51 GeoGraz 2012 GRAZER MITTEILUNGEN DER GEOGRAPHIE UND RAUMFORSCHUNG

Geographien des Konsums Perspektiven für Forschung und Lehre

VORTRAGSREIhE ASERBAIDSchAN LÄNDLIchER RAUM zur Integrativen vom Kaukasus Exkursion ins Geographie zur Kaspischen See Südsteirische Weinland GeoGraz 51 - 2012 INHALT Inhalt

SchWERPUNKT SABINE SCHNEPFLEITNER S 4 Prof. Dr. Ulrich Ermann – Ein Portrait

S 6 ULRICH ERMANN Follow the Thing! Ein Überblick über einige Geographien der Warenwelt

BEITRÄGE S 12 MARTIN KUBANEK Die Eiszeit im Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen Neukonzeption und Neuinszenierung des Themenwanderweges

S 16 DARIO BIHAR Medimurje – eine Region in Kroatien

IM TELESKOP S 20 DIETER FLECK, PETER GERNGROSS, WOLFGANG URBANTSCHITSCH Aserbaidschan – kontrastreiches Land zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer

UNTERWEGS MIT GEOGRAZ S 26 PAUL EDER Ländlicher Raum im Wandel: Das Südsteirische Weinland

AUSSERDEM (S 32) Neuerscheinungen (S 34) Vortragsreihe Geo-Kolloquium WS 2012/13 (S 35) (Ex)-GeoGrazerin im Portrait: Anna Duschlbauer (S 36) Aktuelles aus der Grazer Geographie (S 39) Frisch geprüft: AbsolventInnen des SS 2012

titelseite: Im Supermarkt (Foto: Lieb)

Herausgeber: Österreichische Geographische Gesellschaft, Zweigstelle Graz Präses: Em. o.Univ.Prof. Dr. Herwig Wakonigg, Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz, Heinrichstraße 36, 8010 Graz Redaktion Institut für Geographie und Raumforschung Ao.Univ.Prof. Mag. Dr. Gerhard Karl Lieb (Schriftleitung) ([email protected]), Maga. Sabine Schnepfleitner, Mag. Daniel Blažej der Karl-Franzens-Universität Graz, Heinrichstraße 36, A-8010 Graz Satz/Layout: Telefon: 0316/380/5135 Mag. Daniel Blažej ([email protected]) Fax: 0316/380/9886 Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder. E-mail: [email protected] Für Form und Inhalt der Beiträge sowie die Wahl geschlechtsneutraler Formulierungen sind die Autorinnen und Autoren Internet: http://www.uni-graz.at/geowww der Beiträge verantwortlich. 2 EDITORIAL Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde der Grazer Integrativen Geographie!

Schon im Editorial zum letzten GeoGraz war von der Schnelllebig- gemeinsame Termin soll auch das Bemühen der beiden symbolisieren, keit der Zeit und den damit einhergehenden Veränderungen an den eingeschlagenen Entwicklungspfad unseres Instituts hin zu einer der Grazer Geographie die Rede. Verlangsamt hat sich diese Ent- „Grazer Integrativen Geographie“ (vgl. Heft 46) weiterzugehen. Aus wicklung im letzten halben Jahr keineswegs – ganz im Gegenteil, diesem Grund haben sie auch federführend jene Vortragsreihe kon- allein bei den personellen Veränderungen fällt es mir schwer zu zipiert und organisiert, die wir Ihnen in diesem und dem nächsten entscheiden, womit ich eigentlich beginnen soll. Am besten gehe Semester bieten. Sie hat den Titel „Integrative Geographie: Ansätze, ich wohl chronologisch vor: Wie schon im letzten Heft (S. 42) Beispiele, Grenzen“ und bringt prominente Vertreterinnen und Ver- angekündigt, hat mit Ulrich Ermann der neue Professor für Hu- treter des theoretischen und methodologischen Diskurses in unserem mangeographie und Fachdidaktik am 1.Mai 2012 seinen Dienst Fach nach Graz, um mit uns Chancen und Risiken einer integrativen an unserem Institut angetreten. Einer seit langem gepflegten Tra- Neuorientierung zu erörtern. dition folgend stellen wir ihn in einem Interview vor und gewäh- Mit 1. Oktober hat sich eine weitere entscheidende personelle Verän- ren Ihnen Einblick in einige Teilaspekte seines wissenschaftlichen derung ergeben: Ulrich Strasser, Professor für Physische Geographie Schaffens – die „Geographien des Konsums“ lenken als das Leit- seit 1.Jänner 2009, verlässt unser Institut und tritt eine Professoren- thema dieses Heftes die Aufmerksamkeit auf ein bislang an der stelle an der Universität Innsbruck an. In diesem Schritt folgt ihm auch Grazer Geographie kaum etabliertes Themenfeld. Prof. Ermann Thomas Marke, was an unserem Institut eine große Lücke in Lehre wird in seiner Arbeit von Analisa Colombino und René Hanzlik und Forschung hinterlässt, worüber nur die Zusage der Universitäts- unterstützt – die beiden „Neuen“ im akademischen Mittelbau leitung, die Professorenstelle wieder besetzen zu dürfen, hinwegtrö- stellen wir Ihnen unter „Aktuelles“ vor. stet. Ich möchte mich an dieser Stelle im Namen der Redaktion und Die Stelle von Prof. Ermann wurde neu geschaffen, ebenso wie des Instituts bei Prof. Srasser und Dr. Marke herzlich für ihre enga- jene für Physische Geographie, die seit 1. September 2012 Oliver gierte Arbeit in den letzten Jahren bedanken und ihnen einen guten Sass innehat. Unser Institut verfügt damit endlich über vier Pro- „Start“ in Innsbruck sowie viel Freude bei der Erfüllung der Aufgaben, fessuren (je zwei physio- und humangeographisch ausgerich- die sie dort erwarten, wünschen. tete), was nicht nur neue Perspektiven für die Forschung eröff- Schließlich gibt es von noch einem Wechsel im Personalstand zu be- net, sondern auch die Betreuungsrelation zwischen Professoren richten: Mag. Dr. Erich Zunegg hat mit Ende des Sommersemesters bzw. Habilitierten und Studierenden, mit der es bislang ziemlich seine Tätigkeit als Fachdidaktiker beendet, als sein Nachfolger hat im Argen lag, entscheidend verbessert. Wir sind glücklich, dass Mag. Martin Möderl mit Beginn des Schuljahres seine Arbeit aufge- all dies trotz des alle Bereiche umfassenden Sparzwangs an den nommen – kurze Dankesworte und Portraits finden Sie unter „Aktu- Universitäten möglich war! Doch zurück zu Prof. Sass: Natürlich elles“, wo es auch, wie gewohnt, viel Interessantes über neue Pro- würde es sich geziemen, auch ihn mit Interview und Publikation jekte sowie Neuvorstellungen von Büchern gibt. vorzustellen. Wenn wir in diesem Heft dennoch darauf verzich- Außerdem beinhaltet dieses Heft auch wieder eine Reihe interes- ten, so geschieht dies einerseits wegen des Zeitdrucks vor dem santer Beiträge zu verschiedensten Themen, wie etwa von M. Kuba- allzu knappen Redaktionsschluss und andererseits, weil Prof. Sass nek über das Eiszeit-Erlebnis im Naturpark Zirbitzkogel- Grebenzen, von 2009 bis 2011 ja bereits eine befristete Professur an unserem sowie weitere Folgen zu unseren Reihen „Im Teleskop“ (D. Fleck et Institut bekleidete, weshalb er aufmerksamen Leserinnen und Le- al.: Aserbaidschan) und „Unterwegs mit GeoGraz“ (P. Eder: Stei- sern (besonders der Hefte 46 und 47) ja kein Unbekannter ist. risches Weinland), um nur einige zu nennen. Ich lade Sie also ein, sich Ich darf jedoch in Aussicht stellen, das er und seine Mitarbeiter wieder Zeit zu nehmen und in diesem Heft auf Entdeckungsreise zu in den nächsten Heften kräftige „Lebenszeichen“ von sich geben gehen – es gibt noch viel, viel mehr, als ich in diesem Editorial anspre- werden. chen konnte! Die beiden neuen Professoren werden sich in einer gemeinsamen Antrittsvorlesung am 17.Jänner 2013 der Öffentlichkeit präsen- Viel Spaß beim Lesen wünscht tieren – ich möchte Sie schon jetzt dazu herzlich einladen! Der Gerhard K. Lieb

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MARTINSABINE SCHNEPFLEITNERKUBANEK Prof. Dr. Ulrich Ermann Ein Portrait

„Die Vermessung der Welt“ hat so manche planten Arbeitsplatz an der Schultafel in kte kreieren. Und umgekehrt untersuche ich, näher an die Vorstellungen der Karten- den Hörsaal der Uni Erlangen-Nürnberg wie bulgarische Konsument/innen globale welt und die Wissenschaft der Geographie geleitet und von dort für sieben Jahre nach westliche Marken wahrnehmen.“ geführt. Auch Ulrich Ermann: Weniger Leipzig an das außeruniversitäre Leibniz- allerdings durch den literarischen Bezug, Institut für Länderkunde (IfL), von wo aus Go South-East! sondern durch den persönlichen. Der ge- er auch an der Universität Leipzig lehr- Auch mit dem zweiten Projekt zieht es bürtige Erlanger ist als Sohn eines Ver- te – mit einer einjährigen Unterbrechung Ulrich Ermann in das südöstliche Euro- messungsingenieurs sozusagen mit um- durch die Vertretung einer Professur für pa: „Öko-Netz Bulgarien – Umweltschutz gehängter Bussole und Theodolit in der Wirtschaftsgeographie an der Katho- durch zivilgesellschaftliche Vernetzung Hand groß geworden. Oder zumindest lischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. und Kommunikation in den Problem- war somit sein Interesse für Karten und Über diese Stationen gelangte er in den 1. feldern Naturschutz, Schadstoffemissi- deren Inhalte wachgerüttelt worden. Ul- Stock der Heinrichstraße 36, 8010 Graz. onen und Abfall.“ Diese starke Südosteu- rich Ermann hat im Mai 2012 sein Büro „Es hat die Stellenausschreibung gepasst und ropa-Expertise fügt sich einmal mehr wie am Institut für Geographie und Raum- das passiert ja nicht so oft. Dann stellt sich die ein perfekter Puzzleteil in die entstandene forschung an der Universität Graz bezo- Frage: Hat man Lust dort hinzugehen? Und Verbindung zwischen Ulrich Ermann und gen. Mit ihm wird das konstruktivistische bei Graz dachte ich, ja, das wär’ doch was ...“ der Karl-Franzens-Universität ein. Die Raumverständnis am Institut gestärkt und räumliche Nähe lädt die Uni Graz mehr nun die Humangeographie und Fachdi- Bulgarisches Fashionlab als ein, Südosteuropa in das Forschungs- daktik mit bulgarischem Charme berei- Leipzig ist aber längst noch nicht Ge- spektrum aufzunehmen, und dieser „na- chert. schichte und wirkt in Graz nach. Das türlichen“ Einladung ist die Uni gefolgt. In Leibniz-Institut für Länderkunde be- den letzten 10 Jahren sind Forschungspro- Eine zufällige Faszination der Forschung schäftigt sich mit dem postsozialistischem jekte umgesetzt worden, Kooperationen Begonnen hat seine geographische Karrie- Europa, wobei sich Ulrich Ermann ins- entstanden, zwei Joint-Degree Studien- re an der Universität Erlangen-Nürnberg, besondere auf Bulgarien konzentriert. gänge entwickelt worden und seit 2008 als er auf dem Weg zu den Vorlesungen Als Research Fellow des IfL leitet Ul- gibt es nun das Zentrum für Südosteu- seines gewählten Psychologie und Philo- rich Ermann nun vom Grazer Institut ropastudien (CSEES), das seit Mai 2012 sophie-Studiums die Gänge des geogra- aus zwei Forschungsprojekte und bringt mit Ulrich Ermann ein neues Mitglied phischen Instituts durchquerte und ihm mit dem Wissenstransfer zwischen den gefunden hat und durch seine Expertise die ausgestellten Poster und Karten das Standorten Bulgarien gleich mehrfach ‚in bereichert wird. Und neben der Forschung Gefühl vermittelten, dass die Geographie Mode‘. Die Geographien der Produkti- hält Südosteuropa auch in die Lehre Ein- etwas „Handfestes“ produziert – im Ge- on und des Konsums sind einer der For- zug, und zumindest kann schon einmal gensatz zu dem rein Geistigen seines ge- schungsschwerpunkte Ulrich Ermanns. der Koffer für eine Exkursion Richtung genwärtigen Studiums. „Dieser Eindruck „In der Wirtschaftsgeographie wird meist Bulgarien gepackt werden. hat sich übrigens wieder ins Gegenteil gekehrt, vom Standpunkt der Produktion ausgegan- da ich mich später in der Geographie sehr für gen und beobachtet, dabei ist es heute so, dass Die Taktik in der Fachdidaktik wissenschaftstheoretische Fragen interessiert vieles von Konsumseite gesteuert wird.“ Den Neues Lernen lehren und lernen werden habe und somit von meiner ersten Wahl gar konsumorientierten Ansatz behandelt der auch die zukünftigen Lehrer/innen, die nicht so weit weg bin.“ Das Studium wurde Wissenschafter im aktuellen Forschungs- die Geographie (und Wirtschaftskun- gewechselt und mit den Fächern Geogra- projekt „Marken(t)räume im postsozialis- de) weitervermitteln. Wie der Unterricht phie, Wirtschaftswissenschaften und Di- tischen Europa – Geographien der Pro- in Zukunft aussehen kann? „Aufnehmen daktik der Geographie abgeschlossen. duktion und des Konsums am Beispiel von möchte ich auf jeden Fall den Ansatz der Wa- „Nach dem Studium hatte ich dann Lust Modemärkten und -marken in Bulgarien“. renketten. Es ist der Versuch den alltäglichen noch mehr in die Tiefe zu gehen. Es machte „In Bulgarien sind Konsumgütermärkte noch Konsum genauer zu beleuchten, die Produkte mir großen Spaß, mich während meiner relativ jung. Ich versuche herauszufinden, beispielsweise hinsichtlich Transport detail- Doktorarbeit tiefgehend mit geographischen wie hier die Ökonomie von der Konsumseite liert zu erschließen und die didaktischen Kon- und sozialwissenschaftlichen Konzepten gesteuert wird. Beispielsweise, wie versuchen zepte zur Vermittlung von Warenketten an zu beschäftigen.“ Die gewachsene innere bulgarische Kleidungshersteller ihre Produkte Schulen auszuarbeiten, zu überlegen, wie es Forscher-Motivation hat ihn also vom ge- zu vermarkten, indem sie ihre eigenen Mär- an der Schule umgesetzt werden kann.“ Eine

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Herangehenswei- gedanken des Hu- se, die verschie- mangeographen denste geogra- einnimmt, ist eine phische Inhalte zusätzliche Brille, und Standpunkte die er nicht zuletzt umfassend greif- durch sein Studium bar machen kann. der Wirtschaftswis- Neben dem Ver- senschaften trägt. mitteln von Daten Fachdidaktisch ge- und Fakten ist es sehen schon einmal eine Möglichkeit ein sehr wertvoller der Bewusstseins- Bonuspunkt in der bildung hin zu ei- Lehre für das Un- ner nachhaltigen terrichtsfach Geo- Lebensweise. Die- graphie und Wirt- se Anknüpfungs- schaftskunde. Und punkte zu einem „... es hilft mir auch ei- fairen Lifestyle nen kritischen Blick auf erarbeitet Ulrich die Wirtschaftswissen- Ermann in einem schaften zu werfen, interdisziplinären da ich eher den kul- Netzwerk, das sich turwissenschaftlichen mit „Food Studies“ Blickwinkel einnehme, beschäftigt und wenn ich ökonomische starken Bezug auf Phänomene betrachte, regionale Lebens- was aber leichter mittel nimmt „Im fällt, wenn einem die Extremfall kann ein Perspektive der Öko- einzelnes Produkt nomen vertraut ist.“ die ganz Globalge- Ein Blickwinkel schichte erzählen. wird mit Ulrich Er- Die Food-Studies mann am Grazer In- sind vor allem auch stitut jedenfalls ge- für die Fachdidak- stärkt, neben all den tik gut einzusetzen.“ Forschungsinhalten, Daneben hat Ul- Kompetenzen, Er- rich Ermann noch fahrungen, die er weitere Ideen, die er in den Unterricht matisiert werden? Und wie können Wech- mitbringt: „Auf der Theorie-Seite ist es das einfließen und dafür aufbereiten will: „Je- selwirkungen zwischen physisch-materieller konstruktivistische Raumverständnis, das denfalls ist die Anknüpfung an die Südosteu- Welt und geistig-sozialer Welt thematisiert ich als grundlegende Perspektive einbringen ropathematik eine Möglichkeit. Dabei lautet werden, ohne die vorherrschenden Formen möchte. Das Grundverständnis, dass Räu- die Herausforderung: Wie kann regionale Ge- dieses Dualismus immer wieder zu reprodu- me nicht natürlich gegeben sind, sondern ge- ographie zeitgemäß vermittelt werden? Eine zieren?“ macht werden von menschlicher Praxis.“ Und weitere Fragestellung der Fachdidaktik wird auf das Eingreifen durch die menschliche auch das Mensch-Umwelt-Verhältnis sein. Der ökonomische Touch und die konstruktivistische Praxis von Ulrich Ermann auf den Gra- Wie kann im Schulunterricht das Verhältnis Selbstverständlichkeit zer Wissenschaftsraum, darauf freuen wir von Gesellschaft und Umwelt, von Mensch Dass immer wieder der Faktor Wirtschaft uns. und Natur zeitgemäß und verständlich the- eine prägnante Rolle in den Forschungs-

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ULRICH ERMANN

Follow the Thing! Ein Überblick über einige Geographien der Warenwelt Seit ich meinen Dienst in Graz angetreten habe, kaufe ich mir fast täglich ein Molke-Fruchtgetränk der Marke „Lattella“. Meistens Geschmacksrichtung Mango, manchmal auch Maracuja. Warum trinke ich das so gerne? Ich denke, dabei spielt neben dem guten Geschmack und der erfrischenden Wirkung (so zumindest meine subjektive Wahrnehmung und Bewertung, ohne hier Werbung machen zu wollen) eine Kindheitserinnerung eine besondere Rolle: Wenn ich seit 1979 (das Jahr der Markteinführung von Lattella) bei meinen Großeltern in Kufstein zu Besuch war – und das war ich oft und sehr gerne – hatte meine Großmutter immer Lattella im 0,5-Liter-Tetrapak für mich im Kühlschrank: Geschmacksrichtung Mango oder Maracuja, angekündigt als ein ganz besonderes und delikates Getränk und serviert in einem Achtelliter-Weinglas.

Lattella: (m)eine persönliche Geschichte eines es bei „Geographien des Konsums“1 geht. Symbolen, Bildern und Erzählungen in Getränks Konkret möchte ich zeigen, wie sich Kon- der Vermarktung genauso real und habe Diese Tradition habe ich später im Er- sumgewohnheiten in unserer alltäglichen überdies Rückwirkungen auf die Welt der wachsenenalter fortgesetzt, indem ich Lebenswelt mit Produktionszusammen- materiellen Warenproduktion. Zudem mir bei jedem Aufenthalt in Kufstein so- hängen an mehr oder weniger weit ent- sei Harveys Ansatz – wie auch zu großen fort Lattella besorgt und vor der Abreise fernten Orten verbinden lassen und wie wir Teilen der Ansatz der Analyse von global eine größere Menge an Lattellas mit nach durch unseren alltäglichen Konsum Vor- commodity chains (Gereffi & Korzeniewi- Hause transportiert habe. Die Tatsache, stellungen über Orte und Räume konstru- cz 1994, vgl. auch Leslie & Reimer 1999, dass Lattella in Deutschland nicht erhält- ieren und perpetuieren. Den Ansatz, sich Hughes 2004, Gereffi et al. 2005 und Bair lich ist, hat für mich den Bezug des Ge- vom eigenen Konsum ausgehend Wissen 2009) zu eindimensional gedacht: Es ste- tränks zu Österreich noch verstärkt. Wie über damit verbundene Produktions-Geo- he bereits von vornherein fest, wie sich die nicht nur WirtschaftsgeographInnen wis- graphien zu erschließen, beschreibt David Machtverteilung innerhalb von Waren- sen: Die räumliche Knappheit bzw. Ex- Harvey in einer vielzitierten Passage eines ketten konstituiere. Daher sprechen etwa klusivität erzeugt einen zusätzlichen Wert Aufsatzes von 1990 folgendermaßen: Cook & Crang 1996) von einem „dop- einer Ware. „I often ask beginning geography stu- pelten Warenfetischismus“ und schlagen Meine Lattella-Assoziationen sind sin- dents to consider where their last meal vor, entgegen der Kettenmetapher (com- gulär. Ich teile sie in dieser Form vermut- came from. Tracing back all the items used modity chains, value chains etc.) eher das lich kaum mit Anderen. Sicherlich gibt es in the production of that meal reveals a re- Modell eines Kreislaufs (commodity cir- hingegen andere, von einer Vielzahl von lation of dependence upon a whole world cuits bzw. circuits of knowledge) zu ver- KonsumentInnen geteilte und meist ge- of social relations and conditions of pro- wenden (Cook & Crang 1996, Cook et al. zielt vom Marketing erzeugte Assoziati- duction. That dependency expands even 2000), um zu verdeutlichen, dass Produk- onen. So assoziieren sicher viele den Mar- further when we consider the materials tion und Konsum sowie die materiellen kennamen „Lattella“ mit Italien (wörtlich and goods used in the production of the und symbolischen Ebenen der Warenwelt übersetzt heißt Lattella „Milchlein“), und goods we directly consume. Yet we can sich gegenseitig beeinflussen und antizi- so wurde das Produkt in Werbekampa- in practice consume our meal without the pieren. Ebenso wird das Netzwerk-Modell gnen mit Bildern von Heimat, Natürlich- slightest knowledge of the intricate geo- vorgeschlagen (Hughes 2000, vgl. auch keit, Gesundheit, Wellness, Sport und graphy of production and the myriad so- Ermann 2005), um den weitverzweigten Fitness verknüpft. Der aktuelle Werbeslo- cial relationships embedded in the system möglichen Verbindungen, denen es zu gan lautet „Lass die Sonne rein.“ Die ge- that puts it upon our table [...]“ (Harvey folgen gilt, Rechnung zu tragen. Einige naue Herkunft des Produkts und der ver- 1990, 422). Autoren fordern entgegen Harveys Sicht, wendeten Rohstoffe sowie deren Art und Harveys Aufruf, hinter die Maske der auch den „Warenfetisch“ selbst als soziale Weise der Produktion hat mich trotz mei- Warenwelt zu blicken und den Schleier und materielle Realität zu verfolgen. Da- ner engen Beziehung zu dem Produkt nie des Warenfetischismus mittels eines tra- mit ist auch eine weniger konsumkritische besonders interessiert. Dass die produzie- cing back zu lüften, wurde auch vielfach Sicht verbunden, womit sich die Vertreter rende Firma in Tirol ansässig ist, hat mir kritisiert. Gegen seine marxistische bzw. der geographies of consumption im Rah- als Herkunftsangabe völlig ausgereicht. polit-ökonomische Perspektive wur- men der new cultural geography wiederum de unter anderem eingewandt, dass sich die Kritik einhandeln, zu unpolitisch zu Waren als Ausgangspunkt für Forschung und nicht einfach zwischen imaginärer Welt sein und beim Blick auf die symbolischen forschendes Lehren/Lernen der (entfremdeten) Waren auf der einen Ebenen des Konsums die Ökonomisierung Warum erzähle ich das? Ich will meinen Seite und der dahinter verborgenen re- der (Konsum-)Gesellschaft, die Herr- persönlichen Lattella-Konsum als Bei- alen Produktionswelt unterscheiden lässt. schaft des Kapitals oder die Ressourcen- spiel verwenden, um zu erläutern, worum So sei auch die Welt der Produktion von verschwendung und Umweltprobleme aus

