S-Magazin. Das Stilmagazin des SPIEGEL Oktober 2018 www.spiegel.de/stil/s-magazin

S-Magazin Nr. 4: New Codes Wie Mode und Stil den Weg in eine offenere Gesellschaft weisen

Programmwechsel: Genderless Die CEOs Jan Wilmking Für unser Model spielt (zLabels/Zalando, l.), das Geschlecht keine Delia Fischer (Westwing) Rolle. Sie oder er? und Christoph Weigler (Uber »Nennt mich wie ihr Deutschland) präsentieren wollt«, sagt Leni beim die aktuelle Frühjahrsmode­ Modeshooting für das im Funkhaus Berlin S-Magazin. MC_Anz_S_Magazin_520x380+3mm_180917.indd 1 MC_Anz_S_Magazin_520x380+3mm_180917.indd 1

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S-Magazin Das Stilmagazin des SPIEGEL Oktober 2018

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Die Geschlechtertrennung löst sich auf, Dresscodes verschwinden. Was Jean-Paul-Gaultier vor mehr als 30 Jahren begann, als er erstmals Männer in Röcken über die Laufstege schickte (und später tätowierte oder schwangere Models), ist mittlerweile normal. Selbst der französische Designer sagt heute: »Ich erkenne die Welt der Mode nicht mehr wieder.« Die Digitalisierung hat das Tempo, in dem Kreative ihre Ideen entwickeln, beschleunigt, Instagram die Inszenierung revolutioniert. Die neue Art zu arbeiten und zu denken bringt unerwartete Talente nach vorne: Virgil Abloh etwa, Amerikaner mit ghanaischen Wurzeln und Star der Streetwearmode, wurde jüngst zum Chefdesigner des ehrwürdigen Hauses Louis Vuitton ernannt; dabei hat er noch nicht mal eine Designschule besucht. Die vier Models unserer Modestrecke zeigen, wie sich die Vorstellungen davon, was schön und angesagt ist, verändern, weil sie eben nicht aussehen wie die Super-Models aus der Zeit, als dieser Begriff erfunden wurde. Wir sprachen mit ihnen über diese neuen Codes. Andere Regeln gelten auch seit der Legali- sierung von Hanf – ein Stoff, aus dem jetzt nicht mehr nur viele Träume, sondern auch unerwartete neue Produkte sind. Und selbst in der Liebe wird mit alten Ritualen gebrochen: Das Flirten stirbt aus, behauptet Trendforscherin Lidewij Edelkoort in diesem Heft – stattdessen wird »gematcht«. Auf der feministischen Dating-Plattform der Internet-Unternehmerin Whitney Wolfe-Herd übernehmen dabei die Frau- en den ersten Schritt. Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung und viel Freude an S, Ihr Klaus Brinkbäumer

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08 Magazin I 16 Feature 34 Die Frage Schöner Scheinen: die Juwelen-Schau Küche, Kosmetik, Medizin, Kleidung Welche neuen Regeln gelten in der Mode? in Moskau /Exklusiv für S-Leser: Werner – seit der Legalisierung boomt das Antworten von zwei Kreativen und Baldessarini versteigert seinen von Geschäft mit Hanf einer Unternehmerin James Rosenquist signierten Papier-Anzug. 20 Mode 36 Hier kocht der Chef 10 Magazin II Unser Shooting zeigt aktuelle Looks Thomas Imbusch vom »100/200« Das Comeback der Bauchtasche/ Kolumne: – und eine neue Generation von Models. in Hamburg tischt Glattbutt und Die Dinge des Lebens. Von Claudia Voigt Plus Gesprächsrunde: Wie sich Sauerkraut auf das Schönheitsideal gerade verändert 12 Streetstyle 37 Kolumne Die Farben von München 32 Interview Der Ethiker Nils Minkmar beantwortet Trendforscherin Lidewij Edelkoort Fragen der Zeit 14 Essay und ihre Prognosen für Mode, Design Vergesst die alten Dresscodes! Die Mode ist – und die Menschheit 38 Das gezeichnete Interview heute mehr denn je ein Spiel der Identitä- Von und mit Philippe Starck ten. Von Gundula Wolter

Impressum SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, Ericusspitze 1, 20457 Hamburg, Tel. 040 3007-2791 / Herausgeber: Rudolf Augstein (1923–2002) / Chefredakteur: Klaus Brinkbäumer (V.i.S.d.P.) / Stellv. Chefredakteur: Alfred Weinzierl / Verantwortlich für Anzeigen: André Pätzold / Anzeigenobjektleitung: Petra Küsel / Objektleitung: Manuel Wessinghage / Redaktion: brookmedia Management GmbH, Hallerstraße 76, 20146 Hamburg / Redaktionsleitung: Bianca Lang-Bognár, Andreas Möller / Artdirektion: Johannes Erler, EST, ErlerSkibbeTönsmann / Layout: Jamal Buscher / Autoren und Mitarbeiter dieser Ausgabe: Anne Backhaus, Christian Baulig, Anke Dürr, Kathrin Hollmer, Alessa Kapp, Thomas Künzel (Lektorat), Barbara Markert, Lutz Meier, Nils Minkmar, Stephan Reinhardt, Philippe Starck, Claudia Voigt, Marianne Wellershoff, Julia Werner, Gundula Wolter / Fotografen dieser Ausgabe: Mary Goldau, Eva Hartmann (Illustration), Peter Kaaden / Bildbearbeitung: PIXACTLY media GmbH, Hamburg / Druck: appl druck GmbH, Wemding

picture alliance / ZUMAPRESS.com Foto Erwin Olaf, picture Titelfoto und Modefoto auf dieser Seite: Peter Kaaden / Mode: Kleid von Desigual, 119 Euro; Mantel von Woolrich, 1350 Euro; Kette mit Anhänger von Chopard aus Weißgold mit Diamant, 1480 Euro.

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Ließ sich die Qual der Wahl beim Wein bisher reduzieren auf die Fra- ge »Weiß- oder Rotwein, womög- lich Rosé?«, ist seit einigen Jahren eine Farbe auf dem Vormarsch, die das Weingesetz bisher nicht vorge- sehen hat: Orange! Als oranger Wein werden inoffiziell Weine bezeich- net, die auf der Maische, also mit Schalen und Kernen, häufig auch Für jede Ausgabe von S den Stielen, vergoren werden. Für spendet ein Prominenter ein Rotweine ist das die gängige Metho- Herzenssache »James Rosenquist war einer der bekanntesten ameri- Lieblingsobjekt zugunsten eines guten Zwecks. Diesmal: de, aber weiße Trauben werden in kanischen Pop-Art-Maler, im vergangenen Jahr ist er 83-jährig in New der Papier-Anzug des Ex-Boss- der Regel gleich gepresst und der ab- Chefs und -Designers Werner York gestorben. Anlässlich seiner Ausstellung ,The Swimmer in the Baldessarini. Der 73-Jährige laufende Most wird nach der Klärung ist weiterhin Kopf und Nase der zu Wein gekeltert. Vergärt man wei- Economist‘ 1998 im Deutschen Guggenheim-Museum in Berlin wur- Baldessarini-Düfte. ße Trauben mit den Schalen und den 100 Stück dieser Papier-Anzüge von Boss gefertigt. ,Bussi aufs Schicken Sie eine Mail mit Ihrem Gebot bis zum 01.11. schützt den Most nicht vor Sauer- Bauchi‘ schrieb Rosenquist für mich hinein. Die Widmung hat mich an [email protected]. stoff, verdunkelt sich die Flüssigkeit Der Erlös der Versteigerung sehr berührt, weil sie so persönlich ist – Rosenquist wusste, dass ich geht auf Wunsch von Werner von Glanzhell zu einem intensiven, diese Worte selbst oft benutze. Trotzdem trenne ich mich von dem Baldessarini an die Klitsch- zuweilen trüben Gelborange. Der- ko-Foundation https:// art erzeugte Weine riechen anders Stück, der Anlass ,Herzenssache‘ passt einfach perfekt.« klitschko-ventures.com und sind überaus vielschichtig und würzig. Ihr Geschmack ist kräftig, man bemerkt Gerbstoffe wie beim Rotwein, die für eine gewisse Bitter- Kronjuwelen der Stars keit im Abgang sorgen. Der »Orange« wurde bereits vor Sharon Stone Als Mafiabraut 5000 Jahren in Georgien erzeugt. Da- trug die Schauspielerin 1995 mals füllte man die Maische in Ton- in Martin Scorseses Drama »Casino« jede Menge Juwelen amphoren, die vergraben wurden. Bis heute haben georgische Weine Sophia Loren Die italieni- sche Film-Schönheit in der einen hervorragenden Ruf. »Vogue« 1992 mit großem Zu den verführerischsten Weinen Geschmeide, beide Bilder sind der Kategorie gehören die über derzeit im Kreml zu sehen 120 Tage in Amphoren vergorenen »Echtweine« von Ploder-Rosenberg, Tribute to Femininity heißt die Bulgari-Aus- einem biodynamisch wirtschaft- stellung, die derzeit im Kreml-Museum enden Betrieb in der Steiermark.Der in Moskau zu sehen ist. Tatsächlich sind 2013er Tero (43 Euro) etwa ist ein die rund 400 Preziosen aus der mehr als bernsteinfarbener Wein mit Noten 130-jährigen Geschichte des römischen von Karamell, Lakritz, gekochtem Schmuckhauses Zeugnisse schönster, Stein- und Kernobst und Zimt. Er weiblicher Ikonenhaftigkeit. »Ich habe Liz passt hervorragend zu Gerichten der das Biertrinken nahegebracht, sie mir Bul- Herbstküche. Bei 14 Grad getrun- gari«, sagte Richard Burton über Elizabeth ken, ist die mehr als 28 Monate aus- Taylor, die Frau, die er gleich zweimal gebaute Cuvée aus Chardonnay heiratete. und Souvignier Gris ein faszinie- VOR UNS DIE WELT Die Bulgari-Juwelen sind noch bis 13. Ja- render Kompromiss, der Weiß- wie nuar zu sehen, darunter die Smaragdket- Rotweintrinker gleichermaßen ver- te, die Burton Taylor 1964 zur ersten gnügen wird. Hochzeit schenkte. Aber auch Stücke, die www.ploder-rosenberg.at noch nie gezeigt wurden, wie etwa die Tia- Stephan Reinhardt, 50, bewertet etwa ra, die Infantin Beatriz von Spanien 1935 4000 Weine jährlich für Robert Parkers zu ihrer Hochzeit trug. »Wine Advocate«

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260x380_AZ_HLC_Dachmarke_Paar_an_Deck_S_Magazin_Spiegel.indd 1 05.09.18 16:21 MAGAZIN RUBRIK

Männliche Emanzipation Im November führt Chanel seine erste Kosmetik-Serie für Männer – oder besser: für Jungs – ein. Sie heißt »Boy de Chanel« und umfasst Make-up, Lippenpflege und Augenbrauenstift

