Miszelle

Friedrich Elchlepp

Die U-Boot-Waffe der DDR. Ein Zeitzeugenbericht*

Vorgeschichte

Die Legende über die Seepolizisten, die auf DDR-U-Booten zur See fuhren, hält sich nach wie vor nicht nur an ostdeutschen Stammtischen. Dem Mythos »U-Boot« ist in Deutschland, selbst nach dem Antikriegsfilm »Das Boot«, nur schwer beizu- kommen. Das einzig wirksame Mittel zur Beseitigung von Gerüchten und Ge- schichtsklitterungen ist wohl die Darstellung der Tatsachen anhand von Doku- menten und Aussagen von Zeitzeugen. Wann tauchte zum ersten Mal das Vorhaben auf, in der SeepoUzei/Volkspoli- zei-See (VP-See)' der DDR U-Boote in Dienst zu stellen? Welches waren die politi- schen Begleitumstände, die diesem Gedanken zugrunde lagen? Am 10. März 1952 überreichte der stellvertretende sowjetische Außenminister Andrej Gromyko den Botschaftern der drei Westmächte in Moskau eine Note seiner Regierung, in der er die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten vorschlug. »Der Abzug aller Besatzungstruppen und die Beseitigung aller Militärbasen sollten innerhalb eines Jahres nach Abschluß des als Vorbedingung zu unterzeichnenden Friedensvertrages erfolgen. Der deutsche Staat müsse allerdings auf die Teilnahme an Koalitionen und Militärbündnissen gegen Länder verzichten, die am Krieg teilgenommen haben^.« Deutschland würde gestattet sein, nationale Streitkräfte zur Verteidigung des Lan- des zu unterhalten®. In Moskau rechnete man jedoch von vornherein mit einer ab- lehnenden Haltung des Westens, der dieses Angebot dann auch ausschlug. Es wird daher vermutet, daß Stalin die EVG-Verhandlungen stoppen oder stören wollte und die Verschärfung des sozialistischen Kurses in der DDR anstrebte. So bUeb die Teilung Deutschlands bestehen und es trat eine Verschärfung der deutsch-deut- schen Beziehungen im Rahmen der Ost-West-Konfrontation ein. Anfang April 1952 führten die Repräsentanten der UdSSR und der DDR Bera- tungen über die eingetretene pohtische Lage. Stalin brachte in Moskau gegenüber Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl imd Walter Ulbricht zum Ausdruck, daß die West- mächte das sowjetische Angebot nicht annehmen würden. Den sowjetischen Vor- aussagen gemäß lehnten die Westmächte am 13. Mai 1952 auch die zweite Note ab, weil sie an dem EVG- uiid Deutschlandvertrag unter allen Umständen fest-

Dr. jur. Friedrich Elchlepp (+ 2002) war ehemaliger a.D. der NVA. ' Mit Wirkung vom 1. Juli 1952 erfolgte die Umbenennung der SeepoUzei in VP-See. ^ Torsten Diedrich und Rüdiger Wenzke, Die getarnte Armee. Geschichte der Kasernier- ten Volkspolizei der DDR 1952 bis 1956, Berlin 2001, S. 81. ' Gerhard Wettig, Die Deutschland-Note vom 10. März 1952 auf der Basis diplomatischer Akten des russischen Außenministeriums. Die Hypothese des Wiedervereinigungsan- gebots, in: Deutschland-Archiv, 26 (1993), H. 7, S. 786-805.

Militärgeschichtliche Zeitschrift 62 (2003), S. 175-185 © MiUtärgeschichtüches Forschungsamt, Potsdam 176 MGZ 62 (2003) Friedrich Elchlepp

