Länderreport 36 Situation der Tibeterinnen und Tibeter

Stand: 05/2021

Asyl und Flüchtlingsschutz

Länderanalysen Länderreport China

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Länderreport China

Abstrakt

Der vorliegende Bericht gibt zunächst einen Überblick über die tibetische Geschichte von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, aus deren Komplexität und uneinheitlicher Bewertung der umstrittene Status Tibets resultiert. Darauf aufbauend erfolgt eine Darstellung der von Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen geprägten Situation der Tibeterinnen und Tibeter in der Volksrepublik China und im asiatischen Exil.

Abstract

The present report first gives an overview of Tibetan history from its beginnings to the 20th century, the complexity and disparate interpretation of which results in the controversial status of Tibet. Based on this, the second part presents the situation of Tibetans in the People’s Republic of China and in exile in Asia, which is characterized by persecution and human rights violations.

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Inhaltsverzeichnis

1. Demografie und Begriffsklärung ...... 2

2. Der Status Tibets ...... 3 2.1. Tibet vor 1950 ...... 3 2.2. Die Eingliederung Tibets in die Volksrepublik China ...... 6 2.3. Die tibetische Exilregierung ...... 8

3. Die Tibet-Politik der VR China und ihre Auswirkungen auf die Tibeterinnen und Tibeter ...... 11 3.1. Entwicklungspolitik und Armutsbekämpfung ...... 11 3.2. Kontrolle und Überwachung ...... 16 3.3. Einschränkungen der Meinungsfreiheit und des Informationsflusses .... 19 3.4. Sinisierung der tibetischen Kultur ...... 20 3.5. Einschränkungen der Glaubensfreiheit ...... 21 3.6. Die Situation der Tibeterinnen und Tibeter in Nepal und Indien ...... 25

4. Literaturverzeichnis ...... 28

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1. Demografie und Begriffsklärung

Unterschiedlichen Angaben und Schätzungen zufolge gibt es weltweit über sechs bis über sieben Millionen Tibeterinnen und Tibeter.1 Die Mehrheit von ihnen lebt im Autonomen Gebiet Tibet (AGT; chin. Xizang zizhiqu) und in anderen tibetischen Siedlungsgebieten innerhalb der Volksrepublik (VR) China. Dies sind nach Angaben der tibetischen Exilregierung sechs Millionen Menschen, wovon 2,09 Millionen im AGT und 3,91 Millionen in tibetischen autonomen Bezirken (zizhizhou) und Kreisen (zizhixian) in den Provinzen Qinghai, Gansu, Sichuan und Yunnan leben.2 Als Ergebnis der Volkszählung des Jahres 2010 gibt das Staatliche Amt für Statistik der VR China die Zahl der in China lebenden Tibeterinnen und Tibeter mit 6,2 Millionen an. Davon wurden 2,7 Millionen im AGT und 3,5 Millionen in den tibetischen autonomen Bezirken und Kreisen außerhalb des AGT gezählt.3 Die Nichtregierungsorganisation Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) geht von 6,8 Millionen in China lebenden Tibeterinnen und Tibetern aus, die sich jeweils zur Hälfte (3,4 Millionen) auf das AGT und auf die außerhalb der AGT gelegenen tibetischen Siedlungsgebiete verteilen.4 Im AGT stellen die Tibeterinnen und Tibeter etwa 90,5 % der Bevölkerung.5 Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung der VR China lag 1995 bei etwa 0,4 %, ihr prozentualer Anteil an den 55 offiziell anerkannten Minderheitsnationalitäten (shaoshu minzu) Chinas bei etwa 5 %.6 Im Kontrast hierzu bedeckt der Siedlungsraum der tibetischen Bevölkerung, das Tibetische Plateau (Qinghai-Tibet-Plateau), über ein Viertel der Landmasse der VR China.7 Die Zahl der außerhalb der VR China lebenden Tibeterinnen und Tibeter liegt der tibetischen Exilregierung zufolge bei etwa 128.014, wovon 94.203 in Indien, 13.514 in Nepal, 1.298 in Bhutan und 18.999 in anderen Ländern leben.8

Bei dem international gebräuchlichen Begriff Tibet handelt es sich um eine Fremdbezeichnung. In Anlehnung an die chinesische Verwaltungsstruktur wird der Begriff oft als Synonym für das AGT verwendet. Die Tibeterinnen und Tibeter bezeichnen ihr Land als Cholka Sum (dt. die drei Provinzen) und beziehen sich damit auf die Gesamtheit der tibetischen Siedlungsgebiete.9 Der Definition der tibetischen Exilregierung nach sind dies: Das AGT, die Provinz Qinghai mit ihren sechs tibetischen autonomen Bezirken Golog (chin. Guoluo), Haibei, Hainan, Haixi,10 Huangnan und Yushu, der autonome Bezirk Gannan und der autonome Kreis Tianzhu in der Provinz Gansu, die autonomen Bezirke Ngawa (chin. Aba) und Garzê (chin. Ganzi) und der autonome Kreis Mili in der Provinz Sichuan sowie der autonome Bezirk Dechen in der Provinz Yunnan.11 Aus tibetischer Sicht ist eine Aufteilung Tibets in die drei Regionen Ü-Tsang (hervorgegangen aus den historischen Kulturprovinzen Tibets Ngari, Ü und Tsang), Kham und Amdo (ebenfalls historische Kulturprovinzen) üblich. Ü-Tsang und Teile Khams liegen auf dem Gebiet des AGT, das restliche Gebiets Khams liegt in den Provinzen Sichuan und Yunnan. Amdo entspricht dem heutigen Qinghai und Teilen Gansus.12

1 Voice of America: Tibet: Population Actually over 7 Million, ohne Datum 2 Central Tibetan Administration: Tibet at a Glance, ohne Datum 3 Human Rights Watch: “They Say We Should Be Grateful.” Mass Rehousing and Relocation Programs in Tibetan Areas of China, 27.06.2013, S. 34 4 Tibetan Centre for Human Rights and Democracy: Distorted Development: Chinese Discourse on the Right to Development and its Implementation in Tibet, Februar 2021, S. 14 5 Minority Rights Group International: World Directory of Minorities and Indigenous Peoples – China: Tibetans, November 2017 6 Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S.300 7 Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 21 8 Central Tibetan Administration: Tibet in Exile, ohne Datum 9 Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 26; Central Tibetan Administration: Tibet at a Glance, ohne Datum 10 Haixi ist zugleich autonomer Bezirk der Mongolinnen und Mongolen. 11 Central Tibetan Administration: Tibet at a Glance, ohne Datum Der autonome Bezirk Ngawa ist zugleich autonomer Bezirk der Qiang (vgl. Schuster, Adrian: China/Tibet: Unterschiedliche Namen geographischer Orte und Kenntnisse der administrativen Einheiten, 02.12.2005, S. 3). 12 Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 26; Fischer, Andrew M.: A Land Called Tibet, in: India International Centre Quarterly, Vol. 36, No. 3/4, 2009, S. 238 Länderreport China 3

Quelle: Lencer: Tibetischer Kulturraum Karte 2, CC BY-SA 3.0, 01.12.2008

Eine indigene Entsprechung der westlichen Bezeichnung „Tibeterinnen und Tibeter“ gibt es nicht. In der tibetischen Exilgemeinschaft ist der Begriff „Böpa“ als Sammelbezeichnung für noch in China lebende Tibeterinnen und Tibeter aus Ü-Tsang, Kham und Amdo akzeptiert. Personen aus Kham und Amdo meinen mit „Böpa“ die Bewohnerinnen und Bewohner Zentraltibets, welche sich wiederum selbst nicht als Böpa bezeichnen würden. Stattdessen ist, entsprechend des Herkunftsorts innerhalb Tibets, zwischen den Üpa, den Tsangpa, den Khampa, den Amdowa und weiteren Gruppen zu unterscheiden.13 Basierend auf dem verbindenden Element des buddhistischen Glaubens wird die Selbstwahrnehmung als Nangpa (dt. Buddhistin oder Buddhist) von fast allen Tibeterinnen und Tibetern geteilt.14

2. Der Status Tibets

Bei der Betrachtung der Geschichte Tibets und der Entwicklungen, welche der Eingliederung Tibets in die VR China im Jahr 1950 vorausgingen, muss der Existenz zweier gegensätzlicher Standpunkte Rechnung getragen werden: Der tibetischen Sichtweise, in welcher die Auffassungen derer zum Ausdruck kommen, die sich eine Unabhängigkeit Tibets oder zumindest ein höheres Maß an Autonomie wünschen, steht die chinesische Sichtweise gegenüber, welche die Zugehörigkeit Tibets zur VR China und die Kontrolle Pekings über die tibetischen Angelegenheiten für historisch gerechtfertigt hält.

2.1. Tibet vor 1950 Die Gründung des ersten vereinten tibetischen Reiches erfolgte der tibetischen Geschichtsschreibung zufolge 127 v. Chr. im südtibetischen Yarlung-Tal durch den sagenhaften König Nyatri Tsengpo. Der erste historisch sicher belegte König der Yarlung-Dynastie (127 v. Chr.-842 n. Chr.) war Songtsen Gampo (reg. 620-649).15 Er konsolidierte und zentralisierte das Reich und gründete eine Hauptstadt im heutigen . Der Aufstieg Tibets zu einem Imperium in Zentralasien in der Regierungszeit Songtsen Gampos ist auch auf Expansionen und die Aufnahme von Beziehungen zu benachbarten Reichen zurückzuführen. Hierbei spielten Heiratsallianzen eine

13 Fischer, Andrew M.: How many minority ethnic groups are there in Tibet?, in: Blondeau, Anne-Marie, und Buffetrille, Katia (Hrsg.): Authenticating Tibet. Answers to China’s 100 Questions, University of California Press, Berkeley, 2008, S. 154; Fischer, Andrew M.: A Land Called Tibet, in: India International Centre Quarterly, Vol. 36, No. 3/4, 2009, S. 235 14 Shakya, Tsering: Whither the Tsampa Eaters?, in: Himal Southasian, 01.09.1993 15 Kollmar-Paulenz, Karénina: Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck, München, 2014, S. 30 Länderreport China 4

wichtige Rolle.16 In den 630er Jahren vermählte Songtsen Gampo sich kurz hintereinander mit der nepalesischen Prinzessin Bhrikuti und der chinesischen Tang-Prinzessin Wencheng.17 Die zweite dieser beiden Eheschließungen war nach chinesischer Auffassung der Beginn einer jahrhundertelangen sino-tibetischen Allianz und einer „Kultivierung Tibets durch China“18, welche wiederum die Grundlage für den Status quo bildet.19 Tatsächlich kann das Verhältnis zwischen dem tibetischen Königreich und dem chinesischen Kaiserreich in den darauffolgenden Jahrhunderten kaum als freundschaftlich bezeichnet werden: Im Jahr 650 eroberten chinesische Truppen die tibetische Hauptstadt, im Laufe des 8. Jahrhunderts fielen tibetische Truppen wiederholt nach China ein und besetzten im Jahr 763 die damalige Hauptstadt Chang’an (heute Xi’an) und später das heutige Gansu.20 Im Jahr 821 kam es schließlich zum Abschluss eines Versöhnungs- und Allianzvertrags zwischen Tibet und China. Kurze Zeit später, im Jahr 842, zerfiel das tibetische Reich, ein gutes halbes Jahrhundert später, im Jahr 907, ereilte das chinesische Tang-Reich ein ähnliches Schicksal. Damit hörten vorerst auch die sino-tibetischen Beziehungen auf zu existieren.21

Erst der Aufstieg Dschingis Khans zum Herrscher über alle Mongolinnen und Mongolen im Jahr 1206 und dessen erfolgreiche Feldzüge durch fast ganz Eurasien führten dazu, dass nach China auch Tibet unter mongolischer Oberherrschaft wiedervereint wurde. Um einer militärischen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, hatte Tibet, das zu jenem Zeitpunkt von Fürstentümern und mächtigen Klöstern regiert wurde, bereits 1207 seine Unterwerfung angeboten. Diese erfolgte jedoch erst im Jahr 1247, als Sakya Pandita (1182- 1251), Abt des Klosters Sakya und einer der mächtigsten religiösen Hierarchen Tibets, an den mongolischen Hof bestellt wurde. Er erkannte die mongolische Oberhoheit an und wurde im Gegenzug zum spirituellen Herrscher und Regenten über ganz Tibet ernannt. Sakya Panditas Neffe und Nachfolger Phakpa (1235-1280) erlangte am Hofe Khubilai Khans (1259-1294) außerdem die einflussreiche Stellung als geistlicher Berater des Kaisers, welche später an Phakpas Nachfolger weitergegeben wurde. Auf diese Weise wurde der Buddhismus zur Staatsreligion des mongolischen Weltreichs. Die Historiografie der VR China behandelt die von 1279 bis 1368 über China herrschende, mongolisch geführte Yuan-Dynastie als einen Abschnitt in einer fünftausendjährigen Geschichte eines kontinuierlichen, ethnisch und kulturell einheitlichen chinesischen Reichs. Aus chinesischer Perspektive unterstand während der Yuan-Dynastie folglich auch Tibet offiziell der Souveränität Chinas.22

Der mongolische Einfluss auf die tibetische Regierungsführung blieb auch über den Untergang der Yuan- Dynastie und das Ende der Herrschaft der Regentschaft der Sakyapas hinaus bestehen. Im 15. Jahrhundert bildete sich in Tibet mit den Gelupka eine mächtige neue Sekte heraus, die unter Gendundrup (1391-1475) das System der institutionalisierten Reinkarnationen etablierte. 1578 gelang es dem Gelupka-Abt Sonam Gyatso (1543-1588) als dritte Inkarnation Gendundrups, das Oberhaupt der Tumed-Mongolen Altan Khan zum Buddhismus zu bekehren. Daraufhin verlieh Altan Khan ihm den mongolischen Titel Tale (Dalai; dt. Ozean der Weisheit).23 Unterdessen beschränkten sich die Beziehungen Tibets zum chinesischen Ming-Reich (1368-1644) auf religiöse Missionen, bevor sie 1566 vollständig abbrachen.24 Mithilfe der militärischen Unterstützung

16 Ebd., S. 31 17 Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 34 18 Vogelsang, Kai: Geschichte Chinas, Reclam, Stuttgart, 2013, S. 364 19 Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 55; Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 299 20 Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 34; Vogelsang, Kai: Geschichte Chinas, Reclam, Stuttgart, 2013, S. 274 ff. 21 Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 35 22 Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 36; Vogelsang, Kai: Geschichte Chinas, Reclam, Stuttgart, 2013, S. 23-25, S. 358-363; Ramble, Charles: Tibet. Geschichte, in: Staiger, Brunhild, u. a. (Hrsg.): Das große China-Lexikon, WBG, Darmstadt, 2008, S. 761-762 23 Vogelsang, Kai: Geschichte Chinas, Reclam, Stuttgart, 2013, S. 363; Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 37; Ramble, Charles: Tibet. Geschichte, in: Staiger, Brunhild, u. a. (Hrsg.): Das große China-Lexikon, WBG, Darmstadt, 2008, S. 762 24 Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 36 Länderreport China 5

Gushri Khans (Oberhaupt der Koshot-Mongolen) konnte der 5. Dalai Lama Ngawang Lobsang Gyatsho (1617- 1682) intra-buddhistische Rivalitäten für sich entscheiden. Mit seinem Sieg im Jahr 1642 wurde er zum religiösen und weltlichen Oberhaupt Tibets, obgleich die Macht de jure bei Gushri Khan lag. Der 5. Dalai Lama herrschte über das größte geeinte Territorium seit der Yarlung-Dynastie. Er baute einen Beamtenapparat auf, richtete das Staatsorakel ein und begann 1645 mit dem Bau des Potala. Zudem nahm er die Beziehungen zu China, welches 1644 mit der Ausrufung der Qing-Dynastie unter mandschurische Herrschaft geriet, wieder auf. Die Qing waren ihrerseits an Tibet als Puffer gegen die mongolische Bedrohung interessiert.25

Im Jahr 1717 nahm die Armee des dsungarischen Khans Tsewangrabtan Lhasa und große Teile Zentraltibets ein. Der mongolische Titularkönig über Tibet Lhazang Khan, der zuvor den 6. Dalai Lama abgesetzt hatte, wurde umgebracht, einige seiner überlebenden Getreuen leisteten gemeinsam mit Mitgliedern der tibetischen Aristokratie Widerstand gegen die Schreckensherrschaft der Dsungaren.26 1720 gelang den Qing unter Kaiser Kangxi (reg. 1661-1722) die Vertreibung der dsungarischen Truppen. Sie erklärten Tibet zum mandschurischen Protektorat und entsandten zwei Bevollmächtigte des Qing-Hofes, die Ambane, nach Lhasa, wo diese ab 1728 die Kontrolle über die lokale Verwaltung ausübten. Die eigentliche – sowohl religiöse als auch politische – Macht wurde wieder in die Hände des nun 7. Dalai Lamas gelegt. Direkte Eingriffe seitens Pekings erfolgten lediglich im Fall von Aufständen oder wenn die mandschurische Oberhoheit infrage gestellt wurde.27 Nach chinesischem Geschichtsverständnis war Tibet in dieser Zeit Teil des chinesischen Reichs, weil die Qing- Dynastie, ebenso wie die Yuan-Dynastie, nicht als Fremdherrschaft betrachtet wird. Demgegenüber vertritt die tibetische Seite den Standpunkt, jegliche Verpflichtungen Tibets gegenüber Peking seien auf den mandschurischen Kaiserhof beschränkt und somit temporärer Natur gewesen.28

Mit der Niederlage des Qing-Reichs gegen Großbritannien im ersten Opiumkrieg (1840-1842) begann der Einfluss der Mandschu in Tibet nachzulassen. Während Ende des 19. Jahrhunderts nach Großbritannien auch das Deutsche Kaiserreich, Frankreich, Russland und Japan mit der Durchsetzung ihrer kolonialen Interessen in China begannen, erlangte der 13. Dalai Lama Thubten Gyatso (1876-1934) die volle Kontrolle über Tibet. Anfang des 20. Jahrhunderts geriet Tibet jedoch zwischen die Fronten eines Interessenkonflikts zwischen Russland und Großbritannien. Um dem Zarenreich zuvorzukommen starteten Britisch-Indische Streitkräfte einen Feldzug, marschierten 1904 nach Lhasa ein und zwangen Tibet zum Handel mit Großbritannien.29 Der Qing-Hof sah in diesen Entwicklungen eine weitere Verkleinerung seiner Einflusssphäre und schickte im Jahr 1910 Truppen nach Osttibet und nach Lhasa mit dem Auftrag, die ursprünglichen Verhältnisse wiederherzustellen. Daraufhin begab sich der Dalai Lama, der zuvor bereits vor der britischen Kolonialmacht in die Mongolei und dann nach Peking geflohen war, nach Britisch-Indien. Nach dem Sturz der Qing-Dynastie im Jahr 1911 und der Vertreibung chinesischer Truppen mit nepalesischer Unterstützung ein Jahr später kehrte der Dalai Lama aus dem Exil zurück. 1913 erklärte er Tibet für unabhängig.30