1 | Der Plural „Geographien“ (engl. „geographies“) verweist zum einen auf ein Wissenschaftsverständnis, nach dem es viele unterschied- liche „Regionalisierungen“ als Produktion von Räumen und räumlicher Bezüge und Assoziationen zu beobachten gibt: Geographien in 6 diesem Sinn sind räumliche Verflechtungen oder Muster, die durch menschliche Praktiken hergestellt und von Menschen erfasst und interpretiert werden. Insofern gibt es auch im Sinn der wissenschaftlichen „Geographie“ nicht die eine, „richtige“ Geographie, sondern geographische Erzählungen und Bilder, die miteinander konkurrieren, aber sich nicht aus einer objektiven Warte aus gegenseitig aus- schließen können. (vgl. Arnreiter & Weichhart 1998 und Weichhart 2004). SCHWERPUNKT

den Augen zu verlieren die ihre 18- (z. B. Goss 2004). bz w. 26-Ton- Ich möchte an dieser ner geschickt Stelle nicht auf die Kon- auch über die troverse zwischen der schmalsten polit-ökonomischen und Almwege len- kulturgeographischen ken zur land- Perspektive eingehen. Abb. 1: Die Latella-„Klassiker“ Mango und Maracuja (Foto: Lieb) wirtschaft- Mir geht es hier in erster Linie um die Wörgl, nur wenige Kilometer von Kufstein lichen Produktion“3 , über die Qualität grundsätzliche Vorgehensweise, alltäg- entfernt (Adresse: Lattellaplatz 1); das und Nachvollziehbarkeit der Herkunft liche Dinge als Ausgangspunkt von „Geo­ Unternehmen gehört zur in Wels / Ober­ („AMA Gütesiegel“), gentechnikfreie graphien“ in Forschung und Lehre sowie österreich beheimateten Berglandmilch- Produktion oder zur Viehhaltung: 47% Schuldidaktik zu verwenden. In dieser Gruppe. Die Marke „Lattella“ wurde 1997 unserer Tiroler Milchkühe werden gealpt. Hinsicht lässt sich Harveys tracing back von Danone Österreich, einer in Im Vergleich dazu werden in Österreich durchaus mit Cooks Motto „Follow the ansässigen Niederlassung des multinatio- nur 7% der Milchkühe gealpt. 80% der thing!” (Cook 2004) in Einklang bringen. nalen Unternehmens mit Hauptsitz in Pa- Tiroler Rinder gehen auf die Alm. Über ris, gekauft. Seitdem wird der Vertrieb des 60% der österreichischen Almmilch wird Getränks von Danone Österreich organi- in Tirol erzeugt“.4 Follow the Lattella! siert. Die Lieferanten der Milch, aus der Mittels einer Anfrage an die Tirol Wie wäre nun im Fall der Lattella vorzu- – als Nebenprodukt der Käseherstellung Milch GmbH lassen sich genauere Hin- gehen, um die hinter meinen subjektiven – die Molke gewonnen wird, sind 3.000 tergründe zu den landwirtschaftlichen Assoziationen von Großeltern/Kufstein/ landwirtschaftliche Betriebe aus Nordti- Betrieben herausfinden, welche die Tirol/Österreich und anderen Bildern rol. Im Internet präsentiert sich die Tirol- Milch produzieren. So erhalte ich in ei- (Milchprodukt, Italien, Sport, Aktivität, Milch Wörgl GmbH unter anderem mit ner schnellen und ausführlichen Antwort Gesundheit) verborgenen Geographien der Herstellung einer engen Verbindung von der Berglandmilch eGen (Wels, Büro des Produkts bzw. der Marke zu blicken? zwischen dem Produkt „Milch“ und der Aschbach-Markt/Niederösterreich) unter Man setzt genau da an, wo mein Alltags- „Landschaft“ und „Natur“ Tirols: anderem folgende Informationen: wissen und Alltagsinteresse geendet hat: „Tirol und Milch sind seit jeher unzer- „[… A]ufgrund des Strukturwandels So stellt sich heraus, dass Lattella Ende trennlich miteinander verbunden. In der [werden] die Milchbauern jährlich weni- der 1970er Jahre erfunden wurde, weil die idyllischen Tiroler Berglandschaft beginnt ger […], ihre gelieferte Milchmenge [hat] Molke als Nebenprodukt der Käseherstel- für unsere Bauern und ihre Kühe der Tag sich allerdings sogar erhöht. Die land- lung problematisch und kostenintensiv zu sehr früh am Morgen. Die intakte Umwelt wirtschaftlichen Betriebe werden größer. entsorgen war und man mit einem Frucht- und die Kraft und Vielfalt von Gräsern, Wenngleich sie im internationalen Ver- Molke-Mischgetränk die Möglichkeit Blumen und Kräutern sowie unser frisches gleich, auch aufgrund der topographi- einer Verwertung des bisherigen Abfall- Tiroler Quellwasser bilden die Grundlage schen Nachteile, zu den kleinsten gehö- produkts schuf. Den Ausgangspunkt für bester Tiroler Alpenmilch.“2 ren. Dafür haben wir in Österreich eine weitere Zurückverfolgungen des Pro- Man erfährt auch einige mehr oder Milchqualität, die europaweit einzigartig dukts bietet der Hersteller, die genossen- weniger konkreten Hintergründe, etwa ist (Gentechnikfreiheit in der Fütterung, schaftlich organisierte Tirol-Milch Wörgl zum Milchsammelwesen mit rund 2.000 kontrollierte Tiergesundheit, Sonderpro- GmbH. Mittels Internet-Recherche lässt Milchsammelplätzen (z. B.: „Für die Ti- gramme wie Bio, Heumilch, Bergbauern- sich in wenigen Minuten herausfinden: rol Milch sind über 20 Sammelwägen im milch, ...). Gerade in Tirol ist eine exakte Die Produktionsstätte befindet sich in Einsatz und etwa 55 Sammelwagenfahrer, Angabe der Anzahl der Betriebe […]

2 | www.tirolmilch.at/unsere-milch.html, 10.09.2012 3 | www.tirolmilch.at/unsere-milch/bauern/article/das-milchsammelwesen.html, 10.09.2012 4 | www.tirolmilch.at/unsere-milch/lexikon/article/machen-tiroler-kuehe-almurlaub.html, 10.09.2012 7 GeoGraz 51 - 2012 SCHWERPUNKT

schwierig, da der Großteil der Bauern ne- Die fertigen Fruchtmischungen werden Beeinflussung durch die importierenden ben einem Stammbetrieb auch über eine von dem Unternehmen Agrana (mit Sitz Firmen, die Zertifizierungsorganisationen Alm oder Gemeinschaftsalm verfügt, von in Wien und Produktion in Kröllendorf/ oder der Endverbraucher thematisieren – der im Sommer ebenfalls Milch geliefert Niederösterreich sowie weiteren Verarbei- nicht zuletzt als ein Beispiel für Problema- wird.“ Zudem teilt mir ein Vertreter der tungsstandorten in rund 30 Ländern) so- tiken von Nord-Süd-Beziehungen. Tirol-Milch GmbH mit, dass alle Bauern wie auch von der Firma Darbo (mit Sitz Andere mögliche Themen wären die „auf den Einsatz Konkurrenzsituati- von gentechnisch on und die Absatz- veränderten Fut- und Preispolitik des termittel [ver- Produkts. So haben zichten]. So ist z. B. andere Firmen der Großteil des das Produkt „Lat- Sojas aus Übersee tella“ nachgeahmt, für unsere Bauern insbesondere mit der tabu, sie weichen SPAR Fruchtmolke, auf heimische ebenfalls erhältlich in Eiweißfuttermit- den „klassischen“ Sor- tel-Alternativen ten Mango und Ma- aus“. Zur Haltung racuja und deutlich erfahre ich: „Lauf- preisgünstiger als das ställe, in denen Original. Untersu- sich die Tiere frei chenswert wäre auch bewegen können, die Verflechtung von sind ohnedies be- lokalen, regionalen reits Standard und globalen Firmen (eine Anbindehal- in der Nahrungsmit- tung wird schon telindustrie. Die Fir- ab dem nächsten mengeschichte (und Jahr der Vergan- Abb. 2: Screenshot vom Webauftritt der „Tirol Milch“, Wörgl Markengeschichte) genheit angehö- könnte hierbei dazu ren). Eine Alpung ist in Berggebieten in Stans/Tirol) bezogen. Die Herkunft der dienen, exemplarisch Industriegeschich- üblich, in anderen Regionen ist Weidehal- von diesen Firmen verarbeiteten Früchte te zu rekonstruieren. Eine weniger wirt- tung angesagt.“5 kann von Ernte zu Ernte auch variieren. schaftsgeographisch und mehr kulturgeo­ Hier könnte weiter untersucht bzw. Die Mangos stammen z. B. aus Indien graphisch orientierte Möglichkeit wäre diskutiert werden, welche ökologischen, oder verschiedenen Ländern Südostasi- es, den mit dem Produkt in Verbindung sozialen und ökonomischen Folgen und ens. Für Informationen zu Anbaubedin- gebrachten Bildern und Erzählungen zu Probleme mit entsprechenden Methoden gungen, Qualitätsrichtlinien etc. müsste folgen. So ließe sich z. B. rekonstruieren, und Tendenzen der Landwirtschaft ver- man von diesen Firmen ausgehend den wie die Marke „Lattella“ erfunden wurde, bunden sind. Neben ethischen Aspekten Rohstoffbezug weiter zurückverfolgen. welche Ideen von welchen Akteuren in der Tierhaltung stellen sich beispielsweise Ausgehend von diesen ersten Informa- die Markenführung eingebracht wurden auch Fragen nach der Wertschöpfungs- tionen spannen sich vielfältige und weit- und welche Vorstellungen von Wünschen struktur: Wer verdient welchen Anteil an verzweigte „Geographien“ auf. Das Motto der KonsumentInnen dabei antizipiert der gesamten Wertschöpfung des End- „Follow the thing!“ eröffnet die Möglich- wurden (zur Analyse von brand circuits produkts und wie kommen die Preise für keit, ganz unterschiedlichen Richtungen vgl. Ermann 2007 und Ermann 2011). die Rohmilch zustande? Und so weiter zu folgen: Vom Ausgangspunkt des Pro- Gegenstand des Zurückverfolgens wären und so fort. dukts ließen sich z. B. die Entwicklung auch die Produktion und Verbreitung von Die Milch ist jedoch nicht der einzige und aktuelle Situation der österreichischen Werbebotschaften, insbesondere in Bezug Rohstoff, der Eingang in das Getränk Milchwirtschaft in den Blick nehmen, von auf Assoziationen zu Natur/Natürlichkeit, findet. Die Molke wird mit Fruchtkon- den sozialen und ökologischen Aspekten (Berg-) Landwirtschaft, Tirol, Österreich zentrat – im Fall der „klassischen“ Sorten der Milchviehhaltung bis hin zu Einflüs- und Reproduktion entsprechender räum- aus Mangos und Maracujas – versetzt. sen des Weltmarkts und des europäischen licher Stereotype sowie deren Rezeption Hier ließe sich ebenfalls nachforschen, Markts für Rohmilch und Milchprodukte durch die VerbraucherInnen. Auch hierbei woher das Konzentrat bezogen wird und den entsprechenden politischen und wäre neben einer aktuellen Analyse ein und wo letztlich die dafür verwendeten ökonomischen Rahmenbedingungen. Vergleich von symbolischen Botschaften Früchte angebaut, geerntet, verarbeitet Ebenso ließen sich die Anbaubedingungen in einem längeren Zeitraum interessant. und vertrieben werden. Eine Anfrage bei von Mangos in entsprechenden Regionen Tirol-Milch in Wörgl hilft hier weiter: Afrikas und deren Export sowie deren

8 5 | Schriftliche Auskunft von Georg Lehner, Key Account Management von Berglandmilch eGen vom 17. September 2012. SCHWERPUNKT

Methodische Umsetzbarkeit in Forschung, Lehre Bedingungen und Folgen des Konsums des Produkts und seiner Herkunft durch und Didaktik und der Produktion sichtbar zu machen, die VerbraucherInnen. Die Vielzahl der Möglichkeiten, von die sonst als externe Effekte nicht in die 2. Authentifizierung: einem alltäglichen Konsumgut aus der- Bewertung eines Produkts eingehen. Sie Wie wird die Authentizität eines Produkts artige „Geographien“ zu verfolgen bzw. zeigen aber auch immer nur einen klar konstruiert und „gerahmt“? Hierbei geht zu rekonstruieren, kann von Vorteil sein, gegenüber anderen (externen) Effekten es um die gesellschaftliche Aushandlung um Forschungsfragen zu entwickeln, die dessen, was (z. B. an Werbebotschaften Verbindungen aufzeigen – etwa zwischen und Firmeninformationen) als „echt“ oder Konsumkultur und Umweltproblemen „inszeniert“ angesehen wird. oder zwischen Marketingaktivitäten und 3. Moralisches Framing Produktionsverhältnissen –, die normaler- Wie wird konstruiert und gerahmt, was weise kaum in den Blick genommen wer- wirtschaftliche Akteure als gut/schlecht, den. Auch für die Geographiedidaktik, als geboten/verboten ansehen? sowohl die Schul- als auch die Hochschul- Dabei geht es um die Frage, wie in ge- didaktik, kann ein solcher produktbezo- sellschaftlichen Diskursen eine moralische gener Ansatz genutzt werden, um verschie- Verantwortung von ProduzentInnen, Ver- dene partikulare Themenfelder integrativ käuferInnen und KäuferInnen entsteht miteinander zu verknüpfen. Beispielsweise und wofür sie sich verantwortlich fühlen. können in Projekt- und Gruppenarbeiten In der empirischen Forschung bietet parallel verschiedene Teilaspekte verfolgt sich dazu ein vielfältiges Methodenspek- und später wieder in Beziehung zueinan- trum an, von Interviews oder Gruppen- der gesetzt werden. diskussionen mit HerstellerInnen, Ver- Damit ist aber in der Forschung wie in käuferInnen und KonsumentInnen über der Lehre zugleich das Problem verbun- Text- und Bildanalysen und Methoden den, dass eine Auswahl an für relevant der Medien- und Diskursanalyse bis erachteten Möglichkeiten aus der theo- hin zu multilokalen ethnographischen retisch unendlich großen Zahl möglicher Methoden. Die Geographie als eine an Produkt-Verfolgungspfade und möglicher Abb. 3: Lehrbuch von Mansvelt (2005) Methodenpluralismus und Paradigmen- Arten von Beziehungen und Verbindungen vielfalt gewöhnte Disziplin hat gute Vo- erfolgen muss. Die Auswahl und die damit abgegrenzten Ausschnitt der Realität. raussetzungen, um verschiedene diszipli- eingenommene Betrachtungsperspektive Dabei sollte nicht vergessen werden, dass näre Perspektiven wie der Ökonomie, der nehmen bereits gewisse Bewertungen und Ökobilanzen ein wissenschaftliches und Umweltforschung, der Konsumsoziologie, mögliche aufzuzeigende Verbindungen technisch-soziales Konstrukt sind, das es Konsumpsychologie und Konsumethnolo- vorweg. Dieses Problem lässt sich nicht uns erlaubt, die Realität mit einer ande- gie zu integrieren. befriedigend lösen. Es bleibt keine ande- ren Brille zu sehen. Diese Realität ist aber re Wahl, als nach eigener Einschätzung nicht unabhängig von der Brille existent. Geographien der Waren und des Konsums (die von Vorannahmen und Vorwissen ab- Eine mögliche analytische Methode, Die Analyse von Produkten bzw. Waren hängt) Themen und Linien der „Nachver- mit einem selbstreflexiven Blick auf All- und ihrer Herkunft nach diesem oder folgung“ zu bestimmen, die für bestimmte tagsprodukte und verschiedene mit ihnen anderen Ansätzen reiht sich ein in ein Fragestellungen und Probleme relevant zu verbundene Herkünfte, Assoziationen, humangeographisches Forschungsfeld sein scheinen. Wichtig ist dabei ein hohes Produktionsbedingungen und Effekte zu der „Geographien des Konsums“. In der Maß an Selbstreflexion, das heißt, man betrachten, habe ich unter Verwendung anglophonen Geographie haben sich die muss sich beim Sehen immer im Klaren der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) und „geographies of commodities and con- darüber sein, dass die eingenommene Per- Michel Callons Konzept des „Framing“ sumption“ bereits seit rund 20 Jahren als spektive großen Einfluss auf das hat, was vorgeschlagen (Ermann 2005). Dabei humangeographische Subdisziplin eta- man dann sieht. Das gilt auch für standar- geht es darum, Praktiken aufzuzeigen, wie bliert (vgl. Jackson & Thrift 1995, Crang disierte Methoden der Zurückverfolgung Produkte und ihre Herkunft von Produ- 1998, Watts 1999, Crewe 2000, Mansvelt eines Produkts. Dazu bieten sich unter an- zentInnen, VermarkterInnen, Konsumen- 2005); allein im zurückliegenden Jahr- derem betriebswirtschaftliche Methoden tInnen oder auch von Medien oder politi- zehnt erschienen acht „Progress in Human der Analyse von Wertschöpfungsketten an schen Organisationen „gerahmt“ werden. Geography“-Beiträge mit „Geographies oder von produktbezogenen Ökobilanzen Es lassen sich drei Formen dieser Rah- of consumption“ im Titel (Crewe 2000, („Life Cycle Assessments“, vgl. auch die mung unterscheiden: 2001, 2003, Goss 2004, 2006, Mansvelt didaktisch sehr gut verwendbaren Kon- 1. Kommodifizierung: 2008, 2009, 2010). Zudem nimmt diese zepte des „ökologischen Fußabdrucks“ Wie wird der Wert eines Produktes kon- Subdisziplin trotz ihrer thematischen und oder des „ökologischen Rucksacks“). Öko- struiert und „gerahmt“? Zu denken wäre konzeptionellen Heterogenität auch einen bilanzen können beispielsweise ein sehr hier beispielsweise an Diskurse in der prominenten Platz im Spektrum der Leh- hilfreiches Konzept sein, um ökologische Preisbildung und in der Wertschätzung re und Didaktik ein (z. B. Rawding 2009).

9 GeoGraz 51 - 2012 SCHWERPUNKT

Goodman (2002: 271) spricht von einem und rationalen Konsummenschen voraus- pen eingesetzt wir das Konsumieren. „consumption turn“ in der angloameri- setzt, wird beim Blick auf die Rolle der Vor allem Marken symbolisieren einen kanischen Humangeographie, und Nigel Unternehmen hinsichtlich der Produk- bestimmten Lebensstil und können indi- Thrift 2002: 293) attestiert der human tion von Konsumwünschen eher davon viduell kombiniert werden. In geographi- geography – gemeinsam mit der Anthro- ausgegangen, dass sich KonsumentInnen scher Hinsicht ist besonders die raumbe- pologie – in der Konsumforschung sogar manipulieren lassen. Die „Besänftigung“ zogene Identität von Interesse. So werden eine Vorreiterrolle innerhalb der Sozial- der Massen mittels Massenkonsum wird nationale und regionale Stereotype meist wissenschaften. Im Hinblick auf die Zu- zudem auch als eine politische Strategie mit Konsumgütern – insbesondere Speisen kunft der Geographie hebt er das „field of angesehen. Dass ein Grund für den Zu- und Getränke – gebildet. Ebenso werden consumption“ hervor: „In retrospect, it is sammenbruch der sozialistischen Ge- Ethnizität und Multikulturalität sowie difficult to believe that until quite recent- sellschaften im Osten Europas auch in Transnationalität mit Konsumgütern, ly such a central element of human life der Unzufriedenheit mit den Konsum- Einkaufs- und Verkaufspraktiken und could have been ignored (after all, we all möglichkeiten im Vergleich zum Westen -ritualen gepflegt (vgl. z. B. Jackson et al. go shopping) – but it was” (Ermann 2006: gesehen wird, zeigt, welch große gesell- 2007, Everts 2010). So sind sicherlich die 201). schaftliche Bedeutung Konsumverhalten, häufigsten Assoziationen mit Ländern mit Dagegen ist diese Forschungsrichtung Konsumangeboten und Konsumpolitik Konsumgütern und Marken verbunden in der deutschsprachigen Humangeogra- haben können (vgl. Ditchev 2005). (z.B. Italien: Spaghetti und Pizza, Chian- phie nach wie vor eher eine Randerschei- Weitere wichtige Themen sind Orte und ti, Ferrari etc., USA: Fastfood, Coca Cola, nung. In jüngerer Zeit wurden allerdings Schauplätze des Konsums: Ausgehend von McDonald’s, Microsoft, Apple, Deutsch- Tagungen zu Geographien des Konsums Arbeiten zu Einkaufsstätten wie Jon Goss‘ land: Bier, Würste und Sauerkraut, Autos, veranstaltet (2008 in Leipzig und 2010 in „magic of the mall“ (Goss 1993) kann insbes. Mercedes-Benz). Auch die lokale Jena), und es sind erste Überblicksbeiträge auch auf Arbeiten aus der geographischen und regionale Identität wird vorwiegend erschienen (Pütz & Schröder 2011) oder Handelsforschung sowie der geographi- mittels Konsumgüter gepflegt (siehe z.B. befinden sich im Erscheinen (Schmid & schen Tourismusforschung (Inszenierung für Graz/Steiermark Spezialitäten wie Gäbler im Druck und Ermann in Vorbe- von Freizeit- und Konsumwelten) ange- Kernöl, Käferbohnensalat oder Schil- reitung). Und auch in der traditionell pro- knüpft werden. Im Mittelpunkt stehen cher). Interessant ist hier unter anderem duktionsorientierten Wirtschaftsgeogra- die Herstellung von und der Umgang mit zu untersuchen, wie dabei Prozesse der phie gewinnt die Konsumseite mehr und Einkaufswelten und deren Künstlichkeit „Authentifizierung“ und der (re-)invention mehr an Bedeutung (vgl. z.B. Grabher et und Maskierung bzw. eigenen Authenti- of tradition vollzogen werden und welche al. 2008) sowie zahlreiche Beiträge zur zität oder „Hyperrealität“ (je nach polit- Strategien dabei verfolgt und Wirkungen Analyse von globalen Waren- und Wert- ökonomischer oder semiotisch-kultur- erzielt werden. ketten). wissenschaftlicher Perspektive). Beispiele Die Funktion von Konsumgütern als Die Themen und Ansätze der „Geo- aus der deutschsprachigen Geographie Mittel zur Herstellung eigener Lebens- graphien des Konsums“ beschränken sich bieten Schmid (2007) mit der Zeichen- wirklichkeiten und sozialer Bezüge füh- keineswegs auf die hier vorgestellte „Fol- welt der „Konsum- und Erlebnisstädte“ ren gewissermaßen wieder zurück an den low the thing“-Programmatik und damit Las Vegas und Dubai oder Kazig (2012) Anfang meines Essays: Das von mir prä- verbundene Prozesse der Globalisierung mit der Analyse von Einkaufsatmosphä- ferierte Getränk beinhaltet nicht nur eine und Regionalisierung. Eng damit verbun- ren. Auch alternative Orte des Konsums ganze Serie von mehr oder weniger leicht den sind Forschungsfragen zur Rolle von wie Bauernmärkte, Bioläden, urban gar- zu erschließenden Verbindungen zu Ge- Konsumenten und der Moral des Kon- dening-Räume, Tauschringe, Tafeln usw. ographien der Produktion des Getränks. sumierens: Konsum ist nicht zuletzt ein bieten in Verbindung mit entsprechenden Beim Trinken schwingen für mich noch Mittel zur Durchsetzung von politischen Lebensstilen, moralischen Orientierungen weit mehr Assoziationen und Emotionen und moralischen Interessen im Sinn eines und Konsum- bzw. Kapitalismuskritik ein mit. moralischen bzw. nachhaltigen Konsums wichtiges Forschungsthema. (vgl. z. B. Jackson et al. 2009 oder in der Nicht zuletzt handeln Geographien des deutschsprachigen Geographie Ermann Konsums von der Identitätsbildung und 2006 oder Gäbler 2010), etwa im Hin- sozialen Vergemeinschaftung durch Kon- blick auf Umwelt- und Klimaschutz oder sum: Kaum eine andere Lebensäußerung auf Menschenrechte bei Arbeitsbedin- wird heute so stark zur Selbstdarstellung gungen. Während moralischer Konsum und der Realisierung individueller sowie das Modell eines zwar nicht eigensinnig konformer Lebensstile und zur Demons- handelnden, aber doch wohl informierten tration der Zugehörigkeit sozialer Grup-

10 SCHWERPUNKT

QUELLENVERZEICHNIS

Arnreiter, G. & Weichhart, P. (1998): Rivali- Ditchev, I. (2005): Die Konsumentenschmiede: ledging consumption: a review of new studies. sierende Paradigmen im Fach Geographie. Versuch über das kommunistische Begehren. London. In: Schurz, G. & Weingartner, P. (Hg.), In: Groys, B., Heiden, A. von der & Weibel, Koexistenz rivalisierender Paradigmen: P. (Hg.): Zurück aus der Zukunft: Osteuro- Jackson, P., Ward, N. & Russel, P. (2009): Eine post-kuhnsche Bestandsaufnahme päische Kulturen im Zeitalter des Postkom- Moral economies of food and geographies of zur Struktur gegenwärtiger Wissenschaft. munismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp, responsibility. Transactions of the Institute for Wiesbaden, Opladen. 278-338. British Geographers, 34, 12-24. Bair, J. (Hg.) (2009): Frontiers of Commodity Everts, J. (2010): Consuming and living the Kazig, R. (2012): Einkaufsatmosphären: eine Chains Research. Stanford, Stanford Uni- corner shop: belonging,remembering, soci- alltagsästhetische Konzeption. 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MARTIN KUBANEK

Die Eiszeit im Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen ZUM AUTOR Neukonzeption und Neuinszenierung des Themenwanderweges Martin Kubanek studierte Die Landschaftsformen im Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen haben ihr heutiges Aussehen den Vorgängen der letz- in Graz Geographie und ten Eiszeit, insbesondere der letzten Kaltzeit, zu verdanken. Ein neues Naturparkkonzept unter dem Motto „Natur Gebirgs- und Klimageographie. Neben seiner Lehrtätigkeit lesen lernen“ erforderte 2010 die Neukonzeption und -inszenierung des bestehenden Eiszeitwanderweges. Die ein- (Kartographie) an unserem gesetzten Methoden des Erlebnis-Settings und der Erlebnisinszenierung vereinen dabei sowohl traditionelle als auch Institut ist er im Bereich der moderne Formen der Landschaftsdidaktik. Die alten Strukturen wurden durch drei themen- und zielgruppenspezi- touristischen Angebotsent- fische Rundwege abgelöst, die neu entwickelte „EISZEIT Insel“ dient als zentraler Informations- und Erlebnispunkt. wicklung beschäftigt.

