„KUNSTREBELLEN“ – WIE DIE KÜNSTLER DER BERLINER SECESSION DER MODERNE DEN WEG BEREITEN Ein künstlerischer und kulturgeschichtlicher Workshop zu Bildern von Malern der Berliner Secession in der Charlottenburger Kunstsammlung

Leitfrage und Programm Der Frage nach den Positionen der Künstler der Berliner Secession und ihrer Bedeutung für die damalige Kunstsituation wird in vier Schritten mit unterschiedlichen Arbeitsweisen nachgegangen.

Franz Skarbina: Kurpromenade in Karlsbad, Walter Leistikow: Brücke am Dianasee, Philipp Franck: Badende Jungen an der Havel, : Zur Grube (von links nach rechts). © Kulturamt Charlottenburg-Wilmersdorf von . – Fotos: Hans-Joachim Bartsch

Einstieg: Die Villa Oppenheim als idealer Rahmen für eine Zeitreise ins Kunstmilieu um 1900

Die Villa Oppenheim, bis 1909 als Familiensommersitz vor den Toren Berlin genutzt, ist ein geradezu idealer Ort für diese Reise ins Kaiserreich zur Zeit Wilhelms II., die sich mit der Entwicklung Berlins als Kunstort von einem geradezu provinziellen zum bedeutendsten Kunstzentrum in Deutschland befasst. Die Stadt Charlottenburg spielt eine wichtige Rolle bei dieser Entwicklung, und die Bewohner dieses Hauses, liberale kunstsinnige Vertreter des Großbürgertums, waren mehr als einfach nur Zeitgenossen der „Kunstrebellen“ der Berliner Secession. Einer von ihnen, der Maler Joseph Block, gehörte zu den Gründungsmitgliedern dieser Künstlervereinigung. Bei einem Gang durchs Haus (zur ersten Station im ersten Stock) kann etwas von Atmosphäre und Zeitgeist dieser Epoche vermittelt werden.

Wenn führende Mitglieder der Berliner Secession auf einem Foto von 1908 als „Kunstrebellen“ vorgestellt werden, u.a. Walter Leistikow, Hans Baluschek, , wird deutlich, wie gut sie in das Ambiente der Villa passen. Das Bild kann Anlass geben zu Vermutungen über Inhalt und Art und Weise ihrer „Rebellion“.

1. Kunst im Staatsauftrag: Der Historienmaler erfüllt die offiziellen Ansprüche an die deutsche Kunst (Bild- und Textanalyse / Seminarraum, moderiertes Gespräch in der Gesamtgruppe)

Die Projektion des monumentalen historischen Ereignisbildes Anton von Werners „Die Eröffnung des Reichstages im Weißen Saal des Berliner Schlosses durch Willhelm II. 1888“ von 1893 ermöglicht den Schülern einen Eindruck davon, wie sich das Kaiserreich unter Wilhelm II. dem In- und Ausland offiziell darstellte. Die Historienmalerei galt damals noch als Bildgattung von besonders hohem Rang. Anton von Werner war nicht nur einer der letzten wichtigen Vertreter dieses Genres, sondern auch der einflussreichste Funktionär im damaligen Kunstbetrieb. Die Ansprüche Wilhelms II. an die Künstler können die Schüler Zitaten seiner Rede zur Enthüllung des letzten Denkmals der Siegesallee 1901 entnehmen: Die Kunst solle sich nicht vom „ewigen, sich gleich bleibenden Gesetz der Schönheit und Harmonie“ loslösen; sie möge das Volk erziehen und erheben, statt dass sie „in den Rinnstein niedersteigt“. Dem stehen andere Kunstauffassungen gegenüber, wie Auszüge aus dem Ausstellungskatalog der Berliner Secession 1902 zeigen: Max Liebermann, ihr damaliger Präsident, vertritt darin das Recht des einzelnen Künstlers, nach eigenem Gutdünken immer wieder Neues zu wagen.

