Ein Erfahrungsbericht Des Stadtarchivs (1996 – 2013 Von Gerold Bönnen
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
30 Mitteilungen aus den rheinland-pfälzischen und saarländischen Archiven Kommunales Archivwesen Kommunale Archivpflege im Wormser Umland: Ein Erfahrungsbericht des Stadtarchivs (1996 – 2013 von Gerold Bönnen Seit etwa ein bis zwei Jahren diskutieren Politi- 1. Ausgangslage und Vorgeschichte ker und Bürger in Rheinland-Pfalz nach mehr seit 1969 als einer Generation wieder über ein Thema, das nach der großen Reformwelle der Jahre Seit der als Folge der in Rheinland-Pfalz relativ 1968 bis 1972 fast als abgeschlossenes Kapitel früh, jedoch im Ergebnis weniger tiefgreifend als gelten konnte: Eine weitere Verwaltungs- und in anderen Bundesländern durchgeführten Ver- Gebietsreform auf der Ebene der Gemeinden im waltungs- und Gebietsreformen ab 1969 betrie- Land. Auch vor dem Hintergrund dieser aktuel- benen Bildung von aus selbständig bleibenden len, auch und gerade für das Archivwesen fol- Ortsgemeinden bestehenden Verbandsgemein- genreichen Debatte hatte der inzwischen als den (1972) hat sich das Stadtarchiv um die Leiter des Universitätsarchivs Mainz tätige Übernahme von Archiven benachbarter rhein- Archivreferendar Dr. Christian George im Jahre hessischer Gemeinden bemüht. In Absprache 2011 in seiner Transferarbeit an der Archivschu- mit dem Landesarchiv Speyer, das durch die le Marburg die Frage untersucht, welche For- Zusammenlegung der Regierungsbezirke Pfalz men der Zusammenarbeit von Gebietskörper- und Rheinhessen (ebenfalls 1969) auch für schaften zur Sicherstellung der gesetzlichen Rheinhessen zuständig geworden war, wurden Pflichtaufgabe der Archivierung von Unterlagen in der Amtszeit des bis 1996 tätigen Wormser nach den Bestimmungen des Landesarchivge- Archivdirektors Dr. Fritz Reuter (* 1929) seit setzes Rheinland-Pfalz im Land praktiziert wer- dem Jahre 1973 Bemühungen unternommen, den und welche möglich sind. 1 Im Zusammen- die Gemeindearchive von Eich, Hamm, Alsheim, hang seiner Recherchen hat sich der Verfasser Gimbsheim, Mettenheim (VG Eich) sowie von auch mit dem ausgesprochenen Sonderfall des Hohen-Sülzen, Kriegsheim, Mölsheim, Mörstadt, Stadtarchivs Worms befasst, das als einziges Monsheim, Offstein, Wachenheim/Pfrimm und Kommunalarchiv im Land Rheinland-Pfalz Ge- Flörsheim-Dalsheim (VG Monsheim) auf der meindearchivalien umliegender Verbandsge- Basis von Depositalverträgen in das Stadtarchiv meinden (bzw. von deren Ortsgemeinden) ver- Worms zu verbringen, dort sachgerecht aufzu- wahrt und sich seit den 1970er Jahren laufend bewahren, zu verzeichnen und für die Benut- und in den letzten Jahren mit gesteigerter Inten- zung bereit zu halten. Der Zusammenhang mit sität um die Belange der örtlichen Archivpflege den bereits 1969/72 betriebenen Übernahmen für diese Gemeinden kümmert. der Archivalien der sechs 1969 nach Worms eingemeindeten Orte (Rheindürkheim, Aben- Im vorliegenden Beitrag soll vor diesem Hinter- heim, Wiesoppenheim, Heppenheim/Wiese, grund der Versuch unternommen werden, die in Pfeddersheim, Ibersheim) 2 ist evident, waren der Archivpflege für das rheinhessische Umland doch alle genannten, bis 1798 überwiegend von Worms seit 1996, dem