1.„Natur lesen lernen“ im Naturpark – die 11 Etappen werden Naturlesethemen be- 2. Die Neukonzeption – eine hierarchisch Ausgangslage handelt, u. a. das Thema „Die Biographie aufgebaute Angebotskette der Erde“ zwischen St. Blasen und Maria­ Bereits 2004 wurde mit der Eröffnung des hof. In diesem Bereich findet thematisch Der in die Jahre gekommene „alte Eis- „NaturLeseParks“ im Naturpark (Abb. 1) passend auch die Neuinszenierung des zeitwanderweg“ war als klassischer „Lese- der Grundstein für die neue Philosophie Eiszeitwanderweges statt. „NaturLese- Lehrpfad“ aufgebaut. Das neue Motto des Naturparks, „Natur lesen lernen“, ge- Gärten“, „NaturLeseBücher“ und „Natur- im Naturpark sollte sich nun auch beim setzt. Kernstück der neuen Angebote ist LeseInseln“ unterstützen den Naturlese- landschaftsprägenden Thema „Eiszeit“ die im Jahr 2010 fertig gestellte „Via Na- gedanken und die Angebotsphilosophie. fortsetzen und erforderte die Neukonzep- tura“, ein „NaturLeseWeg“ (Abb. 1). Auf tion. Neben der Verbesserung der Aus- gangslage, der Angebotsstärkung und der Berücksichtigung der neuen Naturpark- philosophie galt es eine spannende, zeit- gemäße Neuinszenierung umzusetzen. Dabei war zwar die Wissensvermittlung zum Thema „Eiszeit“ ein wichtiges Ziel, viel entscheidender war und ist aber das Erreichen eines allgemeinen Interesses und einer allgemeinen Sensibilisierung für Umweltthemen. Nur ein stimmiges Gesamtkonzept des Erlebnissettings kann die Zielgruppen und die Ziele erreichen. Dies inkludiert neben den eigentlichen Elementen der Inszenierung eine vollstän- dige Dienstleistungskette von der An- bis zur Abreise, denn letztendlich endschei- den die BesucherInnen über den Erlebnis- wert eines Angebotes und sorgen für die notwendige Mundpropaganda – wohl das wirksamste Werbemittel für Naturparke. Die Neuinszenierung mit dem Titel „Eis- zeit erleben“ ist ein umfassendes, allen Zielgruppen und Anforderungen gerecht werdendes Begehungs- und Informations- konzept (Abb. 2). Zeitlich, inhaltlich und räumlich hierarchisch aufgebaut, ermög­ licht es den BesucherInnen individuell den „Intensitätsgrad“ festzulegen. 3. Die Elemente der Neuinszenierung

Die „EISZEIT Insel“ Die „EISZEIT Insel“, neben der „BIO- NIK Insel“ die zweite „NaturLeseInsel“ Abb. 1: Die Lage des Naturparks und die Wegführung der „Via Natura“ (eigene Darstellung, Grundlage BEV) im Naturpark, steht im Mittelpunkt der

12 BEITRÄGE

neuen Inszenierung und behandelt alle den dabei besonders anschaulich als echte wird relativ offen behandelt und soll viel wichtigen Themen kompakt und über- Reliefs dargestellt. Freiraum für eigene Überlegungen, Dis- sichtlich – ideal für Schulklassen und Die Themengruppe „Flora, Fauna,kussionen und Reflexionen bieten. Eine Gruppen. Dabei sind die Themen weder Mensch“ wurde gewählt, um auch As- vier Meter lange Klimakurve (Daten: zu wissenschaftlich noch zu touristisch pekte, welche über glazialmorphologische Wostok-Eisbhorkern) zeigt das ständige aufbereitet. Dies spiegelt sich auch in den Formen hinausgehen, zu inszenieren. Auf und Ab des Klimas. gewählten Themen und Inszenierungs- Hiermit soll besonders die jüngere Ziel-

Abb.2: Das hierarchisch aufgebaute Begehungs- und Informationskonzept (eigene Darstellung) formen wider. gruppe angesprochen werden. Angreif- Die Rundwege Auf der zweiteilig angelegten „Natur- bare Fußabdrücke der wichtigsten eiszeit- Ausgehend von der „EISZEIT Insel“ füh- LeseInsel“ (Abb. 3) dient ein „NaturLe- lichen Tiere in Originalgröße sowie eine ren drei Rundwege durch den Naturpark. seBuch“ der Erstinformation. „Die Eis- Fotowand mit einem Neanderthaler (Abb. Diese sollen aufgrund der Themenwahl, zeit“ stellt das Leitthema dar. Es werden 4) sollen zum aktiven eigenen Handeln Weglängen, Wegprofile und inhaltlichen die Ursachen der großen Eiszeitalter, die auffordern und dadurch das Erlebte nach- Vertiefungen unterschiedliche Zielgrup- räumliche Ausdehnung im globalen Zu- haltig im Gedächtnis verankern. Das The- pen ansprechen. Insgesamt 16 neu insze- sammenhang sowie die historischen Eis- ma „Im Wandel der Zeit“ bildet schließ- nierte Installationen befinden sich entlang zeitalter beschrieben. Das Thema „Land- lich eine Art Zusammenschau, welche der Rundwege. Dabei wurden sowohl be- stehende Standorte neu inszeniert als auch neue Standorte, welche das Motto des jeweiligen Rundweges stützen, hinzuge- fügt. Trotz der heutigen Anforderungen an einen Themenweg in Hinblick auf In- teraktivität kann diese gerade bei Themen- wegen aufgrund der Wartungsintensität nicht immer optimal erfüllt werden. Man muss sich mit „wartungsfreien“ Inszenie- rungsformen behelfen – Panoramadarstel- lungen, standortbezogene Infografiken, „Landschaftsfenster“ und „Schaukästen“ bewirken eine bewusste Blicklenkung der Abb. 3: Der Grundriss der „EISZEIT Insel“ (eigene Darstellung) BesucherInnen auf das Wesentliche (Abb. 5) . schaftsarchitekt Gletscher“ beschreibt in verdeutlichen soll, dass Veränderungen Der Weg „Ab durch die Grundmoräne“ Kurzform jene glazialmorphologischen allgegenwärtig sind. Dabei wird nochmals im Bereich von Oberdorf bis Mariahof Erscheinungen, welche auf den Rundwe- der Bezug zum Wandel der Landschaft, führt auf vielen Abschnitten durch das gen in der Realität vorgefunden werden. des Klimas, der Tierwelt, der Vegetation von Grundmoränen beeinflusste Gebiet. Sechs wichtige Landschaftsformen wer- und des Menschen hergestellt. Das Thema Der Titel soll zum „Aktiv werden“ auf-

13 GeoGraz 51 - 2012 BEITRÄGE

Abb. 4: Beispiele der Inszenierungsformen auf der „EISZEIT Insel“ (eigene Aufnahmen)

fordern. Stationen wie z. B. „Vereisungs- grenze“, „EISZEIT Panorama“, „Auf der Grundmoräne“ und „Eisfließrich- tung“ erklären die Formung der Pass- landschaft und die daraus resultierenden Landschafts­elemente. Große Flächen der Sackgasse“ führt durch den Thajagraben Passlandschaft sind mit Grundmoränen- und entlang der Moränenhänge im obe- material ausgekleidet. Zusätzlich zu den ren Thajagraben. Der Titel ergibt sich aus Aufschüttungsformen, wie Grund-, Sei- der Sackgassenfunktion des Lambrechter ten- (Maria­hof) und Endmoränen, sind Hochtals für den Arm des Murgletschers Abb. 5: Blicklenkung durch „Landschaftsfenster“ und auch viele, die Eisfließrichtung erkenn- nach dem Hochglazial. Der vorstoßende sinnrichtig aufgestellte Infotafeln (eigene Aufnahmen) bar machende, Abtragungsformen, wie Murgletscher und die Eisströme des Wöl- Rundhöcker, zu erkennen (Eicher, 1975). zertales drangen in die Passlandschaft vor Verbliebene Toteiskörper sowie die starke und riegelten an ihrer Stirn die Mündungs- alien wurden am Ende der Kaltzeit vom Verdichtung der Grundmoränen resul- schlucht des Hochtals von St. Lambrecht Thajabach fluviatil ausgeräumt (Thurner et tierten in einer gehäuften Teichbildung, ab. Die einsetzende Seebildung führte zur al. 1980). Dies führte z. B. zur Ausbildung wodurch auch die Voraussetzungen für Bildung von Kies- und Deltaschichten mit der Erdpyramiden im Thajagraben. Der die Bildung des bekannten Furtnerteichs darüber liegenden Bändertonen und an- durch viele Höhenmeter gekennzeichne- entstanden. schließender Grundmoränenauflage des te Rundweg führt tief in den „Thajagra- Der Rundweg „Der Gletscher in der vorstoßenden Gletschers. Diese Materi- ben“, lässt einen aber auch an der Station „Murtalblick“ in ein klassisches glazial geformtes Trogtal blicken. Im Hochtal von St. Lambrecht finden sich nahezu nur Aufschüttungsformen, große Abschnitte sind mit Grundmoränenmate- rial ausgekleidet und bilden sanft geneigte gleichförmige Hänge. Ab St. Blasen, und besser ausgeprägt im Gebiet von St. Lambrecht, finden sich Verebnungsflä- chen als Zeugen einer glazialmorpholo- gischen Besonderheit, welche in einem kleinen Rundweg aufgearbeitet wurde – der ehemalige 5 km lange und über 2.000 Jahre existierende „Eisstausee St. Lamb- recht“ (Spreitzer 1961). Abb. 6 zeigt einige Highlights im Gebiet der drei Rundwege. Geocaching – Neue Medien für neue Zielgruppen Die derzeitigen Anforderungen an ein modernes Erlebnissetting in Bezug auf die Übermittlung landschaftsdidaktischer Inhalte haben sich im Laufe der Zeit vom Abb. 6: Einige Highlights im Bereich der Rundwege: Kirchhügel von Mariahof, Erdpyramiden im Thajagraben, klassischen Lehrpfad zu einem notwendi- Moräne und Eisstauseeterrassen in St. Lambrecht (eigene Aufnahmen) gen interaktiven multimedialen Angebot gewandelt. Das Aufkommen von Smart-

14 BEITRÄGE

Abb. 7: Geocaching-Station auf der „EISZEIT Insel“ (eigene Aufnahme), Einsatzmöglichkeiten und Funktionsweise eines QR-Codes (bearbeitet nach einer Grundlage von Tagnition, 2011) phones lässt neue Möglichkeiten auch in 4. Die Eiszeit zum Einstecken – Infos und QUELLENVERZEICHNIS der Landschaftsdidaktik zu. Die Kombi- Bewerbung nation von Natur und Technik begeistert Eine vollständige Angebotspalette und die Eicher H. (1975): Hydrogeographische Studien im Gebiet St. Lambrecht Erwachsene wie Kinder und Jugendliche Dienstleistungskette verlangen nach ent- – Neumarkt, Dissertation, Karl Fran- und ermöglicht so das Erreichen neuer sprechenden Marketing- und Informati- zens Universität, Graz, 306 S. Spreitzer H. (1961): Der eiszeitliche Murgletscher in der Steiermark und Kärnten, Geographischer Jahres- bericht aus Österreich, Band 28, Geo- graphisches Institut der Universität Wien, Wien, S. 1-50 Tagnition (Zugriff April 2011): Tagniti- on – Link Your Life, www.tagnition. de Thurner A. et al. (1980): Erläuterungen z. Blatt 160 Neumarkt in der Stei- ermark, Geologische Bundesanstalt, Wien, 64 S.

Abb. 8: „Die Eiszeit zum Einstecken“ – der „Pocketguide“ als Informationsprodukt (eigene Darstellung). Beachten Sie dazu auch die Neuvorstellungen!

Interessensgruppen. Im Rahmen der Neu- onsmedien zur Information, Orientierung inszenierung wurde diese neue Technolo- bei der Begehung, Nachbereitung und als gie in Form des „Geocaching-Erlebnisses“ Erinnerung. In der neuen Inszenierung eingesetzt. Die moderne Schnitzeljagd gibt es zu diesem Zweck den „Pocket- mithilfe eines GPS-Empfängers findet guide“, der unter dem Motto „Die Eiszeit dabei im Bereich Thajagraben statt und zum Einstecken“ steht (Abb. 8). Der Titel soll weitere interessante Erlebnispunkte soll das Gefühl erzeugen, die Inszenierung zugänglich machen. Durch das Scannen und das Erlebnis mit nach Hause nehmen eines QR-Codes bekommt der Besucher zu können. Das zweigeteilte Produkt be- eiszeitliche Infos und die Koordinaten für steht aus einem handlichen kleinforma- den nächsten Erlebnispunkt (Abb. 7). Den tigen Büchlein mit kurzen Texten und Haupterlebnispunkt bilden dabei die Erd- Grafiken zu allen inszenierten Themen pyramiden im Thajagraben. und Stationen und aus einer Angebotskar- te mit der Beschreibung der Rundwege. Zusätzlich findet die Bewerbung auf der Homepage des Naturparks Zirbitzkogel- Grebenzen über eine interaktive Karte mit Routenbeschreibungen statt.

15 GeoGraz 50 - 2012 BEITRÄGE

DARIO BIHAR Medimurje ZUM AUTOR eine Region in Kroatien Dario Bihar studiert das Folgt man dem Lauf der Mur flussabwärts, gelangt man nach nur zwei Autostunden von Graz in das Medimurje, Bachelorstudium Geographie eine trotz ihrer Nähe weithin unbekannte Region. Der folgende Artikel soll die Gespanschaft im Norden Kroatiens an unserem Institut. Mit diesem Beitrag zeichnet er genauer vorstellen und schließt damit an das Portrait Kroatiens an, das in unserer Reihe „Im Teleskop“ in GeoGraz ein sehr persönliches Bild 46 (Lieb 2010) erschienen ist. Der Artikel beruht neben der Gebietskenntnis des Autors und den angegebenen von seiner Heimatregion. Quellen hauptsächlich auf Informationen, die M. Posavec, Bezirkshauptmann-Stellvertreter von Medimurje, zur Ver- fügung gestellt hat. Ihm und dem Interviewpartner A. Tomšic gilt der besondere Dank des Autors.

Međimurje ist die nördlichste Gespan- lach – Ljubljana – Zagreb – Beograd – Niš zeitaktivitäten für Einwohner aber auch schaft (kroat. županija, Verwaltungsein- – Skopje – Thessaloniki). Hervorzuheben Touristen angeboten. Die Međimursci heit, die den österreichischen Bezirken ist auch die Nähe mehrerer wirtschaft- (die Einwohner der Gespanschaft) haben entspricht, Abb. 1) Kroatiens und zählt lich bedeutender Zentren im Umkreis von den Ruf, besonders gastfreundlich zu sein 114.414 Einwohner (2011). Die 730 km² rund 300 km wie etwa Zagreb, Ljubljana, und verfügen über gute Fremdsprachen- umfassende „Murinsel” (Međimurje) zwi- Wien, Graz, Budapest, Belgrad, Rijeka kenntnisse – v. a. Deutsch und Englisch schen den Flüssen Mur und Drau (die hier und Triest, an welche die Gespanschaft (Posavec 2011). noch ihrem ursprünglichen, natürlichen mit der Hauptstadt Čakovec (27.227 Ein- Verlauf folgen) liegt an der Grenze zu den wohner) mit einer modernen Verkehrsin- Die Bevölkerung des Medimurje EU-Ländern Slowenien und Ungarn, zu- frastruktur angebunden ist (Höllgruber Die Bevölkerung der Gespanschaft macht dem auch in relevanter Nähe zu mehreren 2006, S. 133; Posavec 2011). 2,6 % der Gesamtbevölkerung Kroatiens transeuropäischen Verkehrskorridoren, Međimurje preist sich als ideal zum Er- aus. Seit 1991 ist ein leichter, seit 2001 ein und zwar TEN-V (Venezia – Trieste – reichen des Gleichgewichts von Karriere stärkerer Bevölkerungsrückgang (2001: Ljubljana – Maribor – Budapest – Usch- und Lebensqualität an. Es werden Events, 118.426, 2011: 114.414 Einwohner) fest- horod – Lviv – Kiiv), Vb (Rijeka – Zagreb kulturelle (Abb. 2) und natürliche Sehens- zustellen. Die Bevölkerungsentwicklung – Becsehely) und TEN-X (Salzburg – Vil- würdigkeiten, sportlich bezogene Frei- seit der ersten Zählung 1857 zeigt Abb. 3. Die Altersstruktur der Bevölkerung des Međimurje (Abb. 4) zeigt die Form einer Urne. Die jüngeren Jahrgänge nehmen von Jahr zu Jahr ab, die Überalterung schreitet voran, womit die demographische Situati- on insgesamt als ungünstig bewertet wer- den kann. Wirtschaftliche Kennzahlen Im Međimurje haben über 2.000 Han- delsgesellschaften ihren Sitz (davon 97,5 % kleine Betriebe), was die Gespanschaft auf Rang 10 in Kroatien platziert. Die Netto- Löhne in Međimurje machen rund 79 % des kroatischen Durchschnitts aus. Die Gespanschaft schreibt einen Überschuss im Warenaustausch mit dem Ausland: Der Export ist um 20 % größer als der Import. Am meisten wird nach Deutsch- land, Italien und Österreich exportiert. Die Metallverarbeitungsindustrie umfasst die Produktion von Gussmetall, Metall- konstruktionen, Verpackungen, Kesseln, Werkzeug, Industrieausrüstung, Eisen- bahnwaggons sowie verschiedenen Ma- schinen und galt schon immer als wichtige Abb. 1: Die Gespanschaften Kroatiens (Quelle: http://www. Säule der Wirtschaft. Auch die Textil­ kroatien-gastgeber.com/landkreise.html, Zugriff: 01/2012) industrie hat eine lange Tradition – trotz zahlreicher Probleme und der Konkurrenz

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aus China und Indien hat sie es geschafft sich zu halten und ist weiterhin nach Ein- nahmen, Export und Beschäftigten die führende Industriesparte der Gespan- schaft. Međimurje ist ein vorwiegend rurales Gebiet mit ausgezeichneten Vorausset- zungen für landwirtschaftliche Herstel- lung. Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt ca. 51.000 ha (davon Äcker und Gärten 37.000 ha, Obstgärten 3.000 ha, Weingärten mehr als 1.200 ha, Wiesen und Felder 10.000 ha). Es sind mehr als 6.500 Bauernhöfe registriert. Die am mei- sten vertretenen Kulturen sind Getreide (72 %), Gemüse (18 %), Industrie- (4 %) und Futterpflanzen (4 %). Das bekann- teste Produkt sind Kartoffel, wobei das Abb. 2: Flussmühle in Sveti Martin an der Mur (eigenes Foto 2012) Međimurje mit 18,3 % der Anbaufläche an erster Stelle in Kroatien steht. Im Obstbau spielen Plantagenobstgärten mit 55 % der 25 % des Gesamtanbaus in Kroatien aus. ICT-Sektors (Informations- und Kom- Fläche eine große Rolle (30 % der Planta- Dem Bericht des Weltwirtschaft-Forums munikationstechnologie) in Südosteuropa. genobstgartenflächen Kroatiens). Der An- 2007 zufolge hat Kroatien die besten Vor­ In den letzten Jahren hat sich auf diesem bau von Äpfeln in der Gespanschaft macht aussetzungen für die Entwicklung des Sektor viel getan, und die Betriebe und ein Großteil der Einwohner nutzen moderne Technologien. Nach der Skala aus diesem Bericht ist Kroatien auf Weltrang 46 in der Entwicklung der Informationsgesell- schaft. Der ICT-Sektor ist besonders im nördlichen Kroatien entwickelt. Die Po- tenziale dieses Sektors im Međimurje er- geben sich aus der Nähe der Fakultät für Organisation und Informatik in Varaždin, und aus einer wachsenden unternehme- rischen Aktivität, welche in einem im- mer größeren Bedürfnis an modernen ICT-Lösungen resultiert. Der wichtigste Abb. 3: Die Bevölkerung des Međimurje 1857–2011 (Quelle: Ured državne uprave u Međimorskoj Županiji 2011) Schritt im Positionieren des ICT-Sektors im Međimurje war die Gründung eines einschlägigen Clusters aus 11 Betrieben (Posavec 2011). Energie Im Međimurje ist das Bewusstsein über die Begrenztheit fossiler Energiequellen und die Nachfrage an erneuerbaren En- ergiequellen hoch entwickelt. Wasserkraft nutzt man seit Jahrzehnten durch zwei Kraftwerke an der Drau. Man erkennt heute auch die Potenziale der Wind­ energie. An ausgewählten Stellen wird die Windstärke gemessen, um optionale Standorte zum Bau von Windkraftanla- gen zu eruieren, an denen fremde Inve- storen ihr Interesse gezeigt haben. Mit einer Waldfläche von 9.755 ha weist das Međimurje großes Potenzial zur Nutzung Abb. 4: Die Altersstruktur des Medimurje 2009 (Daten: Ured državne uprave u Međimorskoj Županiji 2011, eigene der Biomasse auf und der bereits vorhan- Darstellung)

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Abb. 5, 6: Sehenswürdigkeiten in Cakovec: Altstadt und Stadtschloss, Weinbaugebiet Oberes Medimurje- (eigene Fotos 2012) dene Rapsanbau könnte auf Brachflächen jekten zur Verbesserung des Tourismus- heute – noch vor dem Beitritt zur EU – erweitert werden, falls zukünftig Interesse angebotes zählen z. B. Weinverkostungen, ein Thema, so wurde die Errichtung des für die Herstellung von Biodiesel aus die- Weinstraßen (Abb. 6) oder der Ausbau des Betriebes mit 38 % von Seiten der EU ge- sem Rohstoff besteht. Solarenergie nutzen Radwegenetzes (Posavec 2011). fördert. Große Hoffnungen werden daher schon zahlreiche Private und Betriebe zur Ein Beispiel eines Weingutes, das auf den EU-Beitritt (Juni 2013) gesetzt Heizung der Wohn- und Geschäftsräume. auf hohe Qualität setzt, ist das Weingut (TomšiĆ 2011). Bedeutsam ist das Potenzial der Nutzung TomšiĆ in Železna Gora, wo auf 7 ha Flä- thermischer Energie in zwei Teilgebieten che 32.000 Weinstöcke stehen. Drei stän- Technologie-Entwicklung der Region. Die Nutzung erneuerbarer dige Mitarbeiter sowie zahlreiche Saison- Die Gespanschaft Međimurje baute in Energiequellen wird von der Energie- arbeiter produzieren jährlich über 100.000 Zusammenarbeit mit einer Entwicklungs- Agentur MEA vorangetrieben (Posavec l Wein, ganz nach dem Motto: „Weniger agentur das Projekt des technologisch-in- 2011). ist mehr“ – dafür mehr an Qualität. Wein- novativen Zentrums auf einer Fläche mit verkostungen gehören zum Angebot des 2.600 m2 auf, zu welchem auch die Fach- Tourismus Weingutes, auf dem bis zu 100 Gäste bzw. hochschule Međimurje gehört. Die Region Globale Trends, welche authentische tou- zwei Busse gleichzeitig bewirtet werden soll demnach durch die Entwicklung der ristische Produkte bevorzugen, kommen können. Förderungen der EU sind bereits technologischen Infrastruktur gefördert dem Međimurje ent- werden. Es wird angestrebt, gegen. Neben den optimale Bedingungen für schon erwähnten Technologie-Entwicklung, Naturschönheiten Transfer und Vermark- und dem kulturellen tung von Innovationen zu Erbe (Abb. 2 und 5) schaffen sowie regionale stellt Kulinarik ein und internationale Part- wichtiges Angebots- nerschaften zu stärken. Die segment dar. So etwa derzeitigen Angebote des fokussieren immer technologisch-innovativen mehr Weinhändler Zentrums umfassen Or- auf technologisch ganisation von Seminaren, f o r t g e s c h r i t t e n e Bildung und Transfer von Wein-Herstellung, Technologie und Vermark- und traditionelle tung von Innovationen. Spezialitäten sowie Außer dem Angeführten ist ökologisch herge- geplant, die Entwicklung stellte Nahrungs- der Fachhochschule weiter mittel werden von voranzutreiben und diese einer zunehmenden noch attraktiver für Studie- Zahl von Betrieben rende aus einem größeren im Međimurje ange- Abb. 7: Thermenhotel Sveti Martin (eigenes Foto 2012) Einzugsgebiet zu machen. boten. Zu den Pro- Abb. 8 gibt eine Über-

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Abb. 8: Industriezonen in der Gespanschaft Međimurje (Quelle: Međimurska Županija und Redea 2011, S. 2, verändert) QUELLENVERZEICHNIS sicht zu den über 50 „Industriezonen“ Zukunftsaussichten Höllgruber D. (2006): DuMont Richig des Međimurje, von denen die meisten Das Međimurje blickt somit sehr optimi- Reisen: Kroatien. – DuMont Reiseverlag, bereits in Betrieb oder von Seiten den stisch in die Zukunft. Die gute Eignung Ostfieldern, 432 S. Gemeinden bereits mit der nötigen In- zur landwirtschaftlichen Produktion wird Lieb G. K. (2010): Kroatien – Raum- frastruktur ausgestattet worden sind als Stärkefeld gesehen, das sowohl für den strukturen, Disparitäten, Potenziale. In: (bereit für Investitionen). Zusammen- Bereich Tourismus als auch für die in- GeoGraz 46, 33-37. fassend kann man feststellen, dass das dustrielle Verarbeitung von zunehmender Međimurska Županija und Redea (Hrsg.) Međimurje nicht nur, wie erwähnt, über Bedeutung sein könnte. Der wachsende (2011): Stanje u gospodarskim zonama eine traditionelle, gut entwickelte Indus- Elektronik- und Informatikbereich wird Međimurske županije u 2011. godini – Prikaz stanja, kategorizacija i rangiranje. trie verfügt, sondern auch Grundlagen die traditionelle Produktionspalette ergän- – Bericht für neue Investoren, Čakovec, für die Ansiedlung technologieorien- zen, gestützt auf Wissen und Innovation, 15 S. tierter Betriebe geschaffen hat. Daraus wie sie nunmehr gezielt gefördert werden. Posavec M. (2011): Interview in Čakovec, wird gefolgert, dass die Region für ver- Die Region bemüht sich um die Sicherstel- am 24.11.2011. schiedenste Industriesparten gute Stand- lung einer hohen Lebensqualität für ihre TomšiĆ A. (2011): Interview in Železna ortvoraussetzungen bietet (Međimurska Bewohnerinnen und Bewohner und erhofft Gora, am 25.11.2011. Županija und Redea 2011, S. 2; Posavec sich aus dem bevorstehenden Beitritt Kro- Ured državne uprave u Međimorskoj 2011). atiens zur Europäischen Union wichtige Županiji (Hrsg.), 2011: Međimurska Impulse für ihre weitere Entwicklung. županija u brojkama 2010. – Čakovec, 140 S. 19 GeoGraz 51 - 2012 IM TELESKOP

D iETER FlECK, Peter GerngroSS, Wolfgang Urbantschitsch ZU DEN AUTOREN Dieter Fleck, Absolvent unseres Institutes und Umweltplaner in Aserbaidschan – der DI Tischler ZT, erfüllte sich mit einer Reise nach Aserbaidschan seinen Wunsch, das dritte trans- kontrastreiches Land zwischen kaukasische Land zu besuchen. Peter Gerngross, Absolvent unseres Instituts, begleitet als Selbststän- Kaukasus und Kaspischem Meer diger wissenschaftliche Projekte im Natur- und Artenschutz und bietet Aserbaidschan ist neben Armenien und Georgien die dritte, am weitesten im Osten gelegene transkaukasische kartographische Dienstleistungen Republik. Mit 86.600 km2 und rund 9,2 Mio. Einwohnern (Weltalmanach 2012) ist das Land hinsichtlich Fläche und an. Beim Reisen steht für ihn das Bevölkerungszahl etwa gleich groß wie Österreich und jedenfalls deutlich größer als seine beiden transkauka- Erleben von Natur im Allgemeinen und der Bergwelt im Besonderen 2 2 sischen Nachbarn (Armenien: 29.743 km , 3,1 Mio, Ew.; Georgien: 69.700 km , 4,5 Mio Ew.). Mit ihrer Lage südlich im Vordergrund. des Kaukasus (Abb. 1) und am Kaspischen Meer liegt die Republik an der Schnittstelle bzw. im Übergangsbereich Wolfgang Urbantschitsch, zwischen Europa und Asien. Geographie-Matura bei Waltraud Wakonigg, Absolvent der Uni Graz und des Collège d’Europe in Brügge, leitet die Rechtsabteilung 1. Einleitende Betrachtungen zur cherlei Hinsicht eine Sonderrolle ein. Am der E-Control, bereist nach allen transkaukasischen Republik Aserbaidschan EU-Staaten nun die UdSSR-Nachfol- meisten fällt dies bei der religiösen Zu- gerepubliken. gehörigkeit auf: Während in Armenien Aus dieser exponierten Lage kann die und Georgien bereits seit dem 4. Jh. das Frage nach der kontinentalen Zugehö- Christentum vorherrscht, konnte sich in wendet (Abb. 4), auch deshalb, weil dieses rigkeit gestellt werden (Abb. 2). Gemäß Aserbaidschan der Islam (Abb. 3), konkret den Lauten der Turksprachen mit ihren den physiogeographisch konstruierten in seiner schiitischen Ausprägung, durch- Umlauten (ö, ü) eher entgegenkommt als Grenzen (Manytsch-Niederung oder setzen. Auffällig ist der säkularisierte Le- die Kyrillika. Kaukasus-Hauptkamm) liegt Aserbaid- bensstil, wohl auch ein Erbe der Sowjet- Ein weiterer deutlicher Unterschied schan einerseits in Asien. Andererseits ist Ära. zwischen Aserbaidschan und seinen bei- das Land Mitglied z.B. der Europäischen Bei der Sprachenvielfalt im Kaukasus den transkaukasischen Nachbarn besteht Rundfunkunion oder der UEFA und – vor ist es sinnlos, von einer sprachlichen Son- in der Wirtschaftskraft. Das Land weist allem – des Europarates. Auf ihre Zuge- derrolle zu sprechen. Dennoch unterschei- mit 5290 $ pro Ew. ein deutlich größeres hörigkeit angesprochen, erachteten sich det sich das Aserbaidschanische erheblich Bruttonationaleinkommen als Armenien einige einheimische Gesprächspartner als von den Staatssprachen der beiden ande- (3360 $) und Georgien (2860 $) auf (Welt- europäisch. Dies kann auch historisch ar- ren transkaukasischen Staaten: Es zählt almanach 2012). Dies resultiert primär aus gumentiert werden: Das Land wurde im im Gegensatz zum Armenischen (indo- den Erdöl und -gasvorkommen im Kaspi­

Abb. 1: Aserbaidschan ist ein typisches Kaukasusland. Abb. 2: Typischer Kleinhandel im Osten: „Evro Market“ in Abb. 3: Das Minarett der Zentralmoschee in Lənkəran Blick von Xınalıq, dem höchst gelegenen Dorf in Lənkəran (eigenes Foto). (eigenes Foto). Aserbaidschan (ca. 2150 m), Richtung S in die kaukasische Bergwelt (eigenes Foto). europäische Sprachfamilie) und zum Ge- schen Meer. orgischen (kaukasische Sprachfamilie) zu Die Kaukasusregion wird hierzulande 19. Jh. (nach Jahrhunderte langer Zuge- den Turksprachen und ist damit eng mit oft als Pulverfass bezeichnet. Tatsächlich hörigkeit zum Persischem Reich) Teil des dem Türkischen verwandt. Daraus resul- leidet das gesamte Gebiet unter zahlreichen Russischen Reiches und war nach der Re- tiert eine weitere Besonderheit im Trans- ungelösten Krisenherden, wie etwa in volution eine der 15 sowjetischen Teilre- kaukasus: Während Armenier und Geor- Tschetschenien und Dagestan (Russland) publiken. gier ihr eigenes Alphabet schreiben, wird oder in Abchasien und Südossetien (Ge- Unter den drei transkaukasischen Re- in Aserbaidschan seit 1992 anstatt des orgien). Aber auch Aserbaidschan ist in ei- publiken nimmt Aserbaidschan in man- kyrillischen das lateinische Alphabet ver- nen Konflikt involviert: Die kriegerischen

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Auseinandersetzungen mit (dem von rus- Kaukasus, Talysh-Gebirge mit dem Tief- sischen Truppen unterstützten) Armenien land von Lənkəran und Zentrales Araz- in Bergkarabach wurden zwar mit dem Gebiet (Nachitschewan). Waffenstillstand von 1993 beendet. Die international nicht anerkannte armenische 2.1.1. Der Große Kaukasus Republik Bergkarabach, die rund 20 % des Staatsgebietes von Aserbaidschan ein- Der Große Kaukasus ist ein etwa 1.100 nimmt, wird jedoch als schweres Unrecht km langes, WNW-ESE verlaufendes, empfunden. Gleichzeitig werden umge- stark gegliedertes Hochgebirge des alpi- kehrt Übergriffe und pogromartige Mas- dischen Faltengebirgsgürtels in Eurasien. saker an den Armeniern (wie etwa 1988 Das zwischen dem Schwarzen und dem in Sumqayıt, der drittgrößten Stadt Aser- Kaspischen Meer gelegene Gebirge wird baidschans) ausgeblendet. Zeichen des tief durch die Transkaukasische Depressi- sitzenden Konflikts sind im ganzen Land on vom Kleinen Kaukasus getrennt. Die vorzufindende Denkmäler, die an die Op- höchste Erhebung des Großen Kaukasus fer des Krieges um Bergkarabach erinnern ist der auf russischem Territorium gele- Abb. 6: Allgegenwärtig in Aserbaidschan: Das Konterfei (Abb. 5). Dabei wird oftmals nicht nur der gene, 5.642 m hohe Elbrus. Aserbaidschan des 2003 verstorbenen Präsidenten Heydar Aliyev, der Toten gedacht, sondern es werden die Ar- hat Anteil am Ostteil des Großen Kau- als „Übervater“ des Landes inszeniert wird (eigenes menier unreflektiert als „Schlächter“ und kasus – also an jenem Teil, der sich östl. Foto). „Genozid-Betreiber“ dämonisiert. der Georgischen Heeresstraße erstreckt. Die Präsidialrepublik Aserbaidschan ist Dieser Abschnitt (Abb. 7, 8) ist nur mehr stark zentralistisch organisiert. Dem auf 2. Zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer – gering vergletschert und kulminiert in fünf Jahre gewählten Präsidenten kommen Anmerkungen zum Naturraum Aserbaidschan im 4.485 m hohen Bazar- umfassende Aufgaben zu. So ernennt und düzü an der Grenze zur Russischen Teil- entlässt er die Regierungsmitglieder, die 2.1. Naturräumlicher Überblick und republik Dagestan. Ab diesem Berg liegt ihm alleine verantwortlich sind. Weiters Landschaftsgliederung der Kaukasus-Hauptkamm nur mehr auf kann der Präsident das Parlament – dem aserbaidschanischem Territorium. Weitere er nicht verantwortlich ist – auflösen; über- Die geographische Lage Aserbaidschans markante Gipfel sind der Şahdağ (4.243 dies ist er für die Bestellung zahlreicher ist vom Kaspischen Meer und dem Kau- m), der (heilige) Babadağ (3.629 m) und Staatsorgane zuständig. Seit einer Verfas- kasus-Gebirge geprägt. Die landschaft- der östlichste 2.000er des Gebirgszugs, sungsänderung 2009 ist die Wiederwahl lichen Kontraste spiegeln sich nicht nur des Präsidenten nicht mehr beschränkt. in der vertikalen Erstreckung wider (von Ilham Alijew, Amtsnachfolger und Sohn von 4.485 m im Kaukasus bis zu -28 m am Heydar Aliyev (Abb. 6), wurde zuletzt im Ufer der Kaspischen See), sondern auch in Oktober 2009 mit großer Mehrheit (rund 89 %) für weitere fünf Jahre gewählt. Je- doch wurde die Wahl von der Opposition boykottiert. Vorgeworfen wurden massive Benachteiligungen und Einschüchterungen von Mitbewerbern.

Der östliche Kaukasus ist ein Gebiet mit hoher Seismizität. Beben der Stärken 6 und 7 (nach Richter) sind dort überall möglich. In Şamaxı, einer Kleinstadt west- lich von Baku, sind sogar Beben der Stär- Abb. 4: Straßenschild in Baku. Das Schriftbild bekommt Abb. 5: Das Ewige Feuer in der Märtyrerallee in Baku, das ke 8 aufgetreten (Franz 1973). Der Große durch den Buchstaben ə, den nur das Aserbaidschanische an die aserbaidschanischen Kriegsopfer im Bergkarabach- Kaukasus ist eine wichtige Klimascheide, kennt, ein ungewohntes Aussehen Konflikt erinnert (eigenes Foto). da er durch seine Ausdehnung den meri- dionalen Luftmassenaustausch – vor allem unterschiedlichsten Landschaftstypen, die der von den Autoren im Mai 2012 bestie- das Vordringen von polarer Kaltluft nach vom z. T. vergletscherten Hochgebirgs- gene, im Altiagaç Nationalpark gelegene Süden – weitgehend unterbindet. Die östl. raum des östlichen Kaukasus bis zu den Dübrar dağ (2.204 m). Östlich des Dübrar Teile der Südabdachung empfangen we- halbwüstenartigen Steppen im Tiefland dağ senkt sich der Kaukasus allmählich sentlich geringere Niederschläge (600-800 der Kura reichen. Dabei lassen sich fünf zum Kaspischen Meer hin; den Gebirgs- mm im Jahr), da sie weiter vom Schwarzen Großlandschaften (Karte 1) unterschei- rand bilden die niedrigen Bergländer bei Meer entfernt sind und außerdem im Lee den: Großer Kaukasus, Kura-Tiefland Qobustan und Baku. der im W vorgelagerten Gebirgsketten lie- (Transkaukasische Depression), Kleiner gen (Franz 1973).

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region: rund 300 der insgesamt über 4.000 Arten. Heute dominieren der Anbau von Baumwolle und andere agrarische Nut- zungsformen das Landschaftsbild. 2.1.3. Der Kleine Kaukasus

Der Kleine Kaukasus ist ein etwa 600 km langes, WNW-ESE streichendes Ge- birge. Er bildet einen Teilabschnitt der nordanatolisch-nordiranischen Kettenge- birge mit Deckenbau und jungen Vulka- nen (Franz 1973). Die höchste Erhebung ist der Gamiş dağ in Aserbaidschan (3.724 m). Im W grenzen das Ararat-Hochland und das Pontische Gebirge an, im SE das Elburs-Gebirge. Nur im Bereich des Sura- mi-Gebirges in Georgien grenzt er unmit- telbar an den im N parallel verlaufenden Großen Kaukasus. In Aserbaidschan wird Karte 1: Landschaftsgliederung von Aserbaidschan (Entwurf u. Zeichnung: P. Gerngross) die seit 1993 von Armeniern besetzte Region Bergkarabach und die ebenfalls nal unterbrochen durch die wenigen noch besetzte unmittelbare Grenzregion zu 2.1.2. Das Kura-Tiefland (Transkaukasische verbliebenen Überschwemmungsgebiete, Armenien von dieser Großlandschaft ein- Depression) permanente Feuchtgebiete (Abb. 9) oder genommen. Auwä lder (Tugai). Das Kura-Tiefland nimmt einen Großteil Die dominanten Pflanzengesellschaf- der Landesfläche Aserbaidschans ein und ten setzen sich aus Wermut-Gewächsen 2.1.4. Das Talysh-Gebirge und das Tiefland von erstreckt sich südlich des Großen und öst- (Artemisia sp.), zahlreichen Ephemeren Lənkəran lich des Kleinen Kaukasus, von der Grenze und Halophyten zusammen. Auch Feder- zu Georgien und dem Bergland im nord- gras-Arten (Stipa sp.), wie sie in der Uk- Das Talysh-Gebirge stellt den nordwestl. westlichen Iran bis zum Kaspischen Meer. raine, Südrussland und in Zentralasien Ausläufer des Elburs-Gebirges dar und er- Mit einem durchschnittlichen jährlichen vorkommen, oder Bartgrassteppen sind streckt sich auf einer Länge von etwa 100 Niederschlag von nur 200-400 mm (Franz charakteristisch. Die offenen Busch- und km von der Niederung von Lənkəran im 1973) ist dies die trockenste Region des Waldländer werden von Wacholder (Ju- SE Aserbaidschans bis zum Unterlauf des gesamten Transkaukasus, was sich auch niperus sp.) und Pistazien (Pistacia mutica) Sefid Rud im NW-Iran (de.wikipedia.org: deutlich im Landschaftsbild ausdrückt. bestimmt. Die lichten Wacholder- und 2012). Die höchste Erhebung ist der Gö- Überall dort, wo nicht durch das Wasser Pistazienwälder sowie Auwälder kommen mürgöy (2.477 m). Durch die Lage an der der Kura oder des Araz Bewässerungs- heute nur noch auf ca. 5-7 % der ursprüng- Küste des Kaspischen Meeres und durch landwirtschaft möglich ist, dominieren lichen Fläche vor (WWF, McGinley den Luv-Effekt des Talysh-Gebirges ist Halbwüsten, subtropische Steppen und 2012). Bemerkenswert ist der hohe Anteil dieses Gebiet mit durchschnittlichen Jah- xerophyle Gehölzformationen – nur azo- von endemischen Pflanzen in dieser Öko- resniederschlägen bis zu 1.200 mm das

Abb. 7: Altiagaç-Nationalpark im östlichen Großen Kaukasus (eigenes Foto). Abb. 8: Tal des Qudyalçay im östlichen Großen Kaukasus (eigenes Foto).

