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DERDA

KATALOG

ART ON PAPER

05.03.2016 – 01.05.2016

VIERTER KATALOG DER GALERIE DERDA BERLIN

Thomas Derda

Fasanenstrasse 58

D‐10719 Berlin‐ www.derdaberlin.com

ALLE ABGEBILDETEN ARBEITEN SIND VERKÄUFLICH. PREISE AUF ANFRAGE.

Copyright Texte: Thomas Derda und Ralf Kemper (Fotos sind ausschließlich für diesen Verkaufskatalog und nicht weiter verwendbar)

KÖLNER PROGRESSIVE

Der Kunstkritiker Ernst Kallai hielt und Heinrich Hoerle für zwei der stärksten Vertreter einer neuen Generation von deutschen Malern, welche aus der kubistisch‐ expressionistischen Tradition hervorgegangen sind ‐ zu Recht. Das Kölner Museum Ludwig präsentierte zuletzt 2008 eine große Ausstellung unter dem Titel „köln progressiv 1920‐33. seiwert‐ hoerle‐arntz“. Umso mehr freuen wir uns, hier eine Werkgruppe kleiner Meisterwerke im Rahmen dieser Ausstellung präsentieren zu können (Kat. Nrn. 1‐6). Einmal mehr wird die Verbindung zu Berlin‐Wilmersdorf über die Zeitschrift „Die Aktion“ von Franz Pfemfert hergestellt, zu der beide zahlreiche Cover und Illustrationen beisteuerten, zumeist als originalgraphische Holzschnitte.

1. FRANZ WILHELM SEIWERT (1894 – 1933) „Arbeiter vor der Fabrik“ Bleistift auf Papier, 23,0 x 18,0 cm, 1922 Aus dem Besitz Stanislav Kubicki´s.

F. W. Seiwert, 1894 in Köln geboren, bildet mit Heinrich Hoerle und Gerd Arntz den Kern der Kölner Progressiven und gibt später deren Sprachrohr, die Zeitschrift a‐z heraus, in der u.a. Artikel über Malewitsch, Severini, Modigliani und Brancusi erscheinen. 1919 gehört Seiwert kurz zur Gruppe der Kölner Dadaisten (Gruppe D) und stellt im Kunstverein zusammen mit Max Ernst, Johannes Baargeld, Hans Arp, Paul Klee, Heinrich Hoerle, Angelika Hoerle und Anton Räderscheidt aus. 1920/21 reist er nach Berlin und freundet sich mit dem Maler und Essayisten Stanislav Kubicki an, aus dessen Besitz unsere Arbeit stammt. 1922 lernt er in Düsseldorf u.a. Kurt Schwitters Laszlo Moholy‐Nagy und kennen. Die kleine vorzügliche Zeichnung „Arbeiter vor der Fabrik“ besticht durch die Dichte ihrer Darstellung. Sie ist sowohl in ihrem politischen Aussagewert als auch in ihrer gegenständlich konstruktiven Bildfindung typisch für Seiwert´s Arbeiten in seiner stärksten Werkphase. Beeinflusst von Oskar Schlemmer, Fernand Leger und de Chirico findet er ab 1922 seinen persönlichen Stil, eine Bildform, in der soziale Wirklichkeit von allem Sentimentalen und Zufälligen entkleidet, in allgemein gültigen, lesbaren Chiffren wiedergegeben werden kann. Ein Pendant zu unserer Arbeit ‐ die Zeichnung „Vier Köpfe“ von 1922 ‐ befindet sich heute im Museum Ludwig Köln.

2. FRANZ WILHELM SEIWERT (1894 – 1933) „abc“ Bleistift auf Papier, 22,3 x 14,5 cm, 1922

Diese herausragende Arbeit Seiwert`s aus dem Jahr 1922 befand sich ebenfalls im Besitz Stanislav Kubicki`s und steht in ihrer spannungsgeladenen, nervösen Linienführung den Zeichnungen Paul Klee´s sehr nahe. In ihrer dadaistischen Geste bildet sie ein enigmatisches kleines Universum, dessen typografische Bildelemente kaum zur deren Lösung beitragen und mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben. Ein Kleinod ersten Ranges in Seiwert´s zeichnerischem Werk.

