kein deutscher Sonder- Drittens. Ich verstehe einen Kritikpunkt der SPD weg formuliert. Aber vielleicht ist deutsche Zurück- nicht, nämlich den Hinweis darauf, daß diese Sitzung haltung in militärischen Fragen schon aus historischen überflüssig sei. Wenn man in seinem Antrag als erstes Gründen geboten und gerechtfertigt. rügt, daß die Bundesregierung die Parlamentsrechte (Beifall bei der PDS/Linke Liste) verletzt hat und das als entscheidende Kritik formu- liert, kann man sich ja nicht im E rnst darüber aufre- Wenn Sie keinen deutschen Sonderweg gehen gen, wenn dann die Parlamentsrechte wiederherge- wollen, dann sage ich Ihnen: Die meisten Staaten stellt werden, auch wenn das geschieht unter Inkauf- dieser Erde sind gar nicht an militärischen Konflikten nahme der Unterbrechung des Urlaubs, was ich für beteiligt; nur die führenden westlichen Staaten führen nicht so katastrophal halte. Wenn das die Hauptkritik in erster Linie militärische Operationen durch. Daran der SPD wäre, müßte sie eigentlich die Sondersitzung wollen Sie beteiligt werden, also einer Art militäri- begrüßen. scher Elite angehören und nicht dem militärischen Normalfall zugerechnet werden. Natürlich kann man sagen: Da die Mehrheitsver- hältnisse im Bundestag sowieso klar sind, weiß man ja, Sie diskutieren ja nicht einmal die Frage, die wie der Antrag hier beschieden werden wird; so Boutros-Ghali hinsichtlich wirklich internationaler gesehen ist die Sondersitzung überflüssig. Das gälte Streitkräfte aufgeworfen hat. Dabei kann m an sehr dann aber für fast alle Plenartagungen des Deutschen unterschiedlicher Meinung sein. Ihnen geht es ja um Bundestages, denn es steht vorher schon immer fest, die Entsendung nationaler Kontingente, damit deut- wie abgestimmt wird, sche Interessen, wie mehrfach vom Außenminister, auch vom Ministerpräsidenten von Rheinl and-Pfalz (Beifall bei der PDS/Linke Liste) betont wurde, dabei berücksichtigt werden können. von ganz wenigen Ausnahmen, wie die Entscheidung Ich frage: Welche sollen denn das eigentlich sein in über den Berlin-Umzug und über § 218 oder ähnli- Somalia, in Ruanda und anderswo? Das würde ich chem, einmal abgesehen. Das sind ja dann auch die schon gern erfahren. wenigen sogenannten Höhepunkte des Parlaments- Was hat das G-7-Treffen, sozusagen der Weltgipfel lebens, nämlich dann, wenn man noch ein bißchen der führenden westlichen Staaten, eigentlich hinsicht- bibbern darf, wie das Ganze ausgehen wird. lich dieser Herausforderungen, die es in der Welt gibt, Allerdings ist doch das Entscheidende an dem wirklich verändert? Gibt es nicht andere Wege, Frie- Antrag der SPD der Punkt 3. Do rt heißt es, daß alle von den zu schaffen, als den Einsatz des Militärs? Wie der Bundesregierung am 15. Juli 1994 beschlossenen kann man denn der Herausforderung dieser soge- Maßnahmen vom Parlament gebilligt werden sollen. nannten Dritten Welt begegnen? Wann wird denn nun Das heißt, in der Kernfrage des Einsatzes des Militärs endlich einmal die Entschuldung der ärmsten Länder zur Lösung internationaler oder auch nationaler Kon- dieser Welt beschlossen? Wann endlich werden die flikte gibt es doch gar keinen Widerspruch. Das ist Märkte für diese Länder wirklich geöffnet? Wann meine eigentliche Kritik an der SPD, daß sie eben in garantieren wir ihnen hinsichtlich ihrer Monokulturen dieser Frage keine Oppositionsrolle spielt, sondern wirklich Abnahmemengen und Abnahmepreise, da- nur die Verletzung von Parlamentsrechten rügt, aber mit sie eine Volkswirtschaft überhaupt gestalten kön- eben nicht den internationalen Einsatz des Militärs. nen? Nichts dergleichen geschieht. Das einzige, wor- über hier seit vier Jahren diskutiert wird, ist der Nach Wegfall des Ost-West-Konflikts ist der soge- Einsatz der deutschen Bundeswehr weltweit. Das ist nannte Konflikt mit der Dritten Welt zur eigentlichen das Hauptthema der deutschen Außenpolitik nach der Herausforderung geworden. Das ist wahr. Wie begeg- Vereinigung geworden. Damit sind viele vorhandene net nun der Westen, wie begegnen die führenden und gegebene Chancen nicht genutzt worden. Industriestaaten dieser wirklichen Herausforderung? Was ist überhaupt Gegenstand und Inhalt dieser Es war der Verteidigungsminister Rühe, der hier in Herausforderung? Es handelt sich doch um einen der Asyldebatte ganz klar gesagt hat: Wenn wir das politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und Asylrecht einschränken — oder auch faktisch abschaf- letztlich auch um einen zivilisatorischen Konflikt. Das fen —, würden wir sehr viel Geld sparen. Dieses Geld Problem ist, daß einem solchen Konflikt und einer könnte sehr viel nutzbringender für Entwicklungs- 21182 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Dr. Gregor Gysi hilfe ausgegeben werden. Nun haben Sie das Asyl- blik Deutschland verkauft in großen Mengen Waffen - recht faktisch abgeschafft. in die gesamte Welt. Sie liegt nach den USA und Rußland an dritter Stelle. (Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Das ist eine Lüge! Das ist doch nicht abgeschafft!) (Ina Albowitz [F.D.P.]: Was war in der ehe- maligen DDR? — Dr. Hermann Otto Sohns Nichts von dem dadurch eingesparten Geld ist in [F.D.P.]: Was haben Sie vorher gemacht?) Entwicklungshilfe gegangen. Im Gegenteil: Die abso- luten Zahlen sind sogar kleiner geworden. Das ist die Ich sage Ihnen: Wer weltweit Waffen verkauft, mit Realität. denen immer Krieg oder Bürgerkrieg geführt wird, ist besonders heuchlerisch, wenn er anschließend seine (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]: Weil das Asyl- Soldaten friedenstiftend hinterhersenden will. recht nicht abgeschafft wurde! Deswegen! — (Beifall bei der PDS/Linke Liste — E rnst Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Die Zahl Hinsken [CDU/CSU]: Sie als Oberkommu- der Anerkennungen hat sich verdoppelt!) nist müssen das sagen! — Herbert Lattmann — Aber die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber ist [CDU/CSU]: Wie war es beim Einmarsch in erheblich zurückgegangen. Darauf waren Sie doch so die Tschechoslowakei? Heuchler!) wahnsinnig stolz. Damit haben Sie angeblich soviel Geld eingespart. Wo ist es geblieben? Für Entwick- lungshilfe ist es auf jeden Fall nicht ausgegeben Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster hat der worden. Hier gibt es eben den Zusammenhang. Kollege Gerd Poppe das Wort. Bei der Herausforderung, vor der wir stehen, kön- nen Sie die unterschiedlichen zivilisatorischen Bedin- Gerd Poppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau gungen nicht so belassen, wie sie gegenwärtig auf Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu dieser dieser Erde sind. Allen ist klar, daß die Ökologie ein Sondersitzung wurde von mehreren Seiten und mit globales Problem ist und auch nur planetar angegan- unterschiedlichen Argumenten — auch aus den Rei- gen werden kann. Aber Sie können nicht auf einem hen der Koalition, Herr Solms — gesagt, daß sie einzigen Gebiet allein den Herausforderungen überflüssig sei. Dem kann ich mich im Gegensatz zu begegnen. Dazu müssen Sie auch die soziale Frage meinem Vorredner nur anschließen. Denn die eigent- weltweit lösen. lichen Aufgaben, die dem Bundestag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zukommen, kann er (Ina Albowitz [F.D.P.]: Ja, wir lösen alle vor dem 16. Oktober nicht mehr lösen. Probleme, weltweit!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das werden Sie nicht schaffen, indem Sie zwei Wege sowie bei Abgeordneten der SPD) gehen, nämlich sich abschotten gegenüber den in Not geratenen Menschen, indem Sie das Asylrecht fak- Was mit der heutigen Sitzung geleistet wird, ist tisch abschaffen, und das Militär einsetzen. Wer so nicht, wie behauptet wurde, die Verhinderung eines den Herausforderungen mit der Dritten Welt begeg- Sommertheaters zum unpassenden Thema, sondern nen will, richtet nicht nur dort großen Schaden an, diese Sitzung ist Bestandteil des Sommertheaters, die sondern gefährdet auch seine eigene Bevölkerung. parlamentarische Garnierung von Wahlkampfauftrit- Das ist eine Tatsache. ten vor allem des F.D.P.-Vorsitzenden. Herr Kinkel, Ihre Regierungserklärung war in weiten Teilen keine Kommen Sie mir nicht mit dem Argument Geld! Sie Regierungserklärung, sondern ein einfacher Wahl- haben für Sozialleistungen innerhalb dieser Gesell- kampfauftritt. schaft kein Geld, Sie haben für Entwicklungshilfe kein Geld. Aber wenn ein Golfkrieg ausbricht, haben Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Nu zig Milliarden DM zur Verfügung, von denen sowie bei Abgeordneten der SPD) man vorher gar nicht wußte, daß es sie überhaupt gibt. Wenn es nur um die Absegnung bisheriger Adria- Das ist die Realität in dieser Gesellschaft. und AWACS-Einsätze ginge, so hätte dafür sicher eine reguläre Sitzung gereicht, (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNIS (Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Haben Sie SES 90/DIE GRÜNEN) das Urteil gelesen?) zumal beides für den Verlauf des Krieges im ehema- Es gibt nicht zuwenig Geld, es wird nur ungerecht verteilt, sowohl innerhalb der Gesellschaft als auch ligen Jugoslawien vergleichsweise irrelevant gewe- sen ist. nach draußen. Verwenden Sie dieses Geld nicht für die Entwicklung von Militär, verwenden Sie es für (Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Sie haben wirksame Entwicklungshilfe, für die Öffnung der das Urteil gar nicht gelesen!) Märkte, für wirkliche Hilfe in der sogenannten Dritten Von Einzelfällen abgesehen ist weder das Flugverbot Welt! über Bosnien-Herzegowina noch das Embargo Ich sage Ihnen als letztes: Für mich ist und bleibt es gegenüber Restjugoslawien durchgesetzt worden. Ausdruck einer besonderen Heuchelei — es ist schon Beides diente eher der Selbstbeschwichtigung westli- interessant, daß Sie zu dieser Frage hier überhaupt cher Politik. An der letztendlichen Akzeptanz der nicht Stellung genommen haben —, daß die Bundes- Ergebnisse der serbischen Aggression hat sich republik Deutschland nach der Vereinigung vom dadurch nichts geändert. vierten auf den dritten Platz der waffenexportieren- Werden nun vielleicht zwei relativ unwirksame den Länder vorgerückt ist. Das heißt, die Bundesrepu Maßnahmen durch den zur Bestätigung durch den Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21183

Gerd Poppe Bundestag vorgelegten Kabinettsbeschluß zum Vehi- Urteil ist gerade etwas über eine Woche alt, und schon- kel für zukünftige Formen von Interessendurchset- gibt es zu seinen Leitsätzen eine ähnliche Zahl kon- zung gemacht? Was bedeutet die im Antrag der troverser Meinungen und Interpretationen wie zum Bundesregierung geforderte deutsche Teilnahme an Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts. Von einer der „Durchsetzung" des Adria-Embargos und des einzigen Klärung abgesehen, nämlich der, daß der Flugverbots? Was bedeutet der Einsatz, der Wegfall Bundestag in jedem Falle zustimmen muß, bleiben die der Beschränkungen konkret? Bedeutet er z. B. die wichtigen Fragen weiter offen. Das Bundesverfas- deutsche Beteiligung an Zwangsmaßnahmen zur Auf- sungsgericht hat wesentliche Aufgaben an das Parla- rechterhaltung des Waffenembargos gegen Bosnien ment zurückgegeben. Herzegowina? Bedeutet andererseits die verschwom- mene Formel „unter Nutzung der gesamten Gebiete (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Ich der NATO/WEU-Operationsplanung" den möglichen würde das Urteil einmal lesen!) Einsatz deutscher Soldaten im Luftraum des ehemali- gen Jugoslawiens, womit der bisher stets formulierte Der Verlauf der Verfassungsdebatte seit der deut- Konsens, deutsche Soldaten hätten in jener Region schen Einheit hat gezeigt, daß es gegenwärtig keine schon aus historischen Gründen nichts zu suchen, ausreichende Mehrheit dafür gibt, der veränderten verlassen würde? Weltlage mit einer angemessenen Präzisierung und Erneuerung des Grundgesetzes gerecht zu werden. Wir können Nr. 3 des SPD-Antrags unsere Zustim- Nun zeigt sich einmal mehr die äußerst begrenzte mung nicht geben. Den Antrag der Bundesregierung Möglichkeit, Vorgaben für politisches H andeln durch müssen wir ablehnen. Einen Blankoscheck für diese eine Verfassungsinterpretation zu erreichen. Ent- Einsätze kann es nicht geben, weil die Konsequenzen scheidend bleibt der politische Wille, und den formu- des Einsatzes weitgehend unklar bleiben. liert nicht das Bundesverfassungsgericht. Der politische Wille aber, in Grundsatzfragen einen Herr Kollege Poppe, Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Konsens zu erreichen, ist gegenwärtig nicht vorhan- gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Irmer? den. Das sei einfach am Beispiel der gegenwärtigen Debatte geschildert. Die einen argumentieren, die Entscheidung sei vor allem durch die Bundesregie- Gerd Poppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bitte, rung nach ihrer jewei ligen Interpreta tion der deut- Herr Irmer. schen Interessen zu treffen, ein inte rnationales Man- dat müsse nicht durch den UN-Sicherheitsrat erteilt werden, und im Bundestag genüge jeweils die einfa- Ulrich Irmer (F.D.P.): Herr Kollege Poppe, nachdem che Mehrheit. Sie die Sondersitzung für überflüssig halten: Hätten Sie denn dafür plädiert, daß die deutschen Soldaten Eine Gegenposition, der ich eher zuneigen würde, dem rechtswidrigen Zustand, in dem sie sich jetzt lautet: Ein Einsatz deutscher Soldaten kann außer zur befinden, dadurch entzogen worden wären, daß m an Landesverteidigung und im Bündnisfall nur im Rah- sie aus den Einsätzen zurückgeholt hätte, um sie im men eines Systems kollektiver Sicherheit erfolgen, September nach einer ordentlichen Sitzung dieses d. h. auf der Grundlage von Beschlüssen des UN- Hauses dann wieder dorthin zu schicken, und haben Sicherheitsrates und unter UNO-Kon trolle. Die Emp- Sie sich darüber hinaus einmal überlegt, wieviel fehlung, daß die parlamentarische Mitwirkung durch Kosten dies im Vergleich zu den Kosten der Sonder- die Gesetze auszugestalten ist, bedeutet gerade, daß sitzung verursacht hätte, ganz abgesehen von dem verschiedenartige Einsätze auch unterschiedliche internationalen Schaden für unsere Zuverlässigkeit Mehrheitsverhältnisse voraussetzen. als Deutsche in der Welt? (Beifall bei der F.D.P. — Dr. Karl-Heinz Das Verfassungsgerichtsurteil und die aktuelle Dis- Hornhues [CDU/CSU]: Gute Frage!) kussion verweisen auf eine Reihe offener Fragen, von denen ich nur wenige andeuten will. Eine Frage könnte lauten: Was sind denn überhaupt die deut- Gerd Poppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr schen Interessen? Auf die Spitze getrieben kann diese Irmer, das Problem für mich besteht nicht in dem Frage auch so gestellt werden: Würden z. B. Wirt- bisherigen Einsatz zur Beobachtung der Ad ria, auch schaftsinteressen, vorausgesetzt, sie stimmen mit durch die AWACS-Flüge. Das Problem besteht für denen der Verbündeten überein, Out-of-area-Ein- mich in den Konsequenzen der Erweiterung des sätze ermöglichen? Was bedeutet es, wenn der Bun- Kabinettsbeschlusses vom 15. Juli, nämlich die soge- desaußenminister in einer Zeitung so zitiert wird: nannten Beschränkungen aufzuheben. Dies ist gegenüber dem Vorherigen eine ganz gravierende Für solche Einsätze müßten die deutschen Inter- Veränderung, und dies wäre zum gegenwärtigen essen, die außenpolitischen Verpflichtungen und Zeitpunkt nicht erforderlich gewesen. moralisch-ethische Prinzipien berücksichtigt (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Auch das, was bisher werden. war, mußte durch Beschluß kommentiert Gibt es denn deutsche Interessen, die den einge- werden!) gangenen außenpolitischen Verpflichtungen und den Meine Damen und Herren, es gibt weitergehende moralisch- ethischen Prinzipien zuwiderlaufen? Wer Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfas- formuliert die deutschen Interessen z. B. im Falle des sungsgerichtes. Was sie betrifft, gehen sie erheblich Li Peng-Besuches zutreffender: der Bundeskanzler, über das Adria-Embargo und AWACS hinaus. Das der Bundesaußenminister, die Firma Siemens oder die 21184 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Gerd Poppe Demonstranten, die Herrn Li vom Brandenburger Tor wünscht, sollte am 16. Oktober eine entsprechende fernhielten? Entscheidung treffen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Karl Stockhausen [CDU/CSU]: Genauso wie sowie bei Abgeordneten der SPD) in Magdeburg!?) Liegt das deutsche Interesse nicht gerade in der Sicherung der Menschenrechte und in der festen Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht Einbindung in ein System kollektiver Sicherheit? der Bundesminister der Verteidigung, Volker Rühe.

Was aber — so eine weitere Frage — ist ein System Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Nach meinem bisherigen Ver- kollektiver Sicherheit? Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ständnis wird es von Staaten gebildet, die voreinander Normalerweise wollte ich nicht auf Herrn Gysi einge- Schutz suchen, nicht aber von Militärbündnissen, die hen, aber es ist schon dreist, was er über Deutschl and sich gegenüber einem potentiellen Gegner zusam- als angeblich führenden Waffenlieferanten gesagt menschließen. hat. Herr Gysi, die internationalen Statistiken, die Sie erwähnt haben, sind deswegen entstanden, weil wir (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Das steht ante Ausmaß an Waffen, das wir von der im Urteil aber alles klar drin, Herr Poppe! Das das exorbit geerbt haben und das die SED angeschafft hat, müssen Sie mal lesen!) DDR abrüsten müssen. Wir haben einigen NATO-Ländern Wenn das Grundgesetz in seiner jetzigen Form eine Waffen gegeben. Es ist wirklich dreist, wenn von der solch eindeutige Definition nicht enthält — vergleiche SED angeschaffte Waffen von der PDS jetzt nachträg- die unverständliche Gleichsetzung durch das Bundes- lich beklagt werden. Damit kommen Sie nicht verfassungsgericht —, so kann und muß auch diese durch. Frage vorrangig politisch beantwortet werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD — Wider- Wäre es angesichts der brisanten Lage in vielen spruch bei der PDS/Linke Liste) Teilen der Welt nicht angebracht, Systeme kollektiver Wir haben die Waffen zuverlässigen Ländern wie Sicherheit wie die UN entschiedener zu stärken? Wir Schweden und Finnland innerhalb des Bündnisses wollen das, während Sie, Herr Bundesaußenminister, gegeben. Als Verteidigungsminister gebe ich bei die Rolle Deutschlands in den UN stärken wollen. knappen Kassen im Augenblick 500 Millionen DM Wäre es nicht angebracht, ein entsprechendes euro- aus, um die Waffen zu zerstören, die Sie und Ihre Leute päisches System unter Zugrundelegung der KSZE- — SED und PDS — angeschafft haben. Strukturen zu entwickeln, die Aufgabenbereiche der militärischen Bündnisse dagegen nicht zu erweitern, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sondern diese so umzugestalten, daß sie schrittweise sowie bei Abgeordneten der SPD) durch kollektive Sicherheitssysteme ersetzt werden? Ich muß auch einiges von dem, was der im Augen- Der Hinweis auf die Verpflichtung von Verteidigungs- blick nicht anwesende Ministerpräsident Scharping bündnissen zur Friedenswahrung kann nicht ausrei- gesagt hat, ansprechen. chen. Insoweit genügt es, sich die Entstellung des (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Sagen Friedensbegriffs in diesem Jahrhundert in Erinnerung Sie es zu uns!) zu rufen. Herr Scharping, Sie versuchen, die Dinge auf den Zuletzt eine zugegebenermaßen rheto rische Frage- Kopf zu stellen. Sie haben gesagt, Sie wollten Rechts- stellung: Wo ist das dem Umbruch von 1989/90 sicherheit herbeiführen; deswegen hätten Sie sich an angemessene außen- und sicherheitspolitische Kon- das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ge- zept der Bundesregierung? Wir haben vergeblich wandt. darauf gewartet und in den letzten zwei Jahren nur (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Nein, das war Herr zunehmend das Getöse vernommen, mit dem die Solms!) sogenannte neue Rolle Deutschlands beschworen Das mag vielleicht noch für den Einsatz in Somalia wurde, deren wesentliches Kriterium die Handlungs- gelten, zu dem es von einigen Sozialdemokraten fähigkeit deutscher Soldaten in anderen Teilen der durchaus zustimmende Erklärungen gegeben hat. Welt zu sein scheint. Aber in den beiden anderen Fällen — bei AWACS und dem Einsatz in der Adria — waren Sie in der Sache Hätten Sie doch einmal, meine Damen und Herren ganz anderer Meinung und wollten diese Einsätze in von Bundesregierung und Koalition, gleichermaßen der Sache stoppen. Das darf nicht vertuscht werden. vehement die Rolle Deutschlands beim Setzen neuer Prioritäten betont, z. B. der präventiven, nichtmilitäri- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — schen, gewaltfreien Konfliktbearbeitung! Ein solches Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das wei- Konzept, beinhaltet den weitgehenden Verzicht auf sen wir zurück!) nationalstaatliche Interessenpolitik, die Weiterent- Das wird Ihnen unangenehm sein, aber ich darf an die wicklung von Systemen kollektiver Sicherheit, den Ausführungen des Generalsekretärs Verheugen erin- Vorrang nichtmilitärischer Konfliktbehandlung in nern. Er hat mir in der einschlägigen Debatte des Verbindung mit dem konsequenten Einsatz für die Deutschen Bundestages Kanonenbootpolitik à la Wil- Menschenrechte, erwarten wir von dieser Bundesre- helm II. vorgeworfen. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, gierung nicht mehr. Wer es wie wir durchzusetzen wir hätten uns an der Überwachung des Embargos in Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21185

Bundesminister Volker Rühe der Adria nicht beteiligt. Es ist wenig genug, was wir Aber die entscheidende Frage ist, nachdem Sie in- in Jugoslawien erreicht haben. Aber wenigstens der Vergangenheit Fehler gemacht haben, wirklich: haben wir erreicht, daß in Sarajevo nicht mehr Wie geht es in der Zukunft weiter mit den Sozialde- geschossen wird. Das war nur möglich, weil wir an mokraten? Hier muß ich sagen, daß der Ministerprä- Bord der AWACS-Flugzeuge waren und weil wir in sident Scharping versucht hat, philosophisch und der Adria waren. Das wollten Sie verhindern. Das ist ideologisch eine deutsche Sonderrolle aufzubauen. Ihr historisches Versagen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Deswegen müssen wir uns damit auseinandersetzen. Genauso waren Sie in der Sache gegen den Er hat gesagt, man dürfe nicht im Konvoi fahren. Er ist AWACS-Einsatz. fortgefahren, wir müßten unsere Verantwortung auf (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das friedliche Weise wahrnehmen, das Militärische sei nur stimmt doch gar nicht!) die Ultima ratio. Jetzt nennen Sie mir ein europäisches Land, für das das Militärische nicht die Ultima ra tio ist! Sie haben gesagt, das sei ein Kampfeinsatz, was er im Es ist doch eine anmaßende Selbstgerechtigkeit, übrigen auch ist, Herr Bundesaußenminister. Natür- wenn Sie so tun, als ob Sie hier andere Prioritäten lich sind erst recht die Einsätze der Jagdflugzeuge hätten. Kampfeinsätze, die im Namen der Vereinten Natio- nen durchgeführt werden. Deutsche Soldaten an Bord (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) der AWACS-Flugzeuge werden sich nach denselben Natürlich gilt das auch für jeden deutschen Politi- Regeln wie alle anderen beteiligen, auch an dem ker. möglichen Einsatz von Jagdflugzeugen. Dies ist auch Wenn er im übrigen gesagt hat, wich tiger sei die notwendig, damit wenigstens die Chancen auf Frie- Entwicklungshilfe, dann kann ich darauf nur antwor- den in diesem Teil der Welt gewahrt werden. Das ten: Dem stimmen wir zu, auch der Prävention vor der haben Sie bekämpft. Wenn sich diese Politik durch- militärischen Erzwingung. gesetzt hätte, dann sähe es in Jugoslawien noch viel (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist ja düsterer aus, als es leider heute noch immer aus- gut!) sieht. Aber in Somalia war doch die Entwicklungshilfe (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge zusammengebrochen, und erst der Einsatz von Solda- ordneten der F.D.P.) ten hat die humanitäre Versorgung ermöglicht. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das war doch ein Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister, Flop!) gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten ? Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abge- Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: ordneten Zapf? Ja. Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Herr Minister, Ja. ich bitte um eine Klarstellung zu dem, was Sie soeben gesagt haben. Das, was Sie gesagt haben, ist zutref- Uta Zapf (SPD): Herr Minister, würden Sie bitte zur fend, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Da besteht Kenntnis nehmen, daß Herr Scharping sehr detailliert für uns kein Problem. Wir sind bereit, dem zuzustim- den von der NATO und auch von Ihnen selber in Ihren men. Das bedeutet, daß die Bundeswehrsoldaten in eigenen Papieren definierten neuen, erweiterten den AWACS-Flugzeugen an den normalen Verfahren Sicherheitsbegriff so ausgeführt hat, wie ihn Sozial- inklusive der Leitung von Einsätzen beteiligt sind. demokratinnen und Sozialdemokraten verstehen, und Aber bedeutet Ihre Erklärung soeben, daß es deutsche daß er sich damit sehr wohl von einer Diskussion Soldaten gibt, die selber in Jagdflugzeugen sitzen und abgesetzt hat, in der die konservativen Parteien eher fliegen und daß dies etwa Teil des Beschlusses sein auf die militärische und geographische Komponente sollte? Denn dann würden wir dem vehement wider- im Zusammenhang mit diesem erweiterten Sicher- sprechen. heitsbegriff abgehoben haben?

Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Nein, natürlich nicht. Entschuldigung, ich glaube, Aber, entschuldigen Sie, der erweiterte Sicherheits- man braucht nur zuzuhören. Es geht um den Einsatz in begriff ist von uns erfunden worden. Und natürlich den AWACS-Flugzeugen. stehen für uns alle die politische Stabilisierung und die (Karsten D. Voigt [Frankfu rt] [SPD]: Das ist wirtschaftliche Stabilisierung — etwa der neuen okay!) Demokratien — auch aus sicherheitspolitischen Grün- Dort werden deutsche Soldaten gleichberechtigt teil- den im Vordergrund. Aber es kann eine Situa tion nehmen, auch wenn es um die Steuerung von Jagd- entstehen — darüber reden wir hier, und darüber flugzeugen von NATO-Verbündeten geht. reden unsere Nachbarn —, in der Sie nur durch Einsatz des Militärs Frieden erhalten können oder (Ina Albowitz [F.D.P.]: Das Steuern, nicht das Frieden schaffen können. Ich verwahre mich dage- Fliegen!) gen, daß Sie unseren europäischen Kollegen unter- Ich glaube, das ist völlig eindeutig. stellen, daß sie das Militärische nicht als Ultima ra tio 21186 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Bundesminister Volker Rühe betrachten. Das ist deutsche Anmaßung. Damit steu- die Schaffung von mehr Gemeinsamkeit in Europa ern wir weiterhin in eine Sonderrolle hinein. geht. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU — Anke Fuchs Jetzt will ich auf die Champs-ÉlyséesÉ zu sprechen [Köln] [SPD]: Wer macht denn das? — Ing rid kommen, weil mich das sehr betroffen gemacht hat, Matthäus-Maier [SPD]: Das glauben Sie was Sie hier gesagt haben. Sie haben gesagt, das doch selbst nicht!) Militärische dürfe nicht so sehr im Vordergrund ste- — Doch, das ist der entscheidende Punkt: Es gäbe hen, und Sie könnten sich bewegendere Bilder vor- nirgendwo Verständnis für die Haltung der SPD, stellen als die auf den Champs- lysées. wenn sie auch weiterhin versuchen würde, hier eine (Zuruf von der SPD: In der Tat!) deutsche Sonderrolle zu beanspruchen, nirgendwo. — Warten Sie, ich gehe darauf ein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Ich war auf den Champs-Élysées und gestern auch ordneten der F.D.P.) in Brüssel, wo zunächst die Veteranen waren, die den Ich möchte Ihnen etwas anderes sagen, weil mich Kampf gegen Nazi-Deutschland geführt haben. Wenn das gestern sehr beeindruckt hat — ich hoffe, Sie man dann die Reaktion gespürt hat, als das Eurokorps nehmen mir das nicht übel, weil das wirklich eine zusammen mit den deutschen Soldaten kam, dann emotionale Szene war —: Gestern war Ehrenbegleite- sollte man nicht sagen, das ist militärisches Gepränge. rin des belgischen Königspaars die Witwe des Kom- Hier haben Menschen empfunden, welch ungeheuren mandeurs der Belgier, der zusammen mit neun weite- Fortschritt wir in Europa gemacht haben. Das kann ren Soldaten in Ruanda gefallen ist. Sie ist geehrt man an dieser Stelle besonders spüren. worden — wie überhaupt die belgischen Blauhelme, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) die in schwierigen Einsätzen für Europa und übrigens auch zur Rettung unserer Staatsbürger in Ru anda tätig Das militärische Gepränge stand nicht im Vorder- waren, dort wirklich frenetisch gefeiert worden sind, grund. nicht von Militaristen an der Strecke, sondern von der (V o r s i t z: Vizepräsident Hans Klein) belgischen Bevölkerung. Aber ich will das Bild aufgreifen, wenn Sie sagen, das Nichtmilitärische beeindruckt Sie mehr. Nehmen Herr Scharping, ganz konkret stellt sich doch die wir deutsch-französische Jugendtreffen. Ich stehe Frage: Wie sollte man einer solchen Frau erklären, daß nicht an, zu sagen, daß es ein bewegendes Bild ist und auf Dauer belgische Soldaten deutsche Staatsbürger Gott sei Dank war — denn das ist lange Realität aus Lebensgefahr herausholen sollen? Ich kann das geworden —, wenn sich junge Leute aus Deutschland nicht. Können Sie das? und Frankreich treffen. Nur, wenn Sie dann dem (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) jungen Franzosen sagen: „Aber wenn du mal für die Sicherheit Europas sorgen mußt, dann bin ich nicht an Deshalb müssen wir uns darauf vorbereiten, notfalls deiner Seite", kann ich nur sagen: Dann sind das keine auch mit Gewalt europäische Staatsbürger aus bewegenden Bilder mehr. Deswegen kommt es dar- Lebensgefahr zu retten. Die Zeiten sind vorbei, in der auf an, das im Zusammenhang zu sehen. sich eine deutsche Regierung an den belgischen oder französischen Verteidigungsminister wenden konnte, (Widerspruch bei der SPD) um so etwas durchzuführen. Wenn die junge Generation gefordert ist, sich für Meine Bitte ist, nachdem Sie sich jetzt auf die Menschenrechte einzusetzen, für Freiheit und für Grundlage der Adria- und der AWACS-Einsätze stel- Sicherheit in Europa, dann müssen junge Deutsche len: und Franzosen zusammenstehen und nicht nur (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Tun gemeinsam Ferien machen, Herr Scharping. Darum sie gar nicht!) geht es. Gehen Sie davon ab, auch in Zukunft eine Sonderrolle (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) für Deutschland in Anspruch zu nehmen! Ich will Ihnen ein anderes Beispiel geben, weil die Politik ja immer konkret ist. Ich war am Montag (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Tut doch kei zusammen mit dem französischen Verteidigungsmini- ner!) ster in Warschau. Wir haben mit dem polnischen Für alle Europäer gilt: Vorbeugung hat Vorrang. Das Verteidigungsminister über die Zusammenarbeit von Militärische ist die letzte Möglichkeit, die Ultima ratio, polnischen, deutschen und französischen Soldaten aber wenn wir politisch in den europäischen Gremien, gesprochen. Wir werden im Oktober in Südfrankreich in den NATO-Gremien, in den UN-Gremien zu der die ersten Übungen für gemeinsame Einsätze, Frie-- Entscheidung kommen, dann müssen wir uns auch denseinsätze, unter dem Dach der Vereinten Natio- voll daran beteiligen, ohne eine deutsche Sonderrolle. nen von deutschen, französischen und polnischen Darum geht es in der Zukunft. Soldaten haben. Wenn wir Fehler machen, machen wir die Fehler (Karsten D. Voigt [SPD]: Gut, wollen wir nicht nur für uns selbst. Auf Grund der besonderen auch!) Rolle und der besonderen Lage Deutschlands, würde Jetzt stellen Sie sich mal vor, ich hätte gesagt: „Aber eine Sonderrolle Europa vielmehr h andlungsunfähig ich fordere hier eine deutsche Sonderrolle." Hier wird machen. Es geht darum, daß wir nicht national eng doch deutlich, daß Ihre Politik dem europäischen denken, sondern daß wir begreifen, daß es nicht nur Einheitsprozeß entgegensteht und daß es wirklich um ein Fehler für Deutschland ist, wenn wir uns verwei- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21187

Bundesminister Volker Rühe gern, sondern daß wir andere daran hindern, europä- Ich bin jedenfalls stolz darauf, daß unsere Soldaten isch handlungsfähig zu werden. trotz Beschuß immer dann nach Sarajevo geflogen Wenn Sie mich fragen, was der größte historische sind, wenn es die Verbündeten auch get an haben. Wir Fortschritt nach dem Zweiten Weltkrieg ist, dann müssen das gleiche Risiko tragen. würde ich Ihnen dieses Wort mit fünf Buchstaben (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nennen: AWACS. Das wird Sie vielleicht zunächst Lassen Sie mich deswegen zum Schluß noch ein erstaunen; das klingt so technisch. Aber dort hat eine Wort an die Soldaten richten. Karlsruhe ist kein europäische Revolution stattgefunden: Zwölf Natio- Marschbefehl für weltweite Einsätze, wie das immer nen fliegen dasselbe Flugzeug. Das hat es niemals behauptet wird, sondern es wird verantwortlich in zuvor in der Weltgeschichte gegeben. Das gibt es an jedem Einzelfall entschieden. Unsere Hauptverant- keinem anderen Platz der Welt. In Asien arbeiten die wortung liegt in Europa und in seinem näheren Nationen zusammen, dort gibt es Kooperation. Aber Umfeld. Die Soldaten haben in diesen schwierigen Integration, daß man sein Schicksal in Friedenszeiten zwei Jahren in großartiger Weise ihre Pflicht getan, unauflöslich miteinander verbindet, das ist der größte trotz der Debatten im politischen Umfeld. Ich finde, an historische Fortschritt in Europa. Neben all dem, was dieser Stelle sollten wir den deutschen Soldaten dafür wir natürlich vorrangig in der Wirtschaft, in der danken, wie sie in den letzten zwei Jahren auch in Wissenschaft, in allen anderen Bereichen erreicht Kambodscha, Somalia, in der Ad ria oder an Bord der haben, ist es doch wichtig, daß das auch im militäri- AWACS-Maschinen ihren Dienst getan haben. Sie schen geschieht. Wenn m an ein gemeinsames Flug- haben damit unserem Lande gedient. zeug betreibt, dann muß man auch gemeinsam flie- gen, wenn es ernst wird. Darum geht es. Deswegen Ich hoffe, daß es in Zukunft für diese notwendigen war die Entscheidung so wichtig, an Bord der Aufgaben im Interesse unserer und der europäischen AWACS-Flugzeuge zu bleiben. Sicherheitspolitik mehr Unterstützung geben wird. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der F.D.P.) (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Sehen Sie: Die Sozialdemokraten haben unsere Entscheidung, Schiffe in die Adria zu schicken, an Bord der AWACS-Flugzeuge zu bleiben, als einen Vizepräsident Hans Klein: Bevor ich dem Abgeord- Bruch mit unserer bisherigen Politik empfunden. neten Gysi das Wort zu einer Kurzintervention erteile, (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Die F.D.P. möchte ich Ihnen noch folgendes mitteilen: Mir ist auch!) eben ein Auszug aus dem Protokoll vorgelegt worden. Unsere europäischen Bündnispartner haben das Während der Rede des Abgeordneten Gysi, die ziem- genau umgekehrt empfunden. Sie haben es als einen lich scharf war, kamen eine Reihe von Zwischenrufen, Bruch empfunden, daß wir bei den neuen Aufgaben unter anderem ein Zwischenruf des Kollegen Latt- von NATO und WEU nicht mehr an ihrer Seite sind — mann, der sich schon außerhalb des parlamentari- im Unterschied zur Wahrnehmung der Aufgaben in schen Sprachgebrauchs bewegt hat. den letzten Jahrzehnten. In diese europäische Psycho- (Uwe Lühr [F.D.P.]: Was hat er denn gesagt? logie müssen Sie sich hineindenken, wenn Deutsch- — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das würden wir land eine verantwortliche Rolle in der Zukunft spielen gerne wissen!) will. Ich muß diesen Hinweis machen und bitten, daß wir (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Sehr uns auch dann, wenn die Emotionen hochgehen, in gut!) unserem Sprachgebrauch an die parlamentarischen Wir gehören uns nicht selbst. Das mag ein etwas Usancen halten. pathetischer Satz sein, aber ich glaube, daß er für die Herr Abgeordneter Dr. Gysi zu einer Kurzinterven- deutsche Politik richtig ist. Wir müssen uns einbinden tion. und auch einbinden lassen. Deswegen kann es keine Sonderregeln geben. Für mich ist nicht entscheidend, ob wir uns an Dr. Gregor Gysi (PDS/Linke Liste): Herr Präsident! diesem oder jenem Einsatz in der Dritten Welt huma- Meine Damen und Herren! Zu dieser Sache kann ich nitär beteiligen. Dazu kann man ja oder nein sagen. nichts sagen, weil ich den Zwischenruf glücklicher- Entscheidend für die deutsche Politik ist, daß wir nicht weise nicht verstanden habe. aussteigen, wenn NATO oder WEU beschließen, im Aber zu dem, was hier Herr Bundesminister Rühe Auftrag der Vereinten Nationen Missionen durchzu- - am Anfang gesagt hat, möchte ich doch etwas richtig- führen. stellen: Sie haben so getan, als ob die Stellung der (Andrea Lederer [PDS/Linke Liste]: Also Bundesrepublik Deutschland als Waffenexporteur doch Automatismus!) damit zusammenhängt, daß die Bundesregierung mehr oder weniger genötigt war, die NVA-Waffen zu Die Frage an Sie, Herr Ministerpräsident Scharping, verkaufen. Sie verkennen dabei, daß die Bundesrepu- lautet: Sind Sie bereit, blik Deutschland am 3. Oktober 1990, als sie noch (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Nein!) keine einzige NVA-Waffe besaß, bereits an vierter bei den Entscheidungen, die in der Zukunft anstehen, Stelle der Waffenexporteure der Welt stand. wirklich dafür zu sorgen, daß Deutschland gleiche (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Nein, an sieb Risiken und Lasten trägt wie die anderen auch? ter!) 21188 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Dr. Gregor Gysi Danach ist eine Steigerung erfolgt, die übrigens in lich zuverlässigen Ländern gegeben — wie Finnland erster Linie auf Exportsteigerungen der großen und Schweden —, Rüstungskonzerne zurückgeht. (Andrea Lederer [PDS/Linke Liste]: Türkei, (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Das ist ganz zuverlässig!) doch falsch!) bei denen gewährleistet ist, daß sie für defensive Zweitens wissen Sie sehr genau, daß noch unter der Zwecke und im übrigen innerhalb der NATO ver- de Maizière-Regierung versucht worden ist, Waffen wandt werden. der NVA zu verkaufen — was ich übrigens auch nicht Daß Sie eine andere Vorstellung von der NATO gut fand —, und daß auch die Bundesregierung Druck haben als ich, weiß ich, aber das ehrt mich. Denn diese ausgeübt hat, um das zu verhindern, weil sie selbst das NATO ist ein Verteidigungsbündnis, und deswegen Geschäft machen wollte. können wir innerhalb der NATO sehr wohl so verfah- Ein bißchen abenteuerlich finde ich Ihr Argu- ren. Sie hätten lieber früher dafür sorgen sollen, daß ment, Waffen nicht in diesem Ausmaß in deutschem Namen (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Was Sie angeschafft werden, wie das unter der SED der Fa ll sagen, ist abenteuerlich! — Uwe Lühr war. [F.D.P.]: So ein Unfug, Herr Gysi!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) das Ganze sei so teuer, daß es wichtig war, Waffen zu verkaufen, um Geld einzunehmen. (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Der Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Kollege Lattmann hat recht!) Walter Kolbow. Wer den Waffenverkauf in erster Linie aus finanziel- len Gesichtspunkten heraus be treibt, macht sich mit- schuldig an Kriegen und Bürgerkriegen, die mit Walter Kolbow (SPD): Herr Präsident! Meine sehr solchen Waffen geführt werden. verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rühe, was Ihre Stellungnahme zu der Rede meines Partei- Unter anderem sind diese Waffen in die Türkei vorsitzenden und der Posi tion der SPD angeht, so verkauft worden. Damit ist Krieg gegen die Kurden in vermittelten Sie nicht nur streckenweise, sondern fast der Türkei geführt worden. Das ist eine Tatsache. Es durchgängig den Eindruck, als ob Sie das Nein der wäre sinnvoller gewesen, diese Waffen zu vernich- SPD zu den beiden Einsätzen, um die es heute in der ten. Heilung eines Verstosses des Kabinetts gegen unser (Beifall bei der PDS/Linke Liste) Grundgesetz geht, erwartet hätten, um es zu kommen- Ich sage noch einmal: Wer so viele Waffen exportiert, tieren. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß die SPD- ist nicht glaubwürdig als Friedensstifter, wenn er Bundestagsfraktion zu diesen Einsätzen nachträglich seine Soldaten in die Welt hinterhersendet. ihre Zustimmung gibt! (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Carl- Ich wäre Ihnen auch dankbar, Herr Kollege Rühe, Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wer hat denn die wenn Sie der intellektuellen Redlichkeit die Ehre ganzen Waffen beschafft? — Zuruf von der geben und im Rückblick auf die Diskussion um den CDU/CSU: Ein Kommunist bleibt ein Kom- AWACS-Einsatz unser Ringen nach der hochpoliti- munist!) schen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dies im Verfahren der einstweiligen Anordnung zu genehmigen, und unsere Aspekte berücksichtigen und würdigen würden, daß wir eben auch gefordert Vizepräsident Hans Klein: Herr Bundesminister haben, daß keine erheblichen militärischen Gefähr- Rühe zur Replik. dungen für die Soldaten in den AWACS-Flugzeugen sein dürfen, daß der drohende außenpolitische Scha- den auch nachgewiesen sein muß und daß die Gefähr- Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: dung der Einsatzfähigkeit des AWACS-Verbandes Herr Kollege Gysi, nur damit die falschen Behauptun- ohne deutsche Besatzung ein Kriterium ist. gen hier nicht durchgehen, noch einmal: Ich gebe eine Erst nach der endgültigen Entscheidung in der halbe Milliarde DM aus, um NVA-Waffen zu ver- Hauptsache konnte jetzt dann die Zustimmung fol- schrotten. gen, nachdem sie vorher auch nicht von Ihrer Bundes- (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: 900 Mil- regierung konstitutiv eingehalten worden ist. Neh- lionen und mehr!) men Sie das bitte zur Kenntnis! 10 000 Systeme — Panzer, Artillerie, Flugzeuge — (Beifall bei der SPD) sind als gigantische Überrüstung, die von der SED Sie haben sich teilweise auch der gewohnten Ver- betrieben worden ist, übriggeblieben. Für die Ver- einfachung des Kollegen Glos angeschlossen, Herr schrottung dieser Systeme gebe ich jährlich eine Bundesverteidigungsminister. Dazu gehört einfach halbe Milliarde DM aus. auch, den deutschen Bürgerinnen und Bürgern deut- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) lich zu sagen, warum Sie denn eigentlich bei der SPD Wir haben diese Waffen in keinem Fall exportiert, alles falsch finden, was Sie bei der F.D.P. tolerieren um damit Geld zu verdienen. Im übrigen sind das oder akzeptieren und für richtig finden. symbolische Beiträge gewesen. Wir haben sie wirk- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21189

Walter Kolbow Denn die F.D.P. ist doch mit uns vor das Verfassungs- Für unsere Soldaten ist die Klarheit, in welchem gericht aus Gründen gegangen, die hier auch darge- rechtlichen Rahmen sich die Politik bewegen darf, legt worden sind. viel, sehr viel. Endlich — und das rechnen wir uns Es ist vom Verfassungsgericht natürlich auch zu zugute — ist die von der SPD immer geforderte Recht gerügt worden, daß man da den Umweg über Klarheit erreicht, was die Politik mit der bewaffneten die Parlamentsabstimmung gegangen ist. „Wir wer- Macht, unserer Bundeswehr, tun darf und was nicht. den triumphieren, wenn wir in Karlsruhe vor dem Die deutsche Wehrverfassung, meine Damen und Bundesverfassungsgericht eine Niederlage erleiden Herren, ist jetzt durch Richterrecht abschließend gere- werden", hat der Kollege Irmer ausgerufen, und eine gelt. Nach dieser Wehrverfassung ist die Bundeswehr Minderheit der Richter hat dies auch zu einem Son- ein Parlamentsheer. Und das ist gut so. dervotum benutzt. So kann man doch mit dem deut- (Beifall bei der SPD) schen Parlament und auch nicht mit dem Bundesver- fassungsgericht umgehen, liebe Kolleginnen und Kol- Nach der nunmehr beendeten juristischen Ausein- legen. andersetzung ist es an der Zeit, über die nachträgliche (Beifall bei der SPD) Zustimmung zu den in Rede stehenden Einsätzen hinaus die politische Diskussion zu führen, wie man Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Kolbow, künftige Einsätze, wann, wo und mit welchen Zielen gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen machen soll. Über diese Fragen müssen wir in diesem Irmer? Hause entscheiden, im Parlament und in der Regie- rung. Auch darüber brauchen unsere Soldaten Klar- heit. Walter Kolbow (SPD): Bitte, Herr Kollege Irmer. Hierzu hat mein Parteivorsitzender die Position der Vizepräsident Hans Klein: Bitte sehr, Herr Kollege SPD nachvollziehbar und eindrucksvoll dargelegt. Ich Irmer. darf mich natürlich insbesondere darauf beziehen. Aber ich darf die Gedanken, weil das immer auch Ulrich Irmer (F.D.P.): Vielen herzlichen Dank. — bei Ihnen, Herr Kollege Rühe, durcheinandergeht, zur Herr Kollege Kolbow, wollen Sie nicht zur Kenntnis Politik der Konfliktvermeidung und zu den präventi- nehmen, daß, wie es vorhin Herr Solms ausgeführt ven Strategien unterstreichen. Sie sind da gar nicht hat, wir nur deshalb gezwungen waren, zum Bundes- weit weg von uns. Nur, Sie haben den Prozeß von verfassungsgericht zu gehen, weil Sie sich beharrlich Anfang an nicht mitbegleitet, denn Sie verdrängen geweigert hatten, dem von den Koalitionsfraktionen KSZE, den Helsinki-Prozeß, immer aus Ihren Gedan- vorgelegten Antrag auf Änderung des Grundgesetzes ken, wenn es auch über Ihre Irrtümer zu sprechen zuzustimmen, gilt. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie hätten doch (Beifall bei der SPD) unserem Antrag zustimmen können!) Bei der politischen Diskussion, wie wir unsere daß wir ohne Ihre Mitwirkung das Grundgesetz im Streitkräfte künftig international einsetzen, gibt es Text nicht ändern konnten und daß deshalb bei diesen zwei Möglichkeiten, diese Debatte zu führen: entwe- schwerwiegenden Zweifeln, die verfassungsrechtli- der mit der Zielrichtung, wie sie Hans-Peter Schwarz cher Natur waren, es für eine rechtsstaatlich den- den Deutschen einzureden trachtete, daß wir nämlich kende Partei gar keine andere Möglichkeit gab, als zur Großmacht verdammt seien, daß wir schlechthin den Versuch zu unternehmen, vom Bundesverfas- an Machtvergessenheit leiden, oder in dem Bewußt- sungsgericht eine verbindliche Klärung dieser S treit- sein, daß unser Land eine Mittelmacht war und bleibt, frage zu erreichen? dessen außenpolitische Maxime aus guten Gründen (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Also war die Klage die militärische Zurückhaltung sein sollte. Nicht jede unzulässig!) Macht muß alles müssen, folgert daraus Theo Sommer jüngst in der „Zeit". Recht hat er. Walter Kolbow (SPD): Herr Kollege Irmer, ich war (Beifall bei der SPD) selber vor dem Bundesverfassungsgericht mit Frak- tionskolleginnen und -kollegen anwesend. Ich habe Entweder, liebe Kolleginnen und Kollegen, führen gesehen — ich sage es, ohne Ihnen nahetreten zu wir die weitere politische Diskussion mit dem Ansatz, wollen —, wie schwer Sie sich getan haben, den wie er in einer Fragestellung des Magazins „Focus" Bundesverfassungsrichtern Ihren Weg zu begründen. noch vor der Urteilsverkündung unschwer zu erken- Und es ist unwürdig — auch das nehmen Sie mir bitte nen war, nämlich um die Frage, wer denn für die nicht nicht übel —, im Stile von Winkeladvokaten mit dem notwendige, jahrelange Selbstfesselung der Außen- Parlament und mit dem höchsten deutschen Gericht politik in Deutschland verantwortlich sei, oder wir umzugehen. führen sie mit der Überzeugung — das jedenfalls (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der wollen wir —, daß unser Land in der Vergangenheit CDU/CSU und der F.D.P.) sehr gut mit dieser Außen- und Sicherheitspolitik der Zurückhaltung gelebt hat und zurechtgekommen Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist. jedenfalls ist eine tiefe Zäsur in unserer Nachkriegs- geschichte. Sie prägt insbesondere die Zukunft unse- Wir werden uns stellen, wenn die Fragen bezüglich rer Bundeswehr, ihrer Soldaten und Zivilbeschäftig- der Einsätze an uns herangetragen worden sind. Das ten und deren Familien. ist aber keine Sonderrolle. Von einer Einzelfallprü- 21190 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Walter Kolbow fung hat Herr Kinkel gesprochen; genau das ist auch nehmen müssen, unsere Bundeswehr, die, wie wir unsere Meinung. Dies stellt keinen Sonderweg dar. wissen, mehr als ihre Pflicht tut. Entweder wird der S treit mit der politischen Inter- Ich danke für Ihre Geduld. pretation geführt, wie sie in der „Welt" vom 18. Juli zu (Beifall bei der SPD) lesen war, daß Karlsruhe den Horizont von Politikge- staltung auch mit dem Instrument der Streitkräfte erweitert habe, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Vizepräsident Hans Klein: Kollege Karl Lamers, Sie Hier ist es nur ein kleiner Schritt zu der Auffassung haben das Wort. von Clausewitz, die jener Anfang des 19. Jahrhun- derts vertreten hat, Krieg sei die Fortsetzung von Politik, nur mit anderen Mitteln. Oder wir führen diese Karl Lamers (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Auseinandersetzung in der Gewißheit — so wollen wir Kolleginnen und Kollegen! Daß Sie, meine Kollegin- das tun, meine Damen und Herren —, daß die Völker- nen und Kollegen von der SPD, versuchen würden, die gemeinschaft von Deutschland nicht erwartet, daß es Entscheidung von Karlsruhe als Ihren Sieg oder Streitkräfte als ein Instrument der Politikgestaltung zumindest als einen halben Erfolg darzustellen, das einsetzt, sondern damit möglicherweise eher Befürch- war zu erwarten. tungen und schlimme Erinnerungen verbindet. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Halb ist es ja Herr Kollege Rühe, Sie haben meinen Parteivorsit- auch!) zenden gerügt, weil er sich erlaubt hat zu sagen, es Es ist allerdings notwendig, auf die Entstehungsge- gäbe bewegendere Bilder als das der deutschen schichte von Karlsruhe hinzuweisen und auch darauf, Soldaten auf den Champs-Elysées. Mich haben die daß es falsch ist, Herr Ministerpräsident Scharping, deutschen Soldaten auf den Champs-Elysées auch wenn Sie sagen, die Beteiligung des Deutschen Bun- nach einem Besuch des Eurokorps, auch nach einer destages an Einsätzen der deutschen Streitkräfte sei Diskussion mit den Soldaten und auch aus meiner gegen den Widerstand der CDU/CSU durchgesetzt Erkenntnis der Geschichte, die wir beide nachvollzie- worden. hen können und müssen, ebenfalls bewegt. Ich kann Ich darf Sie daran erinnern, daß wir von der Koali- Ihnen sagen: In mir hat es auch unheimlich gewühlt, tion Ihnen ein sehr weitgehendes Angebot gemacht als ich unsere Bundestagspräsidentin und Helmuth haben, ein — wie ich hinzufüge — bedenklich weit- Becker an der Wolfsschanze in Polen und bei der gehendes, ein Angebot, das die Beteiligung des Ehrung des Widerstandes mit dem polnischen Parla- Deutschen Bundestages beinhaltete. Sie haben das mentspräsidenten gesehen habe. Wollen wir denn damals empört als Zumutung zurückgewiesen. Das ist gegeneinander aufrechnen, wer die besseren Emotio- die Wirklichkeit. nen hat? Dies weise ich mit Entschiedenheit zurück. ( [CDU/CSU]: Jetzt ha (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei ben sie weniger!) Abgeordneten der CDU/CSU und des Wir haben allerdings — das ist wahr — in Karlsruhe BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) die Auffassung vertreten, daß der Art. 59 des Grund- Einen solchen politischen Versuch haben Sie hier gesetzes nach derzeitiger Rechtslage eine Beteiligung wohl auch schlicht und einfach unter Wahlkampfka- des Bundestages nicht vorsieht. Der Satz, den Sie, tegorien eingebracht. Herr Ministerpräsident, hier zitiert haben, steht im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, im sogenann- Meine Damen und Herren, ich stelle auch fest — das ten Pershing-Fall. Das steht darin. Lesen Sie es nach! hat die Debatte wie ein roter Faden durchzogen, auch Das Bundesverfassungsgericht hat hier seine Mei- bei den Beiträgen aus dem Regierungslager —, daß nung geändert. Das ist die Wirklichkeit. Ich füge in gerade der Satz des Bundeskanzlers, das Motto „The allem Freimut hinzu: Das ist eine recht kühne Verfas- Germans to the front" nicht als Militärdoktrin einzu- sungsinterpretation. führen, unsere volle Zustimmung findet. Hoffentlich bleibt dies so. Wir lassen daran keinen Zweifel. Was mich aber viel mehr beschwert und wovon ich hoffe, daß es auch Sie beschwert, ist, daß diese im Kern In dem aufgeführten Spannungsfeld aber wird die absolut politische und nur am Rande rechtliche Frage politische Debatte in unserem L and geführt werden. nicht von uns hier, sondern von Karlsruhe entschieden Die SPD steht dafür, daß Deutschland als ein wichtiges worden ist. Das haben alleine Sie zu verantworten, Mitglied der Vereinten Nationen seine Verantwor- alleine Sie! tung für die Wahrung der internationalen Sicherheit (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und des Weltfriedens übernimmt. Wenn die politi- schen Voraussetzungen stimmen, wird eine SPD- - Denn sonst hätten Sie eben unser Angebot annehmen geführte Bundesregierung bereit sein, mit der Bun- müssen. Von der Schuld an dieser Tatsache können deswehr an Friedensmissionen der Vereinten Natio- Sie sich nicht freisprechen, gerade nachdem wir hier nen mitzuwirken. Vorrang aber haben beim Auftrag obsiegt haben. für unsere Streitkräfte jedenfalls immer die L andes- Ich füge hinzu: Wenn es überhaupt einen klaren und Bündnisverteidigung. Sieger vor allen anderen gibt, dann ist es die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, die in dieser Frage eine (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Ja, wer bestreitet das glasklare Haltung von Anfang an eingenommen hat. denn?) Auch und gerade wenn man obsiegt hat, sollte m an Zum Schluß richtet sich der Dank an die Soldaten, sich einmal fragen und vielleicht in einer ruhigeren die zivilen Mitarbeiter, die Familien, die vieles hin- Stunde nach den Wahlen miteinander darüber reden, Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21191

