Kosovo NATO-Krieg in Europa
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a timilitarismus i formatio Kosovo NATO-Krieg in Europa 29.Jahrgang, Heft 7 7 99 Juli 1999 DM 5,00 ISSN 0342-5789 Kosovo 7 99 NATO-Krieg in Europa INHALT EDITORIAL 3 IMPRESSUM 4 Recht oder Gewalt? Unterwegs zu einer neuen Weltordnung 5 Norman Paech Der Kosovokrieg im Spannungsfeld zwischen Moral und Recht 17 Bernd Ladwig Die Vorgeschichte des Kosovokonflikts 31 Michael Berndt Chronologischer Leitfaden. Daten, Zahlen und Entwicklungen 41 Kristian Zitzlaff/Christian Schmidt Der deutsche Weg in den Balkankrieg 57 Stefan Gose Flucht in die Diplomatie - Rußland und der Kosovo-Konflikt 66 Heidrun Müller Der Waffeneinsatz im Kosovo-Krieg 72 Gerd Piper Der Kosovo-Krieg im Cyberspace 82 Ralf Bendrath Die Opfer der Humanität. Eine statistische Annäherung 92 Kristian Zitzlaff Was kostet ein Kriegstag? Die Kosten des Kosovo-Kriegs 96 Olivier Minkwitz Ökologische und humanitäre Folgen des Krieges gegen Jugoslawien 103 Knut Krusewitz Zivile Konfliktbearbeitung. Möglichkeiten im Kosovo-Konflikt 116 Barbara Müller/Christine Schweitzer Konstruktion von Medienrealität im Kosovokrieg 124 Elvi Claßen Die extreme Rechte und der Krieg gegen Jugoslawien 139 Fabian Virchow Das Titelfoto stellt eines der Flugblätter dar, das die NATO überJugoslawien abgeworfen hat. Liebe Leserinnen und Leser, der Luftkrieg gegen Jugoslawien war in mehrerer Hinsicht eine histori- i sche Zäsur. Es war der erste Krieg der NATO seit ihrer Gründung. Er de- monstrierte die Wandlung der atlantischen Allianz von einer Verteidi- gungsgemeinschaft hin zu einem Interventionsbündnis, wie sie auch auf dem NATO-Gipfel in Washington am 23./24.4.1999 beschlossen wurde. Gleichzeitig wurde mit der Selbstmandatierung der NATO die UN auf ein Nebengleis der internationalen Politik geschoben. Eine neue Weltordnung unter dem Dach der UN, gestützt auf verbindliche Prinzipien des Völkerrechts, von der sich viele nach Ende des Kalten Krieges eine Zivilisierung der internationalen Beziehungen erhofften, ist spätestens im Kosovo begraben worden. Zum erstenmal seit 1945 waren deutsche Soldaten direkt an Kampf- handlungen gegen einen anderen Staat beteiligt. Der Einsatz markiert auch den Abschluß eines zehnjährigen Prozesses der Militarisierung der deutschen Außenpolitik und führt die Erklärung des rot-grünen "Reform"-Bündnisses ad absurdum, deutsche Politik sei Friedenspoli- tik. Das Einlenken der serbischen Staatsführung hat den westlichen Demokratien den Einsatz von Bodentruppen und der deutschen Regie- rung möglicherweise das Auseinanderbrechen der Koalition erspart. Dennoch führte die deutsche Beteiligung an der NATO-Intervention zur heftigen innenpolitischen Kontroversen innerhalb des friedenspo- litischen Spektrums, in denen sich Gegner und Befürworter des Einsat- zes unversöhnlich gegenüberstanden. Die Diskussion polarisierte sich um die emotional besetzten Begriffe "Nie wieder Krieg" und "Nie wie- der Auschwitz". Die Kontroverse, ob die serbischen Menschenrechts- verletzungen im Kosovo einen militärischen Schlag zu deren Unterbin- dung rechtfertigten oder ob Krieg als Mittel zur Erreichung humanitä- rer Ziele ein zynisches Paradoxon darstellt, ist auch