Verfilzungen : Zu Fur Von Steven Shainberg
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Verfilzungen : zu Fur von Steven Shainberg Autor(en): Binotto, Johannes Objekttyp: Article Zeitschrift: Filmbulletin : Zeitschrift für Film und Kino Band (Jahr): 51 (2009) Heft 297 PDF erstellt am: 11.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-864008 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch zu FUR von Steven Shainberg «Hunchback, slaughter house, albinos...» die damals fünfunddreissigjährige Frau, Tochter der eingangs beschriebenen Sequenz beginnt, gibt sehen wir die amerikanische Fotografin Diane Arbus eines Pelzhändlers, Gattin eines Werbefotografen er auf diese Frage nun eine ganz eigene und in einem schaukelnden Bus in ihr Notizbuch und zweifache Mutter, dazu, plötzlich aus all der eigenwillige Antwort. Er beschreibt eine Metamorphose eintragen, als wär's eine Einkaufsliste, ein makabrer Biederkeit auszubrechen, in der sie aufwuchs und und stützt sich dabei auf lauter biografische Details. Aufgabenkatalog für die Zukunft. Es ist das Jahr lebte? Im Buch «Das Leben der Diane Arbus» von Doch die Geschichte, die er aus lauter realen 1958. Als sie aussteigt und an das schmiedeiserne Patricia Bosworth findet sich dazu keine Erklärung. Versatzstücken zusammenknüpft, ist offensichtlich Tor einer Nudisten-Kolonie tritt, mäht ein hagerer Jener kurze Zeitraum, in dem sich Arbus von der eine reine Erfindung. «Ich finde, es bringt nichts, nackter Mann den Rasen. Hausfrau und Assistentin ihres Mannes zur sich an die Tatsachen zu halten», erklärte Shainberg Man ahnt sie bereits, die Bilder, für die Diane souveränen Künstlerin transformiert hat, wird von der in einem Interview. «Ich glaube nicht, dass diese Arbus berühmt werden sollte - Bilder, welche Biographin stillschweigend übersprungen. «What etwas offenbaren. Sie erzählen, was man schon unsere Auffassung davon, was Fotografie kann und happened here?», so hatte der Filmemacher Steven weiss. Ich hingegen wollte einen Film machen, der darf, was schön und was hässlich ist, für immer Shainberg schon Vorjahren in seinem Exemplar des mir etwas über jemanden erzählt, was ich noch durcheinander gebracht haben. Doch was brachte Buches jene Leerstelle markiert. Mit fur, der mit nicht wusste, ein Rätsel.» 1 la belle et la bête, Regie: Jean Cocteau; 2 Nicole Kidman ils Diane Arbus in fur; 3 Robert Doumeyjr. und Nicole Kidman in fur FILMBULLETIN 2.OB KINO DER ATTRAKTIONEN Doch das Rätsel, welches der Filmemacher die eigene Technik mit zu reflektieren. Dies umso sich dessen bewusst, hatte Zeit, sich in Pose zuwerfen. seinem Publikum aufgegeben hat, will offenbar mehr, als sein Thema das Fotografieren ist, sitzt Das belichtete Negativ ist dabei nur der letzte niemand lösen. Von der amerikanischen Kritik wurde doch in den technischen Eingeweiden des Films Schritt in einer Beziehung, die vorher zwischen fur verrissen, und das US-Publikum hat ihn trotz immer schon die Fotografie. Wer also die Fotografie Fotografund Sujet hatte aufgebaut werden müssen. Starbesetzung mit Nicole Kidman und Robert Downey im Kino thematisiert, kann gar nicht anders, als Es ist diese Beziehung, welche die Fotografien von jr. ignoriert. Im deutschsprachigen Raum kam dabei auch eine Vivisektion des filmischen Mediums Diane Arbus so direkt und intim macht - eine er gar nicht erst in die Kinos, sondern wurde Ende zu betreiben. Direktheit und Intimität, welche der umständliche letzten Jahres stillschweigend fürs Heimkino «Indem sie Distanz und eine andere Zeit Fotoapparat, der zwischen Künstler und seinem verramscht. Der Film droht, ungesehen zu bleiben, schafft, erlaubt mir die Fotografie im Kino zu Gegenüber steht, nicht stört, sondern im Gegenteil weil offenbar niemand recht weiss, was mit denken. Sie erlaubt mir, sowohl den Film zu denken, geradezu erzwingt. ihm anzufangen ist. Tatsächlich verunmöglicht wie die Tatsache zu denken, im Kino zu sein», Konsequent also - sowohl im Bezug auf die dieses «imaginary portrait of Diane Arbus» - so schreibt Raymond Bellour in seinem Aufsatz «Le Filmtechnik als auch auf die Fotografien von Diane der Untertitel des Films - jede eindeutige Zuordnung spectateur pensif». Taucht in der unablässigen Arbus -, dass Steven Shainberg sein imaginäres zu einem Genre. Mehr Märchen als Biopic und Bewegtheit des Films eine starre Fotografie auf, so Porträt mit sorgfältig stilisierten, mit hoch doch für ein Märchen zu nah an den Fakten ist der bildet sie eine Insel, ein Loch im Fluss des Films, technischen Bildern erzählt. Eine Stilisierung indes, die Film ein kurioser Zwitter, ein Zwischenwesen wie durch das man aus diesem hinausfällt. Doch fällt von ganz anderer Natur ist, als jene auf Diane die Transvestiten, Schausteller, Behinderten und der Betrachter dabei unweigerlich auf das filmische Arbus' Bildern. In satten, malerischen Farben strahlen New Yorker Stadt-Originale, welche Diane Arbus Medium zurück. Denn die starre Fotografie zeigt die Filmsets von Designerin Amy Danger, wo doch mit Vorliebe porträtierte. ja nur, woraus die Illusion des bewegten Bildes in Arbus eine Meisterin des scharfen Schwarzweiss Dabei ist die Textur des Films - wie es sein Wahrheit besteht: aus lauter regungslosen war, und die Kamera von Bill Pope schlingert um die Titel schon betont - jene des Fells, in dem sich Fakten Einzelbildern. Eine Fotografie im Film bringt darum Figuren, während diese bei Arbus in statischen und Fiktionen verfilzen. Mit dem Fell sind die gleichsam die Technik des Kinos auf die Leinwand Posen verharren. So verfilzen sich die Filmsequenzen Pelzmäntel, die der Vater von Diane Arbus hergestellt und hält einen zum Nachdenken an. Nachdenken mit den Fotografien von Diane Arbus, die der hat, ebenso gemeint wie die restlos behaarte etwa über die Mechanik des Projektors, welche den Zuschauer in seinem Bildgedächtnis gespeichert hat. Haut jenes imaginären Geliebten, den ihr der Film Einzelbildern erst das Tanzen beibringt; über die Dies umso besser, je klarer die Distanz zwischen andichtet. Aber möglicherweise auch jene aus Blende, welche das Bild stroboskopisch zerhackt beidem ist. Das Filmbild kommt den Fotografien Pelzstücken selber zusammengenähte Decke, die Diane und so der Bewegung erst Konsistenz gibt. Eine und der Fotografin nahe, gerade weil es diese nie einer ihrer Töchter zu Weihnachten geschenkt hat bemerkenswerte Paradoxie: Damit die starren zu imitieren versucht. und die sie in einem Briefso beschreibt: «It is a Abbildungen des bewegten Lebens selbst wieder zu Die Verfilzung der Gegensätze, wie sie sich multifold patchwork of every sort of fur, replete with laufen anfangen, muss man nicht Technik abziehen, in den Fotografien von Diane Arbus, aber auch little fox's heads nestled among persian lamb and sondern hinzufügen. Der Eindruck der in Shainbergs Annäherung an diese Fotografien otter, badger, opossum mink fitch ermine seal caracul Unmittelbarkeit entsteht erst, wenn man zusätzliche zeigt, ist das Wesensmerkmal des Unheimlichen. wolf civet cat ocelot raccoon, swirling, curling Mittel, zusätzliche Medien und Apparaturen Denn das Unheimliche ist - wie Sigmund Freud twining altogether. I have never done anything zwischen Gegenstand und Betrachter schaltet. Dieser in seinem gleichnamigen Aufsatz ausgeführt hat quite so well.» Zusammenhang alleine entlarvt schon die - nicht einfach das Gegenteil vom Bekannten und Wie Diane Arbus diese wunderbare Decke klassische Unterscheidung von illusionistischem und Altvertrauten. Unheimlich ist vielmehr jener genäht hat, so näht auch Shainbergs Film die realistischem Film als Irrtum. Für den Film steht Moment, wo das Bekannte einem fremd und umgekehrt verschiedensten Elemente, Erfindungen und Tatsachen, die tricksende Technik niemals im Gegensatz zum das Fremde vertraut wird. «Unheimlich ist Menschen aus verschiedenen Zeiten und realistischen Eindruck, sondern dieser entsteht erst irgendwie eine Art von heimlich», schreibt Freud. Welten zu einem Patchwork voller Falten zusammen. durch jene. Und erst in diesem Verwischen der Gegensätze liegt Als wollte man mit den Augen durch ein Auch die Bilder von Diane Arbus zeugen von das Beunruhigende des Unheimlichen. Die weiches Fell streichen, so schraubt sich die Kamera einer solchen Paradoxie. Von einer leicht handhabbaren «singular characters», wie Arbus sie nannte, die man während des Vorspanns in ein Knäuel aus Haaren Nikon-Kamera steigt sie zu Beginn der Sechziger aufihren Bildern