Österreich – 1945 Bis Heute I
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Österreich – 1945 bis heute I Die Regierungschefs der Zweiten Republik: obere Reihe: (Staatskanzler) Karl Renner (SPÖ) 1945; (ab nun Bundeskanzler) Leopold Figl (ÖVP) bis 1953; Julius Raab (ÖVP) bis 1961; Alfons Gor- bach (ÖVP) bis 1964; Josef Klaus (ÖVP) bis 1970; Bruno Kreisky (SPÖ) bis 1983 untere Reihe: Fred Sinowatz (SPÖ) bis 1986; Franz Vranitzky (SPÖ) bis 1997; Viktor Klima (SPÖ) bis 2000; Wolfgang Schüssel (ÖVP) bis 2007; Alfred Gusenbauer (SPÖ) bis 2008; Werner Faymann (SPÖ) ab 2008 1945 Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920 tritt wieder in Die Zweite Republik Kraft; 1. Kontrollabkommen – Festlegung der vier alliierten Besatzungszonen; Einsetzung des Alliierten Rates; Aner- Die Geschichte Österreichs in der 2. Hälfte des kennung der provisorischen Staatsregierung; Wiederein- 20. Jahrhunderts lässt sich in folgende Abschnitte führung des Schillings; erste Wahlen im November gliedern: 1946 Erstes Verstaatlichungsgesetz (Schwerindustrie); Gruber- De-Gasperi-Abkommen über Südtirol 1) die Periode der durch die Besatzung einge- 1947 Zweites Verstaatlichungsgesetz (Elektrizitätswirtschaft) schränkten Souveränität 1945–55; 1948 Marshallplanabkommen USA – Österreich 1955 Moskauer Memorandum; Österreichischer Staatsvertrag; 2) die Fortsetzung der Großen Koalition bis Bundesgesetz zur „immerwährenden Neutralität“ 1966; Österreichs Beitritt zur UNO 3) die Alleinregierung der ÖVP bis 1970; 1956 Ungarnaufstand; Österreich nimmt Flüchtlinge auf. 1968 Niederschlagung des „Prager Frühlings“ durch Truppen 4) die Alleinregierungen der SPÖ 1970–83 (Ära des Warschauer Pakts Kreisky); 1970–1983 Ära Kreisky – SPÖ-Alleinregierung 1984 Kraftwerksgegner besetzen die Hainburger Au. 5) die Koalitionsregierungen 1983–94; 1985 Volksbegehren gegen Atomstrom (Zwentendorf) 1994 Volksabstimmung über EU-Beitritt; Unterzeichnung des 6) die Mitgliedschaft in der Europäischen Union Beitritts auf Korfu seit 1995. 1995 Österreich wird EU-Mitglied. 1997 Teilnahme Österreichs am Schengener Abkommen (Österreich Lexikon: www.aeiou.at) 1998 EU-Präsidentschaft Österreichs 2000 „Die Wende“: blau-schwarze Koalition; EU-Sanktionen ab 2007 SPÖ-ÖVP-Koalitionen 1 25283 NG_8_Kern.indb 1 04.08.2010 11:31:52 Uhr 1. Der Weg zum Staatsvertrag Die politische Wiedererrichtung Österreichs 2 Die „Gründerväter“ Noch vor der Kapitulation des Deutschen Reiches (am 8. Mai 1945) e hatte sich in Österreich unter Karl Renner r am 27. April 1945 eine provisorische Regierung gebildet. Der Sozialdemokrat war den Westmächten allerdings nicht ganz geheuer; er hatte 1938 für den Anschluss gestimmt, seine demokratische Gesinnung wur- de daher kurzfristig von den Westmächten infrage gestellt. Doch der sowjetische Besatzungskommandant von Wien, Marschall Fjodor Iwanovitsch Tolbuchin, akzeptierte die provisorische Regierung ohne Widerspruch. ▶ Die Zweite Republik Die Vertreter von ÖVP, SPÖ und KPÖ erließen am 27. April 1945 eine „Unab- hängigkeitserklärung“. Am gleichen Tag wurde unter Staatskanzler Karl Renner die „Provisorische Staatsregierung“ gebildet, eine Konzentrationsregierung, be- stehend aus 10 Mitgliedern der SPÖ, 9 der ÖVP und 7 der