Dienstantritt des kurpfälzischen Gemeinden bis 1969 Teile des Verfassers als Wormser Stadtarchivar, gesam- zu diesem Zeitpunkt aufgelösten Landkreises melten Erfahrungen mit Archivpflege und Über- Worms und somit historisch-verwaltungsmäßig nahmen, Erschließung und Nutzbarmachung mindestens seit der Bildung des Kreises in der des Archivgutes der 14 (bzw. 15) betroffenen Zeit des Großherzogtums Hessen 1835 klar auf Ortsgemeinden vorzustellen und dabei auch der Worms hin ausgerichtet. Frage nachzugehen, ob dieser Sonderfall auf andere kommunale Archive übertragbar sein könnte. Es stellt sich hier also auch die Frage, 2 ob das stärkere Engagement von hauptamtlich Von den dabei übernommenen (zurzeit) zusammen besetzten Kommunalarchiven für ihr Umland ein 208 lfm der genannten Archivabteilungen entfällt fast die Hälfte auf den reichen und bemerkenswerten Bestand des Beitrag zur Entschärfung der Probleme in der eingemeindeten Pfeddersheim (1954 Wiedererlangung Archivpflege darstellen könnte oder die Worm- älterer Stadtrechte, bereits kurz nach 1300 zeitweilig ser Erfahrungen nicht übertragbar sind. Reichsstadt, an Kurpfalz verpfändet, Abt. 49). Die insbeson- dere für die frühe Neuzeit ganz außergewöhnlich reichhalti- gen und wertvollen Archivalien wurden bis 2005 neu ver- zeichnet. Der Aktenbestand umfasst 4.427 Verzeichnungs- einheiten in 612 Archivkartons, dazu kommen 46 Perga- 1 Christian George, Archivverbünde bei kleineren und mittle- menturkunden; vgl. die Übersicht über die Archivbestände ren Kommunen in Rheinland-Pfalz. Transferarbeit im Rah- unter: http://www. stadtarchiv-worms.findbuch.net. Nach men des 45. Wissenschaftlichen Kurses für den höheren dem von Reuter (vgl. Anm. 3) Ende 1974 mitgeteilten Stand Archivdienst, eingereicht 29.03.2012, 36 S. (Ex. Stadtarchiv waren seinerzeit rund 106 lfm Schriftgut der eingemeindeten Worms, Abt. 204 Nr. 39-01/15, hier v. a. S. 24 f.). Orte vom Stadtarchiv übernommen worden (S. 113). Unsere Archive Nr. 58 31 Das Stadtarchiv konnte bei seinem Vorstoß, der durch kulturelle Aktivitäten (z. B. Einsatz eines sich nicht zuletzt aus gewissen örtlichen Vorbe- Bücherbusses der Stadtbibliothek seit ca. 1928 halten gegenüber einer alternativ möglichen im Umland, zeitweilige Übernahme der Archiva- Abgabe von Archivgut in das Landesarchiv lien der Gemeinde Bechtheim 1927 bis ca. 193, Speyer und somit in die Pfalz speiste, auf die Vortragstätigkeit etc.) zu durchdringen und hier geringen Entfernungen, die historisch gewach- Flagge zu zeigen. 4 senen Vorortfunktionen der Stadt und die Mög- Alle übernommenen Gemeindearchive entspre- lichkeiten der dortigen Lagerung verweisen und chen in ihrer Struktur und Aufstellung dem hes- die bei den Übernahmen des Jahres 1969/70 sischen Registraturplan von 1908 5 und wurden gemachten Erfahrungen mit den örtlichen Ge- in Anlehnung daran verzeichnet. Die Verluste gebenheiten und den logistischen Herausforde- gegenüber dem Vorkriegsstand konnte man rungen nutzen. Vor die Wahl gestellt, die Unter- durch Vergleich mit den summarischen Über- lagen nach Speyer abzugeben, zogen daher sichten im Inventar der Gemeindearchivbestän- viele die Wormser Lösung einer öffentlich- de des Kreises Worms aus dem Jahre 1937 in rechtlichen Vereinbarung vor, zumal (heute nicht etwa ermessen. 