Die Dinge des Lebens von Claudia Voigt

V-Ausschnitt Seine Eltern sucht man sich nicht aus. In diesem Satz, der nur im ersten Moment wie eine Plattitüde klingt, steckt eine Tragweite, die einem zu schaffen machen kann. Die Eltern bestimmen nämlich den Ort, an dem man seine Jugend verbringen muss, und sie sind verantwortlich dafür, in welche Dekade diese Jugend fällt. Mir ist schon klar, dass meine Eltern sich nichts Böses dachten. Trotzdem: Ich wuchs in den frühen Achtzigern im Hamburger Nordosten auf. Hier gedieh zu dieser Zeit die Popper-Bewe- gung: Teenager, die sich in taillenhohe Karottenhosen kleideten, denen die Stirnhaare in einer langen Tolle ins Gesicht fielen und die sich überhaupt ständig Gedanken darüber machten, wie sie aussahen. Ich gehörte dazu. Bes- ser gesagt, ich strengte mich an dazuzugehören. Seitenlange Magazinartikel Gestern und heute Claudia Schiffer 1992 mit Gürteltasche setzten sich mit dem Phänomen auseinander, Journalisten staunten, wie ange- auf dem Laufsteg für Chanel, Sarah Jessica Parker in passt und konsumgierig diese Schülergeneration war, dass sie mit abgespreiz- »Sex and the City« im selben Jahr mit einem Modell von Gucci. Heute tragen Stilikonen wie Jaden Smith tem Finger rauchte und ein eigenes Mofa als höchstes Ziel betrachtete. oder Kim Kardashian die Tasche diagonal umgehängt Leider kann ich nicht behaupten, das Schnöselige und Unsympathi- sche an der »Jugendbewegung« – die heute einen Wikipedia-Eintrag hat! – damals durchschaut zu haben. »Sehen und gesehen werden ist des Poppers Glück auf Erden«, lautete der Leitspruch, und er wurde von uns völlig ironie- Die Bauchtasche frei befolgt. Also stand man am Samstagabend um elf Uhr vor der Tenne (einer Diskothek im Hamburger Stadtteil Alsterdorf) und versuchte – den Pullo- Klassiker Es gibt nur einen Grund für die sogenannte Bum Bag: Wer ver mit V-Ausschnitt in die Hose gesteckt, an den Füßen ein Paar Loafers – so sie trägt, hat die Hände frei. Das ist praktisch. Aber weil »praktisch« auszusehen, als sei man das Kind reicher Eltern. Das war der Code, den es zu in der Mode ein Euphemismus für »hässlich« ist, waren Bauchta- erfüllen galt. Das Nicken des Türstehers segnete den gelungenen Look ab, die schen immer ein Polyester gewordener Kompromiss. Anders als Disco stand einem für diesen Abend offen. Montags in der Schule gehörte Rucksäcke, die seit ein paar Jahren ein Revival erleben, konnte man man zu denen, die dabei gewesen waren. Eine furchtbar enge Welt. Schon die Bauchtasche nie ernst nehmen. Als sie in den Achtzigerjahren damals, daran erinnere ich mich, habe ich darüber gestaunt, wieso das, was aufkam, wurde sie als schrilles, eher unernst gemeintes Accessoire in unserem Vorort als angesagt galt, plötzlich überall in Mode kam. Von getragen. Immer wieder gab es Versuche, sie gesellschaftlich akzep- Plakatwänden schauten Models in die Welt, die aussahen wie die Jungs auf tabel zu machen. 1992 posierte Claudia Schiffer für Chanel mit einer meinem Gymnasium. Leder-Gürteltasche, in der vierten Staffel von »Sex and the City« trug Von heute aus betrachtet, lag der wahre Stilbruch der Popper nicht Carrie Bradshaw ein Gucci-Modell. Doch erst die Kooperation von in ihrem langweiligen Kleidergeschmack, sondern in ihrer Weigerung, gegen Louis Vuitton mit dem Streetwear-Label Supreme im vergangenen die Generation der Eltern zu rebellieren. Bis dahin war es üblich, dass Teenager Jahr verpasste der Bauchtasche ein neues Image als It-Bag. Die neuen mindestens augenrollend, wenn nicht verächtlich auf ihr Zuhause reagier- Modelle sind aus Leder oder feinem Stoff, manche sind schrill, ten. Egal ob Hippies oder Punks, darin waren sich alle weitgehend einig. andere lassen sich Ton in Ton mit dem Outfit kombinieren. Es gibt Nicht so die Popper. Sie imitierten das Leben von gut situierten Vier- sie portemonnaiegroß oder oversized. Bei den Männerschauen im zigjährigen. Vielleicht bezahlten Mutti und Vati deshalb so bereitwillig die Juni waren sie das wichtigste Accessoire auf dem Laufsteg: mit Farb- teuren Kleiderwünsche der Kinder – keine Elterngeneration in der BRD war verlauf bei Hermès, in Metallic bei Dries Van Noten, mit Logo bei bis dahin so glimpflich davongekommen. Wenn etwas von den Poppern ge- Fendi. Ein bisschen sehen alle aus wie Känguru-Beutel. Außer, man blieben ist, dachte ich in den vergangenen Jahren manchmal, dann ist es dieser trägt sie wie Jaden Smith, Kim Kardashian (und alle Teenager welt- stupide Nachahmungswille. Mütter und Teenagertöchter laufen oft wie Klone weit) wie Bodybags schräg über der Brust. Kathrin Hollm herum, in den gleichen Jeans, den gleichen Turnschuhen, die Haare offen und gleich lang. Die Generationen haben sich in einem fernsehserienhaften Mit- einander eingerichtet. Dazu tauchen nun auch die Klamotten der Popper wieder auf. Es begann vor ein, zwei Jahren damit, dass Gucci Loafers wie Was für ein Blick! aus den Achtzigern anbot. Seitdem sehe ich überall: hüfthohe Hosen, Po- Bio Hotel Hermitage loshirts mit hochgestelltem Kragen, Daunenmäntel, in die Hosen gesteckte Inmitten der Dolomiten liegt das familiengeführte Vier-Sterne-Haus wie V-Pullover. Ich warte auf Perlenketten, Seidentücher. in einer zu schön gestalteten Modell­ Zum ersten Mal mache ich die Erfahrung, wie abgeklärt man wird, eisenbahnlandschaft. Eine der ersten wenn etwas in Mode kommt, das man so ähnlich selbst schon getragen hat. Adressen im Trentino mit nachhaltiger Architektur, Gourmetküche und einem Natürlich beneide ich die jungen Frauen in ihren Achtziger-Looks auch, al- Spa mit Panorama-Fenstern. Ab 100 les liegt noch vor ihnen. Dazu wird allerdings auch gehören, dass sie später Euro pro Person inkl. Halbpension Via Castelletto Inferiore 69, Madonna di Fotos von heute angucken und erkennen: Ich war jung – aber wie alt sah ich Campiglio, www.biohotelhermitage.it

bitte schön aus? (2) action press Fotos:

10 S-Magazin / Oktober 2018 S-Magazin / September 2017 11 STREETSTYLE STREETSTYLE

1 / Helma, ca. 60, Society-Lady 2 / Lara, 34, Journalistin 4 / Susanne, ca. 45, Bloggerin 6 / Jasmin, 51, Illustratorin Jacke und Tüllrock: Dior; Komplettlook: Céline Komplettlook: Malene Birger T-Shirt: irmasworld.com; Rock und Jacke: Schuhe: Gucci; Dior; Tasche: Dior Vintage; Tuch: Hermès; 3 / Mareen, 42, Sales Agent 5 / Philipp, 30, (l.) und Frank, 25, Blogger Schuhe: Church’s Die Farben Sweatshirt: Marc Jacobs; Jeans: Only; Anzug: Lexington; Hemd: Tiger of Sweden; Schal: H & M; Tasche: Mulberry Schuhe: Gucci (l.); Anzug: Topman; 7 / Tim, 39, Geologe und Boxtrainer von München Schuhe: Scarosso Hemd und Kappe: gymyilmaz.com Julia Werner

Der Stadt wird ja gerne vorgeworfen, eine Bling-Bling-Stadt zu sein. Völlig zu Recht. Sie ist aber auch – und das ist ein unbekannter Fakt – eine Funktionsja- cken-Stadt. Denn während es einerseits in der bayerischen Metropole auf den Festen und den Einkaufsstraßen mehr funkelt als anderswo, ist andererseits keine deutsche Metropole so naturverbunden. Es gehört zum guten Ton, am Wochenende rauszu- fahren, und dazu wird nun mal die Funk- tionskleidung angezogen: im Winter zum Skifahren, im Sommer zum Radeln oder Wandern. Diese Outdoor-Aktivität führt nicht nur zu einer Outdoor-Gesichtsfarbe, sondern sie spiegelt sich auch in der Gar- derobe wider. Die sportlichen Münchner 2 3 tragen in den Bergen Hightech-Sportklei- dung, moderne Wanderschuhe etwa sind eine Selbstverständlichkeit. Und wenn sie abends zurückkehren und auf ein Glas Wein ins Schumanns wollen, ist das pro- blemlos ohne Kleidungswechsel möglich. Dann mischen sich Oakley-Brillen-Trä- ger unter die Gesellschaftsdamen in Dior und Céline, die gerade bei Cocktails die Eröffnung eines neuen Shops oder die Verleihung eines Kulturpreises gefeiert haben, und unter die leicht schnöseligen Möchtegern-Italiener im Doppelreiher und mit nackten Füßen in Loafers. Ignoriert man einmal die souveränen Jungs aus der Musik- und Boxszene, ist München das wohl labelgläubigste Dorf Deutsch- lands. Nur selten begegnet man hier ei- nem total coolen Mädchen, das sich ein altes Vintagekleid als Turban um den Kopf schlingt, so wie etwa in Berlin oder 4 5 . Im Süden Deutschlands ist indivi- duelles Styling kein Zeichen für Style, das bestätigt auch Store-Besitzerin und Stillegende Marion Heinrich: »Die Münch- ner sind generell sehr konservativ. Viele wirken dadurch wie uniformiert.« Allerdings: Extremtrends wie breite Schultern oder Polka-Dots sieht man hier öfter als anderswo, weil, so Heinrich, bei den jungen Kunden »Branding« hoch im Kurs stehe – und deshalb trendsetzende Labels wie Balenciaga häufiger im Straßenbild auftauchen Man kann es sich ja auch leisten. Auch großer Schmuck wirkt nicht peinlich, und die traditions- bewussten bayerischen Damen und Her- ren in Lodenmänteln komplettieren das Gesamtbild, das nur eine Maxime kennt: leben und leben lassen.

1 6 7 Fotos: Mary Goldau

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Wer, wie, was?