3. FRANZ WILHELM SEIWERT (1894 – 1933) „Zeichnung zu Shelley, „Kampf“ Feder über Blei, Farbstift auf Papier, 21,0 x 29,8 cm, 1921, WVZ/Bohnen S. 44 u. 245

Relativ großformatige Zeichnung Seiwert´s als Entwurf für den Buchumschlag von Percy Bysshe Shelley „Kampf“, erschienen 1924 im Taifunverlag Frankfurt. Das Thema der (Menschen‐) Masse findet sich Mitte der 20er Jahre häufiger in Seiwert´s Oeuvre und ist geradezu typisch für ihn. Erstaunlicherweise strahlen diese Bilder, auf denen doch die „Masse“ der Proletarier bedrohlich auf den Betrachter zumarschiert, eine suggestive Ruhe aus. So auch hier. Zu der Zeit liefert Seiwert einige graphische Arbeiten genau in dieser Manier, die dann in Franz Pfemfert`s Zeitschrift die Aktion (Wilmersdorf, Nassauische Str. 17) als Umschlaggestaltung Verwendung finden.

4. FRANZ WILHELM SEIWERT (1894 – 1933) „Kopf neben a“ Linolschnitt auf Papier, 13,0 x 14,5 cm, 1923, WVZ Bohnen 303

Eines von nur 2 bekannten Exemplaren. Bizarre, ausdrucksstarke Konstruktion Seiwert´s mit monotypieartigem Charme.

5. HEINRICH HOERLE (1895 – 1936) „Ostern 1930“ | „Die Familie“ Farbstift auf Papier, 23,0 x 18,0 cm, 1930

Hoerle schuf einige Selbstbildnisse in der von ihm und Seiwert entwickelten konstruktivistischen Art (häufig mit Pfeife und der für ihn typischen Signatur „h“ in der oberen linken Ecke). Das Werkverzeichnis verzeichnet indes keine andere Familiengruppe, so dass die vorliegende Zeichnung als einzigartig gelten kann. Nach dem frühen Tod seiner Frau Angelika Hoerle 1923 (auch Hoerle selbst sollte ebenso wie seine Schwester später an Tbc erkranken und hieran sterben) heiratete Hoerle 1924 erneut. Seine zweite Frau Marta, genannt Tata, brachte ihre Tochter Micheline mit in die Ehe. Die Familiensituation sollte trotz der verdichteten Darstellung indes nicht mehr lange andauern. Bereits 1933 heiratete Hoerle erneut.

6. HEINRICH HOERLE (1895 – 1936) „Amaryllis“ Tempera auf feinem Japan. Um 1920. 41,4 x 22,0 cm

Die hochformatige, um 1920 entstandene Arbeit „Amaryllis“ gehört zu einer kleinen Gruppe von surrealen, teils bedrohlich anmutenden Pflanzenbildern wie zB „Landschaft mit Baum“ WVZ/Backes 10 oder „Blume“ WVZ/Backes 11. Da die vorgenannten Arbeiten möglicherweise Bestandteil der Ausstellung „stupid“ waren, ist das auch auf die vorliegende Arbeit anzunehmen, da sie im gleichen Zeitraum entstanden ist und eine vergleichbare Bildästhetik aufweist. Zur Gruppe stupid schlossen sich 1920 Heinrich und Angelika Hoerle, F. W. Seiwert, Martha Hegemann, Anton Räderscheidt und Wilhelm Fick zusammen. Gezeigt wurden die Bilder im Rahmen einer Dauerausstellung im Atelier von Anton Räderscheidt, Köln, Hildeboldplatz 9.