Karl Lamers ob es angemessen ist, solche Fragen immer und immer Sie sich schützen, vor der in der Tat im Falle Deutsch- wieder nach Karlsruhe zu tragen. lands besonders schweren Last der Verantwortung, in jedem Fall ja oder nein, nein oder ja sagen zu dürfen (Walter Kolbow [SPD]: Hier hat das Parla- und zu müssen. Das aber zeugt mit anderen Worten ment die Regierung verunsichert!) von einer fatalen Verantwortungsscheu und Entschei- Es ist ein Versagen der Politik, aber dieses Versagen dungsschwäche. Wer eine solche Haltung an den Tag der Politik haben Sie zu verantworten. legt, ist nicht geeignet zur Führung der Außenpolitik Ich glaube, es lohnt sich ohnehin, Ihr Verhältnis zur und damit auch nicht geeignet zur Führung unseres Verfassung einmal ein wenig kritischer unter die Lupe Landes. zu nehmen, weil es ein — um es vorsichtig zu sagen — (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) sehr verqueres Verständnis ist, jedenfalls ein instru- mentelles. Nun ist heute wenig darüber gesagt worden — alle Redner der sozialdemokratischen Fraktion haben sich (Walter Kolbow [SPD]: Das haben Sie bei der davor gehütet, dieses Thema aufzugreifen —, ob denn Verfassungsreform bewiesen!) nun die Interpretation, die auch Sie, Herr Ministerprä- Man muß daran erinnern, daß der Streit um diese sident Scharping, nach dem Urteil vorgenommen Frage 1988 begann, und zwar ausgelöst durch einen haben, Ihre Auffassung ist, ja oder nein. Sie haben Vorstoß einiger Sicherheitspolitiker aus Ihren Reihen gesagt: Gott sei Dank ist sehr viel Weitergehendes auf dem Parteitag der SPD in Münster, das Grundge- verhindert worden als das, was die Koalition durch das setz zu ändern — angeblich mit dem Ziel, die Einsatz- Urteil erreichen wollte. Da gibt es zwei Behauptun- möglichkeiten der deutschen Streitkräfte zu erwei- gen. tern. Die erste Behauptung ist, es seien nur Einsätze Die Wirklichkeit war bei näherem Hinsehen eine unter einem Kommando der Vereinten Nationen andere. Einige von Ihnen hatten erkannt, daß die erlaubt. Also, wenn das richtig wäre, dann hätte bisherige Behauptung, das Grundgesetz verbiete sol- Karlsruhe natürlich nicht den AWACS-Einsatz für che Einsätze, auf äußerst schwachen Füßen st and. verfassungskonform erklären können, und Sie, Herr Ministerpräsident Scharping, hätten heute nicht ver- (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Völlig künden können, die SPD-Fraktion werde dem zustim- richtig erkannt!) men. Das kann also nicht stimmen. Sie wollten das, was bislang nur behauptet wurde, Die zweite Behauptung — eine nicht aktuelle Frage, durch eine unzweideutige Verfassungsformulierung aber ich will sie hier vorsorglich erwähnen — ist: jetzt Wirklichkeit, unwidersprechbare Wirklichkeit Einsätze nach Art. 51 der Charta der Vereinten werden lassen. Dieser Trick ist allerdings deswegen Nationen seien durch das Urteil in Karlsruhe verboten mißlungen, weil das den meisten von Ihnen schon zu worden. Wo steht das eigentlich? M an zeige mir die weit ging. Deswegen sind Sie dann bei der von Ihnen Stelle, wo das steht. An keiner einzigen Stelle steht es. selber nicht geglaubten Behauptung geblieben, das Es ist immerhin eine Zitation von Art. 51 der Charta Grundgesetz verbiete solche Einsätze. Das ging dann der Vereinten Nationen vorgenommen worden. Wenn so weit, daß Sie noch in der Gemeinsamen Verfas- überhaupt, dann spricht das eher für das Gegenteil. sungskommission Anträge be treffend sogenannte Auch das war eine Behauptung, die immer wieder robuste Blauhelmeinsätze eingebracht haben, die aufgestellt wurde. Das erinnert mich, Herr Minister- schon deswegen geradezu grotesk detailgenau präsident Scharping, an das, was Sie zum Gewaltmo- waren, weil darin u. a. stand, daß die deutschen nopol der Vereinten Nationen gesagt haben. Diese Streitkräfte nur leicht bewaffnet sein durften. M an Diskussion haben wir auch einmal in der Koalition muß sich wirklich einmal vorstellen, ein solcher Satz geführt. Es gibt das nicht. Lesen Sie doch nach, was in stünde im Grundgesetz, vertreten von Hans-Jochen Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen steht! Es Vogel,, der auf die politische Ästhetik immer großen stimmt nicht. Ich sage das vorsorglich und möchte Sie Wert legt. Grotesk! warnen, sich selber jetzt schon wieder Hürden auf zu- Aber viel interessanter als all das ist gewissermaßen bauen, über die Sie eines Tages springen müßten. der politisch-psychologische Hintergrund für diese Der dritte Punkt ist vor allen Dingen von Volker Behauptung, das Grundgesetz verbiete die Teil- Rühe hier schon zu Recht angeführt und in den nahme an Einsätzen der Vereinten Nationen. Dieser Mittelpunkt gestellt worden. Ich habe immer gesagt, Hintergrund ist geradezu die naive oder — noch die eigentlich entscheidende Frage bei diesem Thema schlimmer gesagt — die unpolitische Annahme, man ist: Ist Deutschland europa- und bündnisfähig? Ent- könne sich mit dem Hinweis auf solche rechtlichen scheidend ist nicht die Frage nach Einsätzen, schon Hindernisse, die sich nach dem Urteil des Bundesver- gar nicht in aller Welt. Die Frage ist vor allen Dingen: fassungsgerichtes nun endgültig als Hirngespinste Ist Deutschland zu einer gemeinsamen Außen-, erwiesen haben, seiner politischen Verantwortung Sicherheits- und Verteidigungspolitik und zu einer entziehen. Schon vor dem Urteil haben uns unsere gemeinsamen Verteidigung der Europäischen Union Partner gesagt: Erstens können wir ein solches Hin- fähig? dernis in eurer Verfassung nicht feststellen, und zweitens, wenn es denn eines gibt, könnt Ihr es unter Nun haben Sie hier doch in bemerkenswerter Weise den völlig veränderten Umständen beheben. Behe- gesagt: So leidenschaftlich wir dafür sind und so sehr ben, damit wir in jedem Einzelfall, ja oder nein, nein wir auch für den Erhalt und den Ausbau der NATO oder ja sagen können. Das wird in der Zukunft in der sind, so sehr sind wir doch weiterhin darauf angewie- Tat auch notwendig sein. Aber gerade davor wollten sen, eine Einzelfallentscheidung und eine nationale 21192 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Karl Lamers Entscheidung treffen zu können. Demgegenüber sage Was sich dort abspielt, ist so gräßlich und grauenvoll ich: Entweder ist das eine Selbstverständlichkeit, die und übersteigt derart jedes Vorstellungsvermögen, nicht erwähnt zu werden brauchte, oder aber es ist ein (Ina Albowitz [F.D.P.]: Da kann man nur noch innerer Vorbehalt. Natürlich ist es das letztere; sonst weinen!) hätten Sie es gar nicht sagen müssen. daß wir uns sehr genau überlegen müssen, ob wir uns Ich muß nachdrücklich darauf hinweisen, daß es so definitiv und ein für allemal festlegen sollten, so natürlich dann, wenn die Europäer in der Europäi- etwas nicht zu machen. Auch ich bin im Augenblick schen Union oder der Westeuropäischen Union eine dagegen. Ich weiß sehr gut — so gut wie alle hier im Entscheidung treffen, ungewöhnlich schwerwiegend Saal —, wie ungewöhnlich schwer das Unterfangen wäre, wenn sich Deutschland verweigern würde. Das ist. Die Erfolgsaussichten gehören unbedingt mit zu müßte ein exzeptioneller Fall sein, bei dem wir sagen den Kriterien einer Einsatzentscheidung. Aber daß würden: Das widersp richt unseren grundsätzlichen auf der anderen Seite auch unsere moralische Selbst- Überzeugungen oder unseren nationalen Interessen. achtung, unser ideell-moralisches Selbstverständnis Das letztere halte ich für ausgeschlossen, und das auf das tiefste be troffen ist, das, meine ich, müßten wir erstere ebenso. Aber genau das ist es ja, was Sie auch sehen. in der Vergangenheit immer wieder zu suggerieren versucht haben, nämlich, daß unsere europäischen (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das Partner uns in kriegerische Abenteuer stürzen könn- meine auch ich; aber das erspart uns nicht ten. Ich erinnere an das, was der Kollege Voigt einmal das Nachdenken über den Erfolg!) im Plenum des Deutschen Bundestages gesagt hat — Gut. Also eine wirklich überflüssige Frage. und was er heute wahrscheinlich nicht mehr so gerne (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) hören will. Aber es ist eine Tatsache, daß, wenn sich Europa und das Bündnis — in dieser Reihenfolge — entscheiden, eine Maßnahme, nötigenfalls auch mit Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Lamers, die militärischen Mitteln, durchzuführen, es gegen das Kollegin Zapf würde ebenfalls gern eine Zwischen- frage stellen. nationale deutsche Interesse wäre, wenn wir uns nicht beteiligten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Karl Lamers (CDU/CSU): Ja. ordneten der F.D.P.) Vizepräsident Hans Klein: Bitte, Frau Kollegin.

Herr Kollege Lamers, Vizepräsident Hans Klein: (SPD): Herr Kollege Lamers, beziehen Sie gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kar- Uta Zapf diesen Teilnahmevorbehalt nur auf die Teilnahme sten Voigt? an WEU-Operationen, oder würden Sie damit z. B. den Inhalt des NATO-Ministerratsbeschlusses vom 10. Juni 1993 anzweifeln und somit in sein Gegenteil Karl Lamers (CDU/CSU): Bitte sehr. verkehren, der besagt, daß Entscheidungen der NATO, an Operationen der UNO oder der KSZE Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Herr Kollege teilzunehmen, selbstverständlich, was die nationale Lamers, darf ich aus dieser Äußerung schließen, daß Beteiligung betrifft, nationaler Entscheidung vorbe- Sie der Meinung sind, wir sollten automatisch deut- halten sei? sche Soldaten nach Ruanda schicken, weil die Fran- zosen dorthin gehen? Karl Lamers (CDU/CSU): Selbstverständlich nicht, (Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch, absoluter Frau Kollegin. Aber, ehrlich gesagt, habe ich den Quatsch! Herr Kollege Lamers, lassen Sie Zusammenhang nicht ganz verstanden. keine Zwischenfrage von solcher Dummheit (Ina Albowitz [F.D.P.]: Hat sie selbst auch zu!) nicht verstanden!) Oder sind Sie mit mir der Meinung, daß es hier einer Ich habe klipp und klar gesagt: Natürlich bleibt es nationalen Entscheidung bedarf, nämlich zu überprü- bei nationalen Entscheidungen. Das kann gar nicht fen, ob wir dorthin gehen wollen, und daß die Ent- anders sein. Allerdings kann die europäische Eini- scheidung in diesem Fall nach Abwägen aller gung eventuell die Perspektive eröffnen, daß es auch Umstände eher negativ ausfällt? in dieser Frage Mehrheitsentscheidungen gibt und nach meiner Überzeugung eines Tages geben muß. Dann wäre ihre Position vollkommen unmöglich. Karl Lamers (CDU/CSU): Lieber Kollege Voigt, daß Jedenfalls sage ich schon für den Augenblick, und diese Frage überflüssig ist, wissen Sie wirklich sehr das gerichtet auf das, was der Ministerpräsident, der genau. Erstens haben im Falle Ruandas nicht die Vorsitzende Ihrer Partei, gesagt hat: Das ist mehr oder Europäer entschieden, sondern die Franzosen. Ich minder akademisch, um es genau zu sagen. Wenn sich habe davon gesprochen, daß die Europäer, die Euro- Europa entschließt, nötigenfalls auch mit militäri- päische Union, die Westeuropäische Union entschei- schen Mitteln etwas zu tun, dann hat es fatale Folgen, den. wenn sich Deutschland nicht beteiligt. Denn die Zweitens habe ich zu dem Thema Ruanda auch Grunderkenntnis, zu der Sie noch finden müssen, ist, öffentlich meine Meinung gesagt. Ich füge hinzu — ich daß Deutschland nur stark ist und nur dann Einfluß, meine, das müßten wir doch alle gemeinsam sehen —: unter Umständen auch mäßigenden Einfluß ausüben Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21193

Karl Lamers kann, wenn es mitwirkt. Das ist die Weisheit, zu der die Soldaten unserer Bundeswehr sind nun klar. Sie, wie ich glaube, noch finden müssen. Darauf kam es an. Vielen Dank. Wir werden in den nächsten Jahren — aber das wird (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Zeit haben — gleichwohl eine Diskussion über „checks and balances " erleben. Wer diese in anderen Ländern verfolgt hat, insbesondere im Hinblick auf den sogenannten War Powers Act im Kongreß der Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile dem Kollegen Dr. Werner Hoyer das Wort. Vereinigten Staaten und zwischen Parlament und Regierung der Vereinigten Staaten, der darf nicht verwundert sein, wenn diese Diskussion bei uns eines Tages im Prinzip etwa entlang der gleichen Konflikt- (F.D.P.): Herr Präsident! Liebe Dr. Werner Hoyer linie verlaufen wird, wie das dort der Fall war. Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungs- gericht hat Klarheit geschaffen, eine Klarheit, nach Passen wir Parlamentarier auf, völlig unabhängig der wir Liberalen uns gesehnt haben. Denn ohne diese davon, in welchen Parteien wir arbeiten, daß die Klarheit über die Rechtsgrundlagen militärischer Volksvertretung dabei nicht unter die Räder Einsätze deutscher Soldaten jenseits des Bündnisge- kommt! biets wären solche militärischen Einsätze nicht ver- (Walter Kolbow [SPD]: Sehr gut!) antwortbar, nicht vertretbar gewesen, selbst dann Wenn wir in den nächsten Jahren Fragen der Parla- nicht, wenn man sie in der Sache für wünschenswert mentsbeteiligung bei militärischen Einsätzen disku- und erforderlich halten würde. Denn wir hatten Zwei- tieren sollten, dann wird es nicht mehr darum gehen, fel, ob die Vorschrift des Art. 24 unseres Grundgeset- Zweifel an den Rechtsgrundlagen für konkretes H an zes ausreichend sein würde, ob nicht die Rechtsgrund- -deln unserer Soldaten auszuräumen. Denn diese lage für friedensschaffende wie friedensbewahrende Grundlagen stehen nach dem Bundesverfassungsge- militärische Handlungen eher in Art. 87 a des Grund- richtsurteil unbes treitbar fest. Es wird dann um den gesetzes gesucht und gefunden werden müßten. Kernbereich des Verhältnisses von Regierung und Zweifel hatten wir auch daran, ob es sein könnte, Parlament gehen, um das Austarieren des Gleichge- daß im Gegensatz zum Verteidigungsfall bei Ent- wichts zwischen Volksvertretung und Exekutive. Las- scheidungen in den hier zur Debatte stehenden Fällen sen wir diese Diskussion dann bitte nicht zu einer der Deutsche Bundestag außen vor bleiben dürfte. platten parteipolitischen Wahlauseinandersetzung Die Zweifel hinsichtlich der Tragfähigkeit des verkommen! Nehmen wir uns für diese Diskussion die Art. 24 sind ausgeräumt. Die Zweifel hinsichtich Zeit! Zunächst einmal kommen wir mit dem Karlsru- hinreichender Parlamentsbeteiligung sind bestätigt her Urteil hervorragend aus. worden. Auf der Grundlage des Bundesverfassungs- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne gerichtsurteils kann nun konkret entschieden wer- ten der CDU/CSU) den. Das vereinte Deutschland, liebe Kolleginnen und Wir hätten das alles natürlich einfacher haben Kollegen, hat mit der Einheit und Wiederherstellung können, wenn Bundestag und Bundesrat dem Grund- der vollen Souveränität Deutschlands mehr Verant- gesetzänderungantrag der Koalitionsfraktionen von wortung in der Völkergemeinschaft übernommen. CDU/CSU und F.D.P. zugestimmt hätten, den wir im Dabei sollten wir übrigens nicht unser Licht unter den letzten Jahr eingebracht haben. Dann wäre diese Scheffel stellen, wenn es darum geht, auf die Verant- zentrale Entscheidung übrigens dort herbeigeführt wortung hinzuweisen, die wir jenseits der militäri- worden, wo sie nach meiner Auffassung hingehört, schen Sphäre seit Jahren und Jahrzehnten in der nämlich im Deutschen Bundestag, und nicht vor Völkergemeinschaft wahrnehmen, — politisch, öko- Gericht. nomisch, entwicklungspolitisch, kulturell, diploma- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- tisch usw. ten der CDU/CSU) (Zuruf von der F.D.P.: Sehr richtig!) Die SPD hat hier eine Riesenchance vergeben, zu Übrigens, Herr Ministerpräsident, da Sie diesen dem so oft beschriebenen Minimalkonsens zu gelan- Punkt angesprochen haben: Die Summe für Auslands- gen und — nebenbei bemerkt — den Soldaten der einsätze des Technischen Hilfswerks ist von der Bundeswehr den Rückhalt zu verschaffen, den sie Koalition im Haushaltsausschuß durchgepaukt wor- seitens des gesamten Parlaments verdienen. den. Die SPD, insbesondere Herr Schnoor, verlangen (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der hingegen die Auflösung des THW. Sie reden mit zwei CDU/CSU) Zungen, gerade wenn es um die internationalen - Einsätze des THW geht. Die Bundesregierung hat in einem Punkt die Klage in Karlsruhe verloren. Unsere Klage war nämlich (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne erfolgreich hinsichtlich der Parlamentsbeteiligung. ten der CDU/CSU) Das Grundgesetz verlangt — so das Bundesverfas- sungsgericht — die Zustimmung des Parlaments, und Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Hoyer, zwar durch einen konstitutiven Akt mit einfacher gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Profes- Mehrheit. Alles weitere obliegt der Ausgestaltung des sor Hornhues? Gesetzgebers bzw., wenn er es denn wünscht, des Verfassungsgebers. Hier besteht kein akuter Hand- lungsbedarf. Die Rechtsgrundlagen insbesondere für Dr. Werner Hoyer (F.D.P.): Bitte. 21194 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU/CSU): Herr Kollege Die verantwortliche Beschäftigung mit dieser Frage Hoyer, können Sie das wiederholen? Ich habe es nicht setzt aber die Bereitschaft voraus, sich sehr viel ganz richtig verstanden. intensiver mit den politischen, wirtschaftlichen, kultu- (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der rellen und sonstigen Ursachen von Konflikten und mit F.D.P.) Lösungsmöglichkeiten zu befassen, aber eben auch mit der militärischen Option, die immer Ultima ratio sein muß. Dr. Werner Hoyer (F.D.P.): Der Haushaltsausschuß (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS/Linke Liste]: Frie muß sich natürlich hin und wieder mit der Bewilligung densforschung wird doch nicht gemacht!) von Mitteln für Auslandseinsätze wie Inlandsaktivitä- ten des Technischen Hilfswerks, z. B. Aktivitäten in Aber wir in Deutschland haben eine erschreckend den neuen Bundesländern, befassen. Da hat die geringe Bereitschaft, uns mit militärischen Fragen Opposition gegen die entsprechenden Ansätze der überhaupt fundiert zu befassen, weil allein schon die Koalition gestimmt. Darüber hinaus verlangt der Beschäftigung mit ihnen als Einstieg in die Militarisie- Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen die rung der Gesellschaft erscheint. Zumindest scheint es Auflösung des Technischen Hilfswerks. vielen so zu gehen. (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Ach (Dr. Hartmut Soell [SPD]: Versagen von Poli nein! Was hat der Herr Scharping eben tik!) gesagt? Wissen Sie das auch noch, Herr Diese Berührungsangst gilt übrigens für die Politik Hoyer?) ebenso wie für Wissenschaft und Publizistik. — Damit können wir diesen Punkt dann beenden, Mit der deutschen Einheit und der Wiedererlan- Herr Kollege Hornhues. gung der Souveränität ist Deutschland im Kreis der (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das Völkergemeinschaft als gleichberechtigtes Mitglied war dann brutto! — Heiterkeit und Beifall bei aufgenommen worden. Wenngleich im Vorfeld der der CDU/CSU und der F.D.P.) Einheit bei manchen unserer Freunde, Nachbarn und Aber mit der Entscheidung des Bundesverfassungs- auch Verbündeten auch gewisse Reserven vernehm- gerichts wächst die Verantwortung des vereinten bar waren, so haben sich diese zum Teil durchaus Deutschlands in anderer Hinsicht, nämlich nicht in verständlichen Vorbehalte nach kürzester Zeit umge- erster Linie nur nach außen, sondern nach innen. kehrt, nämlich in eine Sorge vor dem außenpolitisch Parlament und Regierung haben ein sehr viel höheres nicht handlungsfähigen Deutschland, vor dem Maß an Verantwortung gegenüber den Soldaten Deutschland, das möglicherweise Gefahr läuft, seine unserer Bundeswehr zu tragen, mehr, als uns bisher Außen- und Sicherheitspolitik der Renationalisierung von anderen Ländern abverlangt worden ist. Uns ist preiszugeben — das Schlimmste, was uns passieren dort bisher sehr viel erspart geblieben. Nunmehr könnte. müssen wir in voller Verantwortung in jedem einzel- (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU sowie nen Fall militärischen Einsatzes jenseits des Bündnis- des Abg. Walter Kolbow [SPD]) gebietes darüber entscheiden, ob wir Leib und Leben von Soldaten unserer Bundeswehr aufs Spiel setzen Unsere Partner haben mittlerweile ein wesentlich wollen und dürfen. Darauf, auf jeden einzelnen Fall, unverkrampfteres Verhältnis zu uns Deutschen müssen wir uns dann konzentrieren, nicht auf vorder- gefunden, als wir es uns selbst zutrauen möchten. Ich gründiges Geplänkel. Da gilt es, Farbe zu beken- unterscheide in diesem Zusammenhang im übrigen, nen. da ich den Begriff der „Unverkrampftheit" schon vom Bundespräsidenten entliehen habe, zwischen „ Un- Deshalb ist es töricht, wenn manche so tim, als verkrampftheit " und „Normalität". „Normalität" ist würden andere nur darauf warten, sich endlich wieder für mich eher ein konservativer Kampfbegriff, der in in irgendwelche militärischen Abenteuer stürzen zu anderen Zusammenhängen häufig genug mißbraucht dürfen, wird, um andere auszugrenzen. Liberale stehen für (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- die Verschiedenartigkeit der Menschen, für ihre ten der CDU/CSU) unterschiedlichen Lebensentwürfe, für die unter- ganz abgesehen davon, daß vernunftbegabte Solda- schiedlichen Kulturen. Deswegen sollten wir uns auch ten keineswegs das Bedürfnis haben, sich leichtfertig als Nation dazu bekennen, daß wir bei jeder unserer in Gefahr und Tod zu stürzen. Sehr viel klarer als zukünftig anstehenden Entscheidungen über militäri- bisher, denke ich, muß politischen wie militärischen sche Einsätze andere Rücksichtnahmen, andere Bela- Entscheidungsträgern in Zukunft die klassische Clau- stungen, auch historische Belastungen, andere Fähig- sewitzsche Regel in Fleisch und Blut übergehen, daß - keiten und andere Stärken und Schwächen im Kopf der Befehl zum militärischen Einsatz die Erfüllung haben müssen und ins Feld führen müssen, wenn wir drei notwendiger Bedingungen voraussetzt: Das poli- uns an Entscheidungen herantasten. Das ehrt uns. tische Ziel der Mission muß präzise definie rt, durch- Aber wichtig ist, daß wir den Soldaten der Bundes- dacht und begründet sein. Das militärische Ziel, wehr dann, wenn wir uns für einen militärischen dessen Erreichen der Annäherung an das politische Einsatz entschieden haben, nicht länger zumuten Ziel förderlich sein soll, muß ebenso präzise definiert, müssen, Bündniskameraden zweiter Klasse zu sein, durchdacht und begründet sein. Schließlich muß immer klar sein, wie eine militärische H andlung (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) gegebenenfalls beendet werden kann, auch dann, ein entdecktes Blockadebrecherschiff in der Ad ria wenn sie nicht erfolgreich gewesen sein mag. zwar identifizieren, aber nicht aufbringen zu dürfen, Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21195

