13. 12. 2009 / Universität Mozarteum 50 Jahre Studio Für Elektronische
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50 Jahre Studio für Elektronische Musik (1959 - 2009) 11.11. - -13. 13. 12. 12. 2009 2009 / Universität Mozarteum 50 Jahre Studio für Elektronische Musik (1959 - 2009) 11. - 13. 12. 2009 / Universität Mozarteum SEM 50 Jahre.indd 1 02.12.2009 08:39:11 Bret Battey Writing on the Surface 2 SEM 50 Jahre.indd 2 02.12.2009 08:39:17 Univ.Prof. Reinhart von Gutzeit Wir bleiben realistisch und feiern gerne ein halbes Jahr- Rektor der Universität Mozarteum Salzburg hundert mit elektronischer Musik an der Universität Mo- zarteum. Wir danken damit allen, die sich in dieser Zeit- spanne für das Studio für Elektronische Musik eingesetzt 50 Jahre Studio für Elektronische Musik an der Universität haben und wünschen spannende Hörerlebnisse bei den Mozarteum. Das bedeutet, dass das angeblich so tradi- Jubiläumskonzerten. tionalistisch ausgerichtete Mozarteum sich sehr früh an einer „revolutionären“ Entwicklung beteiligt hat: im Jahr 1951 hatte Herbert Eimert in Köln das erste Studio dieser Art begründet, dessen Leitung 12 Jahre später Karlheinz Stockhausen übernahm. Das Studio für elektronische Mu- sik an der Kölner Hochschule, das ich als Student Ende der Sechzigerjahre kennen lernte, beruhte schon auf eine Ent- wicklungszeit von fast zwei Jahrzehnten; aber gemessen am heutigen Stand ähnelte es einem Sputnik im Vergleich zu einem Space Shuttle. Auch wenn die Handhabung unendlich viel einfacher wur- de und die klanglichen Möglichkeiten sich immer mehr er- weiterten, während aufwändige Apparaturen gewisserma- ßen im Inneren der Laptops verschwanden, wird von den Komponisten, die sich mit elektronischer Musik befassen, sehr viel verlangt. Sie sollen nicht nur Künstler, sondern zugleich auch Wissenschaftler sein – am besten Kompo- nist, Elektrotechniker, Physiker, Tonmeister und Program- mierer in einer Person. Dass sie sich dieser Aufgabe schon weit vor Commodore, Atari und Apple oder Computer- programmen wie Logic, Pro Tools und Co. gestellt haben, lässt sich in einschlägigen Geschichtsbüchern mit Staunen nachlesen. Oder hätten Sie gewusst, dass bereits im Jahr 1885 das erste Patent auf dem Gebiet der elektronischen Klangerzeugung erteilt wurde? Dass manche gar ein Ju- biläum um die „260 oder 280 Jahre Elektronische Musik“ einfordern, da bereits im 18. Jahrhundert elektrifizierte In- strumente erfunden wurden? 3 SEM 50 Jahre.indd 3 02.12.2009 08:39:21 Achim Bornhoeft Stockhausen, der das parametrische Zeit-Klang-Kontinu- os aus der Kompositionsausbildung an den Hochschulen Leiter des Studios für Elektronische Musik um mit elektronischen Mitteln umsetzte und eine Vielzahl mittlerweile nicht mehr wegzudenken ist. neuer Technologien initiierte, sei es Luigi Nono, der sein Schon im Jahr 1916 hatte Edgar Varèse die Bedürfnisse gesamtes Spätwerk im Experimentalstudio Freiburg vor- Als eine der ersten Institutionen seiner Art erkannte das der Komponisten eines neuen Zeitalters formuliert, indem nehmlich der Arbeit mit Live-Elektronik widmete oder Mozarteum früh die Möglichkeiten des neuen Mediums er forderte ”unser musikalisches Alphabet muss erweitert Iannis Xenakis, der visuelle Methoden zur Klangsynthese und begann elektronische Musik in die Ausbildung zu inte- werden. Wir haben auch neue Instrumente bitter nötig... entwickelte und stochastische Algorithmen sowohl zur In- grieren. Wie vieles Andere in der wechselvollen Geschichte In meinen eigenen Werken fühlte ich stets die Notwen- strumentalkomposition als auch zur Genese von Compu- des Studios für Elektronische Musik, lässt sich auch das digkeit neuer Ausdrucksmedien, die sich jedem Ausdruck termusik verwendete. Pierre Boulez seinerseits nahm viele genaue Gründungsdatum nicht eindeutig festlegen. Nach des Denkens fügen und mit dem Denken Schritt halten neu entwickelte Techniken des von ihm geleiteten IRCAM Auskunft der Personalabteilung trat Irmfried Radauer zum können.” 1 und fügte kurze Zeit später hinzu ”Der Kompo- in seine Kompositionen auf, John Cage experimentierte mit 1.10.58 eine Vertragslehrerstelle am Mozarteum an. Das nist und der Elektrotechniker werden zusammenarbeiten verschiedensten elektronischen Klangerzeugern und auch offizielle Jahrbuch verzeichnet seinen Namen unter der müssen, um das zu erreichen.” 