Obgleich Tibet die wichtigsten Kriterien für die Anerkennung als Staat erfüllte, gelang es der tibetischen Regierung nicht, den Status des Landes international abzusichern. Die Entsendung tibetischer Delegationen nach Indien, China, Großbritannien und in die USA in den Jahren 1947 und 1948 blieb erfolglos.31 Zudem gab es keine Schutzmacht, welche einen Einmarsch Chinas in Tibet hätte verhindern können.32 Sowohl die 1912 gegründete Republik China unter der Nationalen Volkspartei Chinas (Guomindang, GMD) als auch die 1949 von

25 Ramble, Charles: Tibet. Geschichte, in: Staiger, Brunhild, u. a. (Hrsg.): Das große China-Lexikon, WBG, Darmstadt, 2008, S. 762; Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 37-38 26 Chayet, Anne: Did the Ming and Qing dynasties continue to exercise the sovereignty over Tibet established by the Yuan dynasty?, in: Blondeau, Anne-Marie, und Buffetrille, Katia (Hrsg.): Authenticating Tibet. Answers to China’s 100 Questions, University of California Press, Berkeley, 2008, S. 27-28 27 Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 38, Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 302 28 Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 299 29 Ramble, Charles: Tibet. Geschichte, in: Staiger, Brunhild, u. a. (Hrsg.): Das große China-Lexikon, WBG, Darmstadt, 2008, S. 762 30 Haas, Stephan: Die Tibetfrage – Eine Analyse der Gründe und der Rechtmäßigkeit des chinesischen Einmarsches in Tibet 1950/51, in: Wegmann, Konrad (Hrsg.): Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas, LIT Verlag, Duisburg/Bochum, 1997, S. 39 31 Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S.303; Kollmar-Paulenz, Karénina: Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck, München, 2014, S. 159 32 Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 303 Länderreport China 6

der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) ausgerufene Volksrepublik China gingen davon aus, dass alle Menschen, die zum Zeitpunkt des Niedergangs der Qing-Dynastie im Jahr 1911 auf chinesischem Boden siedelten, dem chinesischen Volk zugehörig waren. Anders als dies in Westeuropa weitgehend der Fall war, gründete ihr Nationsbegriff nicht auf dem National-, sondern auf dem Territorialprinzip.33

Nach der Ausrufung der Volksrepublik China durch Mao Zedong am 1. Oktober 1949 erfolgte erstmals die rechtliche Anerkennung von 56 innerhalb der chinesischen Grenzen lebenden Nationalitäten. Alle, einschließlich der zahlenmäßig dominanten Gruppe der Han-Chinesinnen und Han-Chinesen, wurden einander gleichgestellt. Die 55 Gruppen, welche eine Minderheit repräsentierten, darunter auch die Tibeterinnen und Tibeter, wurden mit Autonomierechten ausgestattet. Jegliche Form der Diskriminierung wurde gesetzlich untersagt.34 Am 1. Januar 1950 machte die chinesische Führung ihre Absicht, Tibet in die VR China zu integrieren, öffentlich bekannt. In den Augen der chinesischen Regierung waren die tibetischen Unabhängigkeitsbestrebungen ein Resultat imperialistischer Einflüsse, von welchen die Region befreit werden musste.35

2.2. Die Eingliederung Tibets in die Volksrepublik China Als sich gegen Ende des chinesischen Bürgerkriegs (1927-1949) ein Sieg der Kommunistischen Partei abzuzeichnen begann, veranlasste die Regierung in Lhasa Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine chinesische Invasion. Darunter fielen die Aufrüstung der Armee und die Entsendung von Truppen in die Grenzgebiete im Norden und Osten Tibets. Im Oktober 1950 nahmen Truppen der chinesischen Volksbefreiungsarmee (VBA) die Stadt (chin. Changdu) in der osttibetischen Region Kham ein und sahen zunächst von einem weiteren Vordringen ab.

Von April bis Mai 1951 fanden auf Wunsch der tibetischen Regierung Verhandlungen über den Status Tibets mit der chinesischen Regierung statt. Diese wurden am 23. Mai 1951 mit der Unterzeichnung des sogenannten Siebzehn-Punkte-Abkommens (Shiqi tiao xieyi) abgeschlossen. Das Abkommen regelte die Anerkennung der chinesischen Oberhoheit durch Tibet und garantierte Tibet regionale Autonomie, die Beibehaltung des existierenden politischen Systems, Religionsfreiheit, die Unterhaltung der Klöster, die Förderung der tibetischen Sprache, der Land- und Weidewirtschaft, des Handels und der Industrie. Darüber hinaus schrieb es vor, dass Reformprozesse nur durch die tibetische Regierung oder in Absprache mit derselben eingeleitet werden dürfen.36 All diese Zugeständnisse galten für die zentraltibetische Provinz Ü-Tsang, nicht jedoch für Amdo und Kham.37 Zudem legte das Abkommen die Einsetzung eines administrativen und militärischen Komitees und eines militärischen Hauptquartiers in Lhasa fest. Die endgültige Zustimmung der tibetischen Regierung erfolgte am 24. Oktober 1951. Der Anerkennung des Abkommens und damit der offiziellen Beendigung der faktischen Unabhängigkeit Tibets lag die Überzeugung in tibetischen Regierungskreisen und unter Äbten zugrunde, dass als Konsequenz keine Auswirkungen auf das religiös-politische System und die Macht des Dalai Lamas zu befürchten seien. Am 26. Oktober rückte die VBA ohne Anwendung von Gewalt nach Lhasa vor, wo in den darauffolgenden Monaten mit der Stationierung von 20.000 Streitkräften auf 30.000 Einwohnerinnen und Einwohner eine gewaltige Militärpräsenz geschaffen wurde. Neben Garnisonen ließ die chinesische Regierung neue Krankenhäuser und Schulen errichten und Straßen bauen. 1954 lud sie den jungen 14. Dalai Lama Tenzin Gyatso zu einem feierlichen Empfang nach Peking ein, 1956 ernannte sie ihn zum Vorsitzenden des Vorbereitungskomitees zur Einrichtung des Autonomen Gebiets Tibet. Dieses Komitee ersetzte die Zentralregierung in Lhasa nicht, übte jedoch zunehmenden Einfluss auf die tibetische Politik aus.38

Während die ersten Jahre nach der Integration Tibets in die VR China in Zentraltibet friedlich verliefen, formierte sich in Kham und Amdo früh Widerstand gegen die Politik der KPCh. Erstmals geschah dies während der chinesischen Okkupation der Region im Jahr 1949. In den darauffolgenden Jahren gaben die

33 Ebd., S. 304 34 Ebd., S. 301 35 Kollmar-Paulenz, Karénina: Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck, München, 2014, S. 159 36 Kollmar-Paulenz, Karénina: Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck, München, 2014, S. 162 37 Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 304 38 Kollmar-Paulenz, Karénina: Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck, München, 2014, S. 162-164 Länderreport China 7

„demokratischen Reformen“, von welchen Kham und Amdo anders als Ü-Tsang nicht ausgenommen waren, Anlass zu einer wachsenden Unzufriedenheit. Konkrete Auslöser für den ersten Aufstand im Winter 1955/56 waren Einschränkungen der Freiheit der Religionsausübung, die Enteignung und Schließung von Klöstern, Umerziehungsmaßnahmen für Nonnen und Mönche und die im Zuge der Kollektivierung der Landwirtschaft angestrebte Sesshaftwerdung der nomadischen Bevölkerung.39 All diese Maßnahmen waren auf die Veränderung bestehender Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse und die Einteilung der Bevölkerung in Gesellschaftsklassen nach vorgeschriebenen Quoten ausgerichtet. Unter der Überschrift des Klassenkampfs wurden die Gesellschaftsklassen dann gegeneinander aufgehetzt und Klassenfeinde gewaltvollen Assimilierungskampagnen unterworfen. Auf diese Weise sollten auch ethnische Gemeinden aufgebrochen und desolidarisiert, die Organisation von Widerstand unterbunden und die Existenz des Systems als solches gerechtfertigt werden.40

Nach der blutigen Niederschlagung des ersten spontanen Aufstands kam es in Kham zum Zusammenschluss mehrerer osttibetischer Ethnien, die eine organisierte, landesweite Rebellion in Gang setzten. Unter dem Namen Chushi Gangdrug (dt. Vier Seen – Sechs Schneeberge) erhielt die Widerstandsbewegung 1957 militärische und logistische Unterstützung aus den USA und einen wachsenden Zulauf aus Zentraltibet. Bis 1958 hatte sich die Bewegung auf fast ganz Tibet ausgeweitet. Als im März 1959 Gerüchte über eine von China geplante Entführung des Dalai Lamas aufkamen, versammelten sich am 10. März 1959 spontan Tibeterinnen und Tibeter um den Norbulingka, den Sommerpalast in Lhasa, um den Dalai Lama zu schützen. Viele forderten zudem den Rückzug Chinas aus Tibet. Die Demonstration wuchs auf etwa 30.000 Menschen an und ging in eine Revolte über, als chinesische Truppen am 17. März 1959 Bomben auf den Palast warfen. Bis zur Niederschlagung dieses Aufstands am 23. März 1959 durch die VBA kamen in Lhasa mindestens 3.000 Tibeterinnen und Tibeter ums Leben.41 In ganz Tibet forderten die Kämpfe zwischen Aufständischen und chinesischen Sicherheitskräften die Leben von 87.000 Tibeterinnen und Tibetern.42 Dem Dalai Lama gelang die Flucht ins indische Exil, bis Mai folgten ihm mehr als 7.000 Tibeterinnen und Tibeter, bis 1962 waren es mehr als 85.000.43

Für die in China verbliebene tibetische Bevölkerung bedeutete das Scheitern des Aufstands eine Verschärfung der chinesischen Kontrolle über Tibet und weitere Freiheitsbeschränkungen und Einschnitte in ihren traditionellen Lebensstil. Am 28. März 1959 wurde die tibetische Zentralregierung aufgelöst, an ihre Stelle trat das Vorbereitungskomitee, zu dessen Vorsitzendem der 10. Panchen Lama44 aufgrund seiner Loyalität zu China ernannt wurde.45 Im Jahr 2010 erklärte die chinesische Regierung den 28. März zum Tag des Gedenkens an die „Befreiung der Leibeigenen in Tibet“. Mit dem Begriff „Leibeigene“ bezieht sich die Führung in Peking auf „90 Prozent der [tibetischen] Bevölkerung“, die bis 1959 „quasi als Privatbesitz einiger Adeliger und Mönche“ in einem feudalen Herrschaftssystem lebten.46 Die nach der Auflösung der tibetischen Zentralregierung auch in Ü- Tsang eingeleiteten „demokratischen Reformen“ markierten aus chinesischer Sicht das Ende einer „dunklen Zeit“.47 Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Reformprozess mit der Gründung des Autonomen Gebiets Tibet im Jahr 1965. Die Eingliederung Ü-Tsangs in die VR China und die Aufhebung des durch das Siebzehn- Punkte-Abkommen geregelten Sonderstatus der Region wurden damit auch offiziell vollzogen.48

39 Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 304; Kollmar-Paulenz, Karénina: Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck, München, 2014, S. 164 40 Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 301; Vogelsang, Kai: Geschichte Chinas, Reclam, Stuttgart, 2013, S. 542 41 Kollmar-Paulenz, Karénina: Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck, München, 2014, S. 164-166; Ramble, Charles: Tibet. Geschichte, in: Staiger, Brunhild, u. a. (Hrsg.): Das große China-Lexikon, WBG, Darmstadt, 2008, S. 763; Panglung, Jampa: What caused the 1959 rebellion in Tibet?, in: Anne-Marie Blondeau, Katia Buffetrille (Hrsg.): Authenticating Tibet. Answers to China’s 100 Questions, University of California Press, Berkeley, 2008, S. 77-78 42 Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 304 43 Kollmar-Paulenz, Karénina: Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck, München, 2014, S. 166; Römer, Stephanie: Die tibetische Exilregierung zwischen Tradition und Moderne. Eine Untersuchung der Strukturen und Strategien der Dalai Lama-Regierung, in: ASIEN 108, Juli 2008, S. 30-31 44 Der Panchen Lama ist das zweithöchste spirituelle Oberhauptes der Gelug-Schule des Tibetischen Buddhismus. 45 Kollmar-Paulenz, Karénina: Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck, München, 2014, S. 167 46 Generalkonsulat der Volksrepublik China in Hamburg: Tag der Befreiung der Leibeigenen in Tibet, 24.03.2010 47 Ebd. 48 Kollmar-Paulenz, Karénina: Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck, München, 2014, S. 168 Länderreport China 8

2.3. Die tibetische Exilregierung Noch auf seiner Flucht nach Indien gründete der Dalai Lama eine tibetische Exilregierung, die er am 29. April 1959 in Masuri (Indien, Bundesstaat Uttarakhand) ausrief und im Mai 1960 nach Dharamsala (Indien, Bundesstaat Himachal Pradesh) verlegte, wo sie noch heute ihren Amtssitz hat.49 Die Central Tibetan Administration of His Holiness the Dalai Lama (CTA; Tsenjol Bod Mi Zhung gi Drigtsug) sieht sich „als einzige und legitime Vertretung des tibetischen Volkes“50 und damit als Regierung aller Tibeterinnen und Tibeter, unabhängig davon, in welchem Staat diese leben. Die beiden wichtigsten Aufgaben der CTA seit ihrer Gründung sind nach eigenen Angaben die Rehabilitation tibetischer Geflüchteter und die Wiederherstellung von „Freiheit und Glück“ in Tibet.51 International ist die CTA nicht anerkannt und ihre Autonomiebestrebungen sind aktuell auf die Schaffung eines mit China assoziierten, aber selbstverwalteten tibetischen Staats, wie es ihn vor 1911 gab, beschränkt.52 Um ihren Repräsentationsanspruch legitimieren und untermauern zu können, aber auch, um den tibetischen Geflüchteten die benötigte Unterstützung zukommen lassen zu können, ist die CTA auf ein hohes Maß an nationaler Loyalität und internationaler Hilfe angewiesen. Hierfür zu werben bestimmt folglich seit Jahrzehnten die Politik des Dalai Lamas und der CTA.53 Dabei können sie auf nationaler Ebene auf ein enges Netzwerk aus Ministerien und der CTA zugehörigen Institutionen zurückgreifen. Auf internationaler Ebene wird dieses durch exiltibetische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ergänzt, die offiziell unabhängig arbeiten, jedoch „dort aktiv werden, wo die Exilregierung aufgrund ihrer fehlenden offiziellen internationalen Anerkennung als Repräsentant Tibets keinen Zugang hat“.54 So erleichtern sie der CTA den Zugang zu potenziellen Unterstützerinnen und Unterstützern auf unterschiedlichen Ebenen, zum Beispiel durch Lobbyarbeit in UN-Strukturen und die Einbindung von internationalen NGOs in die tibetische Exilpolitik, und in verschiedenen Themenbereichen, wie Menschen-, Umwelt-, und Frauenrechte.55 Dabei tragen die NGOs auch zur Verbreitung politischer Inhalte und Ziele der CTA in exiltibetischen Siedlungen und Foren internationaler Politik bei.56 Finanziell profitiert die Exilregierung außerdem von der internationalen Medienpräsenz des Dalai Lamas selbst.57 Dessen Zugang zu Finanzquellen und das internationale Wohlwollen für die Exilgemeinschaft wurden durch den Erhalt des Friedensnobelpreises im Jahr 1989 noch weiter erhöht.58 Unmittelbar nach der Gründung der Exilregierung brachte den Tibeterinnen und Tibetern ein allgemeines mediales Interesse an den politischen Entwicklungen der 1950er Jahren und der Flucht des Dalai Lamas umfangreiche finanzielle Hilfen von der indischen Zentralregierung und internationalen NGOs ein. Ohne diese Unterstützung wären die Rehabilitations- und Wiederansiedlungsprogramme der CTA nicht umsetzbar gewesen.59 Wichtig ist das Werben für die politischen Ziele der CTA sowohl innerhalb der tibetischen Diaspora als auch in der internationalen Gemeinschaft auch deshalb, weil die traditionellen tibetischen Siedlungsgebiete nie als ein Staat unter einer tibetischen Zentralregierung vereint waren. Folglich stellt der Repräsentationsanspruch der

49 Römer, Stephanie: Die tibetische Exilregierung zwischen Tradition und Moderne. Eine Untersuchung der Strukturen und Strategien der Dalai Lama-Regierung, in: ASIEN 108, Juli 2008, S. 30; Central Tibetan Administration: About CTA, ohne Datum 50 Central Tibetan Administration: About CTA, ohne Datum 51 Ebd. 52 Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 307; Römer, Stephanie: Die tibetische Exilregierung zwischen Tradition und Moderne. Eine Untersuchung der Strukturen und Strategien der Dalai Lama-Regierung, in: ASIEN 108, Juli 2008, S. 46, Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama von Tibet: Seine Heiligkeit verfolgt in der Tibet-Frage eine Politik des Mittleren Wegs, ohne Datum; Norbu, Ingrid: Autonomie oder Unabhängigkeit von China?, in: Deutschlandfunk, 19.11.2008; Im Zuge der Ausrichtung der Zielhorizonte der Exilpolitik am internationalen politischen Geschehen trat der Dalai Lama von seiner ursprünglichen Forderung nach der vollständigen Unabhängigkeit Tibets zurück und schlug eine Politik des „Mittleren Wegs“ ein. Diese strebt eine echte Autonomie Tibets (einschließlich der Regionen Kham und Amdo) innerhalb des chinesischen „Mutterlandes“ an, wie sie dem AGT mit der Unterzeichnung des Siebzehn-Punkte-Abkommens 1951 zugesprochen worden war. Im Fokus stehen dabei der Schutz und die Bewahrung der Kultur, der Religion und der Identität der Tibeterinnen und Tibeter. 53 Römer, Stephanie: Die tibetische Exilregierung zwischen Tradition und Moderne. Eine Untersuchung der Strukturen und Strategien der Dalai Lama-Regierung, in: ASIEN 108, Juli 2008, S. 32 54 Ebd., S. 34 55 Ebd., S. 46 56 Ebd., S. 34 57 Ebd., S. 44 58 Schell, Orville: Virtual Tibet. Searching for Shangri-La from the Himalayas to Hollywood, Metropolitan, New York, 2000, zitiert in: Römer, Stephanie: Die tibetische Exilregierung zwischen Tradition und Moderne. Eine Untersuchung der Strukturen und Strategien der Dalai Lama-Regierung, in: ASIEN 108, Juli 2008, S. 46 59 Römer, Stephanie: Die tibetische Exilregierung zwischen Tradition und Moderne. Eine Untersuchung der Strukturen und Strategien der Dalai Lama-Regierung, in: ASIEN 108, Juli 2008, S. 44 Länderreport China 9