Dr. Werner Hoyer ein Bombenflugzeug auf dem Weg nach Sarajevo oder mung erteilen. Ich finde, das ist kein Sieg des Parla- Srebrenica zwar identifizieren zu dürfen, den Feuer- mentarismus, sondern parlamentarisch eine ganz leitbefehl aber einem alliierten Kameraden überlas- große Niederlage. Schlimmer hätte es eigentlich in sen zu müssen. meinen Augen aus Karlsruhe nicht kommen kön- Deshalb ist die unverzügliche Bestätigung des Ein- nen. satzes der Bundeswehr in der Adria und in dem Ich wundere mich, Herr Kollege Poppe, daß Sie so einzigen wirklich voll integrierten Verband der viele Fragen an dieses Urteil haben; denn ich finde, NATO, dem AWACS - Verband — er ist eine Erfolgs- daß es leider schon sehr viele Antworten gibt. NATO geschichte dieses Bündnisses —, nicht ausreichend. und WEU werden in diesem Urteil zu sogenannten Wir müssen diesen Soldaten nunmehr erteilen, diesen Systemen kollektiver Sicherheit geadelt, was bisher klar definierten Auftrag mit allen Rechten und Pflich- nicht der Fall war. Es ist meines Erachtens ein Unter- ten wahrzunehmen, auch dort, wo er über die bishe- schied, zu überlegen, wie eine Organisation mit der rigen Begrenzungen hinausgeht. Hier gilt es für das Aufgabenstellung wie der der UNO vorsorgende, gesamte Haus, vor allem für die sozialdemokratische präventive, nichtmilitärische Politik zur Sicherung Opposition, Farbe zu bekennen, obwohl sich heute die von Frieden leisten kann, oder ob man eine Organi- alte Erkenntnis erneut gezeigt hat, daß in der sozial- sation, ein reines Militärbündnis — wie die NATO und demokratischen Bundestagsfraktion Strategen — völ- die WEU — flugs zu einem solchen kollektiven Sicher- lig unabhängig davon, ob sie von militärischer oder heitssystem erklärt. Ich finde das falsch. Das ent- politischer S trategie reden — gegenwärtig offenbar spricht auch nicht der Realität in den letzten Jah- schlechte Karten haben. ren. Herzlichen Dank. Es wird in diesem Urteil wieder einmal suggeriert, (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — als sei die Mitgliedschaft in der UNO zwangsweise Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Nicht so arro- damit verbunden, sich an militärischen Aktionen der gant sein! Es schrumpft so mancher dahin!) UNO zu beteiligen. Das stimmt nicht. (Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Das haben Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat die Abge- ordnete Andrea Lederer. Sie nicht verstanden! Macht aber nichts!) Es sind dazu Sonderabkommen notwendig. Es gibt Andrea Lederer (PDS/Linke Liste): Herr Präsident! eine Reihe von Staaten, die dies explizit nicht tun. Meine Kolleginnen und Kollegen! Das Urteil hat Wenn hier alle behaupten, daß dieses L and militäri- vielleicht verfassungsrechtliche Klarheiten geschaf- sche Zurückhaltung üben muß, wieso soll sich dann fen, aber es ermöglicht gewiß ein sicherheitspoliti- diese Zurückhaltung nicht genau darin ausdrücken, sches Vabanquespiel. Ich und unsere Gruppe hätten daß das ökonomische, soziale, kulturelle und techno- sich gewünscht, die Soldaten der Bundeswehr hätten logische Potential dieses Landes dafür verwendet die rechtliche Klarheit erhalten, daß die Bundeswehr wird, in den internationalen Beziehungen auf friedli- dazu da ist, Landesverteidigung und sonst nichts zu che, nichtmilitärische Weise zur Sicherung des Frie- betreiben, und daß dieses Land ansonsten seine dens beizutragen und darauf zu verzichten, sich an unbestrittene internationale Verantwortung rein zivil, Militäraktionen zu beteiligen? nicht militärisch wahrzunehmen gedenkt. Deshalb, (Dr. Franz Möller [CDU/CSU]: Es wäre bes weil dieses Urteil genau etwas anderes aussagt, ist es ser, wenn Sie sich zurückhalten würden!) friedenspolitisch eine große Niederlage. Herr Ministerpräsident Scharping, ich finde es Dieses Urteil ermöglicht im Grunde genommen die eigentlich besser, wenn man zugibt, daß es sich Verwirklichung dessen, was Verteidigungsminister inhaltlich um eine solche Niederlage handelt. Ich Rühe schon einmal in die Diskussion geworfen hat, finde es deshalb besser und notwendig, weil es nämlich ein einfaches Entsendegesetz vorzulegen, dringend erforderlich ist, letztlich die Gefahren dieser (Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Unerhört!) Politik, die Option, die dieses Urteil ermöglicht, über- haupt zu erkennen und dagegen auch in der zukünf- in dem Kriterien festgelegt werden, nach denen die tigen Politik Barrieren aufzubauen. Dieses Einräumen Bundeswehr entsandt werden kann. Es ermöglicht einer solchen Niederlage habe ich bei Ihnen ver- eigentlich auch — wir werden sehen, wie die Debatte mißt. in der nächsten Legislaturperiode verläuft — die Das Urteil schreibt ganz klar die Politik der Bundes- Variante, die die CDU/CSU zusammen mit der regierung in den letzten vier Jahren fort, wo sie F.D.P. zunächst mit vorgeschobener Diskussion um humani- (Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Aber ohne täre Blauhelmeinsätze flugs zu Kampfeinsätzen über-- Sie, bitte!) ging und nur ein einziges Ziel verfolgte, nämlich die Beteiligung der Bundeswehr hieran zu ermöglichen. in ihrem Antrag zur Änderung des Grundgesetzes formuliert hat, nämlich basierend auf Art. 51 schnell Man stelle sich einmal vor: Für den Verteidigungs- zusammengezimmerte kollektive Sicherheitssysteme fall ist von jeher eine Zweidrittelmehrheit des Bundes- zu gründen und diese nach einem angeblichen Hilfe- tages vorgeschrieben, inklusive der Zustimmung des ruf zur Intervention zu bringen. Bundesrates. Für einen Kampfeinsatz in einem ande- ren Land kann nun mit einfacher Mehrheit dieses Es ist nicht mehr von Anbindung an die UNO oder Haus gegebenenfalls nachts um 24 Uhr bei einer an das UNO-Kommando die Rede, sondern dieses Anwesenheit von 15 Abgeordneten seine Zustim Urteil öffnet den konservativen Vorstellungen dieser 21196 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Andrea Lederer Bundesregierung leider weitgehend Tür und Tor und Wenn sich hier jemand entschuldigen sollte, Herr somit auch der Willkür. Glos, dann sind es, glaube ich, diejenigen, die die Noch Anfang 1991, während des Golfkrieges, hat Öffentlichkeit und das Parlament belogen haben, daß Kanzler Kohl erklärt, ohne Grundgesetzänderung sei uns angeblich die NATO-Partner zu dieser Sondersit- eine Beteiligung an den Einsätzen nicht möglich. zung gedrängt haben. Es ist ganz anders gewesen. Davon ist heute nicht mehr die Rede. Sie machen (Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Was haben keinerlei Beschränkungen. Sie stellen nicht einmal in Sie eben gesagt? Belogen?) Aussicht, daß Sie als Gesetzgeber dahin gehend tätig werden wollen, wenigstens eine größere Barriere für Vizepräsident Hans Klein: Gestatten Sie, bitte, eine das Parlament aufzubauen. Zwischenfrage des Kollegen Hirsch? Noch im Sommer konnten wir von Ministerpräsi- (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dent Scharping zu hören bekommen: Mit der SPD gibt Werner Schulz NEN): Ja es keine Kampfeinsätze. Heute erklären Sie Ihre Zustimmung dazu, daß ein Kampfeinsatz unter Betei- Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.): Herr Kollege, nehmen ligung der Bundeswehr möglich wird. Wenn Sie das Sie bitte zur Kenntnis, daß es in meiner Verantwor- bestreiten, dann erinnere ich Sie an die Aktuelle tung liegt, den Außenminister gebeten zu haben, daß Stunde, in der es darum ging, daß vier Jagdflugzeuge ich ihm drei, vier Minuten etwas zu einer dringenden seitens der NATO abgeschossen wurden. Menschenrechtsfrage vortragen konnte. Ich bitte um Entschuldigung. Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin! Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Selbstverständlich, Herr Hirsch. Ich habe das Andrea Lederer (PDS/Linke Liste): Ich komme zum ein bißchen polemisch gemeint. Sie haben das, glaube letzten Satz, Herr Präsident. — Unisono wurde hier ich, ganz gut verstanden. erklärt: Es handelt sich um einen Kampfeinsatz. Es gibt keinen plötzlichen Handlungsbedarf. Die Genau dazu erklären Sie heute Ihre Zustimmung. Situation ist weitgehend unverändert. Es gibt auch Fangen Sie doch heute mit dem an, was Sie mögli- keinen Zeitdruck — Sie alle wissen das —, es sei denn, cherweise — ich kann das nur hoffen— ab 17. Oktober Kollege Lamers, wir hätten uns heute über Ihre vorhaben! Ziehen Sie Ihren Antrag zurück! Erteilen Betroffenheitsbekundung hinaus tatsächlich über Sie keine Zustimmung! Fangen Sie damit an, endlich Hilfsaktionen für Ruanda hier verständigt. Das hätte dieses Gerede über militärische Aktionen hier zu Sinn gemacht, auch in meinen Augen. beenden und eine Debatte über die Wahrnehmung Andererseits bestreiten wir durchaus nicht, daß das von Verantwortung dieses Landes im internationalen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eine ausgie- Bereich zu führen! bige Diskussion erforderlich macht. Bis heute ist die (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Peter Bundesregierung einer Diskussion über die Neuorga- Kittelmann [CSU/CSU]: Die Rede war fünf nisation, über die Aufgaben und Struktur der deut- Minuten zu lang!) schen Streitkräfte nach Ende des Kalten Krieges weitgehend ausgewichen. Sie hat sich bis heute dem gesellschaftlichen Dialog über die Zukunft der Bun- Das Wort hat der Abge- Vizepräsident Hans Klein: deswehr verweigert. Aber es geht nicht, daß wir ordnete Werner Schulz. solche grundsätzlichen und politischen Fragen im Instantverfahren, als Schnellösung behandeln. Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Was wir nach Karlsruhe jetzt brauchen, meine NEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damen und Herren, ist vor allen Dingen ein Gesetz Nun hat sich der Bundesaußenminister nach seiner über die Bedingungen und Grenzen der Militärein- Regierungserklärung bereits in die letzte Reihe sätze. Was wir ebenfalls dazu brauchen, ist, glaube zurückgezogen. Vielleicht üben Sie schon einmal, wo ich, ein Volksentscheid, Herr Solms — den ich nicht Sie künftig als Parlamentarier, also demnächst, Ver- mehr sehe. Denn nicht der Konsens in diesem Parla- antwortung wahrnehmen werden. Meines Wissens ment, sondern die Akzeptanz durch unsere Bevölke- sind Sie noch kein Parlamentarier. Vielleicht greifen rung ist das Entscheidende, durch diejenigen, die Sie dem Schicksal Ihrer Partei voraus. künftig diese Einsätze tragen müssen und in ihren (Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Das ist arro Familien verkraften müssen. Es ist absurd, wenn sich gant!) die F.D.P. der Verfassungsdiskussion verweigert und uns dann hier nach 40 Jahren Bundesrepublik eine — Nein, das hat nichts mit Arroganz zu tim. Das sind andere Lesart des Grundgesetzes aufdrängt und die- einfach die Regeln in diesem Parlament. Herr Kittel- - ser ohne Einschränkung hinterherläuft. mann, die klagen Sie doch an anderer Stelle pausenlos ein. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Schulz, da Es ist genauso wie mit dieser Sondersitzung. Es ist Sie es heute mit den Kollegen haben, die irgendwo ein Sommerspektakel, ein Kinkellitzchen, um die anders sitzen als üblich, darf ich Sie darauf hinweisen, sagenhaften Duftnoten und Erfolge, die Sie außenpo- daß der Kollege Sohns durchaus im Raum ist und da litisch landen, zu benennen. Die Partei der Besserver- oben steht. dienenden läßt es sich einige hunderttausend D-Mark kosten, ihren sorgenschweren Parteivorsitzenden Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- noch einmal interessant zu machen. NEN): Herr Präsident, es ist für einen Redner sehr Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21197

Werner Schulz schwierig, zu überschauen, wo sich die Kollegen bei eine behaupten und es dann hier ... selbst einer Sondersitzung im einzelnen aufhalten. dementieren. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis — das ist jetzt das Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege, deshalb zweite Mal, daß mir das von der Opposi tion passiert empfiehlt es sich, sich mit diesen Dingen — wer wo ist —, daß ich das im Kabinett weder gesagt habe noch sitzt — eigentlich nicht näher auseinanderzusetzen. daß es solche Forderungen gegeben hat. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Aber in der Koali ten der CDU/CSU) tion!) Ich möchte ausdrücklich hier festhalten, daß ich dies Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- im Kabinett nicht gesagt habe. NEN): Ich werde mir noch ein Sitzordnungsverzeich- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) nis zulegen, um Ihr Rotationsverfahren zu überwa- Der Herr Ministerpräsident hat erklärt, ich hätte das chen. Das ist zumindest sehr interess ant. im Kabinett gesagt und anschließend hier dementiert. Ich will einmal ganz kurz sagen, worin ich den Nehmen Sie zur Kenntnis, daß das unzutreffend ist. Unterschied sehe. Ich denke, daß wir uns in der außenpolitischen Frage vor allen Dingen darin unter- Vielen Dank. scheiden, daß wir die Vereinten Nationen stärken (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Eine wollen und wirkungsvoll ausbauen wollen, während scharfe Kritik an Herrn Schäuble! — Anke die Bundesregierung den Ansatz vertritt, die Rolle und Fuchs [Köln] [SPD]: Kinkel distanziert sich Bedeutung der Bundesrepublik in den Vereinten von Schäuble!) Nationen zu stärken. Das ist, glaube ich, der entschei- dende Unterschied. Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile dem Abgeord- Zum Abschluß noch einige Worte zur PDS, weil hier neten Professor Dr. Karl-Heinz Hornhues das Wo rt. einige Irritationen aus Sachsen-Anhalt wahltaktisch von der CDU/CSU aufgeblasen werden. Wir lehnen neben dem Koalitionsantrag auch den Antrag der PDS Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU/CSU): Herr Präsi- ab, Gregor Gysi. Es mag zwar für die PDS sehr wich tig dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Wir sein, daß Sie den Kampfgruppenhelm jetzt blau können nicht bis zur ersten normalen Sitzung nach der gefärbt aufs Grabkreuz hängen. Es ist für Ihre Partei Sommerpause warten; vielleicht ganz wichtig, daß Sie diesen Schritt gegan- (Zuruf von der SPD: Warum nicht?) gen sind. Doch eine Rückkehr zur ausschließlichen Landesverteidigung verbaut den Weg zum Aufbau die Ereignisse warten auch nicht. Wir ... sind jeden- eines kollektiven Sicherheitssystems. Inte rnationale falls davon überzeugt, daß wir unsere Aufgabe ver- Verantwortung verbietet nationale Beschränktheit. fehlen würden, wenn wir diese Sondersitzung des Zumindest soviel sollte von Karl Marx an der PDS Deutschen Bundestages nicht beantragt hätten." hängengeblieben sein. (Karl Lamers [CDU/CSU]: Wer war das?) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, — Das sagte der Abgeordnete Hans-Ulrich Klose am der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P.) 22. Juli 1992. (Michael Glos [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Vizepräsident Hans Klein: Herr Bundesminister Kin- Damals haben wir uns mit der Frage beschäftigt, mit kel, Sie können zwar keine Kurzintervention machen, der wir uns immer noch beschäftigen müssen, die an aber als Regierungsmitglied jederzeit das Wort ergrei- sich im Kern der Debatte hätte stehen können, wenn fen. Wenn Sie sich dabei kurzhalten, wird das vom wir gewollt hätten, nämlich wie wir Not und Elend der Haus sicher begrüßt. Menschen im ehemaligen Jugoslawien, in Bosnien Herzegowina hätten beenden können. Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister des Auswärtigen: (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist jetzt Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das war doch ein zum zweitenmal kurz hintereinander passiert, daß ganz anderer Hintergrund!) hier Dinge behauptet werden, die ich angeblich Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf gesagt hätte, die sich aber anschließend als unzutref- fend herausstellen. Ich kann erst jetzt diese kurze zum Abschluß der Debatte für meine Fraktion noch Stellungnahme abgeben, weil ich, Herr Ministerpräsi- einmal feststellen: Wir sind nicht nur froh, daß die dent, auf das wörtliche Ausschreiben Ihrer Rede Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts uns Recht gegeben hat — wer freut sich nicht, wenn er in warten wollte. Danach haben Sie heute morgen- gesagt, vor dieser Sitzung sei gesagt worden, sie sei der Hauptsache gewinnt? —, sondern wir sind froh, wegen des Drängens der NATO-Partner notwendig weil diese Entscheidung mit der Legende aufräumt, geworden. Das gilt übrigens auch für Sie, Herr Kol- Deutschland seien aus rechtlichen Gründen die lege, soweit Sie das eben angesprochen haben. Hände gebunden, wenn humanitäre Hilfe, Friedens- bewahrung und Friedensgewinnung auf militärische (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Herr Schäuble hat Mittel angewiesen sind. das gesagt!) Wir sind froh, daß wir sagen können: Es war richtig, — Ja, Moment. daß wir zum Bündnis gestanden haben, als dieses von Herr Bundesaußenminister, Sie werden nicht den Vereinten Nationen aufgefordert wurde, u. a. in glaubwürdiger dadurch, daß Sie im Kabinett das der Adria und mit den AWACS-Einsätzen zur Begren- 21198 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Dr. Karl-Heinz Hornhues zung des Krieges in Bosnien beizutragen. Es war Beteiligung des Bundestages festgeschrieben hat. richtig, daß wir den Vereinten Nationen Solidarität Politisch war dies für uns immer klar. bewiesen haben, als es darum ging, das Hungern und Sterben in Somalia zu beenden. Es wäre ein Verhäng- Ich will für meine Fraktion noch einmal unterstrei- nis für unser Land, vor allen Dingen aber ein beschä- chen: Wir haben seit vielen Monaten ein sehr umfäng- mendes Zeugnis gegenüber dem Elend und der Not in liches, sehr differenziertes, sehr weitgehendes Ange- Somalia, in Bosnien-Herzegowina gewesen, wenn wir bot an die SPD auf dem Tisch liegen gehabt. Sie haben dem Ohne-mich-Standpunkt, der Ihre Meinung dies abgelehnt. Unser Angebot ist damit vom Tisch. geprägt hat, nachgegeben hätten und uns Ihnen Das Bundesverfassungsgericht hat die notwendige angeschlossen hätten. Basisklarheit geschaffen. Es gibt nun nichts mehr. Daß dies so ist, dafür haben Sie von der SPD die Verant- Die CDU/CSU ist der Auffassung, daß es — ich habe wortung zu tragen. es eben schon angedeutet — richtig war, daß die Bundesregierung den Antrag auf Zustimmung des Ich gestehe allerdings — darin stimme ich dem Bundestages zu den Adria- und AWACS-Einsätzen Kollegen Lamers nachdrücklich zu —: Wir sind gar unverzüglich gestellt hat. Herr Ministerpräsident nicht besonders traurig, aus dem Obligo zu sein; denn Scharping hat heute morgen kritisiert, das sei ein wir hatten zutiefst Zweifel, ob wir mit unserem Ange- Hauruckverfahren. Herr Ministerpräsident, ich weiß bot der Differenzierung in verschiedenste Einsatzty- nicht, wann Sie sich zum erstenmal in die Debatte um pen, die sich bei Betrachtung der Wirklichkeit alle als diese Frage eingeschaltet haben, aber ich darf daran abenteuerlich-willkürlich erwiesen haben, nicht erinnern, daß wir schon am 22. Juli 1992 über diese längst zu weit gegangen waren. Wir sollten die Fragen diskutiert haben. Hier kann von Hauruckver- Konsequenzen aus unseren bisherigen Erfahrungen fahren überhaupt keine Rede sein, sondern wir ziehen ziehen und uns dem Versuch verweigern, der jetzt, die Konsequenzen so schnell wie verantwortbar. Denn wenn ich Sie richtig verstanden habe, erneut auf- wir sind es den Soldaten und ihren Angehörigen kommt, nämlich doch noch irgendwelche robusten schuldig, daß sie wissen, daß der Deutsche Bundestag oder sonstwie gearteten M andate — „friedensschaf- hinter ihrem Einsatz steht und daß dieser Einsatz ein fende Einsätze" oder wie dies auch immer formuliert wichtiger Beitrag ist, endlich doch noch zu Frieden, sein mag —, zumindest gesetzlich, zur Not sogar zur Beendigung von Mord und Totschlag im ehema- grundgesetzlich festzuschreiben. ligen Jugoslawien zu kommen. Wenn wir alle eine Lehre zu ziehen haben, dann ist Alle Ihre schönen Reden, Herr Ministerpräsident es die, daß beim Fall A — Golfkrieg — sich keiner hat Scharping, wie man das an sich besser machen vorstellen können, daß der Fall B, der dann kam, so könnte, mit einer optimalen UNO, mit einer optimalen aussah und solche Anforderungen an uns stellte, wie Weltfriedensordnung, mit optimalen Entwicklungser- es der Fall war. Wenn ich mir vorstelle, wir hätten gebnissen, ändern nichts an der Tatsache, daß die inzwischen ein Gesetz, welcher Art auch immer, Ereignisse kommen, wie sie wollen, und nicht, wie die erarbeitet, wäre unser Beitrag vor der Weltöffentlich- SPD es gerne hätte, wenn sie ihre internen Diskussio- keit weiter unverändert geblieben: Während andere nen abgeschlossen hat. So mag die Erkenntnis zwar darüber nachdenken, wie man ein Problem lösen bitter sein, aber sie ist richtig, daß nur die Androhung kann, wie man Menschen in Not und Elend helfen und Anwendung militärischer Mittel, bezogen auf kann, diskutiert der Deutsche Bundestag zum x-ten Bosnien-Herzegowina, bisher überhaupt bei den ser- Mal die Verfassungsmäßigkeit, die Rechtmäßigkeit bischen Aggressoren, vor allen Dingen bei ihnen, oder die Gesetzlichkeit, ob man dies darf. irgendeine Wirkung gezeigt haben. Alles Philoso- Wir haben viele Stunden damit zugebracht, die zum phieren über denkbare Alternativen ist spätestens Teil selbst geschaffenen Hindernisse aus dem Weg zu durch dieses Beispiel leider, so schlimm es ist, ad räumen. Sie sind wieder dabei, neue Hindernisse absurdum geführt worden. aufzubauen; Kollege Voigt, ich wäre dankbar, wenn Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt, daß die Sie nach mir das bestreiten würden, was ich sage. Bundesregierung unverzüglich Konsequenzen aus (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Ihr dem Urteil zieht und die Beschränkungen der deut- Wunsch wird erfüllt!) schen Soldaten und Einheiten bei den Ad ria- und AWACS-Operationen aufgehoben hat. Jenseits der Ihr Antrag, den Sie uns vorgelegt haben und der zum Diskussion, ob die Alliierten gefragt oder nicht gefragt Inhalt hat, daß Sie auf jeden Fall wollen, daß die haben, glaube ich, daß sie uns seit langem ansehen. Bundesregierung um Gottes Willen nichts tut, was das Sie haben lange von uns gehört, was alles nicht ginge, Parlament nicht beschlossen hat — es fehlt nur der weil wir rechtliche Probleme hätten. Ich glaube — in- Satz: mit Zustimmung der SPD —, ist der Hinweis soweit ist der Antrag der Bundesregierung zeitgerecht darauf, daß Sie wieder auf dem Weg sind, neue und richtig —, die Fairneß gegenüber unseren Ver- Hindernisse zu schaffen, die uns dann, wenn Anfra- bündeten und Partnern gebietet es, dies zu bejahen, gen der Nothilfe an uns gestellt werden, wieder da das behauptete Hindernis, das Verfassungsprob- zwingen, zu sagen: Wir müssen erst einmal rechtlich lem, als nicht existent festgestellt worden ist. prüfen, wohin wir welchen Fuß setzen dürfen. Meine sehr geehrte Damen und Herren, wir begrü- Ich darf Ihnen versichern: Wir werden sorgfältig ßen es — die Kollegen, die vor mir gesprochen haben, alles prüfen. Aber wir gehen mit tiefster Skepsis an haben dies schon deutlich gemacht —, daß das Bun- jede Art dieser Festlegung heran. Ich glaube, meine desverfassungsgericht die notwendige konstitutive Fraktion glaubt: Wir sollten den Mut haben, Fa ll um Deutscher Bundestag — 12. 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Dr. Karl-Heinz Hornhues Fall, der auf uns zukommt, sehr nüchtern und sachlich Ich möchte noch einmal den Soldaten danken, die in konsequent zu prüfen, Somalia waren. Ich möchte aber auch nicht vergessen (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS/Linke Liste]: die Polizisten des Bundesgrenzschutzes und der Län- der, die Zollbeamten, die alle miteinander versuchen, Aber ohne Recht!) zu tun, was möglich ist, um Menschen in dieser ob wir glauben, daß es sinnvoll und notwendig ist, das fürchterlichen Situa tion zu helfen. Ich möchte ihnen Geforderte zu tun. Darm werden wir entscheiden auf im Namen meiner Fraktion danken. der Basis dessen, was unser Basisrecht, das Grundge- Ich möchte all den vielen Hunderten von Helfern setz — ein besseres Recht gibt es gar nicht des Deutschen Roten Kreuzes, des Johanniter-Hilfs- vorschreibt. Wir haben ein klares Urteil in der Sache. dienstes, des Malteser-Hilfsdienstes, des Technischen Wir sollten nicht erneut den Versuch unternehmen, Hilfswerkes und vieler anderer p rivater Organisatio- uns Hürden zu schaffen, hinter denen wir uns verstek- nen danken, die heute in Ruanda, die im ehemaligen ken, urn den anderen sagen zu können: Macht ihr Jugoslawien und überall im Einsatz sind und hel- einmal irgend etwas, wir müssen uns erst mit unseren fen. selbst geschaffenen Hürden beschäftigen! Herr Ministerpräsident Scharping, wir haben den Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieser Vorschlag Ihrer Fraktion abgelehnt, neben all die Debatte ist mir zu kurz gekommen — ich habe das bewährten, mit großem Engagement geführten Orga- mehrfach angesprochen und will es jetzt erneut tun —: nisationen der Hilfe, die wir haben, noch einen Es geht im Kern nicht darum, daß wir eine Militari- bundeseigenen Verein zu setzen, weil wir fürchten, sierung der Außenpolitik betreiben wollen. Sie von das einzige, was dabei herauskommt, ist weiteres der SPD sollten sich dafür entschuldigen, daß Sie Kompetenzgerangel, ist eine neue Bürokratie und vor diesen Begriff hier gebraucht haben, wenn Sie jetzt allen Dingen am Ende weniger Hilfe tatsächlich für tatsächlich zustimmen wollen. Denn wenn Sie jetzt diejenigen, die der Hilfe bedürfen. Diese Hilfe wird in zustimmen, betreiben Sie ja nach Ihren eigenen unserem Denken weiterhin im Mittelpunkt stehen. Definitionen ebenfalls eine Militarisierung der Au- Es geht darum, angemessen, gemessen und ruhig, ßenpolitik. Sie steigen damit in das „Rühesche wilhel- aber auch verantwortlich zu handeln für unser Land, minische Kanonenboot" ein. Seien Sie so nett und aber auch so weitsichtig zu sein, daß wir nicht nur uns, nehmen Sie alles das, was an Beleidigungen ausge- sondern auch den Nachbarn im Auge haben, wenn er streut worden ist, wieder zurück, damit wir wieder in Not ist. Denn wir dürfen nicht mit der Hilfe der vernünftig miteinander umgehen können. Wenn der Nachbarn rechnen, wenn wir ihnen in der Not keine Kollege Rüttgers nicht gerade draußen wäre, würde er Hilfe zuteil werden lassen. mich jetzt dringend auffordern, daß Sie den Kollegen Verheugen bitten, den Begriff „Kriegshetzer" — ihm Herzlichen Dank. gegenüber vor ein paar Tagen gebraucht — auch noch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) in den Papierkorb zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Kollege Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: Gute Idee!) Karsten Voigt. In dieser Stunde sollten wir die Bundesregierung als Regierung des Landes, das die Präsidentschaft in der Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Herr Präsident! EU innehat, als die Regierung eines der fünf Länder, Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein großer die sich besonders bemühen, in Bosnien zum Frieden Teil Ihres Redebeitrages, Herr Hornhues, war insofern zu kommen, angesichts der Tatsache, daß die Serben auf die Vergangenheit gerichtet, als er auf Auseinan- erneut den schäbigen Trick anzuwenden versuchen, dersetzungen Bezug nahm, die vor dem Urteil des Zeit zu schinden, um Boden zu gewinnen, erneut auf Bundesverfassungsgerichts eine gewisse Rolle ge- Krieg zu setzen, um das durch Aggression Erworbene spielt haben mögen. Herr Lamers hat zu Recht gesagt, zu erhalten, dringend auffordern, zu tun was machbar daß z. B. mein Motiv 1988 gewesen ist, mit dem ist. Herr Außenminister, Sie sind jetzt ein Stückchen formalen Argument der Erweiterung faktisch eine freier und müssen nicht bei jeder Forderung nach Einschränkung von Einsatzmöglichkeiten vorzuneh- verschärfter Durchsetzung der Sanktionen darauf men. Aber das ist der Schnee von gestern. achten, ob Sie etwas an Ihrem rechten oder linken Fuß Es geht jetzt darum, daß wir diesen tiefen Einschnitt, hindern könnte. den das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bedeu- Ich glaube, die Stunde, das Urteil und die Probleme tet, politisch verarbeiten. Dazu gehört, daß wir sagen: der Menschen gebieten es, daß wir uns bemühen und Die rechtlichen Grundlagen sind geklärt. Jetzt geht es unsere eigene Regierung auffordern, zu tun, was darum, daß wir in diesem Lande entscheiden — nicht, machbar ist, um im ehemaligen Jugoslawien endlich warm es rechtlich möglich ist —, wann wir uns im doch zur Befriedung und zum Frieden zu kommen. Einzelfall wirklich beteiligen wollen. Bei solchen Entscheidungen bedarf es einer anderen Kultur der Ich möchte mit dem Dank meiner Fraktion an all Debatte, als sie heute diese Debatte gehabt hat. diejenigen schließen, die trotz unserer Debatten und (Beifall bei der SPD) trotz Ihrer Vorbehalte ihren Dienst get an haben, den Dienst in den AWACS-Flugzeugen, in der Ad ria auf Das gilt auch gerade für die Koalitionsfraktionen. den Schiffen und in der Luft. Ich möchte vor allen Im übrigen möchte ich Herrn Hoyer sagen, daß ich Dingen denen danken, über die man selten redet, weil seinen Vorschlag, den ich gestern in der FAZ habe sie scheinbar außer S treit sind, die vielleicht den lesen können, daß er jetzt noch für neue Beratungen gefährlichsten Einsatz in Sarajevo gemacht haben. über eine Grundgesetzänderung ist, auch für überholt 21200 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Karsten D. Voigt (Frankfurt) halte. Die Verfassungslage ist geklärt. Wir werden uns dern erst wenn die CDU in dieser Frage ihre Meinung nicht auf bessere Formulierungen auf absehbare Zeit ändert. Alles andere ist doch irgendwie l'art pour einigen können, als sie das Verfassungsgericht zur l'art. Klärung gebracht hat. Deshalb brauchen wir auch Herr Lamers. nicht solche Formulierungen neu zu erarbeiten. Worauf es jetzt ankommt, ist, ob wir die Kraft haben Vizepräsident Hans Klein: Verzeihung, Herr Kol- und den Konsens finden, uns auf ein Bundeswehrauf- lege Hoyer wollte, glaube ich, eine Nachfrage stel- gabengesetz zu einigen, wenn wir es wollen und wenn len. wir wissen, was wir in ihm gemeinsam formuliert haben wollen. Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Entschuldi- Dabei ist der entscheidende Maßstab, daß die gung. Bundeswehr keine Regierungsarmee ist, wie es die CDU/CSU hatte haben wollen, sondern daß sie ein Parlamentsheer bleibt und auch bei diesen Aufgaben, Dr. Werner Hoyer (F.D.P.): Habe ich, Herr Kollege die über die Aufgaben der kollektiven Verteidigung Voigt, ebenfalls richtig verstanden, daß Sie die pro- hinausgehen, im Sinne der kollektiven Sicherheit grammatischen Absichten der Sozialdemokratischen stärker wird. Partei in dieser durchaus wichtigen verfassungspoliti- schen Frage von vornherein davon abhängig machen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ob, was völlig legitim ist, die Union signalisiert, daß sie des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nicht bereit ist, sich in dieser Frage zu bewegen? Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Voigt, die Kollegen Hoyer und Lamers würden Ihnen gerne Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Nein, das ist Zwischenfragen stellen. falsch. Unsere verfassungsrechtlichen Einsichten und verfassungspolitischen Absichten haben wir auf Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Wenn es auf unseren Parteitagen formuliert. Soweit es die verfas- meine Redezeit nicht angerechnet wird, dann sehr sungsrechtliche Position betrifft, hat das Bundesver- gerne. fassungsgericht darüber entschieden. Soweit es die Durchsetzung unserer verfassungspolitischen Absich- Vizepräsident Hans Klein: Selbstverständlich ten betrifft, bleiben diese nur handlungsrelevant, nicht. nicht nur programmrelevant, wenn es eine Chance für eine verfassungsändernde Mehrheit gibt. Wir haben Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Wer möchte nicht eine solche Absicht wie die F.D.P., die als zuerst? Regierungspartei in Wahlkämpfen immer wieder etwas verspricht, was sie anschließend nicht macht, Vizepräsident Hans Klein: Kollege Hoyer war der und sich dann auf die CDU beruft. erste, der sich gemeldet hat. (Beifall bei der SPD) Wir wollen gegenüber den Wählern ehrlich sein und Dr. Werner Hoyer (F.D.P.): Herr Kollege Voigt, habe sagen, daß die Verfassungsfrage erst relev ant wird, ich Sie recht verstanden, daß gegebenenfalls in der wenn sich die CDU bewegt. nächsten Legislaturperiode — oder wann immer eine solche Verfassungsdebatte zustande kommen könnte — die Sozialdemokraten keinen Wert darauf Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Lamers. legen würden, im Deutschen Bundestag über militä- rische Einsätze mit Kanzlermehrheit mit zu entschei- Karl Lamers (CDU/CSU): Herr Kollege Voigt, kön- den? nen Sie mir erklären, wie die Tatsache, daß die Koalitionsfraktionen, also auch die CDU/CSU-Frak- Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Wir legen Wert tion, unbestrittenermaßen einen Antrag zur Änderung darauf, nicht nur auf eine Kanzlermehrheit, sondern der Verfassung eingebracht haben, der eine Zustim- auch auf andere Mehrheiten. mung des Bundestages vorsah, mit Ihrer Behauptung (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) in Einklang zu bringen ist, daß wir eine solche Zustimmung des Bundestages nicht hätten haben Aber ich sage Ihnen ganz nüchtern: Bezogen auf wollen? diese Sachfrage und nicht auf die künftigen Mehrhei- ten, wer die Regierung stellt — wir sind natürlich für die Handlungsfähigkeit einer Regierung auch in sol- Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Sie haben in chen Fragen —, haben doch die Äußerungen von Ihrer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht Herrn Lamers, Herrn Glos und Herrn Hornhues deut- gesagt, daß eine Zustimmung des Parlaments nicht lich gemacht, daß Sie nicht über Beschränkungen der erforderlich sei. Das war die Position sowohl der Mehrheitsentscheidung, die über das hinausgehen, CDU/CSU wie auch der Bundesregierung. Darauf was uns das Bundesverfassungsgericht angeboten beruht diese meine Äußerung. hat, mit sich reden lassen. Da bei Verfassungsände- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr! Das ist rungen aber eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, ein Unterschied!) ist die Diskussion über eine Verfassungsänderung der Ich fahre fort. Schnee von gestern. Es lohnt sich, in dieser Frage über Kanzlermehrheiten und anderes zu reden, nicht wenn (Karl Lamers [CDU/CSU]: Zusatzfrage!) die F.D.P. das in ihr Wahlprogramm aufnimmt, son- — Sie haben eine Zusatzfrage? — Entschuldigung. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21201