6 Der Überlieferungsschwer- mehr leicht vorstellbar) diese Hinterlegung und punkt liegt im 19. und 20. Jahrhundert, wobei damit Aufgabenübernahme nicht mit Kosten für einige Gemeindearchive der VG Eich eine dich- die Gemeinden verbunden werden sollte bzw. te und qualitativ hochwertige Überlieferung aus zu dieser Frage gar keine Regelung getroffen der Zeit des Alten Reiches, vor allem für das 18. wurde. Die Übernahmen wurden durch diverse Jahrhundert, aufweisen; auf die Bedeutung die- Nachfragen nach noch vorhandenen, nachträg- ser Quellen für die Forschung ist noch einzuge- lich noch abgelieferten Unterlagen begleitet, da hen. erste Sichtungen der nach Aktenplangruppen übernommenen Gemeindearchivalien Lücken Erfreulicherweise verfügen wir ergänzend zu gegenüber den älteren, summarischen Inventa- den Gemeindearchivalien im Falle der Orte des risierungen der 1930er Jahre offenbarten. vormaligen Kreises Worms im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt über einen relativ reich- Zugleich legitimierten die vor allem 1975 umzu- haltigen Aktenbestand der Kreisverwaltung für setzenden neuen Aufgaben (vor allem die Her- die Gemeinden im dortigen Bestand G 15 Kreis ausforderung der Verzeichnung der umfangrei- Worms. 7 chen, de facto unverzeichneten, nur nach Akten- plangruppen aufgestellten Unterlagen) auch den Zunächst zur Verbandsgemeinde Eich: Nach seinerzeit noch von einem bescheidenen Niveau Vorarbeiten in den Jahren seit 1973 kam es in aus erfolgten personellen Ausbau des Archivs in der Zeit von 1976 bis 1980 zur schrittweisen den späten 1970er Jahren, das im November Überführung aller Archivalien der Gemeinden 1982 mit dem Raschi-Haus im vormaligen Ju- Eich, Hamm, Alsheim, Gimbsheim und Metten- denviertel seine beengten Räume im Haus zur heim (im Wesentlichen bis zum Jahre 1972 als Münze am Marktplatz verlassen und ein eigenes festgelegtem Grenzjahr) nach Worms. Aufgrund Domizil beziehen konnte. Bis 1989 gelangte auf eines Beschlusses des Verbandsgemeinderates diese Weise mit (zunächst noch) zwei Ausnah- wurde von der VG Eich schließlich im November men, auf die noch einzugehen ist, der weitaus 1980 – nach Abschluss der Transporte und ei- größte Teil der Gemeindearchivalien des rhein- ner ersten Sichtung – eine öffentlich-rechtliche hessischen Umlandes in das Stadtarchiv. 3 Aller- Vereinbarung mit der Stadt Worms geschlossen. dings hat das Beispiel, worauf jüngst George Die Archivalien wurden zwischen 1983 und hingewiesen hat, im Land keine Schule ge- 1986 vom Stadtarchiv Worms durch vollständige macht. und intensive Verzeichnung der Bestände in Nicht vergessen darf man auch, dass der im Rückblick durchaus als Glücksfall zu wertende 4 Vorstoß des Wormser Stadtarchivs, sich im Vgl. dazu den Überblick zur Wormser Archivgeschichte in: Gerold Bönnen (Bearb.), Das Stadtarchiv Worms und seine Umland zu positionieren, ideell bereits in die Bestände, Koblenz 1998 (Veröffentlichungen der Landesar- 1920er und 30er Jahre zurückreichte. Bereits chivverwaltung Rheinland-Pfalz 79), hier S. 18 ff.; Becht- der damalige Archivleiter Dr. Friedrich Illert heimer Gemeindeakten in Worms: StadtAWo Abt. 20 Nr. (1892 – 1966) war sehr darum bemüht, der 624, siehe