8. LASSAR SEGALL (1891 – 1957) „Irrende Frauen II“ Holzschnitt auf chamoisfarbenem Papier, 43,0 x 39,0 cm, 1920, signiert

Lassar Segall wird 1891 in Wilna, im litauischen Jerusalem, der Stadt von Chaim Soutine und Jacques Lipchitz geboren und verlebt seine Kindheit als Sohn eines Thoraschreiber`s im Schatten der Synagoge des großen Gaon von Wilna. 1906 wird er Student an der Hochschule für bildende Künste in . Ab 1910 als Meisterschüler in Dresden verlebt er dort wechselhafte Jahre bevor er 1919 mit Conrad Felixmüller und Otto Dix, Otto Lange und anderen die Dresdner Sezession Gruppe 1919 gründet. Paul Ferdinand Schmidt, damals Direktor des Stadtmuseums Dresden und einer der Wegbereiter der Moderne, nennt Segall sehr treffend einen kubistisch angehauchten Expressionisten. Segall kommt weniger wie seine Freunde vom Expressionismus der Brücke, als vielmehr von Picassos Les Demoiselles d`Avignon. Wie die französischen Kubisten ordnet zwar auch Segall seine Bilder in dieser Phase nach geometrischen Formen, aber im Gegensatz zu Ihnen beseelt er die Kreise, Dreiecke und Rhomboide, aus denen er Glieder, Körper, Physiognomien formt. 1924 wandert Segall nach Brasilien aus und wird dort einer der ersten modernen Maler des Landes. Zweimal kehren Werke Segall`s nach Deutschland zurück. 1926 sieht man sie in großen geschossenen Ausstellungen in Dresden (Galerie Neue Kunst Fides) und in Berlin (Galerie Neumann‐ Nierendorf). 1937 hängt sein Bild Purimsfest dann neben Marc Chagalls Rabbiner auf der Münchner NS‐Ausstellung „Entartete Kunst“.

9. LASSAR SEGALL (1891 – 1957) „Kopf einer Negerin“ Holzschnitt auf dünnem Japan, 33,0 x 26,5cm, 1929

Ausdrucksstarke Arbeit Segall´s aus seiner brasilianischen Zeit, die in ihrer Ästhetik an Blätter wie Nolde´s Ägypterin denken lässt. In Sao Paulo (Brasilien) wird der Künstler seit 1967 mit einem eigenen Museum, dem „Museu Lassar Segall“ geehrt.

10. OTTO DIX (1891 – 1969) „Geburt / Werden“ Holzschnitt auf Papier, 28,0 x 22,0cm, 1919

Otto Dix kehrt Ende des Jahres 1918 ernüchtert aus dem Weltkrieg zurück und setzt sein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Dresden fort. „‐Dix“ wie er sich selbst auf einer signierten Portraitfotografie dieser Zeit bezeichnet, durchlebt in den folgenden zwei Jahren eine heftige, das konservative Bürgertum provozierende Schaffensphase, in der er mit der internationalen Dada‐Szene in Verbindung steht und sein neues Credo entfaltet: die Kälte der Welt durch die Kälte der Kunst übertreffen. Schnell steigt er zum Star eben gegründeten Dresdner Sezession Gruppe 1919 auf. Sein Themenkreis in dieser Phase, in der er viele Holzschnitte schafft, umfasst vor allem Themen wie Liebe, Tod, Leben und Vergänglichkeit. Der von uns angebotene Holzschnitt Geburt ist damit sowohl thematisch, als auch in seiner drastischen Ausdruckskraft typisch für den Dix dieser Zeit.

11. FRANZ RADZIWILL (1895 – 1983) „Häuser am Wiesenrand“ Kaltnadelradierung auf Velin, 35,7 x 42,7 cm, unten rechts signiert und mit e.a. 1922 (Epreuve d ́Artist = Druck vor der Auflage) bezeichnet.

Äußerst selten, eine Presler, dem Verfasser des Radziwill‐Werkverzeichnisses, unbekannt gebliebene Radierung ‐ in diesem Druckzustand nicht nachweisbar! Aus dem Nachlass des Dresdner Kunsthändlers Erich Baumbach, der in der 20er Jahren in Dresden die Kunsthandlung Emil Richter Pragerstraße 13 führte.

