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Vicenza baut das Teatro Olimpico

Zum 500. Geburtstag von am 30. November 2008 Text: Bruce Boucher

Das bedeutendste Theater Die Accademia Olimpica, nach der das Theater benannt ist, war sich am Stadtrand an einer Ecke der Piazza dell’Isola schräg ge- von bleibt das be- eine jener zahlreichen privaten Akademien, die in der Renais- genüber dem Palazzo Chiericati von Palladio befand. Die Er- rühmte Teatro Olimpico, ein Spätwerk von Palladio. Blick sance in vielen italienischen Städten aufblühten. Diese Verei- richtung des Theaters in dieser Zone, die den Hafen einschloss hinter die Kulissen auf die nigungen hatten teils geselligen, teils kulturellen Charakter und das Entree der Stadt für die Ankömmlinge aus Richtung Holzkonstruktion der anstei- mit dem erklärten Ziel, die humanistische Bildung zu pfle- Padua bildete, war ein weiterer Schritt zur Aufwertung des genden „Straßen“. Das Foto entstand vor der Sanierung. gen. Die 1555 gegründete Olimpica fiel insofern aus dem Rah- Bezirks. men, als sie auch Nichtaristokraten aufnahm; Palladio und die Zur Eröffnung des neuen Theaters im Jahr 1585 bot sich Söhne des Künstlers Valerio Belli gehörten von Anfang an zu den Zuschauern dasselbe Bild wie heute: eine monumentale, ihren Mitgliedern. Diese private Begegnung von Künstlern und kastenartige Bühnenfassade mit drei Geschossen und fünf Por- Edelleuten ging auf Trissinos Akademie in Cricoli und den talen. Das Hauptmotiv ist ein Triumphbogen in lockerer An- Kreis um Alvise Cornaro in Padua zurück; auch in Rom hatte lehnung an den Konstantinbogen. Die Scenae frons wird es unter dem Medici-Papst Leo X. derartige Zirkel gegeben, in durch zwei korinthische Ordnungen – Freisäulen im ersten denen ganz allein auf die Begabung geachtet wurde, unabhän- und Halbsäulen im zweiten Geschoss – in mehrere Achsen ge- gig vom gesellschaftlichen Stand. gliedert. In den Ädikulen zwischen den Säulen und auf den Die Olimpica hatte es sich zur Hauptaufgabe gesetzt, Stü- Verkröpfungen der Gebälke beider Geschosse stehen Statuen cke antiker und zeitgenössischer Autoren aufzuführen, für die der Akademiemitglieder. Den oberen Abschluss des Prospekts Palladio zusammen mit Künstlern wie Lorenzo Rubini und bildet eine Attika mit Reliefs der Arbeiten des Herkules, des Pa- Giovanni Antonio Fasolo die Bühnenbilder schuf. Es handelte trons der Akademie. Das ikonographische Programm der sich um provisorische Einrichtungen, die zumeist im Ratssaal Bühne ist der Sieg des Herkules und der Tugend über die Las- der Basilica (heute genannt, Seite 18) in- ter. Die Illusion eines antiken Theaters wird vervollständigt stalliert wurden. Wie man auf Malereien mit Darstellungen durch die halbelliptische Cavea, die von einer korinthischen von Aufführungen aus der Frühzeit erkennen kann, waren Kolonnade in Art der römischen Theater in Pola und diese dem späteren Teatro Olimpico nicht unähnlich. Die Sce- hinterfangen wird. Diese Säulenstellung ist besonders wir- nae frons war in der Art eines Triumphbogens gestaltet, und kungsvoll, weil sie über die beengten Verhältnisse in dem zur die Ränge bildeten wie die Cavea eines antiken Theaters einen Verfügung stehenden Raum hinwegtäuscht. Halbkreis. Palladios Entwurf basiert auf seiner Kenntnis des Vitruv Mit der Zeit wurden die zur Verfügung stehenden Räume und des antiken Theaters. Vitruv empfiehlt, das römische Thea- für die Aufführungen und sonstigen Aktivitäten der Akade- ter aus einem Kreis mit vier eingeschriebenen gleichseitigen mie als unzureichend empfunden, so dass man 1579 bei der Dreiecken zu konstruieren; die Schnittpunkte der Dreiecksei- Stadt vorstellig wurde wegen eines geeigneten Standorts auf ten würden die Lage der Treppen, die Größe der Orchestra, die Dauer. Der Rat wies der Akademie ein heruntergekommenes Tiefe der Bühne und so fort ergeben – alles Dinge, die mit Fra- Gebäude zu, das als Gefängnis und Arsenal gedient hatte und gen der Akustik zusammenhängen. Da Palladio für eine sol- 34 Thema Das Teatro Olimpico Bauwelt 16 | 2008 Bauwelt 16 | 2008 35