Vizepräsident Hans Klein: Das war nicht erkennbar. Außenpolitik Deutschlands, für die Völkergemein- Herr Kollege Lamers, bitte. schaft und für die Europäische Union auf dem Spiel? Karl Lamers (CDU/CSU): Darf ich Sie fragen, Herr Die Amerikaner verkürzen diese Fragestellung auf Kollege Voigt, ob Sie vielleicht zufällig meine Argu- das Thema: Was sind unsere nationalen Interessen? mentation von soeben überhört haben, in der ich Ich habe bewußt gesagt: Die Deutschen müssen sagte, daß wir nach der Verfassungslage, wie wir sie fragen, was für die deutsche Außenpolitik, aber auch vor dem Urteil gesehen haben, zwar in der Tat der für die Völkergemeinschaft und für die Europäische Auffassung waren und uns darin durch das soge- Union auf dem Spiel steht. Die Verkürzung der nannte Pershing-Urteil auch bestätigt sahen, eine Fragestellung auf nationale Interessen im engeren Zustimmung des Bundestages wäre nicht erforderlich, Sinne reicht für uns nicht. Das heißt, wir müssen im die Einbringung dieses Koalitionsantrags aber natür- Einzelfall nach Prioritäten entscheiden, was sehr, sehr lich klar zum Gegenstand hatte, daß wir in der Zukunft schwer sein wird. die Zustimmung einzuholen gedenken? Bei Jugoslawien ist dies wegen der sonst drohenden Flüchtlingsgefahr und wegen der Instabilitiät, die von Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Herr Lamers, der Region ausgeht, ohne Frage eine außenpolitische diese Großzügigkeit mit dem Angebot der Parla- Priorität für Deutschland. Trotzdem kommen wir zu mentsbeteiligung, die ich damals in meiner Rede Recht aus anderen Gründen zu der Schlußfolgerung, gewürdigt habe, war leider mit dem Pferdefuß ver- daß ein Einsatz am Boden für deutsche Soldaten nicht bunden, daß wir uns mit einem Abschnitt 4 Ihrer in Frage kommt, weil er kontraproduktiv wäre. Vorschläge für eine Änderung des Grundgesetzes Viertens: Welches sind die Zielsetzungen eines hätten beschäftigen müssen, der vorsah, daß sich auch solchen Einsatzes? ohne einen Beschluß des UNO-Sicherheitsrates die Bundeswehr weltweit an Kriegseinsätzen hätte betei- Fünftens: Welches sind die Kriterien für den Erfolg ligen können. oder Mißerfolg eines solchen Einsatzes? Das ist ein (Beifall bei der SPD) Thema, das wir aus Anlaß von Somalia immer wieder strittig behandelt haben. Ich möchte gerne, daß eine Wir wollten die Parlamentsbeteiligung, die wir Bundesregierung vor Planung und Entscheidung über wünschten, nicht gleichzeitig mit diesem Pferdefuß, einen Einsatz sagt, was sie für Erfolg oder Mißerfolg dieser Hintertür zu derartigen Militäreinsätzen ver- hält, und nicht anschließend einen Mißerfolg noch als binden. Erfolg ausgibt. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Das Entscheidende aber in der heutigen Debatte bleibt, daß die SPD klar und deutlich ja sagt zu den Sechstens: Für uns als Sozialdemokraten bleibt Einsätzen, wie sie vom Bundeskabinett bezüglich vorrangig, daß wir vorher klären, ob es nichtmilitäri- Adria und AWACS beschlossen wurden, und daß wir sche Alternativen zu einem militärischen Einsatz gibt. genauso eindeutig daran festhalten, was glücklicher- weise auch durch Herrn Bundesverteidigungsminister (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Rühe bestätigt worden ist, daß jeder darüber hinaus- DIE GRÜNEN) gehende Einsatz einer neuen Beschlußfassung im Parlament bedarf und eine Beteiligung Deutscher an Das ist die ganze Frage der Prävention, der Stär- an ähnlichen Einsätzen von Kampfflugzeugen oder kung der präventiven Fähigkeiten der Vereinten Aufgaben nicht mit dem gegenwärtigen Beschluß, Nationen und der Europäischen Union. Ich glaube, den wir heute fassen und dem wir zustimmen werden, daß man hier nicht nur über nichtmilitärische Alterna- vereinbar ist. tiven verbal reden muß; man muß auch die Fähigkei- (Beifall bei der SPD) ten der Europäischen Union und der Vereinten Natio- nen in diesem Bereich stärken. Darüber haben wir Ich möchte mich aber über die Themen der Vergan- heute von Ihnen in der Praxis sehr wenig gehört. genheit hinaus auf eine Frage konzentrieren, die Herr Kinkel als Parameter zukünftiger Entscheidungen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) bezeichnet hat. Ich möchte mehr von einer Liste von Siebtens: Dann wollen wir gerne etwas über die Fragen sprechen, die jede Bundesregierung dem voraussichtliche Dauer eines jeweiligen Einsatzes Parlament beantworten muß — in Zukunft nicht nur wissen. Das ist eine Frage, die Sie in bezug auf dem Plenum, sondern auch den Ausschüssen —, bevor AWACS und Adria heute nicht beantwortet haben. die Entscheidung über einen Einsatz erfolgen darf. Das erste ist die Frage, ob ein solches Mandat für Achtens: Wir möchten gerne wissen, welche Konse- quenzen ein jeweiliger solcher Einsatz für den Bun- einen Einsatz auf einer völkerrechtlich einwand- freien Grundlage beruht. Das ist bei diesen beiden deshaushalt hat. Das ist eine Frage, die Sie heute auch heute zu beschließenden Einsätzen der Fall. nicht beantwortet haben. Die zweite Frage: Ob ein Einsatz mit den Auflagen Dazu gehört insbesondere auch, daß in Zukunft in des Bundesverfassungsgerichtes übereinstimmt, muß einen Bundeshaushalt ein eigener Titel eingestellt in jedem Einzelfall geprüft werden. Das stimmt für gehört, der sich auf solche Einsätze bezieht, damit wir diese beiden heute zu beschließenden Einsätze. darüber parlamentarisch beraten und auch entschei- den können. Drittens eine sehr viel schwerer zu beantwortende Frage: Was steht bei einem derartigen Einsatz für die (Walter Kolbow [SPD]: Sehr richtig!) 21202 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Karsten D. Voigt (Frankfurt) Das kann sich im Laufe des Jahres andern, weil andere Das, was man tun will, muß auch wirken, damit m an Fälle dazwischenkommen — wie bei der humanitären den Menschen hilft und es nicht bei der Absicht, den Hilfe auch. Aber es kann nicht angehen, daß in der Menschen zu helfen, bleibt. Deshalb muß man auch Haushaltsfrage keine parlamentarische Entscheidung wissen, wie man aus der jeweiligen Situation wieder getroffen wird, also in dieser Frage an dem Parlament herauskommt. vorbei entschieden wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ) DIE GRÜNEN) Herr Bundesaußenminister, ich habe es sehr bedau- Es darf auch nicht dazu führen, daß der Bundes- ert, daß Sie in Ihrer heutigen Rede nicht erwähnt haushalt im Verteidigungsbereich wegen dieser Auf- haben — vielleicht aus Zeitgründen —, wie sehr die gaben erhöht wird. Deshalb muß auch die Bundesre- Deutschen gerade im ehemaligen Jugoslawien prä- gierung in diesem Bereich ihre Prioritäten vor dem sent sind, aber mit zivilen Komponenten. Zum Beispiel Bundestag darlegen. Hans Koschnick mit seiner Mission in Mostar ist eine (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr richtig!) deutsche Präsenz, unumst ritten in der dortigen Region, Neuntens: Wir müssen wissen, welche jeweiligen Risiken mit einem solchen Einsatz verbunden sind (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten — nicht nur für die Soldaten; da sind die Risiken bei des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) dem AWACS-Einsatz und dem Adria-Einsatz relativ und sie ist ein Zeichen, daß man, wenn man über gering, sondern auch für die deutsche Außenpolitik. Präsenz redet, nicht nur über militärische Präsenz Es ist z. B. ein wichtiges Moment, daß wir, wenn wir reden muß und reden darf. Wir sind präsent, sogar am nach Ruanda oder in die Umgebung von Ruanda Boden präsent, mit Leuten, mit Helfern, mit Hans gehen würden, in eine afrikanische Außen- und Koschnick und vielen anderen, die dort akzeptiert Sicherheitspolitik mit der Präsenz deutscher Blau- sind. helme hineingezogen werden würden — auch wenn (Zuruf von der SPD: Für den Frieden!) es nur friedenserhaltende Blauhelme sind —, womit wir faktisch in der Vergangenheit außerordentlich Wir sind präsent mit den Hilfslieferungen der Flug- wenig Erfahrungen gemacht haben. Wir könnten zeuge. Wir sind präsent mit hunderten von zivilen dann sehr leicht in die Situa tion geraten, als Neoko- Hilfsorganisationen, die unter großen Risiken vor Ort lonialmacht wahrgenommen zu werden, was bisher sind. Wir sind präsent mit EU-Beobachtern. Wir müs- nicht der Fall war, weil wir dies seit langer Zeit, seit sen uns endlich nach der Klärung der verfassungs- Ende des Ersten Weltkrieges nicht mehr waren. rechtlichen Fragen damit auseinandersetzen und es beenden, daß wir unter Präsenz nur militärische Deshalb müssen wir in einem solchen Fall sehr Präsenz verstehen. genau abwägen, ob unter diesen Gesichtspunkten die außenpolitischen Risiken verantwortbar sind und ob (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wir nicht die Möglichkeit zur f riedlichen Konfliktlö- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sung beeinträchtigen, indem wir uns an der Entsen- Es muß auch in unserer Redeweise die Priorität des dung von Soldaten dorthin beteiligen. Zivilen sichtbar werden, auch wenn das Militärische Zehntens: Dann ist es sehr wich tig, wer sich jeweils in bestimmten Fällen unvermeidlich ist; deshalb am Einsatz beteiligt. Dabei ist es natürlich eine sagen wir hier auch ja, aber es ist die Ultima ra tio. wichtige Fragestellung, ob sich unsere Partner in der Europäischen Union und in der NATO an einem (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Herr Voigt, Sie kämp Einsatz beteiligen. Das ist aber nicht allein entschei- fen da wirklich gegen Windmühlenflügel!) dend. Es kann nicht die Entscheidung hier im Parla- Zuallerletzt, Herr Bundesaußenminister: Ich hätte ment durch eine Entscheidung in Brüssel, in Washing- gerne gesehen, daß Sie zu dem faktischen Scheitern ton oder in New York ersetzt werden. Das ist nicht eine des Fünfer - Vorschlages in bezug auf Jugoslawien Frage des „Sonderweges", sondern so entscheidet etwas sagen. Wir entscheiden ja über Jugoslawien. jedes vernünftige Parlament im Westen, wenn es über Was bedeutet es, daß die Serben nein gesagt haben? solche Dinge entscheiden kann. Und wenn, wie in Welche Maßnahmen plant die EU - Präsidentschaft? Frankreich, das Parlament nicht entscheidet, dann Sie, Herr Bundesaußenminister, sind EU-Präsident im entscheidet der Präsident, ob solche eigenen Katego- Rat der Außenminister. Wir möchten gerne wissen, rien einzuhalten sind. was Sie jetzt planen. Wir möchten nicht, daß wir, wenn (Beifall bei der SPD) wir jetzt wieder in die parlamentarische Sommer- - pause gehen, plötzlich von irgendwelchen Dingen Deshalb müssen wir im Einzelfall entscheiden. überrascht werden, weil Sie uns nicht über Absichten Elftens: Dann möchte ich ganz deutlich sagen, daß informiert haben, die Sie nach dem Nein der Serben zu einer Kalkulation bei Beginn des Einsatzes auch haben. gehört, daß man weiß, wie man wieder herauskommt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Das ist ein Punkt, den die Amerikaner besonders bitter des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN — Zuruf erfahren haben. Es reicht nicht, wenn man jeweils auf von der SPD: Nächste Sondersitzung!) CNN oder sonstiges Fernsehen guckt und sagt, da ist die Lage schrecklich, und wenn man deshalb sagt, Ich sage Ihnen ganz deutlich, daß wir in dieser Frage man muß etwas tun. Es reicht nicht, daß man dann auf einer umfassenden Information des Parlaments jeweils betroffen ist und sagt, m an muß „etwas" tun. bestehen und im Notfall auch Sitzungen, zumindest Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21203

Karsten D. Voigt (Frankfu rt) des Auswärtigen und des Verteidigungsausschusses fen. Dies geht letztendlich zu Lasten der Soldaten und einfordern werden, denn eine Parlamentsbeteiligung ihrer Familien, und diese haben das nicht verdient. ist auch hinsichtlich der Absichten der Europäischen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Union erforderlich, besonders wenn zur Zeit eine Zuruf von der SPD: Das glauben Sie doch deutsche Präsidentschaft besteht. selber nicht, diesen Schwachsinn!) Ich habe auch Ihre Kritik an der Haltung Griechen- Meine Damen und Herren, letztendlich leidet dar- lands vermißt. Wir sind beim Embargo an der Adria unter auch unsere Glaubwürdigkeit. Ministerpräsi- dabei. Aber das Embargo wird an der griechischen an wird ihm Grenze durchlöchert. Da müssen Sie doch etwas zu dent Scharping — er ist nicht da; m Konsens in der einem EU-Partner sagen, nicht nur etwas dazu, was an nachreichen, was ich sage — will einen So hat er es heute morgen hier gesagt. der Adria gemacht wird, sondern auch zu dem, was an Außenpolitik. Das ist gut so. Aber dann muß er auch entsprechend Blockade teilweise verhindert wird. handeln, und zwar nicht nur heute in zwei Meinen Es sind doch schlicht und ergreifend — leider — Teilschritten. auch zwei EU-Partner, die an der krisenhaften Zuspit- zung beteiligt sind. Was macht die neue italienische Ich greife, meine Damen und Herren, einen Satz aus Regierung gegenüber Slowenien? Was macht die dem SPD-Parteiprogramm auf. Es heißt dort: „Die SPD griechische Regierung gegenüber Albanien? Hier steht dafür ein, daß die Bundeswehr nicht zu einer frei sind wir doch gefragt, daß wir vorbeugen, und Sie als verfügbaren Interventionsarmee wird." Hier wird EU-Geschäftsführer, wenn ich so sagen darf, Sie als doch bewußt die irreführende Behauptung aufge- Außenminister und der Bundeskanzler sind doch stellt, daß aus der Bundeswehr, die eine Verteidi- gefragt, wie man hier vorbeugend wirken kann, damit gungsarmee ist und auch bleiben soll, nun eine der Jugoslawien-Konflikt, der sich jetzt in Bosnien Interventionsarmee werden soll. Diese Irreführung konzentriert, nicht erneut explodiert und in Albanien hat Methode. Denn die SPD will mit diesem Beg riff oder im Kosovo oder vielleicht in der jetzt noch suggerieren, dabei handele es sich um etwas Unrecht- friedlichen Zone in Slowenien erneut zum Ausdruck mäßiges, um etwas Unzulässiges. kommt. Diese ganzen politischen Fragen müssen in (Manfred Opel [SPD]: Dann gucken Sie sich Zukunft viel mehr in das Zentrum der Diskussion doch Ihre eigenen Anträge an!) gerückt werden. In diesem Zentrum stehen sie bei Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wissen, uns. daß diese Aussage falsch ist.

Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Voigt, Ihre (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Redezeit ist zu Ende. ten der CDU/CSU) So wird denn die vorher behauptete Möglichkeit Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Ich wollte zum einer Intervention, sprich: die angebliche Unzulässig- Schluß noch sagen: Für uns hat die friedliche Konflikt- keit und Unrechtmäßigkeit eines solchen Einsatzes, lösung Vorrang vor der militärischen. Wenn die mili- dazu benutzt, zukünftige Verweigerungen schon jetzt tärische unausweichlich ist, werden wir im Einzelfall anzukündigen. Der Konsens, der hier eingefordert prüfen, aber immer mit der gebotenen Zurückhaltung, wurde, ist damit schon wieder aufgekündigt. Die die der Tradition der Sozialdemokratie entspricht. Antworten, die der Kollege Voigt heute gegeben hat, waren denn ja auch entsprechend nichtssagend und (Beifall bei der SPD) sollten von den eigentlichen Problemen, die Sie haben, ablenken. Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Kollege Günther Nolting. (Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: Ritter von der traurigen Gestalt!) Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Herr Präsident! Die Ausführungen, die Sie, meine Damen und Meine Damen und Herren! Ministerpräsident Schar- Herren von der SPD, in Ihr Wahlprogramm hineinge- ping hat heute morgen ausgeführt: Ohne Verfas- schrieben haben, stellen dann auch einen Schlag in sungsgerichtsurteil wäre die heutige Sitzung nicht das Gesicht aller unserer Verbündeten dar, die z. B. im zustande gekommen. Nein, meine Damen und Her- Verlauf des Golfkrieges den Aggressor Irak unter dem ren, die Sitzung ist bisher deshalb nicht zustande Dach der UN bekämpft haben. Hier wird für jeder- gekommen, weil die SPD sich immer wieder verwei- mann deutlich, was Sie in der Perspektive offensich- gert hat. Seit eineinhalb Jahren liegt jetzt ein Antrag lich wollen, nämlich den Ausstieg aus der westlichen der Koalition vor. Sie, meine Damen und Herren von Solidarität und aus der Zusammenarbeit auf dem der SPD, hätten die Möglichkeit zur Mitentscheidung Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik. gehabt, - Meine Damen und Herren, die gewohnheitsrecht- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Unzumutbar, wie lich entstandene Möglichkeit, daß eine von der UN Sie wissen!) ermächtigte Koalition gegen einen Rechtsbrecher wie im Falle des Irak vorgeht, lehnen Sie ab. Die ebenfa lls und, Frau Kollegin, Sie hätten Ihre eigenen Vorstel- nirgendwo schriftlich niedergelegten, sondern eben- lungen einbringen können. falls gewohnheitsrechtlich entstandenen sogenann- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) ten Blauhelmeinsätze dagegen bejahen Sie. In der Sie haben das aber boykottiert; Sie haben sich verwei- Realität aber sind die Grenzen zwischen Blauhelmein- gert. Sie sind in dieser Frage politikunfähig. Sie sind sätzen und echten Kampfeinsätzen längst fließend nicht in der Lage, politische Entscheidungen zu tref- geworden. Auch dies wissen Sie. Unsere Partner, mit 21204 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Günther Friedrich Nolting denen wir seit vielen Jahren in so erfolgreichen 14. Juli auf den Champs-Elysées, die Verengung des Wirtschafts- und Verteidigungsbündnissen zusam- Widerstands gegen Hitler auf die überwiegend natio- mengearbeitet haben, be trachten kopfschüttelnd und nalkonservativen Widerständler vom 20. Ju li, in der mit tiefstem Unverständnis diese Ihre Diskussion. Mehrheit Militärs, und nun die Freigabe des interna- Meine Damen und Herren, für die F.D.P. stelle ich tionalen Einsatzes deutscher Soldaten bis hin zu fest, daß der erste Auftrag der Streitkräfte die Landes- Kampfeinsätzen: Da kommt schon einiges zusammen, und Bündnisverteidigung bleibt und daß darüber wie man sieht. hinaus Kapazitäten für unausweichliche Erfordernisse Ich kann mir in der Tat bessere Gelegenheiten zur des aktuellen Weltgeschehens verfügbar gehalten Demonstration von internationaler Solidarität vorstel- werden sollten. Wir werden dabei auch in Zukunft in len als ausgerechnet eine Militärparade in Paris. Bei jedem Einzelfall die Möglichkeit und Notwendigkeit der Parade am 14. Juli sind aber — das, finde ich, ist unserer Beteiligung an politischen, wirtschaftlichen doch etwas pikant — immerhin deutsche Soldaten zu und militärischen Maßnahmen gegen einen Rechts- Ehren der großen Französischen Revolu tion paradiert, und Friedensbrecher sorgfältig prüfen und werden jener Revolution, die von der deutschen Rechten und abwägen, was für Deutschland angemessen ist und dem deutschen Bürgertum in seiner großen Mehrheit was nicht. eigentlich immer abgelehnt wurde, weil sie mit der Deshalb — dies sage ich ganz deutlich — bleiben von Gott gegebenen Obrigkeit Schluß gemacht hatte wir bei der vertrauensbildenden Außenpolitik, der und an deren Stelle die bürgerliche Republik gesetzt verantwortlichen Zurückhaltung. Diese Außenpolitik hatte. Die deutschen Soldaten sind paradiert zu Ehren ist bei Außenminister Kinkel, bei der gesamten Regie- der Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", die rung und der Koalition in guten Händen. in der Tradition der deutschen Rechten und in der deutschen Militärtradition nun wirk lich nie einen (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- Platz hatte. ten der CDU/CSU) Der Widerstand der Offiziere des 20. Juli — vor Herr Präsident, ich möchte zum Abschluß noch zwei deren Opferbereitschaft und vor deren Leiden wie vor Bemerkungen machen. dem Leiden und der Opferbereitschaft der anderen Frau Kollegin Lederer, Sie haben heute morgen Widerständler wir hohen Respekt haben müssen — Richterschelte betrieben. Sie haben das Urteil des muß aber doch Fragen über Fragen aufwerfen: Fragen Bundesverfassungsgerichtes massiv kritisiert. Dies in bezug auf das Verhalten der deutschen Wehrmacht spricht fürwahr für die Haltung Ihrer Partei, die die und des deutschen Offizierskorps in den Jahren von Grundordnung unseres demokratischen Staates mit 1933 bis 1945 und vielleicht auch in der Geschichte seiner Gewaltenteilung immer wieder in Frage insgesamt. Warum hat es keinen Protest und keinen stellt. Widerstand des Offizierskorps bereits nach dem 30. Januar 1933 gegeben? Denn der NS-Terror — das (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — ist Ihnen doch bekannt — begann am 31. Januar 1933. Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Sehr gut!) Warum hat es keinen Widerstand des Offizierskorps Die zweite Bemerkung geht an den Kollegen Schulz gegeben, als Rotterdam und Coventry bombardiert von den GRÜNEN. Herr Kollege Schulz, Sie haben wurden, warum nicht bereits, als Guernica bombar- heute morgen die angeblich mangelnde parlamenta- diert wurde? Warum hat das deutsche Offizierskorps rische Arbeit angesprochen. Ich frage Sie deshalb: Jahre vor dem 20. Juli 1944 nicht Widerstand gegen Wie ernst nehmen Sie Ihre eigene Arbeit, wenn Sie den planmäßigen doppelten Genozid im deutschen ausweislich des Protokolls in dieser Legislaturpe riode Namen geleistet? Oder war es vielleicht so, wie die an kaum einer Sitzung des Verteidigungsausschusses neuere militärhistorische Forschung zu belegen teilgenommen haben, scheint, daß die Wehrmacht intensiver und aktiver am (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) doppelten Völkermord beteiligt war, als bisher bekannt war? auch wenn heute anstehende Fragen diskutiert wur- den? Bevor Sie sich hier hinstellen und das Parlament (Zuruf von der CDU/CSU: Thema!) und die Regierung — hier insbesondere den Außen- Warum hat es in der Wehrmacht und insbesondere minister — beschimpfen, kehren Sie erst vor Ihrer im Offizierskorps offensichtlich kein Verantwortungs- eigenen Haustür! bewußtsein dafür gegeben, daß die deutschen Ver- Vielen Dank. brechen künftige Generationen — also auch uns hier und heute — und das Land insgesamt für immer (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) belasten würden? Wo war das Verantwortungsgefühl der Wehrmacht dafür, daß der von dieser Wehrmacht vom Zaun gebrochene und so brutal geführte Krieg Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Abge- uns — ich war bei Kriegsende sechs Jahre alt — eine ordnete Dr. Ulrich B riefs. Kindheit und eine Jugend mit Hunger und Entbeh- rung, in Not und Trümmern bringen würde? Warum hat es keinen Aufstand des militärischen Gewissens Dr. Ulrich Briefs (fraktionslos): Herr Präsident! gegeben, als Kinder, Frauen und Männer — zivile, zu Meine Damen und Herren! Mich treibt im Zusammen- schützende Personen — aus deutschen Städten und hang mit der heutigen Debatte und dem Verfassungs- Dörfern in die Vernichtungslager depor tiert wurden? gerichtsurteil vor allen Dingen die Sorge vor einer Eine größere Perversion militärischen Selbstverständ- Rehabilitierung der deutschen militärpolitischen Tra- nisses als in der reichsdeutschen Wehrmacht von vor dition um. Deutsche Soldaten bei der Parade zum 1945 ist wohl kaum denkbar. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21205