Radziwill, der später einer der Hauptvertreter des magischen Realismus wird, glänzt hier mit einer kleinen, charmanten Arbeiten im Stil eines Heckel oder Schmidt‐Rottluff´s. Schmidt‐Rottluff ist es denn auch, auf dessen Empfehlung Radziwill ab 1921 im norddeutschen Dangast unweit von Oldenburg kommt und sich ein Jahr später niederlässt. In dem kleinen Ort am Jadebusen entsteht schließlich auch 1922 dieses wundervolle Blatt.

12. ALICE SOMMER(1898 ‐ 1982) „Masken“ Kohlezeichnung auf Papier, 70,0 x 51,0 cm, 1924

Alice Sommer, 1898 in Dresden geboren, beginnt dort 1920 an der Akademie der bildenden Künste ein Studium. Es sind die brodelnden Zeiten, in denen Otto Dix und Conrad Felixmüller zusammen mit Lassar Segall die „Dresdener Sezession Gruppe 1919“ gründen und der exzentrische Oskar Kokoschka, Professor an der Akademie, mit einer lebensgroßen Puppe seiner obsessiv geliebten Alma Mahler durch die Stadt zieht. Die Arme und Beine sind wie mit Mehl gefüllte Strümpfe, die Haut ein Eisbärenfell, überall Drahtenden, Stecknadeln, Nähte, der Oberarm und der Unterarm abnorm, die Knie „elephantiasisch“. Nach einer alkoholreichen Nacht wird sie mit Rotwein Übergossen, enthauptet und auf den Müll geworfen. In der Kunsthandlung Emil Richter sind die neuesten Kunstströmungen der Zeit zu sehen und im Salon der Sammlerin Ida Bienert verkehren neben Kokoschka, Dix und Klee auch Schwitters und Moholy‐Nagy. In dieser aufgeladenen Atmosphäre schafft Alice Sommer ihre phantastischen Bilder, zu denen auch unsere großformatige Kohlezeichnung „Masken“ gehört. Sie ist eine Vorzeichnung zu dem gleichnamigen Ölgemälde der Künstlerin, welches ebenfalls im Angebot der Galerie DERDABERLIN ist.

13. WALTER GRAMATTE (1897 – 1929) „Mädchen am See (Sonja Gramatte)“

Farblithografie, 70 x 56 cm, 1920/21

Er war der große Einsame in der modernen Kunstwelt nach dem ersten Weltkrieg – keine Zugehörigkeit zu irgendeiner Künstlervereinigung ist verzeichnet, keine innige Freundschaft zu einem anderen Künstler (nur zu Literaten hält er Kontakt). Dennoch kann er frühe Erfolge feiern, etwa Berliner Ausstellungen 1920 in der Galerie Ferdinand Möller und 1923 in der Galerie Goldschmidt‐Wallerstein. Von seiner im Jahre 1920 geehelichten Frau Sonia entstehen zahlreiche Porträts, so auch die vorliegende Arbeit. Die Haltung und der Ausdruck des Verlorenen bestimmen auch sein Werk – selten hat ein Künstler derart viele Bilder ohne jede Hoffnung geschaffen. Sein früher Tod erscheint wie die Vollendung seiner frühen Bestimmung. Hermann Kasack hält die Grabrede.