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den Iran und im W an Aserbaidschan und Russland. Die N-S-Erstreckung be- trägt ca. 1.200 km, die maximale W-E- Ausdehnung 435 km, im Mittel 300 km. Während der große Nordteil im Mittel nur etwa 6 m tief ist, erreicht die tiefste Stelle im Süden 995 m. Da die Wasseroberfläche 28 m unter der amtlichen aserbaidscha- nischen Höhenbezugsfläche liegt, befindet sich dieses Tiefenmaximum 1.023 m unter Normalnull und ist damit die zweittiefste natürliche Depression der Erde (nach dem Abb. 9: Feuchtgebiet im Sirvan-Nationalpark (eigenes Foto). Baikalsee, dessen Seegrund sich 1.182 m unter Normalnull befindet). Die bedeu- niederschlagsreichste in Aserbaidschan. tendsten Zuflüsse sind die Wolga, der Die natürliche Vegetation bis in etwa Ural, die Kura und der Terek. 600 m Höhe ist der Kaspische Hyrcania- Das Kaspische Meer besitzt einen äu- Mischwald, in dem die Kastanienblättrige ßerst labilen Wasserhaushalt. Vor allem Eiche (Quercus castaneifolia) und der Ei- in den 1930er- und 1970er-Jahren verrin- senholzbaum (Parrotia persica) dominie- gerte sich die Seefläche von ursprünglich ren (Franz 1973). Heute sind von diesen 424.000 auf 370.000 km2. Die Haupt- Abb. 10: Eisenholzbaum im Hirkan-Nationalpark (eigenes Foto). einzigartigen Wäldern nur noch kleine ursachen hierfür lagen in der rezenten Restflächen vorhanden. Weite Teile sind Erwärmung im Einzugsgebiet der Wol- tionalparks, die in Summe eine Fläche von einer intensiven agrarischen Nutzung un- ga: Durch den Anstieg der Jahresmittel- 2.984 km2 einnehmen (en.wikipedia.org: terzogen, wobei hier vor allem der Anbau temperatur ging die Wasserführung des 2012). Vier dieser Nationalparks konnten von Schwarztee, dem Nationalgetränk Flusses zurück. Außerdem waren infolge die Autoren im Rahmen ihrer Aserbaid- Aserbaidschans, sowie Zitruskulturen der Erwärmung auch die Verdunstungs- schan-Reise im Mai 2012 besuchen: den hervorzuheben sind. verluste aus dem Kaspischen Meer selbst Abşeron Nationalpark auf der gleichna- gestiegen. Hydrotechnische Bauten an migen Halbinsel östl. von Baku, den Alti- 2.1.5. Das Zentrale Araz-Gebiet (Nachitschewan) der Wolga und anderen Zuflüssen sowie agaç Nationalpark in den östl. Ausläufern die beträchtliche Wasserentnahme für des Großen Kaukasus, den Hirkan Natio- Mit der autonomen Republik Nachitsche- Bewässerungszwecke haben die Situation nalpark im Talysh-Gebirge im äußersten wan hat Aserbaidschan auch einen Anteil SE und den Şirvan Nationalpark im küs- am Zentralen Araz-Gebiet. Nachitsche- tennahen Bereich der Mugan Steppe. Auf wan bildet eine 5.500 km2 große Exklave, zwei dieser Nationalparks soll aufgrund die vom Iran und Armenien sowie einem ihrer Besonderheiten etwas näher einge- nur 11 km langen türkischen Grenzab- gangen werden. schnitt umschlossen wird. Das Zentrale Der Hirkan Nationalpark wurde 2008 Araz-Gebiet ist ein Teil des Ararat-Hoch- im Talysh-Gebirge an der Grenze zum lands, auch Armenisches Hochland ge- Iran etabliert, um eines der weltweit nannt. Dieses umfasst Teile Ostanatoliens letzten Urwaldgebiete sommergrüner (Türkei), Irans, Georgiens sowie Armeni- Breitlaubwälder zu bewahren. Der Cha- ens und kulminiert im Ararat (5.165 m) in Abb. 11: Persische Kropfgazellen und Erdölförderanlagen im rakterbaum dieses Nationalparks ist der der östl. Türkei. Es wird größtenteils aus Sirvan-Nationalpark (eigenes Foto). Eisenholzbaum (Parrotia persica), ein som- jungvulkanischen Gesteinen der Andesit- mergrüner Laubbaum, der Wuchshöhen Basalt-Gruppe aufgebaut. Das Großrelief zusätzlich verschärft (Franz 1973). Seit bis zu 20 m erreichen kann (Abb. 10). Sein zeichnet sich durch einen Wechsel von 1978 ist ein anhaltender und z. T. inten- Holz weist eine derart hohe Dichte auf, Bergmassiven und Becken aus (Franz siver Anstieg des Wasserspiegels zu ver- dass es im Wasser sofort untergeht. Der 1973). Der namensgebende Fluss Araz ist zeichnen. Bis 1994 wurden ca. 20.000 km2 Eisenholzbaum ist einer der insgesamt mit 1.072 km Länge der längste Neben- Land überflutet. Laut wissenschaftlichen 135 endemischen Bäume und Sträucher, fluss der Kura. Berechnungen wird der durch verstärkte die im Nationalpark vorkommen; insge- geologische Aktivitäten am Meeresboden samt wachsen dort über 400 Baum- und 2.1.6. Das Kaspische Meer verursachte Anstieg noch ca. 200 Jahre Straucharten. Viele dieser Arten haben andauern (de.wikipedia.org: 2012). nur hier als voreiszeitliche Relikte über- Das Kaspische Meer ist mit 386.400 km2 dauert (www.nabu.de: 2012). Bekannt ist der größte See der Erde und grenzt im 2.2. Die Nationalparks Aserbaidschans der Nationalpark aber nicht nur aufgrund Abb. 8: Tal des Qudyalçay im östlichen Großen Kaukasus (eigenes Foto). N an Russland und Kasachstan, im E an seiner Flora, sondern auch wegen der letz- Kasachstan und Turkmenistan, im S an In Aserbaidschan gibt es derzeit acht Na- ten gesicherten Population des Persischen

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Abb. 12: Baku Crystal Hall (Bildmitte). Zu beachten Abb. 13: Blick vom Dach des ISR-Plaza-Gebäudes im Abb. 14: Blick über die Altstadt von Baku zu den Flame der benachbarte 162 m hohe Fahnenmast (mit 70x35 Zentrum von Baku nach W. Gut erkennbar ist eines Towers (eigenes Foto). m großer Flagge), nach jenem in Turkmenistan der der letzten alten Viertel von Baku, umrahmt von neuen zweithöchste weltweit (eigenes Foto). Hochhausfluchten (eigenes Foto). turerbe eingestuft wurde (Abb. 13). Um die Altstadt hat sich, zweitens, in Leoparden (Panthera pardus saxicolor) in Hauptstadt der Sowjetrepublik war, stam- der Gründerzeit ein charakteristischer Aserbaidschan. men. Die Geschichte Bakus reicht jedoch Gürtel entwickelt, der auch von den Öl- Der Şirvan-Nationalpark wurde 2003 viel weiter zurück: Die Stadt war ein alter Boom-Villen mitgeprägt wird. Und drit- gegründet und ist der älteste Nationalpark Handelsplatz am Kaspischen Meer und an tens die anschließende Stadterweiterung in Aserbaidschan; seit 2006 ist er auch der Seidenstraße, dessen Bedeutung auch ab der Sowjetzeit (Abb. 15), die als solche für Besucher zugänglich. Er umfasst 543 die (orientalische) Altstadt widerspiegelt. nur mehr schwer erkennbar ist. Entweder km2 Steppe und Halbwüste, einen unbe- Für den Songcontest wurde eigens die wurden ganze Viertel aus dieser Zeit ab- rührten Küstenstreifen mit Lagunen und Bakı Kristal Zalı (Baku Crystal Hall, gerissen und stattdessen neue Hochhäu- Binnengewässer mit großflächigen Schilf- Abb. 12) errichtet. Diese neue, multi- ser hochgezogen, oder sie wurden einer gürteln. Eine faunistische Besonderheit ist funktionale Veranstaltungshalle ist cha- konsequenten Renovierung unterworfen. das weltweit größte Vorkommen der Per- rakteristisch für den Bauboom in Baku, Diese Revitalisierung, die auch vor dem sischen Kropfgazelle (Gazella subgutturo- der das Stadtbild in den letzten Jahren Gründerzeitviertel nicht Halt gemacht sa subgutturosa), der einzigen Gazellenart geprägt hat. Das Stadtbild von Baku wird hat, zeichnet sich durch die Verwendung Europas (en.wikipedia.org, 2012; Abb. 11). von einem überaus heterogenen Stilmix von Sandstein sowie die Gestaltung der

Abb. 15: Das ehemalige Lenin-Museum und heutige Teppichmuseum zählt zu den monumentalen Repräsentationsbauten der Sowjet-Ära in Baku (eigenes Foto).

3. Die Boomcity Baku

Die Hauptstadt Aserbaidschans, Baku, rückte im Frühjahr 2012 als Austra- gungsort des Eurovision-Songcontests Abb. 16: Die Flame Towers, drei Wolkenkratzer, 190, 160 und 140 m hoch. Geplant wurde der Komplex von der ins Blickfeld zumindest der europäischen Architektengruppe HOK International aus London (eigenes Foto). Öffentlichkeit. Tatsächlich sind in Baku die Affinitäten zu Europa am deutlichsten geprägt, wobei sich drei Entwicklungsge- Fassaden mit historischen Elementen erkennbar – und zwar weniger wegen des biete in der Stadt erkennen lassen. Erstens (die an Teppichornamentik erinnern) aus. derzeit vorherrschenden Baubooms, als viel die Altstadt, deren Gassenlabyrinth einer In dieses architektonisch anspruchslose mehr aufgrund jener Bauwerke und Stadt- typischen orientalischen Stadt entspricht, Hochhäusermeer wurden ein paar bemer- viertel, die aus der zaristischen Zeit bzw. die von einer Stadtmauer umgeben ist und kenswerte Gebäude gesetzt, wie z.B. die aus der Ära der Sowjetunion, in der Baku die auch von der UNESCO als Weltkul- „Flame Towers“ (Abb. 16) oder das Hey-

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dar Aliyev Zentrum, ein Museum und den Gebieten rund um Baku 50 % der len unter anderem für nationale Projekte Konferenzzentrum, das 2012 nach den weltweiten Produktion von Erdöl, das nun eingesetzt werden, die dem „sozialen und Plänen von Saha Hadid errichtet wurde. zu Treibstoff für Fahrzeuge verarbeitet ökonomischen Fortschritt des Landes“ die- Das Motto des Songcontests in Aser- wurde. nen. Dass dieses Ziel (noch) nicht erreicht baidschan bzw. Baku lautete „Light your Nach der Russischen Revolution folgte wurde, zeigt sich bereits daran, dass au- fire“, und stellt wohl auch eine Anspielung ab den 1920er Jahren die Verstaatlichung genscheinlich die überwiegende Mehrzahl auf die „ewigen Feuer“ um Baku, die Erd- der gesamten, aus rund 300 privaten Un- der Investitionen in Baku getätigt wird. öl- und -gasvorkommen, die Stadt und ternehmen bestehenden Ölindustrie. Zwar Der bereits erwähnte Bauboom lässt in Land geprägt haben, dar. Das „ewige Feu- wurden vermehrt auch andere Gebiete der den ländlichen Bereichen deutlich nach. er“ spielte im Land seit jeher eine wesent- Sowjetunion erschlossen, dennoch behielt Der in Baku zur Schau gestellte Reich- liche Rolle (Abb. 17); so war insbesondere das Land um Baku seine bedeutende Rolle tum steht in krassem Gegensatz zur (sich die Halbinsel Abşeron bereits im 6. Jh. v. in der Förderung. Im Jahr 1941 stamm- immerhin in den letzten Jahren verrin- Chr. ein religiöses Zentrum der Lehren ten über 70 % des sowjetischen Erdöls aus gernden) Armut in weiten Landesteilen. des Zarathrustra (von Oppeln u. Hübner Aserbaidschan. Damit war dieser Raum Zentrales Hindernis einer gerechten Ver- teilung ist jedoch die massive Korruption, die das Land heimsucht. Im Länderver- gleich, den Transparency International jährlich veröffentlicht, rangiert Aserbaid- schan 2011 auf Rang 143 (Österreich hält den überraschend guten Rang 16). Auch bleibt die Abhängigkeit vom Öl bis auf weiteres bestehen, wie die aktuell verfüg- baren Zahlen belegen: 87 % der Exporter- löse 2011 gehen auf Rohöl zurück, dessen Abb. 17: Yanar Dağ, das „ewige Feuer“ das nördlich von Abb. 18: Erdölförderstätte im Şirvan-Nationalpark, im SE Anteil am BIP beträgt über 50 %. Baku situiert ist, mit dem Reiseteam - darunter auch die des Landes (eigenes Foto). drei Autoren dieses Aufsatzes (Foto: Kohlmeier). QUELLENVERZEICHNIS kriegsstrategisch von zentraler Bedeutung 2009). Seit dieser Zeit, also seit zumindest und im Zweiten Weltkrieg Ziel deutscher Babayi R., Aliyev R. (2010): Surakhany Oil and fire-worshipping, Hrsg.:The 2500 Jahren, ist die Geschichte der Stadt Truppen, die jedoch die Förderstätten Ministery of Culture and Tourism do Baku bzw. deren Umgebung, untrennbar Aserbaidschans nie einnehmen konnten. the Azerbaijan Republik, Baku. 32 S. mit der Erdölgewinnung und dem Handel Nach dem 2. Weltkrieg folgte die Er- Franz H.-J. (1973): Physische Geographie damit verbunden, wobei das Öl schon da- schließung weiterer Öl- sowie Gasfelder der Sowjetunion. VEB Haack Gotha. mals zum Heizen und für Öllampen ge- (Abb. 18), auch off-shore im Kaspischen Leipzig. 535 S. nutzt wurde (Babayi u. Aliyev 2010). Meer. Zu diesem Zweck wurde ab Ende Naturschutzbund Deutschland e.V.: www. der 1950er Jahre ein rund 7.000 ha großer nabu.de (Zugriff: August 2012) 4. Erdöl als bestimmender politischer und künstlicher Inselkomplex errichtet. wirtschaftlicher Faktor von Oppeln P., Hübner G. (2009): Aser- Erdöl und Erdgas bestimmten freilich baidschan – Unterwegs im Land des auch die politischen und wirtschaftlichen Feuers. Trescher-Reihe Reisen. Berlin. Bereits in der Mitte des 19 Jhs. begann Entwicklungen in Aserbaidschan nach 325 S. die industrielle Gewinnung von Erd- dem Zerfall der Sowjetunion. Um die www.azerbaijans.com (Zugriff: August öl in Aserbaidschan, wobei erstmals das weitere Förderung langfristig abzusichern, 2012) Schlagbohrverfahren eingesetzt wurde. wurde 1994 zwischen dem staatlichen Wikipedia: www.de.wiklipedia.org (Zu- 1859 wurde die erste Raffinerie errichtet; aserbaidschanischen und ausländischen griff: August 2012) bald folgten weitere, um die Nachfrage Erdölunternehmen, darunter BP, LU- Wikipedia: en.wikipedia.org (Zugriff: nach Kerosin, das vor allem für die Be- KOIL, Statoil, Exxon und Türkyie Pe- August 2012) leuchtung verwendet wurde, zu befriedi- trolleri, ein Abkommen geschlossen, das Weltalmanach: www.weltalmanach.de gen. Private Investoren erschlossen auf der in der offiziellen Diktion des Landes als (Zugriff: Juli 2012) Halbinsel Abşeron neue Fördergebiete. „Jahrhundertvertrag“ firmiert. Tatsächlich World Wildlife Fund (Lead Author), Zu den erfolgreichen Unternehmern zähl- bildet dieser – und dessen Ergänzungen – McGinley M. (Topic Editor) (2012): ten u. a. die Brüder Nobel sowie die Fa- die Grundlage für umfangreiche Investiti- „Azerbaijan shrub desert and steppe“. milie Rothschild. Um weitere Märkte zu onen in die Erdölindustrie des Landes und In: Encyclopedia of Earth. Environ- erschließen, wurden gegen Ende des 19. damit auch für erhebliche Erlöse aus dem mental Information Coalition, National Jhs. Öltanker eingesetzt und Pipelines er- Verkauf der Rohstoffe und aufgrund der Council for Science and the Envi- richtet. Die längste ihrer Art ging 1907 in Lizenzgebühren. ronment). www.eoearth.org/article/ Betrieb und führte von Baku in das über Bleibt die Frage, wer davon profitiert. Azerbaijan_shrub_desert_and_steppe 800 km entfernte Batumi am Schwarzen 2001 wurde der staatliche Erdöl-Fonds (Zugriff: August 2012) Meer. Zu Beginn des 20. Jhs. kamen aus eingerichtet. Die Erdöleinnahmen sol-

25 GeoGraz 51 - 2012 UNTERWEGS MIT GEOGRAZ Unterwegs mit GeoGraz Ein Exkursionsführer in Fortsetzungen

PAUL EDER Ländlicher Raum im Wandel: Das Südsteirische Weinland

Einleitung

Das Südsteirische Weinland ist nicht nur eine immer stärker nachgefragte Frei- zeit- und Tourismusregion, sondern auch ein mit Studierenden sowie Schülerinnen und Schülern gern aufgesuchtes Exkur- sionsziel. Im Mittelpunkt der Exkursion steht der in den letzten drei Jahrzehnten erfolgte Wandel von einer struktur- schwachen und stark agrarisch geprägten Grenzregion zu einer aufstrebenden Tou- rismusdestination. Regionalwirtschaft- lich gesehen kommt nämlich dem Touris- mussektor eine außerordentlich wichtige Ergänzungsfunktion zur vorhandenen Wirtschaftsstruktur, vornehmlich der Landwirtschaft, zu. Die touristische Ent- wicklung soll alte Strukturen beleben – die Bauern erfüllen wichtige Aufgaben für die Erhaltung einer intakten (Wein-) Kulturlandschaft – und die regionalen Potentiale nutzen. Die ausgewählten Haltepunkte (Abb. 1). sind so unter dem speziellen Aspekt der engen Verknüpfung von Landwirtschaft, Tourismus und Gas- tronomie zu sehen. Das Exkursionsgebiet Südsteirisches Weinland entspricht zwar dem Bezirk Leibnitz, die Exkursionsroute selbst führt, der Th ematik entsprechend, schwerpunktmäßig vor allem in die vom Weinbau geprägten Kerngebiete des Be- zirkes, nämlich in die Windischen Bühel und in das Bergland des Sausal. Beide Teilräume bieten vom natur- und kul- turräumlichen Landschaftspotential her ideale Voraussetzungen hinsichtlich der Eignung als Naherholungs- und Touris- Abb. 1: Übersichtskarte mit Exkursionsgebiet und Haltepunkten musraum. Reizvolle Landschaftsbilder

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KASTEN 1: Weinbau im Südsteirischen Weinland

Auf das Südsteirische Weinland, ident mit dem Weinbaugebiet Südsteiermark, ent- fallen laut Weingartengrunderhebung 2009 mit 2068 ha Rebfläche 53,3% der Weingar- tenfläche der Steiermark (3876 ha), worin wiederum 8,5 % der gesamtösterreichi- schen Weinbaufläche liegen. Im Vergleich zur Weingartenerhebung 1992 zeigt sich Abb. 2: Ehrenhausener Schlossberg mit (von links) Mausoleum der Eggenberger, Schloss Ehrenhausen und dem 4-Stern- ein deutlicher Konzentrationsprozess im Designhotel „Loisium Wein & Spa Resort“ (Foto: Eder) Weinbau. Der Trend zu größeren Betrieben sind beiden gemeinsam, sie ergeben sich 2006, 103f). Dazu kommen noch gut ist klar erkennbar. So hat die Weingarten- aus dem harmonischen Zusammenspiel markierte Wanderwege mit fast durchge- fläche im Zeitraum 1992-2009 in der Süd- von kleinräumig gegliederter Oberflä- hendem Panorama-Erlebnis, die netzartig steiermark um 8,6 % zugenommen (Steier- che mit kleinstrukturiertem bäuerlichem das Südsteirische Weinland durchzie- mark: +7,9%, Österreich: -20%), die Zahl hen. Die Weinstraßen und Wanderwege der Weinbaubetriebe ist aber um 32,8% sind aber auch Routen kulinarischer Be- zurückgegangen (Steiermark: -36,1%, Ös- sonderheiten. Die einzigartige Kombi- terreich: -49,5%). Die durchschnittliche nation von Keller und steirischer Küche Rebfläche pro Betrieb hat sich in der Süd- (Wein, Brettljause, Salatvariationen mit steiermark somit in diesem Zeitraum von Kernöl, Sturm und Kastanien u.a.) ist 1,7 auf 2,7 ha erhöht (Steiermark: von 0,9 für deren Eigenart und Eigenständigkeit auf 1,6 ha, Österreich: von 1,4 auf 2,3 ha). mitverantwortlich. Womit auch dem ak- tuellen Wertetrend unserer Gesellschaft, der in einer zunehmenden Erlebnis- und Genuss­orientierung besteht, Rechnung Beschreibung der Exkursionsroute Abb. 3: Innenhof des (Wein-)Schlosses Gamlitz (Foto: Eder) getragen wird. Nach Verlassen der Pyhrnautobahn A9 über die Anschlussstelle Vogau-Straß Kulturland (Lieb u. Szarawara 2002, 56). H inweise zur Durchführung der Exkursion und vorbei an der 2011 ihrer Bestimmung Im Gegensatz zwischen Talbereichen und • Die Exkursion ist als Eintagesfahrt von übergebenen „Vinofaktur-Südsteirisches Bergkuppen, flachen und steilen Hän- Graz aus konzipiert und die Halte- Genussregal“, einer ganzjährig geöffneten gen und im Kontrast zwischen dunklen punkte entlang der Exkursionsroute sind Einkaufs- und Erlebniswelt zu Wein und Wäldern und freundlichem Rebland liegt so gewählt, dass die Exkursion mit einem Kulinarik, erreicht man gleich südlich der nicht zuletzt die ausgeprägte Eigenart Mietbus (oder PKW) durchgeführt werden Murbrücke mit Ehrenhausen (1) (2012: dieser Landschaft. Das Identitätsmerkmal kann. Die ca. 45 Minuten dauernde An- 1047 Ew.) den idealen Ausgangspunkt für aber ist der Weinbau (Kasten 1). Er bildet reise ins Exkursionsgebiet erfolgt auf der eine Exkursion ins Südsteirische Wein- die grundlegende Voraussetzung für eine Pyhrnautobahn A9 über die Anschlussstelle land. In 258 m Höhe an der Einmündung Reihe markanter Verknüpfungspunkte Vogau-Straß. des Gamlitzbaches in die Mur gelegen mit dem Freizeit- und Fremdenverkehr. • Auf der Exkursion selbst sind kurze Wan- und als Burguntersiedlung entstanden, Die blumengeschmückten Weingüter und derungen vorgesehen, für die eine normale wurde Ehrenhausen 1624 nicht zuletzt Buschenschänken bilden in Verbindung und bequeme Wanderausrüstung genügt. wegen seiner Lage an einem bedeutenden mit den Weingartflächen die unverwech- • Als Übersichtskarte eignet sich die Öster- und schon zur Römerzeit bekannten N- selbare, landschaftsprägende Kulisse. reichische Karte 1:200.000 Blatt Steier- S-Verkehrsweg über den Platsch (510 m) Die touristische Vermarktung der Re- mark, als Spezialkarten können die Öster- zum Markt erhoben. An touristischen Be- gion erfolgt in erster Linie über das Leit- reichische Karte 1:25.000 V Bl. 4111-West sonderheiten können das in Privatbesitz produkt Wein durch die Einrichtung von Arnfels und Bl. 4111-Ost Leibnitz sowie befindliche Schloss Ehrenhausen und das Weinstraßen (Südsteirische, Sausaler und die KOMPASS-Karte 1:25.000 Nr. 217 Mausoleum der Eggenberger aus dem 17. Klapotetz-Weinstraße). Denn erst mit den Südsteirisches Weinland empfohlen wer- Jh. genannt werden. Beide thronen über Weinstraßen als einendem Dach von tou- den. Am besten decken die Österreichische dem Marktplatz auf einem zur Mur hin ristischen Attraktionen und kleinstruktu- Karte 1:50.000 Bl. 4111 Leibnitz (im steil abfallenden Hügelzug und sind über rierten landwirtschaftlichen sowie touris- neuen Blattschnitt) und die Freytag & einen schmalen Treppensteig zu erreichen. tischen Betrieben wird eine entsprechende Berndt Wanderkarte 1:50.000 WK 411 Obwohl an der Südbahn gelegen, erlangte Außenwirkung und somit Stärkung der Steirisches Weinland – Südwest-Steier- Ehrenhausen mit seinem Hinterland erst regionalen Wirtschaft erzielt, was so- mark das Exkursionsgebiet ab. mit der Fertigstellung der A9 bis Vogau- wohl dem Weinbau als auch dem Tou- • Zusätzlich bieten Tourismusbüros in den Straß (1983) eine verkehrsgünstigere rismus („Weintourismus“) nutzt (Eder, Gemeindeämtern neben weiterführenden Lage. Die stark gestiegene touristische Broschüren detaillierte Kartenwerke an. 27 GeoGraz 51 - 2012 UNTERWEGS MIT GEOGRAZ