2. Unabhängig von der offiziellen Kunstauffassung entwickeln die Neuerer eigene individuelle Positionen. (Analyse von vier Gemälden in den Räumen der Charlottenburger Kunstsammlung / Gruppenarbeit und moderiertes Gespräch)

Mit denselben Fragen, die schon an das Gemälde von Anton von Werner gestellt wurden, setzen sich die Schüler in Arbeits- gruppen jeweils mit einem Gemälde der Berliner Secession auseinander. Sie finden die Unterschiede zur „Eröffnung des Reichtags“ heraus in Bezug auf das, was gezeigt ist (Motive / Orte, Personen, Ereignis), auf das, wie es gemalt ist (Pinselführung, Farbauftrag, Farben, Formen) und auf das, wie es es aufgebaut ist (Komposition / Perspektive / Standpunkt des Betrachters) und erarbeiten so wesentliche Merkmale der neueren Kunstrichtungen. Die Motive dieser Bilder sind weit entfernt vom kaiserlichen Hof und dessen Einflusssphäre. Sie stammen aus dem privaten Leben der Künstler, ihrer persönlichen Umgebung, der Freizeit, dem Arbeitsalltag. Ihre Malweise eignet sich nicht zur Verherr- lichung der deutschen Nation, sondern konzentriert sich auf das Malerische, macht die Kunst selbst zum Gegenstand. Ohne sich um tradierte Regeln und Qualitätsnormen zu kümmern, experimentieren die Künstler mit neuen Ausdrucksformen für ihre subjektiven Sichtweisen und Empfindungen.

Um 1900 war die Stilvielfalt groß, die Streits um die Berechtigung der Stile heftig. Die Suche nach künstlerisch neuen Wegen wurde von den Zeitgenossen oft als Rebellentum, Anarchismus, ja Revolution wahrgenommen. Umso mehr, als sich diese Künstler dann auch kunstpolitisch dem offiziellen Kunstbetrieb entzogen.

3. Abseits vom offiziellen Kunstbetrieb setzen sie sich durch, unterstützt von der Stadt Charlottenburg und privaten Förderern. (Gespräch in der Charlottenburger Kunstsammlung und im Seminarraum)

Angesichts der gelungenen Präsentation der Kunstwerke der Charlottenburger Kunstsammlung kann die unterschiedliche Wirkung von Werken je nach der Art, wie sie gehängt sind, thematisiert werden. Dass heute den Bildern Raum zur Entfaltung gegeben wird, hat seinen Ursprung auch in den Aktivitäten der „Kunstrebellen“ damals. Das offizielle Ausstellungswesen war in der Krise, die Zahl der Künstler enorm gewachsen, der Bedarf an Platz für die Werke gestiegen, die Qualität der Bilder eher gesunken. Die Folge: überforderte Auswahl- und Hängekommissionäre, mehrreihig vollgestopfte Säle, in denen gute Werke kaum zur Geltung kamen, unzufriedene Künstler und Kunstkritiker. Eine Verbesserung der Situation schien den Neuerern nur möglich durch den Rückzug aus diesem System. Selbstorganisiert als „Berliner Secession“ entwickeln sie eine eigene Ausstellungskultur: Sie gestalten ihre Ausstellungen nach künstlerischen Gesichtspunkten, veranstalten Begleitprogramme zur Bildung des Publikums, veröffentlichen Schriften zur Erläuterung und Verbreitung ihrer Ideen und setzen künstlerische Werbemittel ein. Sie wussten Bündnisse zu schließen und besondere Umstände zu nutzen. Die Stadt Charlottenburg war froh, ihre Attraktivität als Kunstort gegenüber Berlin erhöhen zu können und ermöglichte kurzfristig den Bau eines Ausstellungsgebäudes. Auch viele ihrer privaten Mäzene hatten ihren Wohnsitz in Charlottenburg. Ihre Aktivitäten brachten nicht nur ihnen selbst künstlerische Anerkennung und ökonomischen Erfolg, sondern machten Berlin zum bedeutendsten Kunstzentrum Deutschlands.

4. Die Berliner Secession als Selbsthilfeorganisation – was ist heute noch nutzbar?

Der Workshop mündet in eine Sammlung von Vorschlägen der Schüler zur Förderung der eigenen kreativen Interessen. Im Arbeitsraum können Entwürfe von Slogans und Logos für Buttons, T-Shirts und ähnliches erstellt und präsentiert werden.

Termine: Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr oder nach Absprache Dauer: 90 Minuten, auf Wunsch auch länger. Teilnehmer: ab 7. Klasse Kosten: 90 Minuten zu 50 € Information und Buchung: Tel. 9029-24105/06, Fax 9029-24160 und [email protected]