nach Ende der Kampfhandlungen weiterhin offen. In den Kosovo kehren nur die Kosovo-Albaner in ein zerstörtes Land zurück, gleichzeitig verläßt ein Teil der serbischen Minderheit das Land. Während dem proklamierten Ziel der westlichen Staaten - Auto- nomie des multi-ethnischen Kosovo bei gleichzeitigem Verbleib inner- halb des jugoslawischen Territorialstaates - damit zusehends der Bo- den entzogen wird, ist keine der dem Konflikt zugrunde liegenden Ur- sachen bisher beseitigt. Es steht zu befürchten, daß das Engagement Editorial 3 der westlichen Staaten beim wirtschaftlichen Wiederauf- bau der Region - einer im wahren Sinne humanitären In- tervention - weniger enthusiastisch ausfallen wird als bei der "akuten Krisenbewältigung". Wie jenseits der IMPRESSUM "robusten Friedenssicherung" eine Perspektive für die HerausgeberVerein für friedenspoliti- Entwicklung der Balkanregion gefunden werden kann, sche Publizistik e.V., Kurfürstenstr. 14, die territoriale Grenzen, ethnische Nationalismen und 10785 Berlin, Fon/Fax 030/25 79 73 42, die Anreize repressiver Machtausübung überwindet, ist e-mail: [email protected] bisher kaum Gegenstand der Politik. Internet: http://userpage.fu-berlin.de/~ami Dies alles ist Grund genug für die ami, den Versuch einer Redaktionskollektiv Björn Aust, Oliver Bilanz in Form eines Themenheftes zu wagen. Natürlich Bauer, Jamilah El-Shami, Markus Eus- müssen in diesem Rahmen viele wichtige und interes- kirchen,Tilo Fuchs, Stefan Gose, Ingrid sante Aspekte dieses Krieges unberücksichtigt bleiben. Koschmieder, Jan Kurpan, Olivier Mink- Dennoch hoffen wir, daß dieses Heft Euch neue Informa- witz, Heidrun Müller, Gerhard Piper, tionen und Anregungen bringen wird. Zu Anfang begrün- Christian Schmidt, Ursula Schröder, det Norman Paech den völkerrechtswidrigen Charakter Björn Tolksdorf, Antje Wunderlich, des NATO-Angriffs auf Jugoslawien. Kontrovers dazu ver- Kristian Zitzlaff ortet Bernd Ladwig den Krieg in einem Spannungsfeld von Moral und Recht. Die geschichtliche Entwicklung na- Erscheinungsweise monatlich, darunter tionaler Mythen schildert Michael Berndt. Als Referenz- 3 Themenhefte doppelten Umfangs quelle liefern Kristian Zitzlaff und Christian Schmidt ei- Preise Jahresabo DM 44 (plus DM 6 Por- ne Chronologie des Konfliktes. Stefan Gose beleuchtet to/Inland bzw. DM 16 Porto/Ausland); den deutschen Beitrag zur Operation "Allied Force". Die Schnupperabo (2 Normalhefte, 1 The- Rolle, die Rußland für das Ausbrechen aus der Eskalati- menheft) DM 12 (incl. Porto); Einzelheft onsspirale zukam,wird von Heidrun Müller gewürdigt. DM 3,50; Doppelheft DM 5 (plus Porto), Gerd Piper dokumentiert die technologische Seite der alle Preise incl. 7% gesetzl. Mwst. Kriegsführung, während sich Ralf Bendrath sich einem Kündigung Das Abonnement verlängert neuen Schlachtfeld, dem Cyberspace, zuwendet. Das sich automatisch um ein Kalenderjahr, wahre Gesicht des Krieges aggregiert Kristian Zitzlaff mit wenn nicht bis 30. November eine Kün- einer Statistik ziviler Opfer der NATO-Angriffe. Die mi- digung zum Jahresende erfolgt ist. litärischen und ökologischen Kosten der Kriegsführung Spendenkonto/Bankverbindung werden von Olivier Minkwitz und Knut Krusewitz be- Verein für