Die Reise Zurück Alle Rechte Für Inhalt Und Layout Liegen Bei Sebastian Rogge Titel- Und Umschlagbild „Friendship“: Christina Stark
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Sebastian Rogge die Reise zurück Alle Rechte für Inhalt und Layout liegen bei Sebastian Rogge Titel- und Umschlagbild „friendShip“: Christina Stark This novel is lisenced under: http://creativecommons.org/worldwide/de/ 3 Vorwort... ...für alle, die es wirklich wissen. Ich war an Bord der Roald Amundsen. Genau wie fünfundvierzig andere Men- schen auch. Bei ihnen muss ich mich entschuldigen. Dafür, dass ich diese Geschichte nur aus der Sicht einer einzigen Person erzäh- len kann. Dafür, dass ich mehrere Begebenheiten darlege, welche ich gar nicht oder nur am Rande miterlebt habe. Daher mag es sich vielleicht nicht detailgetreu und chronologisch so abgespielt haben, wie es zu lesen ist. Dafür, dass ich so unglaublich viel von diesem Törn vergessen habe oder es mir nicht wirklich wichtig erschien. Erst im Nachhinein fällt mir auf, wie großartig unser Abenteuer war. Und es noch immer ist. Insbesondere bedauere ich, die vielen Gespräche, die wir an Bord geführt haben, nur noch schemenhaft in Er- innerung zu haben. Es geht so entsetzlich viel verloren. All die kleinen Dinge, wel- che diese Reise so unvergleichlich für mich gemacht haben. Dafür, nicht alle Beteiligten erwähnt zu haben. Ich fühle mich nicht in der Lage, euch zu charakterisieren. So habe ich einfach einige Figuren aus mir bekannten Ereignissen an Bord stilisiert. Es liegt mir fern, jemanden zu beurteilen oder gar zu beleidigen. Sollte sich jemand unangenehm berührt fühlen; ich entschuldige mich, es ist nicht gewollt. Alles in allem soll dieses Buch unterhalten, inspiriert durch diese Reise und einen Hauch von dem vermitteln, was ich an Bord zu erleben privilegiert war. Tatsächlich hat der Zauber von Menschlichkeit und Gemeinschaft, von Wunder und Abenteuer noch heute Einfluss auf mein Leben, dass sich doch erheblich ge- wandelt hat seit jenen Wochen. Ich danke euch und allen anderen, die mir auf späteren Reisen auf der Roald Amundsen begegneten. Sebastian Rogge 4 Die Dinge würden sich ändern. Das taten sie immer. Es wäre nicht immer nötig, hart an der Zukunft zu arbeiten. Manchmal falle sie einem einfach zu. Und mit ihr das Glück. Veränderungen waren gut. Sie hielten das Große Ganze des Menschseins in Bewe- gung, erhielten es am Leben. Lucas, „Das Buch Erik“ 5 Prolog Der Wind zerrte an seinen nassen Haaren. Die Luft roch frisch und rein. Doch das Tosen des Meeres, dieses unglaublich schönen Ozeans, vermochte nicht die Ruhe zu zerstören, welche sich in seinem Inneren ausgebreitet und festgesetzt hatte. Beinahe verwegen lächelte er, während er sich am stählernen Schanzkleid festhielt. Das graugrüne Wasser bäumte sich erneut vor ihm auf, bald schon verdeckte die weißgeschäumte Krone der Welle den fernen, kaum sichtbaren Ho- rizont. Fasziniert starrte er in das lebendige Wasser und jauchzte. Nun war der Kamm höher als er selbst und bäumte sich immer weiter auf, bis die Welle über ihm und den Bug hereinbrach und ihn von den Beinen riss. 6 Das Schiff Als Alexander Paré die ROALD AMUNDSEN das erste Mal sah, wusste er noch nicht, was ihn auf dieser Reise erwarten würde und so hielt er andächtig inne. Mit der Hand die Augen gegen die Sonne abschirmend, betrachtete er den schwarzen ge- drungenen Rumpf, der nur wenige Meter aus dem ruhigen