GEORGE GROSZ (1893 – 1959)

Zu diesem Künstler veranstaltete die Galerie DERDABERLIN im letzten Jahr bereits eine eigene Ausstellung und brachte hierzu ihren zweiten Katalog heraus. Für ART ON PAPER können wir sechs weitere, hier erstmals gezeigte Werke von George Grosz präsentieren, und zwar allesamt aus seiner Berliner Zeit. Die früheste Arbeit, eine Aktstudie von 1913, lässt bereits den Übergang zu seinem berühmten „harten“ Zeichenstil erkennen. Die Brutalität des Frauenmordes, dessen Motiv von Grosz später noch in zahlreichen Werken als Ausdruck der kranken männlichen Bürgerwelt thematisiert werden soll, ist erstmals in einer Zeichnung von 1916 zu einem Schauerroman der französischen Schriftstellerin Rachilde dargestellt. Zwei kleine, schnell hingeworfene, aber gerade darin hinreißende Skizzen mit französischen Motiven von 1925 und 1927 machen seine Arbeitsweise auf der Straße deutlich: statt Photoapparat dient der Skizzenblock für das Festhalten und spätere Memorieren von Passanten. Ähnliches lässt sich von der großen Berliner Skizze eines Kutschers von 1928 sagen, die die dynamische Bewegung des Arbeiters ebenso wie dessen Konterfei darstellen. Eine echte Rarität stellt das Aquarell mit der Metzgerei in Marseille dar, denn derart großformatige farbige Arbeiten sind auf dem Kunstmarkt selten geworden.

14. George Grosz „zu Rachilde, der Liebesturm“ 1916 Bleistift 29,1 x 21,4 cm NL‐Nr. 5‐113‐8

15. George Grosz „Hockender weiblicher Akt“ 1913/14 Rohrfeder, feder und Tuschpinsel 27,9 x 23,9 cm NL‐Nr. 2‐21‐9

16. George Grosz „Kutscher, Berlin“ 1928 Zimmermannsblei 60,1 x 45,9 cm NL‐Nr. 5‐136‐4

17. George Grosz „Dame mit blauem Hut, “ 1925 Bleistift 17,7 x 11,6 cm, verso: Detailskizze eines Damenhuts NL‐Nr. UC‐395‐39

18. George Grosz „Matrose, Marseille“ 1927 Bleistift 18 x 11,8 cm NL‐Nr. UC‐397‐33

19. George Grosz „Boucherie, Marseille“ 1927 Aquarell und Gouache 48,6 x 62,7 cm NL‐Nr. 5‐113‐8

20. JOHANNES MOLZAHN (1892 – 1965)

„Farbkugeln“ Gouache/Tusche auf Papier, 23,0 x 15,0 cm, um 1925

Als Schüler erhält Molzahn Zeichenunterricht an der Großherzoglichen Zeichenschule. 1914, ein Jahr nachdem Feininger erste Mal in Weimar auftaucht, bezieht er dort ein Atelier. In dem Jahr findet dort an der Hochschule eine Ausstellung mit Bildern von Johannes Molzahn statt, die nur wenige Stunden geöffnet bleiben kann, da sie zu viel Empörung erregt. Molzahn ist dann in Weimar sehr prägend, obwohl er ähnlich wie Theo von Doesburg wie am Bauhaus war. Karl Peter Röhl nennt ihn den „Deutschen Boccioni“, was auf seiner Bekanntschaft mit den Futuristen und die Dynamik und Simultanität in seinen Bildern hinweist. Die „Farbkugeln“ Molzahn`s stammen aus einer weiteren Werkphase des Künstlers, seit 1923 ist er in Magdeburg an der dortigen Kunstgewerbeschule Lehrer für Werbegrafik und prägt die dort anbrechende Moderne zusammen mit Bruno Taut und Johannes Göderitz entscheidend mit. In dieser Zeit gehört er mit Kurt Schwitters, Lazlo Moholy‐Nagy, Willi Baumeister und Walter Dexel zu den wichtigsten Typographen und Grafikern der 20er Jahre.

