DERDA BERLIN KATALOG ART ON PAPER 05.03.2016 – 01.05.2016 VIERTER KATALOG DER GALERIE DERDA BERLIN Thomas Derda Fasanenstrasse 58 D‐10719 Berlin‐Wilmersdorf www.derdaberlin.com ALLE ABGEBILDETEN ARBEITEN SIND VERKÄUFLICH. PREISE AUF ANFRAGE. Copyright Texte: Thomas Derda und Ralf Kemper (Fotos sind ausschließlich für diesen Verkaufskatalog und nicht weiter verwendbar) KÖLNER PROGRESSIVE Der Kunstkritiker Ernst Kallai hielt Franz Wilhelm Seiwert und Heinrich Hoerle für zwei der stärksten Vertreter einer neuen Generation von deutschen Malern, welche aus der kubistisch‐ expressionistischen Tradition hervorgegangen sind ‐ zu Recht. Das Kölner Museum Ludwig präsentierte zuletzt 2008 eine große Ausstellung unter dem Titel „köln progressiv 1920‐33. seiwert‐ hoerle‐arntz“. Umso mehr freuen wir uns, hier eine Werkgruppe kleiner Meisterwerke im Rahmen dieser Ausstellung präsentieren zu können (Kat. Nrn. 1‐6). Einmal mehr wird die Verbindung zu Berlin‐Wilmersdorf über die Zeitschrift „Die Aktion“ von Franz Pfemfert hergestellt, zu der beide zahlreiche Cover und Illustrationen beisteuerten, zumeist als originalgraphische Holzschnitte. 1. FRANZ WILHELM SEIWERT (1894 – 1933) „Arbeiter vor der Fabrik“ Bleistift auf Papier, 23,0 x 18,0 cm, 1922 Aus dem Besitz Stanislav Kubicki´s. F. W. Seiwert, 1894 in Köln geboren, bildet mit Heinrich Hoerle und Gerd Arntz den Kern der Kölner Progressiven und gibt später deren Sprachrohr, die Zeitschrift a‐z heraus, in der u.a. Artikel über Malewitsch, Severini, Modigliani und Brancusi erscheinen. 1919 gehört Seiwert kurz zur Gruppe der Kölner Dadaisten (Gruppe D) und stellt im Kunstverein zusammen mit Max Ernst, Johannes Baargeld, Hans Arp, Paul Klee, Heinrich Hoerle, Angelika Hoerle und Anton Räderscheidt aus. 1920/21 reist er nach Berlin und freundet sich mit dem Maler und Essayisten Stanislav Kubicki an, aus dessen Besitz unsere Arbeit stammt. 1922 lernt er in Düsseldorf u.a. Kurt Schwitters Laszlo Moholy‐Nagy und El Lissitzky kennen. Die kleine vorzügliche Zeichnung „Arbeiter vor der Fabrik“ besticht durch die Dichte ihrer Darstellung. Sie ist sowohl in ihrem politischen Aussagewert als auch in ihrer gegenständlich konstruktiven Bildfindung typisch für Seiwert´s Arbeiten in seiner stärksten Werkphase. Beeinflusst von Oskar Schlemmer, Fernand Leger und de Chirico findet er ab 1922 seinen persönlichen Stil, eine Bildform, in der soziale Wirklichkeit von allem Sentimentalen und Zufälligen entkleidet, in allgemein gültigen, lesbaren Chiffren wiedergegeben werden kann. Ein Pendant zu unserer Arbeit ‐ die Zeichnung „Vier Köpfe“ von 1922 ‐ befindet sich heute im Museum Ludwig Köln. 2. FRANZ WILHELM SEIWERT (1894 – 1933) „abc“ Bleistift auf Papier, 22,3 x 14,5 cm, 1922 Diese herausragende Arbeit Seiwert`s aus dem Jahr 1922 befand sich ebenfalls im Besitz Stanislav Kubicki`s und steht in ihrer spannungsgeladenen, nervösen Linienführung den Zeichnungen Paul Klee´s sehr nahe. In ihrer dadaistischen Geste bildet sie ein enigmatisches kleines Universum, dessen typografische Bildelemente kaum zur deren Lösung beitragen und mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben. Ein Kleinod ersten Ranges in Seiwert´s zeichnerischem Werk. 3. FRANZ WILHELM