halten wollten. Im Gegenzug war für Stalin nun die militärische Sicherung der von den Sowjettruppen besetzten Zone wichtig. Wilhelm Pieck notierte in einer Mit- schrift unter dem 7. April: »Militärische Ausbildung für Inf[anterie], Marine, Avia- tion, Unterseeboote«^ Dem Führer der itaüeiüschen Sozialistischen Partei Pietro Nermi erklärte Sta- lin, er beabsichtige, zur Schaffung eines militärischen Gleichgewichts zwischen West und Ost den NATO-Streitkräften in Westdeutschland eine gleich starke ost- deutsche Armee entgegenzustellen®. Damit war die politische Entscheidung zur schnellen militärischen Aufrüstung der DDR gefallen. Mit Bestimmtheit kann ich als Zeitzeuge sagen, daß vor April 1952 der Führung der Seepolizei vom Aufbau einer U-Boot-Waffe der DDR nichts bekannt war. Die Planung einer U-Boot-Waffe der DDR ist auf die am 1. und 7. April 1952 erfolgten Unterredxmgen Stalins mit Pieck und Ulbricht in Moskau zurückzuführen. Diese Feststellung beruht auf den - wenn auch nur spärlich überlieferten - Doku- menten im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg. Sie besagen, daß der Be- fehl 62/52 des Ministers des Innern der SeepoUzei für 1953 die Aufgabe stellte, »die Unterseebootwaffe aufzubauen und zu beherrschen«^. Bereits im Frühjahr 1952 wurde begonnen, an dieser Zielstellung zu arbeiten. Sie unterlag strengster Ge- heimhaltung. Im Bericht über die Entwicklung der VP-See, mit der Einstufung »Geheime Verschlußsache (GVS), der den Zeitraum von Ende Februar 1950 bis Mit- te Dezember 1953 umfaßt, findet sich unter Punkt 3. (Bau von Objekten) folgende Feststellung: »In Dwasieden (Saßnitz) waren (1952) umfangreiche Enttrümmerungsarbeiten, Erschließung des Geländes, Aufstellung von 5 Unterkunfts-, zwei Wirtschafts-, 4 Lehr- und eine Verwaltungsbaracke notwendig. Die Kapazität beträgt 700 Mann''.« Die Seepolizei wurde mit Wirkung vom 1. Juli 1952 in Saßnitz/Dwasieden Rechts- träger sowohl des Geländes der ehemaligen Artillerieschule der Wehrmacht, als auch des Ostteils des Hafens Saßnitz, der sich in Rechtsträgerschaft der ehemaligen befand. Dazu gehörten die Liegeplätze für Schiffe und ein Boots- schuppen. In der zweiten Hälfte des Jahres 1952 wurde mit der Errichtung einer Torpedo-Werkstatt, eines Batterieladeraumes für U-Boot-Batterien und eines Kom- pressorenraumes zum. Auffüllen von Luftflaschen begonnen. In einiger Entfernung entstand ab 1952 ein Torpedolager sowie eine Tankanlage für 30001 Dieselkraftstoff. Der Ablauf der Vorbereitungsarbeiten für den Dienstbeginn in der U-Boot-Lehr- anstalt (ULA) wird von Zeitzeugen wie folgt geschildert: Im Juni 1952 stellte man in der Kaderabteilung (Personalabteilung) der Hauptverwaltung Seepolizei' (HVS) eine Kommission zusammen, die aus der Schiffsstammabteilung der VP-See Un- teroffiziere und Mannschaften und aus der Räum- und Küstensicherungsdivision

Wilhelm Pieck, Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945-1953, hrsg. von Rolf Bad- stübner und Wilfried Loth, Berlin 1994, S. 397 = Wladimir K. Wolkow, Die deutsche Frage aus Stalins Sicht (1947-1952), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 48 (2000), H. 1, S. 20-49 (hier ist der gesamte Wortlaut der Unterredungen vom 1. und 7.4.1952 veröffentlicht). ' BA-MA, DVM 2/6152, Befehl Nr. 1/53 des Stellv. des Ministers des Innern Chef der Volkspolizei-See über Aufnahme des Dienstbetriebes in der Dienststelle -S- der Volks- polizei-See vom 4.1.1953, Bl. 2. ' BA-MA, DVM 1/1211, Bericht des Chefs des Stabes der VP-See vom 9.12.1953, Bl. 61 f. ' Die Hauptverwaltung SeepoUzei war das Führungsorgan der seit 1950 aufgebauten Ma- rineeinheiten der DDR. Die U-Boot-Waffe der DDR 177

(R- und KS-Division), den Offizierschulen und dem Bergungs- und Rettungskom- mando See- und Ingenieuroffiziere auswählte. Die Auswahl erfolgte anhand ihrer Personalakten, ergänzt durch ein persönliches Gespräch, ohne daß der Betroffene über den Zweck der Unterredung in Kenntnis gesetzt wurde. Leiter der Kommis- sion war Seepolizei-Oberkomnüssar' Herbert Bauer, Mitglieder waren Seepolizei- Oberkommissar Thielecke (für Offiziere) und Seepolizei-Oberrat Lemke (für Un- teroffiziere und Mannschaften)'". Im Juli 1952 wurden die ausgewählten Offiziere in der Hauptverwaltung See- polizei in Berlin nochmals überprüft. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit wur- de ihnen ihr künftiger "freiwilliger" Einsatz in der U-Boot-Waffe der DDR mitge- teilt. Der Einsatzort wurde noch nicht genannt. An der Kommissionierung nahmen auch sowjetische Militärberater teil, u.a. Kapitän 1. Ranges Trawkin und Kapitän L Ranges Winitschenko. Beide waren bekannte und hochdekorierte U-Boot-Kom- mandanten des Zweiten Weltkrieges. Zu weiteren Kommissionsmitgliedern zähl- ten die sowjetischen Marineoffiziere Füow und Baratin, die von den Seepolizei-Dol- metschern Raud, Bauer, Okschewalla und Wannemacher unterstützt wurden. Am 2. November 1952 trafen 14 Offiziere im Gebäude des Bergungs- und Ret- tungsdienstes der VP-See in Saßnitz-Hafen ein. Sie waren das Vorkommando für die künftige ULA, der Dieriststelle ST''. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Diei\ststelle (das Objekt Dwasieden) nur behelfsmäßig fertiggestellt. Die Baracken aus frischem, noch grünem Holz gefertigt, wiesen z.T. handbreite Lücken zwischen den einge- fügten Brettern auf; beheizt wurden die Baracken mit Kohleöfen. Sanitätsunter- kunft, Waschanlage, Küche usw. befanden sich noch im Aufbau. Die Angehörigen der Pionierkompanie und die 14 Offiziere arbeiteten täglich intensiv an der Fer- tigstellung des Objekts. Von Dezember 1952 bis Januar 1953 trafen die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften des Stammpersonals (Leitung, Stab, Intendantur, Wacheinheiten usw.), armähernd 180 Mann, in Dwasieden ein. Die Kursanten (Personal für die U-Boot-Besatzungen) kamen Ende Dezember und erreichten etwa folgende Perso- nalstärke: 50 Offizierkursanten mit dem Dienstgrad Unterleutnant/Leutnant (da- von 12 Kommandantenkursanten, 18 Erste Wachoffiziere (I.WO)/Torpedooffizier- kursanten, 20 Leitende Ingenieuroffizierkursanten), 150 Unteroffizierschüler und 280 Mannschaftsschüler, d.h. in der Dienststelle S7 hielten sich insgesamt 660 SeepoH- zeiangehörige auf. Dieser Personalbestand befand sich auch am 17. Juni 1953 in der Dienststelle'^ Bis zum 2. Januar 1953 wurde mit den eintreffenden VP-See-An- gehörigen die Dienstbereitschaft der U-Boot-Lehranstalt hergestellt. Damit war auch die Anlieferung der Ausbildungsmaterialien verbunden. Sie kamen aus der Sowjetunion, vmrden in Wolgast entladen und per LKW nach Dwasieden geliefert. Ein 900-PS-Dieselmotor mit Aufladung konnte im Hafen übernommen