Wasser ragte. Rost- spuren zeigten sich unter abgesplitterter Farbe. Das Rigg, die beiden Masten und die Segel sahen schäbig aus, dreckig, alt. Und es war klein. Viel kleiner, als er sich das Schiff vorgestellt hatte. Und dennoch... Unsicher, was er von diesem Anblick halten sollte, verharrte er, wie jemand, der vor einem großen Tor steht und darauf wartet, eingelassen zu werden. Un- schlüssig stellte er die große Reisetasche ab und rieb sich stöhnend die schmerzende Schulter. Fürs Erste hatte er genug vom Schleppen. 7 „Sieht sie nicht toll aus?“, sprach ihn ein Mann aus seiner Reisegruppe an. Er kannte dessen Namen noch nicht. „Wer?“ „Na, die ROALD.“ Alexander zuckte nur die Schultern und sah ihn fragend an. Er konnte die Begeis- terung in seinem Gesicht nicht ganz nachvollziehen. „Na ja.“ Dichte Menschenmassen drängten sich auf dem breiten Kai. Männer, Frauen, ganze Familien mit Kind, Hund und Kinderwagen drängten sich von einem Traditionssegler zum anderen. Irgendwo im Hafen von Halifax, Kanada, gab es di- cke Hefte zu kaufen, für ein paar Dollar wahrscheinlich, auf jeder Seite ein anderes der gut hundert Segelschiffe, die am nächsten Tag ihren Weg zurück nach Europa antreten würden. An jeder Rehling, an jeder Gangway standen Mitglieder der entsprechenden Be- satzungen und drückten Stempel mit den Schiffsemblemen in die Hefte. Hin und wieder wurden sie sogar angehalten, Autogramme zu geben. Alles in allem schienen die Leute das Fest zu genießen, für das reichlich Aufwand betrieben worden war. Halifax war eine der wenigen offiziellen Stationen der großen Traditionsseglerregatta, die ihren Anfang in Cádiz, Spanien genommen hatte und über die Bermudas und Boston nach Halifax führte, der letzten Zwi- schenstation vor der finalen Ziellinie in Amsterdam. Dort würde das nur alle fünf Jahre stattfindende Gipfeltreffen dieser riesigen Schiffe, die ‚Amsterdam Sail’, den Abschluss bilden. „Excuse me.“, sprach ihn ein Mann an, der offenbar nicht von allein an seiner Ta- sche vorbeikam. „O’ natürlich...“, entfuhr es ihm. Als er bemerkte, dass er auf Englisch hätte rea- gieren sollen, war der Mann samt Frau und Kindern schon wieder in der Menge verschwunden. Alexander wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seit fast vierundzwanzig Stunden waren er und seine Mitreisenden nun schon unterwegs, er war müde und geschafft, aber viel zu aufgeregt, um zur nötigen Ruhe zu kommen. Die Sonne am Himmel brannte, auf dem amerikanischen Kontinent war es erst gegen sechs Uhr abends. Das Fest war in vollem Gang, keine Wolke trübte den Himmel, die kalten Getränke fanden reichlich Abnehmer unter denen, die stundenlang in den Schlangen standen, um an einer Besichtigung der größeren Segler teilzuhaben. Im Süden überzog die gigantische Hängebrücke die breite Mündung der Bucht, in der sich der Hafen befand. Auf dem Weg vom Flughafen hatten sie die Brücke überquert, staunend und fasziniert. Keiner von ihnen war jemals zuvor in Kanada gewesen. Der Kai war außergewöhnlich breit, angesichts der Tatsache, dass es sich nicht um den industriellen Teil des Hafens handelte, wo man die vielen Segler hatte anlegen lassen. So weit das Auge reichte, war der Horizont unterbrochen von 8 Masten und Stagen, von Seilen und flatternden Segeln, welche gerefft ihre volle Größe nur ahnen ließen. Hinter den Buden der Getränke- und Imbissfirmen erhob sich die Silhouette der Stadt. Ein beeindruckend gelungenes