Dr. Ulrich Briefs Fragen über Fragen stellen sich also gerade auch durch verschrottungsreife Waffen inaktiv geworden heute. Ich warne vor dem Versuch, diesen Fragen wäre. Nur wenn, wie ich es als Thomaner oft gesungen ausweichen zu wollen. Gerade wenn sich Deutsch- habe, „ein starker Gewappneter seinen Palast land mit Soldaten an internationalen Einsätzen betei- bewahrt, so bleibt das Seine in Frieden". ligt — was nun wohl nicht mehr zu verhindern ist —, muß eine konsequente weitere Aufarbeitung der Lassen Sie mich zum Schluß etwas noch zum verhängnisvollen Rolle des deutschen Militärs in der Entschließungsantrag der PDS sagen. Die PDS fordert NS-Zeit und auch davor erfolgen. Sie muß auch ein Bleiberecht für alle Deserteure aus allen Nachfol- erfolgen, um dazu beizutragen, daß keine weitere gestaaten Jugoslawiens. Meine Damen und Herren Militarisierung der Politik, speziell der Außenpolitik Kollegen von der PDS, Sie haben nicht das moralische stattfindet. Recht dazu. Kommunisten haben ihre Deserteure immer an den Grenzen abgeknallt. Ich sage das Für Stolz auf deutsches Militär, auf deutsche Offi- bewußt. Kranke GULag-Häftlinge wurden millionen- ziers- und Militärtradition besteht wahrhaftig kein fach mit dem Hammer erschlagen. Die jüngste Ver- Anlaß, für tiefe Trauer und Scham dagegen sehr gangenheit ist da nicht aufgearbeitet. Lesen Sie bitte wohl. alle wieder Solschenizyn! Es gilt auch jetzt und jetzt erst recht: Wehret den Anfängen! Wer mit Kommuni- Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Abge- sten paktiert, wer sich von Kommunisten wählen läßt ordnete Dr. Rudolf Krause. — das hätte auch im Reichstag für Herrn Rau gegol- ten —, sollte zuvor einen Blick in Solschenizyns Werk Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) (fraktionslos): Herr tun. Das ist, glaube ich, der kleine Katechismus, der Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen der gegenwärtig nötig ist. vorgerückten Stunde werde ich nur die zweite Hälfte Ich danke für die Aufmerksamkeit. meines Manuskripts vortragen. (Zustimmung) Dem Verfassungsgerichtsurteil ist zuzustimmen, daß der Deutsche Bundestag über den Einsatz der Bundeswehr zu entscheiden hat. Friedenschaffende Vizepräsident Hans Klein: Meine verehrten Kolle- Maßnahmen sind aber — jawohl, Herr Kollege Ver- ginnen und Kollegen, der Kollege Lowack will seinen heugen, Sie sagten es in dieser Woche — Krieg, sie Redebeitrag zu Protokoll geben.*) sind nichts anderes als Töten und Getötetwerden. Aber es gibt auf dieser Welt eben auch gerechte (Beifall) Kriege, Verteidigungskriege, gegen welchen Aggres- — Ich habe dazu das offensichtlich vorhandene Ein- sor auch immer. verständnis des Hauses eingeholt. Für den deutschen Soldaten stellt sich jetzt die Frage, für wessen Interessen er fernab von unseren Ich schließe die Aussprache. Landesgrenzen kämpfen und notfalls auch sterben 26 Kolleginnen und Kollegen haben schriftlich eine soll. Denkbar sind solche Einsätze. Ich kann mich Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung abge- erinnern, daß Mitte 1991 die israelische Armee ihre geben.** ) Die Kollegin Wieczorek-Zeul, die Kollegin dunkelhäutigen Glaubensbrüder aus Äthiopien aus- Zapf und der Kollege Stef an Schwarz wollen dazu geflogen hat. Auch Deutschland muß bereit sein, nach § 31 unserer Geschäftsordnung das Wo rt neh- notfalls so etwas in Mittelasien oder, was Gott verhü- men. Ich werde es ihnen nach der ersten Abstimmung ten möge, auch in Namibia leisten zu können. während der Auszählung erteilen. Ich will hier nicht das makabere Wort von den Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der „Voyeuren des Grauens in den Massenmedien" Bundesregierung auf Drucksache 12/8303. Die Frak- untersuchen. Aber UNO-Beobachter sollten mehr tun, tionen der CDU/CSU und der F.D.P. verlangen als untätig das Völkermorden zu beobachten, und sie namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstim- sollten auch mehr tun dürfen. mung. Blut und Leben unserer deutschen Soldaten darf auch in Zukunft nirgendwo auf der Welt für fremde Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das Interessen geopfert werden, wie es viele Angehörige seine Stimme nicht abgegeben hat? — Sind alle der Völker der Sowjetunion gegen ihren Willen jahr- Stimmen abgegeben? — Das ist offensichtlich der Fall. zehntelang tun mußten. In Europa selbst aber muß Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die unsere Bundeswehr stark und verteidigungsbereit Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.*** ) bleiben. Dazu gehört ganz konkret auch, daß die Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich jungen Deutschen, die gerne zwei Jahre in der Bun- bitte Sie, wieder Platz zu nehmen, damit ich jetzt den deswehr dienen wollen, eine Arbeitsplatzgarantie Kolleginnen und dem Kollegen, die das Wort zur haben. Auch mein Sohn wurde wie viele gedrängt, nur Abstimmung wünschen, das Wort erteilen kann. ein Jahr in der Bundeswehr zu dienen, obwohl er gerne zwei Jahre gedient hätte, wenn er eine Arbeits- Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, Sie haben das platzgarantie bekommen hätte. Hier ist das Verteidi- Wort. gungsministerium im Zugzwang, denn es muß wieder eine gesunde Relation zwischen den Mitteln für Aus- *) Anlage 4 rüstung und den Mitteln für das Personal hergestellt **) Anlagen 2 und 3 werden. Es nützte uns keine deutsche Armee, die ***) Ergebnis Seite 21208C 21206 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD): Liebe Kollegin- Arbeit, Umwelt, Kindererziehung und Wohnung, nen und Kollegen! Ich habe in der Abstimmung, die brauchen, zur Verfügung zu stellen. soeben erfolgt ist, dem vorgelegten Antrag der Bun- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des desregierung nicht zugestimmt. Ich halte die Beteili- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gung der Bundeswehr bei der Durchsetzung des Schließlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, mir hat a-Embargos zwar prinzipiell für richtig. Ich Adri heute in dieser Debatte eines gefehlt: Wir diskutieren möchte aber mit meinem Stimmverhalten ausdrück- über junge Menschen, über Soldaten und über Wehr- lich gegen die Art und Weise protestieren, wie die pflichtige. Wenn zukünftig der Deutsche Bundestag Bundesregierung und die sie tragenden Parteien seit entscheidet, ob deutsche Soldaten oder Wehrpflich- zwei Jahren den Versuch unternommen haben, tige in Auslandseinsätze geschickt werden, entschei- scheibchenweise den eigentlichen Auftrag der Ver- den wir auch über Fragen, die Leben und Tod von umzuinterpretieren und damit eine Entwick- fassung Menschen bedeuten können. Keiner von uns, der lung einzuleiten, die heute nur ihren vorläufigen heute oder der zukünftig abstimmt, wird selber an Höhepunkt erreicht hat. Kriegs- oder Kampfeinsätzen beteiligt sein. Von ande- Ich möchte auch dagegen protestieren, wie die ren Mut zu verlangen, verlangt nicht sehr viel eigenen Bundesregierung sozusagen im Schnellverfahren den Mut. Jedenfalls ich und auch meine Partei, die Auftrag der Bundeswehreinheiten im Juli nach dem SPD, werden deutsche Soldaten nicht in Kriegs- und Verfassungsgerichtsurteil umdefiniert hat. Kampfeinsätze schicken. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß ich Ich danke Ihnen. folgendes Verfahren für unakzeptabel halte: Wir wer- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) den zu einer Sondersitzung des Deutschen Bundesta- ges einberufen. Ich verlange als Abgeordnete, da in Das Wort hat die Kollegin der Begründung zu dem Antrag der Bundesregierung Vizepräsident Hans Klein: Uta Zapf. an mindestens fünf Textstellen auf NATO- und WEU- Beschlüsse Bezug genommen wird, daß ich in diese Einsicht erhalte. Als ich gestern beim Auswärtigen Uta Zapf (SPD): Meine Damen und Herren! Herr Amt angerufen und um Übersendung dieser Präsident! Ich möchte mein Abstimmungsverhalten Beschlüsse gebeten habe, auf die sich der Antrag, die begründen. Ich habe den Regierungsantrag abge- Grundlage unserer heutigen Debatte, bezieht, wurde lehnt. Ich werde aber auch den SPD-Antrag ablehnen, mir mitgeteilt, dies seien vertrauliche Texte, die den und zwar nicht aus grundsätzlich pazifistischen Ober- Abgeordneten nicht zur Verfügung gestellt werden zeugungen, sondern weil ich glaube, daß wir mit könnten. Ich halte es für einen Skandal, wie hier mit diesen Anträgen einen sehr unüberlegten ersten den Abgeordneten verfahren wird. Schritt in ein Abstimmungsverhalten tun, das uns möglicherweise noch einmal leid tun wird. Ich bin der Meinung, daß das Auswärtige Amt imstande sein muß, alle Unterlagen zur Verfügung zu Es gibt einen weiteren formalen Grund und ein paar stellen. Das Ganze zeigt, daß hier eine Farce vollzogen inhaltliche Gründe. Der formale Grund ist: In der Tat wird. Ich denke, die Soldaten, um die es geht, haben finde ich diese Sondersitzung überstürzt angesetzt. ein Recht darauf, daß alle Abgeordneten wissen, Wir haben als Abgeordnete ein Recht, das uns zusteht, worüber sie abstimmen. nicht wahrnehmen können, nämlich uns vorher sorg- fältigst darüber zu informieren, worüber wir abstim- Ich will im übrigen darauf hinweisen, daß der men. vorliegende Antrag der Bundesregierung eine Lücke Das eine Beispiel mit den Beschlüssen von NATO beinhaltet, die unklar macht, ob die Bundesregierung und WEU, die geheim sind und uns nicht zugehen demnächst nicht doch deutsche Kampfflugzeuge auf- können, hat uns Frau Wieczorek-Zeul genannt. Das steigen lassen will, die unklar macht, ob die Bundes- heißt, wir haben dort eine publizierte Papierform, die regierung nicht doch deutsche Soldaten an Ultimaten offensichtlich noch nicht alles beinhaltet. beteiligen will. Nach Lage der Dinge ist zu befürchten, daß die Bundesregierung einen so beschlossenen Das zweite: Offensichtlich sind Kabinettsbeschlüsse Antrag nutzen wird, um weitergehende Militärein- ebenso geheim. Ich habe nicht nur im Auswärtigen sätze zu rechtfertigen, Militäreinsätze, die weiter Amt angerufen, sondern auch im Bundeskanzleramt gehen, als heute der eine oder andere, der zustimmt, und um den Wortlaut der Kabinettsbeschlüsse gebe- zu glauben vermag. ten. Auch dort wurde mir fast im selben Wortlaut erklärt: Die Kabinettsbeschlüsse sind geheim und Ich möchte im übrigen darauf verweisen, daß nach können nicht herausgegeben werden. Ich halte das für dem Urteil von vier Verfassungsrichtern Einsätze der einen absoluten Skandal. Ich denke, auch darüber NATO und der WEU von der Bundeswehr außerhalb müßte noch einmal geredet werden, wenn die Aus- des Verteidigungsauftrags ohne Veränderung der künfte so richtig sind. die klare Verteidi- Verträge von NATO und WEU, Ein weiterer Punkt: Ich hätte es für seriös gehalten, gungsbündnisse sind, nicht vollzogen werden kön- wenn wir in der Tat auch im Ausschuß noch einmal nen. genau die Fragen hätten stellen können, die Abgeord- Ich möchte darauf hinweisen, liebe Kolleginnen und nete der SPD-Fraktion hier den einzelnen Ministe rn Kollegen: Die Konsequenz des Verhaltens der Bun- gestellt haben, z. B. Herrn Rühe, um genau zu klären, desregierung wird sein, daß, wenn sie sich durchsetzt, was denn der Wortlaut dieses Kabinettsbeschlusses Aufrüstung angesagt sein wird, statt die Finanzmittel, bedeutet, wenn es dort heißt, daß die Beteiligung an die wir dringend für die notwendigen Aufgaben den beiden Operationen „ab Zustimmung des Deut- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21207

Uta Zapf schen Bundestages an die für die übrigen Bündnis- Darf ich Ihnen weiterhin sagen, daß Ihnen ein partner gültigen Einsatzpläne der NATO und WEU" Mitarbeiter — so wie m an mich informiert hat — anzupassen sind, und ob sich dies auf alles bezieht, gesagt hat, daß das Auswärtige Amt und er selber was z. B. in den hier herangezogenen Resolutionen Ihnen jede Unterlage zur Verfügung stellen würde, zu der UNO enthalten ist. Das ist wesentlich mehr, als aus der Sie Zugang haben könnten. Ich möchte dies noch dem reinen, gutwillig interpretierten Wortlaut dieses einmal für das Auswärtige Amt bestätigen, daß Sie Kabinettsbeschlusses, den wir absegnen sollen, her- selber jederzeit Zugang zu diesen entsprechenden vorgeht und der auch in der Nr. 3 des SPD-Antrages Unterlagen haben. enthalten ist. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — (Vorsitz : Vizepräsident Helmuth Becker) Widerspruch bei der SPD) Als letztes sage ich, daß mich die Diskussion und die Beiträge der Koaltionsfraktionäre noch einmal darin Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und bestärkt haben, daß wir uns hier eigentlich einer Farce Herren, diese Erklärung war nach § 30 der Geschäfts- unterziehen. Wenn Herr Lamers sagt, daß es natürlich ordnung zulässig. jeweils eine nationale Entscheidung gebe, aber im Als nächster hat unser Kollege Stef an Schwarz das Grunde damit meint, daß diese nationale Entschei- Wort. dung überhaupt nicht mehr offen ist, weil wir nämlich genauso stimmen müssen wie die Bündnispartner, (Anhaltende Zurufe von der SPD und der dann können wir uns solche Sitzungen, in denen wir F.D.P. — Abgeordnete Heidemarie Wieczo als Parlamentarier entscheiden, schenken. Deshalb rek-Zeul meldet sich zu einer Erwiderung) kann ich einer solchen Farce natürlich nicht zustim- — Eine Antwort ist nicht zulässig. — Bitte. men. Es kann doch nicht sein, daß wir uns unter dem Titel Stefan Schwarz (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine einer Sonderrolle jeglicher politischen Gestaltungsfä- sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine higkeit im außen- und sicherheitspolitischen Bereich etwas bizarre Situation, in der ich spreche, denn ich begeben und daß z. B. Herr Scharping hier mehr oder wollte zu dem Antrag sprechen, der schon verabschie- minder verhöhnt wird, wenn er darauf hinweist, daß det ist. dieser auch von der NATO zitierte erweiterte Sicher- An die Adresse von Frau Wieczorek-Zeul will ich zu heitsbegriff wesentlich mehr enthält als diese militä- meinem Abstimmungsverhalten sagen: Ich habe klar rischen Dinge, die hier ständig im Mittelpunkt stehen mit Ja gestimmt. Sie können nicht denjenigen, die mit und die offensichtlich für Sie alle von derartiger Ja gestimmt haben, unterstellen, daß sie nicht bereit Wichtigkeit sind, daß Sie an anderes überhaupt nicht seien, sich sozusagen selbst ins Feuer zu begeben, und mehr denken können. daß sie wohlfeil das Leben junger Deutscher aufs Spiel Ich möchte eine andere Sicherheitspolitik, und zwar setzten. nicht weil ich Pazifistin bin — das wissen diejenigen, (Beifall des Abg. Wolfg ang Zöller [CDU/ die mit mir zusammenarbeiten —, sondern weil ich CSU]) von einer Entscheidung, die ich mitzutragen habe, mehr Seriosität und mehr weitfristiges Denken Ich weiß sehr gut und andere auch, was ich teilweise erwarte, als ich hier gegeben sehe. dafür bezahle, daß ich mich dem neuen Faschismus im Sinne Milosevics entgegenstelle. Ich halte diese Ich danke Ihnen. Bemerkung von Ihnen schlicht für eine Unverschämt- (Beifall bei der SPD) heit, entschuldigen Sie bitte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.) Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Zur Abstimmung selbst habe ich mich zu Wo rt Herren, zu der Erklärung von Frau Wieczorek-Zeul gemeldet, weil ich wahrscheinlich dem nächsten Bun- wünscht Frau Staatsministerin Seiler-Albring das destag nicht angehöre und hier ein Thema ange- Wort. Bitte sehr. schnitten ist, von dem Sie alle wissen, daß es mich sehr bewegt. Lassen Sie mich noch ein paar Dinge sagen: Ich glaube, daß die Entscheidung, die wir heute Ursula Seiler-Aibring, Staatsministerin im Auswärti- treffen und getroffen haben, in gewisser Weise den gen Amt: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen Abschluß eines natürlichen Prozesses darstellt. Wir und Herren! Frau Kollegin Wieczorek-Zeul! Sie haben sind nicht mehr nur Nachkriegsdeutschland, sondern soeben am Rednerpult gesagt, daß sich das Auswär- auch Nach-Mauer-Europa. tige Amt geweigert habe, Ihnen Informationen zur - (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Verfügung zu stellen. Ich war gestern in Straßburg bei der Vorstellung des zukünftigen Kommissionspräsi- Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, denten. Deshalb war ich nicht selber anwesend. Ich ob es uns paßt oder nicht: Das Ende der Idylle ist da. Es habe mich aber kundig gemacht. gibt keine deutsche Einigelung und keinen deutschen Sonderweg mehr, auch nicht in der Außen- und Tatsache ist, daß ein Mitarbeiter in unserem Parla- Sicherheitspolitik. Ein Wir-sind-wieder-wer lehne ich, mentsreferat angerufen und nach Kabinettsprotokol- wie Herr Kinkel es formuliert hat, genauso ab wie den len und NATO-Unterlagen gefragt hat. Sie sind klas- deutschen Sonderweg. Ich finde auch — das sage ich sifiziert. mahnend —, daß sich dieses Thema nicht nur als (Aha-Ruf bei der F.D.P. und der CDU/CSU) innenpolitischer Prügel eignet. 21208 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Stefan Schwarz Wir müssen wissen: Mit der Entscheidung, die wir nen, in das Denken und auf die Instrumentarien der heute getroffen haben, haben wir nach aller statisti- Außenpolitik des 19. Jahrhunderts zurückzufallen. schen Wahrscheinlichkeit entschieden, jeder einzelne (Beifall des Abg. Hans-Ulrich Klose [SPD] von uns, daß Deutsche sterben werden. Jeder ein- und des Abg. [SPD]) zelne, der mit Ja gestimmt hat, auch ich, hat entschie- den, daß es nach statistischer Wahrscheinlichkeit Es muß einen Fortschritt geben. Die Katastrophe des Deutsche geben wird, die für die Verteidigung von Zweiten Weltkrieges muß einen Sinn gehabt haben. Menschenrecht, Völkerrecht und Überleben von Das kann nur — das sage ich an alle Seiten dieses anderen sterben werden. Dies müssen wir behalten. Hauses — das Mitmachen, die Integration im europäi- schen Kontext bedeuten. Ob das nun „Konvoi" heißt Mir ist es wichtig zu sagen, daß dieser neuen und Herrn Scharping nicht paßt, ist mir völlig egal. Nie Qualität der deutschen Position eine neue Qualität wieder deutsche Sonderwege! von Außenpolitik zur Seite gestellt werden muß. Ich sage kritisch: Das haben wir noch nicht erreicht. Wir Schönen Dank. haben in Bosnien ein Desaster erlebt. Wir erleben in (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Ruanda ein unglaubliches Desaster. Ich wundere mich F.D.P. und der SPD) schon ein wenig — das darf ich auch als Koalitionsab- geordneter sagen , daß man sehr viel über die Technik und Rechtsfragen redet, aber über die Motive für unsere Entscheidungen, die Menschen in Bosnien, Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und die Katastrophe in Ruanda so herzlich wenig. Etwas Herren, ich gebe zunächst das von den Schriftführern mehr Orientierung auf die Menschen, für die wir das und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der tun, würde ich mir für die Zukunft schon wünschen. namentlichen Abstimmung bekannt: Abgegebene Stimmen: 488; mit Ja haben gestimmt 424, mit Nein (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der haben gestimmt 48, enthalten haben sich 16 Abgeord- F.D.P. und der SPD) nete. Ich will auf ein weiteres Problem aufmerksam machen, vor das die deutsche Regierung gestellt ist, Endgültiges Ergebnis Diemers, Renate und zwar schon länger und jetzt viel stärker. Es gibt Doss, Hansjürgen eine klare Renationalisierung der Außenpolitik Abgegebene Stimmen: 485; Dr. Dregger, Alfred davon: Echternach, Jürgen innerhalb der Europäischen Union. Das Engagement Ehrbar, Udo Frankreichs in Ruanda ist zunächst ein nationales ja: 421 Eichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Interesse, nachträglich gedeckt vom Weltsicherheits- nein: 48 rat. Ich möchte den Bundeskanzler und den Bundes- Eppelmann, Rainer enthalten: 16 Erler (Waldbrunn), Wolfgang außenminister wie auch im übrigen den Partnerlands- Eymer, Anke ministerpräsidenten Rudolf Scharping dringend dazu Falk, Ilse auffordern, mit all unseren Kräften auf diese na- Ja Dr. Faltlhauser, Kurt tionalen Alleingänge unserer engsten Freunde Feilcke, Jochen — Freunde! — einzuwirken und ihnen zu sagen: „Laßt CDU/CSU Fischer (Hamburg), Dirk Fischer (Unna), Leni es! Zieht uns nicht mit in einen solchen Sog hinein! " Dr. Ackermann, Else Frankenhauser, Herbert Denn dann würden wir insgesamt, weil wir so hoch Adam, Ulrich Dr. Friedrich, Gerhard integriert sind, in eine falsche Richtung kommen. Ich Augustin, Anneliese Fritz, Erich G. hoffe, daß es uns gelingt, den Franzosen von solchen Augustinowitz, Jürgen Fuchtel, Hans-Joachim Austermann, Dietrich Ganz (St. Wendel), Johannes Abenteuern abzuraten — „dissuasion " ist deren Bargfrede, Heinz-Günter Dr. Geiger (Darmstadt), Sissy Begriff für Abschreckung. Baumeister, Brigitte Geiger, Michaela Belle, Meinrad Dr. Geißler, Heiner (Beifall der Abg. Uta Zapf [SPD]) Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. von Geldern, Wolfgang Bierling, Hans-Dirk Glos, Michael Zuletzt will ich sagen: Europa hat sich, wie wir alle Blank, Renate Dr. Göhner, Reinhard wissen, sehr dramatisch gewandelt, und Deutschland Bleser, Peter Göttsching, Martin ist ein Teil dieses Europas. Wir sind schon lange in der Dr. Blüm, Norbert Götz, Peter Dr. Böhmer, Maria Dr. Götzer, Wolfgang Situation — diese Debatte macht es deutlich —, daß Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Grochtmann, Elisabeth wir nicht nur durch Handeln Fehler begehen, sondern Dr. Bötsch, Wolfgang Gröbl, Wolfgang wir begehen zur Zeit nach meinem Eindruck fast so Bohl, Friedrich Grotz, Claus-Peter viele Fehler durch Unterlassen. Ob wir etwas tun oder Bohlsen, Wilfried Günther (Duisburg), Horst Borchert, Jochen Frhr. von Hammerstein, nicht tun, beeinflußt unsere Nachbarn unmittelbar. Brähmig, Klaus Carl-Detlev - Breuer, Paul Handschack, Lothar Wir haben kein Recht, uns außerhalb Europas auf Brudlewsky, Monika Harries, Klaus nationale Sonderwege zu begeben — in diese wie in Büttner (Schönebeck), Haschke (Großhennersdorf), jene Richtung nicht. Deshalb hoffe ich sehr, daß das, Hartmut Gottfried Buwitt, Dankward Hasselfeldt, Gerda 20. Juli was der Bundeskanzler und was andere zum Carstens (Emstek), Manfred Haungs, Rainer gesagt haben, auch die neue Qualität deutscher Carstensen (Nordstrand), Hauser (Rednitzhembach), Außenpolitik ist, daß wir nämlich am Ende des Peter Harry Hansgeorg 20. Jahrhunderts versuchen, Europa Richtung 21. Jahr- Clemens, Joachim Hedrich, Klaus-Jürgen hundert weiter zu modernisieren, und daß wir, weil Dehnel, Wolfgang Heise, Manfred Dempwolf, Gertrud Dr. h. c. Herkenrath, Adolf wir einige Instrumente wieder haben, die wir für 50, Deres, Karl Dr. Herr, Norbert 45 Jahre nicht hatten, der Gefahr genügend begeg Deß, Albert Hiebing, Maria Anna Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21209