KPÖ. Diese Regierung wurde zunächst nur von der Sowjetunion anerkannt, die Briten waren skeptisch. Am gleichen Tag proklamierte Karl Renner die Selbstständigkeit Österreichs – 29. April 1945 – Theodor Körner und unter Berufung auf die Moskauer Deklaration t, in der Österreich als erstes Karl Renner auf dem Weg ins Parlament Opfer der Angriffspolitik Hitlers dargestellt und seine Befreiung von deutscher 3 Die Moskauer Deklaration Herrschaft angestrebt wurde. Mit Renner unterzeichneten Adolf Schärf, Leopold Kunschak und Johann Koplenig. Dieser 27. April 1945 gilt offi ziell als die Ge- Am 30. Oktober 1943 verabschie- burtsstunde der Zweiten Republik. dete die Außenministerkonferenz Die Regierungsarbeit begann unter britischem Protest. Am 1. Mai 1945 stell- der Alliierten in Moskau – Clark te das Verfassungs-Überleitungsgesetz den verfassungsmäßigen Rechtsstaat in der Hull (USA), Anthony Eden (GB), Art, wie er vor dem 5. März 1933 bestanden hatte, wieder her. Am 8. Mai 1945 Wjatscheslaw M. Molotow (UdSSR) kapitulierte das Deutsche Reich, und die Wiener Regierung erließ das Gesetz über – die Moskauer Deklaration; sie gilt das Verbot der NSDAP. Alle NS-Parteiorganisationen wurden aufgelöst, ihre Mit- als ein Grunddokument der Zweiten glieder registrierungspfl ichtig, eine „Auferlegung von Sühnefolgen“ wurde verfügt. Republik. Entschädigungen für Enteignungen und Unterstützungen für Verfolgte wurden ab 1946 ausbezahlt u. „The Government of the United Die Verfügungsgewalt der neuen österreichischen Regierung reichte anfangs Kingdom, the Soviet Union and the United States of America are agreed nicht über die von der Roten Armee besetzten Gebiete hinaus. Im Herbst 1945 fan- that Austria, the fi rst free country den zwei Länderkonferenzen statt, an denen maßgebliche Länderpolitiker teilnah- to fall victim to Hitlerite aggression, men. Dabei wurde die Erweiterung der Regierung durch westliche Vertrauensleute shall be liberated from German do- besprochen. Als Karl Renner Karl Gruber zum Unterstaatssekretär berief, gelang mination. They regard the annexa- es ihm, den Vorwurf, die „Provisorische Staatsregierung“ sei eine „sowjetische Ma- tion imposed upon Austria by Ger- rionettenregierung“, zu entkräftigen. Karl Gruber galt als Vertreter des Westens. many on March 15, 1938 as null Schrittweise konnte nun die Regierung Renner die Anerkennung durch den Alliier- and void. They consider themselves ten Kontrollrat gewinnen und vor allem das Misstrauen der Briten beseitigen. in no way bound by any changes Am 25. November 1945 fanden schließlich die ersten Nationalratswahlen effected in Austria since that date. seit 1930 statt: Dabei erhielt die KPÖ vier von 165 Mandaten, die SPÖ 76 Man- They declare that they wish to see reestablished a free and independant date und die ÖVP 85 Sitze (und damit die absolute Mehrheit im Nationalrat). Es Austria, and thereby to open the way wurde wieder eine Konzentrationsregierung gebildet. ÖVP-Obmann Leopold for the Austrian people themselves, Figl wurde Bundeskanzler, SPÖ-Vorsitzender Adolf Schärf Vizekanzler und Karl to fi nd that political and economic Renner wurde Bundespräsident. security which is the only basis for lasting peace. Austria is reminded, ▶ Die vier