SEIWERT (1894 – 1933) „Zeichnung zu Shelley, „Kampf“ Feder über Blei, Farbstift auf Papier, 21,0 x 29,8 cm, 1921, WVZ/Bohnen S. 44 u. 245 Relativ großformatige Zeichnung Seiwert´s als Entwurf für den Buchumschlag von Percy Bysshe Shelley „Kampf“, erschienen 1924 im Taifunverlag Frankfurt. Das Thema der (Menschen‐) Masse findet sich Mitte der 20er Jahre häufiger in Seiwert´s Oeuvre und ist geradezu typisch für ihn. Erstaunlicherweise strahlen diese Bilder, auf denen doch die „Masse“ der Proletarier bedrohlich auf den Betrachter zumarschiert, eine suggestive Ruhe aus. So auch hier. Zu der Zeit liefert Seiwert einige graphische Arbeiten genau in dieser Manier, die dann in Franz Pfemfert`s Zeitschrift die Aktion (Wilmersdorf, Nassauische Str. 17) als Umschlaggestaltung Verwendung finden. 4. FRANZ WILHELM SEIWERT (1894 – 1933) „Kopf neben a“ Linolschnitt auf Papier, 13,0 x 14,5 cm, 1923, WVZ Bohnen 303 Eines von nur 2 bekannten Exemplaren. Bizarre, ausdrucksstarke Konstruktion Seiwert´s mit monotypieartigem Charme. 5. HEINRICH HOERLE (1895 – 1936) „Ostern 1930“ | „Die Familie“ Farbstift auf Papier, 23,0 x 18,0 cm, 1930 Hoerle schuf einige Selbstbildnisse in der von ihm und Seiwert entwickelten konstruktivistischen Art (häufig mit Pfeife und der für ihn typischen Signatur „h“ in der oberen linken Ecke). Das Werkverzeichnis verzeichnet indes keine andere Familiengruppe, so dass die vorliegende Zeichnung als einzigartig gelten kann. Nach dem frühen Tod seiner Frau Angelika Hoerle 1923 (auch Hoerle selbst sollte ebenso wie seine Schwester später an Tbc erkranken und hieran sterben) heiratete Hoerle 1924 erneut. Seine zweite Frau Marta, genannt Tata, brachte ihre Tochter Micheline mit in die Ehe. Die Familiensituation sollte trotz der verdichteten Darstellung indes nicht mehr lange andauern. Bereits 1933 heiratete Hoerle erneut. 6. HEINRICH HOERLE (1895 – 1936) „Amaryllis“ Tempera auf feinem Japan. Um 1920. 41,4 x 22,0 cm Die hochformatige, um 1920 entstandene Arbeit „Amaryllis“ gehört zu einer kleinen Gruppe von surrealen, teils bedrohlich anmutenden Pflanzenbildern wie zB „Landschaft mit Baum“ WVZ/Backes 10 oder „Blume“ WVZ/Backes 11. Da die vorgenannten Arbeiten möglicherweise Bestandteil der Ausstellung „stupid“ waren, ist das auch auf die vorliegende Arbeit anzunehmen, da sie im gleichen Zeitraum entstanden ist und eine vergleichbare Bildästhetik aufweist. Zur Gruppe stupid schlossen sich 1920 Heinrich und Angelika Hoerle, F. W. Seiwert, Martha Hegemann, Anton Räderscheidt und Wilhelm Fick zusammen. Gezeigt wurden die Bilder im Rahmen einer Dauerausstellung im Atelier von Anton Räderscheidt, Köln, Hildeboldplatz 9. 8. LASSAR SEGALL (1891 – 1957) „Irrende Frauen II“ Holzschnitt auf chamoisfarbenem Papier, 43,0 x 39,0 cm, 1920, signiert Lassar Segall wird 1891 in Wilna, im litauischen Jerusalem, der Stadt von Chaim Soutine und Jacques Lipchitz geboren und verlebt seine Kindheit als Sohn eines Thoraschreiber`s im Schatten der Synagoge des großen Gaon von Wilna. 