Albrecht Von Brandenburg Und Die Reformtheologen
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Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg HERIBERT SMOLINSKY Albrecht von Brandenburg und die Reformtheologen Originalbeitrag erschienen in: Friedhelm Jürgensmeier (Hrsg.): Erzbischof Albrecht von Brandenburg (1490 – 1545) : ein Kirchen- und Reichsfürst der frühen Neuzeit. Frankfurt am Main: Knecht, 1991, S. [117] - 131 ALBRECHT VON BRANDENBURG UND DIE REFORMTHEOLOGEN. Heribert Smolinsky I. Albrecht und die Reformtheologen in Mainz - II. Albrecht und die Reformtheologen im Kontext der Reichsreligionspolitik • III. Die Reformtheologen und die Religionsgespräche - IV. Reform oder Konzil? • V. Schlu ßbemerkungen Um das Thema »Albrecht von Brandenburg und die Reformtheologen« zu be- handeln, ist es notwendig, zu Beginn auf einige Probleme aufmerksam zu ma- chen. Das eine betrifft den Terminus »Reformtheologe«, der historiographisch ungeklärt ist. Die Reformationsgeschichte kennt keinen präzise definierten Be- griff dieser Art, und in der Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts, wo Reform zuneh- mend ein theologisch-kirchenpolitisches Leitmotiv wurde, könnte im weitesten Sinne jeder Theologe als Reformtheologe bezeichnet werden z. So angewandt, ver- löre dieser Terminus jegliche Kontur. Umgekehrt wäre es mit guten Gründen möglich, eine Einengung vorzunehmen und unter »Reformtheologen« humani- stisch — vermittlungsbereite, von Erasmus beeinflußte Reformer zu verstehen , die z. B. in Jülich — Kleve — Berg, bei den Kölner Synodalstatuten von 1536 oder am Dresdener Hof Herzog Georgs von Sachsen eine große Rolle spielten3. Dieses Profil paßte durchaus auf unser Thema, würde es aber, ausschließlich verwendet, verengen und die notwendige innere Differenzierung verhindern. Deshalb soll pragmatisch eine weite Perspektive gewählt werden. Reformtheologen sind alle, die erkennbar an der Kirchenreform arbeiteten, wobei zu sehen ist, daß diese in den ersten Jahrzehnten der Reformationszeit immer im Zusammenhang mit der erstrebten Kircheneinheit stand. Dies bedeutet für unser Thema, daß zwar in er- ster Linie erasmianisch gesinnte, an Vermittlung interessierte Theologen vorkom- men werden, sich das Spektrum darüber hinaus aber über biblisch orientierte Pre- diger bis hin zum konservativen, das Kirchenrecht betonenden und wenig kom- promißbereiten Reformer erstreckt. 1 Vortrag, gehalten am 17. Juni 1990 anläßlich des Symposiums »Erzbischof Albrecht von Bran- denburg« in Mainz. z Vgl. Gottfried MARON, Katholische Reform und Gegenreformation. In: TRE XVIII, 1988, S. 45-71; Heribert SMOLINSKY, Katholische Reform und Gegenreformation. In: Evangelisches Kir- chenlexikon II, 3 1989, S. 1003-1007. 3 In diesem Sinne z. B. benutzt von Erwin ISERLOH, Die katholischen literarischen Gegner Luthers und der Reformation. In: Handbuch der Kirchengeschichte, IV, hrsg. von Hubert Jedin. Freiburg u. a. 1967, S. 113. Zur Reform vgl. Heribert SMOLINSKY, »Docendus est populus«. Der Zusammenhang zwischen Bildung und Kirchenreform in Reformordnungen des 16. Jahrhunderts. In: Ecclesia mili- tans. FS für Remigius Bäumer, II, hrsg. von Walter Brandmüller u. a. Paderborn u. a. 1988, S. 539-559. Auf die einzelnen