Exilregierung eine Ausweitung ihrer territorialen Ansprüche auf Gebiete außerhalb Zentraltibets (heutiges AGT) dar, über welche der Dalai Lama vor seiner Flucht nach Indien zumindest keine politische Macht ausübte.60

Um seinen Anspruch auf die nahtlose Fortführung der bis März 1959 in Lhasa ansässigen tibetischen Regierung zu unterstreichen, orientierte sich der 14. Dalai Lama bei der Gründung der Exilregierung stark an den politischen Traditionen des im 17. Jahrhundert durch den 5. Dalai Lama geschaffenen Regierungssystems (Ganden Phodrang-Regierung). Charakteristisch für dieses System war die Zusammensetzung des Regierungspersonals aus ausgewählten Mönchen und meist aristokratischen Laien. Voneinander getrennt in ein hierarchisches Rangsystem eingegliedert unterstanden diese dem jeweils regierenden Dalai Lama. Entsprechend übernahm der 14. Dalai Lama in der Exilregierung die Kontrolle über die zentralen Elemente der Legislative, Exekutive und Judikative. Regierungsposten vergab er an Beamte, die schon in der tibetischen Zentralregierung in Lhasa gearbeitet hatten, und an junge Aristokraten. Nur Mitglieder dieser beiden Gruppen wurden aufgrund ihres Ausbildungsstands, ihrer politischen Erfahrungen und ihrer Loyalität zum Dalai Lama als geeignet angesehen. In dieser Besetzung wurde die Exiladministration von den Exiltibeterinnen und Exiltibetern mehrheitlich akzeptiert. Interne Machtkonflikte konnten vermieden werden, was sich wiederum positiv auf die Anpassungsprozesse der tibetischen Exilgemeinschaft in der neuen Umgebung und die Akzeptanz durch die dortige Bevölkerung auswirkte.61

Die Abgeordneten der 1960 etablierten exiltibetischen Volksvertretung (Assembly of Tibetan People’s Deputies, ATPD) repräsentieren die drei traditionellen tibetischen Provinzen (Ü-Tsang, Kham und Amdo), die vier buddhistischen Schulen (Nyingma, Sakya, Kagü, Gelug) und die vorbuddhistische Bön-Religion sowie die Exilgemeinschaften in Europa, Nordamerika und Australien.62 Folglich spiegelt das Parlament sowohl die traditionelle Einheit von Religion und Politik (chösi nyiden) als auch die regionale und ethnische Vielfalt der tibetischen Bevölkerung und damit auch die territorialen Repräsentationsansprüche der CTA wieder. Gleichzeitig war die Einführung der ATPD, das 2006 in Tibetan Parliament-in-Exile (TPiE) umbenannt wurde, Teil eines bis in die Gegenwart andauernden Demokratisierungsprozesses. Diesen initiierte die CTA mit dem Ziel, das Regierungssystem an internationale Entwicklungen in der Politik anzupassen und dadurch ihre Position innerhalb der internationalen Gemeinschaft zu verbessern. Dass der Transformationsprozess von zahlreichen NGOs und Nationalstaaten unterstützt wurde, spricht für den Erfolg dieses Vorhabens. Das Ergebnis war und ist jedoch eine Demokratie mit einigen Besonderheiten.63 Bis zur Gründung der National Democratic Party of Tibet (NDPT) im September 1994 gab es keine politischen Parteien.64 Mit der People’s Party of Tibet (PPT) wurde im Mai 2011 die erste Oppositionspartei gegründet.65 Die Parteien sind jedoch nicht im Parlament vertreten und treten bei Wahlen nicht gegeneinander an.66 Zudem wird bei politisch wichtigen Entscheidungen nach wie vor das Staatsorakel (Nechung-Orakel) zu Rate gezogen.67 Die Position des Dalai Lamas als Oberhaupt der tibetischen Nation war lange Zeit durch die 1963 geschaffene Verfassung, bekannt als Charta der Exiltibeterinnen und Exiltibeter, vorgegeben.68 Folglich kam den übrigen Staatsorganen eine eher symbolische Stellung zu. So war etwa das Parlament nicht zur Abstimmung über Beschlüsse befugt und konnte lediglich Vorschläge diskutieren.69 1990 begann der Dalai Lama mit der Durchführung weiterer demokratischer Reformen. Seitdem wird das exiltibetische Kabinett, der Kashag, vom Parlament gewählt. Die Kandidaten wurden jedoch zunächst vom Dalai Lama gestellt. Die gewählten Minister, die Kalöns, bestimmten dann einen Vorsitzenden aus ihren Reihen, genannt Kalön Tripa. Seit 2001 wird der Träger oder die Trägerin dieses Amts direkt vom Volk gewählt und ist befugt, sein oder ihr Kabinett selbst zu ernennen. Die Wahlen finden alle fünf

60 Ebd., S. 37 61 Ebd., S. 35-38 62 Tibetisches Zentrum e. V.: Tibeter im Exil – eine Demokratie entwickelt sich, ohne Datum; Kannan, Saikiran: All you need to know about Tibetan parliament-in-exile election and its implications, in: India Today, 02.01.2021 63 Römer, Stephanie: Die tibetische Exilregierung zwischen Tradition und Moderne. Eine Untersuchung der Strukturen und Strategien der Dalai Lama-Regierung, in: ASIEN 108, Juli 2008, S. 44-45; Kannan, Saikiran: All you need to know about Tibetan parliament-in-exile election and its implications, in: India Today, 02.01.2021 64 National Democratic Party of Tibet: Birth of NDPT, ohne Datum 65 Lundsgaard, Cornelius: Tibetan Parliament in Exile To See the First Ever Opposition Party, 18.05.2011, in: The Tibet Post International 66 Kannan, Saikiran: All you need to know about Tibetan parliament-in-exile election and its implications, in: India Today, 02.01.2021 67 Blümel, Margarete: Blick in die Zukunft. Das Orakel und sein Medium, in: Deutschlandfunk, 22.02.2017 68 Tibetisches Zentrum e. V.: Tibeter im Exil – eine Demokratie entwickelt sich, ohne Datum 69 Römer, Stephanie: Die tibetische Exilregierung zwischen Tradition und Moderne. Eine Untersuchung der Strukturen und Strategien der Dalai Lama-Regierung, in: ASIEN 108, Juli 2008, S. 45 Länderreport China 10

Jahre und in zwei Phasen statt, wobei die Wählerinnen und Wähler in der ersten Phase Kandidatinnen und Kandidaten vorschlagen, welche sich dann in der zweiten Phase zur Wahl stellen können.70 Die Position des Kabinettsvorsitzenden entsprach bis 2011 in etwa der eines Premierministers. 2011 trat der Dalai Lama schließlich von seinem Posten als Regierungsoberhaupt zurück und wirkt seitdem nur noch als spirituelles Oberhaupt der religiösen Gemeinschaft des tibetischen Buddhismus. Seine politischen Befugnisse übernahm der Kalön Tripa, dessen Amtsbezeichnung in Sikyong (dt. politisches Oberhaupt) geändert wurde.71 Im April 2017 gab das Kabinett bekannt, dass dieses Amt im Englischen mit „President“ wiederzugeben sei.72 Seit 2011 besetzt diesen Posten der in Harvard ausgebildete Jurist Lobsang Sangay. Seine aktuelle Amtszeit endet im Mai 2021.73 Gemäß der exiltibetischen Verfassung sind Frauen mit denselben Rechten ausgestattet wie Männer und dürfen folglich auch politische Ämter übernehmen. Das erste Mal zog 1964 eine Frau ins Parlament ein.74 Im 16. exiltibetischen Parlament (2016-2021) sitzen elf Frauen und 34 Männer.75 Auf höheren Regierungsebenen sind Frauen noch stärker unterrepräsentiert.76

Finanziell wird die Funktion der CTA nach eigenen Angaben durch jährliche freiwillige Zahlungen der Exiltibeterinnen und Exiltibeter sichergestellt.77 Der eigentliche Grund für die Einführung der Zahlungen dürfte jedoch in ihrer identitätsstiftenden Wirkung liegen: Nach außen kann die CTA unter Berufung auf die so erzielten Einnahmen ihren großen Rückhalt in der exiltibetischen Bevölkerung demonstrieren. Nach innen haben die Zahlungen den Effekt der Einbindung der Tibeterinnen und Tibeter in die Aktivitäten der CTA und damit des Erhalts der nationalen Loyalität. Beides trägt zu einer Erhöhung der internationalen Glaubwürdigkeit der Exilregierung bei.78 Für viele Exiltibeterinnen und Exiltibeter in Südasien werden die Zahlungen aufgrund ihrer finanziellen Abhängigkeit von der Exilregierung jedoch zum Zwang. Denn das als Ausgleich ausgestellte Ausweisdokument garantiert den Zugang zu materiellen und immateriellen Vorteilen. Darauf sind aufgrund der schwierigen Beschäftigungssituation im Exil und der Tatsache, dass exiltibetische Wirtschaftsstrukturen wenig attraktive Arbeitsplätze hervorbringen, viele angewiesen. Dieser Zustand führt vor allem bei jungen Menschen zu einem abnehmenden Interesse an der Politik der Exilregierung. Die CTA ist es aber, welche über die Verteilung von internationalen Hilfsleistungen unter anderem in Form der Vergabe von Stipendien bestimmt, wobei letztere zusätzlich an politisches Engagement gebunden sind. Mit der durch diese Konstellation geschaffenen Abhängigkeit möchte die CTA nicht zuletzt die Annahme von Staatsangehörigkeiten der Gastländer verhindern.79

Um zudem der Entstehung einer Kluft zwischen im Exil und in Tibet lebenden Tibeterinnen und Tibetern vorzubeugen, investiert die Exilregierung stark in den Bildungssektor. So etablierte die CTA in Indien, Nepal und Bhutan rund 100 Schulen, die in das jeweilige Bildungssystem integriert sind, deren Schwerpunkt jedoch auf der Vermittlung traditioneller tibetischer Werte und politischer Inhalte liegt.80 Dies dient zum einen der Schaffung einer einheitlichen tibetischen Identität auch außerhalb Tibets. Zum anderen sollte dadurch die Verbreitung der Idee eines vereinten und autonomen Tibets durch Tibeterinnen und Tibeter gefördert werden, die nach dem Abschluss einer exiltibetischen Schule in ihre Heimat zurückkehren. Dies dürfte vor dem Hintergrund der in Kapitel 3.2 und 3.3 beschriebenen Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen der chinesischen Regierung heute jedoch kaum noch möglich sein. Mit Einschränkungen erfüllt somit auch das exiltibetische Bildungssystem eine Schlüsselfunktion bei der Bildung nationaler Loyalität. Da die Schulen zum Teil auch von indischen und nepalesischen Kindern besucht werden, kann die CTA durch sie zusätzlich für

70 Tibetisches Zentrum e. V.: Tibeter im Exil – eine Demokratie entwickelt sich, ohne Datum 71 Kannan, Saikiran: All you need to know about Tibetan parliament-in-exile election and its implications, in: India Today, 02.01.2021 72 Central Tibetan Administration: President Is the English Title for Sikyong, 06.05.2017 73 Kannan, Saikiran: All you need to know about Tibetan parliament-in-exile election and its implications, in: India Today, 02.01.2021 74 Nordon, Tenzin: Women Beyond Tea: Fostering Tibetan Women Leaders of Tomorrow, Mai 2020, S. 13 75 Central Tibetan Administration: Sixteenth TPiE, ohne Datum 76 Nordon, Tenzin: Women Beyond Tea: Fostering Tibetan Women Leaders of Tomorrow, Mai 2020, S. 15 77 Römer, Stephanie: Die tibetische Exilregierung zwischen Tradition und Moderne. Eine Untersuchung der Strukturen und Strategien der Dalai Lama-Regierung, in: ASIEN 108, Juli 2008, S. 38, Die zu zahlenden Beträge sind auf das regionale Durchschnittseinkommen abgestimmt (46 INR pro Jahr in Südasien im Vergleich zu 96 USD in der internationalen Diaspora (Stand 2008)) und zusätzlich nach Alter und individueller Einkommenssituation gestaffelt. 78 Ebd., S. 38-39 79 Ebd., S. 39, S. 41-42 80 Ebd., S. 40-41 Länderreport China 11

Verständnis und Unterstützung innerhalb der Bevölkerung der Gastländer werben und die Ausübung von Druck auf die jeweiligen Regierungen erwirken.81

3. Die Tibet-Politik der VR China und ihre Auswirkungen auf die Tibeterinnen und Tibeter

3.1. Entwicklungspolitik und Armutsbekämpfung Nach Gründung der Volksrepublik nahm die chinesische Regierung eine Kategorisierung der auf chinesischem Boden lebenden ethnischen Gruppen nach verschiedenen Stufen der wirtschaftlichen Entwicklung vor. Diese Einteilung basierte auf der marxistisch-leninistisch-maoistischen Theorie, dass sich verschiedene Nationalitäten oder Ethnien mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auf das gemeinsame Ziel des Sozialismus zubewegen. Zur fortschrittlichsten Gruppe in China wurde die Han-Ethnie erklärt. Ihre Aufgabe ist es deshalb, ihren „Schwestern und Brüdern“ den Weg zu weisen und ihnen zugleich dabei zu helfen, in ihrer Entwicklung aufzuholen.82 Das tibetische Gesellschafts- und Regierungssystem wurde als aristokratisch und feudal und die ethnische und religiöse Identität der Tibeterinnen und Tibeter als Manifestation dieses niedrigen Entwicklungsstandards beschrieben.83 Weil die tibetische Wirtschaft bis in die 1950er Jahre hinein subsistenzorientiert und die Verteilung von Ressourcen unter der weit verstreut lebenden Bevölkerung durch das Klostersystem äußerst effizient war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Tibeterinnen und Tibeter damals nicht in der Lage war, sich zu ernähren. Aufgrund ihrer dominanten Stellung im Finanzsektor hätten die Klöster außerdem Mikrokredite an Bäuerinnen und Bauern vergeben und große Handelsunternehmen finanzieren können. Mit der Enteignung der Klöster und der Vertreibung, Inhaftierung und Tötung tibetischer Geschäftsleute zerstörte die kommunistische Führung deshalb die indigene Wirtschaft und entzog der Region die Basis für eine autochthone Modernisierung. Ende der 1960er Jahre war die tibetische Wirtschaft vollständig von der Finanzierung und Förderung durch die chinesische Zentralregierung abhängig.84

Von den Bestrebungen Mao Zedongs, den Westen Chinas zu industrialisieren und eine Industrie- und Militärbasis im Inneren Chinas aufzubauen, blieben die tibetischen Regionen weitgehend unberührt. Dazu waren die in diesem Zusammenhang errichteten Produktionsstätten zu sehr von der lokalen Wirtschaft isoliert. Finanztransfers im Rahmen eines parallel geführten Systems der „zirkulären Ressourcenallokation“, das die Verteilung der in den Küstenprovinzen erwirtschafteten Überschüsse an zentrale und westliche Provinzen vorsah, gingen an den ländlichen Regionen dieser Provinzen vorbei. Der Großteil der tibetischen Bevölkerung, der dort lebte, das Land bewirtschaftete und hohe Abgaben meist in der Form von Zwangsquoten für unterpreisig abgegebene Erzeugnisse leistete, wurde somit nicht erreicht. Was die ländliche Bevölkerung in den abgelegenen Regionen erhielt, waren eine medizinische Grundversorgung, Bildung und moderne Infrastruktur. Dies konnte jedoch nichts daran ändern, dass der damalige Generalsekretär der KPCh Hu Yaobang bei seinem Tibet-Besuch im Jahr 1980 schockiert war angesichts der Rückständigkeit der Region, der Armut ihrer Menschen und der ablehnenden Haltung gegenüber der chinesischen Präsenz.85 Hu leitete daraufhin Reformen ein, welche dem AGT größere ökonomische Freiheiten und mehr kulturelle und religiöse Autonomie brachten.86 1984 wurden den Tibeterinnen und Tibetern im AGT mit der Verabschiedung des Autonomiegesetzes „formell die weitestreichenden Rechte seit Gründung der Volksrepublik“87 gewährt. Das

81 Ebd., S. 42-43 82 Leibold, James: Planting the Seed: Ethnic Policy in Xi Jinping’s New Era of Cultural Nationalism, in: China Brief Volume 19 Issue 22, 31.12.2019 83 Fischer, Andrew M.: What is the status of economic development in Tibet?, in: Blondeau, Anne-Marie, und Buffetrille, Katia (Hrsg.): Authenticating Tibet. Answers to China’s 100 Questions. University of California Press, Berkeley, 2008, S. 244 84 Ebd., S. 245-247 85 Ebd., S. 258-259 86 Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 305 87 Ebd., S. 301 Länderreport China 12

Gesetz sieht unter anderem vor, dass die Selbstverwaltungsorgane der autonomen Gebiete, Bezirke und Kreise ihre Einnahmen selbst verwalten und die lokale wirtschaftliche Entwicklung unabhängig gestalten.88 In Kombination mit der Entkollektivierung der Landwirtschaft und höheren Preisen für landwirtschaftliche Güter sorgte der Politikwechsel kurzfristig für eine Verbesserung des Lebensstandards in den ländlichen tibetischen Regionen.89 Eine langsame und unvollständige Umsetzung der Maßnahmen der Reform- und Öffnungspolitik im Westen Chinas sowie fortbestehende Benachteiligungen der westlichen Provinzen im Preis- und Verteilungssystem des Landes hatte jedoch zur Folge, dass bereits Ende der 1980er Jahre eine deutliche Verschärfung regionaler Ungleichheiten zu beobachten war. Bis Mitte der 1990er Jahre zählten das AGT und die Provinz Qinghai – und damit die Regionen, in denen etwa drei Viertel der tibetischen Bevölkerung leben – zu den leistungsschwächsten Provinzen Chinas.90 1999 lebte ein Viertel der ländlichen Bevölkerung des AGT in Armut.91