Vizepräsident Helmuth Becker

Hinsken, Ernst Nitsch, Johannes Szwed, Dorothea Dr. Küster, Uwe Hintze, Peter Nolte, Claudia Tillmann, Ferdi Lennartz, Klaus Hörsken, Heinz-Adolf Dr. Olderog, Rolf Dr. Töpfer, Klaus Dr. Leonhard, Elke Hörster, Joachim Oswald, Eduard Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Lohmann (Witten), Klaus Dr. Hoffacker, Paul Otto (Erfurt), Norbert Verhülsdonk, Roswitha Matthäus-Maier, Ingrid Dr. Hornhues, Karl-Heinz Dr. Päselt, Gerhard Vogel (Ennepetal), Friedrich Meißner, Herbert Hornung, Siegfried Dr. Paziorek, Peter Vogt (Duren), Wolfgang Dr. Mertens (Bottrop), Hüppe, Hubert Pesch, Hans-Wilhelm Dr. Voigt (Northeim), Franz-Josef Jäger, Claus Petzold, Ulrich Hans-Peter Mosdorf, Siegmar Jaffke, Susanne Pfeiffer, Angelika Dr. Waffenschmidt, Horst Müller (Zittau), Christian Dr. Jahn (Münster), Dr. Pflüger, Friedbert Dr. Waigel, Theodor Neumann (Gotha), Gerhard Friedrich-Adolf Pofalla, Ronald Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Niese, Rolf Janovsky, Georg Dr. Pohler, Hermann Wetzel, Kersten Odendahl, Doris Jeltsch, Karin Priebus, Rosemarie Dr. Wilms, Dorothee Oostergetelo, Jan Dr. Jobst, Dionys Dr. Probst, Albert Wilz, Bernd Opel, Manfred Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Protzner, Bernd Dr. Wisniewski, Roswitha Dr. Otto, Helga Dr. Jüttner, Egon Raidel, Hans Dr. Wittmann, Fritz Palis, Kurt Jung (Limburg), Michael Dr. Ramsauer, Peter Wittmann (Tännesberg), Dr. Penner, Willfried Junghanns, Ulrich Rau, Rolf Simon Pfuhl, Albert Dr. Kahl, Harald Rauen, Peter Harald Wonneberger, Michael Dr. Pick, Eckhart Kalb, Bartholomäus Rawe, Wilhelm Wülfing, Elke Poß, Joachim Kampeter, Steffen Reddemann, Gerhard Yzer, Cornelia Reimann, Manfred Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Regenspurger, Otto Zeitlmann, Wolfgang Reuschenbach, Peter W. Kauder, Volker Reichenbach, Klaus Zierer, Benno Schanz, Dieter Keller, Peter Reinhardt, Erika Zöller, Wolfgang Scheffler, Siegfried Kiechle, Ignaz Repnik, Hans-Peter Schily, Otto Kittelmann, Peter Dr. Riedl (München), Erich Schmidt (Aachen), Ursula Klein (München), Hans Riegert, Klaus SPD Dr. Schmude, Jürgen Klinkert, Ulrich Dr. Riesenhuber, Heinz Dr. Schnell, Emil Köhler (Mainspitz), Ringkamp, Werner Andres, Gerd Schöler, Walter Hans-Ulrich Rönsch (Wiesbaden), Antretter, Robert Schütz, Dietmar Dr. Köhler (Wolfsburg), Hannelore Bachmaier, Hermann Schulte (Hameln), Brigitte Volkmar Roitzsch (Quickborn), Ingrid Becker (Nienberge), Helmuth Schwanitz, Rolf Dr. Kohl, Helmut Romer, Franz Berger, Hans Seidenthal, Bodo Kolbe, Manfred Dr. Rose, Klaus Beucher, Friedhelm Julius Dr. Soell, Hartmut Koschyk, Hartmut Rossmanith, Kurt J. Bock, Thea Sorge, Wieland Kraus, Rudolf Roth (Gießen), Adolf Dr. Böhme (Unna), Ulrich Dr. Sperling, Dietrich Krause (Dessau), Wolfgang Rother, Heinz Börnsen (Ritterhude), Arne Steiner, Heinz-Alfred Kriedner, Arnulf Dr. Ruck, Christian Dr. Brecht, Eberhard Dr. Struck, Peter Dr.-Ing. Krüger, Paul Rühe, Volker Büchler (Hof), Hans Verheugen, Günter Krziskewitz, Reiner Dr. Rüttgers, Jürgen Dr. von Bülow, Andreas Dr. Vogel, Hans-Jochen Lamers, Karl Sauer (Salzgitter), Helmut Burchardt, Ursula Voigt (Frankfurt), Karsten D. Dr. Lammert, Norbert Schätzle, Ortrun Caspers-Merk, Marion Vosen, Josef Lamp, Helmut Schartz (Trier), Günther Catenhusen, Wolf-Michael Wallow, Hans Lattmann, Herbert Schell, Manfred Daubertshäuser, Klaus Walther (Zierenberg), Rudi Dr. Laufs, Paul Schemken, Heinz Dr. Diederich (Berlin), Nils Wartenberg (Berlin), Gerd Laumann, Karl-Josef Scheu, Gerhard Diller, Karl Dr. Wegner, Konstanze Lehne, Klaus-Heiner Schmalz, Ulrich Dreßler, Rudolf Weiermann, Wolfgang Dr. Lehr, Ursula Schmidbauer, Bernd Duve, Freimut Weis (Stendal), Reinhard Dr. Lieberoth, Immo Schmidt (Fürth), Christian Dr. Eckardt, Peter Weißgerber, Gunter Link (Diepholz), Walter Dr.-Ing. Schmidt (Halsbrücke), Eich, Ludwig Welt, Jochen Lintner, Eduard Joachim Esters, Helmut Weyel, Gudrun Dr. Lippold (Offenbach), Schmidt (Mülheim), Andreas Formanski, Norbert Wiefelspütz, Dieter Klaus W. Schmidt (Spiesen), Trudi Fuchs (Köln), Anke Wimmer (Neuötting), Dr. Lischewski, Manfred Schmitz (Baesweiler), Gansel, Norbert Hermann Lohmann (Lüdenscheid), Hans Peter Dr. Gautier, Fritz Dr. de With, Hans Wolfgang Dr. Schockenhoff, Andreas Großmann, Achim Wohlleben, Verena Lummer, Heinrich Dr. Scholz, Rupert Hampel, Manfred Dr. Zöpel, Christoph Dr. Luther, Michael Frhr. von Schorlemer, Hasenfratz, Klaus Maaß (Wilhelmshaven), Erich Reinhard Heistermann, Dieter Männle, Ursula Schulhoff, Wolfgang Dr. Holtz, Uwe F.D.P. Magin, Theo Schulz (Leipzig), Gerhard Horn, Erwin Dr. Mahlo, Dietrich Schwalbe, Clemens Huonker, Gunter Albowitz, Ina Marschewski, Erwin Schwarz, Stefan Ibrügger, Lothar Dr. Babel, Gisela Marten, Günter Dr. Schwarz-Schilling, Iwersen, Gabriele Baum, Gerhart Rudolf Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Christian Jäger, Renate Dr. Blunk (Lübeck), Michaela Martin Seehofer, Horst Dr. Janzen. Ulrich Bredehorn, Günther Meckelburg, Wolfgang Seesing, Heinrich Jaunich, Horst van Essen, Jörg Meinl, Rudolf Seibel, Wilfried Jungmann (Wittmoldt), Horst Dr. Feldmann, Olaf Dr. Meyer zu Bentrup, Sikora, Jürgen Kastner, Susanne Friedhoff, Paul K. Reinhard Skowron, Werner H. Kastning, Ernst Funke, Rainer Michalk, Maria Sothmann, Bärbel Kirschner, Klaus Dr. Funke-Schmitt-Rink, Michels, Meinolf Spilker, Karl-Heinz Klappert, Marianne Margret Dr. Möller, Franz Steinbach-Hermann, Erika Klemmer, Siegrun Gallus, Georg Molnar, Thomas Dr. Stercken, Hans Klose, Hans-Ulrich Ganschow, Jörg Dr. Müller, Günther Dr. Frhr. von Stetten, Dr. Knaape, Hans-Hinrich Genscher, Hans-Dietrich Müller (Wadern), Wolfgang Körper, Fritz Rudolf Grüner, Martin Hans-Werner Stockhausen, Karl Kolbow, Walter Dr. Guttmacher, Karlheinz Müller (Wesseling), Alfons Dr. Stoltenberg, Gerhard Koltzsch, Rolf Hansen, Dirk Nelle, Engelbert Stübgen, Michael Koschnick, Hans Dr. Haussmann, Helmut Neumann (Bremen), Bernd Dr. Süssmuth, Rita Kretkowski, Volkmar Heinrich, Ulrich Niedenthal, Erhard Susset, Egon Kuessner, Hinrich Dr. Hirsch, Burkhard 21210 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Vizepräsident Helmuth Becker Dr. Hitschler, Walter Marx, Dorle verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Homburger, Birgit Mascher, Ulrike Abstimmung. Dr. Hoth, Sigrid Müller (Düsseldorf), Michael Dr. Hoyer, Werner Müller (Pleisweiler), Albrecht Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstim- Irmer, Ulrich Müller (Völklingen), Jutta mung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung Dr. Jordan, Jens Reuter, Bernd Kleinert (Hannover), Detlef Schmidbauer (Nürnberg), zu beginnen. * ) Horst Kohn, Roland Sind Sie damit einverstanden, daß wir nun unmit- Dr. Kolb, Heinrich L. Sielaff, Horst Koppelin, Jürgen Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid telbar über den Entschließungsantrag der Gruppe Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Terborg, Margitta PDS/Linke Liste abstimmen? — Das ist der Fall. Damit Leutheusser-Schnarrenberger, Titze-Stecher, Uta kommen wir zur Abstimmung über den Entschlie- Urbaniak, Hans-Eberhard Sabine ßungsantrag der Gruppe PDS/Linke Liste auf Druck- Lüder, Wolfgang Wagner, Hans Georg Lühr, Uwe Wieczorek-Zeul, Heidemarie sache 12/8313. Wer stimmt für diesen Entschließungs- Dr. Menzel, Bruno Wittich, Berthold antrag? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist Nolting, Günther Friedrich Zapf, Uta dieser Entschließungsantrag gegen die Stimmen der Dr. Ortleb, Rainer Gruppe PDS/Linke Liste mit den Stimmen der übrigen Paintner, Johann Parr, Detlef PDS/Linke Liste Mitglieder des Hauses abgelehnt. Peters, Lisa Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentli- Bläss, Petra Dr. Pohl, Eva chen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. Vor- Richter (Bremerhaven), Dr. Enkelmann, Dagmar Manfred Dr. Fischer, Ursula her erteile ich der Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, die Dr. Röhl, Klaus Dr. Fuchs, Ruth gebeten hat, gemäß § 32 unserer Geschäftsordnung Schäfer (Mainz), Helmut Dr. Gysi, Gregor eine Erklärung außerhalb der Tagesordnung abgeben Henn, Bernd Schmalz-Jacobsen, Cornelia zu dürfen, das Wort. Bitte sehr. Schmidt (Dresden), Arno Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Keller, Dietmar Dr. Schnittler, Christoph Lederer, Andrea Schüßler, Gerhard Dr. Modrow, Hans Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD): Liebe Kollegin- Dr. Schwaetzer, Irmgard Philipp, Ingeborg nen und Kollegen, ich wollte darauf hinweisen, daß Dr. Schumann (Kroppenstedt), Sehn, Marita ich gestern, da wir erst gestern angereist sind, meinen Seiler-Albring, Ursula Fritz Dr. Semper, Sigrid Dr. Seifert, Ilja Mitarbeiter gebeten habe, im Auswärtigen Amt, und Dr. Solms, Hermann Otto zwar beim Parlamentsreferat, in meinem Auftrag die Dr. Starnick, Jürgen entsprechenden Anträge und Beschlüsse von NATO BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. von Teichman, Cornelia und WEU, die hier in der Begründung des Regierungs- Thiele, Carl-Ludwig antrages zitiert sind, anzufordern und mir zu übersen- Dr. Thomae, Dieter Dr. Feige, Klaus-Dieter Timm, Jürgen Poppe, Gerd den. Weder war dazu das Auswärtige Amt imstande, Schulz (Berlin), Werner Turk, Jürgen mit der Begründung, das sei vertraulich, noch das Walz, Ingrid Verteidigungsministerium. Dr. Weng (Gerlingen), Wolfgang Ich will allerdings hinzufügen, daß immerhin die Würfel, Uta Enthalten Mitarbeiterin des Verteidigungsministeriums, die ich Zywietz, Werner jetzt nicht namentlich nennen will, sagte, sie könne SPD sich vorstellen, daß es für Abgeordnete sehr ärgerlich sei, wenn die entsprechenden Unterlagen nicht aus- Nein Adler, Brigitte Becker-Inglau, Ingrid reichend zur Verfügung gestellt würden. SPD Brandt-Elsweier, Anni Deshalb halte ich meine Behauptung aufrecht. Ich Büchner (Speyer), Peter kann auch die Namen nennen. Aber das, denke ich, ist Bindig, Rudolf Heyenn, Günther Büttner (Ingolstadt), Hans Hiller (Lübeck), Reinhold nicht der Punkt. Es geht nicht um die kleinen Beam- Bury, Mans Martin Maaß (Herne), Dieter tinnen und Beamten, sondern es geht urn die Grund- Dr. Dobberthien, Marliese Mehl, Ulrike haltung, die dabei in der Frage der NATO- und Dr. Elmer, Konrad Dr. Meyer (Ulm), Jürgen WEU-Beschlüsse deutlich geworden ist. Ferner, Elke Reschke, Otto Fischer (Gräfenhainichen), Schmidt-Zadel, Regina Evelin Tappe, Joachim Ganseforth, Monika Weisskirchen (Wienloch), Gert Vizepräsident Helmuth Becker: Das war die Erklä- Gilges, Konrad Wettig-Danielmeier, Inge rung gemäß § 32. Gleicke, Iris Habermann, Michael Die Sitzung ist unterbrochen. Hanewinckel, Christel Fraktionslos (Unterbrechung vom 15.16 Uhr bis 15.22 Kubatschka, Horst von Larcher, Detlev Dr. Briefs, Ulrich Uhr) Lörcher, Christa Dr. Krause (Bonese), Dr. Lucyga, Christine Rudolf Karl Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröff- Der Antrag ist damit angenommen. net. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag Ich möchte noch auf folgendes aufmerksam der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/8320. Die machen: Ich habe vor der Abstimmung über den Nr. 3 des Antrages ist wortgleich mit dem Antrag der Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/8320 Bundesregierung. Dieser Antrag ist soeben angenom- darauf hingewiesen, daß Nr. 3 des Antrages wort- men worden. Ich lasse somit über den SPD-Antrag ohne die Nr. 3 abstimmen. Die Fraktion der SPD *) Ergebnis Seite 21211A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21211

Vizepräsident Helmuth Becker gleich mit dem Antrag der Bundesregierung ist, der Dr. Knaape, Hans-Hinrich Nein soeben angenommen wurde, und habe ohne Nr. 3 Körper, Fritz Rudolf Kolbow, Walter CDU/CSU über den Antrag der SPD abstimmen lassen. Koltzsch, Rolf Nun gibt es eine Reihe von Mitgliedern das Hauses, Koschnick, Hans Dr. Ackermann, Else die sagen, daß sie nur einschließlich Nr. 3 abstimmen Kretkowski, Volkmar Adam, Ulrich Kuessner, Hinrich Augustin, Anneliese wollten. Wer also kundtun will, daß ihn dieses Miß- Dr. Küster, Uwe verständnis veranlaßt hat, anders abzustimmen, als er Augustinowitz, Jürgen Lennartz, Klaus Austermann, Dietrich eigentlich wollte, der muß dies durch eine schriftliche Dr. Leonhard, Elke Bargfrede, Heinz-Günter Eingabe an das Präsidium tun. Das ist nach der Lohmann (Witten), Klaus Baumeister, Brigitte Geschäftsordnung zulässig. Dr. Lucyga, Christine Belle, Meinrad Maaß (Herne), Dieter Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Bitte, Kollege Struck. Matthäus-Maier, Ingrid Bierling, Hans-Dirk Mehl, Ulrike Blank, Renate Meißner, Herbert Bleser, Peter Dr. Mertens (Bottrop), Dr. Blüm, Norbert Dr. Peter Struck (SPD): Herr Präsident, darf ich für Franz-Josef Dr. Böhmer, Maria die SPD-Fraktion erklären, daß wir in unserer Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Gesamtheit davon ausgegangen sind, daß der Antrag Mosdorf, Siegmar Dr. Bötsch, Wolfgang der SPD-Fraktion so, wie er vorgelegt worden ist, also Müller (Düsseldorf), Michael Bohl, Friedrich Müller (Zittau), Christian Bohlsen, Wilfried einschließlich Nr. 3, zur Abstimmung gestanden hat? Neumann (Gotha), Gerhard Borchert, Jochen Darf ich deshalb auch Ihr Einverständnis unterstellen, Dr. Niese, Rolf Brähmig, Klaus daß es nicht nötig ist, daß einzelne Abgeordnete noch Niggemeier, Horst Breuer, Paul Erklärungen abgeben, sondern daß meine Erklärung Odendahl, Doris Brudlewsky, Monika Oostergetelo, Jan Büttner (Schönebeck), stellvertretend für die Fraktion ausreicht? Opel, Manfred Hartmut (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dr. Otto, Helga Buwitt, Dankward Palis, Kurt Carstens (Emstek), Manfred Dr. Penner, Willfried Carstensen (Nordstrand), Pfuhl, Albert Peter Harry Vizepräsident Helmuth Becker: Wenn Sie das für die Dr. Pick, Eckhart Clemens, Joachim Fraktion der SPD erklären, nehmen wir das so zu Poß, Joachim Dehnel, Wolfgang Protokoll. Reimann, Manfred Dempwolf, Gertrud Reschke, Otto Deres, Karl Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu dem Reuschenbach, Peter W. Deß, Albert von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermit- Schanz, Dieter Diemers, Renate Scheffler, Siegfried Doss, Hansjürgen telten Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Schily, Otto Dr. Dregger, Alfred Drucksache 12/8320. Abgegebene Stimmen: 490; mit Schmidt (Aachen), Ursula Echternach, Jürgen Ja haben gestimmt 132, mit Nein haben gestimmt 345, Schmidt-Zadel, Regina Ehrbar, Udo enthalten haben sich 13. Dr. Schmude, Jürgen Eichhorn, Maria Dr. Schnell, Emil Engelmann, Wolfgang Schöler, Walter Eppelmann, Rainer Schütz, Dietmar Erler (Waldbrunn), Wolfgang Schulte (Hameln), Brigitte Eymer, Anke Endgültiges Ergebnis Dr. Diederich (Berlin), Nils Schwanitz, Rolf Falk, Ilse Diller, Karl Dr. Soell, Hartmut Dr. Faltlhauser, Kurt Abgegebene Stimmen: 488; Dreßler, Rudolf Sorge, Wieland Feilcke, Jochen davon: Duve, Freimut Dr. Sperling, Dietrich Fischer (Hamburg), Dirk Dr. Eckardt, Peter Steiner, Heinz-Alfred Fischer (Unna), Leni ja: 130 Eich, Ludwig Dr. Struck, Peter Frankenhauser, Herbert nein: 344 Esters, Helmut Tappe, Joachim Dr. Friedrich, Gerhard Fischer (Gräfenhainichen), Urbaniak, Hans-Eberhard Fritz, Erich G. enthalten: 14 Evelin Verheugen, Günter Fuchtel, Hans-Joachim Formanski, Norbert Dr. Vogel, Hans-Jochen Ganz (St. Wendel), Johannes Fuchs (Köln), Anke Voigt (Frankfurt), Karsten D. Dr. Geiger (Darmstadt), Sissy Ja Ganseforth, Monika Vosen, Josef Geiger, Michaela Gansel, Norbert Wallow, Hans Dr. Geißler, Heiner SPD Dr. Gautier, Fritz Walther (Zierenberg), Rudi Dr. von Geldern, Wolfgang Großmann, Achim Wartenberg (Berlin), Gerd Glos, Michael Adler, Brigitte Hampel, Manfred Dr. Wegner, Konstanze Dr. Göhner, Reinhard Andres, Gerd Hasenfratz, Klaus Weiermann, Wolfgang Göttsching, Martin Antretter, Robert Heistermann, Dieter Weis (Stendal), Reinhard Götz, Peter Bachmaier, Hermann Heyenn, Günther Weißgerber, Gunter Dr. Götzer, Wolfgang Becker (Nienberge), Helmut' Hiller (Lübeck), Reinhold Weisskirchen (Wiesloch), Gert Grochtmann, Elisabeth Becker-Inglau, Ingrid Dr. Holtz, Uwe Welt, Jochen Gröbl, Wolfgang Berger, Hans Horn, Erwin Wettig-Danielmeier, Inge Grotz, Claus-Peter Beucher, Friedhelm .Julius Huonker, Gunter Weyel, Gudrun Günther (Duisburg), Horst Bock, Thea, Ibrügger, Lothar Wiefelspütz, Dieter Frhr. von Hammerstein, Dr. Böhme (Unna), Ulrich Iwersen, Gabriele Wimmer (Neuötting), Carl-Detlev Börnsen (Ritterhude), Arne Jäger, Renate Hermann Handschack, Lothar Brandt-Elsweier, Anni Dr. Janzen, Ulrich Dr. de With, Hans Harries, Klaus Dr. Brecht, Eberhard Jaunich, Horst Wohlleben, Verena Haschke (Großhennersdorf), Büchler (Hof), Hans Jungmann (Wittmoldt), Horst Zapf, Uta Gottfried Büchner (Speyer), Peter Kastner, Susanne Dr. Zöpel, Christoph Hasselfeldt, Gerda Dr. von Bülow, Andreas Kastning, Ernst Haungs, Rainer Burchardt, Ursula Kirschner, Klaus Hauser (Rednitzhembach), Caspers-Merk, Marion Klappert, Marianne Fraktionslos Hansgeorg Catenhusen, Wolf-Michael Klemmer, Siegrun Hedrich, Klaus-Jürgen Daubertshäuser, Klaus Klose, Hans-Ulrich Dr. Briefs, Ulrich Heise, Manfred 21212 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Vizepräsident Helmuth Becker Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Müller (Wesseling), Alfons Dr. Frhr. von Stetten, Kohn, Roland Dr. Herr, Norbert Nelle, Engelbert Wolfgang Dr. Kolb, Heinrich L. Hiebing, Maria Anna Neumann (Bremen), Bernd Stockhausen, Karl Koppelin, Jürgen Hinsken, Ernst Niedenthal, Erhard Dr. Stoltenberg, Gerhard Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Hintze, Peter Nitsch, Johannes Stübgen, Michael Leutheusser-Schnarrenberger, Hörsken, Heinz-Adolf Nolte, Claudia Dr. Süssmuth, Rita Sabine Hörster, Joachim Dr. Olderog, Rolf Susset, Egon Lüder, Wolfgang Dr. Hoffacker, Paul Oswald, Eduard Szwed, Dorothea Lühr, Uwe Dr. Hornhues, Karl-Heinz Otto (Erfurt), Norbert Tillmann, Ferdi Dr. Menzel, Bruno Hornung, Siegfried Dr. Päselt, Gerhard Dr. Töpfer, Klaus Nolting, Günther Friedrich Hüppe, Hubert Dr. Paziorek, Peter Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Dr. Ortleb, Rainer Jäger, Claus Pesch, Hans-Wilhelm Verhülsdonk, Roswitha Paintner, Johann Jaffke, Susanne Petzold, Ulrich Vogel (Ennepetal), Friedrich Parr, Detlef Dr. Jahn (Münster), Pfeiffer, Angelika Vogt (Duren), Wolfgang Peters, Lisa Friedrich-Adolf Dr. Pflüger, Friedbert Dr. Voigt (Northeim), Dr. Pohl, Eva Janovsky, Georg Pofalla, Ronald Hans-Peter Richter (Bremerhaven), Jeltsch, Karin Dr. Pohler, Hermann Dr. Waffenschmidt, Horst Manfred Dr. Jobst, Dionys Priebus, Rosemarie Dr. Waigel, Theodor Dr. Röhl, Klaus Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Probst, Albe rt Graf von Waldburg-Zeil, Alois Schäfer (Mainz), Helmut Dr. Jüttner, Egon Dr. Protzner, Bernd Wetzel, Kersten Schmalz-Jacobsen, Cornelia Jung (Limburg), Michael Raidel, Hans Dr. Wilms, Dorothee Schmidt (Dresden), Arno Junghanns, Ulrich Dr. Ramsauer, Peter Wilz, Bernd Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Kahl, Harald Rau, Rolf Dr. Wisniewski, Roswitha Dr. Schnittler, Christoph Kalb, Bartholomäus Rauen, Peter Harald Dr. Wittmann, Fritz Schüßler, Gerhard Kampeter, Steffen Rawe, Wilhelm Wittmann (Tännesberg), Dr. Schwaetzer, Irmgard Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Reddemann, Gerhard Simon Sehn, Marita Kauder, Volker Regenspurger, Otto Wonneberger, Michael Seiler-Albring, Ursula Keller, Peter Reichenbach, Klaus Wülfing, Elke Dr. Semper, Sigrid Kiechle, Ignaz Reinhardt, Erika Yzer, Cornelia Dr. Solms, Hermann Otto Kittelmann, Peter Repnik, Hans-Peter Zeitlmann, Wolfgang Dr. Starnick, Jürgen Klein (München), Hans Dr. Riedl (München), Erich Zierer, Benno Dr. von Teichman, Cornelia Klinkert, Ulrich Riegert, Klaus Zöller, Wolfgang Thiele, Carl-Ludwig Köhler (Hainspitz), Dr. Riesenhuber, Heinz Dr. Thomae, Dieter Hans-Ulrich Ringkamp, Werner Timm, Jürgen Dr. Köhler (Wolfsburg), Rönsch (Wiesbaden), SPD Türk, Jürgen Volkmar Hannelore Walz, Ingrid Dr. Kohl, Helmut Roitzsch (Quickborn), Ingrid Büttner (Ingolstadt), Hans Dr. Weng (Gerlingen), Kolbe, Manfred Romer, Franz Bury, Hans Martin Wolfgang Koschyk, Hartmut Dr. Rose, Klaus Dr. Dobberthien, Marliese Würfel, Uta Kraus, Rudolf Rossmanith, Kurt J. Ferner, Elke Zywietz, Werner Krause (Dessau), Wolfgang Roth (Gießen), Adolf Gilges, Konrad Kriedner, Arnulf Rother, Heinz Habermann, Michael Dr.-Ing. Krüger, Paul Dr. Ruck, Christian Hanewinckel, Christel PDS/Linke Liste Krziskewitz, Reiner Rühe, Volker Kubatschka, Horst Lamers, Karl Dr. Rüttgers, Jürgen von Larcher, Detlev Bläss, Petra Dr. Lammert, Norbe rt Sauer (Salzgitter), Helmut Lörcher, Christa Dr. Enkelmann, Dagmar Lamp, Helmut Schätzle, Ortrun Mascher, Ulrike Lattmann, Herbe rt Schartz (Trier), Günther Dr. Fischer, Ursula Müller (Pleisweiler), Albrecht Dr. Fuchs, Ruth Laufs, Paul Dr. Schell, Manfred Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Gysi, Gregor Laumann, Karl-Josef Schemken, Heinz Titze-Stecher, Uta Lehne, Klaus-Heiner Scheu, Gerhard Henn, Bernd Dr. Lehr, Ursula Schmalz, Ulrich Dr. Heuer, Uwe-Jens Dr. Keller, Dietmar Dr. Lieberoth, Immo Schmidbauer, Bernd F.D.P. Link (Diepholz), Walter Schmidt (Fürth), Christian Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Lintner, Eduard Dr.-Ing. Schmidt (Halsbrücke), Albowitz, Ina Dr. Lippold (Offenbach), Joachim Philipp, Ingeborg Dr. Babel, Gisela Dr. Schumann (Kroppenstedt), Klaus W. Schmidt (Mülheim), Andreas Baum, Gerhart Rudolf Dr. Lischewski, Manfred Schmidt (Spiesen), Trudi Fritz Dr. Blunk (Lübeck), Michaela Dr. Seifert, Ilja Lohmann (Lüdenscheid), Schmitz (Baesweiler), Bredehorn, Günther Wolfgang Hans Peter van Essen, Jörg Lummer, Heinrich Dr. Schneider (Nürnberg), Dr. Feldmann, Olaf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Luther, Michael Oscar Friedhoff, Paul K. Maaß (Wilhelmshaven), Erich Dr. Schockenhoff, Andreas Funke, Rainer Dr. Feige, Klaus-Dieter Männle, Ursula Dr. Scholz, Rupert Dr. Funke-Schmitt-Rink, Magin, Theo Frhr. von Schorlemer, Margret Dr. Mahlo, Dietrich Reinhard Gallus, Georg Fraktionslos Marschewski, Erwin Schulhoff, Wolfgang Ganschow, Jörg Marten, Günter Schulz (Leipzig), Gerhard Genscher, Hans-Dietrich Dr. Krause (Bonese), Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Schwalbe, Clemens Grüner, Martin Rudolf Karl Martin Schwarz, Stefan Dr. Guttmacher, Meckelburg, Wolfgang Dr. Schwarz-Schilling, Karlheinz Meins, Rudolf Christian Hansen, Dirk Dr. Meyer zu Bentrup, Seehofer, Horst Dr. Haussmann, Helmut Reinhard Seesing, Heinrich -Heinrich, Ulrich Michalk, Maria Seibel, Wilfried Dr. Hirsch, Burkhard Enthalten Michels, Meinolf Sikora, Jürgen Dr. Hitschler, Walter Dr. Möller, Franz Skowron, Werner H. Homburger, Birgit SPD Molnar, Thomas Sothmann, Bärbel Dr. Hoth, Sigrid Dr. Müller, Günther Spilker, Karl-Heinz Dr. Hoyer, Werner Bindig, Rudolf Müller (Kirchheim), Elmar Spranger, Carl-Dieter Irmer, Ulrich Dr. Elmer, Konrad Müller (Wadern), Steinbach-Hermann, Erika Dr. Jordan, Jens Gleicke, Iris Hans-Werner Dr. Stercken, Hans Kleinert (Hannover), Detlef Marx, Dorle Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21213