Die kasernierten Land- und Seeeinheiten führten bis zur Einführung militärischer Dienst- grade im Oktober 1952 Polizeidienstgrade. Die Zeitzeugen, die für den Beitrag befragt wurden, waren (ohne Dienstgrade): Harry Bauer, Siegfried Demo, Günter Hauschulz, Ulrich Israel, Gerhard Küppstein, Dr. phil. Günter Krause, Manfred Kretzschmar, Dr.-Ing. Hans Mehl, Manfred Patzig, Gerhard Vandreyer, Herbert Vieweg. In der Seepolizei/VP-See erhielten die Dienststellen Tarnbezeichnungen, die sich aus ei- nem Buchstaben und einer Zahl zusammensetzten. BA-MA, DVM 10/50482,50483,50484 und Aussage des Zeitzeugen G. Klippstein sowie BA-MA, DVM 2/6185, Abschlußbericht der Dienststellen über die Vorgänge am 17.6.1953. 178 MGZ 62 (2003) Friedrich Elchlepp werden. Die Lieferung des älteren Hauptdiesels kann aus Gründen der damals üb- lichen Geheimhaltung erfolgt sein - weil die sowjetische Seite keinen Hinweis auf die neueste Technik geben wollte. Denkbar wäre es aber auch, daß das gelieferte Ex- emplar gerade greifbar oder bereits als Lehrmodell vorbereitet worden war.

Aufbau einer Unterseebootwaffe

Am 5. Januar 1953 wurde anläßlich einer Dienststellenmusterung der »Befehl Nr. 1/53 vom 4. Januar 1953 des Stellvertreters des Ministers des Innern Chef der VP-See über Aufnahme des Dienstbetriebes in der Dienststelle -S- der VoLkspoli- zei-See« bekanntgegeben". Die Leitung der Dienststelle S7 (ULA) setzte sich An- fang 1953 wie folgt zusammen:

Leiter der Dienststelle Fregattenkapitän Heinrich Jordt Stellvertr. Polit-Kultur Kapitänleutnant Roman Walter Stellvertr. für Ausbildung Oberleutnant Herbert Bauer (gleichzeitig Stabschef) Leiter der Offizierklassen Kapitänleutnant Gerhard Klippstein (gleichzeitig Chef der künftigen U-Boot-Division) Leiter der Uffz.- Kapitänleutnant Erich Thieme und Mannschaftsklassen sowie die Lehrstuhlleiter

Jeder der o.a. Personen war ein sowjetischer Militärberater zugeteilt. Die Weisung Stalins zum Aufbau einer DDR-U-Bootwaffe war demnach un- verzüglich in Angriff genommen worden. Bis heute ist nicht endgültig geklärt, welche oder welcher U-Boot-Typ(en) für die VP-See seitens der Sowjetunion vor- gesehen war(en). Der Behauptung, fünf ehemalige deutsche U-Boote des Typs VIIC von der sowjetischen Flotte und zwei sowjetische Küsten-U-Boote vom Typ »M« (Maljutka) Serie XV'^ seien als erste Ausbildungsobjekte vorgesehen gewe- sen, stehen folgende Überlegungen entgegen: Die Sowjetunion übernahm 1945/46 zehn U-Boote der ehemaligen deutschen Kriegsmarine. Diese wurden ausnahmslos der sowjetischen Baltischen Flotte zuge-