21. CESAR DOMELA (1900 – 1992) „Komposition“ Farblithografie, 33,2 x 25,2 cm, 1943

Cesar Domela zieht 1920 zwanzigjährig für zwei Jahre nach Ascona, dort auf dem Monte Verita trifft er die Zürcher Dadaisten um Hans Arp und Hugo Ball, 1923 kommt er nach Berlin und steht in Kontakt zu Raoul Hausmann, Hannah Höch und Alexander Archipenko. 1924 lässt er sich dann kurz in Paris nieder, wo er nach einem Treffen mit Piet Mondrian und Theo van Doesburg jüngstes Mitglied in der Gruppe „“ wird. Im Jahre 1927 zieht er erneut nach Berlin und eröffnet ein Werbestudio. Er wird Mitglied der von Kurt Schwitters initierten Gruppe „Die Abstrakten Hannover“ und lernt am Bauhaus in Dessau Lazlo Moholy‐Nagy und Wassily Kandinsky kennen. 1933 Rückzug aus Berlin nach Paris. Große Ausstellungserfolge feiert er dann in Amerika: 1936 Teilnahme an der Ausstellung „cubism and abstract art“ im Museum of Modern Art in New York. 1939 Teilnahme an der Ausstellung „Art of Tomorrow“ in der Salomon R. Guggenheim Foundation in New York. 1940 Ankauf eines Relief´s durch Peggy Guggenheim. Während der Besatzungszeit trifft er sich in Paris regelmäßig mit Nicolas de Stael und Wassily Kandinsky. Unsere kleine Kompostion aus dem Jahr 1943 fällt in eben diese Zeit und lässt Kandinsky`s Einfluss auf den um mehr als eine Genration jüngeren Domela deutlich erkennen.

FRITZ KUHR (1899 – 1975)

Fritz Kuhr studierte ab 1923 am Bauhaus zunächst in Weimar und arbeitete ab 1927 in Dessau bei Hinnerk Scheper in der Wandmalerei‐Werkstatt. So stammt etwa das Farbkonzept für das Atelier von Paul Klee in den Dessauer Meisterhäusern von ihm. Er gehörte zu jenen jungen Bauhäuslern, die von Ernst Kallai im Kunstblatt 1929 als herausragende neue Maler hervorgehoben wurden, und war auf der Wander‐Ausstellung „junge bauhausmaler“ 1928‐29 in Braunschweig, Krefeld, Halle, Erfurt und Berlin mit insgesamt 15 Arbeiten neben Fritz Winter, Wilhelm Imkamp und Erich Borchert vertreten. 1930 zeigte ihn die Galerie Ludwig Schames in Frankfurt a.M. Die Berliner Galerie Ferdinand Möller präsentierte ihn 1931 im Rahmen der Gemeinschaftsausstellung „Vision und Formgesetz“ neben Feininger, Kandinsky, Klee u.a. sowie 1932 in einer Einzelausstellung. Anfang 1933 ist er noch in der Gruppenausstellung "Lebendige deutsche Kunst" bei Flechtheim und Paul Cassirer vertreten, dann fehlen auch ihm die Ausstellungsmöglichkeiten. Nach dem Krieg wurde er 1948 an die Hochschule der bildenden Künste in Berlin berufen (und wurde Kollege von Hofer und Stabenau). Unsere beiden Blätter sind unmittelbar nach dem Krieg und in sehr kleiner Auflage von nur 5 Exemplaren entstanden.

22. „Papierknäuel“ Radierung, 20 × 24,7 cm, um 1945

23. „Eisige Region“ Radierung 20 × 24,7 cm, um 1945

WILLI BAUMEISTER (1889 – 1955)

Willi Baumeister war einer der ersten deutschen Künstler, die im Zentrum der Modernen Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, also in Paris, größere Anerkennung erhielten als daheim. Zu seinen Förderern gehörten Fernand Leger und Le Corbusier. In Berlin stellte ihn die Galerie von Alfred Flechtheim aus, bevor er in innerer Emigration und ohne Ausstellungsaussicht die abstrakte Malerei vorantrieb. Nach dem Krieg sollte er im Zentrum der ersten größeren Kunstdebatte der jungen Bundesrepublik stehen, nämlich auf der Seite der Abstrakten gegen die auf figürliches Malen pochenden Zeitgenossen. Mit ZEN 49 gründete er auch eine bedeutende, überregional wirksame Künstlervereinigung, der u.a. auch Fritz Winter angehörte. So wurde er in der BRD zu dem Inbegriff der abstrakten Malerei – eine Rolle, die jüngst Frank Witzel in seinem mit dem Buchpreis geehrten Roman „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch‐depressiven Teenager im Sommer 1969“ noch einmal aufleuchten lässt, wenn die zentrale Romanfigur in der Nervenheilanstalt an die eigene Kunstpostkartensammlung zurückdenkt: „Aber jetzt verstehe ich, was es mit abstrakter Malerei auf sich hat. Ich begreife, dass Baumeister eben nichts darstellen will und dass die Titel einfach Titel sind und die Bilder einfach Bilder…“ (S. 175).

