G E S Chi C H T E J 0 H Ann Von Wes E 1 Eine Studie Zur Geistesgeschichte
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~ G e s chi c h t e J 0 h ann von Wes e 1 Eine Studie zur Geistesgeschichte des ausgehenden Mittelalters. Inaugural - Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster (Westf.) vorgelegt von Reinhard Samoray aus Bielefeld--- 1954 Tag der mündlichen Prüfung: 9. Mai 1955 Dekan: Prof. Dr. W. Foeste Referent: Prof. Dr. H. Grundmann Korreferent: Prof. Lic. Dr. R. stupperich Gliederung. Einleitung: Der Stand der Forschung und die Problemstellung. S. 1 I. Kapitel. Leben, Prozeß und Schriften des Johann von Wesel. 1. Das Leben des Johann von Wesel bis zum Prozeß. S. 9 2. Der Prozeß und das Ende Johanns von Wesel. S. 12 3. Die Schriften des Johann von Wesel. S. 34 11. Kapitel. Die Anschauungen Johanns von Wesel in seiner Erfurter Zeit. 1. Die philosophischen Anschauungen. S. 45 2. Die theologischen Anschauungen. s. 52 III. Kapitel. Die Anschauungen Johanns von Wesel als Prediger in Worms und Mainz. 1. Die Schuld und Erlösung des Menschen. a. Die Schuld des Menschen. S. 66 b. Die Erlösung des Menschen. S. 74 2. Die Gottesauffassung. S. 85 3. Die Autoritäten für den Glauben. S. 90 4. Die Kirche und ihre Einrichtungen. S. 101 5. Die Astronomie und die Astrologie. S. 115 IV. Kapitel. Johann von Wesel und die geistigen Strömungen seiner Zeit. 1. Die geistige Entwicklung und die Beeinflussung Johanns von Wesel. S. 120 2. Die Persönlichkeit des Johann von Wesel und der Ausgangspunkt seiner Anschauungen. S. 129 v. Kapitel. Die Beurteilung Johanns von Wesel .von seinen Zeitgenossen. (1472 - 1517) 1. Johann von Wesel in seiner Zeit. S. 133 2. Johann von Wesel und der Streit um die unbefleckte Empfängnis Mariae. ß. 143 VI. Kapitel. Die Gestalt des Johann von Wesel im Zeitalter der Reformation. 1. Die Beurteilung Johanns von Wesel auf evangelischer Seite. S. 158 2. Die Beurteilung Johanns von Wesel auf katholischer Seite. S. 166 Schlußbemerkungen. S. 171 Anmerkungen. S. 173 Quellen und Literatur •.S. 236 Abkürzungen, S. 249 Johann von Wesel Eine Studie zur Geistesgeschichte des ausgehenden Mittelalters. Einleitung: Der Stand der Forschung und die Problemstellung. Am 8. Februar 1479 begann in Mainz der Ketzerprozeß gegen den Wormser Domprediger Johann von WeseI. Die Verhandlungen en- deten mit der Verurteilung dieses Mannes; nur sein Widerruf ret- tete ihn vor dem Feuertode. Johann von Wesel gehört in die Reihe der Männer, die vor der Reformation scharfe Kritik an der römischen Kirche übten. Vor ihm, besonders in der Zeit des avignonesischen Aufenthal- tes der Päpste und der großen Konzilien, war diese Einstellung sehr ausgeprägt gewesen, es ist an Marsilius von Padua, Wilhelm Ockam und Johann Hus zu denken. In der zweiten Hälfte des 15.Jahr- hunderts ebbte dieae Opposition ab; die Herrschaft und das Anse- hen des Papsttums festigten sich wieder; in der Schultheologie gelangte der Thomismus mehr und mehr zur Geltung, überall sind "restaurative Tendenzen"l) bemerkbar; nur in weniger bedeuten- den Laienkreisen, die ihren Ausgang von den Waldensern und H~s- siten genommen hatten, wu~de am Gegensatz zur römischen Kirche und ihren Institutionen festgehalten. Innerhalb