Stephan Daniel Richter Die Wertorientierung Der TZI Und Ihre Anschlussfähigkeit an Beratungsformate Und Klientensysteme
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ZEITSCHRIFTENARCHIV Stephan Daniel Richter Die Wertorientierung der TZI und ihre Anschlussfähigkeit an Beratungsformate und Klientensysteme Themenzentrierte Interaktion »Es geht um Werte« 30. Jahrgang, 1/2016, Seite 18–29 Psychosozial-Verlag 28243 Themenzentrierte Interaktion Themenschwerpunkt: Es geht um Werte Stephan Daniel Richter Die Wertorientierung der TZI und ihre Anschlussfähigkeit an Beratungsformate und Klientensysteme Der Autor reflektiert die Frage, welchen Beitrag die Themenzen- trierte Interaktion unter dem Fokus „Werte“ zu Beratungspro- zessen wie Coaching und Supervision liefern kann. Nach einfüh- renden Differenzierungen in Bezug auf Formate und Verfahren sowie Ethik, Moral, Werte und Menschenbilder wird auf das humanistische Menschbild der TZI eingegangen. Dabei ergeben sich viele Fragen, z.B. bzgl. der Quellen, aus denen sich die TZI speist, und der Problematik der „Passung“, wenn es darum geht, Supervisions- oder Coachingprozesse zu steuern. Dennoch sieht Zum Autor der Verfasser verschiedene Anknüpfungspunkte, wo sich das Men- Stephan Daniel Richter, Jg. 1964, verh., ein Sohn, Dipl. schenbild und ein reflektiertes Wertkonzept der TZI als hilfreich Religionspäd. (FH), M.A. Busi- erweisen können. ness Coaching & Change Man- agement, Supervisor (DGSv), The author reflects on the issue of the potential contribution TZI-Graduand. Lehre an der Ev. of Theme-Centered Interaction to counseling processes such as Hochschule Nürnberg und der Hochschule für angew. Manage- coaching and supervision in the context of the thematic focus on ment Erding. “values“. Following introductory remarks with respect to formats www.beratung-hr.de and processes as well as ethics, morals and concepts of humanity, TCI’s humanistic concept of humanity is explored. This brings up many questions, e.g. with respect to the sources on which TCI draws and the problem of how to find the right “fit“ when steer- ing supervision and coaching processes. Nonetheless, the author recognizes various points of contact where the image of human- ity and a well-thought out TCI value concept can prove helpful. 1. Einleitung Beim internationalen Austauschtreffen des Ruth-Cohn-Instituts 2015 in Bonn gab es mehrere Workshops zum Thema „TZI und Coaching“. Bei dem von mir geleiteten Workshop unterschied ich zu Beginn „Formate“ und „Verfahren“ in dem Sinn, dass z.B. Coaching, Supervision oder Psychotherapie „einen institu- tionalisierten Rahmen für […] immaterielle Dienstleistungen“ (Buer, 2005, 280) darstellen und damit zu den Formaten zählen. 18 30. Jahrgang Heft 1 Stephan Daniel Richter, Die Wertorientierung der TZI … Frühjahr 2016 Verfahren hingegen wie das Psychodrama, Gestaltarbeit, Trans- aktionsanalyse und eben auch die TZI „werden einzeln oder in Kombination in Formaten eingesetzt, um die dort stattfindenden Lernprozesse nach bestimmten Regeln steuern zu können. […] Formate sind die Hüllen, die durch die Verfahren gefüllt wer- den“ (ebd.).1 Nachdem ich einen Innenkreis mit zahlreichen Formaten gefüllt hatte, ergänzte ich einen Außenkreis, indem ich dort etwa zwanzig verschiedene Verfahren auflegte und die Frage in den Raum warf: „Warum sollte gerade die TZI in der Beratung von Belang sein, wo es doch auch so viele andere Verfahren gibt?“ Vermutlich sind diejenigen, die eine TZI-Ausbildung genos- sen haben, davon überzeugt, dass die TZI hilfreich und wertvoll ist, wenn es darum geht, Beratungsprozesse2 zu gestalten. Dies sind allerdings Psychodramatiker oder Systemiker auch. In der Fachliteratur wird der Begriff „Passung“ verwendet, wenn die anzubahnende Beziehung zwischen Berater und Klient nä- her betrachtet wird (vgl. z.B. Petzold, 1998, 402ff. und Greif, 2008, 265ff.). Wrede (2005) formuliert in Bezug auf Coaching: „Es ist zu erwarten, dass ein geplantes Coaching-Angebot nicht bzw. nicht mit der gewünschten Wirkung genutzt wird, wenn kein anerkanntes Konzept existiert, das an die Einstellung der Zielgruppe anknüpft“ (ebd., 313). Aus Sicht der Kunden oder der Personalabteilung stellt sich also die Frage, ob ein Berater, der auf das Verfahren der TZI aufbaut, an die Einstellungen der Zielgruppe anknüpfen kann und einen „Return on Investment“ verspricht. Im Folgenden soll diese Frage insbesondere unter dem Werteaspekt betrachtet werden. Mein Ziel ist es dabei nicht, „endgültige“ Aussagen zu treffen, sondern Anregungen zu geben, an welchen Schnittstellen das Thema Relevanz gewinnt und in welche Richtungen Klarheit geboten ist, um seriöse Beratungs- kontrakte schließen zu können. Auch der gebotene Umfang des Aufsatzes lässt mehr nicht zu. 2. Coaching und Supervision Speziell im Blick auf die angesprochene „Passung“ ist mir eine Unterscheidung zwischen den Formaten Coaching und Supervi- sion wichtig. Zwischen beiden gibt es wesentliche Abgrenzungen 1 Ähnlich Migge (2011, z.B. im Blick auf die Zielgruppen, das Setting, die Schwerpunkte S. 24ff.), der von Formaten, und die Genese (vgl. Lippmann, 2009, 31f.; Rappe-Giesecke, Verfahren, Methoden und 2003, 11). Business Coaching wird in der Regel als ein Instru- Tools spricht. ment der Personalentwicklung verstanden und richtet sich an 2 Im Folgenden kümmere ich gesunde Personen mit Führungs- und Steuerungsfunktionen in mich v.a. um Coaching und Organisationen sowie an Selbstständige und Experten. Es geht Supervision. 