Die mit Pathos formulierte Geburtsurkunde der DDR-U-Bootwaffe kann in der Broschüre »Marinemuseum Dänholm«, Schriftenreihe Heft 6/1998, S. 45 f. oder im Original im BA-MA, DVM 2/6152, Bl. 1 nachgelesen werden. Sie besagt letzten Endes nicht mehr, als daß der Dienstbetrieb in Dwasieden am 5.1.1953 aufzunehmen ist. So u.a. bei Diedrich/Wenzke, Die getarnte Armee (wie Armi. 2), S. 168; Volksmarine der DDR. Deutsche Seestreitkräfte im Kalten Krieg. Von Friedrich Elchlepp [u.a.], Hamburg, Berlin, Bonn 1999, S. 56; Walter Jablonsky, NVA-Volksmarine, in: NVA. Anspruch und Wirkhchkeit nach ausgewählten Dokumenten, hrsg. von Klaus Naumann, Berlin, Borm, Herford 1993, S. 159; Hans Mehl und Knut Schäfer, Die andere deutsche Marine, Berlin 1992, S. 17; Fritz Minow, Die Volkspolizei-See 1952-1955, in: Deutsche Seeverbände 1945-1956, Düsseldorf 2000 (= Beiträge zur Schiffahrtsgeschichte, Bd 4), S. 118-120. Die U-Boot-Waffe der DDR 179 führt. Darunter befanden sich vier U-Boote vom Typ VIIC, ein Boot vom Typ IXC, vier Boote vom Typ XXI und ein Boot vom Typ XXIIP®. Aus einer handschriftlichen No- tiz des Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl, anläßlich einer Besprechung mit Nikita S. Chruscev, Georgij M. Malenkov und Vjaceslav M. Moiotov am 9. Juli 1953 in Moskau ist ersichtlich, daß (nach dem 17. Juni 1953!) »vier U-Boote der So- wjetunion nicht übergeben werden und [...] die U-Boot-Spezialisten zurückgeschickt und [...] bei Seeschulen Geräte und Lehrmaterialien belassen [...] werden sollen«^'. Aus dieser Quelle ergibt sich, daß die Sowjetunion vorerst nur vier Boote an die VP-See übergeben wollte. Aus keiner der vorhandenen Quellen ist ersichtlich, wel- che der U-Boot-Typen zu den ersten vier anzuliefernden U-Booten gehören sollten. Die befragten Zeitzeugen bestätigen übereinstimmend, daß seitens der sowje- tischen Militärberater nur die Übergabe von Booten mit ca. 2501 des Typs »M« ge- plant waren. Dabei sind die Angaben von Harry Bauer als Dolmetscher, Siegfried Demo als Kommandantenschüler, Gerhard Vandreier als Ing.-Lehrkraft und Ulrich Israel als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kommando der Volksmarine beson- ders präzise und aussagekräftig. Es berichtet aber auch Kapitänleutnant Gerhard KHppstein, daß sich »die Berater und ihre Dolmetscher [insgesamt 36 Personen] in ständigem Streit über fachlich zu übersetzende Dinge befanden«'''. Bauer bestätigt diese Auseinandersetzungen über die aus sowjetischen Vor- schriften und Ausbildungsmaterialien des U-Boot-Typs M XV übersetzten deut- schen Begriffe. Die genaimten Zeitzeugen lassen keinen Zweifel daran, daß aus- schließlich die Übergabe des sowjetischen U-Bootes des Typs »M« XV vorgesehen war. Sie verweisen ausdrücklich auf die Übersetzungen der Vorschriften folgen- der sowjetischer Gerätetypen: Torpedo, Typ 53-38; Kanone 45-mm-U-Boot-Kano- ne 21-K L/46; Navigations-Echolot NEL 3; Zielgerät KLN-1; Kreiselkompaß Kurs 14; Sehrohre Sta SR 5/2 und PS/7; Geräusch-Peilstation Mars 16 Ki u.a. Die im Militär-Archiv vorUegenden Unterrichtsdispositionen weisen ebenfalls auf einen sowjetischen U-Boot-Typ hin. Dies trifft besonders auf das Unterrichts- material »Disposition über SchiffsroUenpläne« zu. Beweiskräftig sind auch die nicht fertig übersetzten sowjetischen Vorschriften'®. Die taktisch-technischen Daten und andere Besonderheiten der sowjetischen Küsten-U-Boote vom Typ »M« XV geben weitere Hinweise für ihren geplanten Einsatz in der VP-See''. Das Beladen der vier Bugtorpedorohre des U-Bootes erfolgte bei vorgeflutetem Hinterschiff mittels Kran

Boris V. Lemachko und Siegried Breyer, Deutsche Schiffe unter dem Roten Stern. Das Schicksal der 1945/46 von der Sowjetunion übernommenen Schiffe und Boote der ehe- maligen deutschen Kriegsmarine, Friedberg/H. 1992 (= Marine-Arsenal, Sonderh. 4), S. 5 und S. 17-23. Protokoll Nr. 50/53 der Sitzung des Politbüros am 10.7.1953, SAPMO-BArch, DY 30/JIV 2/2-304, Bl. 12. ^^ Bericht Kapitänleutnant Klippstein, S. 2, Archiv Elchlepp. '' BA-MA, DVM 2/6374 und 6375, insbesondere das Übergabeprotokoll der nicht voll- ständig übersetzten sowjetischen Literatur der Dienststelle S7 an die Dienststelle AI Reg. Nr. 39: Beschreibung des 45 mm Artilleriesystems (21-K) Reg. Nr. 68; Richtlinien für den Betrieb der Schiffsdieselmotoren. " Wasserverdrängung 2831 (unter Wasser ,3501), Länge 49,5 m. Breite 4,4 m, Tiefgang 3,5 m; der Antrieb bei Überwasserfahrt erfolgte durch einen 920 Diesel (dem entsprach auch der angelieferte Ausbildungsdiesel), bei Unterwasserfahrt durch einen 4601% E-Motor; die Höchstgeschwindigkeit betrug über Wasser 15,5 sm/h und unter Wasser 7,9 sm/h; Fahrtbereich: 3000 sm/bei 8,5 sm/h; Bewaffnung: vier 533 mm Torpedorohre im Bug und eine 45 mm Kanone; zur Besatzung gehörten 24-26 Mann. Siehe Handbuch: Korabli i Suda WMF/SSSR, 1928-1945, Moskva 1988, S. 50-53. 180 MGZ 62 (2003) Friedrich Elchlepp