Dies veranlasste die Zentralregierung zu umfangreichen Investitionen im Rahmen einer Priorisierung der Entwicklung im Westen Chinas. 1999 brachte der damalige Präsident Jiang Zemin die Kampagne der „Großen Erschließung Westchinas“ (Xibu Da Kaifa) auf den Weg, die milliardenschwere Infrastrukturprojekte und beträchtliche staatliche wie private Investitionen in die Wirtschaft von sechs Provinzen (Gansu, Guizhou, Qinghai, Shaanxi, Sichuan, Yunnan), fünf autonomen Gebieten (Guangxi, Innere Mongolei, Ningxia, Tibet, Xinjiang) und der regierungsunmittelbaren Stadt Chongqing umfassten.92 Das Wachstum, das dadurch auch in den tibetischen Regionen erzielt wurde, war so spektakulär wie asymmetrisch. 2004 waren 94 % der Angestellten und Arbeiterinnen und Arbeiter des AGT in staatlichen Betrieben und Institutionen beschäftigt und profitierten somit von dem Fortschritt. Die Gesamtheit der Angestellten und Arbeiterinnen und Arbeiter setzt sich jedoch aus gerade einmal 11 % der ländlichen und 50 % der städtischen Arbeitskräfte des AGT zusammen. 85 % der Bevölkerung des AGT ging leer aus.93 Diese Entwicklungen und die Tatsache, dass das Autonomiegesetz keine wirkliche Selbstbestimmung brachte, riefen bei der einheimischen Bevölkerung großen Unmut hervor, der sich beginnend in den späten 1980er Jahren immer wieder in Protesten entlud (siehe Kapitel 3.2).94

Aus Sicht der Politik machte dies einen erneuten Strategiewechsel erforderlich. Schnelles Wachstum wurde nicht mehr als Garant für ethnische Einheit und Stabilität angesehen. Statt nur Geld in die ethnischen autonomen Gebiete zu pumpen, müsse man auch den Austausch von Arbeitskräften, Waren, Kapital und Informationen sowie die Rotation von Parteikadern zwischen diesen Gebieten und anderen Regionen Chinas beschleunigen. Auf diese Weise könne man zugleich den wirtschaftlichen Fortschritt und den Prozess der Vereinigung und Verschmelzung der Nationen vorantreiben, schrieb der Vizedirektor des United Front Work Department (UFWD)95 Zhu Weiqun im Jahr 2012.96 Dieser Ansatz spiegelt sich in den nachfolgend beschriebenen Kampagnen und Programmen zur Armutsbekämpfung in Tibet wider.

88 Embassy Of The People’s Republic Of China In The Republic of Bulgaria: Regional Ethnic Autonomy, ohne Datum 89 Fischer, Andrew M.: What is the status of economic development in Tibet?, in: Blondeau, Anne-Marie, und Buffetrille, Katia (Hrsg.): Authenticating Tibet. Answers to China’s 100 Questions. University of California Press, Berkeley, 2008, S. 260 90 Ebd., S. 260-261 91 Ebd., S. 244-245 92 Fischer, Andrew M.: What is the status of economic development in Tibet?, in: Blondeau, Anne-Marie, und Buffetrille, Katia (Hrsg.): Authenticating Tibet. Answers to China’s 100 Questions. University of California Press, Berkeley, 2008, S. 262; Leibold, James: Planting the Seed: Ethnic Policy in Xi Jinping’s New Era of Cultural Nationalism, in: China Brief Volume 19 Issue 22, 31.12.2019 93 Fischer, Andrew M.: What is the status of economic development in Tibet?, in: Blondeau, Anne-Marie, und Buffetrille, Katia (Hrsg.): Authenticating Tibet. Answers to China’s 100 Questions. University of California Press, Berkeley, 2008, S. 263, 268 94 Leibold, James: Planting the Seed: Ethnic Policy in Xi Jinping’s New Era of Cultural Nationalism, in: China Brief Volume 19 Issue 22, 31.12.2019; Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 304 95 Als “united front work” (tongzhan gongzuo) wird der Prozess der Schaffung einer „Einheitsfront“ um die KPCh bezeichnet. Ziel des Prozesses ist es, bestimmte Gruppen, welche die Macht der KPCh gefährden könnten, zu kontrollieren und für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren und den Einfluss der KPCh in allen Gesellschaftsbereichen zu stärken. Das United Front Work Department (dt. Zentralabteilung Vereinigte Arbeitsfront), das diese Vorgänge koordiniert, wurde im Jahr 2018 umstrukturiert und erweitert. Seitdem ist es in der Lage, mehr Kontrolle über religiöse Gruppen auszuüben und stärker auf auslandschinesische Gemeinden einzuwirken (Joske, Alex: Reorganizing the United Front Work Department: New Structures for a New Era of Diaspora and Religious Affairs Work, in: China Brief Volume 19 Issue 9, 09.05.2019). 96 Zhu Weiqun: 炎黄子孙称呼不科学 伤民族感情 [“Children of the Yellow Emperor” is an unscientific form of address, it hurts the national feelings], 14.04.2012 Länderreport China 13

Um das verfügbare Einkommen der Tibeterinnen und Tibeter zu erhöhen, die durch die bisherigen Maßnahmen und Investitionen nicht erreicht werden konnten, und damit die Armutsquote in der Region zu senken, startete die Regierung des AGT 2005 eine Ausbildungs- und Beschäftigungsinitiative für Bäuerinnen und Bauern und Viehnomadinnen und -nomaden in Lhasa. 2012 initiierte die Region Chamdo ein Programm, das die Ausbildung im militärischen Stil und die Umsiedlung „überschüssiger Arbeitskräfte“97 für landwirtschaftliche und nomadische Regionen vorsah.98 Dieses Programm wurde in den 13. Fünf-Jahres-Plan (2016-2020) der Region aufgenommen mit dem Ziel, bis Ende 2020 65.000 landwirtschaftliche Arbeitskräfte und städtische Arbeitslose auszubilden.99 2019 gab die Regierung des AGT einen Aktionsplan heraus, der „die entschlossene Förderung der Ausbildung im militärischen Stil“ mit Schwerpunkten auf „Disziplin, chinesischer Sprache und Arbeitsmoral“ verfügte.100 Denn Regierungsangaben zufolge geht es bei dem Ausbildungsprogramm auch darum, „faule“101; in ihrer Denkweise „rückständige“102 und unter dem „negativen Einfluss der Religion“103 stehende Menschen umzuformen.104 Die Besonderheit des Ausbildungsprogramms besteht darin, dass die Teilnehmenden zu einem großen Teil auf Bestellung ausgebildet werden: Unternehmen in ganz China melden Bedarf für Arbeitskräfte in bestimmten Tätigkeitsbereichen an und bekommen dafür staatliche Zuschüsse. Die Arbeitskräfte werden dann von den Ausbildungszentren in Tibet geschult und bereitgestellt. Mit überregionalen Arbeitskräftetransfers können Vermittlerinnen und Vermittler mehr verdienen als mit Transfers innerhalb des AGT.105 Die überregionalen Transfers sollen einen wichtigen Beitrag zu der von der Führung in Peking gewünschten Homogenisierung der gesamtchinesischen Bevölkerung leisten. Gleichzeitig sollen sie die Bindung der Tibeterinnen und Tibeter an ihr Land und damit auch ihre Loyalität zum Dalai Lama schwächen.106 In den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 wurden von 543.000 im AGT ausgebildeten „überschüssigen Arbeitskräften“ 49.900 innerhalb des AGT und 3.109 in andere Provinzen vermittelt. Das entsprach 90,5 Prozent des Jahresziels.107

Die Erfüllung der sowohl den Kreisen als auch den einzelnen Ausbildungszentren auferlegten Quoten wird durch ein strenges Belohnungs- und Bestrafungssystem für lokale Kader sichergestellt. Angesichts dieses hohen Drucks und der Ankündigung der Zentralregierung, die Armut in ganz China bis Ende 2020 vollständig zu besiegen, kann davon ausgegangen werden, dass die Rekrutierung von Auszubildenden auch unter Zwang erfolgte. Dafür sprechen auch die Betonung des strengen militärischen Charakters des Ausbildungsprozesses selbst in Regierungsdokumenten und die auf Satellitenbildern erkennbare Einfassung eines Ausbildungszentrums in Chamdo mit Mauern und Zäunen.108

Ein weiterer Gegenstand des Aktionsplans von 2019 ist die Schaffung einer „Industrie der Armutsbekämpfung“ (fupin chanye). Hierzu übergeben landwirtschaftliche und nomadische Familien ihren Landbesitz an staatliche Kooperativen und erwerben dann Anteile an denselben. Anschließend haben die Anteilseignerinnen und Anteilseigner die Wahl zwischen der Bewirtschaftung des Lands als Angestellte der Kooperativen und der

97 Bei der abwertend klingenden Bezeichnung „überschüssige Arbeitskräfte“ handelt es sich um die Übersetzung des Ausdrucks fuyu laodongli, der in chinesischen Regierungsdokumenten standardmäßig für nicht vollbeschäftigte oder zur Aufrechterhaltung des Landwirtschaftsbetriebs nicht benötigte landwirtschaftliche Arbeitskräfte verwendet wird (Ministry of Agriculture and Rural Affairs of the People’s Republic of China: 促进农民分工分业 加快农村劳力转移 [Promoting the division of labor among farmers and speeding up the transfer of rural labor], 29.11.2002). 98 Zenz, Adrian: Xinjiang’s System of Militarized Vocational Training Comes to Tibet, in: China Brief Volume 20 Issue 17, 22.09.2020 99 Office of the Leading Group for the 13th Five Year Plan of Changdu City: 昌都市国民经济和社会发展第十三个五年规划及 2030 年远景目标纲 要 [Outline of the 13th five year plan for national economic and social development of Changdu city and its 2030 long term goals], 29.12.2015 100 Zenz, Adrian: Xinjiang’s System of Militarized Vocational Training Comes to Tibet, in: China Brief Volume 20 Issue 17, 22.09.2020 101 Tibet Daily: 那曲市助推转移就业脱贫工作纪实 [On the spot report of Naqu city's helping to transfer employment and get rid of poverty], 18.12.2018 102 Rural Information Service Website of : 增收致富有“绝招” [A unique way to increase income and get rich], 20.05.2021 103 Tibetan Autonomous Region Commerce Department: 齐扎拉主持召开自治区产业建设领导小组会议 要求坚持人民至上 全力推动农牧民转移 就业 努力实现“量”的增长“质”的提高 [Zizara presided over the meeting of the leading group for industrial construction of the autonomous region, calling for adhering to the people first, fully promoting the transfer of employment of farmers and herdsmen, and striving to achieve "quantity" growth and "quality" improvement], 10.06.2020 104 Zenz, Adrian: Xinjiang’s System of Militarized Vocational Training Comes to Tibet, in: China Brief Volume 20 Issue 17, 22.09.2020 105 Ebd. 106 Deutsche Welle: Armutsbekämpfung mit Nebenwirkungen in Tibet, 25.09.2020 107 Zenz, Adrian: Xinjiang’s System of Militarized Vocational Training Comes to Tibet, in: China Brief Volume 20 Issue 17, 22.09.2020 108 Ebd. Länderreport China 14

Teilnahme an einem Arbeitskräftetransferprogramm. Das Ergebnis ist bei beiden Szenarien, dass die von den Maßnahmen Betroffenen ihre traditionelle Lebensweise gegen ein messbares Einkommen eintauschen. Gleichzeitig gehen Landrechte an den Staat über, welche dieser unter anderem zum Abbau von Bodenschätzen oder für touristische Attraktionen nutzen kann.109 Dass all dies in vielen Fällen nicht auf freiwilliger Basis geschieht, geht aus einem von der Regierung des AGT veröffentlichten Bericht hervor. Darin heißt es, lokale Kader würden Dorfversammlungen abhalten, um die anfangs meist wenig überzeugte Zielgruppe des Programms zur der Einsicht zu bringen, „dass niemand von ihnen verlange, der Armut zu entkommen, sondern dass sie es selbst seien, die der Armut entkommen wollen“.110

Die Kampagne zur Errichtung „Neuer Sozialistischer Dörfer“ verfolgt ebenfalls das Ziel, wirtschaftliche Probleme zu lösen und gleichzeitig „separatistische“ Tendenzen in der tibetischen Bevölkerung zu bekämpfen.111 Im Rahmen dieses Vorhabens und unter der Überschrift „Komfortables Wohnen“ (anju gongcheng) wurden im AGT zwischen 2006 und 2012 zwei Millionen Tibeterinnen und Tibetern umgesiedelt. Die Umsiedlungen erfolgten durch Umzüge in neu errichtete tibetische Siedlungen oder durch den Abriss und Wiederaufbau vorhandener Häuser. In den Jahren 2006 bis 2010 war dies für mindestens 20 % der von den Maßnahmen betroffenen Personen mit einem Ortswechsel verbunden.112

In Qinghai wurden im Zuge der dortigen Politik der „Umweltmigration“ (shengtai yimin) seit den frühen 2000er Jahren 300.000 tibetische Nomadinnen und Nomaden sesshaft gemacht. Sie mussten ihr Weideland verlassen, damit dieses aufgeforstet werden oder das Grasland geschützt und „sinnvoll genutzt“113 werden kann.114 In die Kategorien „Schutz“ und „sinnvolle Nutzung“ fällt auch die Errichtung von Nationalparks. Eines der ersten Pilotprojekte lief 2016 mit dem Sanjiangyuan-Park an, auf dessen Gelände drei bedeutsame Flüsse entspringen: Der Jangste (Changjiang), der Gelbe Fluss (Huanghe) und der Mekong (Lancang). Von Regierungsseite heißt es, die Einrichtung eines Naturschutzgebietes in dieser Region sei aufgrund menschlicher Zerstörung, etwa durch Weidetierhaltung, notwendig geworden. Die nomadische und landwirtschaftliche Bevölkerung der Region solle in die Umweltschutzarbeit eingebunden werden und ihren Lebensunterhalt mit verschiedenen Jobs, welche der Park generiert, verdienen.115 Neben verschiedenen Arten von Schutzzonen umfasst der Nationalpark auch sogenannte „Pufferzonen“, welche für Entwicklung freigegeben sind. Es ist davon auszugehen, dass hierunter auch Dammbau- und Wasserumleitungsprojekte laufen.116

Offiziellen Angaben zufolge kam es bei keiner der Kampagnen zur Ausübung von Zwang. Den betroffenen Personen sei es sogar freigestellt worden, zu bleiben, wo sie sind, oder jederzeit zu ihren Herden zurückzukehren.117 Fälle, in denen Personen unter Anwendung körperlicher Gewalt aus ihren Wohnungen entfernt wurden, sind nicht bekannt. Von einer Menschenrechtsorganisationen und Forschenden befragte Betroffene gaben jedoch an, dass ihnen keine Alternativen angeboten worden seien.118 Zudem hätten lokale Kader die mittels Richtlinienpapieren und Verordnungen vollzogenen Maßnahmen als geltende Gesetze dargestellt und angedeutet, dass Widerstand als Separatismus eingestuft werden und mehrjährige Gefängnisstrafen nach sich ziehen könne. Im Kreis Aba (Provinz Sichuan) wurden im Juli 2012 zwei Nomaden

109 Ebd.; Deutsche Welle: Armutsbekämpfung mit Nebenwirkungen in Tibet, 25.09.2020 110 China Tibet News Network: 双湖县构建牧业产业现代化体系 助力脱贫攻坚 [Shuanghu county to build a modern system of animal husbandry industry to help out of poverty], 01.07.2020 111 Human Rights Watch: China: Zwangsumsiedlung von Tibetern beenden, 28.06.2013 112 Human Rights Watch: “They Say We Should Be Grateful.” Mass Rehousing and Relocation Programs in Tibetan Areas of China, 27.06.2013, S. 75 113 Ministry of Ecology and Environment of the People’s Republic of China: 中华人民共和国草原法 [Law of the People's Republic of China on Grasslands], 28.12.2002, abgerufen am 28.04.2021, Art. 18 114 Human Rights Watch: “They Say We Should Be Grateful.” Mass Rehousing and Relocation Programs in Tibetan Areas of China, 27.06.2013, S. 40 115 Larson, Christina, und Wang, Emily: Yellowstone in Tibet: China designs new national park system, in: The Christian Science Monitor, 12.11.2019; Xinhua: China’s first national park to open in 2020, 18.01.2018 116 Buckley, Michael: Protecting the grasslands, ohne Datum 117 Xihai Metro News: 三江源地区 3050 户牧民今冬明春实现定居 [3,050 herder households from the Three Rivers Area will resettle between this winter and next spring], 02.12.2004; : 三江源生态移民工作充分尊重藏族牧民的选择权 [The ecological resettlement work in the Three Rivers Area amply respects the Tibetan herders’ right to choose], 30.10.2006 118 Human Rights Watch: “They Say We Should Be Grateful.” Mass Rehousing and Relocation Programs in Tibetan Areas of China, 27.06.2013, S. 7 Länderreport China 15

wegen des Protests gegen die Umsiedlungspolitik zu Haftstrafen von drei und vier Jahren verurteilt.119 Um Druck auszuüben sei nomadischen Gemeinden außerdem mit der Streichung staatlicher Unterstützung gedroht worden. Eine weitere Methode, von der die Kader in ihrer Überzeugungsarbeit häufig Gebrauch machten, bestand darin, Nomadinnen und Nomaden Vereinbarungen über staatliche Zuschüsse im Zusammenhang mit den Umsiedlungen unterschreiben zu lassen. Aus diesen war für die Unterzeichnenden aufgrund ihres niedrigen Bildungsstands nicht ersichtlich, dass im Gegenzug Land und Viehherden abgegeben werden müssen.120