Theologen und den Begriff »Erasmianer« soll hier nicht weiter einge- gangen werden. I18 HERIBERT SMOLINSKY Ein zweites Problem ergibt sich mit der Schwierigkeit einer Abgrenzung be- züglich des Verhältnisses dieser Reformtheologen zu Albrecht von Brandenburg. Die Literatur spricht seit längerem von einem Kreis reformorientierter Theologen um den Mainzer bzw. Magdeburger Erzbischof. Anton Ph. Brück kennt einen »Mainzer Reformkreis « ; Hans Wolter nennt in dem Aufsatz »Kardinal Albrecht von Mainz und die Anfänge der katholischen Reform« die Vorliebe des Kardinals für die Werke der »Reformkatholiken im Gefolge des Erasmus«4. Eine Differen- zierung der infrage kommenden Theologen untereinander und in ihrem Verhält- nis zu Albrecht findet nicht statt. Das liegt u. a. an dem Stand der Forschung, der neue, tiefgreifende Monographien zu Friedrich Nausea, Michael Helding, Julius Pflug und Georg Witze!, die hier gemeint sind, vermissen läßt5. Erst umfang- reichere Arbeiten könnten belegen, wie weit die Beziehungen Albrechts zu den Reformtheologen reichten. Einstweilen erlaubt die Literatur- und Quellenlage nur punktuelle Erkenntnisse. I. ALBRECHT UND DIE REFORMTHEOLOGEN IN MAINZ Albrecht von Brandenburg stand als (Erz-)Bischof der Bistümer Mainz, Magde- burg und Halberstadt, das er administrierte, als Reichsfürst und Erzkanzler in ei- nem Beziehungsgeflecht, das ihn auf die unterschiedlichste Weise mit der gelehr- ten, an Reformen verschiedenster Art interessierten Welt der Humanisten ver- band. Diese Beziehungen ergaben sich aus Briefwechseln, dessen bekanntester der von Erasmus von Rotterdam ist 6. Buchdedikationen, z. B. Johannes Reuchlins Übersetzung des Athanasius von 15197 oder am 2.7. Dezember 1517 Erasmus mit der Widmung der »Ratio seu methodus compendio perveniendi ad veram theolo- giam« 8 boten weitere Möglichkeiten, mit dem Kardinal in Beziehung zu treten und sich seines Wohlwollens sowie Einflusses zu versichern. Das Interesse am Mäzenatentum des Kardinals kommt in einem Brief des späteren Bamberger Dompredigers Johannes Haner zum Ausdruck, der am 13. August 1535 an den Nuntius Paolo Vergerio schrieb: Übrigens, wenn Sie den Mainzer Erzbischof tref- 4 Anton Ph. BRÜCK, Mainz vom Verlust der Stadtfreiheit bis zum Ende des Dreißigjährigen Krie- ges (= Geschichte der Stadt Mainz 5). Düsseldorf 1972, S. 25-26; H. WOLTER, Kardinal Albrecht von Mainz und die Anfänge der katholischen Reform. In: Theologie und Philosophie 51 (1976) S. 498. 5 Die Kurzbiographien in den KLK-Heften der letzten Jahre sind zwar ein erster Einstieg, aber ausbaufähig. Vgl. Katholische Theologen der Reformationszeit, 4 Bde, hrsg. von Erwin Iserloh (= KLK 44-47)• Münster 1984-1987. Siehe auch Friedhelm JÜRGENSMEIER, Das Bistum Mainz. Von der Römerzeit bis zum II. Vatikanischen Konzil (= Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 2). Frank- furt am Main 2 1989, 5. 187-191. 6 Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami, 12 Bde, hrsg. von Percy S. ALLEN u. a. Oxford 1906-1958, Nr. 661.745-968. 988. 1009. 1033. 1101. 1152. 1365; vgl. Peter WALTER, Albrecht von Brandenburg und der Humanismus. In: Horst Reber (Bearb.), Albrecht von Brandenburg. Kurfürst, Erzkanzler, Kardinal 1490-1545. Ausstellungskatalog Landesmuseum Mainz, hrsg. von Berthold Roland. Mainz 1990, S. 65-82. 