Vizepräsident Helmuth Becker Müller (Völklingen), Jutta Wieczorek-Zeul, Heidemarie Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- Reuter, Bernd Wittich, Berthold destages auf Dienstag, den 6. September, 9 Uhr ein, Schmidbauer (Nürnberg), falls uns in der Zwischenzeit nicht etwas Ähnliches Horst BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sielaff, Horst widerfährt wie an diesem Tage. Terborg, Margitta Poppe, Gerd Wagner, Hans Georg Schulz (Berlin), Werner Ich wünsche noch einige schöne Urlaubstage oder zumindest Erholung. Der Antrag ist somit abgelehnt. Die Sitzung ist geschlossen. Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. (Schluß der Sitzung: 15.24 Uhr)

Berichtigung

238. Sitzung, Seite 20954 A, 1. bis 3. Zeile: Die Worte „der religiösen Transzendenz als mögliche Ersatzal- ternative gegenübergestellt" sind ohne Anführungs- zeichen zu lesen.

Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21215*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Liste der entschuldigten Abgeordneten Dr. Jens, Uwe SPD 22. 7. 94 entschuldigt bis (Düsseldorf), Volker SPD 22. 7. 94 Abgeordnete(r) Jung einschließlich Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 22. 7. 94 Dr. Altherr, Walter CDU/CSU 22. 7. 94 Kemper, Hans-Peter SPD 22. 7. 94 Barbe, Angelika SPD 22. 7. 94 Klein (Bremen), Günter CDU/CSU 22. 7. 94 Bartsch, Holger SPD 22. 7. 94 Kolbe, Regina SPD 22. 7. 94 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 22. 7. 94 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 22. 7. 94 Bernrath, Hans Gottfried SPD 22. 7. 94 Koschnick, Hans SPD 22. 7. 94 Dr. Blank, CDU/CSU 22. 7. 94 Kossendey, Thomas CDU/CSU 22. 7. 94 Joseph-Theodor Krey, Franz Heinrich CDU/CSU 22. 7. 94 Blunck (Uetersen), SPD 22. 7. 94 Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 22. 7. 94 Lieselott Kuessner, Hinrich SPD 22. 7. 94 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 22. 7. 94 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 22. 7. 94 Wilfried Lange, Brigitte SPD 22. 7. 94 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 22. 7. 94 Limbach, Editha CDU/CSU 22. 7. 94 Bulmahn, Edelgard SPD 22. 7. 94 Löwisch, Sigrun CDU/CSU 22. 7. 94 Conradi, Peter SPD 22. 7. 94 Louven, Julius CDU/CSU 22. 7. 94 Cronenberg (Arnsberg), F.D.P. 22. 7. 94 Dieter-Julius Marienfeld, Claire CDU/CSU 22. 7. 94 Dörflinger, Werner CDU/CSU 22. 7. 94 Mattischeck, Heide SPD 22. 7. 94 Ebert, Eike SPD 22. 7. 94 Meckel, Markus SPD 22. 7. 94 Ehlers, Wolfgang CDU/CSU 22. 7. 94 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 22. 7. 94 Dr. Ehmke (Bonn), Horst SPD 22. 7. 94 Dr. Mildner, Klaus CDU/CSU 22. 7. 94 Engelhard, Hans A. F.D.P. 22. 7. 94 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 22. 7. 94 Erler, Gernot SPD 22. 7. 94 Mosdorf, Siegmar SPD 22. 7. 94 Ewen, Carl SPD 22. 7. 94 Müller (Wesseling), CDU/CSU 22. 7. 94 Eylmann, Horst CDU/CSU 22. 7. 94 Alfons Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 22. 7. 94 Neumann (Bramsche), SPD 22. 7. 94 Fischer (Homburg), SPD 22. 7. 94 Volker Lothar Dr. Niehuis, Edith SPD 22. 7. 94 Fockenberg, Winfried SPD 22. 7. 94 Ost, Friedhelm CDU/CSU 22. 7. 94 Francke (Hamburg), CDU/CSU 22. 7. 94 Ostertag, Adi SPD 22. 7. 94 Klaus Paterna, Peter SPD 22. 7. 94 Fuchs (Verl), Katrin SPD 22. 7. 94 Dr. Pfaff, Martin SPD 22. 7. 94 Fuhrmann, Arne SPD 22. 7. 94 Pfeifer, Anton CDU/CSU 22. 7. 94 Gerster (Mainz), CDU/CSU 22. 7. 94 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 22. 7. 94 Johannes Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 22. 7. 94 Gibtner, Horst CDU/CSU 22. 7. 94 Purps, Rudolf SPD 22. 7. 94 Dr. Glotz, Peter SPD 22. 7. 94 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 22. 7. 94 Graf, Günter SPD 22. 7. 94 Susanne Gres, Joachim CDU/CSU 22. 7. 94 Dr. Reinartz, Bertold CDU/CSU 22. 7. 94 Gries, Ekkehard F.D.P. 22. 7. 94 von Renesse, Margot SPD 22. 7. 94 Grünbeck, Josef F.D.P. 22. 7. 94 Rennebach, Renate SPD 22. 7. 94 Dr. Grünewald, Joachim CDU/CSU 22. 7. 94 Rind, Hermann F.D.P. 22. 7. 94 Günther (Duisburg), CDU/CSU 22. 7. 94 Horst Rixe, Günter SPD 22. 7. 94 Hackel, Heinz-Dieter fraktionslos 22. 7. 94 Rode (Wietzen), Helmut CDU/CSU 22. 7. 94 Hämmerle, Gerlinde SPD 22. 7. 94 Sauer (Stuttgart), Roland CDU/CSU 22. 7. 94 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 22. 7. 94 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 22. 7. 94 Haschke (Jena-Ost), Udo CDU/CSU 22. 7. 94 Schaich-Walch, Gudrun SPD 22. 7. 94 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 22. 7. 94 Dr. Scheer, Hermann SPD 22. 7. 94 Hauser (Esslingen), Otto CDU/CSU 22. 7. 94 Schloten, Dieter SPD 22. 7. 94 Dr. Höll, Barbara PDS/Linke 22. 7. 94 Schmidt (Nürnberg), SPD 22. 7. 94 Liste Renate Hollerith, Josef CDU/CSU 22. 7. 94 Schmidt (Salzgitter), SPD 22. 7. 94 Janz, Ilse SPD 22. 7. 94 Wilhelm Jelpke, Ulla PDS/Linke 22. 7. 94 von Schmude, Michael CDU/CSU 22. 7. 94 Liste Schreiner, Ottmar SPD 22. 7. 94 21216* Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

entschuldigt bis Anlage 2 Abgeordnete(r) einschließlich Erklärung nach § 31 GO Schröter, Gisela SPD 22. 7. 94 der Abgeordneten Rudolf Bindig, Brigitte Adler, Schröter, Karl-Heinz SPD 22. 7. 94 Hans Martin Bury, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Dr. Schulte (Schwäbisch CDU/CSU 22. 7. 94 Dr. Marliese Dobberthien, Elke Ferner, Monika Gan Gmünd), Dieter seforth, Iris Gleicke, Christel Hanewinckel, Detlev Schuster, Hans F.D.P. 22. 7. 94 von Larcher, Christa Lörcher, Dorle Marx, Ulrike Mascher, Ulrike Mehl, Albrecht Müller (Pleisweiler), Dr. Schuster, Werner R. SPD 22. 7. 94 Doris Odendahl, Be rnd Reuter, Horst Sielaff, Dr. Sig Schwanhold, Ernst SPD 22. 7. 94 rid Skarpelis-Sperk, Margitta Terborg, Uta Titze Dr. Schwörer, Hermann CDU/CSU 22. 7. 94 Stecher, Matthias Weisheit, Gert Weisskirchen Seiters, Rudolf CDU/CSU 22. 7. 94 (Wiesloch), Berthold Wittich (alle SPD) zu den Punk Seuster, Lisa SPD 22. 7. 94 ten b und c des einzigen Punktes der Tagesord nung Simm, Erika SPD 22. 7. 94 Singer, Johannes SPD 22. 7. 94 b - Deutsche Beteiligung an Maßnahmen von NATO und WEU zur Durchsetzung von Beschlüssen des Dr. Sonntag-Wolgast, SPD 22. 7. 94 Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zum Adria Cornelie Embargo und Flugverbot über Bosnien-Herzego Dr. Sprung, Rudolf CDU/CSU 22. 7. 94 wina; Stachowa, Angela fraktionslos 22. 7. 94 c - Fortdauer der Bundeswehreinsätze zur Embar Steen, Antje-Marie SPD 22. 7. 94 goüberwachung in der Adria sowie zur Überwa Stiegler, Ludwig SPD 22. 7. 94 chung und Durchsetzung des Flugverbots über dem Strube, Hans-Gerd CDU/CSU 22. 7. 94 Luftraum von Bosnien-Herzegowina Dr. Thalheim, Gerald SPD 22. 7. 94 Thierse, Wolfgang SPD 22. 7. 94 Die Regierungserklärung der Bundesregierung zu den Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfas- Toetemeyer, SPD 22.7.94 sungsgerichtes und der vorliegende Antrag der Bun- Hans-Günther desregierung dazu greifen außenpolitisch zu kurz. Uldall, Gunnar CDU/CSU 22. 7. 94 Nach dem Urteil kann und muß die eigentliche Dr. Ullmann, Wolfgang BÜNDNIS 22. 7. 94 Debatte über Deutschl ands Aufgaben und Verant- 90/DIE wortung in der Welt erst beginnen. Das Urteil behan- GRÜNEN delt lediglich einige Rechtsfragen zur Problematik des Vergin, Siegfried SPD 22. 7. 94 Bundeswehreinsatzes in einem System der gegensei- tigen kollektiven Sicherheit und im Rahmen der UN. Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 22. 7. 94 Es befaßt sich nur mit der Frage, was Deutschland Waltemathe, Ernst SPD 22. 7. 94 grundgesetzlich darf. Politisch entscheidend ist Walter (Cochem), Ralf SPD 22. 7. 94 jedoch, auf welchen Gebieten sich Deutschl and - vor Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 22. 7. 94 dem Hintergrund der Erfahrungen seiner Ge- schichte - in besonderem Maße engagieren wi ll. Weiler, Barbara SPD 22. 7. 94 Weiß (Berlin), Konrad BÜNDNIS 22. 7. 94 Nach der Wiedervereinigung ist viel die Rede von 90/DIE „der weltpolitischen Verantwortung" des größer GRÜNEN gewordenen Deutschlands, der wir uns nicht entzie- hen dürften. Fatal ist dabei, daß diese Debatte über Werner (Ulm), Herbert CDU/CSU 22. 7. 94 Deutschlands Rolle und Verantwortung in der Welt Wester, Hildegard SPD 22. 7. 94 weitgehend auf die militärische Dimension verengt Westrich, Lydia SPD 22. 7. 94 wird. Auf das, wozu die Bundeswehr eingesetzt wer- Dr. Wetzel, Margrit SPD 22. 7. 94 den darf oder nicht. Damit wird der Eindruck vermit- Wiechatzek, Gabriele CDU/CSU 22. 7. 94 telt, als ob Deutschlands Aufgabe und Ansehen in der Welt hauptsächlich oder vorrangig von der Frage des Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22. 7. 94 Einsatzes der Bundeswehr abhängen würden oder Wieczorek (Duisburg), SPD 22. 7. 94 sollten. Helmut In Wirklichkeit geht es vor allem darum, Deutsch- Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 22. 7. 94 lands Rolle und Verantwortung als zivile Friedens- Wissmann, Matthias CDU/CSU 22. 7. 94 - macht politisch zu bestimmen und praktisch auszufül- Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 22. 7. 94 len. Es geht um Deutschlands soziale Rolle in der Welt, Wolf, Hanna SPD 22. 7. 94 es geht um Deutschlands humanitäre Rolle in der Welt, es geht um Deutschlands menschenrechtliche Wolfgramm (Göttingen), F.D.P. 22. 7. 94 Rolle und um Deutschlands ökologische und wirt- Torsten schaftliche Rolle und schließlich auch, mit besonderer Wollenberger, Vera BÜNDNIS 22. 7. 94 Zurückhaltung, um Deutschlands sicherheitspoliti- 90/DIE sche oder militärische Ro lle in der Welt. GRÜNEN Auf alle diese Säulen muß sich deutsche Außen- Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 22. 7. 94 politik stützten, wobei die zivilen Bereiche die tragen- Zurheide, Burkhard F.D.P. 22. 7. 94 den Säulen des deutschen Engagements sein müssen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994 21217*

Tatsächlich werden die außenpolitischen konzep- Das fehlende Gesamtkonzept zu Deutschlands tionellen Aktivitäten immer mehr auf die Frage künf- Rolle und Verantwortung als zivile Friedensmacht in tiger internationaler Aufgaben der Bundeswehr ein- der Welt erlaubt es nicht, heute bereits bestimmte geengt. Für die Aufgabenplanung in diesem Sektor militärische Aktionen zu befürworten. wird wesentlich mehr an Manpower und Finanzmit- teln eingsetzt als für humanitäre, menschenrechtliche und konfliktverhütende Zwecke. Ohne daß der zukünftige politische Aufgabenbereich klar definiert worden ist, plant die Bundeswehr schon heute mil- Anlage 3 liardenschwere neue Ausrüstungsprogramme. Wo bleibt demgegenüber die Bereitschaft, Deutsch- Erklärung nach § 31 GO lands soziale Rolle in der Welt zu betonen? Die der Abgeordneten Horst Kubatschka und Hans Koalitionsmehrheit hat es abgelehnt, in die Präambel Büttner (Ingolstadt) (beide SPD) zu den Punkten b und des Grundgesetzes die Forderung aufzunehmen, daß c des einzigen Punktes der Tagesordnung das deutsche Volk den Willen verfolge „dem Frieden, b — Deutsche Beteiligung an Maßnahmen von NATO der Gerechtigkeit, der Solidarität in der Einen Welt zu und WEU zur Durchsetzung von Beschlüssen des dienen". Vom lange geforderten Quantitätsziel (0,7 % Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zum Adria des BSP) ist die Entwicklungspolitik weit entfernt. Embargo und Flugverbot über Bosnien-Herzego Kann Deutschland nicht dadurch inte rnational Pro- wina; fil und Ansehen gewinnen und Verantwortung über- c — Fortdauer der Bundeswehreinsätze zur Embar nehmen, daß es sich nachhaltig mit Konzepten und goüberwachung in der Adria sowie zur Überwa Mitteln um vorsorgende Fluchtursachenbekämpfung chung und Durchsetzung des Flugverbots über dem bemüht? Luftraum von Bosnien-Herzegowina Präventive Menschenrechtspolitik erfordert Pro- jekte zur Förderung von Demokratie, Gewaltentei- Den Anträgen der Bundesregierung „Deutsche lung und Rechtsstaatlichkeit. Was auf diesen Gebie- Beteiligung an Maßnahmen von NATO und WEU zur ten heute getan wird, bedarf einer Vervielfachung. Es Durchsetzung von Beschlüssen des Sicherheitsrates geht um die Gewichtung, insbesondere in Rela tion zu der Vereinten Nationen zum Adria-Embargo und den Mitteln und Möglichkeiten, welche dem militäri- Flugverbot über Bosnien-Herzegowina" und der schen Sektor eingeräumt werden. Deutschland gibt Fraktion der SPD „Fortdauer der Bundeswehreinsätze noch immer mehr für Minentechnologieforschung als zur Embargoüberwachung in der Adri für Minenräumung aus. Das Auswärtige Amt gibt a sowie zur Überwachung und Durchsetzung des Flugverbotes mehr für militärische Ausstattungshilfe als für Demo- über dem Luftraum von Bosnien-Herzegowina" kön- kratisierungshilfe aus. Im Bereich der humanitären nen wir nicht zustimmen. Hilfe herrscht chronische Finanznot. Und in diesem Bereich ist festzustellen, daß dann, wenn die Bundes- Militärische Gewalt als Mittel der Politik wird von wehr an humanitären Hilfsprogrammen beteiligt wer- uns abgelehnt. In den wenigsten Fällen hat militäri- den soll, die Finanzfrage unbedeutend wird, selbst sche Gewalt Probleme gelöst, meistens wurden diese wenn bewährte humanitäre Hilfsorganisationen die- eher verschlimmert bzw. nur verschoben. In einer Zeit selbe humanitäre Leistung billiger und besser erbrin- der beginnenden globalen Umweltbedrohung kön- gen können. nen wir uns Kriege nicht leisten. Während die UNO- Dem Trend der Betonung und der Bevorzugung des Programme für Umwelt und Entwicklung um ein Militärischen in der Außenpolitik muß entgegenge- Viertel zurückgegangen sind, sind die Ausgaben für Friedensmissionen auf über 3,5 Milliarden $ angestie- treten werden. Jetzt gilt es, die zivilen Säulen des deutschen internationalen Engagements nachhaltig gen. Intakte Umwelt und umweltverträgliche Ent- zu stärken. Hierzu muß ein umfassendes Konzept zur wicklung sind aber Friedenserhaltung. Das Adria Embargo ist nicht besonders wirksam. Die Staatenge- deutschen Verantwortung in der Welt vorgelegt wer- den. Einseitige Beschlüsse, die sich nur mit einem meinschaft hat nicht ernsthaft versucht, ein Embargo Teilbereich — dem militärischen — befassen, verhin- durchzusetzen. Die militärischen Maßnahmen in der Adria sind eher ein Feigenblatt, um von dem eigenen dern die notwendige breite Diskussion über das Gesamtfeld deutscher Verantwortung. Versagen abzulenken. Dies gilt auch für das deutsche Engagement in Die Beteiligung an den AWACS-Aufklärungsflügen Jugoslawien. Wo ist derselbe Eifer, wie er jetzt im ist eine direkte Teilnahme an kriegerischen Aktionen in Bosnien-Herzegowina. Diese Teilnahme wird von Zusammenhang mit dem Einsatz der Bundeswehr bei - den Embargomaßnahmen praktiziert wird, wenn poli- uns abgelehnt. tisch gegen die Umgehung des Embargos über Nach- Staaten haben nur das Recht zur Selbstverteidi- barländer vorgegangen werden muß? Der internatio- gung. Ist diese allein nicht möglich, kann dies in nale Strafgerichtshof zur Verfolgung von Verletzun- Verteidigungsbündnissen geschehen. Dann erstreckt gen des humanitären Völkerrechts im ehemaligen sich die Selbstverteidigung auch auf die Bündnispart- Jugoslawien mußte seine Beweisaufnahme erheblich ner. Würden sich die Staaten an das Prinzip der einschränken, weil keine Mittel zur Verfügung ste- Selbstverteidigung halten, könnten zwischen den hen. Deutschland ist bisher vergeblich um Unterstüt- Staaten keine Kriege ausbrechen. Bürgerkriege sind zung gebeten worden. Wo ist hier das Pflichtgefühl nur in den seltensten Fällen von außen militärisch von „Deutschlands Verantwortung" in der Welt? lösbar. 21218* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 240. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juli 1994

Konflikte können nur friedlich, nicht militärisch immer dazu verwandte, die Rechtslage so unklar wie gelöst werden, sagt uns unsere pazifistische Einstel- möglich erscheinen zu lassen. lung. Ethnische, nationale und religiöse Konflikte werden verursacht von Verelendung, von wirtschaft- Es war die Schwäche und das verfehlte Profilie- lichen und zunehmend von ökologischen Krisen. rungsdenken der SPD, die mit ihrem „Ohne mich"- Diese Krisen können nicht durch Kriege gelöst wer- Profil oder „Michel ohne"-Profil und einem exzessi- den. Statt militärischen Einsätzen ist ein abgestuftes ven Pazifismus zur allgemeinen Unsicherheit bei- internationales System von nicht-militärischen Maß- trug. nahmen zur Vorbeugung notwendig. Die Probleme der Menschen lassen sich nicht durch Kriege lösen. Diese politische Unfähigkeit und Schaumschlägerei Der Krieg verzehrt, der Frieden nährt, sagt der Volks- aller führenden Akteure in der deutschen Politik hat mund. Für uns gilt „Krieg dem Kriege". über viele Jahre die Grundfesten im Sicherheitsden- ken unserer Bevölkerung zerstört und eine Normali- sierung im Denken verhindert.

Wie wurden die Soldaten der Bundeswehr verunsi- chert, hingehalten und vorgeführt, unter ihren Kame- Anlage 4 raden im Bündnis oft genug lächerlich gemacht! Sie mußten sich dem Primat einer unfähigen und unent- Zu Protokoll gegebene Rede schlossenen Politik beugen. zum einzigen Punkt der Tagesordnung Die Entscheidung des BVerfG bedeutet, wie ein Kometeneinschlag auf dem Jupiter, eine Sternstunde Ortwin Lowack (fraktionslos): Bereits im Jahr 1988 des Parlaments. Allerdings frage ich mich, ob das hatte sich die Landesgruppe der CSU in Kloster Banz große Vertrauen des BVerfG in das Parlament über- auf meinen Vorschlag hin für Einsätze der Bundes- haupt gerechtfertigt ist. Zwölf Jahre Regierung Kohl wehr auf der Basis der heutigen Entscheidung des haben das Verantwortungsbewußtsein in der Union Bundesverfassungsgerichts ausgesprochen. Entschei- restlos zerstört und eine Stromlinienförmigkeit der dend war ein herausragendes Gutachten von Profes- Abgeordneten begründet, die erschrecken muß. So sor Blumenwitz. Die Beteiligung des Parlaments wird auch diese Debatte wohl nur in einer Erwar- erschien schon damals über A rt. 80a Abs. 3 Satz 2 des tungshaltung der Masse der Parlamentarier zu dem, Grundgesetzes gewährleistet. was die Regierung zu verbreiten hat, geführt. Ein Querschüsse gab es schon damals aus dem Auswär- Armutszeugnis für den Parlamentarismus in Deutsch- tigen Amt. land! Es war aber die Feigheit Theodor Waigels, zunächst Meine Damen und Herren, noch immer geistert die als Landesgruppenvorsitzender und später als Kabi- Feindstaatenklausel in der UN-Charta herum. Wo ist nettsmitglied, diesen — wegweisenden — Beschluß endlich eine Bundesregierung, wo ist ein Parlament von Banz, nicht mit Nachdruck zu vertreten. mit Impulsen, sie zu beseitigen? Auch hier beherrscht die Feigheit die politische Szenerie. Dummheit und Es war die Entscheidungsunfähigkeit Helmut Kohls, mangelndes Selbstbewußtsein wird als Weisheit dieses „Helden von Europa", der im Januar 1991 nach gepriesen! dem Angriffsbefehl der Amerikaner auf irakische Stellungen fassungslos, meinungslos und kopflos war. Die deutsche Politik ist bewegungslos, verantwor- „Was soll ich denn nur machen, ich weiß nicht, was ich tungslos, verkrustet und aufgebläht. Sie befindet sich machen soll", waren seine Anmerkungen zu Theodor in einer schweren strukturellen K rise. Ich rufe alle Waigel und Graf Lambsdorff. freien Bürger auf, diesem Zustand, einem von Unent- Es war die Boshaftigkeit und die Profilsucht Gen- schlossenheit geprägten Kapitel der deutschen schers, der ein bestelltes Gutachten aus dem Jahr 1981 Geschichte, endlich ein Ende zu bereiten.