von Land aus. Als Indiz für die beabsichtigte Übergabe des Bootstyps »M« XV kann der hierfür an der Westmole errichtete Hammerkran gelten. Auch die An- schlüsse für E- und Dampfversorgung der künftigen Boote sollen dem Typ »M« XV angepaßt gewesen sein. Die Existenz einer Ladestation für Batterien und der Kom- pressorenraum weisen ebenfalls auf Besonderheiten des Bootstyps hin. Demge- genüber verwendeten die U-Boote des Typs VIIC zwar einen E-Landanschluß, be- saßen aber keine DampfbeheizimgsmögÜchkeit, das Aufladen der Batterien und der Luftflaschen erfolgte mit Bordmitteln.

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Gewässer um Rügen, Nördlicher Teil, SHD1960

Noch ein Wort zu den deutschen U-Booten. 1952/53 waren sie, wie bei Lemachko und Breyer nachzulesen ist^°, offensichtlich fahrbereit. Ein Blick in die

Lemachko/Breyer, Deutsche Schiffe (wie Anm. 15), S. 17. Die U-Boot-Waffe der DDR 181

Seekarte von 1960 zeigt eine Wassertiefe von 5,3 m an der Saßnitzer-Westmole, die als Liegeplatz für die U-Boote vorbereitet wurde. Bekanntlich betrug der Tiefgang der U-Boote vom Typ VIIC/41 4,8 m bei 6001 Wasserverdrängung in aufgetauch- tem Zustand. Es ist wenig wahrscheinlich, daß die sowjetische Marine das Risiko einer nicht ausreichenden Wassertiefe bei entsprechender Beladung und Ausrü- stung eingegangen wäre^'. Die Besatzungsstärke eines Bootes »M« XV mit 25 Mann führt zu folgenden Überlegungen: Bei zwei Divisionen zu je sechs Booten bestünde ein Personalbedarf von 300 Mann, dazu kämen Personal für Stäbe und Personalreserve. Die Anzahl der in der ULA vorhandenen Kursanten betrug für 12 Boote: 53 Offiziere, 149 Unteroffiziere und 120 Mannschaftsdienstgrade, dazu 160 Mann Reserve und für alle Land- funktionen Stäbe, Nachrichten usw., insgesamt 482 Kursanten. Schon die sowjeti- schen U-Boot-Besatzungen (Uffz. und Mannschaften), die an der ULA den Unter- richt unterstützten, waren zum Doublieren der deutschen Besatzungsmitglieder vorgesehen und auf U-Boote vom Typ »M« XV speziahsiert. Man kann als^ davon ausgehen, daß die vier auszuliefernden U-Boote aus- scMießlich Boote des Typs »M« XV waren. Diese Feststellung bleibt dennoch eine Hypothese, bis die tatsächlichen Vorhaben mit den Unterlagen in sowjetischen Marinearchiven verglichen werden können. Für deutsche Besatzungen wären die relativ kleinen sowjetischen Boote für einen Einsatz in der westlichen Ostsee und in der Belt- und Sundzone (mit ihren geringen Wassertiefen) das bessere Kampf- mittel gewesen. Der Version, die Übergabe von U-Booten des deutschen Typ VIIC sei auch mög- lich gewesen, soll ebenfalls nachgegangen werden. Zu den vier VII C-Booten, die der Sowjetuiüon als Kriegsbeute übergeben wurden, heißt es: »Alle U-Boote wurden am 15.12.1945 in die Baltische Flotte integriert. In den Jah- ren 1947/48 wurden auf ihnen die Torpedorohre ersetzt und - soweit noch vorhan- den - die Rohrwaffen abgebaut.« Da sowohl die deutschen als auch die sowjetischen Torpedos ein Kaliber von 533 mm besaßen, muß dieser Wechsel auf andere techni- sche Anforderungen zurückzuführen sein. Die VII-C-Boote fuhren bis Oktober 1949 unter den Bootsnummern N-21 bis N-24, danach als S81 bis S84. »Ab 1954/55 dien- ten alle zu Ausbildungszwecken, 1960/61 sind sie außer Dienst gestellt worden^.« 1952/53 waren die ehemaligen deutschen U-Boote vom Typ VII C offensicht- lich fahrbereit und einsatzfähig. Es bestand also die reale Möglichkeit, diese vier Boote an die VP-See der DDR zu Ausbildungszwecken zu übergeben. Man hätte mit ihnen z.B. an der Pier im Saßnitzer Hafen praktische Ausbildungen bis zum Tauchmanöver durchführen können. Von deutscher Seite wäre aber für solche Ver- suche die umfangreiche deutsche Bord-Dokumentation erforderlich gewesen. Sie ist nie erwähnt oder bei späteren Recherchen gefunden worden. Es läßt sich den- noch erklären, warum die deutschen U-Boote vom Typ VIIC in den Jahren 1952/53 bei der Planung des künftigen Schiffsbestandes der Seestreitkräfte eine bestimm- te Rolle gespielt haben. Ein interessanter Hinweis ist in dem Dokument »Erfor- derliche Maßnahmen für die Durchführung des Marine-Bauprogramms 1954-1956«

