Auszug Aus Dem Buch "Forever Young – Die
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Auszug aus dem Buch "Forever Young – Die Klänge der kühlen Dekade" von Holger Stürenburg, Hamburg 2001 Saga In den 80er Jahren existierte kaum eine Band, die derart polarisierte, wie SAGA, die fünfköpfige Truppe um den damaligen Wahlkanadier Michael Sadler, der in Wales geboren wurde und nun seit acht Jahren in Deutschland lebt. Während z.B. das Hamburger Szenemagazin „OXMOX“ im Herbst 1985 die Frage aufwarf „Was ist noch langweiliger als das Fernsehtestbild um Mitternacht?“ und darauf frech antwortete „Das jeweils neueste Album von SAGA!“, liebten und verehrten besonders die deutschen Fans SAGAs einmalige Mischung aus sphärischen Keyboards, rockenden Gitarren und mystischen Texten, dargeboten zu treibenden, eingängigen Melodien. Zwischen 1981 und 1987 geriet jedes Album von SAGA umgehend in die deutschen Top 10, die größten Hallen wurden von der Band auf ihren ausgedehnten Tourneen regelmäßig ausverkauft. Ihre Hits „The Flyer“ (1983) oder „What do I know“ (1985) zählten zu den gerne gespielten Radiohits. Kurzum: SAGA waren ein wichtiges Thema des „legendären Zeitgeistes“ der mittleren 80er! Begonnen hatte alles im Jahre 1977, als Jim Crichton (b), Steve Negus (dr) und Vokalist Michael Sadler in Kanada die Band „Pockets“ gründeten, die sich später – nach der Hinzunahme von zwei weiteren Musikern – in SAGA umbenannte. Mit nur acht Songs im Programm, starteten SAGA ihre ersten Tourneen, bis 1979 mit dem Album „Images at Twilight“ die umfassende Weltkarriere der Band beginnen sollte. Auf diese gelungene LP, die bereits die oben erwähnten Qualitäten SAGAs deutlich präsentierte, folgte die LP „Silent Knight“ (mit dem ersten größeren SAGA-Hit „Don’t be late“!), bevor es richtig losging: Bereits 1982 waren SAGA, die im Frühjahr jenen Jahres die Top-LP „Worlds apart“ veröffentlicht hatten, ein wichtiges, viel diskutiertes und immer wieder polarisierendes Thema der Rockfans, vor allem in Deutschland – und wie Michael Sadler mir stolz berichtete – in Puerto Rico! Weshalb gerade die deutschen Rockfans so intensiv auf Michael und seine Mannen abfuhren, konnte nie so richtig geklärt werden. Fest steht jedoch, daß damals eine Deutschlandtournee von SAGA nicht nur ein einträgliches Geschäft für die Veranstalter war, sondern auch für den Fan treibende, schwitzige Rockshows präsentierte, während Großbritannien und die USA kaum mehr als ein mattes Lächeln für SAGA und ihren Prog-Rock übrig hatten. Nahezu alle Songs der A-Seite von „Worlds apart“ wurden als Single ausgekoppelt. Hier wäre zunächst das treibende, schnelle „On the Loose“ zu nennen, gefolgt vom eingängigen, anregenden Synthirock „Wind him up“. Die dritte Singleauskoppelung „Time’s up“ ließ – selbst wenn Michael dies immer abgestritten hat – deutliche Referenzen in Richtung New Wave erkennen. Hier klangen SAGA so – und dies ist durchaus positiv gemeint – als wären The Cars eine Progressive Rock Band gewesen! Mehrere Tourneen untermalten den Erfolg des Albums, dem im Herbst 1982 ein Livealbum unter dem Titel „In Transit – Live“ folgte, das die gekonnte Umsetzung der oft „schwierigen“, weil sehr filigran anmutenden Kompositionen SAGAs auch