KASTEN 2: (Juni 2012) des „Loisium Wein & Spa Tourismusentwicklung und Resort“, einem 4-Stern-Designhotel mit Besonderheiten der Saisonalität extra angelegtem Weingarten und ange- Ein Vergleich der Nächtigungsentwicklung der Gemeinde Gamlitz, des Bezirkes Leibnitz und schlossener regionaler Erlebnisvinothek der Steiermark zeigt eindrucksvoll die boomartige Entwicklung des Tourismus im Südstei- am Ehrenhausener Schlossberg (Abb. 2), rischen Weinland, ganz besonders in den Gemeinden entlang der Südsteirischen Weinstraße, sollte die Gemeinde aber einer positiveren der bekanntesten und beliebtesten der steirischen Weinstraßen. So stieg die Zahl der Gäste- touristischen Zukunft entgegengehen. nächtigungen in Gamlitz in den 23 Jahren zwischen 1988 und 2011 um 370% und im Bezirk Das auf Ganzjahresbetrieb ausgerichte- Leibnitz um 70 %. In der Steiermark betrug die Zunahme im Vergleichszeitraum nur 26% te und auf Weinliebhaber zugeschnittene (Abb. 4). Hotel sowie die erwähnte „Vinofaktur- Eine Besonderheit Südsteirisches Genussregal“ sind als Initi- zeigt sich auch in der alzündung für eine künftige Belebung der Saisonalität. Die jah- Wintersaison im Südsteirischen Weinland reszeitliche Vertei- zu sehen. lung der Gästenäch- Für die Weiterfahrt bieten sich zwei tigungen deckt sich Varianten an. Bei Variante 1 geht es in weitgehend mit der südlicher Richtung auf der Südsteirischen Vegetationsperiode Weinstraße, die in Ehrenhausen beginnt, der Weinreben (Mai/ auf der Trasse des alten Verkehrsweges Oktober), die die- hinauf nach Berghausen. Knapp vor der ser Landschaft ihren Staatsgrenze biegt die Weinstraße nach unverwechselbaren W ab und bildet in weiterer Folge auf einer Abb. 4: Entwicklung der Gästenächtigungen (1988-2011): Gamlitz, Bezirk Leibnitz und Reiz verleiht. So ent- Strecke von 2,2 km (einmal 1800 m, dann Steiermark (Quelle: Land Steiermark, Tourismusstatistik) fallen in Gamlitz 87 % 400 m) die Grenze zu Slowenien. Vorbei aller Gästenächtigungen auf das Sommerhalbjahr, im Bezirk Leibnitz 81 % und in der Steier- an Ratsch an der Weinstraße und Sulz- mark knapp 55 %. Ganz besonders aber wirkt sich die Attraktivität des herbstlichen Wein- tal an der Weinstraße (mit 133 Ew. heute landes (Weinlese, Weinlesefeste, Sturm und Kastanien) auf die touristische Nachfrage aus. So die kleinste steirische Gemeinde) geht es ist in Gamlitz, der größten Weinbau treibenden Gemeinde der Steiermark, der Oktober noch kurvenreich Richtung Eckberg, wo von vor dem September der nächtigungsstärkste Monat, auf beide Monate zusammen entfallen N die Eckberger Weinstraße aus Gam- immerhin 37 % der Jahresnächtigungen („Weintourismus“). Die Vergleichswerte liegen im Be- litz einmündet. Bei Variante 2 erfolgt die zirk Leibnitz bei 30 %, in der Steiermark bei 15 % (Abb. 5). Zudem konnte mit der Einführung Weiterfahrt ab Ehrenhausen auf der Süd- (1987) und erfolgreichen Positionierung der Jungweinmarke „Steirischer Junker“, der jedes steirischen Grenzstraße B69 entlang des Jahr am Mittwoch vor Martini (11.Nov.) präsentiert wird, die Tourismussaison im Weinland, Gamlitzbaches Richtung W direkt nach die bis dahin Ende Ok- Gamlitz (2) (2012: 3128 Ew.). Mit 497 tober jäh endete, nun ha Rebfläche (1999) ist Gamlitz die größ- bis Mitte November te Weinbau betreibende Gemeinde der verlängert werden. Steiermark und mit 92.276 Nächtigungen Dem Charakter des (Tourismusjahr 2010/11) das touristische Weintourismus ent- Zentrum des Südsteirischen Weinlandes spricht auch die ver- (Kasten 2). Gamlitz war 1990 Austra- gleichsweise kurze gungsort der erfolgreichen Steirischen durchschnittliche Ver- Landesausstellung „Weinkultur“ (255.000 weildauer von 2,3 Ta- Besucher). Ein kleines Weinmuseum in gen (2011) in Gamlitz. einem Nebengebäude des sehenswerten Der Weintourismus Schlosses (Abb. 3) erinnert noch an diese Abb. 5: Monatliche Verteilung der Gästenächtigungen (Tourismusjahr 2010/11): entspricht dem ak- Ausstellung. Die größte Außenwirkung Gamlitz, Bezirk Leibnitz und Steiermark (Quelle: Land Steiermark, Tourismusstatistik) tuellen touristischen erzielt die Gemeinde, die 1959 zum Markt Trend, nämlich öfter, dafür aber kürzer zu verreisen. Der Zeitpunkt des (Kurz-)Urlaubs, die erhoben wurde, mit „weinspezifischen“ weinorientierte Motivationslage der Gäste und die Tatsache, dass auch der Tagesausflugs- Events wie dem Gamlitzer Weinlesefest verkehr an den Wochenenden der Monate September und Oktober seine stärkste Intensität samt Festumzug. Aber auch die wieder- erreicht, zeigen, dass der jahreszeitliche Verlauf des Fremdenverkehrs in dieser Region vom holte Wahl zum „schönsten (Blumen-) Weintourismus geprägt ist. Markt der Steiermark“ sowie die mehr- malige Auszeichnung „schönst geschnitz- ter steirischer Maibaum“ locken Gäste in Nachfrage im Südsteirischen Weinland, Minuten von Graz) zu verdanken. Eh- den Ort. vor allem aber die enorme Zunahme im renhausen selbst konnte von der Ver- Die Exkursion folgt nun der Eckber- Tagesausflugsverkehr, sind der schnelleren kehrsgunst aus touristischer Sicht bislang ger Weinstraße Richtung S hinauf nach Erreichbarkeit mit dem PKW (knapp 45 aber kaum profitieren. Mit der Eröffnung Eckberg (ca. 200 m Höhenunterschied),

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Abb. 6: Weinbaulandschaft (Gemeinde Glanz): Pappeln und Klapotetz als Symbol und Abb.7: Blick vom Lubekogel nach E: Harmonisch in die Landschaft eingebettete, moderne Wahrzeichen des Südsteirischen Weinlandes (Foto:Eder) Weinland-Architektur (Foto: Eder) um dort in die Südsteirische Weinstraße Verkehrsweg – ein Hinweis darauf, dass Blätter die Monate und die sieben großen einzumünden (siehe Variante 1). Die Stre- historische Verkehrswege im steirischen Blätter die Wochentage. Die Blätter und cken beider Varianten führen in das Riedel- Vorland feuchte Talböden mieden und Weinperlen versinnbildlichen so in schö- land der Windischen Bühel, das im Gebiet auf Höhenrücken verliefen, was bei vielen ner Zahlensymbolik das Arbeitsjahr im zwischen Saggau im W, Sulm im N und Straßen noch heute der Fall ist. Weinberg und –keller (Abb. 8). Mur im E so etwas wie den Inbegriff des Einen besonderen Anziehungspunkt Leutschach (5), seit 1458 Markt, ist Südsteirischen Weinlandes darstellt (Lieb stellt seit 2001 der etwas abseits gelegene mit 557 Ew. (2012) die kleinste Markt- u. Szarawara 2002, 64). Kulissenartig hin- Eorykogel (4) dar. Seit die „größte Wein- gemeinde der Steiermark. Der Markt hat tereinander gestaffelte Höhenrücken und traube der Welt“ als touristisches Allein- nicht nur Bedeutung als Endpunkt der mittelgebirgsartige Kuppen wechseln mit stellungsmerkmal den Gipfel schmückt, Südsteirischen Weinstraße, sondern auch unzähligen Gräben ab. Aus der Kombina- ist der im Herzen der zweitgrößten Wein- als Zentrum des steirischen Hopfenan- tion mit dem Weinbau, der dem bewegten baus (Abb. 9). Die Hopfenanbaufläche Relief angepasst auf großen zusammen- (14 Hopfenbauern bewirtschaften derzeit hängenden Flächen betrieben wird und fast 90 ha) rund um Leutschach stellt ne- mit den meist vereinzelt dastehenden und ben Rohrbach im Mühlviertel das größte hoch die Hügel überragenden Pappeln so- zusammenhängende Hopfenanbaugebiet wie mit dem Klapotetz, dem Wahrzeichen Österreichs dar. Am letzten September- des Südsteirischen Weinlandes, ergibt wochenende jeden Jahres erinnert das sich der besondere Reiz dieser Landschaft traditionelle Hopfen- und Weinlesefest (Abb. 6). Hatten die hölzernen Windräder in Leutschach an die wirtschaftlichen einst die Aufgabe, Vögel aus den Weingär- Grundlagen des Marktes. ten zu vertreiben, kam den Pappeln – als Ab Leutschach folgt die Exkursion Hofbaum an der Wetterseite des Hauses zuerst der Hopfenstraße, um dann durch gepflanzt – ursprünglich die Funktion als relativ steiles Waldland in den von der Blitzableiter zu. weniger bekannten Klapotetz-Straße Ab Eckberg folgt die Exkursion nun Abb. 8: Gläserne Weintraube auf dem Eorykogel (Foto: Eder) touristisch erschlossenen westlichen Teil der gut beschilderten Südsteirischen der Windischen Bühel zu gelangen. Vor- Weinstraße, um zuerst durch Reb- und baugemeinde der Steiermark Glanz (2009: bei am Kreuzberg (633 m), dem höchsten dann durch Waldland kurvenreich nach 370 ha Rebfläche) gelegene Eorykogel Gipfel der Windischen Bühel, führt die Leutschach (352 m), dem Endpunkt der zur vielbesuchten Attraktion geworden. Route in weiterer Folge durch bewaldetes Südsteirischen Weinstraße, abzusteigen. Aufgrund der guten Beschilderung leicht Gebiet wieder abwärts ins Saggautal Rich- Zu den schönsten Stellen in diesem Teil der auffindbar, zählt der Eorykogel heute zum tung Großklein und weiter ins Sulmtal, Windischen Bühel gehören der Lubekogel fixen Bestandteil im Besuchsprogramm um in Fresing die Sausaler Weinstraße zu (570 m) und der Eorykogel (487 m). Die der Gäste des Südsteirischen Weinlandes. erreichen. kurze Wanderung auf den Lubekogel (3), Die größte Weintraube der Welt – 2001 Der westliche Teil der Windischen der als höchster Punkt in der näheren Um- ins Guiness-Buch der Rekorde aufgenom- Bühel zeichnet sich durch steilere und gebung einen guten Landschaftsüberblick men – ist eine 5 m hohe, 4 m breite und 2 schwieriger zu bewirtschaftende Hänge ermöglicht (Abb. 7), erfolgt vom Parkplatz m tiefe Skulptur in Gestalt einer aus Edel- aus. Deshalb tritt der Weinbau auch etwas der Buschenschänke Tschermonegg aus. stahl und buntem Glas geformten Riesen- zurück und größere Flächen, vor allem in Auf dem Lubekogel befindet sich neben traube. Die 365 Perlen deuten die Tage den unteren Hangbereichen, sind waldbe- einem Rastplatz zudem als Besonderheit des Jahres an, die 52 Teile des Objektes deckt. Besonders eindrucksvoll ist hier der ein alter Poststein aus dem 18.Jh., wohl ein (Blätter, Stamm und Traube) symbolisie- Verlauf vieler Straßenabschnitte, die sich Meilenstein an einem ehemals wichtigen ren die Jahreswochen, die 12 mittelgroßen über einige der schmalsten Riedelkämme

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der Windischen Bühel schlängeln. Nicht für den Weinbau genutzt, die Kerbtäler Haltepunkt, (9), gibt aber entgehen lassen sollte man sich den Besuch und schattseitigen Hänge sind durchwegs Zeugnis von der wechselhaften Geschich- der 1994 eröffneten und in Form einer 30 bewaldet. Dank spezieller Förderung seit te dieses Raumes ab dem 12.Jh. Unter m hohen Holz-Metall-Konstruktion er- dem EU-Beitritt erfolgte in extremen der Obhut der Salzburger Erzbischöfe als richten Kreuzbergwarte (6) (Abb. 10), ei- Steillagen des Sausals die Umstellung auf Missions- und Verwaltungsbastion erbaut, ner weithin sichtbaren Landmarke in den Weinbauterrassen, was dem Landschafts- wurde die Burg ab dem 13.Jh. von den Bi- Windischen Büheln, von der man eine der bild noch zusätzlichen Reiz verleiht. schöfen von Seckau erweitert. 1595 kam schönsten Aussichten des steirischen Vor- In Fresing zurück erfolgt die Weiter- die gesamte Anlage in den Besitz des Bis- landes überhaupt hat (Lieb u. Szarawara fahrt das Sulmtal flussabwärts auf der Sau- tums Seckau. Bis 1786 war Schloss Seg- 2002, 65f.). Neben den Windischen Bü- saler Weinstraße, die nun ein kurzes Stück gau bischöflicher Repräsentationssitz und heln, dem Weststeirischen Riedelland und auf der Sulmtal-Straße B74 führt, Rich- bis ins 20.Jh. Sommersitz der steirischen dem Sausal umfasst der Panoramablick tung Leibnitz. Auf diesem Streckenteil, Bischöfe. Heute birgt das Schloss ein Ho- fast das gesamte Steirische Randgebirge, für den der Wechsel von beckenartigen tel und dient als modernes Kongress- und das Oststeirische Riedelland und das Ba- Talweitungen (Heimschuh) und Talver- Seminarzentrum (Abb. 13). Ein Rund- cherngebirge/Pohorje in Slowenien. engungen (Königsberg, Seggauberg) cha- gang durch die weitläufige Anlage bietet

Abb. 9: Weingärten und Hopfenfelder. Einzigartiges Abb. 10: Kreuzbergwarte (Foto: Eder) Abb. 11: Kitzeck im Sausal (Foto: Eder) Zusammentreffen zweier landwirtschaftlicher Kulturen um Leutschach (Foto: Eder)

Von Fresing aus macht die Exkursion rakteristisch ist, lohnt es sich, bei weiteren gute Ausblicke besonders auf die Stadt in nördlicher Richtung einen Abstecher in Aussichtspunkten Halt zu machen. Vom Leibnitz. Auf die Salzburger Erzbischöfe das zweite Kerngebiet des Südsteirischen Parkplatz der Weinbauschule Silberberg gehen auch die Ursprünge des südstei- Weinlandes, den Sausal. Unser Ziel, die (290 m), der Ausbildungsstätte für ange- Kirche der Gemeinde Kitzeck (Abb. 11) hende WinzerInnen in der Steiermark, im Sausal (2012: 1207 Ew.), die auf einer nimmt ein Weinlehrpfad seinen Ausgang, markanten Kuppe in 563 m Höhe liegt der über den zur Schule gehörigen, in Ter- und von der sich ein herrliches Panorama rassen angelegten Weinberg in mäßiger ausbreitet, erreicht man auf der gut be- Steigung zur Silberberger Aussichtswar- schilderten Sausaler Weinstraße, zuerst te (8) (428 m) führt (Abb. 12). Die 4 m durch Wald- und dann durch Rebland, hohe Warte – eine von mehreren im Sau- nach Überwindung von 275 Höhenme- sal – wurde schon 1871 errichtet und 1995 tern. Bekannt ist Kitzeck (7) für sein anlässlich des 100-jährigen Bestandsjubi- Weinbaumuseum, das älteste seiner Art läums der Weinbauschule Silberberg reno- in der Steiermark (Eröffnung 1979), und viert. Besonders eindrucksvoll ist der Blick Abb. 12: Weinbauschule Silberberg mit Weinbauterrassen den Titel „höchstgelegener Weinbauort in die nähere Umgebung (Schloss Seggau, und Silberberger Aussichtswarte (Foto:Eder) Europas“. Diese Auszeichnung hält zwar Frauenberg, Sulmsee und Weinbauschule einer genauen Überprüfung nicht stand, Silberberg) sowie die Fernsicht auf die ge- rischen Weinbaus zurück. Schon im 12.Jh. der Ruf, höchstgelegener Weinbauort nau über der Kitzecker Kirche sich erhe- wird von Weinbau im Sausal, der seit dem zu sein, ist aus Marketinggründen aber bende Koralpe. 10.Jh. unter Salzburger Herrschaft stand, kaum mehr wegzudenken. Vom Charak- Der Exkursionsraum bietet aber auch berichtet (Paschinger, 1974, 140). Im über ter her ist der Sausal ein reich gegliedertes, für historisch Interessierte lohnende Ziele. 300 Jahre alten bischöflichen Weinkel- kleines Bergland, das von langgestreckten, Dass das Gebiet um Leibnitz Jahrtausende ler mit seinem eindrucksvollen Gewölbe vielfach gestuften Kämmen und engen alter Siedlungsboden ist (Paschinger 1974, wird aber kein Wein mehr gelagert. Das Kerbtälern durchzogen wird und in der 213ff.), zeigen die Museen in Großklein stilvolle Ambiente wird vielmehr für an- Kuppe des Demmerkogels (671 m) seine (Hallstattzeit), Frauenberg (Tempelmuse- sprechend gestaltete Weinverkostungen höchste Erhebung erreicht. Die südexpo- um/Kelten und Römer) und Wagna (Rö- genutzt. nierten, meist steilen Oberhänge werden mermuseum Flavia Solva). Der nächste Der letzte Halt führt die Exkursion in

30 UNTERWEGS MIT GEOGRAZ

Abb. 13: Schloss Seggau von der Silberberger Warte aus (Foto: Eder) das direkt an der B74 gelegene Naturpark- sieben Gebieten in der Steiermark, das den Autobahnanschlussstelle Leibnitz geht es zentrum Grottenhof (10) in Kaindorf an Status eines Naturparks erhalten hat. Mit auf der Pyrhnautobahn A9 wieder zurück der Sulm, das als „Tor“ in den Naturpark dem 2001 gegründeten Naturpark Süd- nach Graz (ca. 40 Minuten). Südsteirisches Weinland fungiert. steirisches Weinland wurde ein geschütz- Das Naturparkzentrum (Abb. 14)dient ter Landschaftsraum geschaffen mit dem seit 2009 als Informationsplattform für Ziel, über die Naturparkidee Impulse für den Naturpark und beherbergt den Erhalt und die nachhaltige Entwick- • das Gästeinformationsbüro, lung dieser ökologisch intakten Kultur- QUELLENVERZEICHNIS • das „Weinland“-Museum REGIO- landschaft zu setzen, um damit die regio- Eder P. (2006): Themenstraßen im touris- NEUM, in dem man mit modernster nale Wertschöpfung zu erhöhen sowie die tischen Trend – dargestellt am Beispiel Medientechnik – interaktiv aufgebaut – Lebensqualität der einheimischen Bevöl- der Südsteirischen Weinstraße. – Wirt- einen landschaftlichen und kulturellen kerung zu sichern. Durch die Zusammen- schaftsgeografische Studien (Wien) Überblick über den Naturpark erhält, arbeit von Naturschutz, Landwirtschaft, 32/33, 96-112. Tourismus, Gewerbe und Kultur soll diese Land Steiermark – Amt der Steiermär- Idee umgesetzt werden. Zwar ist das in- kischen Landesregierung (2012): haltliche Anliegen der Naturparkidee seit Tourismusstatistik des Bundes- der Gründung des Naturparks Südstei- landes Steiermark 1988-2011. http:// risches Weinland von den meisten Ent- www.verwaltung.steiermark.at/cms/ ziel/74838408/DE/ (Zugriff: Juli 2012) scheidungsträgern verstanden und unter- stützt worden, die im Naturpark lebende Lieb G. K. u. Szarawara K. (2002): Panora- ma Erlebnis Steiermark. Die schönsten Bevölkerung und die breite Öffentlichkeit Aussichtswarten und Aussichtsplätze. – gilt es aber noch zu motivieren, näher an Verlag , Graz, Wien,Köln, 199 S. die Inhalte des Naturparkgedankens her- Österreichisches Statistisches Zentralamt anzurücken. Mit Naturparkinitiativen wie (1993): Der Weinbau in Österreich 1992. z. B. der Einrichtung von Naturparkschu- Abb. 14: Naturparkzentrum Grottenhof (Foto: Eder) Beiträge zur Österreichischen Statistik, len zur Bewusstseinsbildung von Schüle- Heft 1113, Wien, 131 S. rInnen und der Installierung von Natur- Paschinger H. (1974): Steiermark, Stei- • das Naturpark- und das EU-Manage- und Landschaftsführern, die Fragen zu risches Randgebirge, Grazer Bergland, ment-Büro (bilden gemeinsam eine ver- den Kernaufgaben des Naturparks anspre- Steirisches Riedelland. – Sammlung geo- netzte Einheit in wichtigen Fragen der chen, soll die Akzeptanz des Naturparks graphischer Führer 10. Gebr. Bornträger, Regionalentwicklung), verbessert werden. Der Naturpark Süd- Berlin, Stuttgart, 251 S. • den 4 ha großen Landschaftspark, der steirisches Weinland besteht derzeit aus Statistik (2011): Der Weinbau in Einblick in die Arten- und Sortenviel- 27 Gemeinden, umfasst eine Fläche von Österreich 2009. Wien, 191 S. falt im Naturparkgebiet gibt, 390 km² zwischen 250 und 900 m Höhe Statistik Austria (2012): Bevölkerungsent- • das 1,8 ha große Eventgelände und und bietet rund 42.000 Menschen in die- wicklung 1869 – 2012. • das auf regionale Küche spezialisierte sem Gebiet „im Zeichen des gelben Wein- http://www.statistik.at/blickgem/blick1/ Winzerrestaurant „Rebenholz“. blattes“ wertvollen Lebensraum. g61009.pdf (Zugriff: Juli 2012) Das Südsteirische Weinland ist eines von Über die Sulmtal-Straße B74 und die

31 GeoGraz 51 - 2012 AUSSERDEM Neuerscheinungen

KARNICAR L., RAJŠP V. (HRSG.) (2011) JOSEF HASITSCHKA, GERHARD KARL LIEB pomuk Primic 1811 zu. Sie war u. a. mit Graz und Slowenen / Gradec in den Begründungen, zwei Fünftel der stei- Naturkundlicher Führer Slovenci rischen Bevölkerung wären slowenisch- sprachig, die Slawen stellten die Mehrheit “Johnsbacher Almen. Ein Sammelband zum gleichnamigen Symposium vom der österreichischen Bevölkerung und kulturgeschichtlicher 20.-21.V.2010 an der Karl-Franzens-Universität deren Bildungsniveau wäre zu heben, ge- Graz. Mitteleuropäische Wissenschaftsbibliothek, nehmigt worden. Aus diesem Lehrstuhl Wanderführer” 5. Band. Slovenski znanstveni inštitut na Dunaju/ entwickelte sich allmählich die Slawistik, Naturkundlicher Führer Bundesländer, Band Slowenisches Wissenschaftsinstitut in Wien. Wien, heute ein Institut der Geisteswissenschaft- 18, hrsgg. vom Oesterreichischen Alpenverein, Graz, Ljubljana, 290 S. lichen Fakultät der Universität Graz, von Innsbruck, 184 S. wo aus im 19. Jh. die wissenschaftliche Slowenistik und die Entwicklung einer einheitlichen slowenischen Schriftsprache entscheidende Impulse erhielt. Aus diesem Grund hat auch die slowenische Post eine Sondermarke anlässlich des 200jährigen Lehrstuhl-Jubiläums herausgegeben, die den Innenhof der Alten Universität in Graz zeigt. Es ist zuletzt zu überlegen, was diese vor- dergründig rein historischen Sachverhalte mit der Geographie zu tun haben. Einmal abgesehen davon, dass das Th ema über Graz als zentralen Ort im Wandel auch eine betont räumliche Komponente hat, wird dadurch auch an eine viel zu wenig Im Rahmen der vom Oesterreichischen beachtete Komponente der Multikultu- Alpenverein herausgegebenen Reihe der Dieses Buch wurde im Rahmen des Fest- ralität unserer Stadt erinnert: „Graz ohne „Naturkundlichen Führer“ ist dieses Jahr aktes „200 Jahre slowenische Lehrkanzel“ Slowenen wäre nicht Graz. Die Slowe- unter Federführung von Josef Hasitschka am 14.10.2011 im Barocksaal des Grazer nen gehören historisch zur Stadt wie der (Admont) und Gerhard Karl Lieb (Insti- Priesterseminars (Alte Universität) der Schlossberg …“, schreibt Ludwig Karničar tut für Geographie und Raumforschung Öff entlichkeit vorgestellt und beinhaltet im Vorwort. Hierzu einige Facetten ken- der Univ. Graz) der Wanderführer „Johns- 18 Beiträge (10 davon in Deutsch, jedoch nenzulernen, macht auch für Geogra- bacher Almen“ veröff entlicht worden. Das alle mit deutschen Zusammenfassungen) phinnen und Geographen die Lektüre des Buch im Taschenformat präsentiert eine aus dem im Jahr zuvor abgehaltenen Sym- Bandes interessant. Allerdings bleibt die- Reihe attraktiver Wanderwege in den posium mit demselben Titel. Dabei geht es ser noch stark an der Bedeutung von Graz Gesäusebergen, die selbst dem Ortskun- schwerpunktmäßig um die Frage, welche für die slowenische Kultur „hängen“ und digen eine Vielzahl neuer Möglickeiten Rolle die Stadt Graz für die Entwicklung lässt die angesprochene Bedeutung der und Perspektiven zum Erleben einer der der slowenischen Kultur und Sprache ge- slowenischen Kultur für Graz noch weit- eindrucksvollsten Gebirgslandschaften spielt hat. Diese – wie sich zeigt – beacht- gehend off en – ein, wie es scheint, loh- der Steiermark eröff nen. Während natur- liche Rolle erwächst aus der Tatsache der nendes interdisziplinäres Forschungsfeld, kundliche Information, wie z.B. die Be- hohen zentralörtlichen Bedeutung von zu dem mit diesem Buch die Tür aufge- schreibung der geologischen Bedingungen Graz für weite Teile des slowenischspra- stoßen ist. im Gebiet, auch in diesem Werk natürlich chigen Raumes bis zum Ersten Weltkrieg. nicht fehlen dürfen, liegt der Fokus auf Damals war Graz (neben Wien) jene Gerhard K. Lieb der ganzheitlichen Veranschaulichung Stadt, in der die meisten Slowenen stu- der Natur- und Kulturgeschichte der Al- dierten und viele von ihnen in der Folge men als für das Hochgebirge typisches auch berufl ich wirkten. Die Beiträge loten Nutzungssystem. Es geht also nicht nur verschiedenste Aspekte dieser Beziehung um die Natur, sondern vielmehr um das in historischer Perspektive aus und stellen Zusammenwirken von natürlichen, öko- einige profi lierte Persönlichkeiten hierzu nomischen und sozialen Prozessen und vor. die daraus resultierende Veränderung des Eine besondere Bedeutung kommt dabei natürlichen Systems. Da gerade der hoch- der Gründung der ersten slowenischen alpine Raum eine besondere ökologische Lehrkanzel auf Initiative von Janez Ne- Sensibilität aufweist, ist die Bildung zur