Geschlechtslos, zeitlos, dekonstruiert: Kollektion des Japaners Fumito Ganryu auf der Männermodemesse Pitti Uomo in Florenz

TRIBUTE TO BLUE Die Mode ist zum Spiel der Identitäten geworden. Alte Dresscodes gelten nicht mehr. Die Vielfalt der Gesellschaft zeigt sich in dem, was sie anhat. Von Gundula Wolter Seit 1888 führt Bucherer ein beeindruckendes Sortiment der weltweit bedeutendsten Markenuhren. Aus der Zusammenarbeit zwischen Bucherer und einer Auswahl namhafter

Kleidung sagt immer etwas über die Person aus, die sie trägt – ob sie das beab- sondern auch Freiräume eröffnet, die uns von sozialen und gesellschaftlichen Uhrenpartner entstand eine einzigartige Uhrenkollektion – die Bucherer BLUE EDITIONS. sichtigt oder nicht. Die Deutung dieser Zeichen ist allerdings schwieriger ge- Zwängen befreien. Die Vielfalt von Lebensrealitäten ist medial präsenter denn Durch diese Zusammenarbeit konnten neue Standards bezüglich Innovationskraft und worden, auf vermeintliche Gewissheiten ist kein Verlass mehr. Geht dort eine je – das gilt für People of Color, Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender Frau oder ein Mann? Homo oder Hetero? Ist die Burkaträgerin eine Muslima und queere Personen ebenso wie für Menschen mit Behinderungen. Im besten Kreativität gesetzt werden. Entdecken Sie die exklusiven Zeitmesser mit einem Tribut oder eine Avantgardistin im »Ramadan-Look«? Im Zuge gesellschaftlicher Fall wird so das Bewusstsein für Verschiedenartigkeiten und Gleichberechti- Prozesse wie der Einführung der Ehe für alle, der #MeToo-Debatte und der gung geschärft. Auch Texte mit Gender*­-Sternchen oder Gender_Gaps arbei- an die Farbe Blau – eine Farbe, die zu Einzigartigem inspiriert. weltweiten Migration einerseits und der fortschreitenden Globalisierung, ten darauf hin. Medialisierung und Digitalisierung unseres Alltags andererseits ändern sich Für die genderfluide Generation Z – die Menschen also, die gerade erst auch die Schlüssel für das Styling. erwachsen werden – ist die Antwort auf die Frage nach sexueller Identität Wir erleben einen radikalen Wandel im Selbstdarstellungs-, Kommu- keine duale mehr. Ein Gesetz unterstreicht diese Entwicklung: Seit Novem- Exklusiv bei Bucherer erhältlich nikations- und Konsumverhalten; alte Regeln sind obsolet, neue, ganz anders ber kann man für sein Kind ein drittes Geschlecht im Geburtenregister ein- geartete entstehen. Bei den auf Smartphone und Social Media konzentrier- tragen lassen. ten Digital Natives der zweiten Generation wird das globale Teilen von Bil- Mode ist auch hier am Puls der Zeit. So wurde zum Beispiel im Juni dern quasi in Echtzeit zur Norm. »Wer bin ich?«: Die Frage nach der Identität über den Asos-Onlineshop in Zusammenarbeit mit der NGO GLAAD (Gay & wird visuell gestellt und mithilfe von Likes beantwortet. Lesbian Alliance Against Defamation) eine Capsule Collection in Regenbogen- Influencer und Modeblogger wissen, wie sie bei ihren Followern die farben lanciert. Transgender-Models laufen für Luxus-Labels wie Givenchy gewünschte Reaktion erreichen, und spielen mit den bislang geltenden Regeln über den Laufsteg und werben für Kosmetikfirmen, so wie Andreja Pejić – für Geschlechtsidentitäten, sexuelle Präferenzen oder politische Posen. Und vormals Andrej – als Gesicht der Beauty-Kampagne von Make Up For Ever. Labels nutzen das für die Vermarktung. 74 Prozent der Social-Media-Userin- Unisex-Mode ist keine Ausnahme mehr. Junge Modedesigner wie der nen kaufen heute Produkte, die sie über die digitalen Plattformen entdeckt Berliner Shootingstar William Fan präsentieren sich und ihre Kollektionen haben. Steve Lidbury, Chef der Designfirma Eight Inc., nannte bei der jüngsten geschlechtsneutral. Auf der Messe Pitti Uomo in Florenz zeigten Fumito Ganryu Fashiontech-Konferenz in Berlin den Slogan »From buying to being« als wich- aus Japan und Craig Green aus England Gewänder, die zeitlos, farbenfroh und tiges Motto zur Kundengewinnung. nicht gendernormiert sind. Für das Label Rhumaa lief auf der Berliner Fas- Aber neue Codes entstehen auch offline, wenn sich Parameter ändern, hion Week erst ein männliches, dann ein weibliches Model in einem blauen etwa in Büros, die heute durch flexibles Arbeiten im Coworking-Space oder Anzug mit folkloristischem Muster. Homeoffice geprägt werden: Der formelle Dresscode verliert an Verbindlich- Die Sehnsucht nach transparenter Herstellung, fairer, ressourcen- keit, die Casualisierung wird zur Norm. Jogginganzüge aus edlen Materialien schonender Produktion wird ebenfalls immer wichtiger. Im Onlineshop von oder Joggsuits sind Phänomene dieses Wandels. Auch Kleidung zu festlichen Honest By etwa werden alle Artikel inklusive Lieferkette genau beschrieben. Anlässen unterliegt nur noch selten Restriktionen, selbst Opernbesuche im Denn eine wachsende Zahl an Konsumenten will mit gutem Gewissen kaufen, T-Shirt sind kein Aufreger mehr – Anerkennung bekommt aber nur, wer das sich wohlfühlen und die freudige Botschaft dann gerne teilen – getreu dem »richtige« T-Shirt trägt. Motto: Alles, was zu mir passt, mich entspannt und glücklich macht, ist richtig. Was ist schön, was ist angemessen, was männlich und was weiblich? Auf einem aktuellen Statement-T-Shirt von Zadig & Voltaire steht in großen Heimat, Stil, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter – diese traditionell kul- Lettern: »DO MORE OF WHAT MAKES YOU HAPPY«. Der Subtext: Vergesst turprägenden Schlüsselbegriffe sind nicht mehr klar konturiert, teils sogar auf die alten Codes! S den Kopf gestellt. Hässlichkeit und Stillosigkeit können cool sein, »Ugly « (etwa in Form extrem klobiger Turnschuhe) oder »Normcore« (ein bequemer, Dr. Gundula Wolter, 67, Kunst- und Modehistorikerin, wurde unter anderem mit Standardwerken zur Geschichte der Hose (»Die Verpackung des männlichen Geschlechts«, »Hosen, weiblich« betont unmodischer Schlabberlook) sind en vogue. bekannt. Als Professorin lehrte sie an der UdK Berlin im Team von Vivienne Westwood. Sie ist Durch das Internet haben sich aber nicht nur neue Codes verbreitet, Mitgründerin und Vorsitzende von netzwerk mode textil e. V.

14 S-Magazin / Oktober 2018 BUCHERER.COM REPORT REPORT

01 Entspannt euch! Mode, Medizin, Küche, Kosmetik: Seit der Legalisierung boomt das Geschäft mit dem Hanf weltweit in vielen Bereichen. Auch in Deutschland kaufen nicht mehr nur Kiffer Cannabis-Produkte. Von Lutz Meier

Der Hanf steht etwas kümmerlich in diesem Sommer. Wort vom »Greenrush« um: Das Geschäft mit Cannabis Über zwei sanfte Hügel erstrecken sich die Cannabisfelder könnte zum Goldrausch des 21. Jahrhunderts werden. von Gut Peetzig. Durch ihre leuchtend grüne Farbe heben­ Das gilt nicht nur für Nordamerika. In Israel er- sich die elf Hektar von allem ab, was man im Nordos- forschen Pharma-Start-ups neue medizinische Anwen- ten Brandenburgs von der Landwirtschaft gewohnt ist: dungen für Cannabis. In Australien fördert die Regie- Weizen, Raps, Mais. Zwischen den dünnen Stängeln rung die globalen Expansionspläne der einheimischen springt ein junges Reh und sucht Schutz – vergeblich. Seit Cannabisproduzenten. Dänemark, Spanien, Portugal 01 Monaten hat es nicht geregnet in der Uckermark. »Die und Österreich forcieren den Anbau. Essenz wollen einfach nicht wachsen«, sagt Landwirtin Heike Die Liberalisierung der Pflanze, die rund 80 Jahre Für Illustratorin Eva Hartmann ist Hanf der Böthig. »Der Hanf braucht was umme Füße.« Ärgerlich, lang fast überall auf der Welt weitgehend verboten war, Stoff, aus dem viele wo das Geschäft mit der krautigen Pflanze gerade so gut entfesselt ungeahnte Kräfte: »Die enorme wirtschaftliche schöne Träume sind. in Schwung kommt. Dynamik nach der Freigabe ist gewissermaßen ein Au-­­­ Tatsächlich wächst der Markt für Seren, Öle Seit gut 20 Jahren darf Nutzhanf in Deutschland tomatismus«, sagt Justus Haucap. Der Düsseldorfer Wirt- und Kosmetik aus dem wieder angebaut werden – unter der Voraussetzung, dass schaftswissenschaftler, der an der Heinrich-Heine-Uni- Naturprodukt der Anteil der berauschenden Substanz THC 0,3 Prozent versität das Institut für Wettbewerbsökonomie leitet, nicht übersteigt, man also keine Rauschmittel daraus her- befasst sich seit Langem mit den Effekten der Cannabis- stellen kann. Seit zwei Jahren ist auch der Verkauf von Freigabe. »Marken bilden sich heraus, neue Produkte und Samen erlaubt. Der Demeter-Hof Gut Peetzig gehört zu Innovationen entstehen – der Markt wächst rapide«,­ den Pionieren im Hanf-Business. Die Stängel liefert der sagt Haucap. Vier bis acht Milliarden Dollar­ werden Betrieb an eine Genossenschaft, die Dämm- und Bau­ Schätzungen von Marktforschern zufolge in diesem Jahr stoffe daraus fertigt. Die Samen – immerhin neun Tonnen allein in den Vereinigten Staaten mit legalen Hanfpro- im vergangenen Jahr – werden weiterverkauft an Verar- dukten umgesetzt. In drei Jahren soll der US-Umsatz mit beiter, die daraus Öl gewinnen zum Einreiben oder Ein- Genuss- und Medizincannabis auf 22 Milliarden Dollar nehmen, für Shampoos oder Salatdressings. »Viele Jahre steigen und 400 000 neue Jobs im ganzen Land schaffen. war das Geschäft nicht profitabel«, sagt Böthig. »Hanfan- Die Euphorie ist ungebremst, obwohl das Geschäft in bau war für uns eine Liebhaberei, weil wir von dem Pro- Kalifornien mit Startproblemen zu kämpfen hatte, unter dukt überzeugt sind.« Mittlerweile lohnt sich der Anbau anderem durch Plantagenbrände und schlechtes Wetter. für Gut Peetzig so wie für zahlreiche andere Anbieter. Im Vergleich zum Rausch- und Medizinmarkt stel- Das Geschäft mit Cannabis sativa, wie der bota- len die übrigen Produkte, die sich aus Cannabis gewinnen nische Name des Kulturhanfs lautet, floriert auf der gan- lassen, noch Nischen dar. Doch selbst Mode, Kosmetik zen Welt, was vor allem der Freigabe von Cannabis als und Öle, für die Hanfprodukte verwendet werden, werden Rauschmittel und Medizin in wichtigen Märkten zuzu- es in den USA laut einer Prognose des »Hemp Business schreiben ist – allen voran Kanada und mehrere Bundes- Journal« 2018 auf einen Umsatz von mehr als einer Milli- staaten der USA. Seit im Januar dieses Jahres in Kalifor- arde Dollar bringen – bei Wachstumsraten um 15 Prozent nien Cannabis legalisiert wurde, eröffnen Ladenketten pro Jahr. Auch das Freizeitgeschäft liefert seinen Anteil: wie »Medmen« oder »Bud Bar« an den schicken Einkaufs- In der kalifornischen Wüste entsteht gerade ein Cannabis- meilen. Sie verkaufen berauschende Blüten der weiblichen Urlaubsresort für einen Teil der 20 Millionen Hanftouris- Hanfpflanze, also Marihuana, samt Zubehör, aber auch ten, die der Bundesstaat in diesem Jahr erwartet. Hanf- Cannabis-Schokolade oder -Kekse. liebhabern werden spezielle Bergwanderungen und Ski- In Kanada, wo Cannabis als Droge für den Freizeit- touren geboten, Sterneköche bereiten Cannabis-Menüs gebrauch seit Juli erlaubt ist, wetteifern bereits seit Jah- zu, vegane Restaurants in Hollywood bieten Canna- ren börsennotierte Anbieter um die Gunst von Aktionä- bis-Cocktails an, Kosmetiker »Canna-Cure-Pediküren«, ren. Der Marktführer Canopy Growth ist seit dem Ein- und wer auf den Shuttledienst Uber verzichten möchte, stieg eines Großinvestors im August rund elf Milliarden kann stattdessen eine Fahrt in der »THC Limo« buchen, Dollar wert. Im Mai war bereits der Rapper Snoop Dogg in der man Marihuana und Haschisch rauchen darf. medienwirksam bei den Kanadiern eingestiegen. Der Star Auch in Deutschland rechnen Cannabis-Fans mit betreibt zudem seit 2015 die Digitalplattform Merry Jane einem Durchbruch des Hanfgeschäfts als Folge der Libe- (abgeleitet von »Marihuana«) mit Informationen und Pro- ralisierung. Einer von ihnen ist Mathias Bröckers. Der dukten rund ums Thema Cannabis: »Ich wollte die Bewe- Journalist brachte bereits vor 25 Jahren das Standardwerk gung voranbringen«, sagt Dog. »Wir geben Menschen »Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf« heraus, die Möglichkeit, aus der Kifferecke rauszukommen.« eine Art Glaubensschrift. Als Bröckers vor der Jahrtau- Andere Prominente ziehen mit: Die Schauspiele­­- sendwende mit dem US-Aktivisten Jack Herer unterwegs rin Whoopi Goldberg etwa verkauft in einer Boutique in war, prophezeite der ihm, dass der allgemeinen Liberali- Los Angeles Cannabis-Kakao ihrer Marke »Whoopi sierung zunächst die Erlaubnis zur medizinischen Nut- & Maya«. Die Unternehmerlegende Richard Branson­ zung von Cannabis vorangehen würde. »Ich habe ihm lan- (u. a. Virgin) oder der Investor Peter Thiel (u. a. Paypal) ge nicht geglaubt«, sagt Bröckers. »Er dachte, man müsse pumpen ebenfalls Geld in die Branche. Schon geht das auf Nutzhanf setzen.«

