Miszelle Die U-Boot-Waffe Der DDR. Ein Zeitzeugenbericht* Vorgeschichte
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Miszelle Friedrich Elchlepp Die U-Boot-Waffe der DDR. Ein Zeitzeugenbericht* Vorgeschichte Die Legende über die Seepolizisten, die auf DDR-U-Booten zur See fuhren, hält sich nach wie vor nicht nur an ostdeutschen Stammtischen. Dem Mythos »U-Boot« ist in Deutschland, selbst nach dem Antikriegsfilm »Das Boot«, nur schwer beizu- kommen. Das einzig wirksame Mittel zur Beseitigung von Gerüchten und Ge- schichtsklitterungen ist wohl die Darstellung der Tatsachen anhand von Doku- menten und Aussagen von Zeitzeugen. Wann tauchte zum ersten Mal das Vorhaben auf, in der SeepoUzei/Volkspoli- zei-See (VP-See)' der DDR U-Boote in Dienst zu stellen? Welches waren die politi- schen Begleitumstände, die diesem Gedanken zugrunde lagen? Am 10. März 1952 überreichte der stellvertretende sowjetische Außenminister Andrej Gromyko den Botschaftern der drei Westmächte in Moskau eine Note seiner Regierung, in der er die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten vorschlug. »Der Abzug aller Besatzungstruppen und die Beseitigung aller Militärbasen sollten innerhalb eines Jahres nach Abschluß des als Vorbedingung zu unterzeichnenden Friedensvertrages erfolgen. Der deutsche Staat müsse allerdings auf die Teilnahme an Koalitionen und Militärbündnissen gegen Länder verzichten, die am Krieg teilgenommen haben^.« Deutschland würde gestattet sein, nationale Streitkräfte zur Verteidigung des Lan- des zu unterhalten®. In Moskau rechnete man jedoch von vornherein mit einer ab- lehnenden Haltung des Westens, der dieses Angebot dann auch ausschlug. Es wird daher vermutet, daß Stalin die EVG-Verhandlungen stoppen oder stören wollte und die Verschärfung des sozialistischen Kurses in der DDR anstrebte. So bUeb die Teilung Deutschlands bestehen und es trat eine Verschärfung der deutsch-deut- schen Beziehungen im Rahmen der Ost-West-Konfrontation ein. Anfang April 1952 führten die Repräsentanten der UdSSR und der DDR Bera- tungen über die eingetretene pohtische Lage. Stalin brachte in Moskau gegenüber Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl imd Walter Ulbricht zum Ausdruck, daß die West- mächte das sowjetische Angebot nicht annehmen würden. Den sowjetischen Vor- aussagen gemäß lehnten die Westmächte am 13. Mai 1952 auch die zweite Note ab, weil sie an dem EVG- uiid Deutschlandvertrag unter allen Umständen fest- Dr. jur. Friedrich Elchlepp (+ 2002) war ehemaliger Konteradmiral a.D. der NVA. ' Mit Wirkung vom 1. Juli 1952 erfolgte die Umbenennung der SeepoUzei in VP-See. ^ Torsten Diedrich und Rüdiger Wenzke, Die getarnte Armee. Geschichte der Kasernier- ten Volkspolizei der DDR 1952 bis 1956, Berlin 2001, S. 81. ' Gerhard Wettig, Die Deutschland-Note vom 10. März 1952 auf der Basis diplomatischer Akten des russischen Außenministeriums. Die Hypothese des Wiedervereinigungsan- gebots, in: Deutschland-Archiv, 26 (1993), H. 7, S. 786-805. Militärgeschichtliche Zeitschrift 62 (2003), S. 175-185 © MiUtärgeschichtüches Forschungsamt, Potsdam 176 MGZ 62 (2003) Friedrich Elchlepp halten wollten. Im Gegenzug war für Stalin nun die militärische Sicherung der von den Sowjettruppen besetzten Zone wichtig. Wilhelm Pieck notierte