24. Willi Baumeister „Formlinge II“ 1937 Lithografie 54,8 x 41,9 cm unbek. kl. Auflage Spielmann/Baumeister: Willi Baumeister. Werkverzeichnis der Druckgrafik, 2005 Nr. 51

25. Willi Baumeister „Der Maler“ 1935/36 Lithografie 46,2 x 34,5 cm Auflage 45 Ex. WVZ Nr. 41

26. Willi Baumeister „Souvenir d'Espagne“ 1953 Lithografie 51 x 35 cm Auflage 220 Ex. WVZ Nr. 133 27. Willi Baumeister „Safer“ 1953 Lithografie 50 x 35 cm Auflage 36 Ex. WVZ Nr. 141

FRIEDRICH STABENAU (1900 – 1980)

Niemand, wirklich niemand kann mit seinem Namen noch etwas anfangen. Dabei gehörte Stabenau zur ersten Garde von Hochschullehrern an der nach dem Zweiten Weltkrieg wieder gegründeten Hochschule der bildenden Künste – gemeinsam mit Karl Hofer und Max Kaus war er 1946 Gründungsdirektor der späteren HdK, aufgrund von Bombenschädigungen zunächst nicht Im Gebäude an der Hardenbergstrasse beheimatet, sondern „um die Ecke“ der Halerie DERDABERLIN in der Kaiserallee (heute Bundesallee) 57/58. Er leitete die Graphische Fakultät und stellte auf den wichtigsten Berliner Nachkriegsausstellungen aus, so etwa 1949 gemeinsam mit Alexander Camaro, Werner Heldt, Bernhard Heiliger und Hans Uhlmann im Rahmen der Wanderausstellung „Berliner Künstler“.

28. Friedrich Stabenau „Köpfe“ um 1955

29. Friedrich Stabenau „Berge“ um 1955 30. Friedrich Stabenau „Berglandschaft (blau)“ um 1955

31. Friedrich Stabenau „I. Nov 53“ 1953

HERMANN GLÖCKNER (1889 – 1987)

Hermann Glöckner zählt zu den großartigsten Entdeckungen auf dem (gesamtdeutschen) Kunstmarkt der letzten Jahre. Erst nach und nach wird seine Bedeutung offenbar und seine singuläre Stellung erkannt. Besucht man z.B. die Neupräsentation der Kunst nach 1945 im Frankfurter Städel, begegnet man seinen konstruktivistischen Tafelbildern aus den 30er Jahren und Skulpturen gleich im ersten Raum. Der Dresdner Künstler, der zu DDR‐Zeiten erst im Konflikt zum, im hohen Alter dann mit Anerkennung durch das Regime lebte, ist Jahrgang 1889, ebenso wie die Künstler Willi Baumeister, Hannah Höch, László Peri. Zur besseren zeitlichen Einordnung seien auch die Jahrgänge anderer bedeutender Künstler seiner Generation genannt: 1887 Duchamp, Arp, Schwitters, 1888 Itten, Schlemmer, Albers, 1890 Naum Gabo, El Lissitzky, Man Ray.