Im Zuge des Umzugs in die neuen Siedlungen mussten viele Tibeterinnen und Tibeter ihren Nutztierbestand aus Platzgründen reduzieren oder aufgrund der großen Entfernung vom ursprünglichen Wohnort ganz zurücklassen. Für zahlreiche Familien bedeutete dies den Verlust einer wichtigen oder ihrer wichtigsten Einkommensquelle. Gleichzeitig sahen sie sich nach dem Umzug höheren Lebenshaltungskosten gegenüber.121 Obwohl es einigen gelang, sich an die neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen und von den Möglichkeiten Gebrauch zu machen, welche sich in vielen Fällen durch die neue Nähe zum städtischen Raum eröffneten, blieb es für eine große Zahl der Umgesiedelten schwierig, andere Einkommen generierende Beschäftigungen zu finden. Sie bleiben in ihrem neuen Umfeld oft gesellschaftlich marginalisiert und müssen zudem mit besser qualifizierten han-chinesischen Arbeitsmigrantinnen und -migranten konkurrieren, die auf Anreize der Regierung nach Tibet einwandern und auf dem dortigen Arbeitsmarkt bevorzugt werden.122 Viele ehemalige Nomadinnen und Nomaden in Qinghai lebten nach der Umsiedlung ausschließlich von staatlichen Zuwendungen. Nach der Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen fehlte es meist an Möglichkeiten, die neu erworbenen Kenntnisse einzusetzen.123 2010 waren 60 % der Bewohnerinnen und Bewohner der Umsiedlungsdörfer im Bezirk Yushu arbeitslos.124

Eine enorme Verschlechterung der finanziellen Situation stellten die Umsiedlungen aber auch deshalb dar, weil die Regierung die neuen Wohnungen nicht kostenlos zur Verfügung stellt: Bis zu 75 % der Kosten müssen die betroffenen Haushalte selbst tragen und dafür oft hohe Kredite aufnehmen.125 Währenddessen lassen die Qualität und die Eignung der neuen Häuser für die landwirtschaftliche Nutzung häufig zu wünschen übrig.126 Denjenigen, die ihre Häuser selbst renovieren oder neu bauen mussten, sagten die lokalen Behörden Ausgleichszahlungen zu. Häufig wurden diese nach Abschluss der Bauarbeiten nur in Teilen oder gar nicht geleistet.127 Das Layout der neuen Siedlungen und umgestalteten Dörfer dient mehr dazu, die Überwachung der Gemeinden durch die Behörden zu erleichtern, als dass es an den Bedürfnissen und Lebensweisen der

119 Ebd., S. 64-65 120 Ebd., S. 65-67; Ptackova, Jarmila: Sedentarisation of Tibetan nomads in China: Implementation of the Nomadic settlement project in the Tibetan Amdo area; Qinghai and Sichuan Provinces, in: Pastoralism: Research, Policy and Practice Vol. 1 No. 4, 09.05.2011 121 Human Rights Watch: “They Say We Should Be Grateful.” Mass Rehousing and Relocation Programs in Tibetan Areas of China, 27.06.2013, S. 99-100 122 Ebd., S. 96-97; Deutsche Welle: Die Macht der Massen – Chinas Siedlungspolitik in Tibet, 06.03.2009; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy: Distorted Development. Chinese Discourse on the Right to Development and its Implementation in Tibet, February 2021, S. 20; The Guardian: Tibet could be ‘swamped’ by mass Chinese settlement after Olympics, says Dalai Lama, 24.05.2008; Während Tibeterinnen und Tibeter 88 % der ländlichen Bevölkerung im AGT stellen, sind Lhasa, Xining, Xigazê (chin. Rikaze) und andere große Städte in den tibetischen Regionen mehrheitlich von Han-Chinesinnen und Han-Chinesen bewohnt. Diese dominieren dort die sekundären und tertiären Wirtschaftssektoren, auf welche sich die Investitionen und das Wachstum konzentrieren, die Verwaltung und das Militär. In offiziellen Bevölkerungsstatistiken, die beispielsweise für das AGT gerade einmal 159.000 han-chinesische Bewohnerinnen und Bewohner listen, tauchen viele von ihnen wahrscheinlich gar nicht auf, weil sie als temporäre Siedlerinnen und Siedler geführt werden. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass sich der Großteil der han-chinesischen Bevölkerung Tibets im Rahmen einer gezielten chinesischen Siedlungspolitik permanent dort niedergelassen hat. Als Ziel dieser offiziell nicht existenten Politik wird neben der systematischen Ausbeutung von Bodenschätzen auch einer Verwässerung der tibetischen Kultur gesehen. 123 Ebd., S. 104-105 124 Zhang Chao, Wang Yanlin: 三江源区移居后的牧民 [Resettled nomads from the Three Rivers Area], in: Economy and Nation Weekly, 30.10.2010 125 Human Rights Watch: “They Say We Should Be Grateful.” Mass Rehousing and Relocation Programs in Tibetan Areas of China, 27.06.2013, S. 9 126 Ebd., S. 81-85 127 Ebd., S. 73-78 Länderreport China 16

ländlichen Bevölkerung ausgerichtet ist. Einige der Siedlungen wurden zudem auf ungeeignetem oder gefährlichem Terrain gebaut.128 2020 dauerten die Umsiedlungsmaßnahmen noch an.129

3.2. Kontrolle und Überwachung Die trotz der Reformen der 1980er Jahre anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Tatsache, dass das Autonomiegesetz faktisch nicht in mehr Selbstbestimmungsrechte übersetzt wurde, und ein infolge einer Phase religiöser und kultureller Liberalisierung gewachsenes ethnisches Selbstbewusstsein mündeten im März 1989 in die größten anti-chinesischen Demonstrationen in Lhasa seit 1959. 10.000 Tibeterinnen und Tibeter beteiligten sich daran.130 Was mit einem Dutzend friedlicher Protestierender begann, endete mit dem Tod von 57 Menschen durch Polizeischüsse und der Verhängung des Kriegsrechts über das AGT für 13 Monate.131 Diese und über hundert andere Demonstrationen, die zwischen 1987 und 1996 stattfanden, wurden von der chinesischen Regierung als separatistisch eingestuft und als das Ergebnis einer Verschwörung der „Clique des Dalai Lamas“, welche die Errichtung eines unabhängigen tibetischen Staates zum Ziel habe, gesehen.132 Neben dem Einsatz von tödlicher Gewalt gegen Demonstrierende folgte als logische Konsequenz eine Revision der relativ liberalen Tibet-Politik der 1980er Jahre.

Am Anfang dieses Prozesses standen personelle Konsequenzen. Führende Politiker, die sich in der tibetischen Bevölkerung großer Beliebtheit erfreuten, wie der Parteisekretär des AGT Wu Jinghua, ein Angehöriger der Yi- Nationalität, und der tibetische Bürgermeister von Lhasa, Loga, wurden abgesetzt. An ihre Stelle traten pekingtreue Hardliner.133 Zwar sieht das Gesetz die Besetzung von Parteisekretärs- und Gouverneursposten in autonomen Gebieten und Bezirken von Minderheitsnationalitäten mit Personen vor, die der jeweiligen Nationalität angehören. Doch dies ist im AGT und in den tibetischen autonomen Bezirken außerhalb des AGT nicht die Regel. Seit der Absetzung Wu Jinghuas wurde das Amt des Parteisekretärs des AGT ausschließlich mit han-chinesischen Politikern besetzt. Han-Personen bekleiden im AGT auch einen überproportionalen Anteil politischer Spitzenpositionen in den Bereichen Sicherheit, Militär, Finanzen, Wirtschaft, Recht, Justiz und Erziehung. Von den neun tibetischen autonomen Bezirken wird aktuell nur der Bezirk Haibei in der Provinz Qinghai von einem tibetischen Parteisekretär geleitet. Traditionelle Dorfvorsteher im AGT und in anderen tibetischen Regionen wurden durch Kader der Kommunistischen Partei ersetzt.134 Nach dem im AGT 1993 verabschiedeten Organgesetz für Dorfkomitees in der VR China darf für Dorfkomiteewahlen nur kandidieren, wer „Separatismus ablehnt“.135 Basierend auf dieser Richtlinie wurde in einigen Fällen die Verurteilung des Dalai Lamas zur Voraussetzung für eine Kandidatur gemacht.136

Eine weitere Konsequenz aus den Protesten von 1989 war die Verstärkung der im AGT stationierten Truppen der Volksbefreiungsarmee, die zunächst im Rahmen der Niederschlagung der Proteste und der anschließenden Verhängung des Kriegsrechts erfolgte. Zu diesem Zweck wurden mindestens 14.000 zusätzliche Streitkräfte in das AGT verlegt. Außerdem errichtete die VBA militärische Kontrollpunkte in der gesamten Region.137 Es kann davon ausgegangen werden, dass die Militärpräsenz auch nach der Aufhebung des Kriegsrechts im Mai 1990

128 Ebd., S. 86 129 U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) – Tibet, 30.03.2021, S. 13 130 Heberer, Thomas: Die Tibet-Frage als Problem der internationalen Politik, in: Außenpolitik III/95, 1995, S. 301-302, S. 305; Kollmar- Paulenz, Karénina: Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck, München, 2014, S. 169-170; Barnett, Robert: About the Riots in Lhasa, in: Blondeau, Anne-Marie, und Buffetrille, Katia(Hrsg.): Authenticating Tibet. Answers to China’s 100 Questions. University of California Press, Berkeley, 2008, S. 362 131 Barnett, Robert: About the Riots in Lhasa, in: Blondeau, Anne-Marie, und Buffetrille, Katia (Hrsg.): Authenticating Tibet. Answers to China’s 100 Questions. University of California Press, Berkeley, 2008, S. 313-316 132 Ebd. S. 316-317 133 Ebd. S. 326 134 U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) – Tibet, März 2021, S. 17-18 135 The National People’s Congress of the People’s Republic of China: 西藏自治区实施《中华人民共和国村民委员会组织法》办法 [Measures of the Tibet Autonomous Region for the implementation of the organic law of the villagers' committees of the people's Republic of China], 28.11.2012 136 U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) – Tibet, 30.03.2021, S. 17 137 Barnett, Robert: About the Riots in Lhasa, in: Blondeau, Anne-Marie, und Buffetrille, Katia (Hrsg.): Authenticating Tibet. Answers to China’s 100 Questions. University of California Press, Berkeley, 2008, S. 326 Länderreport China 17

nicht abnahm, da die chinesischen Behörden seitdem sowohl spontane Protestaktionen als auch sensible Jahres- und Feiertage zum Anlass für lokale Erhöhungen des Truppenaufkommens nehmen.138 Nach den Unruhen vom März 2008, die, wie schon die Eskalation der Proteste von 1989, durch gewaltsames Vorgehen von Sicherheitskräften gegen friedliche Demonstrierende ausgelöst wurden,139 kam eine große Zahl permanent in Tibet stationierter bewaffneter Polizeikräfte hinzu.140

Mit der Einrichtung hunderter neuer „Polizei-Servicezentren“ (bianmin jingwu zhan) seit September 2011 wurde die Allgegenwärtigkeit der Polizei im tibetischen Alltag weiter gefestigt. Allein in Lhasa eröffneten 135 solcher Stationen. Sie sollen dafür sorgen, dass die Bevölkerung und Geschäftstätige „beruhigt ihrem Alltag und Reisende sorglos ihrem Vergnügen nachgehen können“.141 Im August 2020 gab es nach Informationen der Zentralen Kommission für Politik und Recht im ganzen AGT 698 solcher Polizeiposten. Diese sind unter anderem mit der Durchführung von Kontrollgängen in und Inspektionen von Partei- und Regierungsbehörden, Schulen, Krankenhäusern, Tankstellen, Wasserquellen, Umspannwerken, Kaufhäusern, Märkten, Parkplätzen, Schauspielhäusern, Hotels, Teehäusern, Internetcafés und anderen Orten mehrmals täglich befasst, um latente Gefahren rechtzeitig erkennen und entsprechend handeln zu können. Insgesamt 152 Straftaten seien auf diesem Wege aufgedeckt worden. 213 Verdächtige seien im Rahmen der Patrouillen festgenommen, über 18.000 Personen „belehrt“ worden.142 Ergänzend zu den städtischen Polizei-Servicezentren stattet die Regierung seit 2020 auch Dörfer mit speziellen Polizeistationen aus.143 Diese sollen nach dem Vorbild einer Vorgehensweise funktionieren, die sich während der Zeit der Kulturrevolution im Dorf Fengqiao (Provinz Zhejiang) etablierte: die Lösung von Konflikten innerhalb der Gemeinde „an Ort und Stelle“ und durch die Gemeinde selbst, ohne eine nächsthöhere Instanz anzurufen.144 Während der Kulturrevolution hieß dies, dass die Bewohnerinnen und Bewohner „Klassenfeinde“ unter sich identifizierten und selbst Maßnahmen zu deren Umerziehung ergriffen. In der heutigen Zeit bedeutet es die menschliche und technologische Überwachung der Dorfgemeinde, um „potenzielle Gefahren für die soziale Stabilität erkennen und entschärfen“ zu können. Dieses System dürfte vor allem auf den Einsatz in den „Neuen Sozialistischen Dörfern“ ausgerichtet sein.145 Zum Zeitpunkt seiner Einführung existierten bereits drei verschiedene Überwachungs- und Kontrollmechanismen auf Dorfebene, die im Folgenden beschrieben werden.

Bereits 2011 wurde in den Dörfern ein ursprünglich auf drei Jahre begrenztes, 2014 jedoch auf unbestimmte Zeit verlängertes Überwachungsprogramm eingeführt, in dessen Rahmen Teams aus Parteikadern in Gemeinden und auch in religiösen Einrichtungen stationiert werden (zhucun gongzuodui). Dort überwachen sie die lokale Bevölkerung, um deren politische Ansichten zu eruieren und möglichem Dissens entgegenzuwirken. Letzteres geschieht durch politische Unterweisungen entweder in einzelnen Haushalten oder im Rahmen von Unterrichtsveranstaltungen. Zudem werben die Kader für den Beitritt in die Kommunistische Partei und richten kulturelle Veranstaltungen aus, auf denen sozialistische Werte vermittelt

138 Minorities at Risk Project: Chronology for Tibetans in China, 2004 139 Blume, Georg: Die Chaos-Tage von Lhasa, in: SPIEGEL Geschichte, 16.03.2018; Human Rights Watch: “They Say We Should Be Grateful.” Mass Rehousing and Relocation Programs in Tibetan Areas of China, 27.06.2013, S. 35; Am 10. März 2008 und an den darauffolgenden Tagen gingen zunächst in Lhasa und dann auch in umliegenden Klöstern und anderen tibetischen Städten Nonnen, Mönche und Laien auf die Straße, um des fehlgeschlagenen Aufstands von 1959 zu gedenken. Als chinesische Sicherheitskräfte einschritten, schlugen die Proteste in Gewalt um. In Lhasa kam es zur Verwüstung chinesischer Geschäfte und zu Angriffen auf chinesische Personen. Besonders junge Menschen machten ihrem Ärger über die Diskriminierung der Tibeterinnen und Tibeter im Alltag und auf dem Arbeitsmarkt im eigenen Land Luft. Nach chinesischen Angaben kamen 23 Personen, Angaben der tibetischen Exilregierung zufolge bis 100 Personen ums Leben. Nach einem Tag des Chaos rückte am 15. März 2008 die Volksbefreiungsarmee ein, um die Unruhen zu beenden. Zu einer blutigen Niederschlagung kam es nicht, wohl aber zu zahlreichen Verhaftungen. Journalistinnen und Journalisten und ausländische Personen wurden aus dem AGT ausgewiesen und chinesische Staatsmedien machten die „Dalai-Clique“ für die Gewalt verantwortlich. Diese habe die 2008 zum ersten Mal in China ausgetragenen Olympischen Sommerspiele sabotieren und interethnische Spannungen anfachen wollen. 140 Human Rights Watch: “They Say We Should Be Grateful.” Mass Rehousing and Relocation Programs in Tibetan Areas of China, 27.06.2013, S. 35 141 Sohu.com: 便民警务站:西藏独特的风景百姓中心的守护神 [Convenience police station: the guardian God of Tibet's unique people center], Juli 2019 142 China Peace Net: 西藏共建立 698 个便民警务站,群众满意度达 98%以上 [A total of 698 convenient police stations have been set up in Tibet, and the satisfaction of the masses has reached more than 98%], 30.08.2020 143 Human Rights Watch: China Delves into Past to Police Tibet’s Future, 07.09.2020 144 People’s Daily: 同心共筑平安梦(中国制度面对面 )——共建共治共享的社会治理制度如何搭建? [Build a peaceful dream together (Face to face with China's system (10)) – How to build a social governance system of co-construction, co-governance and sharing?], 12.08.2020 145 Human Rights Watch: China Delves into Past to⑩ Police Tibet’s Future, 07.09.2020 Länderreport China 18

und zum Bruch mit „schlechten alten Traditionen“ aufgerufen wird. Jährlich werden zu diesem Zweck zwischen 21.000 und 22.000 Kader in 5.000 Dörfer geschickt, wo die meist aus vier Personen bestehenden Teams in eigens für sie errichteten Gebäuden (durchschnittlich sechs Gebäude pro Dorf) untergebracht sind. Offiziell wurde das Programm zur „Stärkung der Basis zum Nutzen der Massen“ entwickelt.146 Im Januar 2012 kündigte die Regierung des AGT auf Anweisungen des damaligen Präsidenten Hu Jintao die flächendeckende Einführung des sogenannten „Netzmanagements“ (wanggehua guanli) „als Schlüssel zur Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Stabilität“ in Tibet an. Dieses System sieht die Unterteilung von Wohnvierteln und Gemeinden in kleine Einheiten vor, mit deren Überwachung meist Freiwillige aus der Zivilbevölkerung beauftragt werden. Ihre Tätigkeit beinhaltet das Sammeln von Daten über alle Bewohnerinnen und Bewohner der jeweiligen Einheit sowie über alle Ereignisse und Angelegenheiten, welche diese betreffen.147 Ein weiteres wichtiges Werkzeug bleibt das zwischen 2012 und 2016 errichtete System der „doppelt verbundenen Haushalte“ (shuang lian hu). Es bildet die „unterste Ebene der staatlichen Überwachung“148 und erreicht über drei Millionen Menschen. In Einheiten von jeweils zehn Haushalten zusammengefasst beobachten diese sich gegenseitig und melden Sicherheitsrisiken und religiösen Extremismus, aber auch wirtschaftliche Schwierigkeiten an die Behörden.149 2020 wurden in den tibetischen Regionen – zusätzlich zu den zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verhängten Reisebeschränkungen – Straßensperren und Kontrollpunkte errichtet, welche den Zugang zu sensiblen Gebieten überwachen und regeln. Neben ausländischen Reisenden wurden auch Tibeterinnen und Tibeter kontrolliert und in vielen Fällen abgewiesen, wenn sie nicht ortsansässig waren. Besonders strengen Kontrollen mussten sich dabei Nonnen und Mönche unterziehen.150