in einer Mit- schrift unter dem 7. April: »Militärische Ausbildung für Inf[anterie], Marine, Avia- tion, Unterseeboote«^ Dem Führer der itaüeiüschen Sozialistischen Partei Pietro Nermi erklärte Sta- lin, er beabsichtige, zur Schaffung eines militärischen Gleichgewichts zwischen West und Ost den NATO-Streitkräften in Westdeutschland eine gleich starke ost- deutsche Armee entgegenzustellen®. Damit war die politische Entscheidung zur schnellen militärischen Aufrüstung der DDR gefallen. Mit Bestimmtheit kann ich als Zeitzeuge sagen, daß vor April 1952 der Führung der Seepolizei vom Aufbau einer U-Boot-Waffe der DDR nichts bekannt war. Die Planung einer U-Boot-Waffe der DDR ist auf die am 1. und 7. April 1952 erfolgten Unterredxmgen Stalins mit Pieck und Ulbricht in Moskau zurückzuführen. Diese Feststellung beruht auf den - wenn auch nur spärlich überlieferten - Doku- menten im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg. Sie besagen, daß der Be- fehl 62/52 des Ministers des Innern der SeepoUzei für 1953 die Aufgabe stellte, »die Unterseebootwaffe aufzubauen und zu beherrschen«^. Bereits im Frühjahr 1952 wurde begonnen, an dieser Zielstellung zu arbeiten. Sie unterlag strengster Ge- heimhaltung. Im Bericht über die Entwicklung der VP-See, mit der Einstufung »Geheime Verschlußsache (GVS), der den Zeitraum von Ende Februar 1950 bis Mit- te Dezember 1953 umfaßt, findet sich unter Punkt 3. (Bau von Objekten) folgende Feststellung: »In Dwasieden (Saßnitz) waren (1952) umfangreiche Enttrümmerungsarbeiten, Erschließung des Geländes, Aufstellung von 5 Unterkunfts-, zwei Wirtschafts-, 4 Lehr- und eine Verwaltungsbaracke notwendig. Die Kapazität beträgt 700 Mann''.« Die Seepolizei wurde mit Wirkung vom 1. Juli 1952 in Saßnitz/Dwasieden Rechts- träger sowohl des Geländes der ehemaligen Artillerieschule der Wehrmacht, als auch des Ostteils des Hafens Saßnitz, der sich in Rechtsträgerschaft der ehemaligen Kriegsmarine befand. Dazu gehörten die Liegeplätze für Schiffe und ein Boots- schuppen. In der zweiten Hälfte des Jahres 1952 wurde mit der Errichtung einer Torpedo-Werkstatt, eines Batterieladeraumes für U-Boot-Batterien und eines Kom- pressorenraumes zum. Auffüllen von Luftflaschen begonnen. In einiger Entfernung entstand ab 1952 ein Torpedolager sowie eine Tankanlage für 30001 Dieselkraftstoff. Der Ablauf der Vorbereitungsarbeiten für den Dienstbeginn in der U-Boot-Lehr- anstalt (ULA) wird von Zeitzeugen wie folgt geschildert: Im Juni 1952 stellte man in der Kaderabteilung (Personalabteilung) der Hauptverwaltung Seepolizei' (HVS) eine Kommission zusammen, die aus der Schiffsstammabteilung der VP-See Un- teroffiziere und Mannschaften und aus der Räum- und Küstensicherungsdivision Wilhelm Pieck, Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, hrsg. von Rolf Bad- stübner und Wilfried Loth, Berlin 1994, S. 397 = Wladimir K. Wolkow, Die deutsche Frage aus Stalins Sicht (1947-1952), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 48 (2000), H. 1, S. 20-49 (hier ist der gesamte Wortlaut der Unterredungen vom 1. und 7.4.1952 veröffentlicht). ' BA-MA, DVM 2/6152, Befehl Nr. 1/53 des Stellv. des Ministers des Innern Chef der Volkspolizei-See über Aufnahme des Dienstbetriebes in der Dienststelle -S- der Volks- polizei-See