dieser im allgemeinen rückläufigen Bewegung waren es unter den Theologen allein Johann von Wesel und WesseI Gans- fort, die als ehemalige Hochschullehrer gegen die herrschende Kirchenlehre eine ausgesprochen kritische Haltung einnahmen. Um die Deutung der Gestalt des Johann von Wesel bemühten sich die Gelehrten in den nachfolgenden Jahrhunderten; sein persönliches Ergehen in dem gegen ihn durchgeführten Ketzer- prozeß und die Nähe zur Reformation, die in manchen Stücken Verwandtschaft mit seinen Lehren zeigt, regten dazu an. Die Kenntnis über den Wormser Domprediger schöpfte jedoch zunächst allein aus dem von Orthuinus Grathius2) edierten Prozeßbe- richt3);erst von der Hardt brachte 1733 durch Herausgabe des Traktates gegen den Ablaß neues Material über Johann von Wesel.4) ehr. W. Fr. Walch gab diese Schrift 1757 nach einer Handschrift, in der er das bei Matthias Flacius erwähnte Exem- - 2 plar vermutete, ohne von dem Druck durch von der Hardt Kennt- nis zu besitzen, heraus.5) Von der Hardt schrieb einen weiteren Traktat, das "Opuscu- lum de auctoritatB,officio et potestate pastorum ecclesiasti- ......--- corum" Johann von V/esel zu. Diese kleine Abhandlung war 1521 ohne Angabe des Verfassers und Druckortes erschienen.6) Auch Walch nahm den Traktat für den Wormser Domprediger in Anspruch und ließ ihn in seiner Sammlung abdrucken.7) Man glaubte, die- ses Werk Johann von Wesel zuschreiben zu können, da in den Prozeßberichten Schriften mit ähnlichem Titel als von ihm ver- faßt angegeben wurden.8) Auch gab Wiegand Wirt in seinem "Dialogus Apologeticus" eine kurze Beschreibung des Briefes an Nikolaus von Böhmen, in dem von IJitik an der kirchlichen Lehre~ der römischen Kirche und dem apostolischen Stuhl die Rede war.9 Dieses schien eine gewisse .Ähnlichkeit mit dem "Opusculum" zu haben. Otto ClemenlO)und Gerhard Ritterll)zeigten, daß das "Opusculum" nicht von Wesel stammen kann. Die wesentlichen Ar- gumente gegen-;-ine V-erfasserschaft WeseIs sind folgende: Wirt hielt seine Aussagen über den genannten Brief sehr allgemein, sie können jedem der antihierarchischen Traktate des 15D Jahr- hunderts zugeschrieben werden; auch behandelt der Autor des "Opusculum" die in dem "Dialogus Apologeticus" erwähnten Dinge nur am Rande. Das "Opusculum" unterscheidet sich formell stark von WeseIs Schrift gegen den Ablaß. Die Beweisführung in der "Disputatio adversus indulgentias" ist an das scholastische Schema: Behauptung, Beweis, Einwand, Widerlegung gebunden, während es sich in der anderen Schrift um den "überschäumenden Erguß eines heiß erregten Herzens handelt." 12) Hier wird lei- denschaftliche Erbitterung gegen den Klerus und die Universitäts- theologen deutlich, ZUge, die sich bei Wesel sonst nicht fest- stellen lassen. Wesel versuchte nicht, durCh Verunglimpfung und Beschmqtzung der Hierarchie zu wirken, sondern durch juristische Kritik ihrer MachtbefUgnisse.13) Auch der Gedanke, daß d1eAn- nahme des Magistertitels als Verstoß gegen das Gebot Christi an- zusehen seit läßtsich bei WeseI, der betonte, Doktor der Theolo- gie zu sein, schwer denken.14) Die Auffassung, das "Opusculum" und der Ablaßtraktat-seien von dem gleichen Verfasser, führte bei Gieseler und Ullmann zu einer