7 Liber S. Athanasii de variis quaestionibus nuper e Graeco in Latinam traductus, Johanne REUCHLIN interprete. Hagenau 1519, Blatt Aij-Cjb; vgl. Karl SCHOTTENLOHER, Die Widmungsvor- rede im Buch des 16. Jahrhunderts (= RST 76-77). Münster 1953, S. 20. 43. 189. 8 ALLEN, Opus epistolarum (wie Anm. 6), Nr. 745. Die Widmung zur Auflage von 1523, welche die veränderte Situation spiegelt und zur Einheit der Kirche aufruft, ebd., Nr. 1365. ALBRECHT UND DIE REFORMTHEOLOGEN 119 fen sollten, mögen sie mich bitte diesem einzigartigen Mäzen der Gelehrten be- sonders empfehlen9. Bot das Mäzenatentum für die Reformtheologen einen ersten Ansatzpunkt, mit Albrecht in Verbindung zu treten, ohne ihm näher verpflichtet zu sein, so baute sich auf einer funktionalen und institutionellen Ebene ein intensiveres Be- ziehungsgeflecht auf. Das gilt für die Verwendung von Reformtheologen zu gele- gentlichen Diensten, für die Stellung eines Mainzer Domkapitulars wie Julius Pflug.% eines Dompredigers wie Friedrich Nauseaii oder Johannes Wildi z, eines Mainzer Weihbischofs wie Michael Helding 1 3, eines Stiftpropstes zu Halle wie Michael Vehe .4 oder eines Generalvikars und langjährigen, konservativ gesinnten Rates wie Valentin von Tetleben 1 5. Durch persönliche Kontakte und Briefwechsel waren die meisten dieser Theologen untereinander verbundeni 6, so daß man mit einem gewissen Recht von einem » Reformkreis « sprechen kann, solange nicht an Homogenität gedacht ist. Als erstes ist eine »Mainzer Predigttradition« zu nennen, bei der sich gegenre- formatorische und reformerische Impulse miteinander verbanden, und die in ei- nem zweiten Schritt eine »Mainzer katechetische Tradition« hervorbrachte. Da- bei war der Druck der wachsenden, sich in Kirchenordnungen, Katechismen, li- turgischen Büchern und Bekenntnissen institutionell und doktrinär festigenden Reformation ein Stimulans, das sich auch in Mainz nachweisen läßt'7. 9 Walter FRIEDENSBURG (Hrsg.), Zur Korrespondenz Johannes Haners. In: Beiträge zur Bayeri- schen Kirchengeschichte, hrsg. von Theodor Kolde 5 (1899) S. 181. Zu Haner vgl. August FRANZEN, Haner. In: LThK IV, 1 1960, Sp. 1351 f. 10 Vgl. Julius PFLUG, Correspondance, 5 Bde, hrsg. von J[acques] V. POLLET. Leiden 1969-1982; J[acques] V. POLLET, Julius Pflug. In: Gestalten der Kirchengeschichte, II. Reformationszeit, hrsg. von Martin Greschat. Stuttgart u. a. 1981, 5.129-146; Elmar NEUSS und Jacques V. POLLET (Hrsg.), Pflu- giana. Studien über Julius Pflug (1499-1564) (= RST 129). Münster 1990. 11 Vgl. Remigius BÄUMER, Friedrich Nausea. In: Katholische Theologen der Reformationszeit (wie Anm. 5), II, S. 92-103. 12 Vgl. E. PAX, Wild, Johannes. In: LThK X, 1 1965, Sp. 1123. 13 Vgl. Heribert SMOLINSKY, Michael Helding. In: Katholische Theologen der Reformationszeit (wie Anm. 5), II, S. 124-136. 14 Vgl. Franz SCHRADER, Michael Vehe. In: Katholische Theologen der Reformationszeit (wie Anm. 5), IV, 5.15-28. Vehe hatte gute Kontakte zu Nausea, wie dessen Briefwechsel zeigt: Friedrich NAUSEA, Epistolarum Miscellanearum ad Fridericum Nauseam Blancicampianum, Episcopum Vien- nensem, etc. singularium personarum Libri X. Basel 1550,5.94-96. 15 Vgl. Valentin