Mitteilungen Der Alfred Klahr Gesellschaft, Manfred Mugrauer
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8 Beiträge „Nur eine schwache Verantwortung…“ Die KPÖ in den Regierungsverhandlungen im Dezember 1945 Manfred Mugrauer as schwache Abschneiden der Im Sekretariat und im Präsidium wur - malige NSDAP-Mitglieder habe dazu Kommunistischen Partei kann als de das Wahlergebnis der KPÖ als „Miss - geführt, dass die ansonsten differenzierte Dhervorstechendstes Charakteris- erfolg“ eingeschätzt, der von nieman - Haltung der KPÖ, die von einer klaren tikum der Wahlen zum ersten National - dem, auch nicht vom politischen Gegner, Trennung zwischen den Hauptverant - rat der Zweiten Republik angesehen wer - erwartet worden sei. Wenngleich in Erin - wortlichen und den Mitläufern ausging, den. Die KPÖ erreichte am 25. Novem - nerungsberichten und auch in der For - im Wahlkampf „etwas verwischt und ber 1945 174.257 Stimmen (5,42 Pro - schungsliteratur zumeist von weit über - verschwommen“ gewesen sei. In der zent) und vier Mandate, während die zogenen Erwartungen der KPÖ bis hin „vereinfachten Propaganda“ sei der Ein - ÖVP mit 49,80 Prozent der Stimmen ei - zu 30 Prozent der Stimmen die Rede ist, druck erweckt worden, „als ob wir alle ne absolute Mandatsmehrheit erzielte lässt sich bei Auswertung aller Quellen Nazi ausrotten wollten“, so der Partei - (85) gegenüber 44,60 Prozent (76 Man - davon ausgehen, dass die KommunistIn - vorsitzende. Ein Gesichtspunkt, auf den date) für die SPÖ. nen ihre Stärke zwar überschätzten, ihre in der Präsidiumssitzung am 30. Novem - Das österreichische Wahlergebnis un - Erwartungen aber kaum über zehn oder ber alle Debattenredner zurückkamen terschied sich damit grundlegend von an - 15 Prozent der WählerInnenstimmen und der von manchen als „Hauptursa - deren europäischen Staaten, waren doch hinausgegangen sein dürften. 1 Für die che“ für das schlechte Wahlergebnis be - in den vom Faschismus befreiten Län - KPÖ war das Ergebnis auch deshalb nannt wurde. Als ungenügend wurde dern die ersten Wahlen nach Kriegsende ernüchternd, weil der Verlauf der Wahl - auch das Eintreten gegen die rechte für die kommunistischen Parteien durch - kampagne und die Ergebnisse der Be - SPÖ-Führung eingeschätzt: Es habe sich wegs erfolgreich verlaufen, nicht zuletzt triebsratswahlen Hoffnungen auf ein herausgestellt, dass es „eine Frage des aufgrund ihrer Rolle im antifaschis - besseres Abschneiden genährt hatten. Kampfes [...] gegen die direkt feindliche tischen Widerstand: So erreichte die fran - Als Ursachen für die Wahlniederlage Clique innerhalb der SP“ sei, die Einheit zösische KP am 21. Oktober 1945 26,1 wurden in den Führungsgremien der der Arbeiterklasse zu erringen. 2 Prozent der Stimmen, die italienische Par - KPÖ weniger Schwächen im Wahl - Ernst Fischer wiederum nannte einen tei am 2. Juni 1946 18,9 Prozent. In Belgi - kampf, sondern vorrangig objektive Fak - Tag nach den Wahlen im Gespräch mit en waren es 12,7 Prozent, in Dänemark toren ins Treffen geführt. Als ersten Ge - Martin F. Herz, einem politischen Offi - 12,5, in Norwegen 11,9, in Luxemburg sichtspunkt nannte Johann Koplenig, der zier der US-Armee, vier Faktoren für die 11,1 und in den Niederlanden 10,6 