verfehlten Darstellung der Gedankenwelt des Johann von WeseI. - 3 - Carl Ullmann fand in der Bonner Universitätsbibliothek einen weiteren Bericht über den Prozeß gegen Johann von WeseI. Er teilte ihn im Auszug in deutscher Sprache in seinem Buch IIReformatoren vor der neformation" mit.lS) otto Clemen gab den Text dieser sogenannten "Relation Bt! als Anhang zu seinem Auf- satz: "Über Leben und Schriften Johanns von WeseI" heraus.16) Einige Ergänzungen finden sich bei J. Hausleiter: IIBemerkun~en zu dem Ketzerprozeß und den Schriften Johann von Wes~ls."17 Eine Bereicherung der Kenntnis des Prozesses und seiner Über- lieferung erfolgte durch Beschreibung und teilweise Edition der "Relation C" 'durch Clemen in seinem Aufsatz: "Zu dem Ketzerprozeß Johanns von WeseI." 18) Neben diesen bisher genannten Quellen wußte man am Ende des 19. Jahrhunderts von der Existenz 2 weiterer Schriften WeseIs: von einem Sentenzenkommentar und einem Kommentar zur Physik des Aristoteles.19) Da sich das besondere Interesse an Wesel nur hinsichtlich seiner Stellung zu den sogenannten "Vorreformatoren" äußerte, wurden die beiden Werke nicht bear- beitet; erst durch Gerhard Ritter gelangten einige Abschnitte des Kommentars zu den Sentenzen des Petrus Lombardus zum Druck.20) Die Kenntnis der Gedankenwelt Johanns von Wesel wäre ein Torso geblieben, wenn nicht durch Gerhard Ritter weiteres, umfangreiches Material zugänglich geworden wäre.21) Auf Grund dieser neuen Quellen ist es möglich, in Verbindung mit den bis- her bekannten Schriften WeseIs ein umfassendes Bild der Gedan- kenwelt dieses Wormser Dompredigers zu entwerfen. Auf neue Quellenfunde ist kaum zu hoffen.22) Es wird erneut an die Beantwortung von Fragen heranzugehen sein, die bisher in der Forschung über Johann von Wesel auf- geworfen, aber nicht eingehend behandelt wurden. Ein Blick auf den Stand der Forschung führt zugleich in die Problematik ein, um die es bei der Beschäftigung mit diesem Manne geht. Die Nähe zur Reformation hat bei den Protestanten das Inter- esse an dem Wormser Domprediger wachgehalten und auch Chr.W.Fr. Walch veranlaßt, die Herausgabe des Ablaßtraktates zu besorgen. Wesel gehört nach Walch nieht nur zu den ausgezeichnetsten Zeu- gen der Wahrheit, sondern ihm ist die Ehrenbezeichnung eines "Bekenners" zuzuerkennen in dem Sinne, wie dieser Ausdruck in der Alten Kirche verwendet wurde.23) Trotz Anführung eines - 4 - Luther-Zitates über Johann von Wese124) werden von Walch keine näh~ren Parallelen zwischen den beiden Männern gezogen. Die Kenntnis WeseIs scheint ihm jedoch von Wichtigkeit, da er zu denen gehört, "qui ante Lutherum caelestem doctrinam ,'. cogno- verunt,,,2S) Durch Joh,C.Ludwig Giescler wurde der Blick auf d·ieBe zie- hungen Weseis zu Augustin gelenkt. WeseIs Lehre von Sünde und Gnade erschien ihm wesentlich als augustinisch.26) Von Einflüs- sender Hussiten hält Gieseler nichts; des DompredigersAus- gangspunkt waren die Bibel als die "reinste Quelle" der Lehre und Augustin. Wesel zählt neben WesseI Gansfort und Pupper van Goch zu den Vorläufern der großen Reformation des l6.Jahrhunderts. Die erste ausführliche Darstellung der Theologie des Johann von WeseI gab Carl Ullmann in seinem Buche "Reformatoren