Rainer Busch und Hans-Joachim Roll, Der U-Boot-Krieg 1939-1945, Bd 2: Der U-Boot-Bau auf deutschen Werften, Hamburg, Berlin, Bonn 1997, S. 265. Lemachko/Breyer, Deutsche Schiffe (wie Anm. 15), S. 17. 182 MGZ62 (2003) Friedrich Elchlepp zu finden. Hier sind für den U-Boot-Bau auf DDR-Werften und ihre Auslieferung 1955 vier und 1956 zehn Boote, insgesamt 14 Boote vorgesehen^. Um welchen U-Boot-Typ es sich handelte, kann ebenfalls aus diesem Doku- ment mit dem Codenamen »Zeuthen« ersehen werden: »U-Boote, 750 t = 14 Fahr- zeuge«. Auf Blatt 27 des o.g. Dokumentes gibt die »Allgemeine Bemerkung« einen weiteren Hinweis: »Es wird empfohlen, für den Beginn des U-Boot-Baues in der DDR zunächst auf die vorhandene Type zurückzugreifen und diese nachzubauen Die Angabe 750 t verweist auf den Typ VII C/41, wobei für 1953 der Bau eines »Muster-U-Bootes« vorgesehen war und dazu, wie auf Bl. 28 benannt, ein »vorhandenes Boot Typ VIIC« genutzt werden soUte. Der vorhandene Boots-Typ war das unter großen Schwierigkeiten vor Warnemünde von Herbst 1952 bis Fe- bruar 1953 gehobene U 1308 (Typ VII C/41). Es wurde später in der Volkswerft Stralsund aufgeslipt, die Aufmessung und Reparatur allerdings 1957 abgebrochen und das Boot verschrottet. Die Ausrüstung der VP-See mit U-Booten des Typs VII C beruht auf Vorstel- lungen der Führung der VP-See, die der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland vom Chef der VP-See, Waldemar Vejner, am 15. April 1953 übergeben wurde. Um die Forderung Stalins bzw. Ulbrichts und Piecks zum Aufbau einer ostdeutschen U-Boot-Waffe so schnell wie möglich zu erfüllen, wur- de in den o.g. Schiffbauplan die Einführung von U-Booten aufgenommen. Da die deutschen Verfasser des Planes entweder selbst auf dem Typ VIIC gefahren wa- ren oder von diesen Booten gehört hatten, wurde dieser Typ allen Forderungen zugrunde gelegt. Offensichtlich reichte die Abstimmung mit der sowjetischen Sei- te aber nur bis zur Marineabteilung der Kontrollkommission, nicht jedoch bis Mos- kau. Von dort waren wahrscheinlich U-Boote des Typs »M« XV als Exportobjekte befohlen, die selbstverständlich zu bezahlen waren. So ist zu erklären, daß für die ULA vorerst 4 Boote des Typs »M« XV vorgesehen waren, während zur gleichen Zeit in den deutschen Schiffbauplänen ausschließlich der Typ VIIC zu finden ist. Diese unabgestimmte Zweigleisigkeit war in jener Zeit nichts Besonderes, standen doch auch z.B. die örtlichen Demontagen nicht immer mit den in Moskau festge- legten Reparationsforderungen in Übereinstimmung. Der kleine Bootstyp - in den Nachschlagwerken als Typ »M« (Malaja bzw. Maljutka, d.h. »Kleines«) bezeichnet, war mit seinen taktisch-technischen Daten für den Ostseeraum gut geeignet. Das erste Boot vom Konstruktionstyp »95«, Typ XV, vmrde 1943, das letzte »M«-294 (am 3. März 1953) in Dienst gestellt. Durch viele Konstruktionsänderungen (4 Torpedorohre an Stelle von 3) war nach dem Zweiten Weltkrieg ein exportfähiges Klein-U-Boot (2501) entstanden, das z.B. mit insgesamt 6 Booten an Polen verkauft wurde und zu Besuchen auch DDR-Häfen anlief. Es liegt auf der Hand (und wurde bei Überwasserkriegsschiffen ebenso ge- handhabt), daß die Sowjetuiüon ein im Krieg erprobtes, nicht mehr geheimzuhal- tendes U-Boot an die junge VP-See der DDR verkaufen wollte. Schon aus Grün- den der Geheünhaltung wurde das neu entwickelte U-Boot vom Konstruktionstyp »613« (NATO-Bezeichnung »Whisky«, Indienststellung 1951) nicht sofort an die DDR verkauft. Erst in den 60er Jahren erhielt Polen eirüge dieser Boote, von denen insgesamt 205 gebaut wurden.