auf der Bühne erfolgreich dokumentierte. Auch 1983 war ein reines SAGA-Jahr. Im Spätsommer erschien das Album „Heads or Tales“, dessen erste Singleauskoppelung „The Flyer“ nicht nur erstmals auch Mainstream-Rezipienten für die Kanadischen Prog- Rocker begeistern konnte, sondern auch den „kleinen, dicken“ Holger Stürenburg, der „The Flyer“ oft gemeinsam mit Klassenkameraden nutzte, falls der Lateinunterricht mal wieder allzu langweilig geraten war, und der ansonsten muntere Schüler dem Einschlafen seiner nur mit der Intonation harter Rocksongs widerstehen konnte. Und man wird es kaum glauben: Nachdem „Wind him up“ und „On the Loose“ in den deutschen Charts nur auf Platz 45 bzw. 33 klettern konnten, war „The Flyer“ der erste (und leider auch einzige) Top 20-Hit der Band, die nun nicht nur Prog-Rock-Fans und Altrocker begeisterte, sondern auch Mainstream-Teenies und Sandkasten-Rocker. Auf der großen SAGA-Tournee im Herbst 1983 erwiesen sich Michael und seine Band zusätzlich als „Talent Scouts“: Der (damals noch recht unbekannte) vollbauchige irische Songwriter Chris Rea begleitete die Band als „Special Guest“, und konnte mit seinen ebenfalls groß gefeierten Auftritten als „Special Guest“ den Grundstein für seine spätere Karriere in Europa legen. Damals erlaubten mir meine Eltern noch nicht allzu viele Konzertbesuche. Ich war ja gerade mal zwölf Jahre alt, aber den Auftritt von SAGA wollte ich mir nicht entgehen lassen. Lieber verzichtete ich freiwillig auf das Konzert von Kim Wilde (wie konnte ich damals nur dorthin wollen???), als daß ich versäumte, mit Michael Sadler und den Tausenden Fans im Hamburger Congress Centrum gemeinsam den „Flyer“ anzustimmen! 1984 nahmen sich SAGA eine verdiente Auszeit, bevor im Herbst 1985 mit der Single „What do I know“ der erste Vorbote des nächsten SAGA-Albums „Behaviour“ erschien. Zwar hatten Teenies und Kindergarten- Rocker die Band inzwischen vergessen (und sich statt dessen A-Ha oder Kajagoogoo zugewandt), aber die traditionellen Rockfans waren vom „Benehmen“ der Band weiterhin sehr angetan. Die Presse jedoch nicht. SAGA-Alben wurden fast durchgehend verrissen, und dem OXMOX fiel in seiner September-Ausgabe 1985 zur Veröffentlichung von „Behaviour“ nur eingangs erwähnter blöder Vergleich mit dem Fernsehtestbild ein. Obgleich „Behaviour“ weiterhin gehobenen klassischen Rock, mit symphonischen Klängen vermischt, beinhaltete, hatte es doch den Anschein, als wollten SAGA zukünftig in seichtere Gefilde einsteigen. „What do I know“ war (wie immer) eine eingängige Komposition, ein Ohrwurm, aber was sollte das poppige Arrangement? Was hatten die weiblichen Chorstimmen dort zu suchen, die Sadlers oft ängstlich, stressig klingende Stimme untermalten??? Die „Behaviour“-Tour war wiederum ausverkauft, aber der Zeitgeist mußte nach und nach ohne SAGA auskommen (respektive SAGA ohne die Unterstützung des Zeitgeistes!). Ihr 87er- Album „Wildest Dreams“ beinhaltete zwar mit dem Titelsong und dem krachigen „Only Time will tell“ zwei eingängige Ohrwürmer, aber hatte man die Titelzeilen der beiden Lieder nicht so eben von den Prog-Rock- Kollegen Asia vernommen??? Ich gestehe ein, sowohl die Asia- als auch die SAGA-Nummern gleichen Titels zu lieben, aber