16 S-Magazin / Oktober 2018 S-Magazin / 03.18 17 REPORT

01 Gut Peetzig Auf dem Demeter-Hof in Brandenburg wird Nutzhanf angebaut.

02 Shopping Rauchutensilien, Öle, Snacks werden schon in 01 02 03 04 vielen Läden Kaliforniens angeboten.

03 Richard Branson Der britische Milliardär setzt neuerdings auf Hanf- Landwirtschaft.

04 Whoopi Goldberg Die Schauspielerin verkauft in Hollywood 05 06 07 08 Cannabis-Produkte über ihre Marke »Whoopi & Maya«

05 Trend-Produkte Nicht mehr nur im Tee: Hanf findet sich auch in Limonaden, Bier, Cocktails oder Wein

Doch es kam, wie Herer sagte. Zuerst in den USA, dann Den Hanf für ihre Kleider bezieht Lanius aus China, wo 06 Gourmet auch anderswo erkämpften Patienten vor Gericht das die Faser eine jahrhundertealte Tradition hat. Die Produ- Restaurants und Bars Recht, die Heilkraft der Droge nutzen zu dürfen. Die zenten stellen dort nicht nur feine Stoffe für die Textil- setzen auf Kreationen Liste der Malaisen, bei denen Cannabis helfen soll, branche her. Die billig und schnell nachwachsende Pflanze aus der Pflanze umfasst Volkskrankheiten wie Depressionen, Rücken- wird auch im Fahrzeugbau eingesetzt. Ging es zunächst 07 schmerzen, Schlafmangel. Aber auch bei den Folgen von vor allem um Dämmmaterialien, werden aus den Fasern Lanius Im Frühjahr bringt das Chemotherapien, bei Multipler Sklerose, beim Tourette- mittlerweile auch Verbundstoffe gefertigt, die fast so fest nachhaltige Label Mode Syndrom oder ADHS wird der Wirkstoff eingesetzt. und leicht wie Carbon sind – zu einem Bruchteil der aus Hanf auf den Markt

In Deutschland machte der Gesetzgeber 2016 den Weg Kosten und bei deutlich geringerem Energieeinsatz. 08 frei für Cannabis auf Rezept. Auch die Kosmetikindustrie hat den Hanf ent- Allegrini Die Bundesrepublik könnte sich zu einem weite- deckt. Etablierte Marken bringen Pflegeserien mit Hanf- Der italienische Familienbetrieb bietet ren Schlüsselmarkt entwickeln, meint Sebastian Schulz samen auf den Markt, inklusive vielsagender Anspielun- edle Kosmetik aus dem Öl von der Firma Spektrum Cannabis bei Heidelberg, die gen: »Chill Out Hemp & Peace« heißt etwa eine Serie des Samens mittlerweile zu Canopy Growth gehört. »Wem hier der des Aachener Herstellers Babor. Der Drogeriemarkt- Durchbruch gelingt, der kann es in ganz Europa schaf- Lieferant Kneipp nennt sein Hanfschaumbad »Treiben fen.« Wird Cannabis erst einmal in größerem Stil in der lassen«. Den essenziellen Fettsäuren des Hanföls wird Medizin genutzt, werden auch die übrigen Pflanzenbe- eine entzündungshemmende und aufpolsternde Wir- standteile interessanter für die Verwertung. kung nachgesagt. Hanföl soll also Falten glätten. Ganz so fix, wie es sich manche wünschen, wird es »Die Leute gucken bewusster nach Inhaltsstof- jedoch wohl nicht klappen. Bislang nämlich läuft es nicht fen und kennen die Kraft des Hanfes«, sagt Giacomo rund mit dem medizinischen Cannabis: Der Großteil Allegrini, Vertriebschef des gleichnamigen Kosmetik- des hierzulande verkauften Stoffs kommt aus Kanada und herstellers aus Norditalien. Kürzlich präsentierte das 70 ist entsprechend teuer. Ungefähr 23 Euro kostet das Gramm Jahre alte Unternehmen auf der Männermodemesse Pitti in der Apotheke, etwa das Dreifache von dem, was auf dem Uomo eine exklusive Hanflinie mit Shampoo, Lotion Schwarzmarkt in Berlin fällig ist. Der deutsche Gesetz- und Conditioner in Design-Tiegeln. Seit der Liberalisie- geber hat zwar auch heimischen Anbau von Cannabis mit rung kommt die Pflanze aus der Ökoecke heraus, sie hohem THC-Gehalt vorgesehen, aber dieser wird auf- wird salonfähig. grund von juristischen Unklarheiten frühestens 2020 in Das konnte man auch auf der Hanfmesse Mary Gang kommen. Die vorgesehene Menge ist zudem gering Jane beobachten, die in diesem Sommer zum dritten Mal und soll zentral an eine Bundesbehörde verkauft werden. in Berlin stattfand. 200 Aussteller aus der ganzen Welt Während der Gesundheitsausschuss des Bundes- präsentierten neben Kifferutensilien auch Lifestyle- tags im Juli über die Probleme beim Medizinhanf disku- Produkte wie Cannabis-Müsli mit Hanfsamen. Dieses tierte, warb Claudia Lanius im Sommerkleid aus Hanf ist THC-frei, die Samen gelten als sehr gesund und an ihrem Stand auf der Berliner Fashion Week für den schmecken ein bisschen wie Buchweizen. Die öster- Stoff. Die Kölner Designerin begeistert sich seit Studien- reichische Firma Green Spectrum stellte derweil ihre tagen für den Einsatz von Hanf in der Mode. »Er ist robust, neue Marke vor, unter der sie THC-arme Blüten und langlebig, temperaturausgleichend, knittert nicht wie cannabinolhaltige Öle in schickem Design verkauft. Die etwa Leinen und muss nicht chemisch bearbeitet wer- Blüten können geraucht, verbacken oder zu Tee aufge- den«, sagt sie. gossen werden, sie wirken wie ein leichter Joint, helfen Am Anfang war Mode aus dem flachsähnlichen Menschen zu entspannen oder gegen Schmerzen. Noch Gewebe so, wie man es sich vorstellt: Latzhosen aus gro- läuft das Geschäft ausschließlich übers Internet, künftig bem Stoff in knalligen Farben. Die heutigen Kollekti- sollen die Produkte auch über eine eigene Ladenkette onen haben die Hippie-Romantik hinter sich gelassen: vertrieben werden. »Gute Freunde in Kalifornien haben Lanius etwa schneidert feine Blusen, schmale Karo-Ho- uns auf die Idee gebracht«, sagt Geschäftsführerin senanzüge, weich fallende Kleider. Das soll Hanf sein? Julia Geiß. »Mein Vater hat am Anfang die Hände über »Am Anfang hat das Zwielichtige die Leute angelockt«, dem Kopf zusammengeschlagen, als ich ihm erzählte, sagt Lanius. Heute sei es das Luftige und Naturnahe des was wir machen. Inzwischen erkennt auch er das Po- Stoffs. »Brigitte«-Leserinnen bestellen bei ihr ebenso tenzial der Idee.« Der Name ihrer Marke verdeutlicht S wie Berliner Hipster. den Optimismus der Branche: »Zur Blüte« heißt sie. Alliance (2) Picture action press, Images, Reuters, Brown/AFP/Getty J. Frederic Fotos:

18 S-Magazin / Oktober 2018 Mario Total normal Doppelripp-Tanktop aus Baumwolle von Schiesser Revival, 39 Euro; Jeans von Tommy Jeans, 119 Euro; Chronograf »Koppel« von Georg Jensen mit Stahl- armband, 1195 Euro

Leni Rollkragenpullover mit Strass, 565 Euro, Rock mit Hosenträgern, 825 Euro, beides Max Mara; Lack-Vinyl-Jacke von Ihre Makel Calvin Klein, 170 Euro, über mytheresa.com

Celine Hemd aus Baumwolle von Olymp, 99,95 Euro; Rock sind ihre von Helmut Lang, 400 Euro, über mytheresa.com; Bomberjacke von Saint Laurent, 1490 Euro, über mytheresa.com; Kette der»Iconica«-Kollektion aus Weißgold mit weißen Markenzeichen: Diamanten von Pomellato, 14 800 Euro

Anna Bluse von Windsor, 269 Euro, Mantel aus Wollmischung, 499 Euro, Eine neue Hose aus Polyester, 249 Euro, beides Boss; Rock aus Jeans und Lammfell, 330 Euro, Lederstiefel mit hohem Keilabsatz, 390 Euro, Generation beides Hilfiger Collection von Models erobert die Mode.