Pro - Vorsitzende der Partei, den Einfluss der Niederlage der KPÖ: 1.) die Stärke der zent. Herausragend war das Ergebnis der nazistischen Ideologie und die „politi - traditionellen Parteienbindungen, auf - Kommunistischen Partei bei den Wahlen sche Grundeinstellung der breiten Mas - grund derer es der Partei nicht gelang, in der Tschechoslowakei am 26. Mai sen“. In Österreich habe es im Unter - die politische Struktur der Ersten Repu - 1946 mit 37,9 Prozent der Stimmen, was schied zu anderen europäischen Ländern blik aufzubrechen, 2.) den Wunsch der ihr den ersten Platz und das Amt des keine Massenbewegung gegen den Krieg Bevölkerung nach einer Rückkehr zur Ministerpräsidenten sicherte. In Ungarn gegeben, es sei kaum aktiver Widerstand politischen Normalität, 3.) die Tatsache, ergaben 16,9 Prozent den dritten Platz. gegen den deutschen Faschismus gelei - dass sich Frauen, deren Anteil an den stet worden und breite Schichten seien WählerInnen bei über 60 Prozent lag, mit Ursachen der Wahlniederlage auch über die Befreiung nicht erfreut ge - verwandten Nationalsozialisten, die Zwei Tage nach den Wahlen, am wesen. Als zweiten Aspekt machte Ko - nicht wahlberechtigt waren, solidarisch 27. November 1945, fand eine Beratung plenig auf den Antikommunismus und erklärten, sowie 4.) die Auswirkungen des Sekretariats, des damaligen operati - auf das Image der KPÖ als „Russenpar - der sowjetischen Besatzung. 3 ven Führungsgremiums der KPÖ, statt, tei“ aufmerksam. Zwischen den nazisti - um das Ergebnis einzuschätzen und erste schen und den reaktionären Kräften in „Flucht in die Vergangenheit“ Schlussfolgerungen zu ziehen. Kurz dar - ÖVP und SPÖ habe mit Unterstützung In kommunistischen Stellungnahmen auf, am 30. November, tagte das Präsi - der westlichen Alliierten Einigkeit darü - wurde das Wahlergebnis als „Flucht in dium des Zentralkomitees der Partei, ber bestanden, die Stimmung breiter die Vergangenheit“ und als verpasster eine gegenüber dem Sekretariat etwas Volksmassen in eine „antikommunis - „Anschluss an die neue Zeit“ gewertet. 4 erweiterte Führungsstruktur, die nur zwi - tische Hetze zu lenken“, wobei Koplenig Österreich sei von „jedem Lufthauch aus schen September 1945 und April 1946 gleichzeitig eingestand, dass diese Hetze dem neuen im Werden begriffenen Euro - existierte. Zu dieser Sitzung beigezogen durch die Übergriffe der Roten Armee pa abgeschlossen“, beklagte Koplenig. 5 wurden auch die Landesobmänner der begünstigt worden sei. Als weitere Tatsächlich hatte die Perspektive der Partei. Nach einer neuerlichen Sitzung ungünstige Momente hob Koplenig ne - KPÖ, in Österreich mittels demokrati - des Sekretariats am 3. Dezember und des ben organisatorischen Schwächen – vor scher Zusammenarbeit der Parteien eine Präsidiums am 8. Dezember trat am allem in der Provinz – die zuletzt harte antifaschistisch-demokratische Neuord - 9. Dezember schließlich eine Parteikon - Position der KPÖ zur „Nazifrage“ und nung einleiten zu können, einen schwe - ferenz zusammen, um einen Beschluss ihre Stellung zur SPÖ hervor. Der als ren Rückschlag erlitten. Durch den über die künftige Regierungsbeteiligung richtig eingeschätzte Standpunkt der Wahlausgang wurde die KPÖ, die nach der KPÖ zu fassen. KPÖ zur Frage des Wahlrechts für ehe - der Befreiung vom Faschismus drittel - 4/15 Beiträge 9 paritätisch als gleichberechtigte Partne - rin von ÖVP und SPÖ an den Regie - rungsgeschäften beteiligt war, auf den Status einer Kleinpartei reduziert. Nur knapp hatte sie den Einzug in das Parla - ment geschafft, was auch ihre künftige Beteiligung an der Bundesregierung in einem neuen Licht erscheinen ließ. Zunächst musste die KPÖ angesichts des enttäuschenden Wahlausgangs ihre bisherige Erwartungshaltung den neuen Realitäten anpassen. So hatte Ernst Fischer am 11. November, knapp zwei Wochen vor den Wahlen, Martin F. Herz, mit dem ihn ein freundschaftliches Verhältnis verband, anvertraut, dass sei - ne Partei versuchen werde, weiter das In - nenministerium halten zu können. Da dies aber selbst Fischer als eher unreali - stisch einschätzte, nannte er alternativ Ernst Fischer und Karl Altmann bei der Sitzung des ZK der KPÖ am 23.9.1945. dazu sein eigenes Ressort, das Unter - richtsministerium und – abhängig von Partei eine Politik der Opposition sein stand die Überlegung, sie nicht in die der Stärke der KPÖ – eines der Wirt - gegen diese Regierung und ihre Politik“, Oppositionsrolle zu drängen, die ihr schaftsressorts als anzustrebende Amts - trug auch Johann Koplenig in der Sit - möglicherweise bei unzufriedenen Tei - bereiche. Bei dieser Gelegenheit tippte zung des Präsidiums der Partei am len der Bevölkerung einen größeren Zu - Fischer bereits korrekt auf Leopold Figl 30. November dieser Tendenz Rech - spruch einbringen hätte können. Dass als kommenden Bundeskanzler im Falle nung. 7 Um weiter an der Regierung teil - mit dem Ergebnis der Novemberwahlen einer ÖVP-Mehrheit bei den Wahlen. 6 haben zu können, stand die Parteiführung des Jahres 1945 der Status der KPÖ als Unmittelbar nach den Wahlen stand nun vor der Aufgabe, diese in den ersten Kleinpartei zementiert sein würde, war eine kommunistische Regierungsbeteili - Tagen nach der Wahl auftretenden „Stim - zu diesem Zeitpunkt auch für den politi - gung schließlich grundsätzlich zur Dis - mungen, die darauf hinzielten, die Partei schen Gegner nicht absehbar: So warnte kussion, hatten sich doch nicht nur an der in völlig negative Opposition“ zu führen, etwa der Wiener Landesparteisekretär der Parteibasis Stimmungen breit gemacht, in den Hintergrund zu drängen. 8 SPÖ Heinrich Hackenberg davor, „die die in Zukunft einer Oppositionsrolle KP absolut zu unterschätzen. Das Wahl - den Vorzug gaben. Im Rahmen der Pro - Erwartungen von ergebnis von 1945 ist ein Stimmungs - visorischen Regierung hatte die KPÖ mit Parteien und Alliierten ergebnis, das sich gegen die Russen rich - dem Selbstverständnis einer verantwor - Bereits vor den Wahlen stand für die tet. Die Stimmung kann umschlagen, tungsbewussten, konstruktiv mitgestal - Gründerparteien der Zweiten Republik wenn die Regierung in den kommenden tenden „Staatspartei“ agiert. Nicht zu - fest, dass die demokratische Zusammen - Monaten Dinge auf sich nehmen muss, letzt vor dem Hintergrund der fehlenden arbeit von ÖVP, SPÖ und KPÖ auf Re - die für die gesamte Bevölkerung noch bei Anerkennung der Renner-Regierung gierungsebene fortgesetzt werden solle, weitem schwerer zu ertragen sein wird durch die