^ BA-MA, Pt 5350, Erforderliche Maßnahmen für die Durchführung des Marine-Baupro- gramms 1954-1956, Bl. 27. Ebd., Bl. 8-28, hier Bl. 9,27 f. Die U-Boot-Waffe der DDR 183

Die Schließung der ULA und Aktivitäten danach

Der Ausbildungsprozeß an der ULA der VP-See begann am 5. Januar 1953 irüt ca. 480 Offizier-, - und Mannschaftskursanten. U-Boote standen für die Ausbildung nicht zur Verfügung. Zeitzeugen, die nach der Eröffnung der ULA als Kommandanten- bzw. Leitende Ingenieuroffizier-Kursanten an der Ausbildung teilnahmen, erinnern sich daran, daß den deutschen Lehrkräften übersetzte Lehr- konspekte (Dispositionen) für die Unterrichtsstunden zur Verfügung standen. Auch für die Anschauungs- und Lehrmittel waren schriftliche Ausarbeitungen vorhan- den. Für das Frühjahr 1953 waren die ersten U-Boote zu Schulzwecken angekün- digt worden. Anfang Juni ist behauptet worden, sie seien aus BCronstadt ausge- laufen bzw. in Swinemünde eingelaufen. Um wieviele Boote welchen Typs es sich handelte, wurde nicht mitgeteilt. Diese Boote erreichten niemals den Hafen Saßnitz, denn der Volksaufstand vom 17. Jurü 1953 - der in Saßnitz kaimi Bewegungen her- vorrief - schuf eine völlig neue Lage^. Zu den Auswirkungen gehörte auch die Schließung der ULA Dwasieden. Der Befehl des Ministers des Innern Nr. 137/53 vom 28. Juli 1953 besagte: »1. Die bisherigen Dienststellen S7 und S8 sind aufzulösen. Die Offiziere, Unterführer und Mannschaften dieser Dienststellen sind in andere Dienst- stellen zu versetzen. [...] 3. Die Auflösung der Dienststellen [...] ist bis 1.8.1953 durchzuführen. 4. Der Chef der Verwaltung Volkspolizei-See erläßt zur Durchführung dieses Befehls Einzelanordnungen [...]« Die Anordnung Nr. 20/53 vom 24. Juli 1953 des Chefs der VP-See besagte: »l.a) Mit Wirkimg vom 1.7.1953 ist der Lehrbetrieb in den Dienststellen S7 und 58 einzustellen, l.b) mir bis zum 29.7.1953 Vorschläge über den weiteren Einsatz des frei- werdenden Lehrpersonals und Stammpersonals [...] zu unterbreiten.« Interessant war die Anweisung: »l.c) [...] für eine ordnungsgemäße Lagerung und Konservierung der Lehr- geräte der Dienststelle -S7- und -S8- Sorge zu tragen«^^. So ganz war wohl der Gedanke an eine Weiterführung der U-Boot-Ausbildung nicht aufgegeben worden. Bereits Ende 1953 schlug der Chef der KVP, General- leutnant Heinz Hoffmarm, der Parteileitung in einem Auskimftsbericht die Wie- deraufnahme der U-Boot-Ausbildung in der VP-See vor^''. Möglicherweise beruh- te darauf die Sicherung des Ausbildungsmaterials der aufgelösten Dienststelle ULA/S7. Die U-Boot-Ausbildung in der ULA war zwar abgebrochen, aber 1954 beschäftigte sich auch ein Stabsorgan der VP-See mit der Zweckmäßigkeit der Or- ganisation einer U-Boot-Waffe und ihrer Ausbildung. In der Planung war ein Be- fehlshaber der U-Boot-Waffe vorgesehen, der dem Chef der VP-See direkt unter-

BA-MA, DVM2/6185, Abschlußbericht der Dienststellen über die Vorgänge am 17.6.1953, Bl. 4. BA-MA, DVM2/6140, Befehl des Ministers des Innern Nr. 137/53 vom 28.7.1953, BI. 115 und BA-MA, DVM2/6167, Anordnung Nr. 20/53 des Chefs der VP-See vom 24.7.1953, Bl. 58 f. Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, DY 30/JIV 2/202-64, Bl. 129. 184 MGZ 62 (2003) Friedrich Elchlepp stellt werden sollte^®. Die Konzipierung einer U-Boot-Waffe lief »stabsmäßig« wei- ter, zu einer Realisierung kam es bis 1990 aber nicht. Diedrich und Wenzke beschreiben weitere U-Boot-Aktivitäten der VP-See in den Jahren 1955/56. So wurde 1955 ein U-Boot Typ XXIII (U-2344) vor Heiligen- damm gehoben und der Neptunwerft der Auftrag erteilt, das U-Boot für die U-Jagd als Zieldarstellungsboot wieder tauchfähig zu rekonstruieren. Aufgrund der Zerstörungen im Inneren und an der Außenhaut wurde das Boot abgewrackt. Die SED-Sicherheitskommission befaßte sich 1956 ebenfalls mit der U-Boot-Frage. Walter Ulbricht soll in dieser Zeit seine Meinung dahingehend geäußert haben, »daß eine U-Bpot-Produktion in der DDR wegen des bedenklich hohen ingenieur- technischen- und Instandhaltungsaufwandes sowie der fehlenden speziellen Werft- kapazitäten ökonomisch unzumutbar sei«^'. Wie wir heute wissen, war damit das sowjetische Drängen auf Bau und Ein- satz von DDR-U-Booten nicht abgeschlossen. Einem GVS-Bericht des Chefs des Stabes der Volksmarine, Konteradmiral Heinz Neukijrchen, über eine Unterredung mit dem Minister für Verteidigvmg der UdSSR, Marschall Rodion I. Maünovskij, vom Februar 1963 ist zu entnehmen, daß der sowjetische Marschall die Meinung äußer- te, die Volksmarine sollte »kleine einfache U-Boote bauen [...] von rund 1001, die speziell für geringe Wassertiefen in der Ost- und Nordsee oder auch in der Meer- enge des Bosporus geeignet sind«^. Dies war der massivste Vorstoß der sowjetischen Seite, dem noch die eine oder andere Aufforderung zum U-Boot-Bau folgte. Diese Hinweise hatten jedoch bis 1990 keinen Erfolg". Eine U-Bootwaffe wurde in der DDR rücht aufgebaut. Fahrbereite U-Boote gab es nicht, folgüch kann auch rüemand auf ihnen zur See gefahren sein. Ein Beispiel soll abschließend zeigen, wie dennoch Legenden und Gerüchte darüber entstan- den sind. U-Jagd der Volksmarine auf ein polnisches U-Boot, das zur Zieldarstellung diente. Ab 1960 stellte die polnische Kriegsmarine der VoUcsmarine der DDR für ihre U-Jagd-Ausbildung auf Anforderung ein U-Boot, anfangs vom Typ »M«, zur Verfügung. Die Ausbildung erfolgte nördlich Arkona, später auch in den 100-Me- ter-Tauchgebieten nördlich der Halbinsel Heia. Bei diesen Übungen der DDR-U- Jagd-Kräfte war stets ein Offizier der Volksmarine als Verbindungsoffizier auf dem Zieldarstellungs-U-Boot der polnischen Kriegsmarine eingesetzt. Der Zeitzeuge Fregattenkapitän Günter Krause brachte es auf diese Weise auf 180 Tauchstunden. Der Verbindungsoffizier war sowohl Verbindungs-, Sicherheits- als auch Beno- tungsoffizier für die gefahrenen Angriffe der U-Jäger. Im JuU und September 1978 waren im U-Jagd-Abschnitt der Volksmarine, an der Pier in Gdynia/Oxhöft, Ver- treter der DDR-Presse anwesend. Zur Überraschung der Korrespondenten entstieg dem U-Boot ein Fregattenkapitän der Volksmarine. Damit stand für die Presse- vertreter fest: die Volksmarine fährt - weim auch nur als Gast - ihre Besatzungen auf polnischen U-Booten ein. Es durfte darüber zwar nichts geschrieben werden.