1906 wird er Student an der Hochschule für bildende Künste in Charlottenburg. Ab 1910 als Meisterschüler in Dresden verlebt er dort wechselhafte Jahre bevor er 1919 mit Conrad Felixmüller und Otto Dix, Otto Lange und anderen die Dresdner Sezession Gruppe 1919 gründet. Paul Ferdinand Schmidt, damals Direktor des Stadtmuseums Dresden und einer der Wegbereiter der Moderne, nennt Segall sehr treffend einen kubistisch angehauchten Expressionisten. Segall kommt weniger wie seine Freunde vom Expressionismus der Brücke, als vielmehr von Picassos Les Demoiselles d`Avignon. Wie die französischen Kubisten ordnet zwar auch Segall seine Bilder in dieser Phase nach geometrischen Formen, aber im Gegensatz zu Ihnen beseelt er die Kreise, Dreiecke und Rhomboide, aus denen er Glieder, Körper, Physiognomien formt. 1924 wandert Segall nach Brasilien aus und wird dort einer der ersten modernen Maler des Landes. Zweimal kehren Werke Segall`s nach Deutschland zurück. 1926 sieht man sie in großen geschossenen Ausstellungen in Dresden (Galerie Neue Kunst Fides) und in Berlin (Galerie Neumann‐ Nierendorf). 1937 hängt sein Bild Purimsfest dann neben Marc Chagalls Rabbiner auf der Münchner NS‐Ausstellung „Entartete Kunst“. 9. LASSAR SEGALL (1891 – 1957) „Kopf einer Negerin“ Holzschnitt auf dünnem Japan, 33,0 x 26,5cm, 1929 Ausdrucksstarke Arbeit Segall´s aus seiner brasilianischen Zeit, die in ihrer Ästhetik an Blätter wie Nolde´s Ägypterin denken lässt. In Sao Paulo (Brasilien) wird der Künstler seit 1967 mit einem eigenen Museum, dem „Museu Lassar Segall“ geehrt. 10. OTTO DIX (1891 – 1969) „Geburt / Werden“ Holzschnitt auf Papier, 28,0 x 22,0cm, 1919 Otto Dix kehrt Ende des Jahres 1918 ernüchtert aus dem Weltkrieg zurück und setzt sein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Dresden fort. „Dada‐Dix“ wie er sich selbst auf einer signierten Portraitfotografie dieser Zeit bezeichnet, durchlebt in den folgenden zwei Jahren eine heftige, das konservative Bürgertum provozierende Schaffensphase, in der er mit der internationalen Dada‐Szene in Verbindung steht und sein neues Credo entfaltet: die Kälte der Welt durch die Kälte der Kunst übertreffen. Schnell steigt er zum Star eben gegründeten Dresdner Sezession Gruppe 1919 auf. Sein Themenkreis in dieser Phase, in der er viele Holzschnitte schafft, umfasst vor allem Themen wie Liebe, Tod, Leben und Vergänglichkeit. Der von uns angebotene Holzschnitt Geburt ist damit sowohl thematisch, als auch in seiner drastischen Ausdruckskraft typisch für den Dix dieser Zeit. 11. FRANZ RADZIWILL (1895 – 1983) „Häuser am Wiesenrand“ Kaltnadelradierung auf Velin, 35,7 x 42,7 cm, unten rechts signiert und mit e.a. 1922 (Epreuve d ́Artist = Druck vor der Auflage) bezeichnet. Äußerst selten, eine Presler, dem Verfasser des Radziwill‐Werkverzeichnisses, unbekannt gebliebene Radierung ‐ in diesem Druckzustand nicht nachweisbar! Aus dem Nachlass des Dresdner Kunsthändlers Erich Baumbach, der in der 20er Jahren in Dresden die Kunsthandlung Emil Richter Pragerstraße 13 führte. Radziwill, der später einer der Hauptvertreter des magischen Realismus wird, glänzt hier mit einer kleinen, charmanten Arbeiten im Stil eines Heckel oder Schmidt‐Rottluff´s. Schmidt‐Rottluff ist es denn auch, auf dessen Empfehlung Radziwill ab 1921 im norddeutschen Dangast unweit von Oldenburg kommt und sich ein Jahr später niederlässt. In dem kleinen
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