waren SAGA nun nicht Kopisten geworden? Derartiges setzte sich auf ihrem 89er-Album fort, das fast gänzlich ohne Charterfolge auskommen mußte. Als im Jahr 1993 einige Altrocker der 80er Jahre kleinere Comebacks starteten (so z.B. Flash and the Pan, Bryan Ferry oder Robert Plant), erschien von SAGA das Album „The Security of Illusion“, das zwar gut gemachten harten Rock enthielt, der z.B. bei der Single „Days like these“ - schon wieder ein Titel von Asia geklaut! - durchaus ansprechend klang, aber eben nicht mehr SAGA war. So blieb auch „Security of Illusion“ ein zwar gutgemeintes Lebenszeichen der Band, das aber keine bleibenden Eindrücke hinterließ. Und über das, was SAGA sonst so in den 90er Jahren getätigt haben, wollen wir lieber den Mantel des Schweigens hüllen: Alben wie „Generation 13“ oder „Pleasure & Pain“ waren mährige Konzeptalben, gingen zum einen Ohr ´rein und zum anderen Ohr wieder raus! Hits gab es nun keine mehr, die Tourneen glichen matten Revivalshows. Erst 1999 kehrten SAGA mit echtem SAGA-Sound und (so hoffe ich!) SAGA-Hits(!) auf die Bildfläche zurück! Das aktuelle Album „Full Circle“ schlägt tatsächlich einen vollen Bogen aus den 90er Jahren zurück zu den Anfängen der Band, als SAGA – so wie damals der „Melody Maker“ schrieb - ihren speziellen Stil, eine „futuristische Synthese aus Pop und klassischen Elementen“ erschufen, der bis heute einmalig ist. Bereits der Eingangstrack „Remember when“ zeigt alle Qualitäten der Band in nur fünf Minuten gesammelt vereint: Eine schnelle, treibende Melodie mit Ohrwurmqualität, sphärische, ab und zu auch fette Keyboards, symphonische Elemente, rockende Gitarren – und Michael Sadlers unverwechselbare Stimme, die er selbst, wie er mir sagte, oft kaum anhören mag – nur diese neue CD hat er voller Begeisterung mit nach Hause genommen, und sich dort in den CD-Spieler geschoben. Und das Bonmot an „Remember when“, dem Eröffner von „Full Circle“, ist, daß Sadler in diesem Text tatsächlich augenzwinkernd zu den Anfängen zurückkehrt, und aus seinen einstigen Hits „Don’t be late“ oder „How long“ zitiert. Mit dem betont poppigen, aber durchaus „sagaish“ klingenden Song „The One“ könnte sogar mal wieder ein echter Singlehit dabei sein! Im Herbst 1999 starten SAGA ihre aktuelle Deutschlandtournee, die die Band durch alle wichtigen Städte Deutschlands führt. Zu Deutschland hat Michael Sadler sowieso ein sehr positives, enges Verhältnis. Nicht nur, weil die Band hier schon immer ihre größten Erfolge feiern konnte, sondern auch Sadlers Ehefrau aus der BRD stammt, so daß er bereits 1991 nach Deutschland, genauer gesagt, ins Saarland übersiedelte. Kurz vor Beginn der Tournee veranstaltete Michael ein paar Promo-Termine zur neuen CD „Full Circle“. Und bei seinem Münchener Termin stellte er sich auch meinen Fragen. Er ist ein absolut witziger Typ, mit heißen Sprüchen und kein ernster, abgehobener „Rockstar“. Sein bester Spruch während unseres Interviews, den ich mir garantiert merken werde, und den ich in Zukunft sicherlich oft zitieren werde, war jenes Statement zur aktuellen Chartsmucke: "Die Musik der 90er Jahre klingt, als würden Geldscheine statt Tönen aus dem Radio strömen!“ Und damit hat er bekanntlich durchaus recht, wenn man sich