Zusammenspiel von moderner Architektur aus Glas und Stahl und den alten Holz- und Steinbauten aus früheren Koloni- alzeiten. Farbenfroh und hell hieß Halifax seine Besucher Willkommen. Unwillkürlich lächelte er, während er sich umschaute, bemüht, nicht im Weg zu stehen, verschnaufend, fremd an einem Ort, den er in weniger als vierundzwanzig Stunden schon wieder verlassen würde. Der Rest der Gruppe setzte sich wieder in Bewegung und so nahm auch er sei- ne Tasche auf und schleppte sie stöhnend die letzten Meter bis zum Schiff. Dort angekommen wuchtete Alexander seine Tasche mühsam über das Schanz- kleid hinweg aufs Deck, wo sie ein Mann mit kurzen, blonden Haaren entgegen nahm. Viele weitere Taschen folgten und gut zwanzig neugierige Augenpaare be- gutachteten das kompliziert aussehende Gewirr aus Seilen, welches sich vom hölzernen Deck ins Rigg erhob. „Schön, dass ihr es noch geschafft habt. Wir dachten schon, ihr kommt gar nicht mehr.“, rief ihnen jemand zu. „Alle mal bitte zu mir!“, rief eine Frau, Anfang dreißig, mit langen dunklen Haa- ren und gütigem Gesicht. Sie trug ein grünes T-Shirt und kurze Khakihosen. Sie hielt eine Liste in der Hand und winkte sie alle herbei. „Wir werden als erstes die Kojen vergeben. Das Schiff ist voll belegt, also werden acht Mann in Hängematten schlafen müssen. Vielleicht auch neun, mal sehen...“ Sofort hoben sich einige Hände, riefen ihr irgendwelche Nummern zu, drängten ruhelos zu ihr. „Na?“ Alexander sah zur Seite, in die graugrünen Augen von Claudia, die ihn angesprochen hatte. „Hast du dir schon eine Wache ausgesucht?“ „Kannst du mir eine empfehlen?“, gab er zurück. „Na klar.“, mischte sich Flo ein. Er war ähnlich alt wie Alexander, knapp über zwanzig, die Geheimratsecken schon ein wenig größer, aber die Augen wach und schalkhaft. „Nimm die Vier-Acht-Wache. Du siehst den Sonnenaufgang, den Un- tergang und das gesamte Farbenspiel, ohne auf Schlaf verzichten zu müssen.“ „Schlaf?“ „Natürlich. Warst du noch nie segeln?“ Alexander verneinte irritiert. „Dann wirst du noch feststellen, wie wichtig Schlaf sein kann.“ Schelmisch grinste er. Alexander kniff verwirrt die Augen zusammen und betrach- tete die beiden. Sie waren praktisch die einzigen, mit denen er auf der langen Reise nach Kanada ein Wort gewechselt hatte. Sie würden sich verstehen, davon war er überzeugt. Claudia ließ alle drei für die mittlere Wache eintragen. Die Verteilung der Kojen kostete mehr Zeit. Jeder hatte seine speziellen Wünsche, zumindest jene, die schon einmal eine Reise auf der ROALD AMUNDSEN hatten miterleben dürfen. 9 Obwohl sich der Tag bereits deutlich dem Abend näherte, war es noch immer heiß. Die Sonne büßte auf ihrem Weg zum Horizont nur wenig an Intensität ein. Alexanders T-Shirt war nass, seine Füße schmerzten. Eine Frau sprach ihn an, et- was älter als er selbst, ihr lockiges dunkles Haar unter einem Kopftuch verborgen. Sie trug ein blaues T-Shirt mit der Aufschrift CREW auf dem Rücken. „Hallo, ich bin Sabine. Hast du Durst?“ Er nickte und sie wies auf einen Thermokanister, welcher neben einem Behälter voller Tassen auf der seitlichen Backskiste des mittleren Deckaufbaus stand. „Das ist Eistee, bedien dich.“ Er wollte ihr danken, aber schon war sie wieder im Gespräch mit einem anderen Crewmitglied. Wieder machte sich Unwohlsein in ihm breit. Den ganzen Tag schon versuchte er, sich zu beruhigen, schließlich hatte er die Reise mit vollster Absicht angetre- ten.