Das Theater mit der Triumph- che echt römische Lösung nicht genug Grundfläche zur Verfü- Um diese monumentalen Kulissen angemessen zur Wirkung stattung der Bühnen. Palladios Entwurf für das Teatro Olim- Den Beitrag zum Bau des bogen- Bühne und den halb- gung stand, wählte er das Oval, das die Tiefe der Cavea verrin- zu bringen, erweiterte Scamozzi die drei Hauptportale der pico dagegen basiert auf einer Rekonstruktion des römischen Teatro Olimpico haben wir dem elliptischen Zuschauerrängen Buch von Bruce Boucher „Pal- wurde mit Mühe in einen exis- gert. Auf diese Weise nutzte er den Platz ökonomisch aus, Bühnenwand und fügte zwei seitliche hinzu. Dieser Entwurf Theaters und betont die Scenae frons mit Säulenordnungen ladio, The architect in his tierenden Gebäudeblock inte- während insgesamt der Eindruck eines halbrunden Zuschau- wurde vermutlich von dem Eröffnungsspektakel – „Oedipus und Statuen, während seine perspektivische Szene lediglich time“, New York 1994, ent- griert. Die weiteren Kulissen nommen. Im gleichen Jahr er- erraums erhalten blieb. Diese Anlage ließ ausreichend Raum Rex“ von Sophokles – diktiert; dargestellt ist demnach die kö- aus bescheidenen gemalten Kulissen bestand. Da ursprüng- führte nach Palladios Tod Vin- schien beim Hirmer Verlag cenzo Scamozzi aus. Der Zu- für eine schmale Bühne, die in Palladios Entwurf sicherlich nigliche Stadt Theben, deren Hauptstraßen zu den sieben lich nur das kleine Grundstück vorhanden war, dürfte der Ar- München die deutsche Ausga- gang erfolgt über ein Tor an vorgesehen war. Nach seinem Tod fand jedoch ein Planwech- Toren führen. Scamozzis Eingriff lässt die ursprüngliche Kon- chitekt schon deswegen gezwungen gewesen sein, den Büh- be „Palladio, der Architekt der Piazza Giacomo Matte - in seiner Zeit“ in der Überset- otti und über einen Innenhof. sel in Bezug auf den Bühnenraum statt. 1581 beschloss man zeption im Wesentlichen unangestastet, basiert aber im Un- nenraum mit einem flachen Hintergrund zu definieren – eine zung von Peter Schiller. Der Auch heute finden im Haus nämlich, als Eröffnungsstück des Theaterneubaus statt einer terschied zu Palladios Lösung auf der perspektivischen Büh- Lösung, die jedoch im Rahmen der erweiterten Planungen der von uns gewählte Auszug ent- Aufführungen statt. Hierfür italienischen Pastorale eine griechische Tragödie aufzuführen, nenanlage. Palladio hatte die Periaktoi, die beweglichen Büh- Olympier und ihres neuen Architekten Scamozzi bald nicht stammt dem Kapitel „Das wurde behutsam und kaum Spätwerk“. sichtbar die nötige Technik für die jedoch ein aufwendigerer perspektivischer Bühnen- nenteile im antiken Theater, als prismenartige dreieckige Teile mehr genügte. Das Ergebnis dieses ambitionierten Konzepts eingefügt. hintergrund erforderlich war als die schlichte pastorale Land- der Szene aufgefasst, die zum Zweck des Kulissenwechsels ge- sind die steil ansteigenden Straßen mit raffiniert angeschnit- Fotos: CISA, Centro Inter- nazionale di Studi di Architet- schaft. Der Wunsch nach einer stehenden Bühne sowie der Be- dreht werden konnten, so dass die Bühne je nach der Gattung tenen Palästen und Tempeln, die sich scheinbar in weiter tura „A. Palladio“ darf weiterer Räume für ordentliche Versammlungen veran- des Theaterstücks – Tragödie, Komödie oder Satyrspiel – ver- Ferne verlieren. lassten die Akademie, sich erneut an den Rat von Vicenza zu änderbar war. Schon Vitruv hatte die Tragödie mit einer Säu- Das Teatro Olimpico ist unter allen erhaltenen frühen wenden, der dem Ersuchen entsprach und bereits 1582 zusätz- len-und-Giebel-Architektur, die Komödie mit Allerweltsge- Theatern zwar das eindrucksvollste, theatergeschichtlich aber liche angrenzende Grundstücksanteile zur Verfügung stellte. bäu den und das Satyrspiel mit einem Landschaftshintergrund hat es kaum Bedeutung, zumal es vor dem 20. Jahrhundert nur Diese räumliche Erweiterung erlaubte nun die Anlage tiefer in Verbindung gebracht. Im Renaissancetheater wurden diese selten bespielt wurde. Die eigentliche Attraktion bestand eher perspektivischer Kulissen mit Palast- und Tempelattrappen. Analogien zwischen den Kategorien des Theaters und der so- in den Beleuchtungseffekten des Theaterraums und der Kulis- Der Auftrag, Palladios Theaterbau in diesem Sinne zu Ende zu zialen Hierarchie von Architektur zur Konvention erhoben, sen, die hohen Besuchern wie Papst Pius VI. und Napoleon führen, erging an . und entsprechende Kulissen gehörten nun zur Standardaus- vorgeführt wurden.