BA-MA, DVM2/6205, Studie vom 8.4.1954 über die Zweckmäßigkeit der Organisation der U-Boot-Waffe der VP-See, Bl. 23 f. Diedrich/Wenzke, Die getarnte Armee (wie Anm. 2), S. 395 f. BA-MA, AZN 32598, Aktemiotiz des Chefs der Volksmarine vom 9.3.1963 über eine Be- ratung mit den Flottenchefs unter Leitung des Oberbefehlshabers der Seestreitkräfte (SSK) der UdSSR, 26.-28.2.1963 in Moskau, Bl. 10 f. Jablonsky, NVA-Volksmarine (wie Anm. 14), S. 159. Die U-Boot-Waffe der DDR 185 aber die Flüsterpropaganda war auch so schneller als jede Tageszeitung. Daher gibt es bis heute Menschen, die auf DDR-U-Booten zur See gefahren sind oder zu- mindest von deren Existenz gewußt haben wollen. Die derzeitige Aktenlage und die Zeitzeugenbefragung bekräftigen jedoch die Feststellung, daß es in der-DDR keine U-Boot-Waffe gegeben hat. www.oldenbourg-verlag.de Geschichte Zeitgeschichte Soziologie Philosophie Politik Oldenbourg Schlussbericht der Historiker- 2003. 517 s. € 29,80 kommission der Republik Österreich ISBN 3-486-56744-6 (D) ISBN 3-7029-0474-3 (A) Vermögensentzug während der NS-Zeit Veröffentlichungen der sowie Rückstellungen und Entschädi- Österreichischen Historiker- kommission. Vermögens- gungen seit 1945 in Österreich entzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Zusammenfassung und Einschätzungen Österreich Band 1

zum Inhalt Die Historikerkommission wurde 1998 Die Autoren: eingesetzt, um den Umgang Österreichs mit der Clemens Jabloner Brigitte Bailer-Galanda NS-Vergangenheit und der Nachkriegsgeschichte Eva Blimlinger zu untersuchen. Der Schlussbericht ist das Georg Graf Schlüsseldokument für alle von der Historiker- Robert Knight Lorenz Mikoletzky kommission erarbeiteten Untersuchungen. Hier Bertrand Perz wird in einmaliger Breite der österreichische Roman Sandgruber Umgang mit der NS-Vergangenheit in Hinsicht Karl Stuhlpfarrer Alice Teichova auf den Vermögensenteignungen thematisiert.

Aus der Presse Mehr als hundert Fachleute haben in fünfjähriger Arbeit auf 14.000 Seiten eine Bestandsaufnahme vorgenommen, für die man dankbar sein muß, auch wenn sie schmerzvoll ist. Kurt Scholz, Restitutionsbeauftragter der Stadt Wien, Die Presse 26.2.2003

Der Schlussbericht liefert kein einziges Argument, irgendwann einmal einen Schlussstrich unter ein ruhmloses Kapitel österreichischer Geschichte setzen zu können. (...) Viele Fälle müssen neu aufgerollt werden. Und die Arbeit der Kommis- sion muss weitergehen. Auch wenn es schmerzt. Thomas Trenkler, Der Standard 25.2.2003

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