Fotos: Peter Kaaden

20 S-Magazin / Oktober 2018 S-Magazin / 03.18 21 Anna Pullover aus Kaschmir, 2600 Euro, Rock aus Jacquard und Doubleface, 6800 Euro, Stiefel aus Ziegen- veloursleder, 1490 Euro, alles von Hermès

»Mittlerweile werden die »Mehr Falten gezeigt.« Echtheit ist gefragt.«

Celine Body aus Polyamid und Elastan mit Spitze von Mey, 69,95 Euro

22 S-Magazin / Oktober 2018 S-Magazin / 03.18 23 Leni Blazer aus Polyester von OIL, 175 Euro; Norweger-Pullover aus Baumwolle und Wolle von Marc O’Polo, 159,95 Euro

» Ich finde das Uneindeutige schön.«

24 S-Magazin / Oktober 2018 S-Magazin / 03.18 25 »Früher Leni Latzhose aus Kordsamt, 295 Euro, Lederstiefeletten, 375 Euro, beides von Sandro; Baumwollhemd wurde meine von Seidensticker, 49,99 Euro; Armbanduhr »Breitling Navitimer 8 Automatic 41« mit Edelstahlgehäuse und Prothese Armband aus Kalbsleder, 3600 Euro immer kaschiert.«

»Geschlechter spielen in unserer Zeit keine so große Rolle mehr.«

Mario Hemd von Kiton aus Baumwolle, 600 Euro; Pyjamahose, 1400 Euro, Morgenmantel, 1800 Euro (im Set), beides Brioni; Loafer aus Kalbsleder von Moreschi, 495 Euro

26 S-Magazin / Oktober 2018 S-Magazin / 03.18 27 28 »Gott sei Dank Regeln!« brechen wir die he Bridge, 255Euro Tasche ausLedervon T Sandro, 295Euro; Lederstiefeletten von Cape von Herno, 340Euro; von MaxMara, 1119 Euro; Faltenrock ausKamelhaar Lauren, Euro;Ralph 249 Bluse ausSeidevon Polo Anna Diamanten, 4230Euro Weißgold, besetztmit »Happy Diamonds«aus der Chopard-Linie Geox, 165 Euro; Ohrstecker Stiefel ausLackledervon Mey &Edlich,199 Euro; »Bauhaus-Sakko« von 599 Euro, beidesvon Aigner; aus Nappa-Lackleder, Pailletten, 199 Euro, Hose Kapuzenpullover mit Leni von Bridge, 429Euro The Euro; ausLeder Rucksack von Maurice Lacroix, 895 »Fiaba Date« ausEdelstahl 275 Euro; Armbanduhr Stiefeletten von Sandro, im Zweierpack, Euro; 13,95 Euro;449 ­ Kleid von Marc Cain, Celine Socken von Joop, S-Magazin / Oktober 2018

[email protected] Fax 07044-922922 Tel. 07044-922910 Agentur PatrickWeber AGENT FORGERMANY SECTIONAL SOFA GROUNDPIECE Schönheit Voller UV-Schutz in allen klaren ZEISS Brillengläsern. – was Immer. Und überall. ist das? ZEISS Brillengläser mit UVProtect Technologie

Vier ungewöhnliche Models, ein neues Ideal. Designern. In Paris fand mich mal einer cool in Celine, 25, aus Mannheim gewann 2016 bei RTL2 den Anna, Leni, Mario und Celine sind die Stars un- seinen Klamotten. Beim Umziehen sah er meine Wettbewerb »Curvy seres Shootings. Sie sitzen in einem Hamburger Prothese und ist ausgerastet. »Warum schicken Supermodels«. Sie war in Studioloft entspannt im Kreis, Leni und Celine die mir einen Behinderten?«, hat er gebrüllt. Di- der italienischen »Vogue«, im Otto-Katalog und auf in Unterwäsche, Anna im Komplettlook von rekte Ablehnung habe ich sonst nicht erlebt, dann dem Cover von »Brigitte« Hermès, Mario in seiner alten Jeans. Wir haben kriege ich halt einfach den Job nicht. In den zu sehen. Zuvor machte sie eine Ausbildung im Vertrieb sie gefragt, wie sie sich und anderen gefallen. ersten Jahren wurde meine Prothese immer ka- eines Energieversorgers. schiert. Mit Reiterstiefeln etwa. Erst später wur- Mario: Bislang wurde im Fashion-Business alles de die Prothese mein Markenzeichen. Leni, 25, aus Berlin ist Designerin von Merchan- gepimpt, Schönheit ist dann oft nur eine Illusion. dise-artikeln für Influencer Ich war gerade fünf Tage wandern in Berchtes- Anna: Als ich vor 15 Jahren wieder anfing zu mo- und arbeitet seit fünf Jahren als Gelegenheitsmodel. gaden. Da habe ich viel Schönes gesehen. deln, wurde meine Figur gelobt, auch die Haare, Die meisten Jobs macht sie aber mein Gesicht wurde so gephotoshopt,­ dass für Independent-Modelabels Anna: Für mich ist alles schön, was eckig ist, ich hinterher oft aussah wie gebügelt und ich und -Magazine. nicht so glatt. Wenn ich zweimal hingucken muss, mich selbst nicht erkannt habe. Mittlerweile wer- Mario, 33, aus Hamburg weil es mich zum Denken anregt und weiter- den die Falten gezeigt. Weil es sonst langweilig arbeitet als Kaufmann für Bürokommunikation. Er bringt. In diesen Bruchstellen liegt für mich ist, immer das Gleiche. Frauen und Männer sehen wurde mit einem verkürzten Schön-heit. Das gilt für die Natur genauso wie für nach Schönheitsoperationen in Wahrheit auch Bein geboren. 2006 wurde Menschen. nicht jünger aus, sondern anders alt. Das kann man er in einem Imbiss angesprochen, ob er als nicht wegkriegen. Ich trage auch nicht gern su- Model arbeiten wolle. Celine: Mehr Echtheit ist heute gefragt. Die Leute perkurze Röcke oder hautenge Teile, die für viel Seither war er auf Schauen und in Kampagnen unter merken, dass das Schönheitsideal der vergange- jüngere Generationen gedacht sind. Es muss noch anderem für Boss, Peugeot nen 20 Jahre ein Zwang war, eine Photoshop-Il- ein kleines Fragezeichen im Raum stehen. und Tom Tailor zu sehen. lusion, die uns auf Dauer kaputtmacht. Jetzt geht Anna, 67, aus Berlin der Trend zu mehr Natürlichkeit. Gott sei Dank Celine: Ich musste an meiner Einstellung arbeiten, ist Sozialpädagogin und brechen wir die Regeln. Man kann ja offenbar mich so zu akzeptieren, wie ich bin. Ich war nie hat vier Kinder und zwölf Enkel. Als Studentin hat auch mit anderen Maßen als 60-90-60 schön sein. die Dünnste und so perfekt wie die meisten ande- sie gemodelt und 40 Jahre ren in der Modewelt. Es war ein langer Prozess. später wieder angefangen, Leni: Ich finde das Uneindeutige schön. Ich bin Gerade in der Pubertät fühlt man sich ja so unwohl etwa in Kampagnen für Dolce & Gabbana Parfum ein großer Fan von Androgynität als Ausdrucks- in seinem Körper. Meine Mutter hat mir immer ge- und auf Fashionshows von form, weil sie aufzeigt, dass Geschlechter in un- sagt: Das Leben wird besser, je älter man wird. Yamamoto, Undercover und Marimekko. serer Zeit nicht mehr so eine große Rolle spielen. Heute finde ich mich schön, weil ich glücklich bin.

Mario: Früher sahen alle Models gleich aus. Das Leni: Für Leute wie mich haben Models wie hat keine Aufmerksamkeit mehr erzeugt. Es Andreja Pejić den Weg bereitet. Für die Themen brauchte Veränderung. Wer mich mit meiner Be- Gender, Queerness, für nichtbinäre Geschlecht- Schützt Ihre hinderung zeigt, erzielt einen Effekt. Das moti- sidentitäten. Ich weiß, dass hinter den Kulissen viert wiederum andere, Ähnliches zu versuchen. anders geredet wird, dass viele doch nicht mutig Brille vor UV? Einziger Haken: Man weiß oft nicht, ob es um genug sind, sich für Typen wie mich einzusetzen. Toleranz geht – oder doch nur um Marketing. Aber schlechte Erfahrungen habe ich nie gemacht. Die Leute versuchen natürlich, einen zu katego- Jetzt testen! Anna: Gaultier hat schon vor vielen Jahren Äl- risieren, als Mann oder als Frau. Das ist anstren- tere, Behinderte oder Korpulentere in seinen gend. Im Englischen gibt es »They« für nichtbi- UV-Strahlung ist immer vorhanden – auch bei bewölktem Himmel. Shows gehabt ... näre Menschen. In Skandinavien existiert eben- ZEISS UVProtect Brillengläser schützen Ihre Augen und die empfindliche falls ein drittes Pronomen, in Deutschland kann Augenpartie zuverlässig vor UV-Strahlen. Leni: ... und das Gender-Model Andreja Pejić. 2011 mittlerweile ein drittes Geschlecht eingetragen Produktion: in Paris lief Andrea für Gaultier in Frauen- und werden. Ich möchte mich nicht ständig erklären Bianca Lang-Bognár; Kann Ihre Alltagsbrille das auch? Machen Sie den Test bei Ihrem Männer-Outfits und für Marc Jacobs in Männer- müssen. Ich denke mir dann immer: »Educate Styling: Alexandra Heckel; Haare & Make-up: teilnehmenden ZEISS Augenoptiker – er sagt Ihnen, ob Ihre klaren Looks. Andrea war das erste Model, das Diversi- yourself! Googel es!« Gudrun Müller tät auf dem Laufsteg populär gemacht hat. Dafür mit Produkten von Brillengläser vor der gefährlichen Strahlung schützen. Sisley Paris und Aveda; feiere ich sie immer noch, obwohl sie inzwischen Celine: Ich stecke ja in der Schublade »curvy«. Oft Assistenz: Maya Lu, zur Frau geworden ist. Die Modeindustrie hat sie werde ich gefragt, was bei meinem Job anders Alessa Kapp; daraufhin weniger gebucht, weil sie nicht mehr ist. Nichts, antworte ich dann immer. Es ist das- Fotoassistenz: Benni Bock; Models: Anna/Modelwerk; spannend genug war. Ihr androgyner Look wur- selbe wie bei den Straight-Size-Models, nur dass Celine/Mega Model Agency; de nur benutzt. ich mehr essen kann. Lieber wäre mir, ich würde Leni/Indeed Model als normales Model wahrgenommen. Ich bin ja Management; Mario Galla; Location: Jetzt teilnehmenden ZEISS Augenoptiker finden und mehr erfahren auf: Mario: Ich wurde auch schon beschimpft von schließlich auch ganz normal. Weyer + Grill Studio www.zeiss.de/uvtest