vom 4.1.1953, Bl. 2. ' BA-MA, DVM 1/1211, Bericht des Chefs des Stabes der VP-See vom 9.12.1953, Bl. 61 f. ' Die Hauptverwaltung SeepoUzei war das Führungsorgan der seit 1950 aufgebauten Ma- rineeinheiten der DDR. Die U-Boot-Waffe der DDR 177 (R- und KS-Division), den Offizierschulen und dem Bergungs- und Rettungskom- mando See- und Ingenieuroffiziere auswählte. Die Auswahl erfolgte anhand ihrer Personalakten, ergänzt durch ein persönliches Gespräch, ohne daß der Betroffene über den Zweck der Unterredung in Kenntnis gesetzt wurde. Leiter der Kommis- sion war Seepolizei-Oberkomnüssar' Herbert Bauer, Mitglieder waren Seepolizei- Oberkommissar Thielecke (für Offiziere) und Seepolizei-Oberrat Lemke (für Un- teroffiziere und Mannschaften)'". Im Juli 1952 wurden die ausgewählten Offiziere in der Hauptverwaltung See- polizei in Berlin nochmals überprüft. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit wur- de ihnen ihr künftiger "freiwilliger" Einsatz in der U-Boot-Waffe der DDR mitge- teilt. Der Einsatzort wurde noch nicht genannt. An der Kommissionierung nahmen auch sowjetische Militärberater teil, u.a. Kapitän 1. Ranges Trawkin und Kapitän L Ranges Winitschenko. Beide waren bekannte und hochdekorierte U-Boot-Kom- mandanten des Zweiten Weltkrieges. Zu weiteren Kommissionsmitgliedern zähl- ten die sowjetischen Marineoffiziere Füow und Baratin, die von den Seepolizei-Dol- metschern Raud, Bauer, Okschewalla und Wannemacher unterstützt wurden. Am 2. November 1952 trafen 14 Offiziere im Gebäude des Bergungs- und Ret- tungsdienstes der VP-See in Saßnitz-Hafen ein. Sie waren das Vorkommando für die künftige ULA, der Dieriststelle ST''. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Diei\ststelle (das Objekt Dwasieden) nur behelfsmäßig fertiggestellt. Die Baracken aus frischem, noch grünem Holz gefertigt, wiesen z.T. handbreite Lücken zwischen den einge- fügten Brettern auf; beheizt wurden die Baracken mit Kohleöfen. Sanitätsunter- kunft, Waschanlage, Küche usw. befanden sich noch im Aufbau. Die Angehörigen der Pionierkompanie und die 14 Offiziere arbeiteten täglich intensiv an der Fer- tigstellung des Objekts. Von Dezember 1952 bis Januar 1953 trafen die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften des Stammpersonals (Leitung, Stab, Intendantur, Wacheinheiten usw.), armähernd 180 Mann, in Dwasieden ein. Die Kursanten (Personal für die U-Boot-Besatzungen) kamen Ende Dezember und erreichten etwa folgende Perso- nalstärke: 50 Offizierkursanten mit dem Dienstgrad Unterleutnant/Leutnant (da- von 12 Kommandantenkursanten, 18 Erste Wachoffiziere (I.WO)/Torpedooffizier- kursanten, 20 Leitende Ingenieuroffizierkursanten), 150 Unteroffizierschüler und 280 Mannschaftsschüler, d.h. in der Dienststelle S7 hielten sich insgesamt 660 SeepoH- zeiangehörige auf. Dieser Personalbestand befand sich auch am 17. Juni 1953 in der Dienststelle'^ Bis zum 2. Januar 1953 wurde mit den eintreffenden VP-See-An- gehörigen die Dienstbereitschaft der U-Boot-Lehranstalt hergestellt. Damit war auch die Anlieferung der Ausbildungsmaterialien verbunden. Sie kamen aus der Sowjetunion, vmrden in Wolgast entladen und per LKW nach Dwasieden geliefert. Ein 900-PS-Dieselmotor mit Aufladung konnte im Hafen Stralsund übernommen Die kasernierten Land-