19 Themenzentrierte Interaktion Themenschwerpunkt: Es geht um Werte um die „zielgebundene Entfaltung individueller mentaler und sozialer Schlüsselkompetenzen und konkreter Strategien zur Erfolgsverbesserung“ (Migge, 2011, 10). Die Ursprünge der Supervision liegen eher in der Gemeinde- und Sozialarbeit und sind in diesen Feldern auch das Format der Wahl (vgl. Greif, 2008, 64 und Kühl, 2008, 29ff.). Nichtsdestotrotz handelt es sich stets um eine personenorientierte Beratung, wobei (organisationsso- ziologisch) Supervision eher Menschen an den „Grenzstellen“ der Organisation „nach außen“ unterstützt (z.B. Sozialarbeiter) und Coaching sich vorrangig auf „nach innen“ gerichtete Tätig- keiten bezieht (z.B. das mittlere Management) (vgl. Kühl, 2008, ebd.). Bei Kühl finden wir auch einen spannenden Hinweis auf die Wertefrage. In Anlehnung an Luhmann stellt er fest, dass Organisationen ihre Leistungsfähigkeit dadurch entwickeln, dass sie gleichzeitig (!) auf vier verschiedene Formen zurückgreifen, über die sich Verhaltenserwartungen stabilisieren lassen, nämlich Personen, Rollen, Programme und Werte (vgl. ebd., 59ff.). „Su- pervisoren und Coachs bearbeiten jetzt […] Passungsprobleme zwischen Personen einerseits und den Rollen, Programmen und Werten andererseits“ (ebd., 62). 3. Ethik, Moral, Werte, Menschenbilder Damit braucht es weitere Unterscheidungen, um die verschiedenen Begrifflichkeiten zu ordnen. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden Ethik und Moral oft nicht unterschieden, obwohl dies notwendig ist. Ethik lässt sich nämlich als die philosophische Reflexion auf Moral verstehen, wobei diese Reflexion in unterschiedlicher Weise erfolgen kann (z.B. deskriptive und normative Ethik sowie die Metaethik; vgl. Düwell u.a., 2006, 2). Moral wiederum meint „alle von einem Menschen oder einer Gesellschaft als richtig und wichtig anerkannten Normen und Ideale des guten und richtigen Sichverhaltens […] plus der mehr oder weniger vernünftigen Überzeugungen, die es ermöglichen, diesen Normen und Idealen einen ernst zu nehmenden Sinn zu geben, sie zu rechtfertigen oder gegebenenfalls auch kritisch zu modifizieren“ (Kettner, 2006, 426). Werte bezeichnen im gängigen Sprachgebrauch jene Vorstel- lungen, welche in einer Gesellschaft allgemein als wünschenswert anerkannt sind und den Menschen Orientierung verleihen. Die Wertethik befragt die handlungsleitenden Grundsätze des Indi- viduums sowie die Sitten der Gesellschaft auf ihren objektiven Wertgehalt, wobei man trotz aller Unterschiede darin überein- kommen kann, „das Gute oder moralische Gebotene als Wert 20 30. Jahrgang Heft 1 Stephan Daniel Richter, Die Wertorientierung der TZI … Frühjahr 2016 zu begreifen“ (Bohlken, 2006, 108). Nach Krobath bilden Werte einen Bereich der Persönlichkeit neben anderen und realisieren sich „im Verhalten oder in der Bewertung von Qualitäten von Objekten (Personen, Dinge, Sachverhalte); der Zusammenhang von Werthaltungen und Verhalten ist zumeist auf komplexe Art vermittelt […] – insbesondere spielen auch situative Faktoren (z.B. soziale Normen) hier eine wichtige Rolle“ (Krobath, 2009, 379). Werte können als Determinanten der Einstellung angesehen werden und sind ein übergeordnetes Konstrukt. Gemäß Schlöder geben Werthaltungen „Aufschluß über Ziele, Zwecke und Motive, die eine Person regelmäßig hat, und über Gründe, die sie für ihr Verhalten anführt“ (Schlöder, 1993, 140). Lässt man sich auf Fragestellungen der Ethik und der Werte ein, kommt man nicht an den zugrunde liegenden Menschenbil- dern vorbei. Nach König und Volmer ist „das Menschenbild der begriffliche Rahmen, auf dessen Basis menschliches Tun beschrieben wird und den fundamentalen Wert definiert. Damit liefert das Menschenbild zugleich ein grundlegendes Erklärungsmodell und einen Rahmen Lässt man sich auf Fra- für die Entwicklung konkreter Handlungsstrategien. gestellungen der Ethik […] Man kann Probleme oder Situationen auf der ein, kommt man nicht an Basis eines Menschenbildes deuten“ (König/Volmer, den zugrunde liegenden 2005, 34). Ethische Aussagen befinden sich somit in Menschenbildern vorbei einer engen Verknüpfung zu den Menschenbildern und beide beeinflussen sich zirkulär, wiederum in einer Abhängigkeit von grundlegenderen allgemeinen, zeitgebundenen Weltbildern