2 Diese visionären Partner- Steve Reichs Minimal Music gründet sich vornehmlich auf Überschrift „Abteilungen (Unterrichtsfächer) / Elektro- schaft ist nicht nur real geworden, sondern im Profil eines Experimente mit zwei Tonbandmaschinen, die gleiches akustik” zusammen mit Ing. Josef Adelberger, Ing. Georg modernen Komponisten mittlerweile zu einer Personaluni- Tonmaterial durch minimal unterschiedliche Geschwin- Stefan erst im darauffolgenden Jahr. Häufige Ortswech- on verschmolzen. digkeiten in einem ”graduellen Prozess” 4 auseinander lau- sel und Umstrukturierungen führten dazu, dass uns heute fen lassen. Selbst György Ligeti, der in seinem gesamten nur noch eine geringe Anzahl von Dokumenten und Wer- Um den Vergleich im Grußwort unseres Rektors 3 mit der künstlerischen Leben mit Artikulation nur ein einziges von ken zur Verfügung stehen, die über die Entwicklungen des modernen Raumfahrt weiterzuführen, könnte man in An- ihm autorisiertes Tonbandstück schuf 5 , bezeichnete die Studios in den 50 Jahren seit seiner Gründung Auskunft lehnung an die Worte von Neil Armstrong bei der ersten Erfahrungen im elektronischen Studio des WDR für seine geben können. 7 Dieses Jubiläum ist für uns Anlass, so- Mondlandung behaupten: Die Gründung des ersten elek- instrumentalen und vokalen Stücke wie Atmosphères oder wohl die Geschichte aufzuarbeiten und zu dokumentieren tronischen Studios war ein kleiner Schritt für die Kompo- Requiem als ”von großer Wichtigkeit” 6 . als auch darüber hinaus Strukturen zu entwickeln, wie die sition aber ein großer Schritt für den Begriff von Musik. noch entstehenden Werke in Zukunft gesichert werden Nur wenige musikalische Neuerungen waren mit einem Die reflexive Eigenschaft des elektronischen Mediums können. ähnlich paradigmatischen Wandel des Denkens und Hö- erlaubt es dem Komponisten, sich in wiederholte Wech- rens verbunden, wie die Erweiterung der zeitgenössischen selwirkung mit der eigenen künstlerischen Produktion zu Seit jeher ist das Studio für Elektronische Musik ein Ort, Komposition durch die Mittel der elektronischen Klang- begeben, innerhalb der er seine Ideen ständig überprüft der die architektonischen und akustischen Voraussetzun- verarbeitung. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts ist sie und fortentwickelt. So beginnt schon während des Kom- gen zur Produktion und Rezeption jeglicher, besonders sowohl die geistige Projektionsfläche als auch Produkti- positionsprozesses in der direkten akustischen Rezeption aber mehrkanaliger Musik bereithält. Darüber hinaus dient onsumgebung, die es den Komponisten ermöglicht, ihre eines entstehenden Werkes eine kritische Auseinanderset- es als Treffpunkt ästhetischer Auseinandersetzung inner- experimental-ästhetischen Bedürfnisse zu denken und zu zung, deren Potential zur Entwicklung individueller Vor- halb des Hochschulbetriebs, der es Studenten ermöglicht, realisieren. stellungskraft offensichtlich ist. Die kontinuierliche Klang- untereinander sowohl technische wie auch künstlerische gestaltung, Raumpositionierung und -bewegung sind Fragen zu erörtern, als auch die daraus resultierenden Tatsächlich haben fast alle wegweisenden Komponisten weitere Parameter, deren Entwicklung besonders durch die Projekte zu realisieren. Durch die Entwicklung deutlich des 20. Jahrhunderts entweder elektronische Werke in ihr Elektronische Musik in den letzen Jahren vorangetrieben preiswerterer Studio- und Computertechnik betragen die Oeuvre integriert oder die Erfahrungen damit in ihren in- werden konnte. Dieses sind nur einige der mannigfaltigen Kosten für die Anschaffung und Instandhaltung der dazu strumentalen Kompositionen verarbeitet. Sei es Karlheinz Gründe, warum die Arbeit in den Elektronischen Studi- benötigten Geräte nur noch einen Bruchteil dessen, was 4 SEM 50 Jahre.indd 4 02.12.2009 08:39:21 in den Gründerzeiten ausschließlich für große Universitä- ist, dass der Computer die Musik nicht macht. Wie jedes _____________________________________ ten und Radioanstalten, häufig nur mit finanzieller Unter- andere Instrument auch, übersetzt er lediglich die Ideen stützung durch die Industrie erschwinglich war. Dadurch und Konstruktionen in akustische Realität. Auch Motivati- 1 Edgar Varèse, in New York Morning Telegraph (1916) können die Studenten auch außerhalb der Institution mit on und Inspiration, Überzeugung und Zweifel ästhetischer 2 Edgar Varèse, Interview mit W. P. Tryon, in: Christian Science eigenem Equipment ihre kompositorische Sprache weiter Entscheidungen verbleiben weiterhin bei den Komponis- Monitor, (8. 7. 1922) entwickeln und vertiefen. Der erleichterte Zugang zu die- ten. 3 Siehe Grußwort von Reinhart von Gutzeit auf S. ? sem Instrumentarium lässt darüber hinaus die Hoffnung 4 Vgl. Steve Reich, Writings about music, New York 1974, S. 9 zu, dass in Zukunft die Ausbildung an den Hochschulen Durch die zunehmende Quantität und auch Qualität der 5 Sofern man das zurückgezogene Glissandi und das Piece Elec- ein zunehmend höheres Niveau erreichen kann. Reproduktion und -archivierung ist die Musiklandschaft tronique No. 3 (beide 1957) außer Acht lässt, das erst 1995-96 geprägt von künstlerischen Erzeugnissen vergangener von Kees Tazelaar und Johan van Kreij realisiert wurde. Annähernd 60 Jahre nach der ersten Euphorie, deren Af- Epochen. Und etwas so explizit Neues wie die Elektroni- 6 György Ligeti, Auswirkungen