Unterstützt werden die oben beschriebenen Maßnahmen durch den Einsatz von Hochtechnologie. 2020 waren in ganz China mehrere zehn Millionen Überwachungskameras im Einsatz, welche, ausgestattet mit Gesichts- und Gangerkennung, die schnelle Identifizierung von Individuen in Menschenansammlungen ermöglichen sollen und Menschenrechtsorganisationen zufolge gezielt zur Überwachung und Einschüchterung von politisch Andersdenkenden, religiösen Oberhäuptern und Gläubigen und speziell tibetischen und uigurischen Personen eingesetzt werden. Auch in buddhistischen Klöstern im AGT und in anderen tibetischen Siedlungsgebieten sind deshalb Kameras installiert. Medienberichten zufolge sollen chinesische Unternehmen darüber hinaus Technologien zur Identifizierung bestimmter ethnischer Gruppen und dazugehörige Warnsysteme entwickelt haben. Ein weiteres Mittel der Kontrolle steht den Sicherheitsbehörden mit dem Abhören und der Überwachung von Telefon- und Internetkommunikation und dem Kappen von Kommunikationsnetzen im Falle „sicherheitsrelevanter Ereignisse“ zur Verfügung.151 Besonders betroffen sind hiervon Tibeterinnen und Tibeter, die Angehörige in Indien oder Nepal oder allgemein Kontakt zu (tibetischen) Personen im Ausland haben. Ab April 2020 überprüften Behörden im Kreis Dingri (bezirksfreie Stadt Xigazê) zwischen 4.000 und 5.000 Familien mit verwandtschaftlichen Verbindungen nach Indien und Nepal und speicherten deren persönliche Informationen und Social Media-Accounts. Eine Unterbindung von Kontakten zu Exiltibeterinnen und Exiltibetern in Indien erfolgt mitunter durch Festnahmen. Aber auch innerhalb Chinas werden Kontakte zwischen Tibeterinnen und Tibetern überwacht oder eingeschränkt.152

146 Human Rights Watch: China: No End to Tibet Surveillance Program. 21,000 Officials Stationed Indefinitely in Villages, 18.01.2016; Tibetan Centre for Human Rights and Democracy: Chinas Überwachungsprogramm für Tibeter geht in das sechste Jahr, Einsatz von 22.000 Kadern auf Dorfebene, 30.11.2016 147 Human Rights Watch: China: Alarming New Surveillance, Security in Tibet. Restrictions Tightened on Tibetans Despite Lack of Threat, 20.03.2013; Zenz, Adrian: Xinjiang’s System of Militarized Vocational Training Comes to Tibet, in: China Brief Volume 20, Issue 17, 22.09.2020 148 Tibetan Centre for Human Rights and Democracy: Chinas Überwachungsprogramm für Tibeter geht in das sechste Jahr, Einsatz von 22.000 Kadern auf Dorfebene, 30.11.2016 149 Tibetan Review: Party boss Chen Quanguo replicating his Tibet policy in Xinjiang, 13.12.2016; Zenz, Adrian: Xinjiang’s System of Militarized Vocational Training Comes to Tibet, in: China Brief Volume 20, Issue 17, 22.09.2020; U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet), März 2021, S. 25 150 U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) – Tibet, 30.03.2021, S. 15-16 151 U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet), März 2021, S. 22-23 152 Congressional Executive Commission on China: 2020 Annual Report, 12.01.2021, S. 329 Länderreport China 19

Im Zusammenhang mit der Sicherung der Region ist außerdem die Rolle des Ausbaus der Eisenbahnverbindung zwischen dem AGT und zentralchinesischen Provinzen nicht zu unterschätzen. Die Fertigstellung des bislang größten Projekts, einer geschätzt 33 Milliarden Euro teuren Bahnstrecke zwischen Chengdu (Provinzhauptstadt von Sichuan) und Lhasa, ist für das Jahr 2030 geplant.153 Vor Beginn der Bauarbeiten am letzten und schwierigsten Streckenabschnitt zwischen Ya’an (Sichuan) und Nyingtri (chin. Linzhi; AGT) betonte Xi Jinping die Bedeutung der Bahnverbindung für die wirtschaftliche Entwicklung Tibets – und für die Sicherung der nationalen Einheit und die Konsolidierung der Grenzregionen.154 Von einer intensiven militärischen Nutzung, wie dies bereits bei der 2006 fertiggestellten und 2014 verlängerten Qinghai-Tibet-Bahn (Qingzang-Bahn) der Fall ist, kann daher ausgegangen werden. Die deutliche Verkürzung der Reisezeit vom Landesinneren nach Lhasa von 48 auf 13 Stunden und der Verlauf der neuen Strecke nahe den südwestlichen Grenzgebieten wird Pekings sicherheitspolitischer Agenda sowohl bezüglich des chinesisch-indischen Grenzkonflikts als auch im Hinblick auf potenzielle nationale Konfliktherde zugutekommen.155 Hiervon gehen Menschenrechtsorganisationen und externe Beobachter aus, während auch chinesische Staatsmedien diese Vorzüge der neuen Bahn offen nennen.156 Vor der Inbetriebnahme des ersten Streckenabschnitts der Qingzang-Bahn zwischen Xining (Qinghai) und Golmud (chin. Ge’ermu; Qinghai) im Jahr 1984 dienten Überlandstraßen, deren Bau seit den 1950er Jahren vorangetrieben wird, dem Transport von „Wagenladungen von VBA-Soldaten, die zur Niederschlagung lokaler Unruhen und zur Konsolidierung der militärischen und administrativen Kontrolle der VR China über Tibet gebraucht wurden.“157

3.3. Einschränkungen der Meinungsfreiheit und des Informationsflusses Ein besonderes Augenmerk legen die chinesischen Behörden bei der Kontrolle und Überwachung von Informationsaustausch auf Inhalte und Äußerungen, die Kritik an der chinesischen Regierung, der Kommunistischen Partei und der chinesischen Tibet-Politik beinhalten oder allgemein eine potenzielle Gefährdung der Stabilität in der Region darstellen. Bereits unter Chen Kuiyuan, der Hu Jintao 1992 als Parteisekretär des AGT nachfolgte, nahmen die Einschränkungen der politischen Rede und der freien Meinungsäußerung so weit zu, dass ab 1994 sogar Demonstrationen gewaltsam aufgelöst wurden, die sich mit wirtschaftlichen und sozialen Themen befassten. Das öffentliche Hinweisen auf Probleme wie Inflation und Arbeitslosigkeit war in den Augen der Führung des AGT eine getarnte Methode von Unterstützerinnen und Unterstützern des Dalai Lamas, um die Gesellschaft zu spalten und für ein unabhängiges Tibet zu werben.158 Die stärksten Reaktionen auf Seiten der chinesischen Behörden rufen heute – neben Protesten, die offen die Unabhängigkeit Tibets fordern – Forderungen zur Wahrung der tibetischen Sprachrechte und zum Schutz der Natur sowie Versammlungen im Zusammenhang mit religiösen Festtagen und bestimmten Jahrestagen hervor. So erhielten Klöster und Dörfer im AGT und in tibetischen Siedlungsgebieten in Sichuan, Qinghai und Gansu im Jahr 2020 Warnungen vor der Abhaltung von Versammlungen zur Feier des Geburtstags des Dalai Lamas.159 Diese Feiern sind, ebenso wie die Verbreitung von Inhalten, welche einen hohen Grad der tibetischen Autonomie oder die vom Dalai Lama befürwortete Politik des Mittleren Wegs unterstützen, illegal. Gemäß einer im September 2019 in Kraft getretenen Verordnung über die „Eliminierung von Pornografie und illegalen

153 Tibetan Centre for Human Rights and Democracy: Distorted Development. Chinese Discourse on the Right to Development and its Implementation in Tibet, February 2021, S. 17; Rhamachandran, Sudha: Tibet Railway Network Speeding Up to the Indian Border, in: China Brief Volume 20 Issue 21, 06.12.2020 154 Xinhua Net: Xi Focus: Xi stresses building high-quality Sichuan-Tibet Railway, 08.11.2020 155 Tibetan Centre for Human Rights and Democracy: Distorted Development. Chinese Discourse on the Right to Development and its Implementation in Tibet, February 2021, S. 16-17; Rhamachandran, Sudha: Tibet Railway Network Speeding Up to the Indian Border, in: China Brief Volume 20 Issue 21, 06.12.2020; Briginshaw, David: China starts work on central section of Sichuan-Tibet Railway, in: International Railway Journal, 11.11.2020; Radio Free Asia: Railway Planned for Tibet Will Strengthen China’s Regional Control: Experts, 04.11.2020 156 Tibetan Centre for Human Rights and Democracy: Distorted Development. Chinese Discourse on the Right to Development and its Implementation in Tibet, February 2021, S. 16-17; Arpi, Claude: Two New Chinese Railway Lines to the Indian Border, in: Indian Defense Review, 06.08.2016; Fan Anqi, und Li Qingqing: Construction of Sichuan-Tibet railway to boost local development and border stability, in: Global Times, 31.10.2020 157 Rhamachandran, Sudha: Tibet Railway Network Speeding Up to the Indian Border, in: China Brief Volume 20 Issue 21, 06.12.2020 158 Barnett, Robert: About the Riots in Lhasa, in: Blondeau, Anne-Marie, und Buffetrille, Katia (Hrsg.): Authenticating Tibet. Answers to China’s 100 Questions. University of California Press, Berkeley, 2008, S. 327 159 U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet), März 2021, S. 15 Länderreport China 20

Inhalten“ wird das Melden solcher verbotenen politischen Inhalte finanziell belohnt.160 Kommt es zu öffentlichen Unabhängigkeitsforderungen in der Form von Straßenprotesten, wie dies in der jüngeren Vergangenheit beispielsweise im November 2019 im tibetischen autonomen Bezirk Garzê der Fall war, so können neben den Protestierenden auch mit diesen in Verbindung stehende Personen, Sympathisantinnen und Sympathisanten sowie Personen, die Informationen über die Ereignisse ins Ausland schicken, mit Festnahmen rechnen.161 Maßnahmen dieser Art dürften auch ein Grund für den Rückgang der seit März 2009 auftretenden Fälle von Selbstverbrennungen sein. Bis November 2019 setzten sich insgesamt 156 tibetische Personen selbst in Brand, um gegen religiöse und politische Unterdrückung durch die chinesische Regierung zu protestieren.162 Zu den Strafen, welche chinesische Behörden über Angehörige und andere mit den Protestierenden in Verbindung stehende Personen verhängten, gehörte auch das Einbehalten von Sozialleistungen. Außerdem wurde die Teilnahme an Trauerveranstaltungen und Bestattungsritualen für die im Feuer gestorbenen Personen untersagt. Darüber hinaus sind sämtliche mit dem Akt der Selbstverbrennung in Verbindung stehende Handlungen strafbar, darunter die Organisation, die Anstiftung und die Beihilfe zur Tat. Im Falle eines Schuldspruchs kann eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung erfolgen.163

3.4. Sinisierung der tibetischen Kultur Am 1. Mai 2020 traten im AGT die Bestimmungen zur Errichtung eines Modellgebiets für ethnische Einheit und Fortschritt in Kraft.164 Diese schreiben zwar den Schutz von Teilen der tibetischen Kultur (Art. 11, 13, 14), die Zweisprachigkeit in der Bildung (Art. 12) und die Verwendung sowohl der chinesischen als auch der tibetischen Schrift in öffentlichen Einrichtungen, auf Aushängen, Produkten und in der Werbung vor (Art. 22). Zugleich fordern die Bestimmungen aber ein Festhalten an der Tendenz zur Sinisierung (zhongguohua) der Religionen (Art. 19) und die Förderung des Sozialismus chinesischer Prägung und der Liebe zum chinesischen Mutterland in sämtlichen Lebensbereichen.165 Zudem stellt die Forderung nach „ethnischer Einheit“ und damit der Repräsentation von tibetischen und han-chinesischen Personen auf allen Ebenen der Verwaltung, in Schulen, Privatunternehmen, religiösen Einrichtungen und im Militär in gleichem Maße (Art. 31) nach Auffassung von Menschenrechtsorganisationen einen Verstoß gegen das Prinzip der privilegierten Behandlung von Tibeterinnen und Tibetern zum Schutz der tibetischen Kultur und Lebensweise dar.166 Aus diesem Grund befürchten Menschrechtsorganisationen, dass langfristig eine vollständige Sinisierung der tibetischen Kultur stattfinden wird.167

Bereits im September 2019 hatte Xi Jinping in einer öffentlich gehaltenen Rede den Aufbau eines „spirituellen Heimatlands“ für alle Menschen innerhalb der Grenzen Chinas zum Ziel einer neuen chinesischen Nationalitätenpolitik erklärt. Xis Theorie zufolge ist die chinesische Kultur das Ergebnis eines jahrtausendelangen Prozesses der Verschmelzung von Nationalitäten. Zur Entstehung des Geistes der chinesischen Nation habe jede ethnische Gruppe beigetragen, folglich trage jede und jeder in China diesen Geist bereits in sich, was wiederum den „auf einzigartige Weise allumfassenden und absorbierenden Charakter der chinesischen Zivilisation“ beweise. Um diesen Geist ins Bewusstsein der gesamten Bevölkerung zu rufen, müsse entschieden gegen separatistische, extremistische und terroristische Handlungen vorgegangen und die interethnische Vermischung gefördert werden. In diesem Zusammenhang hatte Xi auch angedeutet, dass auf ethnischen Zugehörigkeiten basierende politische und rechtliche Privilegien eingeschränkt werden müssten.168

In die Praxis übersetzt hieß dies beispielsweise, dass chinesische Behörden Tibeterinnen und Tibeter zur Teilnahme an chinesischen und patriotischen Feierlichkeiten nötigten. So nahm die Polizei im September 2019

160 Congressional Executive Commission on China: 2020 Annual Report, 12.01.2021, S. 329 161 Ebd., S. 328-329 162 Human Rights Watch: World Report 2021, ohne Datum, S. 166 163 U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) – Tibet, 30.03.2021, S. 8-9 164 International Campaign For Tibet: Troubling ‘ethnic unity‘ regulations take effect in Tibet May 1, 30.04.2020 165 Science and Technology Department of Tibet: 西藏自治区民族团结进步模范区创建条例 [Regulations on the Establishment of a Model Area for Ethnic Unity and Progress in the Tibet Autonomous Region], 08.05.2020 166 Wangchuk, Tashi: China’s New ‘Ethnic Unity Law‘ is Seen as Effort to Sinicize Tibetan Culture, in: Radio Free Asia, 01.05.2020 167 International Campaign For Tibet: Troubling ‘ethnic unity‘ regulations take effect in Tibet May 1, 30.04.2020, abgerufen am 27.04.2021 168 Leibold, James: Planting the Seed: Ethnic Policy in Xi Jinping’s New Era of Cultural Nationalism, in China Brief Volume 19, Issue 22, 31.12.2019 Länderreport China 21

in Nagchu (chin. Naqu) sechs Tibeter fest, die sich geweigert hatten, ihre Häuser anlässlich des 70. Jahrestags der VR China mit chinesischen Flaggen zu schmücken und Loblieder auf die KPCh zu singen. Während ihrer Haft durften die Männer keinen Besuch erhalten und mussten sich politischen Erziehungsmaßnahmen unterziehen.169 In ihr Heimatdorf wurden zudem bewaffnete Polizeikräfte entsandt.170 In einer im November 2019 durch das Zentralkomitee der KPCh und den Staatsrat der VR China ausgegebenen Richtlinie zur Förderung der patriotischen Erziehung im neuen Zeitalter wurde das gemeinsame Begehen von traditionellen chinesischen Festen als eine Methode zur Förderung des Patriotismus gelistet.171 Im Fokus der Bemühungen steht jedoch die Schuldbildung. In seiner Rede vom September 2019 forderte Xi, dass der „Samen der Liebe für die chinesische Nation tief in die Seele jedes einzelnen Kindes gepflanzt“ werden müsse.172 Im August 2020 rief er erneut dazu auf, die politische Erziehung an Schulen zu stärken, um die Loyalität der nächsten Generation sicherzustellen.173 Vor diesem Hintergrund wurde die Rolle des Hochchinesischen im Bildungsumfeld in den vergangenen Jahren immer weiter gestärkt und das Tibetische zunehmend vernachlässigt oder ganz aus dem Schulunterricht verbannt.174 Schon 2001 hatte die Führung in Peking mit einer Änderung des Autonomiegesetzes von 1984 das Unterrichten chinesischer Sprache und Literatur in tibetischen Grundschulen zur Pflicht gemacht. Zuvor konnte damit bis zum Besuch der Mittelschule gewartet werden.175 Im Januar 2021 erklärten chinesische Behörden lokale Bestimmungen für verfassungswidrig, welche die Verwendung und Entwicklung der Sprachen von Minderheitsnationalitäten fordern. Laut einem durch den Nationalen Volkskongress vorgelegten Bericht stehen nationale Gesetze über lokalen Gesetzen und somit auch über den Gesetzen von autonomen Gebieten und Bezirken. Alle Bestimmungen, welche im Widerspruch zu nationalen Reformbestrebungen stehen, seien zudem „inkonsistent“ und „unangemessen“.176 Dies stellt eine Abweichung vom Autonomiegesetz dar, welches, ebenso wie die Verfassung der VR China, den Angehörigen von Minderheitsnationalitäten das Recht zur Verwendung ihrer eigenen Sprachen garantiert (Art. 10), lokalen Behörden die Bestimmung der Unterrichtssprache an Schulen überlässt (Art. 36) und in autonomen Gebieten eingesetzte han-chinesische Kader zum Erlernen der lokalen Sprache verpflichtet (Art. 49).177