30 S-Magazin / Oktober 2018

ZEI-PE-18-1007_UVP_Anz_Jann_260x380.indd 1 13.09.18 13:22 GESPRÄCH GESPRÄCH

Die kreideweißen Haare streng weichen Kapuzenpullover zu will, schaltet einen Podcast ein. und Licht sind wichtige Mittel, Klingt nicht so sexy. —— Das Geburtenrückgänge, wie wir sie »DAS FLIRTEN aus dem Gesicht gestrichen, dazu finden. Wenn Sie heute in das Das Leben übernimmt die um das Einkaufen wieder mit dem Flirten stirbt auf jeden Fall aus, bereits in einigen hochentwickel- ein sackartiges, schwarzes Kleid Buch schauen, finden Sie nur ein Fernsehserie. Und die Online­ Leben zu verbinden. Weg von ­­­­De- und das ist furchtbar langweilig. ten Ländern wie Japan beobach- STIRBT AUF JEDEN und Sandalen – Li Edelkoort wirkt, Foto, das veraltet aussieht: Darauf präsenz ersetzt unser wahres Ich. pression und Angst, hin zu emo- Die Chemie zwischen zwei ten. Wir spüren, dass die Welt uns als wäre sie nicht aus New York, sind Disketten zu sehen. tionaler Ausgeglichenheit. Menschen wird nicht mehr nicht mehr braucht. Alles ist auto- sondern von einem anderen Stern Gibt es nicht auch Gegenbewe- gespürt. Wenn man heute jeman- matisiert. Das Humane gewinnt FALL AUS.« angereist. Die Art Basel ist gerade Was kommt denn als Nächstes auf gungen zum kompletten Rückzug? Auf der Design Week in Mailand den in einer Hotellobby anlächelt, deshalb immer mehr an Wert. angelaufen, und die einflussreiche uns zu? —— Trends entwickeln —— Stimmt, aber die Werte haben Sie Anfang des Jahres ist dieser Mensch irritiert und Lidewij Edelkoort gilt als die wichtigste Trendforscherin gibt an der ört­­- sich unglaublich langsam. Wenn verschieben sich. Es geht mehr um zusammen mit Google Ihre Vision versteht es nicht. Und deshalb erlebt Handgefertig- Trendforscherin der Welt. Der Gegenwart li­­chen Hochschule für Gestaltung Sie heute lesen, was morgen inneres Wachstum. Das hat auch des modernen Zuhauses vorge- tes ein Revival? —— Genau. steht die 68-Jährige kritisch gegenüber. und Kunst ein Tages­seminar. Titel angeblich in oder out ist, verges- mit dem Verlust der Religion zu stellt. Ebenfalls unter dem Schlag- Woran liegt das Ihrer Meinung Daran halten wir uns im wahrsten Ein Gespräch über die Auswirkung der »Enlightenment – Softwear: Über sen Sie’s. Das ist Blödsinn. tun, die in der Mode wieder wort »Softwear«. Ist Ihnen nichts nach? —— Zu viel Handykon- Sinne fest. Wir sind auf dem Weg, die Heilung der Gesellschaft, die verstärkt auftaucht. Neues für die Zukunft eingefal- sum. In meiner Präsentation habe uns als Spezies auszurotten. Das #MeToo-Bewegung auf Schulterpolster und das Förderung einer anderen Mode Und wenn sich Trends durchset- len? —— Es geht quasi um Soft- ich ein Foto von Models, die mit geht bei dem schwierigen Zusam- Ende der Menschheit. Von Anne Backhaus und den Einfluss von smart Media zen? —— Dann bleiben sie uns Das Metropolitan Museum in New wear 2.0. Diese Bewegung ist mehr Smart­phone und Laptop auf dem menkommen von Mann und Frau auf unser Leben.« Edelkoort spricht sehr lange erhalten – zumindest, York zeigt noch bis 8. Oktober die als nur ein Trend. Sie hat nicht nur Sofa rumhängen, halb liegend. So los und setzt sich fort mit der ver- mit starkem niederländischen wenn sie etwas grundlegend Ausstellung »Himmlische Körper: die Kleidung, sondern auch Innen- hätte ich die beiden nie hingesetzt, heerenden Aufmerksamkeit, die Akzent auf Englisch über Farben verändern. Nehmen Sie das Mode und die katholische Fanta- einrichtung, Design und Kommu- sie haben die Position von allein wir Telefonen schenken. Einge- und Trends der Wintersaison des Thema Freizeit. Der Begriff wurde sie«. Auch die Met Gala, das nikation revolutioniert. Unser ­­Um- eingenommen. Wir werden zu hende Nachrichten sind immer kommenden Jahres. Von der ersten in den Fünfzigerjahren geprägt, modische Großereignis, stand gang mit Technik hat sich grundle- horizontalen Menschen. Es wird wichtiger als das Gespräch, das Sekunde an ist jeder der knapp als das Wochenende an Bedeutung unter diesem Motto. Werden wir gend verändert. Sie bewegt uns keine Bars mehr geben. Alle such- wir gerade mit jemandem führen. 200 Zuhörer im Raum vollkom- gewann. Erst kam der freie bald alle in Priestergewändern heute emotional, wir lassen uns en sich schnell einen Partner und men auf sie konzentriert. Nach Sonntag, dann der freie Samstag. rumlaufen wie Madonna auf der komplett auf sie ein. Meine Arbeit bleiben bei ihm. Zusammen schau- Darüber sind sich ja viele bewusst zweieinhalb Stunden ist Pause. Die Mode und das Wohndesign Gala? —— Das war erst der für Google zeigt, wie Technik en sie Netflix. Das war’s dann. und hoffen, diese Entwicklung Vor dem Hörsaal drängelt sich das griffen diese gesellschaftliche Anfang. Umschließende Umhänge zukünftig mit unserem Leben umkehren zu können. Was meinen Fachpublikum am Buffet. Edelkoort Veränderung als Erste auf. Dann und schwebende Roben, gewickel- verwoben sein wird. Worauf hoffen Sie in Zukunft? Sie? —— Das stimmt. Einige lässt sich drinnen einen kleinen stellten sich die Zigarettenmarken te Mäntel, Tuniken, lange Strick- —— Auf Telepathie. Giganten Menschen machen bereits nachts Linsensalat und ein Glas Wasser und Accessoire-Hersteller darauf waren und Jerseys werden eine Nämlich wie? —— Geräte wie wie Google und Apple suchen ihr Telefon aus, lernen, nicht ständig bringen, beides rührt sie kaum an. ein. Die Freizeitbranche wächst neue, verlängerte Silhouette hervor- Handys, Kameras oder Virtual- bereits nach Möglichkeiten, damit danach zu sehen, und verstehen, Bloß keine Zeit beim Interview noch immer. Der Trend hat nie bringen. Dazu kommen Acces­­- Reality-Brillen nehmen mehr und wir bald auf andere Art kommuni- dass Facebook und Instagram verlieren, in einer halben Stunde geendet. Heute laufen alle in soires wie Rosenkränze, folkloris- mehr Platz in unserem Leben ein. zieren können. Dann sind wir dazu entwickelt wurden, süchtig geht ihr Vortrag ja schon weiter. Freizeitkleidung herum, gehen tische Bänder und Anleihen aus Sie müssen sich deshalb gut allein und gleichzeitig zusammen. zu machen. Das zu verstehen hilft, sogar in Jogginghosen zur Arbeit. anderen spirituellen Richtungen anfühlen und optisch in unsere Um zusammen zu sein, muss man sich davon zu befreien. Es ist aber Frau Edelkoort, Sie geben jedes wie Taoismus oder Voodoo. Wohnungen einfügen. sich auch nicht länger verbiegen. fraglich, ob das alle schaffen. Jahr Ihr »General Trend Book« Ist das nicht nur ein vorüberge- Das ist ja beruflich bereits so. heraus, eine Zwei-Jahres-Progno- hendes Phänomen? —— Wir Und was sehen Sie sonst noch auf So wie die Collagen der niederlän- Haben Sie Angst vor der Zukunft? se für Mode und Design. 1998 leben in einer Zeit, in der Garde- uns zukommen? —— Enge dischen Designerin Kiki van Eijk, Wie meinen Sie das? —— Nein. Neben den schlechten legten Sie ein Heft mit dem Titel robe einfach nur bequeme Klamot- Hosen werden durch weite ersetzt, die Sie ausgestellt haben? Darauf —— Gruppen sind heute viel Tendenzen gibt es immer auch »Softwear« bei, das Vorhersagen ten meint: T-Shirts und Sweatshirts, die uns völlige Bewegungsfreiheit sind unter anderem Handys zu organischer. Du bietest dein gute. In der Zukunft werden wir für das Jahr 2020 enthielt. Nahezu Jacken und Jeans. Sogar Luxus- erlauben. Frauen brauchen keine sehen, die den groben Teppichen Talent der Gruppe an, und so zum Beispiel digital näher zusam- alle Prophezeihungen haben sich marken heuern Streetwear-Desig- Schulterpolster mehr. Die Schul- ähneln, auf denen sie liegen. erhältst du deinen Platz. Das sehe menrücken. schon jetzt erfüllt. Können Sie ner an. Die Branche wird noch tern werden schmal, denn mit der —— Die Arbeiten von van Eijk ich an meinen Studenten: Die hellsehen? —— Nein, aber ich weiter in diese Richtung gehen. #MeToo-Bewegung werden Frauen sind mir sehr wichtig. Ihre Colla- wollen nicht mehr allein arbeiten. Moment, sollten wir das Handy beobachte, habe ein gutes Gespür immer stärker und müssen Stärke gen kombinieren Stoffe in ver- Die Idee etwa, ein einsamer, nicht weglegen, um uns zu retten? und bin viel unterwegs in der Wieso sind Sie sich da so sicher? nicht über ihre Gestalt vorgeben. schiedenen Beschaffenheiten mit genialer Stardesigner zu werden, —— Wir werden uns kleine Welt. Manchmal ist es trotzdem —— Weil es zu unserem Leben modernen Geräten. Unsere Sehn- stirbt aus. Die Verbindung der Zirkel suchen, in denen wir uns erschreckend für mich, wie genau passt. Wir sind weder an Büros Stress und Konflikte könnten uns sucht nach Textilien hat mit un- Menschen ist ein neues Verspre- beschützt fühlen und die Informa- »Das Internet wird zu einer großen Stadt. Man lebt in seinem Viertel, ich es getroffen habe. Das war ja noch an alte Konventionen gebun- doch gerade nach einem Schutz serem Mangel an Fühlbarkeit im chen der Gesellschaft. tionen erhalten, die wir wirklich kennt seine Nachbarn und weiß genau, wo man wofür hingeht. Heute damals alles noch sehr weit weg. den. Dazu kommt der Stress. des Körpers verlangen lassen. echten Leben zu tun. Unsere Fin- brauchen. Das Internet wird zu verlieren wir online ja noch viel Zeit beim Suchen.« Warum also nicht dickere Polster? ger sind bereits so sehr an Displays Was verspricht sie denn? einer großen Stadt. Man lebt in Sie schrieben etwa: »Wir begin- Welcher Stress? —— Der —— Was wir am meisten brauch- gewöhnt, dass wir uns nach Stoffen —— Transparenz oder Integrati- seinem Viertel, kennt seine nen, uns Zeit für uns selbst zu Wirtschaft geht es besser, aber en, sind innere Stärke und Ruhe sehnen, die haptisch wahrnehm- on zum Beispiel. Die Persönlich- Nachbarn und weiß genau, wo nehmen, mehr zu Hause zu sein, das fühlen wir nicht, durch die per- – eine Revolution des Mentalen, bar sind. Mit Strukturen, unregel- keit und Kreativität der Arbeiter man wofür hingeht. Heute und werden uns bewusst, dass manent schlechte Nachrichtenlage aber nicht noch breitere Schul- mäßig und handgefertigt. wird als wichtiger Teil eines verlieren wir online ja noch viel man Karriere nicht ausschließlich und Machthaber wie Donald tern. Unser Planet ist krank, und Produkts angeboten. Es wird Zeit beim Suchen. S im Büro machen muss.« Wie Trump. Das Leben fühlt sich achtsamer Konsum wird für die Die Möbel- und Kleidungsstücke Schilder in Kleidungsstücken kamen Sie darauf, dass die Leute schwerer an und macht uns un- kommende Generation, die in in Ihrer Präsentation sind alle- geben, auf denen steht: »Gefertigt deshalb weichere Kleidung kaufen glücklich. Alle jungen Menschen, einer Welt in der Krise geboren samt in warmen Erdtönen von einem Menschen.« Denn Lidewij Edelkoort, 68. Die niederländische Trendforscherin berät seit den Siebzigerjah- würden? —— Mir war klar, dass mit denen ich spreche, haben und aufgewachsen ist, zur Norm. gehalten, genau wie die Lautspre- Ware von einem Roboter kann ren weltweit Unternehmen wie , die technische Entwicklung die Angst vor der Zukunft. Das wirkt cherboxen. Und die Männer sind jeder haben. Wir steuern auf das Gap, Rado, Estée Lauder oder Coca-Cola sowie Museen und Banken. In ihren Büros Sehnsucht nach Geborgenheit mit sich natürlich aus. Und wie spiegelt sich das in den von den Frauen kaum zu unter- Ende der Menschheit zu. in New York, Paris und Tokio erforscht sie, sich bringt. Der Homeoffice-Life­ Läden der Zukunft? —— Stores scheiden. Wird alles gleicher? was sich Konsumenten in Zukunft wün- style verändert unser Leben Wie denn? —— Das Bedürfnis müssen Refugien sein, die Men- —— Weil wir im Außen keine Wollen wir mal hoffen, dass Sie schen, und entwickelt passende Strategien. Edelkoort war zudem zehn Jahre lang Präsi- völlig. Wir haben damals ein Buch nach Zusammensein wächst. Die schen umsorgen und sich positiv Ruhe finden, installieren wir sie sich diesmal täuschen! —— Wenn dentin der . mit Beispielbildern produziert. Ich Menschen füllen ihr Leben mit auf Körper und Geist auswirken. zumindest optisch in der Wohnung. die von uns erschaffene Technik Wegen ihrer präzisen Prognosen wird sie auch die »Hohepriesterin« der Mode ge- weiß noch, wie schwer es war, für Freunden, Tieren, Filmen und Thirza Schaap Shopping-Stress wird durch be- Junge Paare leben dort wie Kamera- übernimmt, wird es uns nicht mehr nannt. Sie selbst schüttelt darüber den Kopf:

die Aufnahmen einen schlichten, Essen. Wer eine Stimme hören Foto: wusste Erlebnisse abgelöst. Töne den zusammen, die alles teilen. geben. Dazu kommen die starken »Ich mache einfach nur meinen Job.«

32 S-Magazin / Oktober 2018 S-Magazin / 03.18 33 PROTOKOLLE

Was sind die neuen Dresscodes? Eine Frage, drei Antworten Protokolle: Bianca Lang/Barbara Markert/ Andreas Möller

01 02 Virgil Abloh

Ich mache Mode, die sich an die Kunden richtet, nicht an die Branche. Die Millennials sagen, was sie wollen, sie verstehen was von Mode. Sie haben I einen Instagram-Account und bestimmen ihren Stil selbst. Alles, was mich inspiriert, fotografiere ich mit dem Handy: ein Verkehrszeichen etwa, ein Logo auf einer Zahnbürste – und oft fließen diese Bilder dann in meine Kol- lektion ein. Meine Marke Off-White ist stark beeinflusst von Kultur, Kunst 01 Virgil Abloh, 38, und Politik. Für mich gibt es keine bessere Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, Der Autodidakt gründete 2013 die Er- als Mode zu kreieren. Ich möchte die Street-Couture, den Hip-Hop, die Art, folgsmarke Off-White. wie sich die Leute etwa in New York kleiden, kombinieren mit höchster 2018 ernannte Louis Vuitton den in Chicago Qualität, mit Handwerk aus Italien. Ich bringe die klassische Schneiderei mit geborenen Sohn eines neuen Stylings auf den neuesten Stand, ergänze etwa Reißverschlüsse, da- ghanaischen Paars zum mit ein Stück zu mehr Anlässen getragen werden kann. Ich habe keine Mo- Chefkreativen seiner Herrenlinie. deschule besucht, weil ich glaube, dass Distanz zur Branche dem Zeitgeist 02 Stiefel von Off-White entspricht. Ich liebe Gegensätze, will heute dies denken dürfen und morgen und Jimmy Choo. das Gegenteil. Gehört ein Hoodie auf den Catwalk? Im Moment: Ja, klar.

03 04 Whitney Wolfe-Herd

Seit Tausenden Jahren sind Männer in der Liebe die Eroberer, bei der von mir gegründeten Dating-Plattform ist es andersherum. Nach einem erfolgreichen II Match hat die Frau 24 Stunden Zeit, dem Mann die erste Nachricht zu schrei- ben. Der Vorteil: Frauen behalten die Kontrolle, Männer verspüren weniger Druck. Sind Männer selbst aktiv, lösen Zurückweisungen Minderwertigkeits- gefühle aus, deshalb reagieren sie oft aggressiv. Es geht mir um gegenseitige 03 Whitney Wolfe-Herd, 29, Wertschätzung. Ich weiß, wovon ich rede: Als ich 2012 die Dating-App Tinder, Die Mitbegründerin von Tinder klagte von deren Co-Gründerin ich bin, im Streit verließ, wurde ich im Internet gemobbt. ihrem Arbeitgeber eine Ich beschloss, mich ab sofort für Gleichberechtigung einzusetzen. Mein erster Million Dollar wegen sexueller Belästigung Plan war ein digitales Netzwerk für weibliche Teenager. Daraus wurde Bumble ein und gründete Ende mit inzwischen 36 Millionen Usern in 150 Ländern und einem Männeranteil 2014 die feministische von fünfzig Prozent, so viel wie auf keiner anderen Plattform. Meine Mission ist Dating-App Bumble. es, jeder Frau auf der Welt zu mehr Selbstbestimmung zu verhelfen. Die große 04 Bumble überlässt der Frau beim Daten den Liebe kann man natürlich nach wie vor analog kennenlernen. Meinen Mann

ersten Schritt. traf ich im Ski­urlaub. Wer den ersten Schritt machte? Wir glauben: beide. Foto: Kawa Matthews

05 06 Jean Paul Gaultier

Ich arbeite gern für andere Marken oder fürs Theater, weil ich auf diese Art verschiedene Universen und Codes kreativ verbinden kann. Die Modewelt III hat sich seit meinen Anfängen unglaublich verändert, manchmal erkenne ich sie gar nicht wieder. Die Wechsel von Designern scheinen heute wichti- ger zu sein als die Kollektionen selbst. Außerdem gibt es zu viel von allem, zu viele Schauen, zu viele Kollektionen und viel mehr Kleider als Leute, 05 Jean Paul Gaultier, 66, die sie tragen könnten. Wir sollten weniger produzieren, dafür besser und Erfinder des Männer- rocks, macht seit 1976 überlegter. Mich macht es auch traurig, dass die Schauen heute anschei- Mode unter seinem nend nur noch für Insta­gram stattfinden. Wir haben das Gespür für die Re- Namen. Seit 2014 alität verloren. Die Mode ist zu einer Vitrine geworden für Parfums oder designt er nur noch eine Haute-Couture- Accessoires. Deshalb widme ich mich lieber der Haute Couture, sie ist ein Linie und kümmert Labor für Ideen und Projekte, die mir am Herzen liegen: Stücke oder Filme sich um verschiedene etwa, für die ich die Kostüme entwerfe. Ich bin jetzt zu alt, als dass ich Kooperationen. OHLINDA BY BRETZ INTERIOR INNOVATION AWARD WINNER 06 Taschenkollektion von noch das Enfant terrible abgeben könnte, aber meine Leidenschaft versu- JPG für Lipault Paris. che ich mir zu bewahren. ALEXANDER-BRETZ-STR. 2  D-55457 GENSINGEN  TEL. 06727-895-0  [email protected]  BRETZ.DE FLAGSHIPS: STILWERK BERLIN  HOHE STR. 1 DORTMUND  WILSDRUFFER STR. 9 DRESDEN STILWERK DÜSSELDORF  ALTE GASSE 1 FRANKFURT  STILWERK HAMBURG  KAISER-WILHELM- STR. 9 HAMBURG  HOHENSTAUFENRING 62 KÖLN  REUD NITZER STR. 1 LEIPZIG  HOHENZOLLERNSTR. 100 MÜNCHEN  HALLPLATZ 37 NÜRNBERG  KÖNIGSBAU PASSAGEN STUTTGART  SALZGRIES 2 WIEN 34 S-Magazin / Oktober 2018 HIER KOCHT DER CHEF DER ETHIKER