32 AUSSERDEM

NATURPARK ZIRBITZKOGEL-GREBENZEN (HRSG.) (2012) nachhaltigen Entwicklung durch ver- formationstafeln sichtbaren Abbildungen tieftes Erleben der naturnahen Umgebung mit kurzen, exakten Erläuterungstexten sowie die Stärkung der persönlichen Be- Die Eiszeit zum Einstecken. Der enthält. Diese Abbildungen sind außer- reitschaft zum umweltgerechten Handeln Natur- und Landschaftsführer ordentlich anschaulich (z.B. die modell- ein ganz besonderes Anliegen der beiden hafte Darstellung der Entstehung eines Autoren und Ziel dieses Führers. zum Eiszeiterlebnis im Naturpark Rundhöckers auf S. 27) und können auch Nach einer kurzen Vorstellung der Zirbitzkogel-Grebenzen.” außerhalb des Gebietes, etwa im Schul- Gesäuseberge und des Bergsteigerdorfs unterricht, verwendet werden. Stichwort Eigenverlag, Neumarkt, 51 S., Kartenbeilage. Johnsbach, welches den größten Anteil des Schule: Mit dem neu entwickelten Ange- Nationalparks Gesäuse ausmacht, werden bot bietet sich nunmehr die perfekte Mög- den Leserinnen und Lesern einführende lichkeit, Schülerinnen und Schülern der Informationen zum Hochgebirge, zu Alm Sekundarstufe Glazialmorphologie und und Almwirtschaft sowie zu den Wech- somit Klima- und Umweltwandel erleb- selwirkungen von „Natur“ und „Kultur“ nis- und handlungsorientiert im Rahmen im historsichen Kontext bereitgestellt. eines oder mehrerer Outdoortage zu ver- Es werden fünf Wanderungen beschrei- mitteln. ben, die zum persönlichen Erleben der in Das Angebot richtet sich jedoch nicht Wort, Bild und Karte veranschaulichten speziell an Schulklassen, sondern an alle Inhalte einladen. Die Touren sind dabei – zumindest an der Eiszeitinsel auch im durch unterschiedliche Schwierigkeits- inklusiven Sinn von Barrierefreiheit. Her- grade gekennzeichnet, wobei oft auch vorzuheben ist dabei besonders die Vielfalt unterschiedliche Varianten von leicht bis dieses Angebots, das trotz engen budge- anspruchsvoll angeboten werden. Einge- tären Korsetts realisiert werden konnte, bunden in die Tourenbeschreibung fi n- Das Titelbild dieses Führers fi nden Sie sowie die graphische und inhaltliche Qua- den Leserinnen und Leser anschauliche auch als Abb. 7 im Beitrag von M. Ku- lität der dargebotenen Information und Ausführungen über die frühere und ge- banek auf S. 15, worin das zu Grunde somit auch des Führers. Die Gesamtheit genwärtige Nutzung der Almen, die soge- liegende Projekt einer Neukonzeption des alles dessen setzt durchaus neue Maßstä- nannten „Almportraits“. Abgerundet wird Eiszeit-Th emenweges und weiterer damit be in der lokalen Umsetzung informeller der Führer durch sieben Essays, welche in in Verbindung stehender Angebote im Umweltbildung! Form von Spezialartikeln z.B. zum Th ema Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen vor- „Naturgefahren im Gesäuse“, verfasst von gestellt wird. Der an dieser Stelle bespro- Gerhard Karl Lieb Experten im jeweiligen Gebiet, detail- chene Führer wurde im Rahmen dieses lierte Einblicke in die Schwerpunktthe- Projektes ebenfalls von M. Kubanek kon- WIRTH, P., CERNIC MALI, B. U. FISCHER, W. (HRSG.), 2012 men geben und neben der Zuhilfenahme zipiert und gestaltet und ist als ein Mosa- während der Wanderung auch zur nach- ikstein innerhalb einer breiten, aufeinan- Post-Mining Regions in Central träglichen Refl exion anregen. der abgestimmten Angebotspalette zum Europe. Problems, Potentials, Wer nun Lust bekommen hat, die al- „Eiszeiterlebnis“ im Naturpark zu verste- pine Umgebung des Bergsteigerdorfs hen. Dies spiegelt sich auch im Titel und Possibilities. Johnsbach selbst zu entdecken und mehr Inhalt der beiliegenden „Angebotskarte“ oekom-Verlag München, 269 S. über die spannende Geschichte der Alm- wider, die nicht nur die verschiedenen wirtschaft in den Gesäusebergen zu erfah- Routen und Erlebnispunkte, sondern auch ren, kann den hier vorgestellten Führer Gastronomiebetriebe und andere touri- gegen 6,40 € (Preis für ÖAV-Mitglieder, stisch relevante Informationen sowie auf sonst 7,- €) über die Internetseite des ÖAV der Rückseite eine Übersicht zu den An- bestellen (www.alpenverein.at/shop). geboten und Wegbeschreibungen enthält. Die Karte ist auch in Englisch, Italienisch Th o m a s M a ke r und Slowenisch erhältlich. Dieser Konzeption entsprechend ist der gegenständliche Führer samt Karte speziell als Handreichung zum Begehen der drei Rundwege zum „Eiszeiterlebnis“ bzw. zur Refl exion dieses Erlebnisses da- Die in diesem Band vorgestellten For- nach geeignet. Deshalb hat der Führer schungsergebnisse wurden im Rahmen auch das Format eines „Pocketguide“, des Projektes „ReSource – Nutzung nach- der aber doch alle vor Ort auf den In- bergbaulicher Potenziale für die nachhal-

33 GeoGraz 51 - 2012 AUSSERDEM

tige Erneuerung von Bergbaustädten und –regionen“ Geo-Kolloquium in den Jahren 2009-2012 (Europäische Territoriale WINTERSEMESTER 2012/2013 Kooperation – Ziel 3) erarbeitet. Das Grazer Institut ANNA DUSCHLBAUER für Geographie und Raumforschung war daran un- INTEGRATIVE GEOGRAPHIE: ANSÄTZE, BEISPIELE, GRENZEN ter der Leitung von Wolfgang Fischer (Co-Heraus- Do. 18.10.2012 geber) und den MitarbeiterInnen Judith Pizzera und U fniv.-Pro . Dr. Peter Weichhart (Wien): David Osebik federführend beteiligt. Den österrei- chischen Untersuchungsschwerpunkt stellte die Re- „Integrative Geographie und Dritte Säule“ – gion Eisenerz und damit die Steirische Eisenstraße Einheitsphantasien in der Geographie oder dar. Weitere PartnerInnen waren ehemalige Berg- realisierbare Forschungsprogramme bauregionen in Deutschland (Mansfeld-Südharz und Zwickau-Lugau-Oelsnitz), Slowenien (Zasavje), der Do. 15. Nov. 2012: Tschechischen Republik (Sokolov-vychod) und Un- U fniv.-Pro . Dr. Cyrus Samimi (Wien): garn (Salgotarjan). „Gesellschaft-Umwelt-Beziehungen in der Forschungspraxis: Untersuchungsschwerpunkte stellten die ehemaligen Beispiele aus dem Sahel Westafrikas und dem Ostpamir“ Bergbauregionen, ihre Probleme, Potenziale und Perspektiven in Bezug zur gegenwärtigen Stadt- und Mit Geburtstagsgratulation an em. O. Univ. Prof. Dr. Herwig Wakonigg Regionalentwicklung dar. Gemeint sind primär die Do. 29. November 2012 sogenannten „Hinterlassenschaften“ des Bergbaus, J oHANN KaNDLER (Bannberg/Lienz) wie Haldenflächen, bauliche Infrastrukturen und Grubenwasser, aber auch durch Abwanderung und „Klimaschutz und Gerechtigkeit – Wer zahlt die Zeche?“ teilweise Arbeitslosigkeit gekennzeichnete regionale Do. 6. Dezember 2012 Situationen. Diese werden natürlich primär als Pro- U fniv.-Pro in. Drin. K Heike EgNER ( lagenfurt): bleme wahrgenommen, sie stellen aber auch Chancen dar und die Gebiete können dadurch neu in Wert ge- „‘Riskante Räume‘: setzt werden. Besonderer Fokus liegt auf den Mög- Zur Konstruktion verräumlichter Risiken und Sicherheiten“ lichkeiten der Nutzung als Erholungslandschaften, in der Inwertsetzung des kulturellen Erbes und der Do. 17.Jänner 2012 bergbaulichen Infrastrukturen im weiteren Sinne. D AoPPEL- nTRITTSVORLESUNG Aber auch der Blick auf mögliche Energiegewinnung Univ.-Prof. Dr. Ulrich Ermann (Graz): – eigentlich die ursprüngliche Aufgabe – wird nicht „Humangeographie der Nicht-Menschen: unmenschlich?“ aus den Augen gelassen. Alles das passiert natürlich unter der Prämisse einer nachhaltigen Entwick- Uiv ofn .-Pr . Dr. Oliver Sass (Graz): lung unter Einbezug der dort lebenden Menschen „Geomorphologie und Human Impact – und durch diese regionalen AkteurInnen selbst. Die gibt es noch das ‚natürliche System‘?“ Bergbauregionen werden grundsätzlich beschrie- ben und besonders gute Beispiele nachbergbaulicher Do. 24. Jänner 2012 Nutzung werden dargestellt. Uiv ofn .-Pr . Dr. Thomas GLADE (WIEN): Wolfgang Fischer stellt mit seinen KollegInnen Peter Gekoppelte Geosysteme: Auswirkungen auf die Naturgefahren und -risiken Wirth und Barbara ČerniČ Mali (sie bildeten zusam- men die Projektleitung) die grundlegenden Probleme Alle Vorträge finden um 18.00 h im Hörsaal 11.03 am Institut für Geographie und solcher Regionen nach dem Bergbau-Boom dar und Raumforschung der Universität Graz, Heinrichstraße 36, bei freiem Eintritt statt. entwickelt strategische Optionen dazu. David Ose- Gerne laden wir Sie auch zur folgenden Buchpräsentation ein: bik bespricht die Steirische Eisenstraße und Judith K. Gratzl (Hrsg.) Pizzera widmet sich zusammen mit David Osebik Ätna. Der höchste aktive Vulkan Europas dem strategischen Destinationsmanagement in alpi- Weishaupt Verlag, Gnas nen Bergbauregionen, unter anderem mit Fokus auf Do. 11. Okt. 2013, 18.00 h den Erzberg als Abenteuer-Sport-Destination. Ne- Meerscheinschlössl ben diesen „heimischen“ Beiträgen finden sich aus- Mozartgasse 3, 8010 Graz gezeichnete Darstellungen der nachbergbaulichen Nutzung der Nachbarregionen (Rolle der ehema- An dieser neuen Monographie über den Ätna haben Mitarbeiter unseres Instituts entscheidend mitgewirkt. Einem Teil der Auflage dieses Heftes liegt eine Einladung ligen Bergbaustädte, Regionale Potenziale, Rolle der hierzu bei, der Sie das detaillierte Programm der Buchpräsentation entnehmen Jugend, Ökotourismus usw.). können. Es liegt damit ein interessantes und – trotz der eng- lischen Texte – gut lesbares Buch mit einem weiten interdisziplinären Fokus vor. Eventuelle Änderungen und Ergänzungen in unserem Programm entnehmen Sie bitte unserer Franz Brunner Website: www.uni-graz.at/geowww

34 AUSSERDEM

(EX)-GEOGRAZERIN im Portrait ANNA DUSCHLBAUER INTEGRATIVE GEOGRAPHIE: ANSÄTZE, BEISPIELE, GRENZEN Studium: Diplomstudium Geographie Diplomarbeit: Estimation of diffuse phosphorus loads from septic tank: an approach with GIS Aktuelles Berufsfeld: GIS-Sachbearbeiterin der Stadt Bludenz

eder war sie ständig in der Natur Möglichkeit eines Praktikums in Betracht ziehen.“ soziale und mediative Geschick der Geographin. und den Bergen unterwegs, noch Im Laufe der Jahre entstand mitunter ein Wwollte sie unbedingt etwas davon Das Bearbeiten der GIS-Sachen – Es Wildwuchs an gutgemeinten und massenhaft erkunden, geschweige denn retten; Reisen werde Licht auftretenden Wegweisern, die so manches und fremde Kulturen hatte sie bislang noch in Anna Duschlbauer wurde nach Bludenz geholt, Unternehmen durchaus stärker repräsentierten keinem Freundschaftsbuch als „liebstes Hobby“ um wortwörtlich Licht in die ganze Sache des als andere. Jedenfalls heißt es nun erklären und angegeben. Grundsätzlich suchte sie einfach nur GIS zu bringen. Ihr erstes Projekt: Erstellung eines überzeugen und Genehmigungen einholen, ein zweites Unterrichtsfach im Lehramtsstudium Beleuchtungs-GIS. Lichtpunkt für Lichtpunkt wurde um Schilder mit Fundament errichten zu und weil die Mathematik und die Geographie an notiert und mit seinen Eigenschaften versehen, bis dürfen und die individuell gestalteten Tafeln der Uni Graz im selben Gebäude untergebracht die gesamte Stadt mit ihren Laternen und deren zu ersetzen. Anna Duschlbauer kann die sind, wurde Geographie und Wirtschaftskunde Leuchtmitteln registriert war. Verliert also heute dabei geschärfte soziale Kompetenz gleich als Studium „gebucht“. Naja, schlussendlich eine Bludenzer Straßenlaterne ihre Leuchtkraft, in ihr nächstes Projekt mitnehmen. Eine bekam Anna Duschlbauer ihre Sponsionsrolle ist dies in quasi Echtzeit für das zuständige Landesstraße wird verlegt und dafür werden für das Diplomstudium der Geographie Elektrounternehmen – mit allen notwendigen u. a. vorhandene Straßenstücke ausgebaut, was überreicht, und aktuell verortet und leitet sie in Informationen für das Wechseln – sichtbar und so manche Wohngegend in Unruhe versetzt. und durch Bludenz und das mit System. innerhalb kurzer Zeit strahlt Bludenz wieder in Ein Vorhaben mit viel Bürgerbeteiligung, das vollem Glanz, und das, durch den regelmäßigen somit auch einiges an humangeographischem Ein bisschen bequemer ans Ziel Austausch und das Umrüsten hin zu LED, Wissen in den Arbeitsalltag holt. Angekommen in der Heinrichstraße machte die möglichst energieeffizient. Ein gut entwickeltes gebürtige Mühlviertlerin nun die verpflichtenden und simples System, das an Nachbargemeinden Punktgenaues Abstecher in die Hörsäle der Geographie und weitergegeben wurde: „Wir klären auf, dass es Soziales Verständnis und der Wunsch nach siehe da „... relativ schnell wurde mir bewusst, nicht zwingend notwendig ist, dass Gemeinden für Kooperation hat auch einen wichtigen dass die Geographie aus weit mehr als dem das Beleuchtungssystem in eine spezielle Software Beitrag geleistet, dass Vorarlberg ein Gymnasialstoff besteht. Mit der Zeit trat die investieren. Im Grunde reichen die vorhandenen GIS- Vorreiterbundesland hinsichtlich der GIS- Mathematik immer mehr in den Hintergrund Daten und eine Access-Datenbank. Die Ressourcen Basisdaten ist. Die bessere Zusammenarbeit und nach dem 1. Semester war mir klar, dass ich sind sozusagen bereits vor Ort.“ des Landesvermessungsamts und der mich nur noch auf die Geographie konzentrieren Vorarlberger Gemeinden wurde als eigenes will.“ Dabei ging sie der Geographie ordentlich Damit wir wissen, wo wir sind und wie es Projekt aufgesetzt „Ich denke, die GIS/CAD auf den Grund und legte ihr Hauptaugenmerk weitergeht Zusammenarbeit zwischen Land Vorarlberg und auf die Geologie und Geomorphologie. „Im Sichtbarkeit und Sichtbarmachung ist auch in den Vorarlberger Gemeinden ist österreichweit zweiten Studienabschnitt wurde mir klar, dass den verkehrsplanerischen Agenden von Anna einzigartig. Die Adressdaten werden von einem eine Spezialisierung im GIS-Bereich für meine Duschlbauer das vordergründige Thema. Dabei Stromanbieter aufgenommen und ‚haustürgenau‘ Zukunft von Vorteil wäre und ich konzentrierte geht es um eine einheitliche Wegweisung für als Punkt-Shapefile vergeben. Die Aktualität der mich bei der Auswahl der kartographischen den motorisierten Verkehr, wobei es längst nicht Naturstandsdaten ist zwar von der Gemeinde Computerprogramme auf GIS.“ nur um das Auffinden eines Standortes geht. abhängig, aber wohl in keiner Gemeinde auf Natürlich, zuallererst ist das Vereinheitlichen einem älteren Stand als zwei Jahre. Sprich, Willkommen in der Generation der Wegweisung für die bessere Orientierung Vermessungen von neuen Objektdaten werden Praktikum essentiell, vor allem für Nicht-Bludenzer/innen mindestens einmal im Jahr durchgeführt und dem Mit Studienende kam der Karrierestart, der „... die einheitliche Gestaltung erleichtert das Land von den Gemeinden gratis zu Verfügung vorerst auf sich warten ließ und schlussendlich Wahrnehmen der entsprechenden Hinweisschilder. gestellt. Weiters gibt es im Abstand von vier Jahren ein zweimonatiges GIS-Ferialpraktikum beim Es macht die Wegweisung erst erkennbar und ist Befliegungen für neue Luftbilder – diese werden Landesvermessungsamt in Feldkirch brachte, der rote Faden durch die Stadt.“ Ein funktionelles, den Gemeinden vom Landesvermessungsamt, wie dem ein neunmonatiges Verwaltungspraktikum graphisch durchdachtes Leitsystem ist aber mehr als die meisten GIS-Basisdaten, gratis zur Verfügung folgte, dann noch ein Praktikum in Innsbruck die Möglichkeit des Zurechtfindens innerhalb eines gestellt.“ und von dort wieder zurück nach Vorarlberg, Ortes und ist einmal mehr ein Instrument für die Und zu guter Letzt hat Vorarlberg der diesmal allerdings auf den Bürosessel für die entsprechende Außenwirkung „... es ist jedenfalls Mühlviertlerin nun doch noch diesen GIS-Sachbearbeitung, wo Anna Duschlbauer auch ein wichtiger Teil der Corporate Identity.“ Der steiermarkspezifischen geographischen seither die GIS-Geschicke der Stadt Bludenz erste Schritt war, die Hotels in das Leitsystem „Urfunken“ eingehaucht: In ihrer Freizeit ist sie lenkt: „Und die Moral von der Geschichte: Man aufzunehmen, nun folgen alle Wirtschaftsbetriebe nun immer öfter in den Bergen zu sehen. sollte so flexibel wie möglich sein und auch die der Stadt. Dabei verlangt es vor allem auch das SABINE SCHNEPFLEITNER 35 GeoGraz 51 - 2012 AUSSERDEM Aktuelles aus der Grazer Geographie

Lektor für Fachdi- H erwig Wakonigg zu seiner Emeritierung am 1.10.2008 inne- daktik an unserem hatte. Sein wohl bekanntestes Verdienst ist Institut aktiv, eine Herzliche Glückwünsche die Etablierung der Klimatologie bzw. Klima- Tätigkeit, mit der zum 70. Geburtstag geographie als Schwerpunkt in Forschung er ein Viertel Jahr- und Lehre am Standort Graz. Dieses Erbe hundert lang die „Unglaublich, wie die Zeit vergeht“, wird ist durch seinen Nachfolger Strasser weiter Lehramtsausbil- wohl manche Leserin und mancher Leser entwickelt worden und wird auch in Zukunft dung prägte: Stets dieser Überschrift unwillkürlich denken … eine zentrale Säule der Arbeit an unserem mit dem Blick auf der rasche Lauf der Dinge und die damit ver- Institut bleiben. die Unterrichtspra- bundenen Veränderungen waren ja schon Damit aber wären die Leistungen Prof. Wa- xis bildeten methodische Fragen seinen der „Einstieg“ in dieses Heft im Editorial. An koniggs keineswegs vollständig gewürdigt, Schwerpunkt, vor allem aber waren es die dieser Stelle soll aber nicht über die Zeit phi- bemühte er sich doch zugleich um eine Kinder und Jugendlichen mit ihren Sorgen losophiert, sondern einfach jener Persönlich- ganzheitliche Sichtweise der Geographie, und Interessen, die er in den Mittelpunkt der lange bevor sich diese Vision als „Integrative Unterrichtsplanung rückte – und nicht locker Geographie“ im Leitbild des Instituts wie- ließ, bevor nicht auch die oder der letzte der derfand. Geradezu legendär waren – und Studierenden ihm auf diesem Weg gefolgt sind es noch (wofür wir uns bei ihm beson- war! Daneben war er auch für 21 Jahre an ders bedanken) – seine akribisch vorberei- der damaligen Pädagogischen Akademie teten und bis ins letzte Detail „stimmigen“ der Diözese Graz-Seckau (jetzt Kirchliche Vorlesungen, deren Themenkreis weit über Pädagogische Hochschule) für die human- die Klimageographie hinausgeht. Schließ- geographische Ausbildung der Geographie lich verdanken wir Prof. Wakonigg auch die und Wirtschaftskunde-Studierenden verant- entscheidenden Weichenstellungen in das wortlich. Ebenso leitete er drei Jahre hindurch Zeitalter moderner Curricula im Sinne des die GW-spezifischen Kurse des damaligen keit gratuliert werden, die wie keine zweite gesamteuropäischen Bologna-Prozesses. Pädagogischen Instituts (PI) des Bundes für der Ausrichtung und Entwicklung der Gra- Dafür wollen wir im Namen der Universität, Steiermark im Fachseminar für Berufspraxis zer Physischen Geographie in den letzten der Fakultät, des Instituts und aller von ihm der angehenden GW-LehrerInnen. Jahrzehnten ihren Stempel aufgedrückt hat: betreuten Studierenden aufrichtig danke sa- Im Jahr 2005 wurde Erich Zunegg als Fachdi- Herwig Wakonigg, emeritierter Universitäts- gen – danke aber auch für sein Verständnis daktiker an unser Institut berufen. Ohne das professor an unserem Institut, vollendete im dafür, dass wir ihm wegen der aktuell pre- Engagement als Lehrer und Fachkoordinator letzten Sommer sein 70. Lebensjahr! kären Raumsituation an unserem Institut (trotz theoretisch halbierter Lehrverpflich- Herwig Wakonigg erblickte am 17.7.1942 (wie leider auch manchen anderen) keinen tung) an „seiner“ Schule, dem Keplergym- in St. Margarethen bei Knittelfeld das Licht adäquaten Arbeitsplatz bieten können – und nasium, zu verringern, widmete er sich noch der Welt, studierte in Graz und schloss das ihm unsere herzlichen Glückwünsche zum stärker der Betreuung der Studierenden und Studium 1967 mit dem Doktorat ab. Schon „runden“ Geburtstag überbringen. Sie, liebe intensivierte seine wissenschaftliche Arbeit. während des Studiums arbeitete er im wis- Leserinnen und Leser, laden wir herzlich zum Diese äußerte sich u.a. darin, dass er immer senschaftlichen Betrieb mit und war seit Geographischen Kolloquium am 15. Novem- wieder neue Lernmethoden „entdeckte“ 1968 am damaligen „Geographischen Insti- ber ein, worin wir Prof. Wakonigg auch per- und für GW, oft auch für den fächerüber- tut“ als Assistent angestellt. 1978 folgte die sönlich gratulieren wollen! greifenden Unterricht, weiterentwickelte, Habilitation und 1982 der Ruf auf den Lehr- wovon zahlreiche Beiträge in Fachzeitschrif- stuhl für Physische Geographie, den er bis Friedrich M. Zimmermann, ten zeugen – so auch mehrfach in GeoGraz Gerhard K. Lieb (zuletzt über „Ideenstraßen“ in den Hef- ten 46 und 50). Daneben war er auch eine der treibenden Kräfte im Aufbau des 2008 D ank an Erich Zunegg übungen“ genanntes Zweitfach Sport und gegründeten Regionalen Fachdidaktikzen- Bewegung, dem er sich verschrieben hatte – trums Geographie und Wirtschaftskunde OStR. Mag. Dr. Erich Zunegg hat mit dem bis hin zur Schülerinnen-/Schüler-Neigungs- (RFDZ-GW) sowie eine wichtige Stütze in Sommersemester 2012 seine Tätigkeit als gruppe Bergsteigen und als Trainer des stei- der Entwicklung des derzeit gültigen Lehr- Fachdidaktiker an unserem Institut been- rischen Fußballverbandes –, so entwickelte amts-Curriculums für GW. det und ist in den Ruhestand getreten. Sein sich sein Fokus immer stärker auf das Fach Die Redaktion dankt Erich Zunegg im Na- Nachfolger ist Martin Möderl, den wir im Geographie und Wirtschaftskunde. Dies men des Instituts und des RFDZ-GW für sein nächsten Beitrag vorstellen. Erich Zunegg, wird besonders in seiner 1988 abgeschlos- außerordentlich engagiertes Wirken für die Jahrgang 1949, war und ist Pädagoge aus senen Dissertation über die Stadtgeographie Schulgeographie und die Fachdidaktik GW ganzem Herzen. War es in seiner frühen Zeit von Leibnitz deutlich. in Graz. Wir wünschen ihm, der nunmehr als Lehrer mehr sein damals noch „Leibes- In dieser Zeit war Erich Zunegg längst als von der Last der Bewältigung des Studien-