alliierten Zonen however, that she has a responsibi- lity which she cannot evade for par- Österreich war in vier Besatzungszonen i aufgeteilt. Die Enns bildete die ticipation in the war on the side of Trennlinie zwischen westlichem und östlichem Einfl ussgebiet. Im Bewusstsein vie- Hitlerite Germany, and that in the fi - ler Nachkriegsösterreicherinnen und -österreicher teilte sich dadurch das Land, nal settlement account will inevitab- obwohl es vier Besatzungszonen gab, in eine östliche „sowjetische“ und eine west- ly be taken of her own contribution liche „freie“ Zone. Die Hauptstadt Wien lag inmitten der sowjetischen Besatzungs- to her liberation.“ zone, sie war viergeteilt und unterstand den Militärkommandanturen der Ameri- (Robert H. Keyserling, Austria in the kaner, Briten, Franzosen und Sowjets. World War II, 1988, S. 207f.) 2 Österreich – 1945 bis heute 25283 NG_8_Kern.indb 2 04.08.2010 11:31:56 Uhr Die politische Wiederrichtung Österreichs 1 Die Bilanz des Schreckens 4 Entschädigungen „Die nationalsozialistische Schreckensherrschaft und der Krieg hatten eine grausige „Während den Kriegsgefangenen, Bilanz hinterlassen. Die nüchternen Zahlen, die wohl eher Untergrenzen darstellen, Bombengeschädigten, Kriegsinvaliden können das Ausmaß nur andeuten: etwa 247 000 österreichische Militärtote, minde- und Hinterbliebenen selbstverständ- stens 120 000 Österreicher, die in Haft, Konzentrationslagern und Euthanasieprogram- lich Unterstützungen und Renten ge- währt wurden, entschloß man sich nur men umgekommen und ermordet worden waren, und etwa […] 30 000 Ziviltote, die zögernd und in viel geringerer Höhe Luftangriffen und Kriegshandlungen auf österreichischem Boden zum Opfer gefallen zu Leistungen für die direkten Opfer waren. des NS-Regimes, um jeden Verdacht Von den etwa […] 190 000 österreichischen Juden war etwa […] 130 000 die ‚Aus- der ‚Mitschuld‘ Österreichs abzuwei- wanderung‘ oder besser wohl Flucht geglückt. Diese Möglichkeit bestand vor allem sen und die Formel von Österreich für jüngere und vermögendere Juden, kaum aber für mittellose. Insgesamt wurden als erstem ‚Opfer‘ der nationalsozia- 65 459 österreichische Juden während der NS-Herrschaft umgebracht: davon 1576 listischen Aggression zu bekräftigen. in deutschen Konzentrationslagern, 46 791 direkt in Vernichtungslagern, 16 692 in Besonders große Schwierigkeiten hin- Vernichtungslagern, nachdem sie aus Österreich vertrieben worden und in anderen sichtlich der Durchsetzung von Ent- europäischen Ländern wieder unter deutsche Herrschaft geraten waren, der Rest auf schädigungen hatten neben den Juden jene Personen, die von nationalsozia- andere gewaltsame Art. Auch mehr als die Hälfte der etwa 11 000 österreichischen listischen Gerichten aus vordergrün- Roma und Sinti wurde ermordet. […] dig kriminellen Gründen verurteilt Die nationalsozialistische Herrschaft, der Krieg und das Kriegsende hatten die größ- worden waren, aber auch die Slowe- te Wanderungs- und Fluchtwelle ausgelöst, die Österreich je über sich ergehen lassen nen, Roma und Sinti, die Zwangsste- mußte. […] 1,2 Millionen deutsche Soldaten, die in Österreich kapituliert hatten, mehr rilisierten, die Homosexuellen, die Be- als 1 Million Besatzungssoldaten,