Glattbutt und Sauerkraut Ist das in Ordnung? (Zutaten für 8 Personen) Warum es so wenig Spaß macht, 1 Glattbutt (oder ein anderer fester, weißer Fisch) einen Laden zu betreten 400 g Sauerkraut (pro Person ca. 2 EL mit Sud) NÄHER DRAN Salz, Zucker Weißwein und weißer Essig zum Ablöschen In jeder Ausgabe von S stellt ein Küchenchef sein Lieblingsrezept Gutes Olivenöl der Saison vor. Diesmal: Thomas Imbusch, in dessen neuem Restaurant 1. Sollten Sie etwas Anspruch an sich und Ihre Esskul- »100/200« in Hamburg die Gäste mitten in der Küche sitzen tur haben, machen Sie Ihr eigenes Kraut. Das war vor 100 Jahren normal, man definierte sich über solche Dinge. Ein Sauerkraut zu kaufen ist okay, aber halt nicht das, was es sein kann. Kaufen Sie also gleich 3 Weißkohlköpfe, es soll sich ja lohnen. ­Befreien Sie die Kohlköpfe vom Strunk. Vierteln Sie den Kohl und schneiden sie dünne Scheiben herunter. Den geschnit- tenen Kohl mit wenig Salz (25 g) und Zucker (100 g) vermischen und kneten, bis das Kraut anfängt, in sich zusammenzufallen (dauert ca. eine halbe Stunde bei voller Kraft). Nun eine Salzlake mit 1,5 Prozent her- stellen (15 g Salz auf 1 l Wasser) und auf den Kohl ge- ben, bis dieser bedeckt ist. Das ist wichtig: Ohne Luft Nils Minkmar gibt Antworten auf Fragen des Lebens. bildet sich die gewünschte Milchsäure, mit Luft leider Schreiben Sie uns an [email protected] nur Schimmel. Am besten Gärtöpfe aus Steingut ver- wenden. 2–3 Wochen sollte das Kraut bei konstanter Temperatur stehen. Wenn der typische saure Ge- schmack erreicht ist, haben Sie es geschafft. 2. Die Frische des Fisches ist wichtiger als alles andere. Ich besuche immer denselben Optiker, weniger wegen der Qualität Erzählen Sie dem Händler, dass Freunde aus Japan kommen und Sie zeigen möchten, wie gut auch hier- seiner Produkte und Leistungen, sondern weil er mir leidtut. Der Laden zulande Frische und Qualität sind. Wenn Sie den Fisch ist sehr groß und immer leer. Dennoch wird meine Zuneigung nicht in den Händen halten: Erfreuen Sie sich an der Frische, unbedingt erwidert. Ab und zu sind an meiner Brille kleine Kunst- am Geruch nach Salz und Meer. Nun geht es ans Aus- stoffteile zu erneuern, das kann sehr schnell gehen, in wenigen Mi- nehmen und Filetieren. Der Fisch muss vorsichtig ausgenommen werden. Nachdem dies geschafft ist, nuten. Dennoch muss ich stets die Diskussion darüber führen, ob ich betrachten Sie das Tier. Es liegt mit dem Kopf nach die Brille nicht über Nacht im Labor lassen kann. Es ist ein Muster, das vorne und mit der Schwanzflosse zu Ihnen gerichtet. man in vielen Geschäften antreffen kann: Der eigene, bewährte Ab- Sie können nun mit dem Filetieren beginnen. Machen lauf dient als Schutz gegen das Chaos, das mit dem Kunden kommt. Sie sich keine Sorgen, Plattfische sind perfekt zum File- tieren. Sie haben kaum kleine Gräten, und es ist leicht Lange war dieses Muster auch ein Gesetz, denn in der analo- zu erkennen, wo man langschneiden muss. Der Fisch gen Welt hatte der Kunde wenig Ausweichmöglichkeiten. Heute ist hat vier Filets, zwei oben und zwei unten, also an der das anders. Wir leben in Zeiten des Umbruchs, nur im deutschen Rücken- und an der Bauchseite, da jeder Plattfisch als Rundfisch zu leben beginnt und erst im Laufe seines Einzelhandel finden sich Nischen des Widerstands. In denen wurde Lebens die Perspektive wechselt. noch nichts und niemand digitalisiert, und wenn man sich Gedanken über Kundinnen und Kunden macht, dann führen sie nicht zu der 3. Die Fischfilets werden nun mit Salz und Zucker mari- Erkenntnis, dass die nahezu jede Ware auch im sogenannten Inter- niert. Nach ca. 20 Minuten können Sie die Filets trocken- net bestellen könnten. Oder diese Erkenntnis führt zu keinen Hand- legen. Beginnen Sie, von der dicken Seite des Filets ca. lungen, etwa einer Begrüßung der Kundschaft. Es gibt herrliche Ge- 3 mm dünne Scheiben abzuschneiden. Benutzen­ Sie genbeispiele, wir wollen nicht ungerecht sein. Dennoch finden sich ein sehr nasses Tuch, um das Messer feucht zu halten – so können Sie besser schneiden. 5–6 Scheiben ergeben in den Läden und Geschäften unseres Landes Relikte aus meiner eine Portion. Kindheit, etwa die wechselnden, unregelmäßigen Öffnungszeiten,

4. die Unkenntnis des Sortiments und das angestrengte Desinteresse Das Sauerkraut mit Öl und viel Salz und Zucker am gesamten Thema. Nie vergesse ich, wie ich mit neun oder zehn in einem Topf anschwitzen und mit Weißwein und Jahren in einem Spielzeugladen im saarländischen Dudweiler eine Essig ablöschen. Nun kochen, bis keine Flüssigkeit »Star Wars«-Sammelfigur des goldenen Androiden C-3PO bestellt mehr vorhanden ist. Noch mal mit Salz und Zucker abschmecken. hatte und stattdessen ein Chewbacca kam, von dem ich schon einige hatte. Schlimm genug, aber es wurde schlimmer durch den improvi- 5. sierten Unsinn, mit dem der Besitzer mir weismachen wollte, es sei Legen Sie die Fischscheiben der Länge nach leicht Unsere Gesichtspfl ege. überlappend hintereinander und drehen diese ein. Es dasselbe. Wenn ich heute dort vorbeifahre, erfreue ich mich daran, sollte ein bisschen aussehen wie eine Rose. Nehmen dass der Laden leer steht, und zwar schon lange. Sie einen vollen Esslöffel vom bereits erkalteten Kraut Zeigt Wirkung. Blütezeit – Damals hatte ich keine Wahl, aber wer heute in einen Laden Seinen Glattbutt mit Kraut serviert Thomas Imbusch, 30, in Form einer Rose. Imbusch arbeitete bei Dreisterne- und richten Sie darauf die Fischrose an. Den Saft des Beste natürliche Öle und Wachse. Darin die Essenz unserer koch Christian Bau und als Küchenchef bei Tim Mälzer. Im August eröffnete er das »100/200« – Tickets gibt es nur online Kohls mit viel Olivenöl binden und in einen tiefen geht, weiß, was er tut. Gut, das Fremdschämen nimmt zu, wenn an- Heilpfl anzen und das Wissen um ihre Wirkung – im Teller geben. Sofort genießen. dere Kunden auch dort eine Doppelklickgeschwindigkeit erwarten Einklang mit Ihrer Haut. Dazu die besondere Sorgfalt, mit und »Servicewüste Deutschland!« heulen, wenn sich die Bäckerin der wir pflanzen und ernten, verarbeiten und herstellen. Klar, dass man das am Ende auch sieht. umdreht, um den von ihnen bestellten Laib Brot aus dem Regal zu Sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Unsere Gesichtspfl ege. nehmen und einzupacken. In anderen Läden scheint längst ein ande- »Seit ich denken kann, träume ich davon: ein Restaurant, bei dem der Gast den Abend in unmittelbarer res Spiel zu laufen als der Austausch von Ware gegen Geld, dort Zeigt Wirkung. Nähe zum Küchengeschehen verbringt. Er soll spüren, dass die Menschen, die die Speisen zubereiten, drängen sich die Verkäufer in fernen Ecken, die Auslagen sind leer, Beste natürliche Öle und Wachse. keine Künstler sind, sondern hart arbeitende Handwerker. Es geht mir um Wertschätzung, auch und alle wissen Bescheid außer dem Passanten. Darin die Essenz unserer Heilpfl anzen und für die Ware, die wir verarbeiten. Das Echte, Einfache soll wieder in den Vordergrund rücken. Ich Was würde helfen? Mehr Begeisterung wagen. Nach einer das Wissen um ihre Wirkung – im Einklang mit nutze für die Umsetzung meiner Ideen keine Hightech-Geräte, ich brauche lediglich bestmögliche Ihrer Haut. Dazu die besondere Sorgfalt, mit Reise durch Indien hatte ich dort noch eine Hose gekauft. Der Ver- Produkte sowie Wasser, das bei 100 Grad kocht, und einen Ofen, der auf 200 Grad läuft. Das Gericht, der wir pflanzen und ernten, verarbeiten und käufer wollte den Saum anpassen, aber ich sagte, dafür sei keine herstellen. Klar, dass man das am Ende auch sieht. das ich ausgewählt habe, ist die absolute Reduktion. Glattbutt, ein einfacher weißer Fisch, und Zeit mehr, ich war schon auf dem Weg zum Flughafen. Der Mann Sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Sauerkraut, für mich die DNA der deutschen Küche. Der gegorene Kohl ist fantastisch, vor allem blickte hocherfreut auf seine Armbanduhr, dann zu seinem Kollegen wenn man ihn selbst zubereitet. Die Menschen interessieren sich für Handys, Schuhe und das neueste und fragte: »Wie viele Sekunden haben wir?« Zu zweit erledigten Brillenmodell – mein Ziel ist es, dass sie sich wieder mit dem Essen auseinandersetzen.« sie es, noch während ich bezahlte. Ihnen machte die Arbeit Spaß – 100 % echte Naturkosmetik.

Restaurant 100/200, Brandshofer Deich 68, 20539 Hamburg, www.100200.kitchen, Reservierungen: www.exploretock.com Tuchs Dorothea Foto: S und den gibt es nun mal nicht digital. Seit 1967.

36 S-Magazin / Oktober 2018 S-Magazin / 03.18 37 DAS GEZEICHNETE INTERVIEW

PHILIPPE STARCK

Der Designer, 69, wurde bekannt, als er 1982 die Privaträume des französischen Staatspräsidenten François Mitterrand im

Élysée-Palast gestaltete. Seither hat er unter anderem Möbel für Kartell und Cassina entworfen, Badezimmerelemente für Schreiben Sie an: [email protected], Hansgrohe und Duravit sowie Alltagsgegenstände wie die Zitronenpresse »Juicy Salif« für Alessi, dazu Luxusjachten (etwa wie Ihnen die aktuelle Ausgabe gefallen hat. Als Dankeschön erhalten die ersten neun für Steve Jobs) und zuletzt ein Weltraumhotel für Superreiche. Die Beantwortung dieser Fragen ging Philippe Starck so Einsender eine der signierten Originalzeich- leicht von der Hand wie das Entwerfen eines neuen Objekts: »In 20 Minuten war ich fertig.« nungen von Philippe Starck.

Wie würden Sie gerne aussehen? Was wollten Sie als Kind gerne werden? Was würden Sie gerne können?

Heute schon Sport gemacht? Ihr liebstes Kleidungsstück? Was würden Sie gern an sich selbst ändern?

MELL LOUNGE BY JEHS + LAUB

COR.DE

Was würden Sie gern mal gestalten? Sind Sie eitel? Was sehen Sie, wenn Sie aus dem Fenster schauen? Times York der New dem Style-Magazin stammt aus T, Interview« Illustrated »The Die Idee der Rubrik

38 S-Magazin / Oktober 2018

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