36 AUSSERDEM Aktuelles aus der Grazer Geographie und des Schulalltags befreit ist, viel Muße, University in England (Betreuung durch Gilli- Prof. Zsilincsar – 70 Jahre Gesundheit und Zeit für seine Familie. Dass an Rose und Jennifer Robinson). In ihrer Dis- er allerdings eher in den Unruhestand zu sertation hat sie Place Marketing im Rahmen Am 4.März 2012 feierte Prof. i. R. Walter treten scheint, zeichnet sich bereits ab – der der Expo-Bewerbung von Triest untersucht. Zsilincsar seinen 70. Geburtstag. Er wurde in von ihm entwickelte Kindererlebnistag im Danach war sie als Postdoc-Stipendiatin an Graz geboren und studierte auch hier, wo- Österreichischen Freilichtmuseum in Stü- der John Hopkins University in Baltimore/ bei er bereits in seiner Dissertation mit der bing und seine Tätigkeit im Kuratorium des USA, bevor sie nach Italien zurückkehrte, Sozialgeographie einen seiner späteren For- Stifts Rein lassen keinen Zweifel daran, dass wo sie zuletzt an einem Forschungsprojekt schungsschwerpunkte fixierte. Seit 1969 an er sich weiterhin um Kinder und Jugendliche zu „geographies and actors of ‚high-quality unserem Institut beschäftigt, habilitierte er bemühen wird food‘“ der Uni Turin beteiligt war und Lehr- sich 1976 und widmete sich in seiner wissen- aufträge an der Valle d’Aosta-Universität schaftlichen und Lehrtätigkeit einer breiten D er neue Fachdidaktiker innehatte. Sie ist im Bereich der Kulturgeo- Palette an human- und regionalgeographi- graphie und der Stadtgeographie profiliert schen Themen, worin meist der angewandte stellt sich vor: Martin sowie in qualitativen Methoden der empi- Aspekt einen hohen Stellenwert einnahm. Möderl rischen Sozialforschung und wird mit Prof. Hervorzuheben ist auch seine schon Als gebürtiger Gra- frühe Beschäfti- zer, Jahrgang 1977, gung mit den ost- hat Mag. Möderl mitteleuropäischen nach seiner Matura Staaten, lange be- am BRG Keplerstraße vor es durch die an der Karl-Franzens- politische Wende Universität das Lehr- „modern“ wurde amt für Geographie den Blick dorthin und Wirtschaftskunde zu wenden, und die Pflege umfangreicher sowie Mathematik studiert. Gleichzeitig ab- Ermann u. a. an Forschungsaktivitäten zur wissenschaftlicher Kontakte dorthin. Auch solvierte er die Montessoripädagogik-Aus- Wirtschaftsgeographie, zur Konsum-Geo­ seit seiner Pensionierung ist Prof. Zsilincsar bildung. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer im graphie und zu Food Studies mitwirken. als Forscher hochaktiv und unterstützt unser BG/BRG/MG Dreihackengasse ist Mag. Mö- Frau Colombino spricht exzellent Englisch, Institut weiterhin durch seine Lehrtätigkeit. derl Leiter der Fachdidaktik GW für Unter- aber bisher kein Deutsch, und wird daher Wir gratulieren herzlich zum Geburtstag. Ad richtspraktikantInnen an der PH Steiermark. zunächst ausschließlich Lehrveranstaltungen multos annos. Er ist Mitarbeiter im reg. Fachdidaktikzen- auf Englisch abhalten. trum GW und Mitglied der Steuergruppe René Hanzlik (Dissertant) hat an der Uni RS e Ource nach des regionalen Netzwerks IMST-Steiermark. Wien die Unterrichtsfächer Geographie und einer Capitalization Seine Hauptinteressen sind die Reformpäda- Wirtschaftskunde sowie Geschichte, Sozial- gogik und offener Unterricht, sowie die Ein- kunde und Politische Bildung studiert und Phase sehr erfolgreich bindung von Experimenten und e-Learning erst vor dem letzten Sommer mit einer theo- abgeschlossen Sequenzen in den Unterricht. rieorientierten Diplomarbeit über die Konsti- Neben verschiedenen Schul- und Klas- tuierung eines Szeneviertels aus Perspektive Das Central Europe Projekt ReSource ging senprojekten im naturwissenschaftlichen eines multiparadigmatischen Forschungs- nach 42 Monaten Laufzeit Ende September Bereich liegt einer seiner momentanen Ar- ansatzes am Beispiel des Wiener Brunnen- zu Ende. Anfang Juli fand das Final Meeting beitsschwerpunkte an der Schule am Aufbau viertels (Betreuung durch Peter Weichhart) in Slowenien, in der Bergbau- und Indus- eines NAWI-Schwerpunktes. abgeschlossen. Als Tutor hat er an Lehrver- trieregion Zasavje, statt. Bei der Abschluss- anstaltungen zur Wirtschaftsgeographie konferenz wurden neben diversen Exper- E ine neue Mitarbeiterin (Elisabeth Aufhauser) mitgewirkt. Er strebt tenvorträgen auch die Ergebnisse aus den eine Dissertation im Bereich der Fachdidak- Partnerregionen dem interessierten Publi- und ein neuer tik der Geographie und Wirtschaftskunde kum präsentiert. Zudem wurde das im Rah- Mitarbeiter im Bereich an und wird sich an Forschung und Lehre Humangeographie und zur Wirtschafts- und Sozialgeographie, zur Integrativen Geographie und zur Didaktik Fachdidaktik beteiligen. Annalisa Colombino (Postdoc) kommt aus Italien, hat ihren Master-Abschluss in Vene- dig in East Asian Studies beim Humangeo- graphen Claudio Minca (inzwischen Wage- ningen) gemacht und ihren PhD an der Open

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men des Projektes verfasste Handbuch vor- the economic and social transition of old- aller tätigen Expertengruppen. Am Ende sol- gestellt (hrsg. von P. Wirth, B. Černič u. W. industrial regions“ gelungen. Es besteht aus len zwei Handbücher über innovative Ma- Fischer). Daneben konnten alle beantragten acht Partnern aus Deutschland (neben dem nagementstrukturen und über die innova- Teilprojekte erfolgreich umgesetzt werden. genannten Leadpartner der Verein Berg- tive Produktgestaltung aus dem industriellen Neben einer Resolution zur Unterstützung bautourismus Welzow sowie die Montan- Erbe heraus verfasst werden. Auch sollen und Förderung von Bergbaustädten und Uni Freiberg), Österreich (Verein Steirische Strategien zur Vermarktung des industriellen Bergbauregionen, die im Rahmen dieser Eisenstraße und Uni Graz), Belgien (STE- Erbes sowie eine transnationale Container Veranstaltung von unzähligen namhaften BO- Competence Center Community Deve- Promotion Tour zum Thema Inwertsetzung Institutionen und Personen getragen wird, lopment), Tschechien (Kleinregion Sokolov- des industriellen Erbes in den Partnerländern wurden sämtliche Ergebnisse analog und di- Ost) und Polen (Stadt Bydgoszcz). Unser zur Realisierung gelangen. gital auf der Homepage verfügbar gemacht. Institut wird gemeinsam mit der Universität Unser Institut hatte einmal mehr die Mög- Freiberg die Forschungsagenden absolvieren D as Urbact-Projekt lichkeit, an einem EU-Projekt teilzunehmen (Leitung: W. Fischer). Die Fördersumme be- „Active Travel Network“ und die vielen Erkenntnisse daraus in Form trägt rund 1,35 Mio. EUR. Das Projekt mit von Publikationen, aber auch in der Lehre dem Akronym SHIFT-X startet am 1. Okto- geht in die Endphase. an die Studierenden weiter zu vermitteln. ber 2012 und hat eine genehmigte Laufzeit Anfang April 2012 fand ein Projektreffen So konnten u.a. in der Capitalization Phase von 27 Monaten. Das Kick-off meeting wird beim griechischen Projektpartner, der Stadt- unter der Leitung von W. Fischer Mitte Juli Anfang November beim polnischen Partner verwaltung Serres, statt. Die Stadt hat im eine Studierendengruppe und zwei Insti- in der Stadt Bydgozscz stattfinden. tutsmitarbeiter einen Fortbildungsworkshop Das Projekt gliedert sich in 5 Workpackages: inmitten des Lausitzer Bergbaugebietes in • WP 1: Project management and coordi- Großräschen in Anspruch nehmen. Bekann- nation te Vertreter der IBA (Internationale Bauaus- • WP 2: Communication, knowledge ma- stellung) sorgten dafür, dass diese Veran- nagement and dissemination Rahmen des Projekts eine verkehrsberuhigte staltung zu einem unvergesslichen Ereignis • WP 3: Advancing management structures Zone konzipiert und umgesetzt. Die Eröff- wurde. Die Exkursion wurde durch den Be- for cultural heritage in old-industrialised nung fand im Rahmen des Meetings statt such der Wächterhäuser in Leipzig (unter regions (Verantwortlichkeit Uni Graz) und kann in der gegenständlichen Form als dankenswerter Führung von Prof. Ulrich Er- • WP 4: Creating innovative heritage-based für griechische Verhältnisse durchaus revo- mann), des Braunkohletagebaus Welzow mit products lutionär bezeichnet werden, was den Erfolg der F60 (größte Kohlefördermaschine der • WP 5: Using cultural heritage for chan- des Projektes Active Travel Network einmal Welt) und der Stadt Prag am Rückweg nach ging perception of old-industrial regions. mehr unterstreicht. Die Erfahrungen, die in Graz gekrönt. Im Rahmen unserer Beteiligung wird im WP der eigens für dieses Vorhaben gegründeten Mitte September fand gemeinsam mit dem 3 der strategische Fokus auf eine höhere Local Support Group gemacht wurden, sind slowenischen Partner noch ein Workshop Effizienz, eine erhöhte Innovationsfähigkeit für die Realisierung ähnlicher Vorhaben im zum Thema „Jugend in Bergbauregionen“ in sowie auf eine verstärkte Außenwirkung Land von großem Wert, zumal in Zukunft Eisenerz statt, da u.a. auch nach Beendigung gelegt. Zudem soll die Effektivität von Insti- auf weniger Finanzmittel, aber auf umso des Projektes an solchen und ähnlichen The- tutionen, die mit industriellem Erbe zu tun mehr persönlichen Einsatz gebaut werden men weiter gearbeitet werden wird. Auch haben, mittels geeigneter Kooperationen, muss. Das war das Ergebnis vieler Experten- fanden im Rahmen dieses Projektes mehrere Sektoren übergreifender Integration und gespräche am Rande des Meetings, an dem Studierende zumindest zeitweise Betätigung, der Etablierung von Leitinstitutionen erhöht auch lokale Politiker und Beamte vertreten was als ein wesentlicher Bestandteil solcher werden. waren. Projekte gesehen wird. In SHIFT-X geht es SHIFT-X wird spezifische Modelle zum Wis- In dieser Phase des Projektes wird seitens der nun aber weiter (siehe folgende Info). senstransfer zur Anwendung bringen: ak- Uni Graz als wissenschaftlicher Projektpart- tiver und zielorientierter Wissenstransfer auf ner (Leitung W. Fischer) ein Diplomand zum der Basis von Tandems (erfahrene Partner Einsatz kommen, der die nun in der Umset- SI H FT-X, ein weiteres führen persönliche Beratungen in definierten zungsphase befindlichen Projekte in ihrem EU-Projekt im Rahmen Interessengebieten durch, ähnliche Projekt­ jeweiligen Prozess analysieren und verglei- umsetzungen sollen gleichzeitig erfolgen), chen wird. So soll es möglich sein, Emp- von Central Europe damit ein gegenseitiger Lerneffekt entsteht. fehlungen für einen möglichst effizienten wurde genehmigt. Dazu werden in den Partnerregionen endo- Umsetzungsprozess bei ähnlichen Vorhaben gene Expertengruppen zum Einsatz kom- im Rahmen alternativer Mobilitäts- und Ver- Dem Projektkonsortium unter der Leitung men. Diese werden von der übergeordneten kehrskonzepte in europäischen Klein- und des Landkreises Zwickau (Deutschland) ist Expertengruppe aus dem Partnerkonsortium Mittelstädten anzubieten. ein erfolgreicher Projektantrag zum Thema begleitet. Das Hauptaugenmerk liegt auf Für Ende September ist ein weiteres Meeting „Employing cultural heritage as promoter in dem ständigen Wissensaustausch innerhalb in Norderstedt/Deutschland anberaumt,

38 Frisch geprüft: AbsolventInnen des Sommersemesters bevor Anfang November ein letztes Part- erlangen, um danach auch beruflich Fuß 2012 und ihre Abschlussarbeiten nertreffen beim Lead Partner Stadt Weiz fassen zu können. Im Zuge des Vorhabens Gebir gs- und Klimageographie das Projektende in absehbare Nähe rücken wird u.a. die Initiierung bzw. der Aufbau Moik, Alexander Möglichkeiten des 3D Laserscannings lässt. Zu diesem Treffen sind alle Interes- eines betrieblichen Mobilitätsmanagements im Informationsmanagement sierten herzlich eingeladen. Informationen für die KFU im Sinne der „Nachhaltigen Uni- historischer Gebäude Stering, Elisabeth Vergleich der Luftgüte zwischen Knittelfelder hierzu und zum Projekt findet man unter versität“ angedacht. Dessen Ziel ist es, eine Becken und Raum Leoben/Bruck/ http://urbact.eu/en/projects/low-carbon- nachhaltige Mobilitätssicherung ohne Ein- Kapfenberg in den letzten 25 Jahren urban-environments/active-travel-network/ schränkungen der Mobilität innerhalb des Kulterer, Melanie Elisabeth Bodenfeuchteverhältnisse und Witterung in Relation zu den Ernteerträgen in agrarischen homepage/ KFU-Quadranten zu etablieren. Belebt wird Anbaugebieten der Südoststeiermark die Werkstätte durch das UNI-Cafe und lau- Kamp, Nicole Using High-Resolution Airborne LiDAR-Data D ie „Projektwerkstätte fend stattfindende Veranstaltungen rund for Landslide Mapping in the Eastern Alps Benoit, Claudine Lufttemperatut und Luftfeuchtigkeit Mobilität“ kommt in um das Thema Mobilität. So etwa werden als Voraussetzungen zur Erzeugung auch unsere Absolventen P. Schaudy und V. von künstlichem Schnee Fahrt! Seifert, die im Laufe mehrerer Jahre mit ih- Umweltsystemwissenschaften Geographie Killmann, Jan Martin Integriertes Raumgestaltungskonzept Mitte Mai 2012 hat im Bereich des ehe- ren Fahrrädern die Erde umrundet haben, in zur Aufwertung des Marktplatzes St. maligen UNI-Cafes die „Projektwerkstätte der Projektwerkstätte Vorträge halten und Georgen an der Stiefling - Möglichkeiten Mobilität“ ihren Probelauf begonnen. Das Diskussionsrunden begleiten. unter besonderer Berücksichtigung des Shared Space Prozesses Vorhaben läuft im Rahmen der „Ideen- Eder, Thomas Karstgrundwasser - werkstätte“ (Konzeption und Leitung: W. N eue Gesichter am RCE Vulnerabilitätskartierung im Fischer), die darüber hinaus die Projekt- Nationnalpark Berchtesgaden Egger, Claudia Szenarien von zukünftigen Klima- werkstätten „Abfall“ (geplante Installie- Das Regional Centre of Expertise on Edu- bzw. Schneebedingungen in der rung eines Abfall-Kompetenzzentrums im cation for Sustainable Development Graz- Region Schladming (Steiermark) Bereich des Deponiestandortes Allerheiligen Styria hat personellen Zuwachs bekommen. Münzer, Kathrin-Christina Verursachergerechte Verrechnung variabler Gebühren in Altstoffsammelzentren im Mürztal) und „Systemische Regionalent- Nachdem der ehemalige Leiter, Dr. Clemens Eisank, Johanna Untersuchungen zur Verbreitung von wicklung“ (bereits eröffnetes „Naturlabor“ Mader, seit Mai eine Gastprofessur an der Permafrost im Schrankar (Stubaier Alpen) Altenberg a. d. Rax) beinhaltet. Leuphana Universität in Lüneburg innehat Nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung Strohmaier, Jakob Analyse und Bewertung der Hauptradrouten Im so wiederbelebten UNI-Cafe soll der Wis- und die Leitung an O.Univ.-Prof. Dr. Fried- von Graz und Graz-Umgebung sensaufbau innerhalb des KFU-Quadranten rich Zimmermann übergegangen ist, konn- Thalmaier, Lisa Simone Raumbezug im Destinationsmarketing. rund um das Thema „Verkehr und Mobili- ten ab September zwei Universitätsassisten- Potentielle Geomarketing- Anwendungsbereiche im Marketing- tät“ gefördert werden, um einen Beitrag tenstellen besetzt werden. Mag. Thomas Management touristischer Zielgebiete zur Bewusstseinsbildung bezüglich eines Drage und Mag. Irene Jammernegg, beide Ronacher, Thomas Eventtourismus in Kärnten. Ein umweltschonenderen Mobilitätsverhaltens AbsolventInnen der Umweltsystemwissen- Vergleich auf regionaler Ebene Edlinger, Viktoria Systematische Analyse der Umwelt und in erster Linie bei den Beschäftigten und schaften mit Fachschwerpunkt Geographie, Regionalentwicklung im Übelbachtal Studierenden der Uni zu leisten und danach ergänzen damit das RCE-Team um Mag. mit besonderer Berücksichtigung des auch aktiv nach außen zu tragen. Durch Marlene Mader, Mag. Mario Diethart und Verkehrsträgers A9 (Phyrn Autobahn) Lehramtsstudium, Unterrichtsfach die Installierung einer Mobilitätswerkstätte Jonas Meyer, MSc. Neben der Arbeit an Geographie und Wirtschaftskunde haben Studierende aus unterschiedlichen ihrer Dissertation umfasst der Aufgabenbe- Breitfelder, Juergen Regionalgeographisches Kurzportrait der Fachdisziplinen die Möglichkeit, gemeinsam reich der beiden neuen MitarbeiterInnen ge- Helmut Steiermark für den Schulatlas Steiermark Knöbelreiter, Bianca Selbstgesteuertes Lernen im Geographie- und in Zusammenarbeit mit Lehrenden und mäß den Schwerpunkten des RCE „Bildung und Wirtschaftskundeunterricht: eine externen Fachexpertinnen und Fachexper- für Nachhaltige Entwicklung“ und „Nach- Alternative zum fremdgesteuerten Lernen? ten alternative Mobilitätsmöglichkeiten und haltigkeitsstrategien und -transitionen“ die Pichlhöfer, Gernot Kompetenzorientierung in GW. Der Themenbereich „Geld und Verbesserungskonzepte innerhalb und au- Vernetzung von Nachhaltigkeitsinitiativen Währung“ als ein Beispiel für das ßerhalb des KFU-Quadranten zu erarbeiten. sowohl an der Universität als auch in der Gelingen kompetenzorientierten Weitere interessierte Institutionen sind dabei Gesellschaft, wissenschaftliche Projektarbeit Unterrichts in der Sekundarstufe II Stangl, Oliver Die Naturparke im Raum Südburgenland herzlich eingeladen, aktiv in der Mobilitäts- und Akquisition von Drittmitteln für neue - Wirklich ein positives Zusammensein? werkstätte mitzuwirken. Projekte sowie Mitarbeit in der Lehre. Pistrich, Katrin Michaela „Räumliche Disparitäten im Bezirk Murau“ Vorhandene Ideen sollen nach entspre- Kniewasser, Meike Der kompetenzorientierte Geographie- und Wirtschaftskundeunterricht chender Diskussion und fachkundiger Be- dargestellt am Beispiel der G8-Staaten arbeitung schließlich in EU-Projektanträge Albert, Verena Weiz - Fair Trade Gemeinde (Ein Beitrag münden, so dass Studierende in weiterer zur nachhaltigen Stadtentwicklung) Offenhauser, Bernhard Stadtgeographie von Lyon - Persistente Folge auch durch Drittmittel finanziert wer- Entwicklung und aktuelle Strukturen den können. Die Projekttätigkeiten sollen für Geographie Fink, Vera Vulkanismus am Beispiel der sie eine wichtige Basis bilden, um anschlie- südamerikanischen Anden ßend im sehr gefragten Fachbereich Verkehr Geo-Spatial-Technologies und Mobilität praxisbezogene Erfahrung zu Wrulich, Stefan Satellitengestützte Nebeluntersuchungen in ausgewählten Beckenlagen der Ostalpen

39 Das Team der Grazer Integrativen Geographie (jene Personen die aus dem Globalbudget finanziert werden und am 27.9.2012 anwesend waren) Foto: Tzivanopulos Foto: Das Institut für Geographie und Raumforschung jetzt auch auf facebook: www.facebook.com/GrazerIntegrativeGeographie

Anmeldungen zur Österreichischen Geographischen Gesellschaft unter www.oegg.info/