friedenspolitische Publizistik schrieben. Barbara Müller und Christine Schweitzer skiz- e.V., Konto-Nr. 130 30 553, Berliner zieren die Möglichkeiten einer zivilen Konfliktbearbei- Volksbank, BLZ 100 900 00 tung in der Region. Eine Kritik der Medienrezeption des Krieges formuliert Elvi Claßen. Fabian Virchow wirft ein Redaktionsschluß 7. Juli 1999 interessantes Schlaglicht auf den Diskurs der "Neuen Rechten" über den Kosovokrieg. Schließlich haben wir noch eine Liste von Web-Adressen erstellt, die den Ein- stieg zu Recherchen zum Thema erleichtern soll. Eure ami-Redaktion 4 Editorial/Impressum Der Krieg ist nun endlich vorbei. Es wird aufgeräumt und exhumiert, das ganze Ausmaß der serbischen Exzesse und Grausamkeiten noch einmal präsentiert. Die Konzentrationslager tauchen wieder auf und der Urheber dieser wirklich humanitären Katastrophe ist festgena- gelt: die Serben. Die in ihre Heimat zurückströmenden Albaner beju- beln die NATO-Truppen - wer mag sich da noch dem Charme des Frie- dens dieser "humanitären Intervention" verweigern. Norman Paech Recht oder Gewalt? Unterwegs zu einer neuen Weltordnung Norman Paech ist Professor für Wir erinnern uns, dass der neu gewählte Bundeskanzler Ger- Völkerrecht an der Hochschule hard Schröder und sein Außenminister Joschka Fischer für Wirtschaft und Politik in noch das Gewaltmonopol der UNO verteidigten, als bereits Hamburg. der noch amtierende 13. Bundestag den Beschluss der alten Regierung mit Mehrheit abgesegnet hatte, auch ohne UN- Mandat die Bundeswehr am NATO-Einsatz in Jugoslawien zu beteiligen. Alle buchten die Moral und die Rettung der Men- schenrechte für sich. Eine humanitäre Katastrophe, ein Völ- kermord müsse verhindert werden. Doch was helfen uns die sichtbaren Seelenqualen der Politiker, die Eskalation ihrer Rechtsfertigungsprosa, da ihr Krieg weder die Menschen- rechte schützen noch die Flüchtlingsströme verhindern konnte, dafür weite Landstriche verwüstete und Versor- gungseinrichtungen zerstörte, vor allem aber eine bislang noch gültige Rechtsordnung zwischen den Staaten und Völ- kern umstieß und in den Bombenkratern begrub? Die Ausgangssituation Die Ausgangssituation ist schwierig, aber sie ist nicht kom- plizierter als ähnlich gelagerte Situationen der Vergangen- heit im ehemaligen Jugoslawien und an anderen Brenn- punkten der Ränder Europas (Türkei, Tschetschenien, Nor- (1) Vgl. August Pradetto, Inter- dirland, Baskenland) und der übrigen Welt. Der Kosovo ist vention im Kosovo? Das Für und völkerrechtlich ein Teil der Republik Jugoslawien, staats- Wider eines militärischen Ein- rechtlich eine Provinz dieses souveränen Staates, zuletzt greifens der NATO, in: Blätter für weitgehend zentral verwaltet, obwohl sich die Bevölkerung deutsche und internationale Po- mehrheitlich aus Kosovo-Albanern zusammensetzt. Diese litik, 9/98, S. 1070 ff., 1073. forderten seit Jahren größere Autonomierechte. (1) Ohne ami 29.Jg., Heft 7, Juli '99 Recht oder Gewalt 5 Erfolg, im Gegenteil, frühere Autonomieansätze wurden zurückgenommen, die von Serben beherrschte Verwaltung ausgebaut. Radikale Kräfte in der Autonomiebewegung wur- den durch dieses Verhalten der serbischen Zentralkräfte ge- stärkt. Bereits 1990 erklärten sie die Unabhängigkeit