Im Zuge einer weiteren Bildungsinitiative werden viele tibetische Dorf- und Klosterschulen ganz geschlossen und Schülerinnen und Schüler in staatlich geförderte Internate teilweise außerhalb Tibets versetzt. Dort wird ihnen ein kritischer Blick auf das „alte Tibet“ vermittelt und die Ausbildung einer „chinesischen Identität“ bereits im Grundschulalter gefördert. Zu diesem Zweck werden Schülerinnen und Schüler auch an der Teilnahme an tibetischen kulturellen Aktivitäten, der Ausübung ihrer Religion und der Verwendung der tibetischen Sprache gehindert. Gleichzeitig werden sie jedoch getrennt von nicht-tibetischen Schülerinnen und Schülern untergebracht und unterrichtet. Eine traditionelle klösterliche Ausbildung ist Nonnen und Mönchen nur noch ab dem 18. Lebensjahr gestattet.178

3.5. Einschränkungen der Glaubensfreiheit Artikel 36 der Verfassung der Volksrepublik China garantiert dem chinesischen Volk Glaubensfreiheit. Geschützt sind jedoch nur „normale“ religiöse Aktivitäten, von denen keine Gefährdung der gesellschaftlichen Ordnung, keine Verletzung der körperlichen Gesundheit und keine Behinderung des staatlichen Bildungssystems ausgeht. Religiöse Organisationen und religiöse Angelegenheit dürfen zudem nicht unter der

169 Radio Taiwan International: 拒配合籌備十一活動,六名藏人被拘押 [Six Tibetans were detained for refusing to cooperate with the preparations for the 11th National Congress], 30.09.2019 170 Congressional Executive Commission on China: 2020 Annual Report, 12.01.2021, S. 328 171 Leibold, James: Planting the Seed: Ethnic Policy in Xi Jinping’s New Era of Cultural Nationalism, in China Brief Volume 19, Issue 22, 31.12.2019 172 Xinhua Net: 习近平:在全国民族团结进步表彰大会上的讲话 [Xi Jinping: Speech at the National Commendation Conference on National Unity and Progress], 27.09.2019 173 Human Rights Watch: World Report 2021, ohne Datum, S. 166 174 Ebd.; U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) – Tibet, 30.03.2021, S. 20 175 Tibetan Centre for Human Rights and Democracy: China’s rubber-stamp parliament declares use of minority languages “unconstitutional”, 27.01.2021 176 Ebd. 177 The Central People's Government of the People's Republic of China: 中华人民共和国民族区域自治法 [Law of the People's Republic of China on Regional National Autonomy], 29.07.2005 178 U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) – Tibet, 30.03.2021, S. 20 Länderreport China 22

Kontrolle ausländischer Kräfte stehen.179 Zu Letzteren zählen chinesischen Behörden zufolge auch Exiltibeterinnen und Exiltibeter und insbesondere der Dalai Lama.180 Entsprechend ist die tibetische Bevölkerung durch lokale Behörden dazu aufgerufen, jede Person zu melden, die Verbindungen zur sogenannten „Dalai-Clique“ (Dalai jituan) unterhält. Im Januar 2020 gab die Staatsanwaltschaft des AGT die strafrechtliche Verfolgung von 101 Personen wegen angeblicher Mitgliedschaft in der als kriminelle Organisation eingestuften „Dalai-Clique“ und „Gefährdung der politischen Sicherheit“ bekannt. Im Laufe des Jahres 2020 wurden im tibetischen autonomen Bezirk Garzê neun Personen wegen der „Anstiftung zum Separatismus“ verurteilt. Über den Ablauf der Prozesse wurde kaum etwas bekannt.181 Externen Beobachterinnen und Beobachtern zufolge waren Ende 2019 273 Tibeterinnen und Tibeter in Verletzung internationaler Menschenrechtsstandards inhaftiert. Informationen zu Urteilssprüchen gab es in 115 Fällen. Es wurden Strafen von 15 Monaten bis zu lebenslänglicher Haft verhängt. Die tatsächliche Zahl der aufgrund politischer oder religiöser Aktivitäten festgenommenen, verhafteten oder verurteilten Personen dürfte jedoch höher sein. Ehemalige Gefangene berichteten von Folter und Misshandlungen in der Haft, etwa in der Form von Schlägen, Elektroschocks oder sexuellem Missbrauch.182 Auch die Verehrung des Dalai Lamas ist in den meisten tibetischen Regionen verboten183 und wird strafrechtlich geahndet oder auf andere Weise bestraft. So führten in den vergangenen Jahren das Anhören der Lehren des Dalai Lamas per Handy und deren Weitergabe über soziale Medien, das Teilen von Fotos des Dalai Lamas über die Social Media-App WeChat und das Beten zum Dalai Lama zu Festnahmen. Das Aufhängen von Bildern des Dalai Lamas auch zu Hause wurde mit Schlägen durch die Polizei und Festnahmen geahndet.184 Im Januar 2019 erhielt die Bevölkerung des AGT die Anweisung, Hausaltäre mit Schreinen für Xi Jinping und andere hochrangige Mitglieder der KPCh zu ersetzen. Bei Nichtbefolgung wurde mit der Streichung staatlicher Zuschüsse unter anderem für das Bildungswesen gedroht.185

Gleichzeitig sind chinesische Behörden darum bemüht, die öffentliche Meinung zum Nachteil des Dalai Lamas und seiner Anhängerinnen und Anhänger zu beeinflussen, indem sie regelmäßig Beiträge veröffentlichen, die das spirituelle Oberhaupt der Tibeterinnen und Tibeter verunglimpfen und kriminalisieren.186 Im Jahr 2019 ging zudem aus mehreren Ausschreibungen von Stellen im öffentlichen Dienst hervor, dass nur Personen aus dem AGT und anderen tibetischen Regionen berücksichtigt werden können, die sich offen gegen den Dalai Lama positionieren.187 Mitgliedern der KPCh, Tibeterinnen und Tibeter sowie pensionierte Beamtinnen und Beamte mit eingeschlossen, ist die Ausübung religiöser Praktiken untersagt. Sie müssen atheistisch leben, was von den Behörden insbesondere in Tibet auch kontrolliert wird. Verstöße können mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Ausschluss aus der Partei geahndet werden.188

179 The Central People's Government of the People's Republic of China: 中华人民共和国宪法 [Constitution of the People's Republic of China], 22.03.2018, abgerufen am 16.04.2021 180 U. S. Department of State: 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 10.06.2020, S. 48 181 U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) – Tibet, März 2021, S. 4-5, S. 8; Obwohl Tatverdächtige in China das Recht auf Verteidigung haben, bleibt vielen Tibeterinnen und Tibetern der Zugang zu Rechtsbeistand verwehrt. In wenigen Fällen war dies in der Vergangenheit darauf zurückzuführen, dass Angeklagten die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes grundsätzlich verweigert wurde. Häufig waren Anwältinnen und Anwälte selbst nicht dazu bereit, sich der Fälle anzunehmen. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass tibetische Angeklagte oft nicht über die zur Deckung der Verteidigungskosten notwendigen finanziellen Mittel verfügten. Ein weiterer Faktor war die Angst der Anwältinnen und Anwälte vor politischen Schwierigkeiten. Denn neben anderen als Sicherheitsrisiko eingestuften Personen wurden immer wieder auch Verteidigerinnen und Verteidiger tibetischer Angeklagter inhaftiert und über lange Zeiträume festgehalten. Aus politischen oder religiösen Gründen inhaftierte Personen werden häufig wegen der Gefährdung der nationalen Sicherheit angeklagt, weil dies eine Verlängerung der gesetzlich festgelegten maximalen Dauer der Untersuchungshaft von zehn Monaten ermöglicht. Auf dieser Basis werden viele politische Gefangene ohne Prozess in außergerichtlichen Haftanstalten festgehalten. 182 U. S. Department of State: 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 10.06.2020, S. 56 183 Ebd., S. 61 184 National Public Radio: Who Will Decide On The Dalai Lama’s Successor – His Supporters Or Beijing?, 10.11.2019; Congressional Executive Commission on China: 2020 Annual Report, 12.01.2021, S. 326 185 U. S. Department of State: 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 10.06.2020, S. 61 186 Ebd., S. 70 187 Congressional Executive Commission on China: 2020 Annual Report, 12.01.2021, S. 327 188 U. S. Department of State: 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 10.06.2020, S. 53 Länderreport China 23

Den größten Eingriff in die Glaubensfreiheit der Tibeterinnen und Tibeter stellt wohl der Anspruch Pekings dar, über die Reinkarnation des Dalai Lamas zu bestimmen. Dabei beruft sich die chinesische Regierung auf die Flucht des Dalai Lamas aus seinem Heimatland, durch welche er seine Autorität über die Tibeterinnen und Tibeter verwirkt habe. Den seit dem 1. September 2007 geltenden Maßnahmen für die Verwaltung der Reinkarnation lebender Buddhas im tibetischen Buddhismus zufolge muss die Reinkarnation durch das Kloster oder die örtliche buddhistische Vereinigung der geplanten Reinkarnation beantragt und vom Staatlichen Amt für Religiöse Angelegenheiten (SARA) geprüft und genehmigt werden.189 Gemäß der tibetisch-buddhistischen Tradition bestimmt der Dalai Lama seine Reinkarnation hingegen selbst, indem er vor seinem Tod Hinweise auf ein Kind gibt, welches die nächste Verkörperung seines Wesens darstellen wird. Nur er hat die Kontrolle darüber, wo und in wem er wiedergeboren wird.190 Darauf wies der Dalai Lama in einer Stellungnahme vom 24. September 2011 hin und fügte hinzu, dass er und die religiöse Gemeinschaft der tibetischen Buddhistinnen und Buddhisten im Zweifelsfall beschließen könnten, die Institution des Dalai Lamas überhaupt nicht fortbestehen zu lassen. In keinem Fall seien jedenfalls die chinesischen Kommunistinnen und Kommunisten dazu befugt, sich in das System der Reinkarnationen einzumischen, insbesondere, wenn es um die des Dalai Lamas und des Panchen Lamas gehe.191 Zuvor hatte die chinesische Regierung bereits in die Nachfolge des Panchen Lamas eingegriffen: Drei Tage, nachdem der Dalai Lama 1995 einen sechsjährigen tibetischen Jungen namens Gedhun Choekyi Nyima als Reinkarnation des 10. Panchen Lamas anerkannt hatte, ließen chinesische Behörden den Jungen und seine Eltern festnehmen. Der Verbleib der Familie ist bis heute ungeklärt. Nach Angaben des chinesischen Außenministeriums führt sie ein normales Leben und wünscht in Ruhe gelassen zu werden.192 Kurz nach dem Verschwinden Gedhun Choekyi Nyimas setzte die chinesische Regierung den aus einer KPCh- treuen tibetischen Familie stammenden Gyaltsen Norbu als ihren eigenen Panchen Lama ein.193 Die Anerkennung von Gedhun Choekyi Nyima als 11. Panchen Lama durch den Dalai Lama erklärte sie für „illegal und unwirksam“.194 Fotos von Gedhun Choekyi Nyima sind ebenso verboten wie die des Dalai Lamas.195

Ab dem 1. Mai 2021 soll mit den Maßnahmen für die Verwaltung des religiösen Klerus die staatliche Kontrolle und Verwaltung religiöser Gemeinschaften vereinheitlicht und verstärkt werden. Unter anderem sollen dazu alle Geistlichen anhand eines zwölfstelligen Codes in einer Datei für religiöses Personal erfasst werden. Ihnen werden dann Berichte über Ernennungen, Belobigungen und Bestrafungen zugeordnet, die religiöse Organisationen regelmäßig an das SARA übermitteln müssen. Verstöße gegen staatliche Vorgaben können zum Verlust des geistlichen Amtes führen. Hierzu gehören die Verletzung der Pflicht, dem Staat zu dienen, „das Mutterland zu lieben und die Führung der Kommunistischen Partei Chinas sowie das sozialistische System zu unterstützen“ und die Missachtung des Verbots, „die nationale Sicherheit zu gefährden“ und „das Land zu spalten“.196

Seit dem 1. Februar 2020 sind religiöse Organisationen dazu verpflichtet, sich der KPCh unterzuordnen, sozialistische Werte umzusetzen und dafür zu sorgen, dass die Glaubensgemeinschaft diesem Beispiel folgt. Außerdem haben religiöse Organisationen den Auftrag, die Grundsätze und die Politik der KPCh und nationale Gesetze und Vorschriften zu vermitteln.197 Neben einer religiösen Ausbildung müssen tibetische Nonnen und Mönche deshalb Schulungen in Politik und Staatsideologie durchlaufen.198 In buddhistischen Klöstern müssen Portraits von Mao Zedong, Xi Jinping und anderen KPCh-Vorsitzenden sowie chinesische Flaggen gut sichtbar

189 The Central People’s Government of the People’s Republic of China: 国家宗教事务局令 第 5 号 藏传佛教活佛转世管理办法 [Decree No.5 of the State Bureau of Religious Affairs on the Administration of Reincarnation of Living Buddhas of Tibetan Buddhism], 18.07.2007; deutsche Übersetzung: China-Zentrum e. V.: Verwaltungsmaßnahmen für die Reinkarnation Lebender Buddhas im Tibetischen Buddhismus, 01.09.2007 190 National Public Radio: Who Will Decide On The Dalai Lama’s Successor – His Supporters Or Beijing?, 10.11.2019 191 His Holiness the 14th Dalai Lama of Tibet: Statement of His Holiness the Fourteenth Dalai Lama, Tenzin Gyatso, on the Issue of His Reincarnation, 24.09.2011 192 U. S. Department of State: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) – Tibet, März 2021, S. 2 193 Tibet Initiative Deutschland: Kein Grund zum Feiern: Der Panchen Lama wird 30, 25.04.2019 194 Congressional Executive Commission on China: 2020 Annual Report, 12.01.2021, S. 327 195 U. S. Department of State: 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 10.06.2020, S. 61 196 International Campaign for Tibet Deutschland e.V.: Neue Richtlinien der chinesischen Regierung – ICT besorgt wegen „Sinisierung“ des tibetischen Buddhismus, 01.03.2021 197 United States Commission on International Religious Freedom: The 2019 Regulation for Religious Groups in China, Februar 2020 198 Ebd., S. 52 Länderreport China 24

aufgehängt werden.199 Darüber hinaus schreiben die Maßnahmen für die Verwaltung religiöser Organisationen die Genehmigung und Überwachung religiöser Aktivitäten durch das SARA und lokale Behörden vor.200 Diese untersagten Gläubigen in Tibet 2019 und 2020 wiederholt die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen oder das Begehen von Feiertagen.201 Zusätzlich sollen dauerhafte Reisebeschränkungen, die für alle Tibeterinnen und Tibeter, insbesondere aber für Nonnen und Mönche sowie für Personen mit einer „schlechten politischen Bilanz“, gelten, die Teilnahme an traditionellen religiösen Aktivitäten und Pilgerfahrten unterbinden. Angehörigen dieser Personengruppen ist es mitunter nicht möglich, ohne die teilweise schwer erhältlichen Genehmigungen verschiedener Behörden in das AGT ein- oder aus dem AGT auszureisen. Auch in anderen tibetischen Regionen berichteten Nonnen und Mönche von Schwierigkeiten bei Reisen zu religiösen oder Bildungszwecken außerhalb ihrer Heimatklöster.202

Neben der Durchführung und Gestaltung religiöser Aktivitäten sind auch die Anzahl, die Größe und die Leitung religiöser Institutionen Sache des chinesischen Staates. Am 4. Januar 2012 gab der damalige Parteisekretär des AGT Chen Quanguo die dauerhafte Einsetzung von Staatsbediensteten in fast allen tibetischen Klöstern bekannt. Das bedeutete das Ende des Rechts auf weitgehende Selbstverwaltung, welches den Klöstern 1962 zugesprochen worden war. Nach den Protesten von 2008, in denen der Klerus eine zentrale Rolle spielte, sah die chinesische Regierung die Notwendigkeit, ihre Kontrolle über die Klöster zu verstärken. Um die Teilnahme von Nonnen und Mönchen an „separatistischen Aktivitäten“ zu verhindern, wurden die Demokratischen Verwaltungskomitees, die bis dahin die Klöster geleitet hatten, durch Verwaltungskomitees ersetzt. Während die Demokratischen Verwaltungskomitees aus von der Regierung vorgeschlagenen und von der Gemeinde gewählten Mönchen bestanden, sitzen in den Verwaltungskomitees je nach Größe der Institution bis zu 30 Staatsbedienstete, die als Laien den Klostervorsitz innehaben und die eigentlichen Leitungsaufgaben übernehmen. Die Demokratischen Verwaltungskomitees und damit die leitenden Mönche wurden für Rituale und andere Angelegenheiten abgestellt. Die wenigen Mönche, die in ein paar Klöstern noch an der eigentlichen Leitung beteiligt sind, sind staatlich zugelassen und müssen „politisch zuverlässig“ und patriotisch sein.203 Gemäß den Vorschriften für religiöse Angelegenheiten, die am 1. März 2005 „als erste umfassende Verwaltungsrechtsnorm für den Umgang des Staates mit den Religionen“204 in Kraft traten und zum 1. Februar 2018 überarbeitet wurden, muss der Bau von Stätten für religiöse Aktivitäten durch die Behörde für religiöse Angelegenheiten der jeweiligen Provinz bzw. des autonomen Gebiets oder der regierungsunmittelbaren Stadt genehmigt werden.205 Für die von Umsiedlungsmaßnahmen betroffene Bevölkerung (siehe Kapitel 3.1) hat diese Regelung oft zur Folge, dass sie nach ihrem Umzug keinen Zugang zu Gebetsstätten mehr haben, da die neuen Wohnsiedlungen meist weit von diesen entfernt sind und selbst nicht über Tempel und Klöster verfügen.206 Gleichzeitig ist in Tibet eine Zerstörung bestehender Religionsstätten im Gange, die bereits in den 1950er Jahren begann. Als 1966 in ganz China die Große Proletarische Kulturrevolution ausgerufen wurde, waren in Tibet nur noch zehn von ehemals 2.700 bedeutenderen Klöster vorhanden.207 Bereits 1962 war die Zahl der in Klöstern lebenden Nonnen und Mönche um 93 Prozent reduziert worden.208 Lediglich ein Zehntel der gesamten Zerstörungen in Tibet gingen nach Angaben des stellvertretenden Regierungschefs des AGT aus dem Jahr 1987 auf das Konto der Roten Garden. Demzufolge wurden unter der neuen chinesischen Führung nach dem Tod Mao Zedongs auch nur die Klöster, die tatsächlich der Kulturrevolution zum Opfer gefallen waren, wiederaufgebaut.209 Aktuell konzentrieren sich die Zerstörungen auf die beiden größten buddhistischen