In einem autobiografischen Text (in: Hermann Glöckner ‐ Ein Patriarch der Moderne, Ost‐Berlin 1983, S. 37ff.) nennt er eine frühe Liebe zur Geometrie als seine Schulzeit bestimmende Erinnerung. Eine erste Ausstellung fand 1927 in der Galerie Victor Hartberg in Berlin und in der Galerie Kühl in Dresden statt, dort auch eine zweite 1930. In der Nazizeit nimmt er gemeinsam mit seiner Frau eine Tätigkeit am Bau auf (Werbeschriften an Hauswänden in Sgrafitotechnik), die auch nach 1945 lange dem Broterwerb dient.

Zu den großen Strömungen der Moderne hatte er jedoch keine Bezüge, war nicht Mitglied einer Künstlervereinigung, sondern suchte für sich nach individuellen künstlerischen Lösungen. Er hatte keinerlei Verbindung zu Avantgarde‐Künstlern außerhalb Dresdens, dort in den Zwanzigern nur Freundschaften mit Lea Grundig und Walter Lachnit, nach dem Krieg mit Edmund Kesting und Otto Griebel. Allenfalls durch Reisen zu Ausstellungen nach West‐Berlin und nach Kassel zur Documenta I und II blieb er mit den Hauptströmungen der Nachkriegs‐Moderne in Kontakt. "Die isolierte Abseitigkeit seiner Arbeit erlöste ihn von dem Produktivitätsdruck des Kunstmarkts... So konnte er unbekümmert erfinden oder erproben, was die Gemüter in diesem Jahrhundert an bildnerischen Problemen und Möglichkeiten bewegte." (Diether Schmidt, in: Hermann Glöckner ‐ Ein Patriarch der Moderne, Ost‐Berlin 1983, S. 143)

Sein Durchbruch erfolgte dann erst 1969 in einer Ausstellung zum 80. Geburtstag im Kupferstichkabinett Dresden, danach gab es zahlreiche Ausstellungen in Ost und West in den 70s und 80s, bis es nach seinem Tod 1987 wieder ruhig wurde. „Im Kunstmarkt ist er immer noch ein Geheimtipp.“ (Michaela Nolte, Tagesspiegel, 11.10.2014) Die in der Ausstellung ART ON PAPER präsentierten sechs Arbeiten umspannen sein über acht Jahrzehnte verteiltes Werk und stellen eine repräsentative Auswahl dar.

32. „Stehendes Paar vom Rücken“ 1928 Rötel auf Papier 48 x 32,8cm Rückseitig bezeichnet „104. Hermann Glöckner Dresden A 24“ Dittrich/Schmitt, WVZ Gemälde und Zeichnungen 1904‐1945, Z 415

33. „Farbflecken in Blau, Gelb und Schwarz, darüber schwarze Linien“ 1952 Tempera und Tusche auf Briefpapier, auf Karton aufgelegt 19,8 x 19 cm Datiert unten links und rückseitig, auf maschinengeschriebenem Brief der Bau‐Union Dresden [ NL‐ Nr. 5086 (2734) ]

34. „Schlingen‐ und Kreisformen in Weiß auf Braun“ um 1966 Tempera auf Transparentpapier, auf Karton aufgelegt 20,7 x 14,8 cm Rückseitig von fremder Hand bezeichnet »H. Glöckner« [ NL‐Nr. 5077 ]

35. „Vertikal und horizontal geteilte rote Fläche“ um 1970 Materialdruck auf Papier, auf Karton aufgelegt 16,5 x 16,5 cm [ NL‐Nr. 5106 ]

36. „Faltgrafik 4/30c“ 1977 Tempera und Faltung auf Bütten 55,8 × 42,8 cm

37. „Rechteckformen in braun violett türkis und orange“ 1967 Tempera auf gefalztem Zeitungspapier 36,5 × 21,5 cm [ NL‐Nr. 2993 ]

38. LUDWIG KUPFER „o.T.“ Kohle auf Papier, 60 x 42 cm, 2012

DERDABERLIN vertritt den in Dresden lebenden und arbeitenden Künstler (Jahrgang 1989) exklusiv, zu seinem Werk ist der dritte Katalog der Galerie erschienen.