199 U. S. Department of State: 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 10.06.2020, S. 61 200 United States Commission on International Religious Freedom: The 2019 Regulation for Religious Groups in China, Februar 2020, abgerufen am 19.04.2020 201 Congressional Executive Commission on China: 2020 Annual Report, 12.01.2021, S. 325 202 Ebd., S. 15-16 203 Human Rights Watch: China: Tibetan Monasteries Placed Under Direct Rule, 16.03.2012; U. S. Department of State: 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 10.06.2020, S. 63 204 China heute: Vorschriften für religiöse Angelegenheiten. Revidierte Fassung, 2017, in: China heute, XXXVI (2017), Nr. 3 (195), S. 160 205 Ebd., S. 164 206 U. S. Department of State: 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 10.06.2020, S. 59 207 Deutsche Welle: Die chinesische Kulturrevolution und Tibet, 10.05.2016 208 Central Tibetan Administration: Revisiting the “Cultural Revolution“ in Tibet, 31.10.2016 209 Deutsche Welle: Die chinesische Kulturrevolution und Tibet, 10.05.2016 Länderreport China 25

Institute der Welt Larung Gar und Yachen Gar (auch Yarchen Gar), die beide in Sichuan liegen. Im Juni 2016 verfügte die Zentralregierung in Peking die Reduzierung der unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 10.000 und 40.000 Bewohnerinnen und Bewohner von Larung Gar um die Hälfte bzw. auf 5.000 bis September 2017.210 Das Anfang der 1980er Jahre gegründete Institut zieht Buddhistinnen und Buddhisten aus ganz China und der Welt an. Mit der Verringerung und Begrenzung der Bevölkerungszahl durch den Abriss von tausenden Häusern und durch Zwangsaussiedlungen möchte die chinesische Regierung die Klosterstadt besser kontrollierbar machen.211 Durch den Bau von Straßen, Hotels und Treppen, denen zahlreiche Wohnhäuer weichen müssen, soll Larung Gar zudem für den Tourismus attraktiver und besser zugänglich gemacht werden.212 Vom selben Schicksal betroffen ist das zum Großteil von Nonnen bewohnte buddhistische Bildungsinstitut Yachen Gar. Nach mehreren Abrisswellen in den Jahren 2018 und 2019 zeigen Satellitenbilder, dass große Bereiche der Stätte dem Erdboden gleichgemacht wurden. Mit dem Abriss von Unterkünften und der Ausweisung von Nonnen und Mönchen war in Yachen Gar bereits 2001 begonnen worden. 2016 beschleunigten die Behörden ihr Vorgehen und zwangen innerhalb eines Jahres 1.000 der ursprünglich etwa 10.000 Bewohnerinnen und Bewohner zum Auszug aus dem Institut.213 Auch in Yachen Gar geben die Verbreiterung von Straßen und der Bau von Parkplätzen und einem Hotel Anlass zu der Vermutung, dass der Ort touristisch erschlossen werden soll. Insgesamt wurden von 2016 bis 2019 zwischen 6.000 und 17.000 tibetische und han-chinesische Nonnen und Mönche aus Larung Gar und Yachen Gar ausgewiesen und tausende Unterkünfte zerstört. Auch aus anderen Klöstern und Institutionen wurden zum Zwecke der Größenbeschränkung Nonnen und Mönche ausgewiesen.214 Den betroffenen Geistlichen wurde es zudem untersagt, ihren Glauben anderswo zu praktizieren. Von diesem Verbot betroffen ist auch die Leistung religiöser Dienste, welche eine wichtige Einkommensquelle für die Nonnen und Mönche darstellen. Viele der aus Larung Gar und Yachen Gar ausgewiesenen Nonnen und Mönche wurden zur Rückkehr ins AGT gezwungen, wo sie starken Freiheitsbeschränkungen unterworfen und zum Teil in Internierungslager gebracht wurden. Dort mussten sie an patriotischen Umerziehungsmaßnahmen teilnehmen, und sich, entgegen des Gelübdes der Novizinnen und Novizen, in Militäruniformen bekleidet in Gesang und Tanz üben.215 Es wurde von sexueller Gewalt gegen Nonnen und von Lageraufenthalten berichtet, die über ein Jahr dauerten.216 Bekannt ist außerdem ein Fall von zwei Nonnen, denen es nach ihrer Ausweisung aus Larung Gar nicht gestattet wurde, sich in Lhasa, wo sie zuvor gelebt hatten, niederzulassen. Stattdessen mussten sie in ihre Heimatdörfer zurückkehren und sich dort in regelmäßigen Abständen bei der Polizei melden. Auf Ersuchen des Klosters Larung Gar hin sollen einige Nonnen und Mönche Entschädigungen für ihre zerstörten Häuser erhalten haben. 1.200 Nonnen und Mönchen sollen in temporären Unterkünften in benachbarten Kreisen untergebracht worden sein.217

3.6. Die Situation der Tibeterinnen und Tibeter in Nepal und Indien In Nepal leben mindestens 20.000 Exiltibeterinnen und Exiltibeter, die Tibet nach den Unruhen von 1959 verließen oder als Nachkommen tibetischer Geflüchteter in Nepal geboren wurden. Die tatsächliche Zahl könnte jedoch weitaus höher sein. Einigen Schätzungen zufolge leben allein in Kathmandu 30.000 Tibeterinnen und Tibeter.218

210 Der Standard: Zerstörung von Larung Gar: Buddhistisches Kloster wird zur Touristenattraktion, 17.08.2017 211 Zur Verwaltung Larung Gars nach Abschluss des Abriss- und Ausweisungsprogramms: Human Rights Watch: China: New Controls on Tibetan Monastery, 24.01.2018 212 Tibetan Centre for Human Rights and Democracy: Undercover in Larung Gar: A year after demolition, world’s largest Tibetan Buddhist institute sliced like a melon, 11.08.2017 213 Free Tibet: China has destroyed large areas of one of Tibet’s biggest Buddhist sites, satellite images reveal, 30. 09.2019 214 U. S. Department of State: 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 10.06.2020, S. 48 215 Human Rights Watch: China: Major Tibetan Buddhist Institution Faces Further Demolitions. Halt ‘Re-education’, Humiliation of Monks, Nuns, 29.03.2017; Hong Kong Free Press: China has destroyed large areas of one of Tibet’s biggest Buddhist sites, satellite images reveal, 20.10.2019 216 U. S. Department of State: 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), 10.06.2020, S. 56-57 217 Human Rights Watch: China: Major Tibetan Buddhist Institution Faces Further Demolitions. Halt ‘Re-education’, Humiliation of Monks, Nuns, 29.03.2017 218 United States Bureau for Citizenship and Immigration Services: Nepal: Information in Tibetans in Nepal, 09.06.2003; Human Rights Watch: Under China’s Shadow. Mistreatment of Tibetans in Nepal, 01.04.2014 Länderreport China 26

Bis 1989 erlaubte die nepalesische Regierung tibetischen Geflüchteten, sich in Nepal niederzulassen, und stellte ihnen Ausweisdokumente (sogenannte Refugee Certificates (RC)) aus. Diese gewähren ihren Inhaberinnen und Inhabern den rechtmäßigen Aufenthalt in Nepal und, in eingeschränktem Maße, den Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt sowie das Recht auf Freizügigkeit. Sie entsprechen jedoch nicht einer Flüchtlingsanerkennung. Zwischen 1995 und 1998 stellte die nepalesische Regierung auch die Vergabe von RCs an Kinder von Tibeterinnen und Tibetern mit legalem Aufenthaltsstatus ein. Folglich sind nach dem Vergabestopp geborene Kinder tibetischer Eltern staatenlos. Bis 2006 war es für Tibeterinnen und Tibetern zwar schwierig, theoretisch jedoch möglich, die nepalesische Staatsangehörigkeit anzunehmen. Eine Ausnahme von der strengen Regelung bildete die Vergabe nepalesischer Staatsangehörigkeiten an etwa 1.500 Angehörige der tibetischen Guerillagruppe Chushi Gangdrug, die in den 1960er und 1970er Jahren von Nepal und Indien aus gegen die chinesische Besatzung in Tibet kämpfte, und an hunderttausende Bewohnerinnen und Bewohner der Himalaya-Region, unter denen sich auch einige Tibeterinnen und Tibeter befanden. 2006 verabschiedete die nepalesische Regierung ein Staatsangehörigkeitsgesetz, wonach alle vor dem 13. April 1990 in Nepal geborenen Personen nepalesische Staatsangehörige sind. Nachkommen von Tibeterinnen und Tibetern ohne nepalesische Staatsangehörigkeit sind hiervon jedoch ausgenommen, sie erben den Geflüchtetenstatus ihrer Eltern. Eine tibetische Frau kann die nepalesische Staatsangehörigkeit durch Heirat mit einem nepalesischen Mann erlangen, umgekehrt ist dies nicht möglich.219

2017 lebten mindestens 12.331 Tibeterinnen und Tibeter illegal in Nepal. 40 % von ihnen waren jünger als 16 Jahre. Angesichts der geplanten chinesischen Investitionen in Nepal im Zuge der One Belt, One Road- Initiative220 und infolge einer engeren politischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern steigt für diese Menschen das Risiko der Abschiebung nach China.221 1990 schlossen die nepalesische Regierung und der UNHCR ein Gentlemen’s Agreement, welches vorsieht, dass neu nach Nepal eingereisten Tibeterinnen und Tibetern die sichere Weiterreise nach Dharamsala in Indien gewährt wird. Dies geschah jedoch nicht in allen Fällen. Während das System im Landesinneren gut funktionierte, wurden an der Grenze oder in Grenzgebieten abgefangene tibetische Geflüchtete zur Rückkehr nach China gezwungen.222 Im Oktober 2019 unterzeichneten China und Nepal einen Auslieferungsvertrag, der beide Länder dazu verpflichtet, Reisende ohne Papiere festzusetzen und innerhalb von sieben Tagen an das jeweils andere Landauszuliefern.223 Schon vor der Unterzeichnung des Vertrags nahm die nepalesische Grenzpolizei tibetische Asylsuchende unmittelbar nach deren Ankunft in Nepal fest, um sie der chinesischen Grenzpolizei zu übergeben.224 Nach den Aufständen in Tibet im Jahr 2008 unterzeichnete Nepal zudem mehrere Abkommen mit China, unter anderem über den Aufbau eines gemeinsamen Grenzschutzsystems und über „Informationsaustausch“. In der Folge begann die nepalesische Regierung, die Kontrolle über die tibetische Diaspora in Nepal zu verstärken. Demonstrationen für ein freieres Tibet, Wahlen innerhalb der tibetischen Gemeinde, das Feiern des Geburtstags des 14. Dalai Lamas und das Begehen des Tags des tibetischen Volksaufstands am 10. März wurden verboten und die Überwachung der Gemeinschaft der Tibeterinnen und Tibeter in Nepal wurde insgesamt erhöht. Die Zahl der Festnahmen und Fälle von Polizeigewalt nahm zu.225 Im März 2018 nahm die nepalesische Polizei einen Mann fest, der ein Foto von sich, auf dem er die tibetische Flagge hält, auf Facebook gepostet und ausländische Botschaften in

219 Human Rights Watch: Under China’s Shadow. Mistreatment of Tibetans in Nepal, 01.04.2014 220 Unter die 2013 von Staatspräsident Xi Jinping vorgestellte One Belt One Road-Initiative (Yidai Yilu, auch als „neue Seidenstraße“ bekannt) fallen eine Vielzahl von Infrastrukturprojekten zum Auf- und Ausbau von Überland- und Seehandelswegen zwischen der VR China und über 60 Ländern Asiens, Afrikas und Europas. Im Rahmen der Initiative sollen die westlichen Provinzen Chinas gestärkt, Ressourcen gesichert, neue Absatzmärkte erschlossen und der Informationsaustausch ebenso wie die wirtschaftliche und die politische Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Staaten gefördert werden (Bessler, Patrick: Chinas „neue Seidenstraße“: Zentralasien im Visier, in: Konrad-Adenauer-Stiftung (EU-Asia Economic Governance Forum), 2015). 221 Demo, Yangdon,und Norbu, Tsewang Norbu: Nepal’s Close Ties With China Weaken Tibetans’ Human Rights Protections: Report, in: Radio Free Asia, 18.06.2020 222 Human Rights Watch: Under China’s Shadow. Mistreatment of Tibetans in Nepal, 01.04.2014 223 Free Tibet: China and Nepal Have Signed an Extradition Treaty, Nepal’s Foreign Affairs Minister Confirms, 24.01.2020; Basnet, Gajendra: A revelation of Nepal-China agreement: Nepal gets tougher on Tibetans, in: khabarhub, 22.01.2020 224 Tenzin, Kunsang: Nepal Deports 6 Tibetan Asylum Seekers to China, in: Radio Free Asia, 09.09.2019; United States Bureau for Citizenship and Immigration Services: Nepal: Information in Tibetans in Nepal, 09.06.2003 225 Demo, Yangdon, und Norbu, Tsewang: Nepal’s Close Ties With China Weaken Tibetans’ Human Rights Protections: Report, in: Radio Free Asia, 18.06.2020; Free Tibet: Nepal Upholds Restrictions on Tibetans, 27.03.2020; Human Rights Watch: Under China’s Shadow. Mistreatment of Tibetans in Nepal, 01.04.2014 Länderreport China 27

Kathmandu auf die Menschenrechtslage in Tibet aufmerksam gemacht hatte. Der Mann ist Mitglied der Tibetan Volunteers Group, die friedlich gegen die chinesische Tibet-Politik demonstriert. Während seiner zehntägigen Haft wurde ihm mit der Auslieferung nach China gedroht, aufgrund der Misshandlungen durch die Polizei musste er nach der Entlassung in ein Krankenhaus eingeliefert werden.226 Infolge der Errichtung einer sogenannten „digitalen Mauer“ aus moderner Überwachungstechnologie, zu der auch bewaffnete Drohnen gehören, ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte von Tibet nach Nepal stark zurückgegangen. Bis 2009 flohen jährlich 2.000 bis 3.000 Tibeterinnen und Tibeter über den Himalaya nach Nepal, bis 2015 waren es nur noch 200.227

Auch in Indien werden tibetische Geflüchtete nicht im Sinne der Flüchtlingskonvention von 1951 anerkannt. Sie erhalten eine Aufenthaltserlaubnis (Residential Certificate (RC)), haben aber kein Recht auf Land- und Immobilienbesitz und dürfen nicht im Staatsdienst arbeiten.228 Seit 2014 dürfen nur noch qualifizierte Fachkräfte Arbeitsstellen im Privatsektor annehmen.229 Es kommt außerdem vor, dass Universitäten tibetische Studierende nicht aufnehmen.230 Auf der Grundlage des RC kann ein Reiseausweis (Certificate of Identity) beantragt werden, der jedoch nicht von allen Zollbehörden anerkannt wird. Tibeterinnen und Tibeter, die zwischen dem 26. Januar 1950 und dem 1. Juli 1987 in Indien geboren wurden, können seit März 2017 die indische Staatsbürgerschaft beantragen.231 Nach Angaben der tibetischen Exilregierung haben weniger als 100 Tibeterinnen und Tibeter von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Anderen Angaben zufolge sollen allein in Dharamsala 500 Anträge gestellt worden sein.232 Die Zahl der in Indien lebenden Exiltibeterinnen und Exiltibeter ist in den vergangenen Jahren stark gesunken. 2011 waren es dem indischen Innenministerium zufolge 150.000 Personen, 2018 wurde ihre Zahl auf 85.000 geschätzt. Gründe hierfür sind einem Sprecher der tibetischen Exilregierung zufolge ein Rückgang der Geburtenrate in der tibetischen Diaspora und die steigende Zahl von Abwanderungen ins Ausland.233 Die meisten Tibeterinnen und Tibeter, die Indien verlassen, gehen in die USA, nach Kanada, nach Deutschland und in die Schweiz. Einige kehren nach Tibet zurück. Die Zahl der Neuankömmlinge aus China sank von 3.000 pro Jahr auf 100 im Jahr 2018. Anlass für die Emigration von Exiltibeterinnen und Exiltibetern in die USA und nach Europa dürfte neben wirtschaftlichen Aspekten auch die abnehmende Unterstützung exiltibetischer Anliegen durch die indische Regierung sein. 2018 erließ die Regierung ein Verbot der Teilnahme von Regierungsbeamtinnen und -beamten an Veranstaltungen zum 60-jährigen Bestehen der tibetischen Exilregierung in Indien 234 Im Vorfeld eines Staatsbesuchs von Xi Jinping nahm die Polizei des Bundesstaates Tamil Nadu im Oktober 2019 etwa 40 Tibeterinnen und Tibeter präventiv fest. Unter ihnen befand sich auch der Leiter des von den chinesischen Staatsmedien als Terrororganisation und Drahtzieher der Unruhen von 2008 bezeichneten Tibetischen Jugendkongresses.235

226 Tibetan Review: Nepal detained man for posing with Tibetan flag on Facebook, 31.03.2018 227 Peterson, Nolan: Why China Is Militarizing Its Himalayan Frontier, in: The Daily Signal, 28.01.2019 228 Government of the Netherlands: Country of origin information report China, July 2020, S. 83; Madhukar, Abhishek, und Chandran, Rina: Sixty years after fleeing Tibet, refugees in India get passports, not property, in: Reuters, 22.06.2017 229 The Indian Express: ‘Tibetan Refugees down from 1.5 lakh to 85,000 in 7 years‘, 11.09.2018 230 Al Jazeera: After 60 years in India, why are Tibetans leaving?, 21.03.2019 231 Government of the Netherlands: Country of origin information report China, July 2020, S. 83 232 Ebd.; The Indian Express: ‘Tibetan Refugees down from 1.5 lakh to 85,000 in 7 years‘, 11.09.2018 233 The Indian Express: ‘Tibetan Refugees down from 1.5 lakh to 85,000 in 7 years‘, 11.09.2018 234 Al Jazeera: After 60 years in India, why are Tibetans leaving?, 21.03.2019 235 U. S. Department of State: China (Includes Tibet, Hong Kong, Macau) 2019 Human Rights Report, 11.03.2020, S. 94; China Daily: Commentary: Tibetan Youth Congress is a terror group, 15.04.2008 Länderreport China 28

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